Quellen zur Geschichte des Klosters Werden a.d. Ruhr II

Ca. 1470:

Werdener Gerichtsordnung

GenauGenaueren Einblick in den Aufbau des Werdener Gerichts gibt eine Gerichtsordnung aus dem 15. Jahrhundert, wonach das Gericht (als Vogtgericht) von einem (vom Vogt eingesetzten) Richter geleitet wurde, dem zwölf Schöffen als Urteilsfinder beigeordnet waren. Die Gerichtsordnung enthält eine Vielzahl von Bestimmungen.

Ordnung des Gerichts von Werden

[Zusatz:] [1.] Ebenso an jedem Mittwoch, wenn er nicht auf den heiligen Abend [24.12.] fällt, richtet man alle 14 Tage. Wenn der heilige Abend dies verhindert, so richtet man am nächsten Mittwoch danach. [Zusatz:] [2.] Ebenso richtet man an den Quatembern [Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterquatember, jeweils mittwochs bis samstags] und, wenn hier frei ist, nicht; auch während der Ernte [richtet man] nicht. [3.] Ebenso sind da 12 geschworene Schöffen [geswarene schepen] mit einem Richter, die meinem gnädigsten Herrn [dem Vogt] und dem Gericht vereidigt sind. [Zusatz:] [4.] Ebenso mag der Richter mit sieben Schöffen richten über Erbe und Gut, über Hals und Rumpf; mit weniger als sieben Schöffen richtet man nicht. [5.] Ebenso wenn von den Schöffen einer, zwei, drei oder mehr sterben, so wählen die Übriggebliebenen, damit die Zahl wieder wieder vollständig wird, andere Bürger, die von ehelicher Geburt und gesetzmäßig sind, wie sich das gehört, an die Stelle der Toten dazu. [6.] Ebenso wenn man dann richtet, so präsentiert man die neugewählten Schöffen vor gehegtem Gericht [gehegeden gerichte] und ersucht den Richter, diese Gewählten im Namen meines gnädigen Herren als Schöffen anzunehmen und sie den Eid ableisten zu lassen, wie es Gewohnheit ist. [7.] Ebenso wenn sie dann den Eid geleistet haben, wie es Gewohnheit ist, läßt sie der Richter im Gericht neben den anderen Schöffen sitzen. [8.] Ebenso ist es nach alter Gewohnheit erlaubt, dass das Gericht aufgenommen wird, ohne dass jemand klagt oder dass ein Urteil gefällt wird, und sie zusammenkommen zu Wein oder Bier und zusammen feiern [und maken sich tosamen vrolich]. [9.] Ebenso schenkt jeder gewählte Schöffe dann für das Gelage 18 Albus [Weißpfennige]. [10.] Ebenso schenken auch die anderen, alten Schöffen dann einen Pfennig für das Gelage nach ihrem Belieben und Gutdünken. [11.] Ebenso wenn einer mit Hilfe des Gerichtsboten [geswaren vronen] an das Gericht geladen wird zum ersten Mal, zum zweiten und zum dritten Mal, so gehören dem Boten für jedes Gebot 3 Heller, und die soll man zuerst vom Richter für den Boten erbitten. Wenn man so die erste Klage gerichtlich einbringt, urteilen die Schöffen; gibt die andere Partei beim ersten Mal keine Antwort, so ist sie für das zweite Mal zu verklagen. Gibt der beklagte Mann beim zweiten Mal auch keine Antwort, was er lieber beim ersten oder beim zweiten Mal hätte tun sollen, so lasse man denselben mit Hilfe des Gerichtsboten zum nächsten Gericht bitten zum dritten Mal. [12.] Ebenso gibt man bei jedem Gerichtstermin dem Schreiber [schriver], damit er schreibt, 3 Heller. [13.] Ebenso wenn der Kläger den Beklagten zum dritten Gericht mit Hilfe des Boten an das Gericht bringt und ihn auffordert, Antwort zu geben, soll er ihm [die Kosten] schuldig sein. [14.] Ebenso muss der Kläger seine Klage und Einrede gerichtlich mitteilen und verlauten lassen, wobei der Beklagte sofort antworten kann oder seine 14 Tage Aufschub bis zum Urteil nehmen darf, den man ihm gewähren mag. [15.] Ebenso [die Klage] aufzusetzen: das muss der Kläger [das Gericht] tun lassen und [diesem] bezahlen. [16.] Ebenso gehört für jedes getroffene Urteil dem Richter und den Schöffen zusammen 2 Albus; [Zusatz:] was dem Gericht zukommt, davon gehört dem Richter die eine, den Schöffen die andere Hälfte. [17.] Ebenso wenn zwei Klagen von beiden Gerichtsparteien erwirkt werden sollen, so müssen beide Parteien auch jeweils 2 Albus bezahlen. [...] [20.] Ebenso ist ein Strafgeld [wedde] oder eine Klage eine Gerichtssache, und so [zahlt man für] ein Strafgeld oder eine Klage 1/2 Gulden, [für] zwei Strafgelder oder