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Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Baden-Württemberg, der deutsche Südwesten, kann auf eine lange Geschichte zurückblicken: Vorgeschichte und römische Zeit, Mittelalter und Neuzeit. Die hier folgenden Momentaufnahmen betreffen insbesondere südwestdeutsche Kirchen- und Klostergeschichte des Mittelalters, also vom 6./7. bis 15./16. Jahrhundert.

Kirchen, Klöster, Städte

Allerheiligen  

Das Kloster Allerheiligen, gelegen im Schwarzwälder Renchtal am Rande der Ortenau, ging hauptsächlich auf Uta von Schauenburg zurück, die Ehefrau Herzog Welfs VI. (†1191). Es wurde 1191/96 gegründet und mit umfangreichem Gründungsgut in der Umgebung ausgesstattet. Der erste Propst Gerung (1192-1217) richtete die vita communis ein, ihm gelang auch die Anerkennung der Klerikergemeinschaft, ihres Besitzes und ihrer Rechte durch Königtum und Papst (1200, 1203). Seit Anfang des 13. Jahrhunderts entstand das Kirchengebäude; Chor, Vierung und Querschiff wurden in der 2. Hälfte des 13., das Langhaus zu Beginn des 14. Jahrhunderts vollendet, nachdem finanzielle Engpässe in den 1220/30er-Jahren überwunden werden konnten. Kanoniker aus Allerheiligen zogen 1248 in das südhessische Kloster Lorsch ein, das fortan prämonstratensisch war. Auch die Besitzentwicklung der Schwarzwälder Kommunität verlief zufrieden stellend, die Geistlichen wandten sich der Seelsorge in den benachbarten Pfarreien zu. Wirtschaftliche Unzulänglichkeiten und ein Verfall des gemeinsamen Lebens der Kanoniker prägten das 15. Jahrhundert. 1470 suchte ein Brand Allerheiligen heim, Gebäude und Kirche, heute eine Ruine, wurden wiederaufgebaut. Eine von der Ortenauer Ritterschaft gestiftete Wallfahrtskirche in Lautenbach (bei Oberkirch) wurde unter Propst Johannes Magistri (1477-1492) vollendet und den Prämonstratensern unterstellt. Allerheiligen selbst wurde im Bauernkrieg geplündert (1525), überstand aber unbeschadet die Reformation. 1657 wurde die Kommunität zur Abtei erhoben, 1802 säkularisiert.

Michael Buhlmann, Klöster und Stifte in Baden-Württemberg - Geschichte, Kultur, Gegenwart, St. Georgen 2009 [746 kB]

Texte/Publikationen (Geschichte)

Foto: Michael Buhlmann (Klosterruine Allerheiligen)

Reichenau  

Die Geschichte der Reichenau ist die Geschichte des Klosters. Letzteres wurde 724 vom Missionsbischof Pirmin gegründet und genoss seit dieser Zeit die Unterstützung der karolingischen Hausmeier und Könige. So fällt eine erste Blütezeit der für Alemannien so wichtigen Mönchsgemeinschaft in das ausgehende 8. und das 9. Jahrhundert. In die Zeit der ottonischen Könige, um die Jahrtausendwende fällt die zweite kulturelle Glanzzeit der Reichenau, Eine Art Nachglanz des Inselklosters ist für die Regierungszeit des Abts Diethelm von Krenklingen (1169-1206) zu konstatieren. Danach begann der geistige und materielle Niedergang der Mönchsgemeinschaft in einer sich stark verändernden (sozialen und wirtschaftlichen) Umwelt des ausgehenden hohen Mittelalters. Reformversuche um die Wende zum und im 14. Jahrhundert scheiterten. 1540 verzichtete Abt Markus von Knöringen auf die Klosterleitung, die er an den Konstanzer Bischof abtrat. In der Folgezeit war die Reichenau nur mehr eine Verwaltungsstelle des Bistums (Obervogteiamt), ein Priorat mit zwölf Mönchen. 1803 erfolgte die Säkularisation.

