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Mittelalterliche
Geschichtsschreibung

Erchanbert, Kurze Geschichte der Könige der Franken

Unter den wenigen zusammenhängend erzählenden frühmittelalterlichen Geschichtsquellen zum Frankenreich der Merowinger und Karolinger ist das Breviarium Erchanberti zu zählen, das eine "kurze Geschichte der Könige der Franken" vom legendenhaften Herrscher Faramund bis zu Kaiser Ludwig dem Frommen (814-840; 826) wiedergibt, ergänzt um eine nach 881/82 entstandene Fortsetzung des St. Galler Mönches Notker Balbulus (†912) von Ludwig dem Frommen (826) bis Kaiser Karl III. (876-887/88; 881). Als Erstes entstanden ist im Breviarium Erchanberti die Textpassage, die von 584 bzw. 613 bis 826 reicht, womit die in der Quelle angezeigten 242 (= 232+10) Jahre mit der Ermordung des Merowingerkönigs Chilperich I. (561-584) bzw. der Alleinherrschaft des Chilperichsohns Chlothar II. (584/613-629) beginnen. Diese Textpassage zerfällt - in ihrer zeitlichen Entstehung und ihrer inhaltlichen Aufbereitung - in zwei Teile. Teil 1 ist wohl entstanden nach 790 auf der Grundlage des Liber historiae Francorum und der Reichsannalen und enthält die Geschichte der Merowingerkönige und den machtpolitischen Aufstieg der (nicht nur karolingischen) Hausmeier der Zeit von 613-726/27 u.a. mit Seitenblick auf die Verhältnisse in den vom Frankenreich nur teilweise abhängigen Herzogtümern rechts des Rheins. Teil 2, später, d.h. nach 826 verfasst, berichtet über die Zeit von 741-826; der Übergang der Königsherrschaft von den Merowingern zu den Karolingern (751) wird falsch dargestellt, steht aber im Zentrum der Betrachtung des zweiten Autors des Breviarium Erchanberti. Der Textpassage, die die Jahre 584 bis 826 darstellt, vorgeschaltet wurde - wiederum später, nur ungefähr auf die Jahre zwischen 826 und 881/82 zu datieren - eine das 5. Jahrhundert bis 584 umfassende, teilweise legendarische Geschichte der merowingischen Frankenkönige mit einem Schwerpunkt auf der Bekehrung König Chlodwigs I. (482-511) zum Christentum, alles ebenfalls auf der Grundlage des Liber historiae Francorum. Die (anonymen) drei Autoren und Notker Balbulus konnten dabei auf die im Kloster St. Gallen vorhandene Historiografie zur Merowinger- und Karolingerzeit zurückgreifen. Das Brevarium Erchanberti kann damit als erste (erhaltene) Geschichtsschreibung aus dem Kloster St. Gallen eingeordnet werden und verweist somit auf das Bemühen St. Galler Mönche ab der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert, geschichtliche Vorgänge zu strukturieren und aufzuarbeiten. Überliefert ist das Breviarium Erchanberti vollständig, d.h. auch mit den Ergänzungen, in der Handschrift Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. iur. 4° 134 (10. Jahrhundert, Mitte; übernommen aus dem Prämonstratenserkloster Weißenau), unvollständig in der Handschrift Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Reg. Lat. 713 (9. Jahrhundert) und im Codex St. Gallen, Stiftsbibliothek 547 (12./13. Jahrhundert). Alle drei Handschriften verweisen in ihrer (früh-) mittelalterlichen Entstehung auf das Kloster St. Gallen. Hier muss es um die Mitte des 10. Jahrhunderts eine heute verlorene, ursprüngliche Handschrift des Erchanbert-Breviar gegeben haben, aus der abgeschrieben wurde (nach: Zingg, Roland (2022), Das 'Breviarium Erchanberti' - der Beginn der St. Galler Historiographie? Analyse, Edition und Übersetzung, in: FMSt 56 (2022), S.109-149).

Edition: USSERMANN, A., Germaniae sacrae prodromus seu collectio monumentorum res Alemannicas illustrantium, Bd.1, St. Blasien 1790, S.XLI-XLIX; Breviarium regum Francorum, hg. v. G.H. PERTZ, in: Monumenta Germaniae Historica. Scriptores (in Folio), Bd.2: [Scriptores rerum Sangallensium], hg. v. G.H. PERTZ, 1829, Nachdruck Stuttgart-New York 1963, S.327-330; ZINGG, R., Das 'Breviarium Erchanberti' - der Beginn der St. Galler Historiographie? Analyse, Edition und Übersetzung, in: FMSt 56 (2022), S.109-149. - Übersetzung: BUHLMANN.

