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Byzanz und der Westen

Urkunden

Für die überlieferten byzantinischen Urkunden gilt Folgendes: Die Urkunden können nach dem Ausstellerprinzip in weltliche (Kaiser-, Despoten-, Privaturkunden) und geistliche (Patriarchen-, Bischofsurkunden) unterteilt werden, nach der Überlieferung in Originale (bei Kaiserurkunden erst ab 11. Jahrhundert), Nachahmungen und einfache Kopien. Bei den Kaiserurkunden wird unterschieden: Urkunden gesetzgebenden Inhalts (Typen: edikton, typos, pragmatikos typos, thespisma, neara, nomos, sakra; mandatum principis), Urkunden über konkrete Rechtsfälle (Typ Epistula: epistule, sakra; Typ Subscriptio: lysis [Verwaltung, Steuern], semeiosis), außenpolitische Urkunden (Verträge, Briefe an fremde Herrscher) (Typen: sakrai, grammata, basilikon, chrysobullos horismos, chrysobullon sigillon, prokuratorikon chrysobullon), Verwaltungsurkunden (Typen: prostagmata [horismoi], sigillia, codicilli). Kirchliche Urkunden sind: Urkunden und offizielle Briefe des Patriarchen, u.a. gramma, homologia (Glaubensbekenntnisse), diatheke (Testamente), aphorismos (Exkommunikation), paraitesis (Abdankung) sowie die feierlich gehaltene praxis (synodike) und die hypotyposis (Synodalbeschluss) und der tomos (Glaubenssätze). Eng mit der Diplomatik verbunden sind: Sphragistik (= Siegelkunde) mit Gold- [Chrysobull], Bleibullen, Wachs-, Papiersiegel; Paläographie (= Lehre von Schriftarten).

Beispielhaft seien die folgenden byzantinischen Urkunden sowie Diplome lateinischer Herrscher in Übersetzung aufgeführt:

Diplom Kaiserin Theophanus (990 April 1)

Regest: Kaiserin Theophanu (†991) restituiert dem Kloster Farfa entzogenen Besitz. Ravenna, 990 April 1. - Lateinische Urkunde, abschriftlich überliefert.

Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreieinigkeit. Theophanius [!], durch göttliche Gnade Kaiser und Augustus. Wir wollen, dass allen unseren Getreuen bekannt gemacht wird, dass der Abt Johannes von unserem Kloster der heiligen Maria in Farfa am Berg Acutianus zu uns wegen einer Klage gekommen ist, wobei er ausführte und beklagte, dass seine Kirche der heiligen Victoria in der Mark, die Tochterkirche seines Klosters, mit derem Zubehär von der Mutterkirche getrennt sei. Daher waren wir besorgt durch Barmherzigkeit, durch die Bitte und Vermittlung des Erzbischofs Johannes von Ravenna, des Bischofs Hugo und anderer Bischöfe sowie in Hinsicht auf das Seelenheil unseres Kaisers, des älteren Ottos, und gaben dem vorgenannten Abt Johann die übertragene [aber entzogene] Kirche zurück, damit er die Tochterkirche mit der Mutterkirche ruhig und friedlich in der ganzen Zeit besitzen möge ohne Widerspruch durch einen Mächtigen oder Geringen gleichwelchen Standes. Und wenn ein mächtiger oder geringer Einwohner unseres Königreiches, der gegen diese unsere Übertragung oder den Schutz ist, dagegen angeht, werde er gezwungen, hundert Pfund reinsten Goldes auf unseren kaiserlichen Befehl hin zu zahlen - eine Hälfte an unsere Kasse und die andere an den vorgenannten Abt oder dessen Nachfolger, die er bedrückte -, und er werde von Seiten der Bischöfe die Fessel des Bannfluchs tragen. Und damit [dies] wahrer und sorgfältiger von allen beachtet wird, haben wir befohlen, [dies] mit dem Eindruck unseres Siegelrings zu kennzeichnen.

Ich, Kanzler Adelbert, habe statt des Bischofs und Erzkanzlers Peter rekognisziert und unterschrieben.

Gegeben an den Kalenden des April [1.4.], im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 990, auch im 18. Jahr des Kaisertums des Herrn Kaisers Theophanius [!], Indiktion 3; geschehen zu Ravenna; selig.

Quelle: Die Urkunden Ottos III., hg. v. Theodor Sickel (= Monumenta Germaniae Historica. Diplomata. Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd.2,2), 1893, Ndr München 1980, S.876f, MGH DTh 2. - Übersetzung: Michael Buhlmann.

