Quellen zur Geschichte des Klosters Werden a.d. Ruhr II

1551 August 13, Poppelsdorf:

Inkorporation der Werdener Kapellen

Die folgende Urkunde aus der frühen Neuzeit ist auch für die mittelalterliche Geschichte interessant, insofern sie Auskunft über das weitere Schicksal der Pfarrkapellen St. Lucius (Neukirchen) und St. Clemens (Klemensborn), der Mutterkirche St. Liudger und deren Verhältnis zueinander gibt. Das Diplom des Kölner Erzbischofs Friedrich I. (1100-1131) aus dem Jahr 1103 hatte ja die frühen Beziehungen zwischen den Pfarrkirchen und dem Kloster geregelt. Im späten Mittelalter müssen dann - dem Trend der Zeit folgend - unter Erzbischof Heinrich II. von Köln (1306-1332) die Pfarrkirchen und mit ihnen die Einkünfte dem Kloster inkorporiert worden sein. Das zeigt zumindest die nachstehende Urkunde, die auch angibt, dass trotz der Inkorporierung die Leiter der Pfarrkirchen, die Rektoren, ihre Einkünfte zum Nachteil des Klosters ausweiten konnten. Das Schriftstück des Kölner Erzbischofs Adolf III. von Schauenburg (1546-1556) will diesen Mißständen aber ein Ende machen: Mönche sollen die geistlichen und weltlichen Aufgaben in den Kapellen übernehmen. Der in der Urkunde genannte "Abt Hermann des Klosters des heiligen Liudger" ist Hermann von Holten (1540-1572).

Im Namen des Herrn. Amen.

Adolf, durch Gottes Gnade Erzbischof der heiligen Kölner Kirche, Erzkanzler des heiligen römischen Reiches für Italien, erster Wähler [des Königs], Herzog von Westfalen und Engern, ehelich geboren usw. allen Getreuen Christi, die unser vorliegendes Schreiben sehen und hören werden, ewiges Heil im Herrn.