Nachdem König Faramund gestorben war, der der erste König über die Franken war, erhoben sie [die Franken] dessen Sohn Chlodio [5. Jahrhundert, 2. Viertel], der auch wie sein Vater langhaarig war, in das Königtum seines Vaters. Sie fingen zu dieser Zeit damit an, gelockte König [über sich] zu haben. Nachdem [dieser] gestorben war, empfing Merowech aus demselben Geschlecht das Königtum. Und Chlodio herrschte 20 Jahre. Von diesem König Merowech an sind die tüchtigen Könige der Franken Merowinger genannt worden. Merowech hatte einen Sohn mit Namen Childerich, der mit seiner Ehefrau Basina den Sohn Chlodwig zeugte. Dieser war von allen Königen der Franken der größte König und der tapferste Kämpfer. Danach starb König Childerich [I., ca.460-482], und er hatte 24 Jahre geherrscht.
Dessen Sohn Chlodwig [I., 482-511] empfing das Königreich der Franken auf männliche Weise. Er empfing mit Vermittlung seines Gesandten Aurelian seine Ehefrau mit Namen Chrodechilde, die Tochter [des Burgunderkönigs] Chilperichs [II., †v.477], des Sohns des Königs Gundowech [v.455-474?] der Burgunder, der aus dem Geschlecht des [westgotischen] Königs Athanarich [†381] stammen soll. Es war aber Chrodechilde sehr christlich, die Franken waren indes damals noch Heiden und Rasende, die Götzenbilder und Abbilder anbeteten. Sie forderte jeden Tag von ihrem Herrn Chlodwig durch viele Beschwörungen und Ermunterungen, Christ zu werden. Während jener aber dies hinauszögerte, geschah es, dass die Heere der Franken und Alemannen sich bekämpften und überaus viele Leute aus Chlodwigs Reihen fielen. Sein Gefolgsmann Aurelian sah dies und sagte zum König: "Mein Herr König, glaube nur an den Gott des Himmels, den die Königin preist!" Jener [Chlodwig] aber brach in Tränen aus, nachdem er die Augen erhoben hatte, und sagte: "Jesus Christus, den Chrodechilde, meine Ehefrau, rühmt, ich glaube an dich, der du in der Not zu Hilfe kommst, der du Hilfe gibst den an dich Glaubenden. Ergeben fordere ich deine Unterstützung, damit, wenn du mir den Sieg über diese unsere Feinde gibst und ich jene Kraft verspüre, die die Völker von dir verkünden, ich an dich glauben und in deinem Namen getauft werde. Ich habe nämlich meine Götter [bisher] angerufen, und sie haben mir, wie ich sehe, keine Hilfe gegeben. Daher glaube ich, dass diese keine Macht haben, die den an sie Glaubenden nicht helfen. Dich aber werde ich als Gott und Herrn anrufen, und ich sehne mich, an dich zu glauben, wenn ich nur von meinen Feinden befreit werde." Und als er dies bittend ausrief, wandten sich die Alemannen zur Flucht und [den Franken] den Rücken zu. Und als sie sahen, wie ihr König starb, unterwarfen sie sich dem Chlodwig und sagten: "Wir bitten dich: Verschone uns, Herr König, damit [unser] Volk nicht noch mehr unterliegt; wir gehören schon dir." Danach befahl der König, die schon drohende Verheerung [Alemanniens] zu beenden, und unterwarf die Alemannen und stellte sie und deren Land unter das Joch der Abgabepflicht. Und nach dem Sieg kehrte er nach Franken zurück zu seiner Königin und erzählte ihr, wie er durch die Anrufung des Namens Jesu Christi den Sieg erlangte. Dies geschah im 15. Jahr der Herrschaft Chlodwigs [496].
