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Osmanisches Reich: Reichsgeschichte - Mittelalter, frühe Neuzeit, Moderne

Byzantinisches Reich

Spätmittelalter

Unter den beglik (Emiraten) der seldschukischen und nachseldschukischen Zeit (11.-14. Jahrhundert) sollte sich letztlich die türkische Dynastie der Osmanen durchsetzen und ein osmanisches Weltreich begründen. Die Anfänge der Osmanen lassen sich unter den Emiren bzw. Sultanen Osman (†(v.) 1324?) und Orhan (1324?-1361?) verorten. Erfolgreiche Kämpfe u.a. gegen Byzanz begründeten die Macht der Osmanen zunächst als Führer einer Kriegergesellschaft (gazi und gaza/djihad) (Sieg bei Nikomedia/Izmit 1302, Eroberung von Prusa/Bursa 1326, Eroberung von Nikaia/Iznik 1331, Eroberung von Bithynien 1337, byzantinischer Bürgerkrieg 1341/47, Einbeziehung des Emirats Karesi in die osmanische Herrschaft 1345/46, Pest 1347, Eroberung von Gallipoli 1354/73). Unter Orhans Sohn Murad I. (1361?-1389) weitete sich die Macht der Osmanen in Europa (Rumeli) beträchtlich aus (Einnahme von Adrianopel/Edirne 1369, Sieg über die Serben in der Schlacht an der Marica 1371, Besetzung Thessaliens 1385, Sieg über die Serben in der Schlacht auf dem Amselfeld/Kosovo Polje und Tod Murads 1389; Vasallen und Janitscharen [devschirme als "Knabenlese"]), unter Murads Sohn Bayezid I. (1389-1402) dehnte sich die osmanische Herrschaft bis zur unteren Donau aus (Sieg über ein christliches Kreuzfahrerheer in der Schlacht von Nikopolis 1396), Konstantinopel wurde belagert (1394), das wichtige (karamanidische) Konya erobert (1397). Indes folgte auf Niederlage und Tod Bayezids in der Schlacht von Ankara gegen die eingedrungenen Mongolen unter Timur (1402) der Erbfolgekrieg unter den Söhnen des umgekommenen Sultans Isa, Musa und Mehmed (1403/13), in dem sich schließlich Mehmed I. (1413-1421) als Sultan durchsetzte. Ihm gelang die Wiederherstellung der osmanischen Machtstellung gegenüber den beglik in Kleinasien (bis 1420). Der endgültige Aufstieg der Osmanendynastie zur Großmacht erfolgte unter (padischah) Murad II. (1421-1451), Mehmed II. "den Eroberer" (1451-1481) und Bayezid II. (1481-1512) (Eroberung von Saloniki 1430, osmanischer Sieg über ein Kreuzfahrerheer bei Varna 1444, Schlacht von Kosovo 1448, Belagerung und Eroberung von Konstantinopel 1453, osmanische Peleponnes 1460, Eroberung des Kaiserreichs Trapezunt 1461, "langer Krieg" gegen Venedig 1463/79, Einbeziehung Albaniens 1466/68 [Skanderbeg], Einbeziehung Karamans 1468, osmanische Vorstöße nach Kroatien, Krain, Kärnten 1473, Einbeziehung der genuesischen Handelskolonien auf der Krim 1475, osmanischer Apulienfeldzug und Otranto 1480/81, osmanische Flottenübergriffe auf Spanien 1486). Konstantinopel wurde nach der Eroberung zur Hauptstadt des Reiches ([Topkapi-] Palast des osmanischen Sultans, Großwesirat, Diwan) und löste damit Edirne ab, das Reich war in Provinzen (jeweils unter einem beglerbegi) und Sancaks ("Banner"; sancakbey/sancakbegi als "Bannerherr") gegliedert, diese wiederum in vilayets (jeweils unter einem subasi); die Timar-Verfassung sicherten die Einkünfte der (muslimischen, christlichen) Soldaten (Sipahis, Ritter), die (muslimischen, nichtmuslimischen) Untertanen wurden besteuert, u.a. die Nichtmuslime durch eine Kopfsteuer (cisye), die osmanische Verwaltung beruhte auf ausgeprägter Schriftlichkeit (Steuerpacht, Register, Erfassung und Kontrolle der Einkünfte, Palastapparat, Haushalt des Sultans und des Reiches [beytü'l-mal als "Staatskasse"]; Silberwährung akce); wirtschaftlich beruhte das osmanische Reich auf der Agrarwirtschaft, auf Gewerbe und (Fern-) Handel (Seidenstraße), ein ausgedehntes Stiftungswesen war Grundlage auch der osmanischen Kultur (Moscheen, Medresen, [Sufi-] Tekken, Spitäler, öffentliche Bauten; Wissenschaft, Literatur, Kunst).

