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Mittelalterliche
Geschichtsschreibung

Translation des heiligen Epiphanius von Pavia

Der Hildesheimer Bischof Othwin (954-984) veranlasste bei seinem Aufenthalt in Pavia (962) den "heiligen Diebstahl" vorzugsweise von Reliquien des heiligen Paveser Bischofs Epiphanius (466-497). Hauptausführender der Unternehmung war der Hildesheimer Priester Tankward. Obwohl der Diebstahl entdeckt wurde, gelang es Othwin, der die Reliquien zum Kloster Reichenau vorausgeschickt hatte, diese wohlbehalten nach Hildesheim zu überführen. Feierlich wurden die Reliquien dort im Dom untergebracht und wirkten alsbald Wunder.
Die "Translation des heiligen Epiphanius" ist von einem anonymen Verfasser aus dem Umkreis des Hildesheimer Domstifts nach Othwins Ableben, wahrscheinlich zur Zeit des Hildesheimer Bischofs Bernward (993-1022) wenig kunstvoll niedergeschrieben worden.

Edition: Translatio sancti Epiphanii, in: Monumenta Germaniae Historica. Scriptores (in Folio), Bd.4, hg. v. G.H. PERTZ, 1841, Ndr Stuttgart 1968, S.248-251. - Übersetzung: BUHLMANN.

[Translation des heiligen Epiphanius]
Es steht zu Gebote, die weise und in ihrer Wirkung barmherzige Vorausschau der Gnade Gottes mit menschlicher Liebe und nicht mit Würde zu bewundern und hell genug zu betrachten. Diese [Gnade] erblickt so vom Beginn seiner Kirche im Voraus den Beistand für die Auserwählten, damit sie, während der Teufel zum Kampf aufwiegelt, durch die Verdienste der Frommen als Siegerin die [Sieges-] Palme und den Ruhm erlangt. Ganz Sachsen spendet mit geistlicher Fröhlichkeit Beifall und bezieht die meisten Pfänder der Heiligen im Herzen mit ein; es schätzt und verehrt sie, es folgt in jeder Weise dem Pfad des gegenwärtigen Lebens und der Hoffnung auf das zukünftige gemäß dem sicheren Glauben jener [Heiliger]. Unter diesen [Heiligen] sticht wie ein Lichtträger hervor der ehrwürdige Vater Epiphanius, ein bewundernswerter Lehrmeister aus Pavia, nun der große Verteidiger unseres Vaterlandes, ein Mann, der in seiner Zeit von allen in der Tugend nachgeahmt wurde. Weil der Herr es deshalb für würdig befand, unser Vaterland dem Schutz eines so berühmten Mannes anzuvertrauen, sind nach seiner Vorsehung die heiligen Reliquien zuerst entdeckt und dann bis zu uns geführt worden, weil der Eifer des Herrn Othwin, des ehrwürdigsten Bischofs unseres Kirche [Hildesheim] danach strebte. Ich weiß von denen, die bei dem glücklichsten Dienst [der Reliquientranslation] dabei waren, während das meiste der ehrwürdige Priester Tankward bezeugte, der sich bei dieser Sache besonders anstrengte. Fürwahr nicht durch Können herausgehoben, aber vom geschuldeten Eifer der Frömmigkeit begeistert, übergebe ich demütig den Späteren das sehr sorgfältig Überlieferte zum Gebrauch.