Danach rief die Königin heimlich den heiligen Remigius [†533], Bischof der Stadt Reims, herbei und bat ihn, dem König den Weg des Heils zu zeigen. Der Priester predigte dem [König], zur Taufe zu kommen. Als der König aber zusammen mit den meisten vom Volk dem freiwillig zustimmte, wurde von der Königin die Taufkirche mit vielem Prunk geschmückt. Es kam der neue Konstantin [Chlodwig] zur Taufe, nachdem er der Gefolgschaft des Teufels abgeschworen hatte. Er schritt zur Taufe, und der Heilige Gottes [Remigius] sprach so in bedeutungsreicher Rede: "Beuge sanft den Nacken, Sugambrer, bete an, was du [bisher] in Brand gesteckt hast, verbrenne, was du [bisher] verehrt hast!" Es war aber der heilige Remigius ein sehr weiser Mann, ein berühmter Redner mit vielen Tugenden. Deshalb bekannte sich der König zum allmächtigen Gott und zur Dreieinigkeit, und er wurde getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und empfing die heilige Salbung mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus. Getauft wurden von seinem Heer mehr als dreitausend Krieger. Getauft wurden auch seine Schwestern mit Namen Albofleda und Landechilde am selben Tag, und später wurde das gesamte Volk der Franken getauft. Als nämlich der heilige Remigius dem Chlodwig in weißem Taufgewand durch eine Lesung aus dem Evangelium offenbarte, was unser Herr Jesus Christus gelitten hatte, sagte Chlodwig: "Wenn ich dort mit meinen Franken gewesen wäre, hätte ich dieses Unrecht gerächt." Mit diesen Worten bezeugte er schon [seinen] Glauben und bestätigte, dass er ein wahrer Christ war.
Von der größeren Bußprozession [vor Christi Himmelfahrt]: Zu diesen Zeiten gab es in Vienne sein sehr schweres Erdbeben, wobei viele Kirchen und die Häuser vieler erschüttert wurden und einstürzten. Viele wilde Tiere irrten dort umher; Wölfe, Bären und Hirsche drangen durch das Tor der Stadt ein und verschlangen die meisten [Bewohner]; über ein ganzes Jahr taten sie dies. Als der Sonntag des heiligen Osterfestes nahte und als der heilige Mamertus [†n.474], der der Bischof dieser Stadt war, am Vortag die Messopfer feierte, wurde auch der königliche Palast, der in dieser Stadt lag, durch göttliches Feuer verbrannt. Und als dies geschah und Christi Himmelfahrt nahte, kündigte der heilige Mann Gottes dem Volk drei Fastentage mit Wehklagen und Reuebekundungen an; von da an wurden die Fastentage immer gefeiert. Danach hörten Leiden und Verderben auf. Daraufhin ahmten alle Kirchen und die Priester dieses Beispiel nach, bis heute pflegen sie überall die dreitägigen Bußprozessionen zu feiern.
Dann lenkte und führte König Chlodwig sein ganzes Heer und das Volk der Franken nach Poitiers gegen die arianischen Goten. Dort nämlich hielt sich damals der König Alarich [485-507] der Goten auf. Der größere Teil [des fränkischen Heeres] zog auch gegen die Feinde durch das Gebiet von Tours. Auch befahl der König [Chlodwig] aus Verehrung für den heiligen Martin nichts anderes zu tun, außer zur Verpflegung der Pferde sich Gras zu nehmen. Deshalb schickte der König zur Kirche des seligen Martin Gesandte mit vielen Geschenken und seinem schnellsten Pferd, das der König am meisten liebte. Nach seinem Sieg [Schlacht bie Vouillé 507] tötete Chlodwig den König der Goten Alarich und brachte die meisten von dessen Schätzen an sich. Daraufhin kehrte der Sieger zur Stadt Tours zurück und teilte der Kirche des heiligen Martin wiederum viele Geschenke zu. Das Pferd, das er zuvor dieser Kirche geschickt hatte, erbat er von den Geistlichen dort für 100 Goldmünzen zurück, damit er es empfange. Nachdem er das Geld gegeben hatte, bewegte jenes Pferd sich in keiner Weise. Aber jenes sagte: "Gib weitere 100 Goldmünzen!" Und als sie [die Franken] die weiteren 100 Goldmünzen übergeben hatten, ging das ausgelöste Pferd sogleich mit fort. Da sagte der König mit Fröhlichkeit: "Wahrlich, der selige Matrtin ist gut beim Helfen und teuer beim Verhandeln."