Klagen 1 Gulden usw.; und wenn man lang am Gericht braucht, so ge-bührt dem Richter bis zu den höchsten solcher Gerichtssachen nicht mehr als 1 1/2 Gulden und dem, der sich dem Ge-richtsurteil unterwirft, seine nachgewiesenen, gerichtlichen Kosten. [...] [24.] Ebenso wenn man jemandem Bann und Schutz über Gut und Renten gibt, so ist man dem Gericht bei Sonnenschein [d.h. noch am selben Tag] schuldig, das Gericht zu bezahlen; bei anderen Dingen [muss das] innerhalb von 14 Tagen [geschehen]. [25.] Ebenso gebührt dem Richter davon nicht mehr als 1 1/2 Gulden und den Schöffen 1/2 Gulden, was die [im Prozess] siegreiche Partei mit ihren nachweisbaren Gerichtskosten aufrechnen soll, wobei ihm Richter und Schöffen dann für das ausgegebene Geld einen Gerichtsschein geben müssen, wenn er dies will. [26.] Ebenso gebührt bei einer Beschlagnahme, bei Totschlag oder [gerichtlichem] Verbot dem Gerichtsboten auch 1 Albus. [27.] Ebenso gebührt bei einer Beschlagnahme dem Richter 1/2 Gulden. [28.] Ebenso hat der Richter sein eigenes Siegel und die allgemeinen Schöffen zusammen auch ein gemeinsames Schöffensiegel, womit sie zusammen Erbschaftsbriefe und andere Briefe besiegeln; der Richter muss sein Siegel zuerst anhängen und dann daneben die Schöffen deren Siegel, und für jede Besiegelung soll man 3 Albus geben zu gewohnter Zeit. [29.] Ebenso wenn jemand das Schöffensiegel außerhalb der gewohnten Zeiten benötigt, muss er 1/2 Gulden geben. [30.] Ebenso gibt es drei Schöffen, wovon ein jeder einen besonderen Schlüssel zum stock oder Behälter hat, wo das Siegel aufbewahrt wird, mit dem man alle Samstage in den Quatembern auf dem Rathaus im Beisein der allgemeinen Schöffen durch den Bürgermeister mit Hilfe des Stadtknechts alle Erbschaftsbriefe und andere Gerichtsbriefe besiegelt. [31.] Ebenso wenn irgendjemand ein Testament über eine Erbschaft vor Richter und Schöffen anfertigen lassen will, müssen 3 Schöffen anwesend sein. [32.] Ebenso wenn jemand ein Verzeichnis von Einnahmen, Renten oder von einer Erbschaft wegen einer Kapitalauf-kündigung oder Wiederkaufs anfertigen lassen will, müssen der Richter und 2 Schöffen anwesend sein. [33.] Ebenso gehört dem Richter für seine gewöhnliche Beurkundung der Verzeichnisse und der Besitzübertragungen 2 Albus und jedem Schöffen 1 Albus. [34.] Ebenso bringen die Schöffen, die an einer Besitzübertragung und an einer Erstellung eines Verzeichnisses teilge-nommen haben, dies den anderen Schöffen auf das Rathaus, wo sie um das Siegel bitten und in Anwesenheit der Schöffen dann ihr gemeinsames Schöffensiegel an den Brief hängen. [...] [Zusatz:] [40.] Ebenso wenn die Sonne untergegangen ist, empfängt man keine Eide, auch nicht in der Fastenzeit, auch nicht zwischen Ostern und Pfingsten. [41.] Ebenso wenn ein Gericht über Gewalttaten [noetgerichte] innerhalb der Stadt abgehalten wird, gebührt dem Richter 1 1/2 Gulden und jedem Schöffen, deren da zwölf sind, 3 Albus, macht [zusammen] auch 1 1/2 Gulden; und außer-halb der Stadt sind [die Beträge] doppelt. [42.] Ebenso sollen dem Richter und den Schöffen hierzu eine angemessene Mahlzeit gereicht werden mit Wein und Bier, wenn das Gericht in der Stadt abgehalten wird, und außerhalb der Stadt zwei Mahlzeiten, wie es vorgenannt steht. [...] [55.] Ebenso wenn sich einer wegen eines Lehnsguts vom Gericht meines gnädigen Herrn an den Lehnsherrn [den Abt] wendet, sofern er die[se] Berufung innerhalb der üblichen Zeiten und die Klage um 14 Tage verschoben oder anders nicht empfangen hat, so beschließen die Schöffen hinsichtlich des Lehnsguts, [diesen Fall] an den Lehnsherrn und den Lehnsmann weiterzuleiten, wobei man dann dem Gericht seine übliche Gebühr geben muss. [...] [62.] [Dies alles] in diesen vorgenannten Dingen und Punkten [gilt] vorbehaltlich aller Rechte der Bürger und Einwohner von Werden gemäß ihrer Privilegien, Beschlüsse und guten Gewohnheiten, die man für so gut hält wie geschriebenes Recht. [Buhlmann]

Originalniederschrift des 15. Jahrhunderts, vielleicht aus der Zeit um 1470; in Mittelniederdeutsch. - Kötzschke, Gericht Werden, S.111-117, Nr.I.