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Rezensionen (Geschichte)
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Nack, Emil, Wägner, Wilhelm (1955), Hellas. Land und Volk der alten Griechen, Wien-Heidelberg 1966 > G Griechische Geschichte

Nahmer, Dieter von der (2001/16), Bibelbenutzung in Heiligenviten des Frühen Mittelalters (= Beiträge zur Hagiographie, Bd.19), Stuttgart 2016, 351 S., € 59,-. Untersucht werden in Hinblick auf die Bibelbenutzung ([abgewandelte] Zitate, Anspielungen, Topoi) die folgenden spätantik-frühmittelalterlichen Heiligenviten: Athanasius, Leben des heiligen Antonius (4. Jahrhundert); Leben des heiligen Pachomius (4. Jahrhundert); Paulinus, Leben des heiligen Ambrosius (4. Jahrhundert); Eugipp, Leben des heiligen Severin (5. Jahrhundert); Ferrandus, Leben des heiligen Fulgentius (6. Jahrhundert); Leben des heiligen Caesarius (6. Jahrhundert); Gregor der Große, Leben des heiligen Benedikt (6. Jahrhundert); Jonas von Bobbio, Leben des heiligen Columban (7. Jahrhundert); Leben des heiligen Wandregisel (7. Jahrhundert); Radbert von Corbie, Leben des heiligen Adalhard (9. Jahrhundert); Rimbert, Leben des heiligen Ansgar (9. Jahrhundert). Den (teilweise anonym gebliebenen) Verfassern der Viten lag auf Grund ihrer umfassenden geistlichen Ausbildung der Verweis auf die christliche Bibel des Alten und Neuen Testaments (sich unterschiedslos ergänzend) gleichsam im Blut (umfassende Bibelkenntnis, Bibel als Grundlage für Predigt und Priesteramt). Die Verweise dienten vornehmlich der Charakterisierung des in der Vita auftretenden Heiligen sub lege, sub gratia und damit des Heiligen als "immer wiederkehrenden Typus" im christlichen Glauben (Patriarchen, Propheten, Apostel) in Hinblick auf die imitatio Christi, die Askese, die conversio (als Beginn mönchischen Lebens), den Tod (als Vollendung eines Heiligenlebens), den Heiligen als Visionär (wie Mose) oder Dulder (wie Hiob). Die Bibelbenutzung stellt damit die Viten in gewisser Weise in die Fortsetzung des Alten und Neuen Testaments, die das menschliche Leben erklärenden und bewegenden, es in heilsgeschichte Zusammenhänge stellenden Zitate aus der sacra bibliotheca der Bibel fordern in den Viten zur Befolgung christlich-biblischen Gedankenguts auf. [Buhlmann, 06.2022]

Namenkunde, historische Hilfswissenschaft: I. Namen sind (sprachlich, kulturgeschichtlich) Informationen übertragende Benennungen von Personen, Gegenständen und Begriffen (Name-Sache-Verhältnis). Die Namenkunde (Namenforschung) als Teilgebiet von Onomastik befasst sich mit der geschichtlichen Entwicklung, sprachlichen Verwendung und Etymologie von Namen. In der historischen Forschung ist die Betrachtung von Personen- und Ortsnamen in deren zeitlicher Entwicklung wichtig. II. Personennamenkunde: Hier geht es um die Erforschung er historischen Personen zugeordneten Namen, die auch über die einzelne Person im Rahmen von Verwandtschaft und Familie (Leitname, Famlienname) oder von Namenmoden (spätes Mittelalter, frühe Neuzeit, Neuzeit, Moderne) hinausgeht. III. Ortsnamenkunde: Der Siedlungsgeschichte (aber auch der historisch-genetischen Siedlungsgeographie) zugeordnet ist die Ortsnamenkunde, bei der es um die Erforschung von mit der menschlichen Besiedlung verbundenen Bezeichnungen (Namen) geht. Nicht nur Siedlungsnamen im Sinne der Benennung eines Wohnplatzes (und damit einer sozialen Gemeinschaft) gehören hierher, sondern auch Gelände- (Flur-), Raum- oder Personengruppennamen. Neben der (teils nicht immer einwandfreien, teils nicht möglichen) Deutung solcher, zumeist in historischen Quellen überlieferten Namengebungen versucht die Ortsnamenkunde auch deren zeitliche Einordnung, wobei dem Endungstyp eines topographischen Namens (Grundwort) besondere Wichtigkeit zukommt. Hierbei helfen Erstbelege aus den schriftlichen Quellen (u.a. als terminus ante quem) und archäologische Ergebnisse neben germanistisch-dialektgeographischen Überlegungen entscheidend mit. Ortsnamenkundliches Resultat ist dann ein (alphabetisch oder nach Ortsnamentypen geordnetes) Namenbuch und die (namen-) geographisch-zeitliche Einordnung von Namen und Namentypen durch entsprechende Kartierung. Nicht zuletzt soll die (dadurch mehr oder weniger gut gesicherte) Zeitstellung von Ortsnamen(typen) ein (auch dynamisches) Bild von Siedlungsstadien und -vorgängen aufzeigen helfen. Zu beachten ist indes, ob solche Rekonstruktionen einer philologischen "Sekundär-Archäologie" überhaupt Schlüsse für die mittelalterliche Geschichte oder die Zeit davor zulassen. Dem steht zumindest die Unterschiedlichkeit von historisch-philologischem und siedlungsarchäologischem Ansatz entgegen.