Vom Kaiser Athanasius [Anastasius I., 491-518] empfing König Chlodwig ein Patent für das [römische] Konsulat. Bekleidet mit einem purpurnen Gewand und mit einer goldenen Krone auf seinem Kopf, aufsitzend zu Pferd, verteilte der König im Vorhof der Kirche des seligen Martin, der zwischen der Stadt und der Kirche des seligen Martin gelegen ist, mit eigener Hand unter das anwesende Volk Gold und Silber und verschenkte [alles] mit freigebigem Willen. Von diesem Tag an ["Tag von Tours" 508] wurde er sowohl Konsul als auch Augustus genannt.
Nach all dem, auch nach vielen Kriegen und noch mehr Siegen, starb Chlodwig in Frieden [511]; und er herrschte 30 Jahre.
Daher teilten nach dem Tod des Königs Chlodwig seine vier Söhne Theuderich [I., 511-533], Chlodomer [511-524], Childebert [I., 511-558] und Chlothar [I., 511-561] sein Königreich zu gleichen Teilen unter sich auf. Als Anteil erhielt Theuderich Metz, Chlothar Orléans, Childebert Paris und Chlothar Soissons. Chlothar erlangte nach dem Tod der Brüder das [ganze] Königreich; er starb nach vielen Kriegen im einundfünfzigsten Jahr seiner Herrschaft [561].
Seine vier Söhne Charibert [I., 561-567], Gunthramn [561-592], Chilperich [I., 561-584] und Sigibert [I., 561-575] führten unter sich eine rechtmäßige Teilung [des Frankenreichs] durch. Und Charibert empfing das Königreich Childeberts und nahm seinen [Herrschafts-] Sitz in Paris ein. Gunthramn empfing das Königreich Chlodomers und nahm seinen [Herrschafts-] Sitz in Orléans ein. Chilperich emfing das Königreich seines Vaters Chlothar und nahm seinen [Herrschafts-] Sitz in Soissons ein. Sigibert aber empfing das Königreich des Theuderich und bestimmte Reims als [Herrschafts-] Sitz. Chilperich heiratete nach anderen Ehefrauen Fredegunde [†596/97], von der er Söhne [Samson, Chlodobert, Dagobert, Theuderich] empfing, die [bald] starben. Nach diesen gebar sie [Fredegunde] einen anderen Sohn, den sie Chlothar [II., 584-629] nannten. Dieser wurde später ein großer König, der den [König] Dagobert [II., 623-639] zeugte. Chilperich herrschte 23 Jahre und starb [dann]. Fredegunde aber mit König Chlothar, ihrem kleinen Sohn, behauptete mit Landerich, den sie [die Franken] zum Hausmeier wählten, die Herrschaft. Die Franken im Königreich setzten den besagten kleinen Chlothar als König über sich.
Chlothar, der König von Austrien, empfing, nachdem die königlichen Brüder Theuderich [II., 596-612] und Theudebert [II., 596-612] verstorben waren, deren Herrschaft [613] mit Rat und Hilfe des älteren Pippin [†640], der zu jener Zeit Hausmeier war. Und der besagte König verfügte in Alleinherrschaft über drei Königreiche [Austrien, Neustrien, Burgund] 16 Jahre lang, wie es jener heilige Abt Columban [der Jüngere, †615] zuvor prophezeit hatte, als jener König Theuderich auf Anstiften der [Königin] Brunichilde [†613], seiner Großmutter, jenen aus dessen Kloster vertrieben hatte. Diese [Brunichilde] ließ er [Chlothar] sofort ergreifen und machte [ihrem] Leben auf schändlichste Weise ein Ende. Damals war Gundoland Hausmeier, ein herausragender Mann.
Nicht viel später schickte der besagte König [Chlothar] den Pippin [den Älteren] nach Austrien zusammen mit seinem schon erwachsenen Sohn Dagobert, den er dort als König einsetzte und für den er [Pippin] als Hausmeier und als Lehrer bestimmte. Dagobert herrschte nach dem Tod des Vaters 16 [10] Jahre. Dieser [war] ein großartiger Wohltäter und Stifter für die Kirchen Gottes. Sein Hausmeier war Erchinoald [†658], ein angesehener Mann. Unterdessen war Pippin Herzog in Austrien und starb nicht viel später [640] nach dem Tod des Königs Dagobert [639]. König Chlodwig [II., 639-657], der Sohn des Dagobert, herrschte 16 Jahre. Er war jeder Unflätigkeit ergeben. Sein Bruder war Sigibert [III., 639-656], der König von Austrien, der Hausmeier der gleiche [?], wie der oben [genannte]. König Chlothar [III., 657-673], der Sohn des Chlodwig, starb noch im Knabenalter seiner Jugend. Und er herrschte 4 [16 bzw. 8] Jahre; der Hausmeier war Ebroin [†680]. König Theuderich [III., 673-690], der Sohn Chlodwigs, [war] der Bruder des Chlothar und herrschte 19 Jahre; der Hausmeier war Berthar [686/87]. Nachdem dieser getötet worden war, folgte ihm der jüngere Pippin [der Mittlere, †714], der Sohn des Ansegisel [†v.679], in Austrien im Fürstentum der Hausmeier nach.