1. Als Berengar [950-961] zusammen mit seinem Sohn Adalbert die Herrschaft über das italische Königtum übernahm und beide für sich die Krone eines Volkes usurpierten, entbrannte Berengar selbst durch die Glut des Geizes in solchem Ausmaß, dass er, vom Geld gefangen, Recht und Gesetz verwirrend, einen Teil des Gebiets des heiligen Petrus in der Art einer Plünderung an sich riss. Um dessen Wildheit zurückzudrängen, wurde Otto der Große [936-973], der König diesseits der Alpen, durch Gesandte des apostolischen Herrn Oktavian, der auch Johannes [XII., 955-963] heißt, nach Rom eingeladen, damit er entweder das Patriziat über die Stadt Rom, das ihm von seinen Vorfahren zukommt, übernehme oder die aus dem Ruder geratenen Dinge berichtige. Er wurde daher umgürtet durch gemeinsamen Beschluss und Rat als wehrhafter Krieger der Kirchen und herausragender Fürst gegen den apostolischen Feind, umgeben von Unbesiegbarkeit, geschmückt auch durch die Schar der Bischöfe. Unter diesen war der Herr Othwin, der Bischof unserer Kirche, diesem Fürsten sowohl vertraut als auch durch Treue erprobt. Nachdem etwas später Berengar in der Burg des heiligen Leo gefangen und mit seiner Frau nach Bayern zur Bewachung geschickt wurde, Adalbert nichtsdestotrotz geflohen war und nachdem den Kirchen der Frieden wiedergegeben worden war, wurde Otto in Rom mit apostolischen Segen schon zum Patrizius und Kaiser gemacht; er zog sich [daraufhin] nach Pavia zurück. Er erneuerte kanonisch die Kirchen in Italien und Tuszien, die durch die Grausamkeit und Verschwendung der früheren Fürsten vernachlässigt und verwüstet worden waren, und stellte den alten Zustand wieder her.
2. Um diese Zeit bemühte sich Bischof Othwin, Wächter und Seelsorger der Herde des Herrn, wenn auch körperlich von den Seinen getrennt, dennoch mit jenen verbunden durch die diesen entgegengebrachte bewundernswerte Liebe und Zuneigung, das zusammenzubringen, was er zum Nutzen seiner Kirche und zur Zweckmäßigkeit der Geistlichkeit als hilfreich ansah. Insbesondere, damit er sichere Schutzmittel für sich und die Seinen gewönne, erbat er von Bischöfen Reliquien von Heiligen, von denen er zuverlässig erfuhr, dass sie dort vorzugsweise verehrt wurden, und erhielt sie leicht. Und gleichsam sah sich der kluge Mann um, damit er nicht durch die List eines anderen beim Erwerb der Reliquien gestört werde. Nichtsdestotrotz bracht er solche Abschriften von Büchern sowohl geistlichen als auch philosophischen Inhalts zusammen, dass die, die zuvor durch Muße träge waren, nun in Eifer entbrannt waren. Und weil er sich bzgl. dieses Erfolgs von jeglichem Hochmut der Prahlerei fernhielt, brachte er durch göttliche Gnade auf wundersame Weise jene heiligsten Pfänder des seligen Epiphanius, eines gewissen Bischofs von Pavia, zusammen.
3. Weil nämlich jener ehrwürdige Vater stark bewegt war von göttlicher Furcht und glaubte, die Knochen der Heiligen heimlich zu entwenden oder entgegen einer Warnung von Weissagung und Anmaßung wegzuschaffen, hielt er die Entscheidung in seinem Geist endlich in der Schwebe, damit weder er selbst durch seine Haltung abkam vom Wagnis, damit zu beginnen, noch davon, was getan werden musste. Daher steht fest, dass unser Bruder, der ehrwürdige Priester [Tankward], den wir oben erwähnt haben, Vertrauen schenkte dem Entschluss seiner [Othwins] auf göttlichem Ermessen beruhenden Überlegung; er war in jeder Weise mit Eifer dabei, weil er solches versuchen und vollenden wollte; er war nämlich ein an Alter fortgeschrittener, an Verstand einfacherer [Mann], geschwächt von häufigen Gebeten zwischen Fasten und Nachtwachen. Endlich war er nicht beraubt der Hilfe des Bischofs; je scharfsinniger dieser sich damit auseinandersetzte, desto feinsinniger gab er Rat.
