Quellen zur Geschichte des Klosters Werden a.d. Ruhr II

1490 Mai 26:

Helmstedt als Lehen des Herzogs von Braunschweig

Im späten Mittelalter gestalteten sich die Beziehungen zwischen dem Werdener Abt und "seiner" Stadt Helmstedt immer schwieriger. Probleme mit der selbstbewussten Bürgergemeinde und dem übermächtigen Klostervogt und Territorialherrn, dem Herzog von Braunschweig, häuften sich, und das bei und wegen einer immer desolater werdenden wirtschaftlichen Lage der Abtei. Ein Tiefpunkt in der Geschichte des Helmstedter Ludgeriklosters war zweifelsohne in den Jahren ab 1456 erreicht, als der Werdener Abt Konrad von Gleichen (1452-1474) vier Jahre in der Abtei auf die Huldigung der Bürgerschaft wartete und dabei zu seinem Unterhalt 3000 Goldgulden verbrauchte. Schon zuvor hatte der Ausverkauf abteilicher Rechte an die Helmsteder Bürgergemeinde (Stadtrat) begonnen; dies betrifft die Vogtei in Ostendorf (1405), das Braurecht in Helmstedt (1410), die Verpfändung von Weinverkauf, Judenschutz und Geldwechsel (1427), die Erweiterung der Stadtmauer (1441), die Aufgabe der Rechte bzgl. Biersteuer, Schulpatronat und Klosterpforte in der Stadtmauer (1447). Auch Abt Konrad konnte die endlich am 14. September 1460 vollzogene Huldigung nur durch weitere Zugeständnisse und unter Vermittlung des Vogts, des Herzogs Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1416/32-1473) von den Helmstedter Bürgern entgegennehmen. Auch der Beitritt des ostsächsischen Klosters zur Bursfelder Kongregation (1482) änderte an der schwierigen (verfassungsrechtlichen) Lage nicht viel. Nach ebenfalls vierjährigen Bemühungen (1485-1489) erreichte mit Antonius Grimholt (1484-1517) nochmals ein Werdener Abt die Huldigung der Stadt Helmstedt. Doch schon ein Jahr später - die entsprechende Urkunde ist nachstehend wiedergegeben - übertrug Grimholt den größten Teil seiner verbliebenen Rechte (Huldigungsrecht, Gildehoheit, Münze u.a.) als Mannlehen an den Herzog Wilhelm II. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1482-1495). Mit der Übertragung der stadtherrlichen Rechte an den Klostervogt verlassen wir die mittelalterliche Geschichte Helmstedts. Das Ludgerikloster der frühen Neuzeit ist nun eine reichsunmittelbare Mönchsgemeinschaft im Territorium der Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel.

