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Sowjetunion (UdSSR): Moderne

Russische Geschichte

Die Sowjetunion ist entstanden aus dem russischen Zarenreich, einem "Regime der Selbstherrschaft", das während des Ersten Weltkriegs (1914-1918, als "Katalysator des Zerfalls") gerade auch an seinen inneren Widersprüchen (autokratische Herrschaft des Zaren über ein "europäisches Imperium" von der Ostsee bis Sibirien, vom Schwarzen Meer bis zur Arktis; Modernisierungen und Rückständigkeit; Ständegesellschaft [Bauern, Bürger, Intellektuelle]; Versorgungslage während des Kriegs) zerbrach. Die Februarrevolution von 1917 und die Abdankung des Zaren Nikolaus II. (1881-1917; März 1917) führten zur Bildung eines "Provisorischen Komitees" und zu insgesamt vier bürgerlichen Regierungen unter Georgi Lwow (†1925) und Alexander Kerenski (†1970) bis zur Oktoberrevolution von 1917 (provisorische Regierung in St. Petersburg, Petrograder Arbeitersowjet der Sozialrevolutionäre, Menschewiki und Bolschewiki, "Russländische Föderation" bei Abspaltung der Ukraine [Juni 1917]). Mit der Ankunft (Wladimir Uljanow) Lenins (*1870-†1924) in Russland (April 1917) begann die Radikalisierung der Bolschewiki, die sich gegen die bürgerliche Regierung wandten; diese hatte sich mit Misserfolgen im Krieg und einem versuchten Militärputsch (September 1917) auseinanderzusetzen. Die Oktoberrevolution vom 7. November (= 25. Oktober) 1917 als Putsch der Bolschewiki unter der weitgehenden Regie von Leo Trotzki (*1879-†1940) führte zur Entmachtung der "Provisorischen Regierung", wobei der 2. Kongress der Sowjets vom selben Tag als Regierung einen Rat der Volkskommissare beschloss. Lenin löste mit seinen Bolschewiki die am 8. Dezember gewählte verfassungsgebende Versammlung durch (Januar 1918), die Volkskommissare gründeten als Geheimpolizei die Tscheka (Dezember 1917), führten die gregorianische Kalenderrechnung ein (Februar 1918) und verboten die nichtbolschewistischen Parteien (bis Mitte 1918); mit dem Frieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) schied Russland aus dem Weltkrieg aus, Finnland, die baltischen Staaten, Polen, Weißrussland, die Ukraine, die transkaukasischen Staaten, Turkestan, Kasachstan verselbstständigten sich, teilweise unter deutscher Besetzung. Ab der 2. Hälfte 1918 herrschte in Russland der Bürgerkrieg zwischen den "Weißen", unterstützt von Großbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika, und den "Roten" (1918-1920), u.a. ein Attentat auf Lenin (Dezember 1918) war der Anlass für den "Roten Terror" der Bolschewiki gegen Andersdenkende im Sinne eines ideologischen Marxismus-Leninismus. Im Bürgerkrieg war zunächst das Wolgagebiet umkämpft (1918), dann gerieten die Bolschewiki in Bedrängnis (1919), schließlich gelang den "Roten" die Rückeroberung vieler ehemals zum Zarenreich gehörender Territorien wie der Ukraine, Weißrussland, der Kaukasusregion und Zentralasiens (1920); Finnland und die baltischen Staaten blieben unabhängig, Polen erzwang gegen Sowjetrussland die Abtretung von Teilen Weißrusslands und der Ukraine (1920/21). Im jeweiligen Machtbereich der Bolschewiki kam es während des Bürgerkriegs zur Ausbildung eines "Kriegskommunismus", der die russischen Bauern massiv benachteiligte und die Revolution der Städte auch auf dem Lande verbreitete; Bauernaufstände (in der Ukraine, im Wolgagebiet und Westsibirien), aber auch der Kronstädter Arbeiteraufstand (Anfang 1921) waren die Folge. Mit der "Neuen Ökonomischen Politik" (1921/27; Beendigung des "Kriegskommunismus, freier Handel, Städte und benachteiligtes Land) bei teilweiser Abkehr von der marxistisch-leninistischen Ideologie sollte sich die Sowjetunion wirtschaftlich und politisch stabilisieren. Im Staat der Räte (Sowjets) bildeten Partei - die "Allunions-Kommunistische Partei der Bolschewiki" (VKP(b); 1925) - und Staat eine Einheit, d.h. in diesem Parteienstaat ergänzten sich staatliche Organisationen und Parteistrukturen, und das auf lokal-regionaler Ebene, auf der Ebene der (autonomen) Republiken (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik [RSFSR], Karelische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik [ASSR], {ab 1945: Estnische Sozialistische Sowjetrepublik [SSR], Litauische SSR, Lettische SSR}, Weißrussische SSR, Ukrainische SSR, Moldauische SSR, Kalmückische ASSR, Kabardino-Balkarische ASSR, Nordossetische ASSR, Tschetscheno-Inguschische ASSR, Dagestanische ASSR, Abchasische ASSR, Adscharische ASSR, {als Transkaukasische SFSR 1922-1936: Georgische SSR, Armenische SSR, Nachilschewane ASSR, Aserbaidschanische SSR}, Komi-ASSR, Mordwinische ASSR, Tschuwaschische ASSR, Mari-ASSR, Udmurtische ASSR, Tatarische ASSR, Baschkiruische ASSR, Kasachische SSR, Karakalpakische ASSR, Turkmenische SSR, Usbekische SSR, Kirgisische SSR, Tadschikische SSR, Tuwinische ASSR, Burjatische ASSR, Jakutische ASSR), auf der Ebene der Sowjetunion als (föderale) Union. Die (Sowjet-) Union wurde am 29. Dezember 1922 formal ins Leben gerufen und vereinigte die bis dahin von den Bolschewiki eroberten Territorien (Eroberung Georgiens 1921/24, Verselbstständigung der Turkmenischen SSR und Usbekischen SSR 1924, Moldauische SSR 1924, Verselbstständigung der Tadschikischen SSR 1929, Verselbstständigung der Kasachischen SSR und Turkmenischen SSR 1936). Der politische Vorrang der Sowjetunion gegenüber den Teilrepubliken blieb wegen der alles verbindenden Allunionspartei VKP(b) gewahrt, die 127 Nationalitäten innerhalb der Sowjetunion wurden in ihrer kulturellen Eigenständigkeit gefördert (Bildungspolitik, Sprache, Schulen, Sesshaftmachung, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau). Im Mittelpunkt des sowjetischen Kommunismus standen dabei der wirtschaftliche Fortschritt als Resultat von Elektrifizierung, Industrialisierung und Rationalisierung und ein propagandistisches Idealbild der dem Sozialismus entsprechenden Menschentypen des Arbeiters im Arbeiterstaat und der Frau in der neuen Gesellschaft (Arbeiterkult und Fabrik, Kunst und sozialistische Avantgarde [Dichtung, Literatur, Theater, Malerei, Fotografie, Kino], Atheismus [Ausschaltung der kirchlichen "Konkurrenz", Vermögensbeschlagnahme, Verbote]). Außenpolitisch setzte die entstehende Sowjetunion zunächst auf die "Weltrevolution" (Bedeutung Deutschlands), musste sich aber nach dem Ausbleiben dieser mit den Mitteln der herkömmlichen Diplomatie behaupten (Vertrag von Rapallo 1922, diplomatische Anerkennung ab 1924). Der Tod Lenins als unbestrittenem Führer des sowjetischen Marxismus-Leninismus (1924; "Fraktionsverbot" innerhalb der VKP(b) 1921, "Testament" Lenins, Lenin-Mausoleum in Moskau, Leningrad statt Petrograd) ließ indes innenpolitischen Streit um die Macht aufkommen, bei dem Trotzki ins politische Abseits geriet (Ermordung Trotzkis in Mexiko 1940). Profiteur der Entwicklung war Josef Stalin (*1878-†1953), der zudem die Parteigrößen Grigori Sinowjew (*1883-†1936; hingerichtet) und Lew Kamenew (*1883-†1936; hingerichtet) sowie Nikolai Bucharin (*1888-†1938) ausschalten konnte (1926/27/29).