Damals fing die Zeit der Könige an, die [nur] den Namen, aber nicht die Würde [eines Königs] besaßen. Es gab für sie einen vorzüglichen Lebensunterhalt, soweit er ihnen zugestanden worden war, und sie standen unter dem Joch der Bewachung, damit sie das Recht der Machtausübung nicht ausüben konnten. In jenen Zeiten nämlich wollten der Herzog Gottfried [ca.700/09] der Alemannen und die übrigen Herzöge ringsherum den Führern der Franken nicht gehorchen, weil sie nicht den merowingischen Königen dienen konnten, wie sie es von alters her gewohnt waren. Daher ging jeder einzelne [Herzog] seine eigenen Wege, bis endlich nach dem Tod des Herzogs Gottfried Karl [Martell, †741] und die übrigen Fürsten der Franken sich, soweit sie konnten, bemühten, jene [Herzöge] allmählich an sich zu binden.
Chlodwig [III., 690-694], noch ein Junge, den Sohn des Theuderich, bestimmten sie [die Franken] zum König; er herrschte bloß 2 [4] Jahre; Hausmeier war Pippin, wie oben [genannt]. Childebert [III., 694-711], den Sohn des Theuderich, den Bruder Chlodwigs, setzten sie [die Franken] in das Königtum ein; er herrschte 17 Jahre, als Hausmeier wurde Grimoald [†714] eingesetzt, der Sohn Pippins, weil Pippin selbst zu erkranken begann und an der Krankheit starb [714] und inzwischen Grimoald getötet wurde. Dagobert [III., 711-715/16], den Sohn des Childebert, setzten sie [die Franken] als König ein; er herrschte 5 Jahre; der Hausmeier war Theudoald [714-715], der Sohn des Grimoald, nach ihm Raganfred [715-719].
In jenen Zeiten wurde Karl [Martell], der Sohn des Pippin von einer Konkubine, von Plektrud, der Ehefrau dieses Pippin, in Gefangenschaft gehalten; durch die Hilfe des Herrn entwich er mit Mühe. Den Daniel, einstmals ein Geistlicher, dessen Haupthaar gewachsen war, setzten die Franken als König ein und nannten ihn Chilperich [II., 716-721]. [Dies geschah,] weil sie wegen der fehlenden Auswahl beim Königsgeschlecht jenen bestimmten, den sie als mit den Merowingern verwandt finden konnten, und weil die Merowinger, wie sie [die Geschichtsschreiber] sagen, wie vor Zeiten die Nasiräer [jüdische Eremiten] nie ohne Haupthaar waren. Und er [Chilperich] herrschte 6 Jahre. Inzwischen floh der Fürst Karl zu den Austrasiern und den väterlichen Machtzentren. Und dort raubte er die [väterliche] Herrschaft und setzte für sich den König mit Namen Chlothar [IV., 717-719] ein. Viele Kriege mit König Chilperich und dessen Hausmeier mit Namen Raganfred führte er und überwand diese, wie er wollte [Schlachten bei Amblève 716, Vinchy 717, Soissons 718], und empfing von Plektrud den Schatz seines Vaters. Und sein König Chlothar starb nicht viel später.
Die Franken bestimmten für sich den Theuderich [IV., 721-737], den Sohn des jüngeren Dagobert [III.], als König, der im Kloster Chelles aufgewachsen war; er herrschte 6 [16] Jahre, der Hausmeier und Fürst war Karl. Dieser verwaltete schon auf männliche Weise die beiden Königreiche [Austrien, Neustroburgund] und führte immer Kriege mit den Königen und Herzögen ringsumher, um sie zu überwinden und besiegte alle, die ihm entgegenstehen sollten.
