Quellen zur Geschichte des Klosters Werden a.d. Ruhr II

1247:

Festsetzung der Rechte von Stadt und Stadtherrn in Helmstedt

Die Werdener Äbte hatten auch in Helmstedt Interessen. Helmstedt, dessen Gründung ja ebenfalls Liudger zugeschrieben wurde, entwickelte sich bis zum Ende des 12. Jahrhunderts stetig weiter. Es sei nur an den Aufschwung der Stadt Helmstedt neben dem St. Ludgeri-Kloster (12. Jahrhundert) - Helmstedt wurde Konkurrentin Magdeburgs - oder an die Gründung des Damenstifts Marienberg durch den Werdener Abt Wolfram (1176) erinnert. Der Magdeburger Erzbischof Ludolf (1192-1205) nutzte dann aber im Rahmen des welfisch-staufischen Thronstreits und mit Unterstützung des Stauferkönigs Philipp von Schwaben (1198-1208) die Möglichkeit, Helmstedt zu zerstören. Doch wurde die Stadt nach der Brandkatastrophe von 1200 schnell wieder aufgebaut und bekam um 1230 eine Stadtbefestigung, wobei Letzteres allerdings nicht ohne Streit mit dem Ludgeri-Kloster und dem Werdener Abt abging. Die Emanzipation der Helmstedter Bürgergemeinde erreichte mit der nachstehenden Stadtrechtsurkunde, dem Vergleich zwischen den Bürgern und dem Kloster von 1247, einen ersten Höhepunkt; Urkundenaussteller war der Werdener Abt Gerhard von Grafschaft (1226-1251). Im späten Mittelalter sind es dann die Helmstedter Klostervögte, d.h. die braunschweigisch-welfischen Herzöge, die einen immer größeren Einfluß auf die Stadt besaßen.