Stalin vereinigte als Generalsekretär de VKP(b) unter Ausschaltung jeglicher Parteikonkurrenz alle Macht bei sich. Ab 1928 kann von der Ära des Stalinismus gesprochen werden; in diesem Jahr gelang es Stalin das Politbüro der kommunistischen Partei nach seinen Wünschen umzugestalten, weiter das endgültige Aus der NÖP durchzusetzen und in einem 1. Fünfjahresplan (1928-1932) die Schwerindustrialisierung der Sowjetunion ([chaotische] Planwirtschaft, weitere Ideologisierung der Arbeiterschaft) bei Kollektivierung und "Entkulakisierung" der Landwirtschaft (Zwangskollektivierungen und Enteignungen [Sowchosen, Kolchosen], Deportationen und Ermordungen) durchzusetzen. Gegner innerhalb und außerhalb der Partei wurden in Schauprozessen verurteilt, "Systemfeinde" getötet, deportiert oder zu Zwangsarbeit gezwungen; die Geheimpolizei GPU (1922) bzw. NKWD (1934) beherrschte den "Archipel GULag". Folgen der Maßnahmen Stalins waren eine "Entfesselung von Gewalt" und "bürgerkriegsähnliche Zustände", die neben einer allgemeinen Desorganisation u.a. zur Hungersnot von 1932/33 mit ihren fünf bis zehn Millionen Opfern besonders in der Ukraine führten. Die Flucht der Landbevölkerung in die Städte unterband dabei (theoretisch) ein Passsystem (1932; <-> "Verbäuerlichung" der Städte). Ideologisch stand im Stalinismus der "Neue Mensch" im Vordergrund, wie ihn die Modernität verheißende städtebauliche Umgestaltung Moskaus (Metro und Magistralen) propagierte, das Ideal des mit "bolschwistischem Bewusstsein" ausgestatteten Menschen (Männer, Frauen, Ingenieure) oder die Kunst des "Sozialistischen Realismus". Der von Stalin initiierten sozialistischen Verfassung der Sowjetunion (1936) folgte im 2. Fünfjahresplan (1933-1937) der "Große Terror" von 1937/38, der nicht nur die (Partei-, Planwirtschafts-) Elite, sondern alle Schichten der Gesellschaft betraf (Stachanow-Kampagne und "Mobilisierungsdiktatur" 1935, Entmachtung des Politbüros 1935, "Säuberungen" innerhalb der Partei 1937, Moskauer Schauprozesse 1936/38, Massenterror und Massenverhaftungen gegen "Asoziale, Kriminelle, Kulaken" 1937/38, Ausbau des GULag-Systems 1937/41) und die Beziehungen zwischen den Menschen nachhaltig zerstörte. Stalin wirkte über die Komintern ("Kommunistische Internationale") auch auf die kommunistischen Parteien im Ausland ein, wenn auch die direkten diplomatischen Beziehungen zu den auswärtigen Staaten eine immer größere Rolle spielten (Mitgliedschaft der Sowjetunion im Völkerbund 1934, sowjetischer Außenminister Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow [†1986], Auflösung der Komintern 1943). Der Hitler-Stalin-Pakt (1939) mit seiner Preisgabe der baltischen Staaten und Ostpolens an die Sowjetunion war eine Voraussetzung für den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und den deutschen Überfall auf die Sowjetunion (Unternehmen "Barbarossa" 1941, deutscher Vernichtungskrieg in Osteuropa, Holocaust). Im "Großen Vaterländischen Krieg" (1941-1945) reagierte Stalin auf den deutschen Angriff mit Zwangsmaßnahmen (Kontrolle von Soldaten und Arbeitern, Deportation ethnischer Gruppen [Wolgadeutsche, Krimtataren u.a.], Verfolgung von Kollaborateuren), aber auch mit der Gewährung von Freiheiten (Sowjetunion als "Leidensgemeinschaft", kulturelle und kirchliche Freiheiten). Die Schlacht bei Stalingrad (September 1942-Januar 1943) bildete den Wendepunkt des Krieges; danach rückte die sowjetische Rote Armee - unterstützt von den westlichen Aliierten - bis nach Mitteleuropa vor (1945). Noch nach Ende des Krieges behauptete sich die Ukrainische Aufstandsarmee (UPA) als antikommunistische Gruppierung in weiten Teilen der Westukraine (bis 1956), während Baltikum und Westgebiete fest in die erweiterte