Daher teilte der besagte Fürst [Karl Martell] auf Rat seiner Großen, nachdem der König [darum] gebeten und überredet wurde, wobei jener [zunächst] nicht wollte, endlich [aber] zustimmte, unter seine beiden Söhne Karlmann [741-747] und Pippin [den Jüngeren, 741-768] das Königreich der Franken auf und beendete sogleich nach einer Krankheit sein Leben im Jahr 741.
Karlmann also und sein Bruder Pippin hatten 10 [6] Jahre, nachdem das Königreich unter ihnen geteilt worden war, die Herrschaft über die Franken zu gleichen Teilen inne. Unterdessen behielt, wie sie [die Geschichtsschreiber] sagen, der besagte Theuderich den Königstitel als Namen, nicht [aber] das Königreich, [dies] aber mit geringerer Würde, als die vorhergehenden Könige sie besaßen. Lediglich wenn die besagten Fürsten Schenkungsurkunden abfassten, fügten sie am Ende des Schriftstücks seinen Namen und sein [Regierungs-] Jahr ein.
Der Fürst Karlmann nämlich vertraute im sechsten Jahr [seiner Herrschaft] das Königreich und seine Söhne dem Bruder an, damit [dies]er jene, wenn sie das [entsprechende] Alter erreicht hätten, mit der Königsherrschaft erhöhte. Er [Karlmann] schor sich das Haupthaar und brach nach Rom zum heiligen Petrus auf. Er zog weiter zum Kloster des heiligen Benedikt [Montecassino] und unterwarf sich der regelgerechten [Mönchs-] Disziplin.
Pippin nämlich stieg zuvor zum König auf. Der Papst von Rom mit Namen Stephan [III., 752-757] kam in das Gebiet der Franken, um den besagten Fürsten darum zu bitten, dass er ihm gegen den König der Langobarden Aistulf [749-756] Hilfe leiste, weil dieser vomn heiligen Petrus sowohl Städte als auch übrige Orte und Gebiete in Besitz genommen hatte. Es wird berichtet, dass der besagte Fürst antwortete: "Ich habe einen Herrn König, ich weiß nicht, was er will." Aber der Papst forderte mit denselben Bitten vom König [Childerich III., 743-751] Hilfe. Darauf sagte der König: "Siehst du nicht, Papst, dass ich der königlichen Würde und Gewalt entbehre? Auf welche Weise kann ich helfen?" Der Papst sagte: "Es ist wahr, dass dies gerecht ist, weil du einer solchen Ehre nicht würdig bist." Und zurückgekeht zum Fürsten Pippin, sagte er: "Ich befehle dir mit der Autorität des heiligen Petrus: Schere diesen [König] und schicke ihn ins Kloster. Denn beherrscht er irgendein Land? Weder sich selbst noch anderen ist er nützlich." Sofort wurde er [der König] geschoren und ins Kloster geschickt. Dann sagte der Papst zum Fürsten: "Der Herr und die Autorität des heiligen Petrus haben dich erwählt, damit du der Fürst und König über die Franken bist." Und sogleich setzte er jenen als König ein und weihte ihn und weihte dessen Söhne, von denen er damals zwei hatte, Karl und Karlmann, zu Königen. Aber jener König Pippin versprach feierlich, alles zu tun, was jenem [dem Papst] gefällt. So tat er es später. Und König Pippin herrschte nach seiner Weihe 17 Jahre.
Die Könige Karl [768-814] und Karlmann [768-771], Söhne des Pippin, hatten die Königreiche vier Jahr gleichzeitig inne. König Karl herrschte für sich 45 Jahre; Papst Leo [III., 795-816] weihte diesen im dreißigsten Jahr seines Königtums zum Kaiser [römische Kaiserkrönung 800]. König und Kaiser Ludwig [der Fromme, 814-840] herrscht, begünstigt von Gott, glücklich im 19. Jahr. Von König Chlothar [II.] bis zum gegenwärtigen 13. Jahr des Kaisers Ludwig [826] beträgt die Anzahl der Jahre 232 [und] zehn.

[Fortsetzung:] Kaiser Ludwig verließ im 27. Jahr seines Königtums, im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 840, Indiktion drei, an den 12. Kalenden des Juli [20. Juni 840] dieses Leben.