Frühe Neuzeit

Unter Selim I. (1512-1520) dehnte sich das osmanische Reich gegen die persisch-schiitischen Safawiden (Kizilbasch, Safawidenorden in Ardabil; osmanischer Sieg über die Safawiden bei Caldiran 1514) über Syrien (1516) und Ägypten (Ende des Mamlukenreichs 1517) aus, unter Süleyman I. "dem Prächtigen" ("dem Gesetzgeber" [Kanun-Legalismus] 1520-1566) kamen in Europa Serbien (1521) und Ungarn (Schlacht bei Mohacs 1526, 1. Belagerung Wiens 1529, Eroberung Budas 1541) hinzu, ebenso das bis dahin durch den christlichen Johanniterorden gehaltene Rhodos (1522) oder der Irak (Eroberung Bagdads 1534); einbezogen war auch die Westküste der Arabischen Halbinsel mit dem heiligen Stätten (Mekka und Medina) des Islam (Hidschra) bis zum Jemen (1545/46), Nordafrika bis nach Marokko wurde vom osmanischen Reich abhängig (1549/54), ebenso abhängig waren die Donaufürstentümer Walachei und Moldawien, das Krimkhanat und das Khanat von Astrachan nördlich von Schwarzem bzw. Kaspischem Meer. Auch konnte die osmanische Flotte im 16. Jahrhundert gegenüber den Venezianern Erfolge erzielen (Seeschlacht bei Prevesa 1538, Eroberung von Chios 1566), während unter Sultan Selim II. (1566-1574) die Seeschlacht bei Lepanto (1571) verloren ging (osmanische Einnahme Zyperns 1571, Eroberung von Tunis 1574). Mit der Eroberung Ägyptens kam zum osmanischen Wirtschaftssystems nördlich des Taurusgebirges ein auf Ägypten zentriertes Wirtschafts- und Währungssystem (Silberpara). Auch an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert - unter den Sultanen Murad III. (1574-1595), Mehmed III. (1595-1603) und Ahmed I. (1603-1617) - konnte sich das osmanische Reich behaupten (osmanisch-safawidischer Krieg 1578/90, Währungsmaßnahmen und Janitscharenaufstand 1589, "langer" osmanisch-habsburgischer Krieg 1593/1606, Finanzreform). Dynastisch gerieten die Osmanen mit dem Tod Mehmeds III. (1603) und dem Tod Ahmeds I. (1617) in Bedrängnis, als geeignete Nachfolger fast nicht zur Verfügung standen (psychische Labilität, Minderjährigkeit der Nachkommen). Aus diesem Sachverhalt resultierten die dynastischen Streitigkeiten zwischen Mustafa I. (1617-1618, 1622-1623) und Osman II. (1618-1622), die das Reich auch noch unter Sultan Murad IV. (1623-1640) schwächten (Celâli-Aufstand 1607/09, Aufstände in Syrien 1613/35, safawidisches Bagdad 1623/38, osmanisch-safawidischer Krieg 1623/39, vorübergehende kosakische Besetzung von Asow 1624/40). Die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts sah außenpolitisch unter den Sultanen Ibrahim (1640-1648) und Mehmed IV. (1648-1687) ein (nur teilweise) weiteres türkisches Vordringen im osmanisch-venezianischen Krieg (1645/70; Eroberung Kretas bis 1669), im