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Privileg für die Wormser Juden (1157 April 6)

Das nachstehende Privileg Kaiser Friedrichs I. (1152-1190) für die Wormser Juden führt in Wiederholung eines Privilegs Kaiser Heinrichs IV. (1056-1106) von um 1090 die Vorrechte der unter königlichem Schutz stehenden Juden auf. Die Urkunde ist als spätmittelalterliches Transsumpt überliefert.

Edition, Übersetzung: Die Urkunden Friedrichs I., 5 Tle., hg. v. H. APPELT u.a. (= MGH. Diplomata. Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd.10,1-5), Hannover 1975-1992, DFI 166; Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis 1250, hg. v. L. WEINRICH (= FSGA A 32), Darmstadt 1977, S.232-247, Nr.61. - Übersetzung: BUHLMANN.

Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreieinigkeit. Friedrich, begünstigt durch göttliche Gnade Kaiser der Römer und immer Augustus. Allen Bischöfen, Äbten, Herzögen, Grafen und nicht zuletzt allen den Gesetzen unseres Reiches Unterworfenen sei bekannt, dass wir den Juden von Worms und deren übrigen Genossen die Festsetzungen unseres Kaisers Heinrich [IV.] aus der Zeit des Judenbischofs Salmann auch durch unsere Autorität als ewiges Gesetz befestigen. [1.] Weil wir daher wollen, dass sie in Bezug auf jegliche Gerichtsbarkeit nur uns einzubeziehen haben, haben wir durch die Autorität unserer königlichen Würde befohlen, dass weder ein Bischof noch ein Kämmerer, noch ein Graf, noch ein Schultheiß, noch sonst irgendwer außer dem, den sie selbst auswählen, es wagt, Rechtssachen oder Abgaben mit ihnen oder gegen sie zu behandeln, außer jener, der aus ihrer Wahl hervorging, wie wir zuvor gesagt haben, und den der Kaiser selbst ihnen an die Spitze gestellt hat. [2.] Von den Dingen allerdings, die sie nach Erbrecht besitzen an Grundstücken, Gärten, Weinbergen, Äckern, Hörigen oder an übrigen beweglichen und unbeweglichen Sachen, wage keiner, ihnen irgendetwas wegzunehmen. In Bezug auf den Nutzen, den sie haben hinsichtlich der Gebäude innerhalb oder außerhalb der Mauer der Stadt, möge keiner sie behindern. Wenn aber irgendwer es wagt, sie entgegen diesem unseren Beschluss darin zu beunruhigen, sei er der Angeklagte unserer Gnade und soll diesen die Sache, die er weggenommen hat, durch das Doppelte ersetzen. [3.] Sie [die Juden] haben auch die freie Möglichkeit, innerhalb der ganzen Stadt mit irgendwelchen Leuten Silber zu wechseln außer nur vor dem Münzhaus oder [an Orten] anderswo, wo sich Münzwechsler aufhalten. [4.] Sie mögen innerhalb unseres Königreiches frei und friedlich umherziehen, um ihren Handel und Verkauf abzuwickeln, um zu kaufen oder zu verkaufen. Und keiner möge von ihnen Zoll erheben, keiner irgendeine öffentliche oder eigene Besteue-rung vornehmen. [5.] In ihren Häusern mögen ohne ihre Zustimmung Gäste nicht untergebracht werden. Keinem von ihnen möge für einen Kriegszug des Königs oder des Bischofs oder zur Unterstützung eines königlichen Kriegszuges ein Pferd abverlangt werden. [6.] Wenn aber gestohlene Dinge bei ihnen aufgefunden werden und wenn ein Jude sagt, dass er [diese] gekauft hätte, möge er durch Schwur gemäß seinem Gesetz glaubhaft machen, für wie viel er es gekauft hat, und ebenso viel empfangen und die Sache dem zurückstellen, dem sie gehörte. [7.] Keiner wage, ihre Söhne oder Töchter mit Zwang zu taufen; wenn er die tauft, die mit Gewalt gefangen oder heimlich geraubt oder gezwungen wurden, so möge er an den Schatz des Königs zwölf Pfund Gold zahlen. Wenn aber irgendeiner [von den Juden] aus eigenem Antrieb wünscht getauft zu werden, so soll drei Tage gewartet werden, damit vollständig erkannt wird, dass er wegen des christlichen Glaubens oder auf Grund eines ihm zugefügten Unrechts sein Gesetz aufgeben will. Und wie sie das Gesetz ihrer Väter aufgegeben haben, so geben sie auch das Erbe auf. [8.] Keiner möge ihre heidnischen Hörigen unter dem Deckmantel des christlichen Glaubens taufen und von ihrem Dienst abbrin-gen. Wenn er dies macht, zahle er den Bann - das sind drei Pfund Silber - und gebe den Knecht seinem Herrn zurück; der Knecht aber möge in allem den Befehlen seines Herrn ge-horchen, nichtsdestoweniger ungeachtet der