Auswahl:

Datenschutz Impressum Michael Buhlmann, 45138 Essen, D Deutschland

www.michael-buhlmann.de
kontakt-hp@michael-buhlmann.de

www.michael-buhlmann.de > Ländergeschichten

Irland: Mittelalter, frühe Neuzeit, Moderne

Irland, die Insel im Atlantik, war im Laufe ihrer Geschichte immer wieder Zielpunkt äußerer Einflüsse, angefangen bei den Invasionen der Wikinger (ab 793) und Normannen (ab 1169). Dabei war das keltische Irland, aufgeteilt in kleinere Herrschaften und Kleinkönigtümer, seit dem 5. Jahrhundert eine christliche Insel (heiliger Patrick), eine vom römischen Papsttum zunächst unabhängige christliche Mönchskirche mit bedeutenden Klöstern (u.a. Bangor; Klostersiedlungen); die irische peregrinatio im merowingischen Frankenreich (Columban der Ältere, der Jüngere, Gallus) steht damit in Zusammenhang. Die Wikinger errichteten in Irland Handelsplätze und Militärstützpunkte (Cork, Dublin [852], Limerick), im 12. Jahrhundert gab es - nach einem geeinten Irland zur Zeit der Wikingerinvasionen? (Schlacht bei Clontarf 1014) - die vier Königreiche Ulster, Connacht, Leinster und Munster; Streitigkeiten zwischen Leinster und Connacht begünstigten indirekt die anglonormannische Eroberung Irlands (1169/72) unter dem angevenisch-englischen König Heinrich II. (1154-1189). Die englische Kolonisierung und Herrschaftsdurchdringung des 13. Jahrhunderts (Grafschaften, Baronien) machte aus Irland ein gespaltenes Land zwischen Ost und West, zwischen den eingewanderten Anglo-Iren auf der einen und der eingesessenen irischen Bevölkerung auf der anderen Seite. Im 14. und 15. Jahrhundert zeichnete sich die Unregierbarkeit der Insel ab (Vernichtungsfeldzug des Edward Bruce 1315-1318, Statut von Kilkenny 1366 [rechtliche Trennung von Engländern und Iren], Besuch Irlands durch den englischen König Richard II. [1377-1399] 1394), faktisch schrumpfte das Gebiet englischen Einflusses in Irland auf die Dubliner Region ("Pale" 1446) und einige Städte (Athlone, Meath, Trim, Wicklow); englische Herrschaft wurde gerade von den Anglo-Iren getragen (Poynings' Law 1494; Verbot eines irischen Parlaments ohne Zustimmung des englischen Königs), während Ulster und Connacht zunehmend wieder gälisch wurden.
Im Zusammenhang mit englischer Reformation und anglikanischer Kirche entwickelte sich bei neuerlicher englischer (englisch-schottischer) Durchdringung Irlands (Politik der "Plantation" im 16. Jahrhundert) der katholisch-protestantische Gegensatz auf der Insel zwischen Iren und Engländern (Act of Uniformity 1560). Eher am Katholizismus (und an irischer Kultur) orientiert war dabei die sich im 16. und 17. Jahrhundert in ganz Irland ausbildende Schicht der "Old English", während die im Zuge der englischen Besiedlungspolitik neu nach Irland kommenden "New English" (oder "Ascendancy") protestantisch waren. Die religiöse Benachteiligung der katholischen Iren ging einher mit deren wirtschaflicher Benachteiligung (Enteignungen in der Landwirtschaft), Irland wurde von der englischen Krone wirtschaftlich ausgebeutet (Rodung des Waldbestandes im 17. Jahrhundert). Der irisch-englische Gegensatz entlud sich in Revolten und Strafmaßnahmen (Rebellion von Portadown 1641, Konföderation von Kilkenny 1642, Vergeltungsfeldzug Oliver Cromwells 1649/50). Irland war wirtschaftlich und kulturell in einen gälischen Westteil (Connacht) und östlichen, englisch dominierten Teil gespalten (mit dem Shannon als Grenze). Die "Ascendancy" als protestantische