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Nikolaus von Kues

Kirchenmann und Philosoph

Biografisches

Leben

Nikolaus Cryfftz (Krebs) wurde im Jahr 1401 in Kues an der Mosel als Sohn des reichen Schifffahrtsunternehmers, (Wein-) Händlers und Geldverleihers Hennen Cryfftz und der Katharina Roemer geboren. Er sollte sich nach seinem Geburtsort Nikolaus von Kues (Nikolaus Cancer de Coeße, Niclas von Cuße, Nicolaus de Cusa, Nicolaus Cusanus) nennen. Über die Kindheit und Jugendzeit unseres Protagonisten ist nichts bekannt; die historische Forschung nimmt an, dass Nikolaus schon früh von der religiösen Bewegung der devotio moderna beeinflusst worden war. Erst mit dem Studium in Heidelberg (artes liberales und via moderna) und Padua (Kirchenrecht) sowie Nikolaus' Abschluss als doctor decretorum (1416-1423) betreten wir sicheren Boden. Der Aufenthalt in Padua sollte Nikolaus mit dem italienischen Humanismus bekannt machen. Ab dem Jahr 1425 hielt sich der Kusaner wieder an der Mosel auf, wo er beim Trierer Erzbischof als Kirchenjurist Anstellung fand. Als Doktor des kanonischen Rechts beschäftigte sich Nikolaus von Kues u.a. mit Zollfragen und Zehntstreitigkeiten oder trat im auf Deutsch niedergeschriebenen Bernkasteler Hochgerichtsweistum des Trierer Elekten Ulrich von Manderscheid (1430-1436) vom 21. August 1432 als Zeuge auf. Das Weistum von 1432 fällt in die Zeit des Trierer Bischofschismas. Der erwählte Bischof Ulrich von Manderscheid wurde von Papst Martin V. (1417-1431) nicht anerkannt und suchte beim Konzil von Basel (1431-1449) Zustimmung. Sachwalter Ulrichs am Basler Konzil wurde Nikolaus von Kues. Doch schlossen sich letztlich die Konzilsteilnehmer in Sachen des Trierer Schismas der Entscheidung des Papstes an und votierten gegen Ulrich von Manderscheid (1432). In der Folge arrangierte sich Nikolaus mit dem nun allgemein anerkannten Trierer Erzbischof Hraban von Helmstedt (1430-1439). Dass zudem der Kusaner als Rechtsgelehrter umworben war, zeigen die zwei Angebote der damals neu gegründeten Universität Löwen, ihn als Professor für kanonisches Recht zu gewinnen. Parallel zu seiner Tätigkeit als Jurist studierte Nikolaus von Kues seit 1425 in Köln Theologie und Philosophie, allerdings ohne Abschluss. Ausfluss der erworbenen theologischen Bildung war sicher seine um 1430 begonnene Predigttätigkeit, der er sich mit Engagement widmete. Noch 1435 war Nikolaus allerdings nur Diakon; erst später, aber zu einem uns unbekannten Zeitpunkt erwarb er die höheren Weihen und wurde Priester (1435/36). Dabei verfügte er als wirtschaftliche Grundlage seiner Rechts- und kirchlichen Tätigkeit über eine Anzahl von Pfründen, die ihm bei seiner wohl eher bescheidenen Lebensweise ein notwendiges Einkommen sicherten, die ihn nichtsdestoweniger gerade in späteren Jahren dazu verleiteten, Präbenden anzuhäufen oder seine Verwandten mit Pfründen zu versorgen. Nikolaus von Kues, dessen Denken nicht zuletzt durch sein Studium in Köln von dem Gedanken der concordantia ("Übereinstimmung") geprägt war, wurde zunächst zu einem überzeugten Anhänger des Konzils, das er in rechtlichen Fragen beriet und für das er als Gesandter und Konzilsrichter tätig wurde. Seine Gedanken und damals verfassten schriftlichen Ausführungen kreisten etwa um das Problem der Hussiten in Böhmen, die Überordnung des Konzils über den Papst oder die Kirchenreform. Anlässlich der Absetzung Papst Eugens IV. (1431-1447) durch eine Mehrheit im Konzil schloss sich Nikolaus von Kues der Konzilsminderheit an (1436/37); Letztere ordnete sich Papst und römischer Kurie unter. Nikolaus von Kues war 1437 im Auftrag der Konzilsminderheit als Gesandter beim byzantinischen Kaiser Johannes VIII. (1425-1428) in Konstantinopel tätig; Zweck der Reise waren Verhandlungen um die Kirchenunion, die dann wirklich 1438/39 zustande kam und - kaum mit Leben erfüllt - das west-östliche Schisma von 1054 beenden sollte. Als Anhänger Papst Eugens IV., der er nunmehr war, wandte sich Nikolaus von Kues gegen den vom Konzil gewählten Gegenpapst Felix V. (1439-1449), Herzog Amadeus VIII. von Savoyen (1391/1417-1434). Der Überwindung des Papstschismas diente im Auftrag Papst Eugens IV. das Vorgehen des Nikolaus von Kues als "Herkules der Eugenianer" in Diplomatie und Kirchenpolitik, etwa auf einem Mainzer Kongress (1441), auf einer Fürstenversammlung in Nürnberg (1442) oder bei einem Streitgespräch