Beachtung des christlichen Glaubens. [9.] Es steht ihnen frei, christliche Mägde und Ammen zu haben und für durchzuführende Arbeiten Christen in Dienst zu nehmen außer an den Fest- und Sonntagen; und kein Bischof oder irgendein Geistlicher stehe dem entgegen. [10.] Es steht ihnen frei, einen christlichen Sklaven zu kaufen. [11.] Wenn ein Jude mit einem Christen oder ein Christ mit einem Juden streitet, mögen beide, soweit es die Sache erfordert, gemäß ihrem Gesetz Gerechtigkeit erlangen und ihren Standpunkt glaubhaft machen. Und wie es jedem Christen frei steht, durch seinen [Schwur] und den öffentlichen Schwur jeweils eines Zeugen beider Rechte zu zeigen, dass die durch ihn dem Juden gestellten Bürgen entbehrlich geworden sind, so möge es auch dem Juden freistehen, durch seinen [Schwur] und dem öffentlichen Schwur eines Juden und eines Christen zu zeigen, dass die durch ihn dem Christen gestellten Bürgen entbehrlich geworden sind; und er [Christ oder Jude] möge nicht weiter vom Kläger oder Richter verfolgt werden. [12.] Und niemand möge einen Juden zum Urteil mit glühendem Eisen oder heißem oder kaltem Wasser zwingen, und er möge ihn weder mit Ruten schlagen noch in ein Gefängnis werfen; aber er [der Jude] möge gemäß seinem Gesetz nach vierzig Tagen schwören. Keiner [der Juden] kann durch Zeugen - außer durch Juden und Christen [gemeinsam] - in irgendeiner Rechtssache überführt werden. Bei jeder Rechtssache mögen sie sich an den König wenden, Gerichtsverhandlungen werden ihnen gewährt. Wer immer gegen diese unsere Bestimmung angeht, möge den Bann - das sind drei Pfund Gold - dem Kaiser bezahlen. [13.] Wenn irgendwer gegen einen von ihnen [den Juden] sich verschwört oder die-sem auflauert, um ihn zu ermorden, so soll der Verschwörer oder Mörder zwölf Pfund Gold an den Schatz des Königs zahlen. Wenn er aber diesen [Juden] nicht tödlich verwundet, so zahle er ein Pfund Gold. Und wenn es ein Knecht ist, der jenen [Juden] tötet oder verwundet, möge dessen Herr entweder die oben genannte Buße zahlen oder den Knecht zur Bestrafung übergeben. Wenn er die besagte [Buße] wegen Armut nicht zahlen kann, möge er dieselbe Strafe erleiden, mit der aus der Zeit unseres [Ur-] Urgroßvaters, des Kaisers Heinrich [III., 1039-1056], jener belegt wurde, der einen Juden mit Namen Vivus getötet hatte, nämlich mit dem Herausreißen seiner Augen und dem Abschlagen der rechten Hand. [14.] Wenn die Juden selbst einen Streit unter sich haben oder irgendeine zu entscheidende Rechtssache, werden sie von Ihresgleichen und nicht von anderen gerichtet. Und wenn irgendwann zwischen ihnen ein in der Sache Treuloser die Wahrheit tatsächlich verbergen will, so soll er gezwungen sein, die Wahrheit zu bekennen vor dem, der der Bischof der [Juden] ist. Wenn sie aber in eine große Rechtssache verwickelt sind, mögen sie eine Gerichtsverhandlung beim Kaiser haben, wenn sie wollen. [15.] Außerdem mögen sie die Erlaubnis haben, ihren Wein, Gewürze und Arzneimittel Christen zu verkaufen, und keiner möge - wie wir oben gesagt haben - von ihnen Spannpferde oder Dienste oder irgendeine öffentliche oder private Abgabe beanspruchen. Und damit diese Bewilligung im ganzen Zeitalter unverletzlich bestehen bleibt, haben wir befohlen, diese Urkunde daher aufzuschreiben und durch den Eindruck unseres Siegels zu kennzeichnen. Die Zeugen dieser Sache sind: Erzbischof Arnold von Mainz; Bischof Konrad von Worms; Bischof Günther von Speyer; Bischof Hermann von Verden; Konrad, Pfalzgraf bei Rhein; Friedrich, Herzog der Schwaben und Sohn König Konrads [III.]; Graf Emicho von Leiningen; Ulrich von Hirrlingen; Markward von Grumbach.

Zeichen des Herrn Friedrich, des Kaisers der Römer und Augustus. (M.)

Ich, Kanzler Rainald, habe statt des Mainzer Erzbischofs rekognisziert.

Gegeben in Worms an den 8. Iden des April [6.4.], während der Herr Friedrich, der unbesiegbarste Kaiser der Römer im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 1157, Indiktion fünf, im 5. Jahr seines Königtums, im zweiten aber seines Kaisertums regierte. Geschehen in Christus; selig und amen.

Bearbeiter: Michael Buhlmann

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