4. Nachdem die Feiern zum Fest der Fasten ausgeführt worden waren, brachte auf göttliche Eingebung hin, wie ich glaube, ein Priester des Mindener Bischofs Landward [958-969] Nachrichten; unserem Bruder durch die Gnade der Freundschaft sehr vertraut, sprach er diesbezüglich jenen bis dahin Ratlosen an, dem er das, was jener im Sinn hatte, eröffnete, und riet, die Reliquien des heiligsten Vaters Epiphanius und der heiligen Jungfrau Speciosa, eingeschlossen im Umgang des Gotteshauses, wegzubringen; in den kommenden Nächten sei die Zeit, jene sich anzueignen. Eile war geboten. Nachdem an diesem Tag der Gottesdienst beendet war, wurden notwendige Vorbereitungen getroffen, und sie [Tankward und der Mindener Priester] traten im Schutz der nächtlichen Stille in die Kirche. Sie zeigten sich solchem Vorgehen ungleich gewachsen. Nichtsdestoweniger erflehten sie die Erlaubnis für das mutig Begonnene. Sie vertrauten sich sorgfältiger dem Schutz jener [Heiligen] an, auf dass sie entweder deren Reliquien gewinnen oder, falls sie diesbezüglich nicht würdig genug waren, ohne Schaden und von jenen beschützt das fromm Begonnene abbrechen konnten. Sie stiegen daher empor und wetteiferten lange und mit viel Anstrengung, das Grab des seligen Epiphanius aufzubrechen. Obwohl sie viel Mühe darauf verwendeten, erzielten sie keinen Erfolg und öffneten sofort die Grablege der seligen Jungfrau Speciosa. Auf dem Estrich vor den heiligen Reliquien warfen sie sich nieder und beteten kurz, erhoben sich und trugen diese [Reliquien] unter Abküssen mit Hymnen und Lobgesängen empor. Den Teil [der Reliquien], der durch den Eifer unseres Bruders geborgen wurde, brachte unser Herr Othwin seligen Gedenkens später zusammen mit den Reliquien des seligen Epiphanius hierher [nach Hildesheim], nachdem dem ehrwürdigen Bischof Landward der Teil, der ihm zustand, anvertraut worden war.
5. Aber weil später die ganze Hoffnung unseres Bruders, die auf den heiligen Epiphanius gerichtet war, fast erloschen war, hatte er keinen Mut, es nochmals zu versuchen. Er nahm wiederum Flucht zum Gebet der Fastentage. Was er über sich nicht vermutete: er vertraute sich den Verdiensten des Heiligen [Epiphanius] aufmerksamer an. Nachdem daher einige Tage vergangen waren, war er nicht ohne großen Kummer, da er sich ja ganz dem Eifer für Gott durch Enthaltsamkeit und Gebet hingab. Wie er selbst mir wahrheitsgemäß offenbarte - er hätte nämlich in jeder Weise Prahlerei zurückgewiesen -, war er auf göttliche Eingebung hin im Schlaf ermahnt und mutiger gemacht worden. Nachdem er geeignete Leute für solch ein Unternehmen hinzugenommen hatte, ging er zur Kirche des seligen Epiphanius, während die Nachtzeit ihm förderlich war. Und als er sich dem ihm vertrauten Zugang näherte, gleichsam wie beim ersten Betreten [der Kirche], wurde er von den Wächtern, die ihn verfolgten, fortgeschickt, und er wich zurück. Da war ein kleiner Eingang, ein Fenster von nicht mehr als zwei Fuß Ausdehnung; es verdross ihn, dass es vor ihm keiner gesehen hatte. Er drang ein, hielt inne und täuschte Eifer vor. Gestützt also durch ungewöhnliches Selbstvertrauen - er war nämlich von einfacherem Geist -, zog er die Gefährten hinzu und mahnte jene, das nachzumachen, was er als Erster begann. Zuerst überblickten sie mit kluger Sorgfalt das Grab des heiligen Vaters. Sie sahen, dass der Sarkophag vergraben war in einer unterirdischen Höhle fünf Fuß unter dem Erdboden, wie später klar wurde, dass er darüber hinaus durch Marmor geschützt war, der als quadratische Mauer darüber geschichtet lag. Eine nichtsdestoweniger marmorne Säule stand aufgerichtet am Altar, der zu seiner Ehre und seinem Namen geweiht war; die Basis nahm einen Teil der Grablege ein, doppelte Gnade - Schmuck und Schutz - ausstrahlend. Nachdem sie also das gemacht hatten, was möglich war, und als sie - reiflicher überlegend - besprachen, dass [das Grab] [nur] mit Zeit und Mühe zu zerbrechen sei, machte sich unser besagter Bruder als Erster zum Gebet bereit und ermunterte die anderen. Und so wurde durch die Gnade Gottes ein Teil der Mauer sehr leicht eingerissen und der Marmor von ungeheurem Gewicht wunderbarerweise von sehr wenigen entfernt. Sie säuberten den heiligen Ort, um endlich das Grab zu finden. Sie wetteiferten daher, jenes zu öffnen. Die größte Schwierigkeit ergab sich wegen der Säule, die am Fuß, wie ich sagte, [das Grab] überdeckte. So befreite er endlich den Sarkophag, damit es beim Öffnen keine Mühe mehr gab. Während alle schon verzweifelten und nachdem sie durch die Vorbereitungen und das Beratschlagen lange aufgehalten worden waren, leuchtete ein helles Wunder göttlicher Milde auf. Nämlich unvermutet zerbrach die Säule, die das Grab teilweise bedeckte, während die, die dabei waren, staunten. Der Altar blieb unbeschädigt, und sie konnten das begonnene Werk leicht und schnell vollenden. Während sie somit zur Erfüllung ihres Verlangens kamen, war nichts mehr zu tun. Und nachdem der Sarkophag ohne Gewalt geöffnet worden war, breitete sich solch ein Wohlgeruch an Süße aus.
