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Kompendium
Mittelalter

Siedlungskunde, historisch-genetische Siedlungsforschung

Siedlungsgeschichtliche Fragestellungen werden heutzutage interdisziplinär innerhalb der sogenannten historisch-genetischen Siedlungsforschung (Siedlungskunde) behandelt. Letztere basiert wiederum auf der Trias von Siedlungsgeografie, -geschichte und -archäologie, drei engverwandten (und sich zum Teil überschneidenden) Disziplinen. Dabei entspricht diese Gliederung grob auch der Einteilung der (zu jeglicher historischer Forschung benötigten) Quellen in Sachüberreste (materielle Hinterlassenschaft), schriftliche (historische) Quellen und sprachliche Überlieferungen.

Die historisch-genetische Siedlungsforschung (Siedlungskunde) berücksichtigt alle für einen bestimmten Siedlungsraum in einer bestimmten Zeitepoche relevanten Faktoren. Der Siedlungsraum wird nicht nur als ganzes, sondern auch von den Siedlungen her erfasst. Die Betrachtungsweise ist dabei dynamisch; Ursachen und Gründe von Siedlungsvorgängen und -verhältnissen werden aufgezeigt und erklärt. Daher bezieht die Siedlungskunde eine Anzahl von Nachbarwissenschaften mit ein. Vielgestaltig sind die Methoden: Neben der historischen Analyse geht es hier vorzugsweise um die Interpretation archäologischer Funde sowie um die Ortsnamen- und Patrozinienkunde; mithin kommen sämtliche auf Untersuchungsgebiet und -zeitraum bezogene Quellen in Betracht. Die beteiligten wissenschaftlichen Disziplinen und Methoden dürfen indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie alle in die Synthese der historisch-genetischen Siedlungsforschung einmünden sollen. Diese Synthese heißt auch Siedlungsgeschichte.

Siedlungsraum und Zeitepoche sind aufeinander bezogen auszuwählen; denn Siedlungsräume ändern sich im Laufe der Zeit, ein Phänomen, das nicht zuletzt die Siedlungskunde aufzeigen will. Der Siedlungsraum kann dabei geographisch (durch Ödland, Wasserscheiden, Gebirge usw.) abgegrenzt sein; doch auch kulturelle und politische Abgrenzungen sind möglich und bedingen sich häufig gegenseitig. Eine Abgrenzung ergibt sich nicht zuletzt aus institutionellen, vom heutigen Wissenschaftsbetrieb implizierten Gründen.

Literatur: GERLICH, A., Geschichtliche Landeskunde des Mittelalters. Probleme und Genese, Darmstadt 1986

Bearbeiter: Michael Buhlmann