in Frankfurt (1442). Unterdessen hatte Papst Eugen nämlich das Basler Konzil nach Ferrara (dann Florenz und Rom, 1437-1445) verlegt. Dies geschah gegen den Widerstand der Basler Konzilsmehrheit, so dass nun Kirchenversammlungen in Basel und Ferrara tagten. Als Beauftragter (procurator, nuntius) Papst Eugens wurde Nikolaus päpstlicher Subdiakon (1443), später päpstlicher Legat de latere (1446). Als Legat konnte er dann die allgemeine Anerkennung "seines" Papstes in Deutschland durchsetzen. Zunächst Kardinal in petto (1446), wurde der Kusaner schließlich 1451 von Papst Nikolaus V. (1447-1455), dem Nachfolger Eugens, zum Kardinal ernannt; Titelkirche des Kardinalpriesters Nikolaus von Kues war das römische Gotteshaus St. Peter in Ketten (basilica sancti Petri ad vincula). Zuvor, an Heiligabend 1450, wurde der Kirchenmann apostolischer Legat für Deutschland, Böhmen und die angrenzenden Länder, um den Jubiläumsablass zu verkünden - das Jahr 1450 war ein kirchlich-päpstliches Jubeljahr (Heiliges Jahr) gewesen - und Maßnahmen zur Kirchenreform in Angriff zu nehmen. Nikolaus von Kues befand sich ab Jahresbeginn 1451 auf seiner durchaus erfolgreichen Legationsreise in den Ländern nördlich der Alpen. Für den Kardinal stand dabei die seelsorgerische Tätigkeit im Vordergrund, die sich vor allem in seinen Predigten, aber auch in der Vergabe von Ablässen äußerte. Zentrales Anliegen war dem Legaten eine Reform der Kirche: Die von ihm erlassenen Dekrete betrafen das Konkubinat und die Missstände bei der Pfründenvergabe, Reformen innerhalb der Orden und (Frauen-) Klöster sowie die Gottesdienstliturgie; auch ein Dekret gegen die Juden gehört hierher. Über Österreich und Bayern ging die Legationsreise nach Sachsen und in die Niederlande, dann bis an die Mosel, schließlich an den Niederrhein, wo Nikolaus von Kues zu Weihnachten 1451 in Köln weilte. Weitere Stationen des Nikolaus von Kues auf dessen Legationsreise waren dann im Herzogtum Brabant Brüssel und Löwen, dann Maastricht und wiederum Aachen, schließlich Ende Februar und Anfang März 1452 nochmals Köln. Für Nikolaus von Kues war danach Frankfurt eine weitere, wenn auch bedeutende Zwischenstation. In der Folgezeit hielt sich der Kardinal in Süddeutschland auf, dann - im April 1452, als Ausgang der Legationsreise - in seinem Bistum Brixen. Nikolaus von Kues war im Jahr 1450 nämlich zudem vom Papst als Bischof von und Landesherr des Bistums Brixen eingesetzt worden. Als geistlicher Reichsfürst übte er auch weltliche Macht im Bistum aus, befand sich aber dabei in scharfem Gegensatz zum Domkapitel und zum habsburgischen Herzog Sigismund von Tirol (1439-1490). Trotz dieser schlechten Voraussetzungen bemühte sich der Kusaner gerade auch im Bistum Brixen um die Kirchenreform; Seelsorge und Visitationen standen im Vordergrund seiner Maßnahmen. Nach einem vom Tiroler Herzog inszenierten Überfall auf den Bischof (1457) und der "Schlacht" bei Enneberg (1458) verließ Nikolaus von Kues im Jahr 1459 sein Bistum, gleichsam abberufen von Papst Pius II. (1458-1464), der den Kusaner zu seinem Generalvikar machte. Der Konflikt zwischen Nikolaus von Kues und Herzog Sigismund um das Bistum Brixen sollte sich dann nochmals verschärfen (Fehdebrief des Herzogs, zwischenzeitliche Gefangennahme des zurückgekehrten Bischofs, Exkommunikation Sigismunds und päpstliches Interdikt gegen Tirol 1460). Erst im Juni 1464 kam es zu einem Kompromiss: Nikolaus von Kues überließ das Bistum einem Stellvertreter. Seit 1459 war Kardinal Nikolaus von Kues Generalvikar für Rom und den Kirchenstaat, daneben päpstlicher Legat auf deutschen Provinzialsynoden. Als enger Vertrauter des humanistisch gesinnten Papstes Pius II. bereitete der Kusaner eine letztlich nicht durchgeführte Reform des römischen Klerus vor und unterstützte den pontifex maximus in dessen Kreuzzugsplänen. Indes starb Papst Pius II. in der Nacht vom 14. zum 15. August 1464, und das Kreuzzugsunternehmen gegen die Türken wurde ausgesetzt. Zuvor, am 11. August 1464, war Nikolaus von Kues in Todi gestorben. Dieser hatte am 6. August sein Testament gemacht, mit dem er besonders seine im Jahr 1458 ins Leben gerufene Stiftung des St.-Nikolaus-Hospitals in Kues bedachte. Begraben liegt der Kardinal in seiner römischen Titelkirche St. Peter in Ketten (Grabmal im linken Seitenschiff des Gotteshauses), sein Herz wurde aber zum Hospital nach Kues gebracht.