Sowjetunion eingebunden wurden (Deportationen, Verstaatlichungen, Kollektivierung, russische Amtssprache). Im sich entwickelnden Ost-West-Konflikt u.a. zwischen einem kommunistischen Osteuropa hinter dem "Eisernen Vorhang" (Warschauer Pakt) und den westlichen Demokratien in Nordamerika und Europa (NATO) konnte die Sowjetunion auf die auch von ihr entwickelte Atombombe (1949) verweisen; der "Kalte Krieg" zwischen Kapitalismus und Kommunismus wurde ideologische geführt, ging konkret gerade auch um den sowjetischen Einfluss in Osteuropa und Deutschland (West-Berlin 1948/49, Gründung von Bundesrepublik Deutschland [BRD] und Deutscher Demokratischer Republik [DDR] 1949, "Stalin-Note" 1952). Innenpolitisch standen die Jahre nach dem Krieg im Zeichen des industriellen Wiederaufbaus der durch den Krieg massiv in Mitleidenschaft gezogenen westlichen Teile der Sowjetunion (25 bis 30 Millionen Weltkriegstote, Fünfjahresplan für die Ukraine 1946-1950). Gleichzeitig wurden vor dem Hintergrund eines geradezu schizophrenen Freund-Feind-Denkens (Schdanowschtschina, Antikosmopolitismus, Antisemitismus, Feindhysterie) Freiheiten (z.B. in der Kunst) wieder eingeschränkt, die "Angstherrschaft" Stalins und eine beginnende neue Terrorwelle (gegen Juden) wurden nur durch den Tod des Diktators (1953) beendet.
Was folgte, war eine liberalere Ära unter dem Ersten Parteisekretär der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU, 1952) Nikita Chruschtschow (*1894-†1971), der die "kollektive Führung" nach Stalins Tod erfolgreich ablöste (1957). Zuvor war noch der Aufstand in der DDR niedergeschlagen worden (1953; Hinrichtung des NWKD/MGB-Chefs Lawrenti Berija [†1953, Geheimdienst KGB 1954]); zur "Entstalinisierung" der Sowjetunion (ab 1953) gehörte das Abrücken von Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Unterbringung im GULag, die Öffnung der Lager bedingte die Freilassung von ungefähr vier Millionen (politischer) Gefangener, die nur schlecht in die sowjetische Gesellschaft zu integrieren waren. In einer Geheimrede rechnete Chruschtschow (teilweise) mit dem Terror der Stalinzeit ab (1956), was innen- und außenpolitische Verwerfungen mit sich brachte (Unruhen in Polen und Ungarn 1956). Der "Entstalinisierung" folgte eine Periode des "Tauwetters", innenpolitisch der Jahre 1955/57, auch in der Literatur (Schriftstellerkongress 1954); doch wandte sich die sowjetische Gesellschaft mit seiner Sozialkontrolle auch gegen "Asoziale" und "Sozialschmarotzer", gegen Religion und Kirche (orthodoxes Christentum, Islam) bei Propagierung "nationaler" Einheit. Der Reformstau der Stalinjahre sollte durch Reformen innerhalb der Landwirtschaft (Maisanbau, staatliche Erleichterungen für Bauern[Steuern, Rente], Neuland-Kampagne, Überforderung der Kolchosen), durch Reformen hin zu einem Wohlfahrtstaat (Mindestlohn, Mindestrente, Wohnungsbau, Konsum), durch eine dezentrale Organisation der Industrie bei weiterem Ausbau von Großindustrie und Energieversorgung gelöst werden. Das sowjetische Raumfahrtprogramm war zivil (Satellit "Sputnik" 1957) und militärisch (Trägerraketen für Atomwaffen) erfolgreich. Die sowjetische Außenpolitik war gekennzeichnet durch Chruschtschows Reisediplomatie (Gipfeltreffen in Genf [1955], Paris [1960] und London [1961], Chruschtschows USA-Reise 1959) und durch Annäherung an den und Distanzierung vom Westen (Entlassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen 1955, Deutschland- und Berlin-Frage [Mauerbau 1961]). In der Kubakrise (1962) zogen Chruschtschow und die Sowjetunion den Kürzeren. Der außenpolitische Misserfolg sowie Versorgungskrisen im Innern führten schließlich zur Absetzung Chruschtschows durch das Zentralkomitee der KPdSU (1964).