Zwei Jahre nach dessen Tod [Vertrag von Verdun 843] teilten dessen drei Söhne nach heftigstem Kampf, der zwischen diesen um die Teilhabe am Königtum entbrannte, Europa auf diese Weise: [Ludwigs] Erstgeborener Lothar [I., 817-855] empfing Italien, Burgund und einen Teil der Gallia Lugdunensis, das Moselgebiet und den Teil von denen, die die alten Franken genannt werden. [Lothars] Bruder aber, der ruhmwollste König Ludwig [II. der Deutsche, 840-876], empfing ganz Germanien, das ist das ganze Ostfranken, Alemannien oder Rätien, Bayern, Sachsen und viele barbarische Stämme. Ferner empfing der junge Karl [II. der Kahle, 840-877] durch die Anstrengung seiner sehr verschlagenen Mutter Judith fünf Provinzen, die Viennensis, das Gebiet der Haeduer, die Gallia Narbonensis und einen Teil der Belgica bzw. der Lugdunensis. Der vierte Bruder [der Neffe Lothars, Ludwigs und Karls] aber mit Namen Pippin [II., 838-852] hielt Aquitanien, Spanien, die Gascogne und Gothien, die er von seinem Vater [Pippin I., 814-838], als er noch lebte, empfangen hatte, bis zum Lebensende gegen den Willen seiner [der] Brüder fest. Die Provinz, die als Eigennamen ["Provence"] so heißt, schwankte immer zwischen [der Herrschaft von] diesen oder jenen.
Die Söhne Lothars, Ludwig [II., 855-875] und Lothar [II., 855-869], teilten das Königreich ihres Vaters so, dass Ludwig Italien mit dem Kaisertitel, Lothar den Anteil seines Vaters diesseits der Alpen bekam.
Ludwig aber, der König Germaniens, sorgte viele Jahre vor seinem Tod vor, indem er wegen des Friedens mit Bedacht sein Königreich zwischen seinen drei berühmtesten Söhnen, die er mit der Königin Emma zeugte, so teilte, dass er seinem kriegstüchtigsten Erstgeborenen Karlmann [876-880] Bayern und einen Teil der barbarischen Stämme zur Leitung überließ; hinsichtlich [des Anteils an] seinem Königreich, [der das Gebiet] der Franken und Sachsen ist, machte er seinen Sohn Ludwig [III. den Jüngeren, 876-882] zum Erben; weiter bestimmte er den mildesten Karl [III. den Dicken, 876-888] zum Leiter über Alemannien, Großrätien und auch Chur. [Dies tat er,] damit, während er lebte, seine Söhne wenigstens die ihnen zugewiesenen Höfe innehatten, kleinere Angelegenheiten regeln konnten und alle Bistümer und Klöster und nicht zuletzt die Grafschaften, auch das Königsgut sowie größere Gerichtsfälle überwachen sollten.
Indes starb Ludwig, der König Germaniens, im sechsunddreißigsten Jahr nach dem Tod seines Vaters, des Kaisers Ludwig, in Frankfurt an den 5. Kalenden des April [28. März 876]; und er wurde in Lorsch in der Kirche des heiligen Nazarus begraben und hinterließ die drei oben genannten Söhne als Erben seines Königtums; hinzugefügt wurde auch seinem Königreich die Hälfte des Königreichs Lothars [II; Vertrag von Meersen 870].
Währenddessen starb Ludwig [II.], der Bruder Lothars [II.], im voraufgegangenen Jahr [875] vor Ludwig, dem König Germaniens, in Italien; und Karlmann, ein Bruder dieser [Söhne Ludwigs des Deutschen], besetzte Italien bis zum Po. Karl [der Kahle] aber drang von Gallien aus in dieses [Italien] über den Po ein und starb auf dem Rückweg, er verlor das Kaisertum an Karlmann, während er zuvor das Königreich Pippins [II.], der - abgesehen vom Mainzer Erzbischof Karl [856-862, als Sohn Pippins I.] - keine Verwandten hatte, seinem Königreich einverleibt hatte.
Dann wurde Karlmann etwas später in der Zeit, als er Italien behauptete, von schwersten und unheilbaren Krankheiten befallen; nach Bayern zurückgekehrt und während er noch lebte, übergab er seinem frommsten und vertrauensvollsten Bruder Karl [dem Dicken] die Herrschaft über Italien.