6. Nachdem Gott somit im Chor [der Kirche] [der Unternehmung] Anerkennung gezollt hatte, erhob sich der oft genannte Priester vom Erdboden und warf sich zwei- oder dreimal vor dem Grab nieder. Mit Glauben und höchster Ehrerbietung sammelte er den wertvollsten himmli-schen Schatz, den Körper des heiligen Vaters Epiphanius vollständig auf und wickelte ihn in ein zu diesem Zweck bereitgestelltes reines Leinentuch. Die ersehnte Last trug er zu unserem ehrwürdigen Bischof Othwin, der schon wegen dessen [langer] Abwesenheit ungeduldig geworden war. Er hatte, ohne auf seinem Bett zu schlafen, auf diesen und die anderen wachsam bis zur dritten Nachtwache gewartet. Jener legte das sehr ehrfürchtig Empfangene so, wie es eingewickelt war, in der Kapelle des heiligen Michael, die er nahe bei besuchte, auf den Altar. Daraufhin kniete er nieder und opferte dankbar dem Herrn unter Singen lang dauernder Hymnen und großer Reue der Seele. Und er erhob sich und besiegelte das mit Vorbedacht in einem Schrein sehr fromm Verdeckte sorgfältig durch den Eindruck seines Siegelrings. Er schickte das zu Bewahrende zur Insel Reichenau, auf der er selbst einst als Mönch der Regel gemäß ernährt und erzogen worden war, und dem Abt [Ekkehard I., 958-972], der damals dem Kloster vorstand.
7. Später wurde aber darüber [über den Diebstahl] ermittelt; der Kaiser war sehr zornig, es wurde einmütig die Geistlichkeit mit dem Volk zusammengerufen. Es wurde befohlen, die Geistlichen aller Bischöfe vor dem emporgehobenen Sachwalter der Stadt, vor dem Be-schützer des Vaterlandes zu durchsuchen; [die Hoffnung] ruhte nämlich zuletzt auf den heili-gen Syrus, dessen Verdienste für diesen Ort wucherten durch dessen heiligen Schutz. Aber durch göttliche Eingebung, wie ich glaube, beruhigte sich die Aufregung, Ruhe kehrte bei allen ein. Der fromme Vater Othwin, gewahr der Sorge um das ihn anvertraute Volk, hielt sich, obwohl eingeladen, fast zwei Tage vom Hofdienst fern und entschied, zu seiner Kirche [Hildesheim] zurückzukehren. Nachdem er dazu die kaiserliche Erlaubnis erhalten hatte, sprach der Bischof den Kaiser vertraulicher an und beichtete ihm das Geheimnis von den Reliquien des heiligen Epiphanius als Pfänder des Glaubens. Und so vertraute er fest auf dessen Autorität, eilte den Alpen entgegen, überschritt diese wohlbehalten und schiffte sich zur Insel Reichenau ein. Dort verweilte er eine kurze Zeit und zeigte sich den Mönchen nicht weniger gehorsam wie damals als Jüngling. Nachdem er den Segen erhalten hatte, reiste er ab, während Mönche die [vorausgeschickten] Reliquien herbeibrachten. Er setzte die Reise fort. Nachdem wenige Tage vergangen waren, führte er den unverwesten Schatz, die Pfänder des heiligsten Vaters Epiphanius und mehrerer anderer [Heiliger], zu unserer Kirche.