Diplom Kaiser Friedrichs I. (1167 August 6)

Regest: Kaiser Friedrich I. (1152-1190) hebt die Übertragung der Gebeine des Apostels Bartholomäus von Benevent nach Rom als richtig hervor und bestätigt der zum Reich gehörenden Bartholomäuskirche auf der Tiberinsel den Besitz. Rom (auf dem Monte Mario), 1167 August 6. - Lateinische Originalurkunde, vormals mit einem aufgedrückten Wachssiegel und mit einer Goldbulle besiegelt (Doppelbesieglung).

(C.) Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreieinigkeit. Friedrich, begünstigt durch göttliche Gnade, Kaiser der Römer und allzeit Mehrer des Reiches. Die Würde des römischen Reiches wird zum besten Zustand hingeführt und nützt dem Staat am meisten, wenn das, was feierlich würdiges Gedenken heißt, schriftlich festgehalten wird und zur Kenntnis aller Späteren mit einträchtiger Ordnung gelange, damit nicht durch Unwissenheit und Unkenntnis der Taten die Wahrheit verschwinde oder in den nachfolgenden Zeiten die ganze Ordnung der Dinge bei den Menschen zweifelhaft werde. Deshalb mögen alle Getreuen des in Italien aufgerichteten Reiches, die Gegenwärtigen und die Zukünftigen, erfahren, dass wir öfter hören, dass es Zweifel bei den Menschen gebe über den heiligsten Körper des seligen Bartholomäus, ob er bei Benevent liege oder, wie die feierliche Sage berichtet, nach Rom überführt wurde; während wir ja zur Belagerung der Stadt Rom mit dem stärksten und größten Heer herangerückt sind, gefällt es unserer Majestät, den sorgfältigen Eifer und das würdige Werk in dieser Sache zu zeigen, damit durch die aufgedeckte Wahrheit und durch das vollendete Wissen die ganze Wahrheit unparteiisch emporgerichtet werde und die Treue der Gläubigen zu Gott den Lohn empfange. Daher gilt es, dass wir zur Feststellung der Wahrheit in dieser Sache und zur Beseitigung jeden Zweifels in den Herzen der Menschen die Geschichtsschreibung über unsere Vorgänger, die christlichen Kaiser, gelesen und im 6. Buch der Geschichtsschreibung gefunden haben, dass der Kaiser Otto II. den ehrwürdigen Körper des heiligsten Apostels Bartholomäus von Benevent nach Rom gebracht und auf der Tiberinsel in einem Grab aus Porphyr aufs ruhmreichste bestattet hat. Weil aber der genannte Kaiser Otto die Kirche, die den seligen Apostel birgt, mit vielen Gütern und Lehen ausgestattet und durch seine Vergünstigungen ge¬schmückt und befestigt hat, schmücken auch wir sie durch unser Privileg, weil die genannte besondere Kirche auch zu unserem Reich gehört, und bestätigen ihr ihre Güter und die von ihr zusammengetragenen Besitzungen durch unsere kaiserliche Hoheit. Die Ordnung aber und die Übertragung des heiligen Körpers des Apostels von Benevent zur Stadt [Rom] ist solcherart, wie es im nachstehenden Text erklärt ist:

Im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 974 [972] gelangte am Tag der Geburt des Herrn der fromme Otto [I.] zur Stadt [Rom], nachdem er seinen Sohn Otto [II.] zu sich gerufen hatte. Er veranlasste, dass dieser von Papst Leo [?] gekrönt und zum Augustus gemacht werde, und befahl, ihm Theophanu, die Tochter des Kaisers von Konstantinopel zur Frau zu geben. Und von Italien zurückgekehrt, feierte er das Osterfest des Herrn in Quedlinburg und wie gewöhnlich die Himmelfahrt in Merseburg. Von Krankheit gezeichnet, beschloss er am Dienstag vor Pfingsten seinen letzten Tag nach vielen Siegen und nachdem er Griechen, Apulier und Kalabrier überwunden hatte, im 37. Jahr seines Königtums und im 13. des Kaisertums; er wurde in Magdeburg beerdigt. Im nächsten Jahr [973] folgte dessen schon genanner Sohn nach und regierte im Königreich als 85. [Herrscher] seit Augustus. Als er unvorsichtigerweise Griechen in Kalabrien verfolgte und nachdem er das Heer verloren hatte, entkam er schwimmend von einem Schiff. Endlich aber versammelte er ein Heer und belagerte Benevent, und nach der Einnahme [der Stadt] entwendete er von da die Gebeine des heiligen Bartholomäus und versammelte diese in Rom auf der Tiberinsel in einem Porphyrsarg. Er dachte daran, [die Gebeine] im besagten Sarkophag über den Tiber und das Meer in sein Land zu schaffen, aber wegen der kurzen Zeitdauer bis zu seinem Tod blieb der kostbare Schatz dort [auf der Tiberinsel]. Er starb nämlich im 9. Jahr seines Kaisertums [983] in Rom und wurde vor der Kirche des heiligen Petrus in einer marmornen Nische ehrenvoll bestattet. Im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 983 folgte dem Vater Otto III. im Königreich nach, er erlangte die Herrschaft als 86. [Herrscher] seit Augustus. In diesen Tagen wurde der selige Bischof Adalbert von Prag mit dem Martyrium gekrönt. Otto starb aber im 17. Jahr seiner Herrschaft [1002] und wurde in der Kirche der heiligen Maria in Aachen bestattet. Diese beiden späteren Ottonen waren, obwohl wir wegen der Kürze von ihnen weniges gesagt haben, sowohl kriegerisch als auch bewunderungswürdig, so dass der eine der "bleiche Tod der Sarazenen" oder der "Blutige" genannt wurde, der andere "Wunder der Welt" [vgl. Otto von Freising, Chronik VI,24-26].