unentschiedenen osmanisch-habsburgischen Krieg (1663/64) und im osmanisch-polnischen Krieg (1672; Gebietsgewinne in der Ukraine und in Podolien), während der mit der 2. Belagerung Wiens (1683) beginnende osmanisch-habsburgische Krieg (1683/99) mit dem Verlust ungarischer, dalmatischer und podolischer Gebiete sowie der Peleponnes endete (Frieden von Karlowitz 1699); außen- und innenpolitisch konnten dabei die Großwesire aus der albanischen Familie Köprülü die politische Macht auf sich konzentrieren, nach der Absetzung Mehmeds IV. (osmanische Niederlage[n] bei Mohacs 1687 [, Slankamen 1691, Senta 1697]) regierten dessen Nachfolger Süleyman II. (1687-1691), Ahmed II. (1691-1695) und Mustafa II. (1695-1703) nur kurz. Immerhin brachten die 1695 erfolgten Finanzreformen (Weiterentwicklung des Steuerpachtsystems) eine gewünschte Stabiltät und wirtschaftlichen Aufschwung. So konnte das zwischenzeitlich (1695/1700) an Russland verlorengegangene Asow wieder erobert werden (1711), ebenso die Peleponnes (1715; osmanisch-venezianischer Krieg 1714/18). Im Krieg gegen Habsburg (1716/18) ging indes Belgrad verloren (1717). Während aber das benachbarte Safawidenreich unterging (1722), bestand die Osmanendynastie weiter (dynastisches Ideal und Charisma): Ahmed III. (1703-1730; osmanische Besetzung des westlichen Iran 1723/27, Aufstand Patrona Halils 1730 und Absetzung des Sultans), Mahmud I. (1730-1754) (iranische Kriege 1730/36, 1743/46), Osman III. (1754-1757), Mustafa III. (1757-1774). Im osmanisch-russisch-habsburgischen Krieg (1736/39) und anschließendem Frieden von Belgrad (1739) wurden Belgrad und Serbien wieder osmanisch, Asow ging hingegen endgültig an das russische Zarenreich verloren. Der nächste osmanisch-russische Krieg (1768/74) endete unter Sultan Abdülhamif I. (1774-1789) im Frieden von Kücük Kaynarci (1774) wieder mit osmanischen Gebietsverlusten und ein paar Jahre später mit der russischen Annexion der Krim (1783), an der nunmehr zutage tretenden militärischen Unterlegenheit des osmanischen Reiches änderte auch der folgende osmanisch-russisch-habsburgische Krieg (1787/92) nichts (Frieden von Sistova 1791, Frieden von Iaschi 1792). Stattdessen wurde die Zentralgewalt der zentrifugalen Tendenzen im Reich nicht mehr Herr, ablesbar an Aufständen (Aufstand Osman Paschas 1797/99, serbischer Aufstand 1804/06), der französischen Militärexpedition unter Napoleon nach Ägypten (1798/1801), der Wahhabitenkrise um die heiligen Stätten (Eroberung von Medina und Mekka 1804/06), den (weitgehend) selbstständigen Herrschaften des Ali Pascha von Janina (1788-1822) und des (Khediven) Mehmed Ali in Ägypten (1805-1849), der Autonomie bzw. Souveränität Serbiens (1815/17/30).