8. Wie groß war damals die Freude im Volk, wie groß damals das Aufjauchzen der Mütter oder wie groß die Frömmigkeit der herbeieilenden Geistlichen beim Erscheinen dieses Vaters, als dieser ausgewickelt wurde? Wer konnte sich dort vor Freude der Tränen enthalten, als die Zierde Italiens unser Vaterland erleuchtete, als das neue Gestirn die Unseren beleuchtete? Der Körper dieses seligen Vaters ist aber von unserem Bruder am Tag der 10. Kalenden des Dezember [22.11.962] erhoben worden. Zu uns aber, begleitet von der Gnade Gottes, ist er von unserem Herrn, dem Bischof Othwin heiligen Angedenkens, am 8. Tag der Kalenden des März [22.2.963] herabgeführt worden. Und unter großer Anteilnahme des Volkes und aller Geistlicher ist er unter Jubel in der Kirche untergebracht worden.
9. Von den Wundern dieses heiligen Vaters. Ich glaube, dass jenem auch sorgfältige Ehrerbietung entgegengebracht werden muss, weil vom Beginn seines heiligen Erscheinens an die Tugend des Vaters durch Zeichen aufleuchtete. Es kam nämlich am Tag, an dem die heiligen Reliquien zu unserer Kirche geführt wurden, im Gefolge dieses Vaters auf der Straße zum Auflauf [von Menschen] beider Geschlechter. Unter diesen war einer, der lange an Gicht gelitten hatte, er folgte, die Muskeln schlaff herabhängend, zähen Schrittes, mehr gestützt auf eine Krücke als normal gehend. Als daher die Reliquien sich näherten, als beim um die Wette Laufen der glänzte, der den anderen, wie es üblich ist, abdrängte, wurde er schnell von allen, die ihn umgaben, nach hinten geschoben; und gestützt auf die Krücke, uneingedenk der Schmerzen, wie ich so sagen möchte, folgte er mit einem Eifer, soweit er konnte, der Menge auf dem Fuße, dass er nicht erdrückt würde und den Anschluss verlöre. Er erflehte beständig die Verdienste des heiligen Vaters an - freilich waren sie dem Bauern nicht verborgen -, und siehe, er wurde sanft von der Krankheit der Gicht geheilt, die schlaffen Glieder wurden gestärkt, allmählich [auch] die Füße zum Laufen. Obgleich er nicht zeigte, dass er im Glauben Heilung finden wollte, glaubte er sofort, dass dieser ihm helfen werde. Er bewahrte umso sicherer die Wahrheit, während er am ganzen Körper aufgerichtet wurde; der Stock wurde zerbrochen und zerschmettert auf der Erde. Mit den Ellbogen richtete er sich daher auf, während er die Hilfe der Füße erprobte; und er fasste diese [Füße] sorgfältig an, die der vollständigsten Heilung überlassen und die zuvor durch Geschwülste hart gewesen waren. Er folgte weiter den heiligen Reliquien. Und als er den Ort Upstedt erreichte, in dem der Vogt Macco unserer Kirche ein Haus bewohnte, wurde er von jenem erkannt, durch dessen Aufmerksamkeit oft Nutzen entstand, während er [der Vogt] jenem seine Sorge Erwähnung tat. Er lobte in solcher Deutlichkeit Gott und eröffnete unserem Vorsteher Othwin dies [Vorgefallene] als Zeuge der Krankheit wie der Gesundung. Er riet, dieses wunderbare und offenbare Werk aufzudecken und öffentlich zu predigen.
