Quellen zur Geschichte Gerresheims

1319 Mai, Avignon:

Ablassurkunde für die Gerresheimer Frauengemeinschaft

Ablass, also der Erlass einer zeitlichen Strafe (Buße) für Sünden, war in der religiös-kirchlichen Praxis des späten Mittelalters weit verbreitet. So sind zwischen 1285 und 1352 allein vier Verleihungen von Ablässen an das Gerresheimer Stift bekannt, u.a. die hier vorgestellte Urkunde, die einen Ablass von je 40 Tagen vorsah, wenn etwa der Sünder die Gerresheimer Stiftskirche an bestimmten Festtagen besuchte, dort betete oder den Friedhof umschritt. Neben diesen frommen Handlungen führte auch die Unterstützung beim Kirchenbau und -erhalt zu einer Minderung der Buße. Damit hatte der Gerresheimer Ablass auch eine wirtschaftliche Bedeutung für das Stift, zumal wenn man beachtet, dass Gerresheim in dieser Zeit häufig von Gläubigen aus der näheren und weiteren Umgebung besucht wurde. Noch ein Wort zu den Urkundenausstellern; es handelt sich dabei um Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe aus dem östlichen Mittelmeerraum und angrenzenden Gebieten wie Syrien (Antiochien), Griechenland (Adrianopel und Christopolis in Thrakien, Neopatros in Mittelgriechenland, Argos auf der Peleponnes) und den "Ländern der Tartaren" und Geistliche aus dem nord- und mittelitalienischen sowie südostfranzösischen Raum (Parma in Norditalien, Torcello und Cittanova bei Venedig, Cagli-Pergola in der Mark Ancona, Narni in Umbrien sowie Domène in den Westalpen und Nizza in Südfrankreich). Datiert ist die Urkunde nach dem Pontifikat Papst Johannes' XXII. (1316-1334), der in Avignon residierte.

Allen, die dieses Schreiben lesen werden, mit göttlichem Mitgefühl Heil in dem, der das wahre Heil aller ist: Ysuard von Antiochien, Patriarch; Raimund von Adrianopel, Bostagnus von Neopatros, Erzbischöfe; Werner von Marmoria, Ptolemaius von Torcello, Berengar von Christopolis, Wilhelm von den Ländern der Tartaren, Nikolaus von Argos, Petrus von Cagli-Pergola, Simon von Parma, Petrus von Narni, Aegidius von Adrianopel, Orlandus von Domène, Wilhelm von Nizza, Bernhard von Christopolis und Petrus von Cittanova, Bischöfe. Die fromme Mutter Kirche, besorgt um das Wohl der Seelen, ist es gewöhnt, die Demut der Gläubigen durch gewisse geistliche Gefälligkeiten wie Ablässe und Gnadenerweise zu ermuntern hinsichtlich der Gott und den heiligen Kirchen geziemenden Ehre des geschuldeten Dienstes, damit das christliche Volk umso häufiger und demütiger dorthin mit unablässigen Gebeten für die Gnade des Erlösers bittend zusammenströmt, je rascher es die Gnade seiner Vergehen und die ewigen Freuden erlangt. Wir wünschen daher, dass die Kirche der Stiftsfrauen in Gerresheim, geweiht zu Ehren der heiligen Märtyrer Hippolyt und seiner Gefährten, in der Diözese Köln [gelegen], mit entsprechenden Auszeichnungen versehen und von den Gläubigen Christi nie versiegend besucht wird. Vertrauend aber auf die Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes und die Autorität seiner seligen Apostel Peter und Paul und weil der Wille und der Beschluss der Diözesanen dem entspricht, geben wir alle barmherzig im Herrn jeweils einen Ablass von vierzig Tagen bei den auferlegten Bußen allen Büßern und Bekennern, die zu dieser Kirche aus Demut, als Fremde oder zum Gebet am Fest der zuvor erwähnten Märtyrer kommen und nicht zuletzt an den Festtagen der Geburt unseres Herrn Jesus Christus, an Neujahr, Epiphanias, Karfreitag, Ostern, Himmelfahrt des Herrn und Pfingsten, an allen und einzelnen Festtagen der heiligen Jungfrau Maria, der Heiligen Peter und Paul und aller anderen Apostel und Evangelisten, [am Festtag] der Findung und Erhebung des Kreuzes, des Erzengels Michael, Johannes des Täufers, Georgs, Quirins, des Herzogs [!] Gerrich, des Nikolaus, Martin, Gregor, Augustin, Ambrosius, des Hieronymus und der Heiligen Maria Magdalena, Katharina, Gertrud, der elftausend Jungfrauen, an Allerheiligen und am Tag der Weihe dieser Kirche und an den Oktaven der genannten Festtage, [weiter allen Büßern und Bekennern,] die mit dem Tod ringen und etwas von ihrer Habe besagter Kirche geben, die dem Körper Christi, während er feierlich herumgetragen wird, die demütige Gefolgschaft erweisen, die beim letzten Glockenschlag demütig und niederkniend das 'Ave Maria' sprechen, die auf dem Friedhof umhergehen und für die Toten Gebete zum Herrn sprechen oder die bei den Predigten sind, wann immer sie öffentlich in besagter Kirche stattfinden, und die nicht zuletzt als Helfer bei der Bauhütte, der Beleuchtung, der Ausschmückung und den anderen Notwendigkeiten der genannten Kirche Hand anlegen. Zum Zeugnis dieser Sache haben wir das vorliegende Schriftstück durch Anbringung unserer Siegel bekräftigt. Gegeben zu Avignon im Jahr des Herrn eintausend dreihundert neunzehn, Monat Mai. Pontifikat des heiligsten Vaters, des Herrn Johannes, durch göttliche Voraussicht Papst. [Buhlmann]

Lateinische Originalurkunde. - Kessel, Gerrich, S.192f, Nr.VI.