Michael Buhlmann, Wie der heilige Georg nach St. Georgen kam, St. Georgen 2001, 22004 [216 kB]
Michael Buhlmann, Reichenau und St. Georgen. Reichsabtei und Reformkloster im Mittelalter, Essen 2010 [296 kB]

Texte/Publikationen (Geschichte)

Foto: Michael Buhlmann (Reichenau-Oberzell)

St. Georgen im Schwarzwald

Mit der Besiedlung St. Georgens durch Hirsauer Mönche im Frühjahr und Sommer 1084 und der Weihe der Klosterkapelle am 24. Juni 1085 begann die Geschichte des Schwarzwaldklosters St. Georgen. Im St. Georgener Jahrhundert (1084-n.1193/94) entwickelte sich die Gemeinschaft von Benediktinermönchen zu einem wichtigen Reformkloster, die (Hirsau-) St. Georgener Klosterreform strahlte unter Abt Theoger (1088-1119) nach Süddeutschland, Österreich und ins Elsass aus. Das Kloster verfügte über eine über Schwaben und das Elsass reichende, im Raum zwischen Neckar und Donau sich verdichtende Grundherrschaft aus Gütern, Besitzkomplexen, abhängigen Bauern, Einkünften und Rechten, auch über Pfarrkirchen und Tochterklöstern. Die libertas Romana, die "römische Freiheit" beinhaltete die Unterstellung des Klosters unter das Papsttum bei päpstlichem Schutz, freier Abtswahl und (theoretische) Verfügung des Klosters über die Vogtei. Parallel zu den mehr oder weniger engen Beziehungen zum Papsttum gewann das Verhältnis zu den deutschen Königen im 12. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung. Nach dem Aussterben der Zähringerherzöge als Schutzherrn St. Georgens (1218) fiel die Klostervogtei an den staufischen König Friedrich II. (1212/15-1250). Gegen Ende des 13. Jahrhunderts gelangte die Schutzherrschaft über das Kloster als Reichslehen an die Grafen von Falkenstein, die sie bis ins 15. Jahrhundert - meist zum Nachteil des Klosters - ausübten. Die späte Stauferzeit leitete den wirtschaftlichen und geistig-religiösen Niedergang St. Georgens ein. Aspekte dieser Entwicklung waren: die Brandkatastrophe von 1224, die das Kloster zerstörte - der Neubau wurde 1255 geweiht; der Verfall der klösterlichen Disziplin und der mönchischen Bildung; Verluste an Gütern und Rechten durch Entfremdung, Verkauf und Misswirtschaft; innere Unruhen im Klosterkonvent. Erst die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert brachte unter dem reformerischen Abt Johann III. Kern (1392-1427) eine Neuorientierung monastischen Lebens und damit einen Wandel zum Besseren. Den Falkensteiner Vögten folgten die Grafen und Herzöge von Württemberg, die 1444/49 die eine Hälfte und 1534 die gesamte Vogtei erlangten. Das Jahr 1536 brachte dann mit der Begründung der württembergischen Landeshoheit über St. Georgen und mit der Einführung der Reformation eine Zäsur, die die Existenz des Klosters ganz wesentlich in Frage stellte. Doch konnten die Mönche nach Villingen umsiedeln, wo bis zur Säkularisation im Jahr 1806 das Benediktinerkloster St. Georgen weiterbestand.

St. Georgen - Benediktinerkloster

Michael Buhlmann, Das Benediktinerkloster St. Georgen. Geschichte und Kultur, St. Georgen 2006 [289 kB]

Texte/Publikationen (Geschichte)

Foto: Michael Buhlmann, Verein für Heimatgeschichte St. Georgen (Grabstein des Adalbert von Ellerbach)

St. Georgen-Peterzell

Das älteste und wohl einzige mittelalterliche Baudenkmal in Peterzell ist die Peterskirche, ein Kirchlein mit einigen noch erhaltenen romanischen Bauteilen (Triumphbogen), einem spätgotischen Chor (Rippengewölbe) und Fresken des beginnenden 14. Jahrhunderts (Heilige drei Könige, Christopherus) im ehemaligen romanischen und 1904 abgebrochenen Langschiff. Die erste (urkundliche) Nennung des Ortes datiert jedenfalls aus dem Jahr 1331. 1369 verkaufte das Kloster Reichenau Peterzell mit dem Mühlbach und Hohenbrunnen sowie die Lehen am Ruprechtsberg (Rupertsberg) an das Kloster St. Georgen. Letzteres erwarb zudem im Jahr 1381 die halbe Vogtei über Peterzell von Egnolf von Wartenberg, 1445 folgte der Erwerb der anderen Hälfte, die das Kloster vom Rottweiler Patrizier Bernhart Haugg kaufte. Im selben Jahr gelangten die Grafen von Württemberg in den Besitz Peterzeller Güter, die vormals den Herren von Falkenstein gehört hatten. Mit dem Erwerb St. Georgens in der Reformationszeit war nun ganz Peterzell Teil des württembergischen Territoriums. Eine weitere Zäsur stellte die Zerstörung des Ortes durch die Villinger Bürger im Jahr 1525 dar. Der Wiederaufbau Peterzells leitet dann die frühe Neuzeit des kleinen Ortes im Württemberger Herzogtum ein. 1810 wurde Peterzell badisch, seit 1974 ist Peterzell ein Teilort von St. Georgen.