Auf Chruschtschow sollte Leonid Breschnew (*1906-†1982) als mächtigster Mann der Sowjetunion folgen, freilich mit Aleksei Kossygin (*1904-†1980) als Vorsitzendem des Ministerrats und Nikolai Podgorny (*1903-†1983) als Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets - "kollektive Führung" also. Breschnew zeichnete sich durch einen auf Ausgleich bedachten Führungsstil aus, er setzte auf Kontinuität im Kader der KPdSU bei Vorrang der Partei gegenüber der Regierung. Reformen Chruschtschows wurden zurückgenommen, die neue Verfassung der Sowjetunion (1977) stand in Teilen den kommunistischen ("nationalen") Eliten in den Teilrepubliken entgegen; (Kolchos-) Bauern sollten rechtlich und sozial der städtischen Bevölkerung gleichgestellt werden (Angleichung der Löhne 1965, Freizügigkeit 1975), die "Kossyginschen Reformen" (1965) setzten auch auf Eigenverantwortung in der Industrie, scheiterten aber im Wesentlichen; im Rahmen des "Kleinen Deal" (Wohlverhalten gegen materielle Versorgung, Anhebung des Lebensstandards) eines "entwickelten Sozialismus" konnte die sowjetische Bevölkerung auch mehr Konsumgüter wie Haushaltsgeräte (Fernsehgerät, Kühlschrank, Waschmaschine) nachfragen, die Anzahl privater Automobile blieb indes gering (Lada-Autowerk in Togliatti 1970). Dringende Devisen erhielt die Sowjetunion durch den Export von Gas und Öl (aus Sibirien) auch ins westliche Ausland (Österreich 1968, BRD 1973, Pipeline zur Yamal-Halbinsel 1983). Unter den Infrastrukturmaßnahmen ragte - neben den Investitionen im ländichen Bereich - auch unter ideologischen Aspekten der Bau der Baikal-Amur-Magistrale (ab 1974) hervor. Ebenfalls ideologisch untermauert war die Verfolgung Andersdenkender, was etwa den Schriftsteller Alexander Solschenizyn (*1918-†2008, Literaturnobelpreis 1970) oder den Wissenschaftler Andrei Sacharow (*1921-†1989, Friedensnobelpreis 1975) betraf. Außenpolitisch trat die Sowjetunion als Weltmacht auf, gegenüber den Staaten des Warschauer Paktes (Prager Frühling 1968), gegenüber dem China der Kulturrevolution, gegenüber der NATO und den USA (Vietnamkrieg 1955-1975, Entspannungsprozess und SALT-Abkommen 1972, KSZE-Prozess und Helsinki-Schlussakte 1973/75), gegenüber Westdeutschland im Zeichen der neuen Ostpolitik des Bundeskanzlers Willy Brandt (1969-1974) (Moskauer Vertrag 1970). Der Entspannung zwischen Ost und West folgte nach 1975 eine neue "Eiszeit" (trotz SALT II-Abkommens 1979; Kommunismus in Angola (1974/75/2002), NATO-Doppelbeschluss 1979); auch der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan (1979) gehört hierher (Afghanistankrieg 1979-1989), Unruhen in Polen (freie Gewerkschaft Solidarnosc) wurden unterdrück (1980/81). Am Ende hinterließ Breschnew ein von Nahrungsimporten abhängiges Land, das infolge eines Preiszerfalls nur ungenügend Devisen aus dem Öl- und Gasexport generieren konnte, und innerhalb der politisch maßgeblichen Parteikader der KPdSU eine Gerontokratie. Letztere stellte nach Breschnews Tod (1982) die Generalsekretäre Juri Wladimirowitsch Andropow (*1914-†1984) und Konstantin Tschernenko (*1911-†1985), die aufgrund ihren kurzen Amtszeiten kaum politisch zur Entfaltung kamen (1982-1984 bzw. 1984-1985).