Schriften

Völlig erschließt sich Nikolaus von Kues erst durch seine Werke, Schriften philosophischen, theologischen oder auch mathematischen Inhalts, die u.a. die Beziehungen zwischen Gott und der Welt, die Reform von Kirche und Staat, Infinitesimalrechnung, Chronologie oder eine "Sichtung" des Korans behandeln. Im Einzelnen sind aufzuzählen: Astrologisch-gedeutete Weltgeschichte (1425), De concordantia catholica I-III (1433), De maioritate auctoris sacrorum conciliorum supra auctoritatem papae (1433), De auctoritate praesidendi in concilio generali (1433), De usu communionis (Gegen den Irrtum der Hussiten) (1433/34), De correctione kalendarii (Über die Kalenderverbesserung) (1436), Tractatulus de modo habilitandi ingenium ad discursum in dubiis (1436), Libellus inquisitionis veri et boni (1436), Sermo XXII: Dies sanctificatus (1440), De docta ignorantia (Die belehrte Unwissenheit) I-III (1440), De coniecturis (Mutmaßungen) (1440/44), Sermo XLIII: Alleluia. Dies sanctificatus (1444), De Deo abscondito (Vom verborgenen Gott) (1444/45), De quaerendo Deum (Vom Gottsuchen) (1444/45), De filiatione Dei (Von der Gotteskindschaft) (1444/45), De transmutationibus geometricis (ca.1445), De arithmeticis complementis (ca.1445), De dato patris luminum (1445/46), Coniectura de ultimis diebus (Mutmaßungen über die Endzeit) (1446), Dialogus de genesi (1447), De circuli quadratura (Über die Quadratur des Kreises) (1450), Quadratura circuli (Die Kreisquadratur) (1450), Idiota de sapienta (Der Laie über die Weisheit) I-II (1450), Idiota de mente (Der Laie über den Geist) (1450), Idiota de staticis experimentis (Der Laie über Versuche mit der Waage) (1450), De pace fidei (Über den Frieden im Glauben) (1453), De visione Dei (Von der Gottesschau) (1453), Complementum theologicum (1453), De mathematicis complementis I-II (1453/54), Sermo CCLXXX: Ego sum pastor bonus (1457), Dialogus de circuli quadratura (1457), De caesarea circuli quadratura (1457), De beryllo (Über den Beryll) (1458), De mathematica perfectione (Über die mathematische Vollendung) (1458), De aequilitate (Über die Gleichheit) (1459), De principio (Über den Anfang) (1459), Reformatio generalis (Kirchenreform) (1459), Aurea propositio in mathematicis (Der Goldene Satz in der Mathematik) (1459), Trialogus de possest (Über das Können-Sein) (1460), Cribratio Alkorani (Sichtung des Koran) I-III (1460/61), Directio speculantis seu de non-aliud (Vom Nichtanderen) (1462), De ludo globi (Vom Globusspiel) (1462?), De venatione sapientiae (Die Jagd nach der Weisheit) (1462/63), Compendium (Kompendium) (1463), De apice theoriae (Vom Gipfel der Schau. Die höchste Stufe der Betrachtung) (1464), N.N. (?) (1464), Declaratio rectilineatoris curvae (?), De una recti curvique mensura (?). Schriften