Damit aber dies alles wahrer geglaubt wird und durch größere Autorität von allen Getreuen im Übrigen beachtet wird, haben wir befohlen, das daher vorliegende Schriftstück aufzuzeichnen, und haben verfügt, es durch die Goldbulle unserer Majestät sowie durch ein Wachssiegel zu befestigen und zu bekräftigen. Wenn aber irgend jemand es wagt, gegen diese unsere Urkunde anzugehen oder sie zu verletzen, möge er hundert Pfund besten Goldes als Strafe zahlen, die eine Hälfte an unsere Staatskasse, die andere an die oben erwähnte Kirche des seligen Apostels. Die Zeugen dieser unserer Verfügung sind aber: Erzbischof Christian von Mainz, Erz¬kanzler von ganz Deutschland, Erzbischof Rainald von Köln, Kanzler von Italien, Bischof Alexander von Lüttich, Bischof Gottfried von Speyer, Bischof Daniel von Prag, Bischof Udo von Zeitz, Bischof Gero von Halberstadt, Abt Hermann von Fulda, Heinrich, Protonotar des heiligen Palastes und Propst vom heiligen Stefan in Mainz, Propst Gottfried von Frankfurt, Herzog Friedrich, Sohn König Konrads, Herzog Berthold von Zähringen, Herzog Welf der Jüngere.

Zeichen des Herrn Friedrich, des unüberwindlichsten Kaisers der Römer. (M.)

Ich, Kanzler Philipp, habe statt des Erzbischofs Rainald von Köln, des Erzkanzlers von Italien, rekogniziert.

Geschehen ist dies im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 1167, Indiktion 15, in der Regierung des siegreichsten Herrn Friedrich, Kaiser der Römer, im 15. Jahr seines Königtums, im 13. aber des Kaisertums; selig; amen, amen; gegeben bei Rom auf dem Monte Mario an den 8. Iden des August [6.8.]. (SI.D.) (B.D.)

Quelle: Die Urkunden Friedrichs I., hg. v. Heinrich Appelt, Bd.2: 1159-1167 (= Monumenta Germaniae Historica. Diplomata. Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd.10,2), Ndr München 1979, S.479ff, MGH DFI 534. - Übersetzung: Michael Buhlmann.

Chrysobull Kaiser Johannes' V. ([1355/71])

Regest: Kaiser Johannes V. (1341-1376) privilegiert die Kaufleute der Stadt Narbonne. Ohne Ort, ohne Datum [1355/71]. - Griechische Urkunde, abschriftlich überliefert.

(+) Nachdem durch den Konsul der Leute von Narbonne, die sich in Konstantinopel aufhalten, wie vom Amtsträger der Stadt Narbonne her mein Kaisertum von dort angesprochen wurde, damit es die ihnen gewährten Vergünstigungen und die Freiheiten und die Gefälligkeiten von dem ruhmreichsten Alleinherrscher, meinem Vater, jenem ehrwürdigen Kaiser [Andronikos III., 1328-1341], in einem würdevollen Chrysobull bekräftige, beschließt auch mein Kaisertum würdig, diese [Leute] zu unterstützen; wohlwollend bestimmt es durch Zusage deren Schutz und wünscht, dass dieses Chrysobull sowohl alle [Bestimmungen] als auch jede einzelne Bestimmung darin [im Chrysobull des Vaters] durch unsere Unterstützung und durch unsere Zusage bekräftigt, weil soviel fürwahr erfüllt und bewahrt wird, was durch unser Kaisertum mitgeteilt und in dessen heiliger Chrysobull erwogen wurde. Insbesondere ordnet aber mein Kaisertum an, dass nicht irgendwie wegen der Größe der Ellen noch wegen irgendeiner anderen Beschwerde Streit entstehe, nachdem das hier mitgeteilte Chrysobull ihnen [den Leuten von Narbonne] verkündet wurde. Zur Erinnerung an diese Sache und zur Befestigung habe ich, wie gewohnt, befohlen, das ganze heilige Chrysobull rot zu unterschreiben und mit der Goldbulle meines Kaisertums zu versehen. (+)