Und jener, begleitet von einem großen Heer, eroberte unvermutet dieses [Italien] ganz, und er kam nach Ravenna [879] und befahl, den römischen Papst mit Namen Johannes [VIII., 872-882] zu sich zu rufen, aber auch den Patriarchen von Friaul [Aquileia] und den Erzbischof von Mailand sowie alle Bischöfe und Grafen und die übrigen Großen aus Italien. Und dort wurde er von diesen zum König bestimmt, und er band alle außer dem Bischof des apostolischen Sitzes durch Eid an die Hingabe für seine Angelegenheiten. Bei diesem Hoftag war auch Liutbert, der Bischof von Mainz [863-889], auf Befehl König Ludwigs [des Jüngeren] anwesend.
In diesem Jahr [880], dem vierten nach dem Tod seines Vaters, beschloss auch Karlmann sein Leben. Im folgenden Jahr [881] aber - das war nach der Fleischwerdung [Christi] 881, Indiktion 14 - reiste derselbe mildeste Karl, dem großen Kaiser und seinem Großvater Karl [dem Großen] an Weisheit und Eifer und Erfolgen im Krieg gleich, aber an Friedfertigkeit und Glück [diesem] überlegen, mit allen Großen Italiens und vielen aus Franken und Schwaben nach Rom und wurde vom römischen Bischof mit einer Krone aus dem Schatz des heiligen Apostels Petrus gekrönt und zum Kaiser geweiht sowie als Augustus Caesar ausgerufen. Von da an regierte er, begünstigt durch göttliche Gnade, ein sehr befriedetes Reich. Die Herrin Ricarda wurde wie er als Gefährtin im Königtum von demselben apostolischen [Bischof] erhöht.
Karl [der Kahle] von Gallien aber hinterließ nur einen Sohn mit Namen Ludwig [II., 877-879] als Nachfolger, der nur sehr kurze Zeit nach dem Tod des Vaters lebte und bei seinem Tod zwei überlebende Söhne hatte, Ludwig [III., 879-882] und Karlmann [879-884], die nun im jugendlichen Alter als Hoffnung Europas heranwachsen und schon blühen. Karlmann nämlich, der Sohn des großen Ludwig [des Deutschen], hatte keine Söhne außer einem mit Namen Arnulf [von Kärnten, 887/88-899] von einer adligen Frau gewiss, aber nicht empfangen in gültiger Ehe, der heute lebt und - oh! - leben möge, damit die Leute [das Geschlecht] des großen Ludwig [des Deutschen] vor dem Haus Gottes nicht ausgelöscht werde!
In ähnlicher Weise hat König Ludwig [der Jüngere] von Franken einen Sohn mit Namen Hugo, einen sehr kriegerischen und kriegserfahrenen Jüngling, von einer Konkubine aus vorzüglichstem Geschlecht, der in diesem Jahr [880] im Krieg gegen die Barbaren mit den gottesfürchtigsten Bischöfen Dietrich und Markward und mit Bardo, dem Bruder der Königin Liutgard, beim Untergang der Franken [in der Schlacht bei Thiméon 880] fiel. Kurz zuvor war der Sohn dieser Liutgard vom Herrn Ludwig [als Sohn] angenommen worden. Ihn ereilte ein plötzlicher Tod auf dem Weg nach Bayern, als Karlmann noch lebte; ich kenne den Grund dafür nicht, die Meinung des schwankenden Volkes darüber ist vielgestaltig.
Nun also liegt es allein in der Hand des allmächtigen Gottes, mit dessen Zustimmung alles gelenkt wird, beim Herrn Kaiser Karl [dem Dicken], noch jung im Alter und an Sitten allen Alten überlegen, und der frömmsten Königin und Kaiserin Ricarda, einen Nachkommen zu zeugen. Dadurch werden die Gewalttätigen und - schlimmer - die Räuber, die, solange der heiterste Kaiser Karl und sein Bruder, der Herr König Ludwig [der Jüngere], leben, es nicht wagen, ihr Haupt zu erheben, mit göttlicher Hilfe niedergedrückt. Dies übergehen wir inzwischen aus Rücksicht mit Schweigen, bis sie [die Gewalttätigen und Räuber] entweder den irdischen Fürsten unterworfen sind und Nachsicht für ihre Torheit erhalten oder wie die Störer des Staates zu Asche verbrannt und in alle Winde verstreut und mit Namen oder besser namenlos in Ewigkeit in ihrem Andenken verdammt werden.

Bearbeiter: Michael Buhlmann

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