Texte/Publikationen (Geschichte)

Foto: Michael Buhlmann (Peterskirche)

Tübingen-Bebenhausen

Das (ehemalige) Kloster Bebenhausen liegt nördlich von Tübingen und wurde durch Pfalzgraf Rudolf I. von Tübingen (1182-1219) 1183 zunächst als Prämonstratenserkloster gestiftet. Vor 1189/90 siedelten sich Zisterziensermönche aus Schönau (bei Heidelberg) dort an. Es entstand in der Folge eines der reichsten Zisterzienserklöster Südwestdeutschlands, eine umfangreiche Grundherrschaft, die "Autarkie" einer Grangienwirtschaft versorgte bis zu 80 Mönche und 130 Konversen (Laienbrüder). Bebenhausen fand sich eingebunden in die pfalzgräflich-tübingische Landesherrschaft, die 1342 an die Grafen von Württemberg verkauft bzw. verpfändet wurde. Im Verlauf der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts verstärkte sich die württembergische Landsässigkeit der Zisterze bis hin zur Landstandschaft. Die Reformation in Württemberg führte zur Auflösung der katholischen Mönchsgemeinschaft (1534).

Michael Buhlmann, Das Kloster Bebenhausen im Mittelalter, St. Georgen 2005 [157 kB]

Foto: Michael Buhlmann (Klosterkirche mit Vierungsturm)

(Villingen-Schwenningen-) Villingen  

Der Ort Villingen wird erstmals 817 in einer Urkunde Kaiser Ludwigs des Frommen (814-840) für das Kloster St. Gallen erwähnt. Fast zweihundert Jahre später verlieh Kaiser Otto III. (983-1002) dem Zähringergrafen Berthold (991/96-1024) am 29. März 999 Markt-, Münz- und Zollrecht für Villingen. Im 12. Jahrhundert entwickelte sich neben Alt-Villingen die "Zähringerstadt", die nach dem Aussterben des Herzogsgeschlecht (1218) an die Staufer kam, schließlich 1283 als erbliches Reichslehen an die Grafen von Fürstenberg. Für die Zeit des späteren Mittelalters wird dann die topografische Gliederung der Stadt erkennbar. Ein Kreuz zweier Haupt- als Marktstraßen bildet das eindrucksvolle topografische Gerüst des Ortes. An drei Enden dieser Hauptstraßen befinden sich heute noch Stadttore (Bicken-, Riet-, Oberes Tor), Teil einer Ummauerung aus dem 13. Jahrhundert, zu der auch der Romäus- und der Kaiserturm gehören. Weitere mittelalterliche Bauwerke sind bzw. waren: das 1288 gestiftete Spital, die Franziskanerkirche (1268), die Kirche der Johanniter (1257), der romanische Turm der Altstadtkirche (12. Jahrhundert), das St. Klara-Kloster am Bickentor (Anfang des 14. Jahrhunderts, 1480 als Klarissenkloster), Bürgerhäuser mit hoch- und spätmittelalterlicher Bausubstanz. Das bedeutendste mittelalterliche Baudenkmal ist das Villinger Münster, eine spätromanische dreischiffige Basilika, die im 13. Jahrhundert entstand und nach dem großen Stadtbrand von 1271 bis zum 16. Jahrhundert wiedererrichtet wurde. Zwischen den beiden Türme bildet ein romanischer Chor den Abschluss der Kirche nach Osten. Die niedrigen Seitenschiffe flankieren das querschifflose Hauptschiff. Widerstände gegen den fürstenbergischen Grafen als Stadtherrn führten u.a. 1326 dazu, dass sich Villingen der österreichischen Herrschaft unterstellte. Villinger Bürger waren an der Niederschlagung des Bauernaufstands (1525) beteiligt, der Ort nahm nach der Reformationszeit den katholischen Mönchskonvent des Klosters St. Georgen auf. Drei schwedisch-württembergische Belagerungen während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) scheiterten. Französische Angriffe auf Villingen prägten das ausgehende 17. und die 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts. 1805 wurde Villingen württembergisch, 1806 badisch.

Villinger Regesten (Mittelalter)

Texte/Publikationen (Geschichte)

Foto: Michael Buhlmann (Kaiserturm)