Uns hat der ehrwürdige, fromme und in Christus geliebte Abt Hermann des Klosters des heiligen Liudger in unserer Diözese Köln dargelegt, dass einst durch Friedrich seligen Angedenkens, damals Erzbischof der heiligen Kölner Kirche, unser Vorgänger, auf einer heiligen Synode beschlossen wurde, dass der Werdener Abt zu dieser Zeit an den zwei Kapellen in Werden - nämlich der neuen Kapelle, die Nienkirchen oder Luciuskapelle heißt, und der des Clemens, die Bornkirche in Werden heißt - mit Zustimmung des Erzdiakons des Ortes, [d.h.] des Kölner Dekans, durch zwei geeignete Geistliche, die vom Tisch des Abtes versorgt werden müssen, Gottesdienst halten ließ, insoweit das Begräbnis der Ver-storbenen innerhalb des Bezirks dieser Kapellen und die Taufe der Kinder bei der Kirche des heiligen Liudger in Werden als der Mutterkirche stattfinden sollen und Chrisma und heiliges Öl für diese Kapellen von der Mutterkirche erlangt werden müssen, während die Erträge dieser Kapellen, die jenseits des Vorausgeschickten eingehen, an den Tisch des besagten Abtes fallen. Und daraufhin begehrte Heinrich seligen Angedenkens, auch Kölner Erzbischof, unser Vorgänger, nachdem damals die Bestimmung des H[errn] Friedrich in einen gewissen Mißbrauch mündete, in Wiederholung der Beschlüsse seiner Vorgänger, dies, was diese zuvor beschlossen hatten, in den geforderten und vorherigen Stand zurückzuführen; er veranlasste endlich die Abgrenzung [der Rechte] zwischen dem Abt und den Leitern dieser Kirchen hinsichtlich der Erträge dieser und vereinigte und inkorporierte diese Kapellen dem Tisch des besagten Abtes, so dass den Leitern der besagten Kapellen oder Kirchen von diesen Erträgen soviel übrig bleibt, wie für die Notwendigkeit ihrer Amtsführung und ihrer Ernährung nötig ist, und sie eine entsprechende Unterbringung haben und entsprechende Rechte und Pflichten der Unterstützung, des Schutzes und anderer Dienste ausüben bzw. ableisten können gemäß den vorausgeschickten Beschlüssen der Vorgesetzten, dass auch alle übrigen Erträge, die jenseits des Festgesetzten dieser Kirchen eingehen, in die Verfügung des Abtes und des Konvents gelangen; [dies gilt] kraft der oben genannten Inkorporation, insoweit dies und anderes in einer gewissen Urkundenabschrift des Herrn Friedrich und nicht zuletzt in einem besiegletn Brief des Herrn Heinrich, unserer Vorgänger, auf uns gekommen ist und durch uns anerkannt wurde. Es ist wahr, dass sowohl die besagte Bestimmung als auch die erwähnte Inkorporation durch den Gang der Zeiten und durch die Nachlässigkeit der Vorgänger des [hier] bittenden Abtes und deren schlechte Herrschaft und Verwaltung außer Gewohnheit geraten sind. Deshalb haben später die mehr ungeeigneten als geeigneten Leiter der besagten Kapellen dies, was sie für den Tisch des Abtes bereitstellen mußten, zu ihrem Nutzen verwendet, nicht ohne dass der Abt und sein Kloster schwer geschädigt wurden und weiter die Gebäude dieses Klosters aufgrund einer [wünschenswerten] notwendigen Instandsetzung dies[e Erträge] nötig haben, weil durch die Schlechtigkeit der vorhergegangenen Zeiten die Dinge, Güter, Erträge und Einkünfte des besagten Klosters sehr gelitten haben. Und so bittet derselbe Abt, die besagten Kapellen durch zwei Brüder aus seinem Kloster mit vielmehr und besserem Gewinn an Seelsorge und mit besserer Verrichtung des göttlichen Wortes und der Sakramente, als wie es bisher geschehen ist, als der vorhergehende Zustand der [nicht gelungenen] Inkorporation bestand, leiten und verwalten zu können, zumal weil dieser die Bemühungen betreffs der guten und besonders heiligen Literatur in diesem seinen Kloster nicht ohne große Kosten erneuern möchte und weiter dafür sorgen will, dass dies weiterhin in diesem seinen Kloster auf ewig glücklich bewahrt wird. Und er hat, um die Seelsorge zu unterstützen und durchzuführen, auch nicht wenige Mönche seines Klosters, von denen keiner der Verbreitung der verderblichen Lehre [der Reformation] oder anderer Irrtümer erliegt, die vermittels anderer Seelenlenker unter jedem Vorwand in dieser jammervollen Zeit um sich greifen. Und außerdem führte er uns als Bitte an, dass wir durch das Vorausgeschickte und andere verschiedene [Dinge], die wir durch ihn kennen gelernt haben, es für richtig halten, die besagten Kapellen mit seinem Kloster und dem Tisch des Abts und des Konvents auf ewig wiederzuvereinen und einzuverleiben, damit die Schadloshaltung jener und die Annehmlichkeiten der Seelen und des Heils geschehe. Wir also betrachten die Bitten des besagten Abtes als gerecht und vernünftig, bringen ihnen Wohlwollen entgegen und bestimmen zuerst, dass wir schuldig sind, für den Nutzen des besagten Klosters und das Heil der Seelen zu sorgen. Wir sind den erwähnten Bitten geneigt, die besagten Kapellen mit allem und jedem Recht und mit deren Zubehör kraft unserer Anordnung dem besagten Kloster auf bessere Art und Weise mit Recht und Grund auf ewig wiederzuvereinen und einzuverleiben, wie wir nur können und fordern. Deshalb ist es nach der Entfernung der [ehemaligen] Leiter [dieser Kirchen] dem Abt und dem Konvent erlaubt, durch sich oder andere das Korporale [Hostientuch] der Pfarrkirchen oder Kapellen sowie den Besitz der Rechte und des Zubehörs kraft eigener Vollmacht frei zu ergreifen und auf ewig festzuhalten. Und der Ertrag jener Pfarrkirchen oder Kapellen verbleibt bei ihnen und nicht zuletzt zum Nutzen des Klosters. Und in den besagten Kapellen sind, während sie vakant sind, geeignete Personen, die Mönche des Klosters oder Brüder sind, für die Leitung und Verwaltung einzusetzen durch den Erzdiakon des Ortes, den Kölner Dekan, in dessen Hände sie uns und unseren Nachfolgern Gehorsam und geschuldete Ehererbietung legen, oder Stellvertreter auf Lebenszeit, die dem Abt und der Ordensregel Gehorsam schulden und zusammen mit den übrigen gemeinsamen Mönchen des Klosters für den Unterhalt sorgen; und sie sollen die Seelsorge in diesen Pfarreien ausüben, und die Leiter, die bei Beschlüssen das Urteil des Abts und des ganzen einvernehmlichen Konvents zu befolgen haben, mit unserer Erlaubnis oder der unserer Nachfolger von irgendeiner Leitung und Verwaltung entfernt und andere an den Ort in vorgeschriebener Art und Weise abgeordnet werden können, gemäß unserem Diözesanrecht in Fürsorge und Beistand und anderen, ähnlichen Dingen. Zum Zeugnis dieser Sache sowie zur ewigen Gültigkeit und Befestigung haben wir befohlen, unser Siegel zusammen mit dem Siegel unseres ehrwürdigen Kölner Kapitels an das vorliegende [Schriftstück] zu hängen. Und wir, Dekan und Kapitel der Kölner Kirche, haben befohlen, unser Siegel zu den Bitten des besagten Herrn Abt von Werden zur Beurkundung an das vorliegende [Schriftstück] zu hängen.

Gegeben in unserer Burg Poppelsdorf am dreizehnten August im Jahr nach der Geburt des Herrn eintausendfünfhunder-tundeinundfünfzig. [Es folgt die Beglaubigung dieser Urkundenabschrift:] Dass diese Abschrift mit ihrem wahren, heilen und ganzen Original, an dem zwei Siegel hängen, Wort für Wort übereinstimmt, bezeuge ich, Andreas Schos, öffentlicher, in der kaiserlichen Kammer zu Speier approbierter und eingeschriebener Notar, mit eigener Hand. [Buhlmann]

Beglaubigte Abschrift der verloren geganenen Urkunde; in Latein. - Jacobs, Pfarreien, Tl.2, S.417ff, Nr.VI.