Quellen zur Geschichte des Klosters Werden a.d. Ruhr II

877 Mai 22, Bürstadt:

Immunität und Königsschutz für das Kloster Werden

Unter Bezugnahme auf den Halberstädter Bischof Hildigrim II. (853-886) enthält das Diplom König Ludwigs des Jüngeren (876-882) Bestimmungen über den Königsschutz, die Immunität und die freie Abtswahl; hinzu kommt die Zollfreiheit der Brüder und ihrer Leute in Neuß. - Einer Erläuterung bedarf sicher noch das Rechtsinstitut der Immunität. Es bedeutet einen mit Vogt und Vogtgerichtsbarkeit verbundenen Sonderrechtsstatus des Klosters, in den "keine richterliche Gewalt und kein öffentlicher Richter" eindringen darf (Introitusverbot). Der Vogt übernahm dabei die Aufgabe der Schutzherrschaft über das Kloster und wurde ein- oder abgesetzt vom König (theoretisch) oder vom Abt (was dem Kloster wünschenswert war). Doch standen einer Ein- und Absetzung die Erblichkeit der Vogtei und das Machtstreben der Vögte zunehmend entgegen.

(C.) Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreieinigkeit. Ludwig, durch göttliche Gnade begünstigt, König. Wenn wir die Gesuche, die die treue, hohe Geistlichkeit der heiligen Kirche gerecht und vernünftig erbittet, zur Ausführung bringen, glauben wir zuverlässig, dass dies ohne jeden Zweifel uns zum Vorteil des ewigen Lohns, den wir ergreifen sollten, gereichen wird. Deshalb sei dem Diensteifer aller unserer Getreuen, sowohl den gegenwärtigen als auch den zukünftigen, bekannt gemacht, dass der ehrwürdige Mann mit Namen Hildigrim, Bischof der Stadt Halberstadt, die Abtei mit Namen Werden mit Zustimmung der dort Gott dienenden Brüder uns übergeben und Schutz [Rasur:] <und Schirm unserer Verteidigung> für die dringend dies fordernden Brüder erbeten hat [in der Weise], dass das schon erwähnte Kloster unter seiner Herrschaft verbleibe und nach seinem Tod dann die Brüder des genannten Klosters die Macht haben, den Abt unter sich zu wählen, der weiß, diese der Regel gemäß zu führen. Wir haben auch den Bitten des schon genannten Bischofs und der vorher erwähnten Brüder zugestimmt. Wir haben befohlen, diesen Befehl unserer Autorität aufzuschreiben, und entscheiden weiter und befehlen, dass die voranstehende Bitte fest und unerschütterlich bleibe. Deshalb steht den Leuten der erwähnten Brüder keine richterliche Gewalt und kein öffentlicher Richter vor. Von diesen [Leuten] dürfen weder Bußen noch zu fordernde Bereitstellungen verlangt werden. Die Brüder des erwähnten Klosters und ihre Leute bleiben von aller Eintreibung des Zolls in Neuß befreit. In Gegenwart des Vogtes, [Rasur:] <den der Abt gegebenenfalls einsetzt,> mögen Verhandlungen und Beschlüsse geschehen. Und [die Brüder und Leute] mögen unter dem Schutz der Immunität immer und überall bleiben. Und damit diese Urkunde unserer Zustimmung fester eingehalten und sie in zukünftigen Zeiten von unseren Getreuen besser geglaubt und sorgfältiger beachtet wird, haben wir sie unten durch unsere eigene Hand bekräftigt und befohlen, sie durch den Eindruck unseres Rings zu siegeln.

Zeichen des Ludwig (MF.), des erlauchtesten Königs.

Ich, Kanzler Wolfher, habe anstelle des Erzkaplans Liutbert dies geprüft und (SR.) (SI.D.)

Gegeben an den 11. Kalenden des Juni [22.5.] in der 10. Indiktion, im Jahr der Menschwerdung des Herrn 877, im ersten Jahr des Königtums des erlauchtesten, in Ostfranken regierenden Königs Ludwig; geschehen zu Bürstadt; selig im Namen des Herrn; amen. [Buhlmann]

Verunechtete Originalurkunde; Siegel verloren gegangen; in Latein. Die Verunechtung erkennt man an zwei, wahrscheinlich im 11. Jahrhundert wegrasierten und dann neu bearbeiteten Textpassagen im Königsdiplom. Die eine Rasur bezieht sich auf den Königsschutz, die andere auf die Einsetzung des Vogtes durch den Abt. Die Urkunde wurde - wie Stüwer, Reichsabtei Werden, S.90 es formuliert hat - zur "Magna Charta" des Klosters Werden. - Bendel, Urkunden, Nr.2; MGH DLJ 6.