Moderne

Osmanische Reformen kamen langsam voran (Marineingenieursschule 1776, osmanische Botschaften in Europas Hauptstädten [London, Wien, Paris, Berlin] ab 1793) oder scheiterten wie die Nizâm-i cedid Sultan Selims III. (1789-1807). Im osmanisch-russischen Krieg (1806-1812) erschien eine englische Flotte vor Istanbul (1807; Aufstand, Absetzung des Sultans; Sultan Mustafa IV. [1807-1808], Ermordung Selims III. 1808). Unter Sultan Mahmud II. (1808-1839) endete der Krieg gegen Russland im Frieden von Bukarest (1812), in dem das osmanische Reich die Kontrolle über die Donaufürstentümer behielt, Bessaravien allerdings an das Zarenreich abtrat. Mit Unterstützung Mehmed Alis behauptete sich das osmanische Reich im griechischen Unabhängigkeitskrieg (1821/30) zumindest teilweise (Eingreifen äygptischer Truppen auf der Peleponnes 1824, Janitscharenaufstand und Auflösung der Janitscharen 1826, Seeschlacht von Navarino 1827, russische Eroberung von Kars 1828, Friede von Edirne 1829, französische Besetzung Algiers 1830, unabhängiges griechisches Königreich 1832, Unabhängigkeit von Samos 1832). Mahmud II. hatte umfangreiche innenpolitische Reformen auf den Weg gebracht, die den osmanischen Staat, der immer mehr in Abhängigkeit der europäischen Großmächte geriet (Russland und die christliche Orthodoxie, Frankreich und die Katholiken; ausländische Kreditvergaben; militärisches Eingreifen), (europäisch) modernisieren sollten und nach dem Tod des Sultans von dessen Nachfolgern Abdülmecid I. (1839-1861) und Abdülaziz (1861-1876) als die Tanzimat (Tanzimat-i Hayriye 1839/76) auf dem Weg gebracht und weitergeführt wurden (Reformdekrete von 1839 und 1859, Verfassung von 1876). Der vom Sultan geplante zentralisierte "Zwangsstaat" sah eine moderne Bürokratie und eine modernes Rechtswesen vor, bei Aufteilung der Glaubensgemeinschaften in millets, einer Verwestlichung der Wissenschaften (wissenschaftliche Gesellschaft Encümen-i Danisch 1851) und einer fortschreitenden Industrialisierung (Eisenbahnbau u.a.); doch war der Finanzierungsbedarf hoch und warf auf die Dauer massive Probleme auf, die schließlich zum Finanzkollaps führten (1873/82). Auch die zentrifugalen Tendenzen im osmanischen Reich blieben, besonders auf dem Balkan (Montenegrokrise 1853, bulgarischer Aufstand 1876, habsburgische Okkupation Bosnien-Herzegowinas 1878), aber auch in Asien (Autonomie für den Libanon 1861), während das osmanische Reich im Krimkrieg (1853/56) zu den Gewinnern zählte (Frieden von Paris 1856). Nach der kurzen Regierung Murads V. (1876) wurde der "aufgeklärte Despot" Abdülhamid II. (1876-1909) Sultan, der ein säkular-modernes Kalifat propagierte und zahlreichen innenpolitischen Schwierigkeiten begegnen musste (Jungtürken, armenischer Terrorismus und Massaker an Armeniern, armenischer Aufstand in Van 1896). Abdülhamid erkannte die britische Besetzung Kuwaits (1907) und die österreich-ungarische Annexion von Bosnien-Herzegowina (1908) an; Kreta wurde griechisch (1908; Kretakrise 1897), Bulgarien völlig unabhängig (1908). Nach Abdülhamids Absetzung (1909) auf Grund der in der Provinz Mazedonien ausgebrochenen, auf Istanbul übergreifenden jungtürkischen Revolution (1908/09) bestieg Mehmed V. (1909-1918) den Osmanenthron. Mehmed musste im osmanisch-italienischen Krieg (1911/12) sowie in den zwei Balkankriegen (1912/13, 1913) den Zerfall des osmanischen Staatsgebiets auf dem Balkan in nationalistischen Kämpfen aller gegen aller ("ethnische Säuberungen") hinnehmen (Frieden von London 1913, Frieden von Konstantinopel 1913) (Dodekanes an Italien 1912, Loslösung Albaniens 1912, Verlust und Rückeroberung von Edirne 1913). 1914 trat das osmanische Reich auf der Seite Deutschlands in den Ersten Weltkrieg (1914-1918) ein (Völkermord an den Armeniern 1914/15, britische Niederlage in Gallipoli 1915, osmanischer Vorstoß zum Suezkanal, arabischer Aufstand 1916, Fall Bagdads und Jerusalems 1917, Frieden von Brest-Litwosk 1918, Sultan Mehmed VI. [1918-1922], Waffenstillstand von Mudros 1918).

Türkei

Literatur:

Faroqhi, Suraiya, Geschichte des osmanischen Reiches (= BSR 2021), München 2000

Howard, Douglas A. (2017), Das Osmanische Reich (1300-1924), Darmstadt 2018

Jorga, Nicolae (1908/13), Geschichte des osmanischen Reiches, 5 Bde., Bd.1: Bis 1451, Bd.2: Bis 1538, Bd.3: Bis 1640, Bd.4: Bis 1774, Bd.5: Bis 1912, Darmstadt 1997

Kreiser, Klaus, Neumann, Christoph K. (2003), Kleine Geschichte der Türkei, Stuttgart 22009

Matuz, Josef (1985), Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, Darmstadt 1985

Bearbeiter: Michael Buhlmann, 12.2023