10. Von einem anderen Wunder. Nicht weniger meine ich, jenes denkwürdige Zeichen der Verdienste jenes [Heiligen] vorbeiziehen lassen zu müssen, wie wunderbar der Herr gegenüber dem Diakon unserer Kirche Wulferich durch den Schutz jenes [Heiligen] gewirkt hat und um die Verdienste des außergewöhnlichen Vaters herauszustellen und auch die Hoffnung gleichsam der ganzen Kanonikergemeinschaft [des Hildesheimer Doms] aufzurichten. Es gab so viele Zeugen von dessen Gesundung wie Brüder, die jenen damals im Stift kannten. Er war nämlich sehr beschwert durch einen heftigen Schmerz, und keine Medizin konnte dies lindern, wenn auch viele ihm beistanden und vieles versucht wurde. Und schon steigerte sich beständig das Leiden, es nahm an Schärfe zu und begann über die Tage ungestümer zu wachsen. Beim Gehen stützte er sich auf eine Krücke; beim Dahinschleichen ersetzten die Hände die Füße; anderes war ihm nämlich nicht möglich. Siehe aber am Vortag dieses heiligen Vaters! Nachdem die Brüder in der ersten Stunde des Tages die Psalmen kanonisch beendet hatten, während sie zum Imbiss eilten und die Pforten der Kirche gemäß der gemeinsamen Regel geschlossen wurden, erhielt jener ehrwürdige Mann die Zeit, in der er sich dem Schutzherrn [Epiphanius] aufmerksamer und freier unter Tränen und Bitten widmete. Er wusste zu kämpfen unter heftigem Keuchen und schwerem Schnauben, mühsam, von Schmerz gepeinigt, sich auf die Krücke stützend, schlich er Schritt für Schritt mit Hilfe der Arme und Hände voran. Der Schmerz nämlich fuhr heftiger durch Knie und Schienbeine, schon sich streuend durch Adern und Muskeln. Er trat vor den allerheiligsten Körper und warf sich mit großer Mühe und der Qual ungeheuren Schmerzes davor auf den Erdboden. Er verweilte so im andauerndsten Gebet und öffnete sich mit großem Elend des Herzens ganz dem Herrn. Er vergoss daher einen Regen voll Tränen, sich stützend auf die Ellbogen und bereit sich allmählich zu erheben. Daraufhin dachte er vorsichtig an die Hilfe durch den Stock, endlich erhob er sich ohne Schmerz; er staunte und wunderte sich. Obwohl er die Gesundung erfahren hatte, wagte er endlich nicht, [an dieses Wunder] zu glauben. Er bewegte eine Hand; er befühlte die Stelle, wo der Schmerz heftiger gewesen war, und fand kein Anzeichen von Schmerz. Er streckte sich auf den Erdboden hin und dankte Gott und dem anwesenden Schutzherrn. Und kräftig erhob er sich, wie unser ehrwürdiger Bruder und Priester Wirindag es sah, und hob die Krücke, durch die er zuvor hochgehalten wurde, als Zeichen der Gesundung nach oben. Gesund kam er herab, der zuvor schleichend heraufgekommen war. Der durch die schnelle Heilung verblüffte Bruder [Wirindag] eilte dem Herabkommenden entgegen und erkannte und lobte den Verursacher solch eines Wunders. Und weil die Brüder sich an diesem Tag wuschen, eilte er zu jenen ins Bad und offenbarte ihnen völlig die Wiederherstellung seiner Gesundheit.
11. So viele tägliche Zeichen von Tugenden jenes [Heiligen] hat es seit der heiligen Ankunft der Reliquien gegeben, dass Worte das Geschehene nicht heller fassen können. Wie oft haben wir nämlich die Unmäßigkeit des Wetters oder den Morast eines sich erhebenden Ver-derbens durch die Reinigung unserer Stadt mit den Reliquien jenes [Heiligen] gehemmt? Während oft auch das Ackerland heimgesucht wurde von der Dürre, umschritten wir dieses und befahlen den Regen. Wer nämlich wirft sich jemals nieder vor dem Schrein dieses Heiligen, wird von einer Krankheit geheilt und steht bald nicht wieder auf, wer empfindet mit der Seele im Gebet dessen nachbarschaftliche Hilfen? Aber dies Sichtbare ist vielleicht überflüs-sig; es ist jedenfalls ein helles Zeichen für die Verdienste jenes [Heiligen] und ein Trost für die Späteren.
12. Dies habe ich über die Wohltaten, die auf göttliche Veranlassung durch den seligen und großartigen Bischof Epiphanius vollbracht wurden, uns Zusammengekommenen kurz dargelegt mit einer Mittelmäßigkeit des Erzählens. Ich habe dies kühne Beginnen unternommen auf Grund der Kraft der Verehrung [des Heiligen] wie der geschuldeten Gnade, womit ich demütigst zum Lesen darreiche der Sorgfalt der Brüder im nachfolgenden Zeitalter die Werke Gottes, die, wie es geschrieben steht, ehrenvoll offenbart und bekannt werden. Sowohl für unsere Zeit, als auch für die Zukunft sühne ich durch meinen Eifer den Makel der Vernachlässigung und der Trägheit, die außergewöhnlichen Taten Gottes zu verschweigen.

Bearbeiter: Michael Buhlmann

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