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Kompendium
Mittelalter

Wissenschaft

Wissenschaft (als Teil der heutigen wissenschaftlich-technischen Kultur und Zivilisation und in Abgrenzung zur mythischen Weltauffassung) meint die Analyse von Wirklichkeitsausschnitten (in Raum und Zeit, als Menge von raum-zeitlichen Objekten [Ereignisse]) gemäß den Idealen von: Wahrheit (Aussagen), Begründung (Aussagelogik), Erklärung und Verstehen (Muster, Regeln, Strukturen), Selbstreflexion (Selbstthematisierung von Wissenschaft). Den Wirklichkeitsausschnitten entsprechend, gibt es eine Vielfalt der Wissenschaften: Sozial-, Kultur-, Geisteswissenschaften (u.a. Geschichte, Kunst, Philosophie), Naturwissenschaften, Ingenieurswissenschaften, Mathematik und Logik. Wissenschaft als Analyse eines Wirklichkeitsausschnitts beruht auf der Ermittlung von (inferentiellen) Strukturen, Modellen und Theorien. Durch die Mathematisierung von Wissenschaft werden erkennbar: Objekte des Wirklichkeitsausschnitts und deren Beziehungen zueinander (Relation); Modelle und Analogien als Vergleich zwischen Strukturen, Erklärungen als Argumente; Theorien als Bündel von Aussagen über Tatsachen und Sachverhalte zu einem Wirklichkeitsausschnitt mit einer Struktur. Empirische Theorien beruhen auf Beobachtung, treffen Aussagen auch über unbeobachtbare Objekte und leiden am möglichen Widerspruch zwischen (idealer) Wahrheit und prinzipieller Fallibilität. Trotzdem ist wissenschaftlicher Fortschritt möglich in dem Sinn, dass es eine Abfolge von ("besser" werdenden) Theorien geben kann (Nachfolgetheorie im Verhältnis zur Vorgängertheorie [Veränderung des Wirklichkeitsausschnitts, der Struktur des Wirklichkeitsausschnitts, der Bewertung der Beobachtungen]; empirische Unterbestimmtheit von Theorien und Induktion; Anwachsen des Tatsachenwissens [Daten] und dessen inferentielle Vernetzung). Die Erkenntnisse der Sozial-, Kultur-, Geisteswissenschaften zeigen schließlich einen apriorischen Erfahrungsrahmen (Weltzugang) der Wissenschaft Betreibenden als Grundlage jeder Wissenschaft.

Wissenschaftsgeschichte ist eng mit dem wissenschaftlichen Fortschritt verbunden. Anfänge von Wissenschaft lassen sich bei den griechisch-ionischen Naturphilosophen des 6. vorchristlichen Jahrhunderts, weiter bei Platon und Aristoteles (in Auseinandersetzung mit der mythischen Welsicht) ausmachen, [können auch in der "Ersten europäischen Revolution" im Hochmittelalter verortet werden,] sind entscheidend geprägt durch das Aufkommen von Experimenten und Laborexperimenten seit dem 16. Jahrhundert ("wissenschaftliche Revolution"). Heute stellt sich der wissenschaftliche (Welt-) Zugang zu Erkenntnissen im Rahmen apriorischer Erfahrung als überlegen und alternativlos dar. Wissenschaft scheitert aber nichtsdestotrotz bei der Ermittlung von Zukunftswissen (Prognosen; Problem der Induktion und der Wahrheit von Theorien).

Literatur: TETENS, HOLM, Wissenschaftstheorie. Eine Einführung (= BSR 2808), München 2013

Bearbeiter: Michael Buhlmann