Literatur, Abkürzungen: BGKw MA = Beiträge zur Geschichte Kaiserswerths. Reihe Mittelalter; BUHLMANN, M., Die Urkunde des Kardinals Nikolaus von Kues für die Kaiserswerther Marienkapelle (= BGKw MA 18), Düsseldorf-Kaiserswerth 2013; Cusanus Gedächtnisschrift, im Auftrag der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck, hg. v. N. GRASS, Innsbruck-München 1970; FLASCH, K., Nicolaus Cusanus (= BSR 562), München 2001; FLASCH, K., Nikolaus von Kues. Geschichte einer Entwicklung, Frankfurt a.M. 2001; FLASCH, K., Nikolaus von Kues in seiner Zeit. Ein Essay (= RUB 18274), Stuttgart 2004; GESTRICH, H. (Hg.), Zugänge zu Nikolaus von Kues. Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der Cusanus-Gesellschaft, Bernkastel-Kues 1986; JACOBI, K. (Hg.), Nikolaus von Kues. Einführung in sein philosophisches Denken (= Kolleg Philosophie), Freiburg-München 1979; KANDLER, K.-H., Nikolaus von Kues. Denker zwischen Mittelalter und Neuzeit, Göttingen 1995; MENNICKEN, P., Nikolaus von Kues, Trier 1950; MEUTHEN, E., Die letzten Jahre des Nikolaus von Kues. Biographische Untersuchungen nach neuen Quellen (= Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes NRW 3), Köln-Opladen 1958; MEUTHEN, E., Nikolaus von Kues (1401-1464). Skizze einer Biographie (= BCG Sb), Münster 3.Aufl. 1967; Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft, hg. v. R. HAUBST: MFCG 1, Mainz 1961, 2.Aufl. 1968, MFCG 2, Mainz 1962, MFCG 3, Mainz 1963, MFCG 4: Das Cusanus-Jubiläum in Bernkastel-Kues vom 8. bis 12. August 1964, hg. v. R. HAUBST, Mainz 1964, MFCG 5, Mainz 1965, MFCG 6, Mainz 1967, MFCG 7, Mainz 1969, MFCG 8, Mainz 1970, MFCG 9: Nikolaus von Kues als Promotor der Ökumene. Akten des Symposions in Bernkastel-Kues vom 22. bis 24. September 1970, Mainz 1971, MFCG 10, Mainz 1973, MFCG 11: Nikolaus von Kues in der Geschichte des Erkenntnisproblems. Akten des Symposions in Trier vom 18. bis 20. Oktober 1973, hg. v. R. HAUBST, Mainz 1975, MFCG 18: Das Sehen Gottes nach Nikolaus von Kues. Akten des Symposions in Trier vom 25. bis 27. September 1986, hg. v. R. HAUBST, Trier 1989; WINKLER, N., Nikolaus von Kues (zur Einführung) (= Junius, Bd.239), Hamburg 2001.

Bearbeiter: Michael Buhlmann

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