Mit Michail Gorbatschow (*1931-†2022) kam ein Generalsekretär einer jüngeren Generation an die Macht (1985), der das durch Korruption und Stagnation ausgehöhlte Partei- und Staatssystem der Breschnewzeit verändern und modernisieren wollte. Perestroika ("Umgestaltung" ) und Glasnost ("Transparenz/Öffnung") waren die Schlagworte, mit denen Gorbatschow seine neue Politik verband. Sie bedeutete eine entstehende Meinungsvielfalt und Verfassungsreformen (Demokratisierung 1987, Reform der Sowjets, Kongress der Volksdeputierten 1988, Präsidialsystem 1990) unter der Alleinherrschaft der KPdSU sowie einen massiven Umbau der Wirtschaft, die nun marktwirtschaftliche Elemente (Handwerk, Landwirtschaft) aufnahm, die Planung auf die Ebene der Unternehmen (Industrie) verlagerte. Der wirtschaftliche Umbau führte zu massivem Mangel an vielem, zumal eine Kampagne gegen Alkoholismus (1985) sich ebenfalls negativ auswirkte. Die Reaktorexplosion in Tschernobyl (1986) brachte das Ende der Technikgläubigkeit, Abruüstungsverhandlungen in Reykjavik (INF-Vertrag 1987) das Ende des Kalten Krieges zwischen Ost und West. Auch in den Staaten des Warschauer Paktes sollten Perestroika und Glasnost Einzug halten, das Ende der kommunistischen DDR (Mauerfall 1989) und deren Beitritt zur BRD (Wiedervereinigung 1990) liefen parallel zu Zerfall und Auflösung des Warschauer Paktes (1991) bei Rückzug der sowjetischen Truppen ausd Osteuropa (bis 1994). Auch die Sowjetunion sollte in ihre Einzelrepubliken zerbrechen; in Kasachstan setzten 1986 Unruhen ein, ebenso in Usbekistan 1988/89, es folgten Streitigkeiten um die Region Bergkarabach (1988) zwischen Armenien und Aserbaidschan und Massenproteste in Georgien (Abchasien, Südossetien) (1989/90). Autonomiebestrebungen gab es in den baltischen Republiken seit 1988, Litauen erlangte 1990/91 als erste dieser Republiken die faktische Unabhängigkeit. Das Jahr 1991 war auch das Jahr des Endes der Sowjetunion, die Gorbatschow mittels eines neuen Unionsvertrages zwischen neun Republiken auf eine neue Grundlage stellen wollte (April/August 1991). Der Unionsvertrag war der Anlass zu einem kommunistischen Putsch gegen den Generalsekretär (18./21. August 1991), der unter maßgeblicher Beteiligung des Präsidenten der russischen Teilrepublik Boris Jelzin (*1931-†2007) abgewehrt werden konnte. Der Unionsvertrag war indes hinfällig; die Republiken Russland, Weißrussland und Ukraine verhandelten hinter Gorbatschows Rücken das neue Staatensystem der "Gemeinschaft unabhängiger Staaten" (GUS), das am 21. Dezember 1991 von elf Republiken gebildet wurde. Gorbatschow trat daraufhin am 25. Dezember als sowjetischer Präsident zurück, am Tag darauf verfügte der Oberste Sowjet die Auflösung der Sowjetunion als "Union der sozialistischen Sowjetrepubliken" (UdSSR). Die kommunistische Sowjetunion war damit Geschichte.
Aus der Sowjetunion entstanden infolge des politischen Umbruchs der Jahre 1989/91 fünfzehn neue Staaten, die unterschiedliche Entwicklungen nahmen. Die baltischen Staaten Estland, Livland, Litauen orientierten sich rasch nach dem Westen und wurden schließlich Mitglieder der NATO und der Europäischen Union (EU). Andere Staaten waren Teil der GUS, hatten sich mit der machtpolitischen Vormachtstellung des "neuen" Russland auseinanderzusetzen oder kämpften mit Nationalitätenprobleme. Russland als Kerngebiet der ehemaligen Sowjetunion wurde unter der Präsidentschaft von Waldimir Putin (*1952) wieder zu einer Diktatur, die die Wiederherstellung des Sowjetimperiums anstrebt.

Russische Geschichte

Literatur:

Hildermeier, Manfred (2017), Geschichte der Sowjetunion 1917-1991. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates (= HB), München 2017

Schattenberg, Susanne (2022), Geschichte der Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution bis zum Untergang (= BSR 2935), München 2022

Bearbeiter: Michael Buhlmann, 12.2023