Gerhard, durch Gottes Gnade Abt der Werdener Kirche, allen Getreuen Christi, zu denen das vorliegende Schriftstück gelangt, Heil im Urheber des Heils. Damit dies, was zur Zeit geschieht, nicht mit der Zeit unsicher wird, verlangt die Vernunft, dies dauerhaft aufzuschreiben. Die uns lieben und unsere treuen Bürger von Helmstedt sind daher zu uns gekommen und haben demütig und gottergeben gebeten, dass wir uns entschließen, die Rechte, die sie und ihre Vorfahren von alters her unter uns und unseren Vorgängern hatten, ihnen durch die Bekräftigung unseres Siegels zu befestigen. Und sie brachten diese Rechte, damit sie in Zukunft allen gefestigter erscheinen, in einzelnen Punkten zum Ausdruck, und bestimmten: [1.] Wenn irgendeiner der Bürger der Stadt Helmstedt seinen Hof einzäunt oder seine wie auch immer gearteten anderen Gebäude jenseits dem, was ihm gehört, auf nachbarlichen Grund miteinander verbindet oder wenn irgendjemand der besagten Bürger auf der öffentlichen Straße baut, soll das Gericht [ister aus. [4.] Ebenso geht das Gericht, das über jene handelt, die so verkürzen, was gewöhnlich Schinden und Scheren [villen und sceren] heißt, vom Bürgermeister aus; wenn dies vom Bürgermeister nicht gerichtet werden kann, so ist dies an den Vogt zu überweisen, und dieser urteilt. [5.] Ebenso wenn irgendjemand einen Fuder Wein verkauft, gibt jener sechs Schillinge für den Verkauf und die Befestigung der Stadt; und dies verwaltet der Bote des Abtes mit denen, die den Rat der Stadt [consilium civitatis] bilden. [6.] Weiter darf keiner irgendein Goslaer Bier in Helmstedt verkaufen außer beim jährlichen Markt. [7.] Ebenso über das, was gewöhnlich Abgabe [asnen] heißt, das ist die Abgabe, die der Knecht seinem Herrn und die Magd ihrer Herrin schuldet; und über die Abgabe der letzteren entscheidet der Bürgermeister; und wenn er darüber nicht urteilt, so urteilt dies der Meier [villicus]. [8.] Ebenso wer immer auch sein Haus decken will, so möge er zur Anfeuchtung des Strohs eine Grube ausheben; nach getaner Arbeit muß er jene Grube zuwerfen. [9.] Ebenso wenn irgendjemand ein Haus im Helmstedt baut und wenn er Fenster hineinbaut, so kann er unter jene Pfeiler setzen. [10.] Ebenso wenn irgendjemand auf seinem Grundstück baut, ist es ihm erlaubt, dies so zu bauen, wie er davon Nutzen hat. [11.] Ebenso wenn irgendjemand vor dem Richter in Helmstedt gegen einen Beschluß Einspruch erhebt, soll jener sich an die Magdeburger Bürgerschaft wenden und von jenen Bescheid bekommen, ob er gut oder schlecht, rechtmäßig oder unrechtmäßig geklagt hat; dies wir dort entschieden. Wir wollen daher in sorfältiger Erwägung auf ewig und unveränderlich beibehalten das, was vorausgeschickt wurde und was es als vorgenannte Rechte hinsichtlich der Stadt Helmstedt unter unseren Vorgängern so von alters her bis zur Gegenwart und in die Zukunft gegeben hat. Wenn wir aufgrund der Entfernung der Orte [Werden und Helmstedt] nicht schnell das ganze Recht jedes darlegen können und irgendeinen Artikel des vorliegenden Schriftstücks unwissend hineinschreiben, wollen wir dennoch darin das Recht unseres Vogtes und unseres Meiers berücksichtigen, da wir ja möchten, deren Recht weder durch das vorliegende Schriftstück noch durch irgendeine andere Tat von uns irgendwie einzuschränken, hingegen wollen, dass das ganze Recht unseres Vogtes, unseres Meiers und unserer Bürger in dieser Sicherheit [so] fortbestehen bleibt, wie es von alters her war. Damit aber in Zukunft hinsichtlich des Rechts, was uns und unseren Nachfolgern in der Stadt Helmstedt zusteht, nichts angezweifelt wird vom Rat der Bürger dieser Stadt, haben wir, insoweit wir dies besser können, diese unsere Rechte dem vorliegenden Schriftstück hineinschreiben lassen. [12.] Es ist nämlich unser Recht und das unserer Nachfolger, dass, wenn auch immer ein Werdener Abt gewählt wurde und er zu den Helmstedter Bürgern zum ersten Mal kommt, diese ihn ehrenhaft aufnehmen und ihm sowohl sein Haus als auch die Schlüssel der Stadttore übergeben, dies in der Kenntnis, dass er der Herr der Stadt ist. [13.] Die Bürger, die dem Rat der Stadt angehören, und jene, die Bürgermeister heißen, schwören dem Abt den Treueid und beeiden ihm, dass sie seine Stadt treu bewachen. Wenn aber irgendeiner [von diesen] in fortgeschrittener Zeit stirbt, wird sein Nachfolger angehalten, einen ähnlichen Eid zu schwören. [14.] Ebenso gehört das Recht, das gewöhnlich Innung [innung] heißt, in die Hand des Abtes. [15.] Ebenso wenn irgendein Lite des Abtes in die Stadt kommt, um dort Bürger zu werden, erweist er dennoch dem Abt die Gerechtigkeit, die ihm die Liten außerhalb der Stadt gewöhnlich geben. [16.] Ebenso darf in allem, was Verkäufe angeht, keiner irgendetwas bestimmen außer mit Zustimmung des Abts. [17.] Ebenso kann der Abt den jährlichen Markt festsetzen. [18.] Ebenso kann niemand ein Haus einrichten, in dem gemeinschaftliche Dinge verkauft werden, außer mit Genehmigung des Abts. [19.] Ebenso bleibt die Münze und die Einrichtung der Münze allein beim Abt, auch die Festsetzung der Zeit, wann neue Pfennige hergestellt und allen ausgegeben werden. [20.] Ebenso kümmert sich der Abt um den Priester der Marktkirche des heiligen Stephan; er setzt den Priester ein. [21.] Ebenso besitzt der Abt das Gericht über die Juden und die Münzer, und die Juden dienen dem Abt wie die anderen Juden, die anderen Fürsten unterstellt sind. [22.] Ebenso ist alles, was in Helmstedt an Recht aufgewiesen werden kann, aus der Hand des Abtes zu empfangen. [23.] Ebenso darf niemand eigene Verfügungen treffen ohne Erlaubnis des Abts. [24.] Ebenso stellt der Abt dem Volk einen Richter voran, der Gograf [gogravius] heißt. Damit aber dies, was vorausgeschickt ist, auf ewig beachtet wird, haben wir entschieden, das vorliegende Schriftstück mit unserem Siegel und dem Siegel der Stadt Helmstedt zu bekräftigen. Gegeben zu Helmstedt im Jahr des Herrn 1200 siebenundvierzig. [Buhlmann]

Lateinische Originalurkunde. - Mutke, Helmstedt im Mittelalter, S.162f, Beilage 2.