Oberschicht Irlands etablierte sich nach der "Glorious Revolution" in England (1688), der Schlacht am Fluss Boyne (1690) und dem Frieden von Limerick (1691; Religionsfreiheit für die katholische Bevölkerung Irlands). Das protestantisch dominierte Irland des 18. Jahrhunderts sah im Gegen- und Miteinander der Religionen (einschließlich der Prebyteraner und Quäker) Entwicklungen bei Literatur (Jonathan Swift) und geistigem Leben (Zeitungen [1706, 1725], Dublin Philosophical Society 1731], Einflüsse der Amerikanischen und Französischen Revolution auf das Bürgertum [ab 1776/89]) und bei Wirtschaft und Handel (Landesausbau und Landfrage, Intensivierung der Landwirtschaft [Kartoffel-, Getreideanbau], irischer Außenhandel im British Empire [Dublin, Belfast; Freihandel]); am Ende des 18. Jahrhunderts stand die Rebellion von 1798. Im Jahr 1801 folgte die Union zwischen Großbritannien und Irland - sie steht am Anfang des "langen 19. Jahrhunderts", irische Abgeordnete fanden Platz im Londoner Parlament, es entstand in Irland eine öffentliche Meinung, der wirtschaftlichen Armut und den massiven Bildungsdefiziten (Analphabetismus) breiter Bevölkerungsschichten zum Trotz. Die große Hungersnot von 1845/49 verstärkte die irische Auswanderung u.a. nach Nordamerika, aber auch die Wanderung in die Städte (Urbanisierung Irlands). Die Hungersnot erwies sich als große soziale und geistige Zäsur (Neudefinition des Protestantismus und des Katholizismus, irisch-republikanische Bewegung der "Fenier"). Die von England ausgehende industrielle Revolution führte im Irland des 19. Jahrhunderts allerdings nur zu einem schwachen Ausbau nichtagrarischer Wirtschaftstätigkeiten (Bier- und Whiskeybrauereien [Guiness], Schifffahrtskanäle [Royal Canal 1817, Grand Canal 1835], Eisenbahnauf- und -ausbau [Dublin-Wicklow 1834]), während der irische Agrarexport (Leinen, Butter, Fleisch) in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts weiter anstieg.
Die britische Regierung verfolgte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bzgl. Irlands eine Politik der Selbstverwaltung ("Home Rule", Government of Ireland Bill 1886; "konstruktiver Unionismus"), doch standen dem massive soziale Gegensätze entgegen ("Landkrieg" 1879/82, Boykott der Landgesetze durch die Irish land League 1881/82, Orangemen und Orange Order in Nordirland, Partei Sinn Feín 1905). Die Radikalisierung in der irischen Politik führte nach Erstem Weltkrieg (1914-1918) zum Unabhängigkeitskrieg (1919/21) und zum Anglo-Irischen Vertrag von 1921 (Bildung eines Irischen Freistaats innerhalb des britischen Commonwealth) und im Bürgerkrieg von 1922/23 zur Abtrennung des protestantisch beherrschten Nordirlands, das weiterhin mit Großbritannien verbunden blieb. Der Irische Freistaat (Verfassung von 1922) löste sich in der Folgezeit aus der Bindung zu Großbritannien (Aufnahme in den Völkerbund 1923, Verfassung von 1937, Republik Éire 1945, Austritt aus dem Commonwealth 1949). In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts stand der Nordirlandkonflikt (1969/98/2007) politisch im Vordergrund, Irland trat 1973 in die Europäische Gemeinschaft ein und liberalisierte sich in der Folgezeit gesellschaftlich (Abtreibung, Ehe, katholische Kirche) und wirtschaftlich (Welthandel und Globalisierung, Finanzkrise [2008]).

Literatur:

Stuchtey, Benedikt (2021), Geschichte des Britischen Empire (= BSR 2918), München 2021

Bearbeiter: Michael Buhlmann, 12.2023