Wir, Antonius, von Gottes Gnaden Abt der freien Stifte St. Liudger zu Werden und zu Helmstedt vom Orden des heiligen Benedikt, tun kund, bezeugen und bekennen öffentlich mit diesem offenen Brief für uns und unsere Nachfolger und wem auch immer, dass wir mit Wissen, Willen und Zustimmung der Geistlichen - unseres lieben frommen Priors und der Personen des ganzen Kapitels unseres Gotteshauses, auch unserer Visitatoren und Obersten des Ordens - durch besondere Zuneigung und Gunst zur Ehre Gottes, des Allmächtigen, zum Nutzen und Vorteil unseres Stiftes und der Untergebenen und für den allgemeinen Frieden im Land belehnt haben und jetzt als Mannlehen belehnen in und mit diesem Brief den hochgeborenen Fürsten, Herrn Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg etc., mit unserer Stadt Helmstedt mit all ihren Freiheiten und Rechten nach innen und außen und weiter mit allen anderen weltlichen Lehngütern, die in Sachsen liegen, soweit unsere Vorfahren und wir bis jetzt diese Stadt und die Lehngüter von der kaiserlichen Majestät bekommen, besessen und als Lehen hatten, woraus sie Einnahmen erhalten oder bekommen sollen. [Dies geschieht] unter der folgenden Bedingung, dass der hochgeborene Fürst und seine Erben die Bürger und Einwohner der vorgenannten Stadt und die mit den vorgenannten Lehngütern belehnten Männer jeweils in ihren Rechten, Vergünstigungen und Freiheiten belassen, bewahren und gebührend belehnen sollen und wollen. Auch mögen der vorgenannte Fürst und die Erben seiner Gnaden sodann Renten, Zinsen, Pacht und Zubehör, die überall von unserer Abtei halber von unseren Vorgängern versetzt, verpfändet oder auf Wiederkauf verkauft worden sind, einlösen, zurückkaufen und verwenden nach Gebühr, wie es unsere Vorgänger und wir bis jetzt getan haben, nicht davon ausgenommen, aber uns und unseren Nachfolgern vorbehaltlich die Abgabe aus der geistlichen Leihe, die wir vor Zeiten und jetzt noch in Belehnung gehabt haben. Auch haben wir ausgenommen unser Kloster St. Ludgeri selbst, das vor Helmstedt liegt, mit all seinen Freiheiten und Rechten, Renten, Zinsen und Gütern, die wir von alters her gehabt haben und noch haben und die von der Abtei halber verkauft, verpfändet und versetzt sind; wem diese [Güter] auch zugewiesen worden sind, sie sollen alle ungeteilt beim vorgenannten Kloster auf ewig bleiben außer bei einigen Wiedereinlösungen, die auf ein [rechtliches] Hindernis und auf Widerspruch des vorgenannten Fürsten und seiner Gnaden Erben stoßen. Und dasselbe Kloster sollen und wollen der vorgenannte Fürst und später seine Gnaden Erben auf ewige Tage gemäß all ihrem Vermögen behandeln, beschirmen und beschützen vor aller Gewalt und Bedrückung und so bewahren bei all seinen Freiheiten und Vorrechten. Dieselben Herren sollen weder selbst noch durch irgendjemand anderen es in keinerlei Dingen beeinträchtigen noch beeinträchtigen lassen in irgendeiner Weise. Es sei auch mit anderen ihrer Untertanen, Land und Leute, Geistlichen oder anderen darin [im Territorium der Herzöge] gelegenen Klöstern und geistlichen Gemeinschaften nicht zu den Landtagen getan, eingeschrieben und geheischt. Dazu sollen und wollen wir und unsere Nachfolger sodann Lehen und Gut dem vorgenannten Fürsten von Braunschweig, Herzog Wilhelm, als ein erbliches Mannlehen öffentlich zuweisen, so oft dies zu tun ist und dies von uns erwartet wird. Und falls es sich begibt, dass der genannte Fürst von Braunschweig, Herzog Wilhelm, wenn er zu Gott, dem Allmächtigen, nach dessen Willen kommt, von Todes wegen abginge und sterbe, so sollen seine Erben, denen das Lehen danach gehören soll, uns und unseren Nachfolgern innerhalb von zwei Monaten nach dem Tod senden einen frommen, ehrbaren Ritter oder einen ritterbürtigen Mann, bevollmächtigt mit dem Siegel des [neuen] Fürsten, um in dessen Namen und an dessen Statt in unserer Abtei in Werden sodann die vorgenannte Stadt und die Güter nach Mannlehenrecht zu verlangen, mit seinem Heergewäte, das man uns reichen und übergeben soll, auch Gaben, einen Hengst, der hundert rheinische Gulden wert sein soll, oder soviel an reinem Gold und dazu des verstorbenen Herren Harnisch. Und er soll auch tun die gewöhnliche Huldigung und die Eide nach Mannlehenrecht des Stifts von Werden anstelle des vorgenannten Fürsten, wobei derselbe Fürst Huldigung und Eide bewahren und halten soll, gleich als ob er dasselbe in seiner Person getan hätte. Und man soll es jedesmal so weiter halten, wenn der älteste Herr von Braunschweig von den Erben des vorgenannten Fürsten stirbt, mit der Herausgabe des Heergewätes und dem Umfang der Abgaben, so dass die Belehnung geschehen soll in üblicher Weise und Angemessenheit ohne irgendeine Arglist und Gefährdung. Zur Beurkundung der Wahrheit haben wir, vorgenannter Abt Antonius, unser Abteisiegel und wir, der Prior und die Personen des allgemeinen Kapitels, zusammen und jeder besonders unser Kapitelsiegel an diesen Brief hängen lassen. Gegeben im tausendvierhundertneunzigsten Jahr der Geburt Christi, unseres Herrn, am Mittwoch nach dem Tag der Himmelfahrt unseres Herrn [26.5.]. [Buhlmann]

Niederdeutsche Originalurkunde. - Behrends, Diplomatarium, Abt.2, S.89ff, Nr.132.