(+) Johannes Palaiologos, der in Christus und Gott fromme Kaiser und Alleinherrscher der Rhomäer. (+)

Quelle: Acta et diplomata res Graecas Italasque illustrantia, hg. v. Franziskus Miklosich u. Joseph Müller, Wien 1865, S.120f. - Übersetzung: Michael Buhlmann.

Chrysobull Kaiser Manuels II. (1402 November 20)

Regest: Kaiser Manuel II. (1391-1425) schenkt der Königin Margarethe I. von Dänemark, Schweden und Norwegen (1387-1412) eine Christusreliquie. Paris, 1402 November 20. - Lateinisch-griechische Urkunde (Vorderseite: Latein, Rückseite: Griechisch), abschriftlich überliefert.

[Vorderseite mit lateinischem Text:] Manuel Palaiologus, der getreue Kaiser in Christus und Gott, der Lenker der Römer und allzeit Augustus, allen und jedem einzelnen derer, die dieses, unsere allgemeine Schriftstück sehen werden, Heil in dem, der das wahre Heil von allem ist.

Der sich erbarmende, barmherzige und gerechte Herr, unser Jesus Christus, hat sich selbst für uns dem Gottvater geopfert und hinterließ das unbefleckte Opfer am Altar des Kreuzes zum Andenken seines bewunderungswürdigen Leidens, als seine Gegenwart aus dieser körperlichen Welt schied, mahnend die Gläubigen, seine Kinder zu sein, und diesen manche Reliquien. Wir besitzen daher nicht wenige ehrwürdige Reliquien dieses unseres Erlösers in unserer Stadt Konstantinopel - gleichwie wir das Übertragene bekommen haben von unseren Vorgängern, den erlauchtesten Kaisern, [bewiesen] durch glaubwürdige Schriftstücke und wahre Überlieferungen -, Reliquien, die alle durch diese und uns getreulich und ehrfürchtig bewacht und bewahrt worden sind; weil wir neuerdings wegen der Bedrückungen und Verfolgungen der entsetzlichen Türken, der Feinde des Namen Christi, dessen heiligsten Namen sie von der Erde und besonders aus unserem ganzen römischen Reich sich zu tilgen bemühen, bei den westlichen Teilen und anderen Gebieten der christlichen Könige und getreuen Fürsten Hilfe erlangen wollen, nützt uns besonders die Sache, dass wir mit uns manche jener Reliquien mitgebracht haben. Und wir haben bemerkt, dass die berühmteste und ausgezeichnetste Herrin Margarethe, durch Gottes Gnade Königin von Dänemark, Schweden und Norwegen, unsere verehrungswürdige Verwandte, wegen der Verehrung des Erlösers eine große Frömmigkeit darin an den Tag legt, und begehren, diesbezüglich ihr fromme und heilige Leidenschaft, die sie besitzt, zu erreichen; wir haben [daher] beschlossen, etwas von den genannten Reliquien ihr zu übertragen. Und wir haben nämlich der besagten berühmtesten Königin, unserer Verwandten, ein kleines schieferfarbenes Stück des heiligen Gewandes unseres Erlösers Jesus Christus geschenkt, nämlich von jenem Kleid, dessen Gewebe eine Frau berührte, die, von einer blutenden Wunde entkräftet, schließlich von diesem Ungemach geheilt wurde. Und damit in allen diesen Dingen ein wahrer und unzweifelhafter Glaube herrsche, haben wir offen veranlaßt, diese unsere kaiserliche Urkunde niederzuschreiben und durch die Unterschrift mit eigener Hand in griechischen, roten Buchstaben, wie es die Sitte unseres Reiches ist, und zu den griechischen Buchstaben durch unser anhängendes Goldsiegel nach erfolgter Ausfertigung zu bekräftigen. Gegeben zu Paris im Jahr der Geburt des Herrn eintausendvierhundertundzwei, am zwanzigsten Tag des Monats November [20.11.], Indiktion elf.

[Unterschrift (auf Griechisch):] Manuel, frommer Kaiser in Christus und Gott und Alleinherrscher der Römer, Palaiologe.

Quelle: Dennis, George D., Two Unknown Documents of Manuel II Palaeologus, in: Dennis, George D., Byzantium and the Franks 1350-1420 (= CS 150), London 1982, S.398-402. - Übersetzung: Michael Buhlmann.