Zur Namenkunde s.: Eichler, Ernst (Hg.) (1991), Probleme der älteren Namenschichten. Leipziger Symposion (21 bis 22. November 1989) (= BNF NF Beih.32), Heidelberg 1991, 278 S., Karten, DM 90,-; Förstemann, Ernst (1856/59), Altdeutsches Namenbuch: Bd.I: Personennamen, Nordhausen 1856, XV S., 1398 Sp., Bd.II: Ortsnamen, Nordhausen 1859, IX S., 1700 Sp.; Gadow, Henning von (1975), Rheinische Ortsnamen und Quellenkritik, in: BNF NF 10 (1975), S.46-64; Kohlheim, Rosa, Kohlheim, Volker (2004), Duden: Lexikon der Vornamen. Herkunft, Bedeutung und Gebrauch von über 6000 Vornamen, Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich (4)2004, 396 S., € 9,95; Kunze, Konrad (1998), dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet (= dtv 3266), München 52004 > D dtv-Atlas; Heitmeier, Irmtraut (1990), Ortsnameninterpretation und Siedlungsgeschichte. Ein methodischer Versuch am Beispiel des südöstlichen Chiemgaus, in: ZBLG 53 (1990), S.551-658; Hömberg, Albert K. (1955), Ortsnamenkunde und Siedlungsgeschichte. Beobachtungen und Betrachtungen eines Historikers zur Problematik der Ortsnamenkunde, in: WF 8 (1955), S.24-64; Kuhn, Hans (1968), Die Nordgrenze der keltischen Ortsnamen in Westdeutschland, in: BNF NF 3 (1968), S.311-334; Möller, Reinhard (1975), Reduktion und Namenwandel bei Ortsnamen in Niedersachsen, in: BNF NF 10 (1975), S.121-156; Niemeier, Georg (1953), Die Ortsnamen des Münsterlandes. Ein kulturgeographischer Beitrag zur Methodik der Ortsnamenforschung (= Westfälische geographische Studien, Bd.7), Münster 1953, 130 S., Abbildungen, € 12,-; Reichardt, Lutz (1984), Zur Anlage und Herstellung landschaftlicher Namenbücher, in: BNF NF 19 (1984), S.184-200; Rosenthal, Dieter (1979), Zur Diskussion über das Alter der nordwestdeutschen Ortsnamen auf -heim. Die Ortsnamen des ehemaligen Kreises Hildesheim-Marienburg, in: BNF NF 14 (1979), S.361-411; Schützeichel, Rudolf (Hg.) (1980), Erlanger Ortsnamen-Kolloquium. Ortsnamen als Ausdruck von Kultur und Herrschaft (= BNF NF Beih.18), Heidelberg 1980, 187 S., Karten, DM 74,-; Schützeichel, Rudolf (Hg.) (1986), Ortsnamenwechsel (= BNF NF Beih.24), Heidelberg 1986, 380 S., Abbildungen, Karten, DM 86,- (u.a. mit den Beiträgen: Wolfgang Laur, Ortsnamenwechsel in Schleswig-Holstein; Hans-Georg Maak, Pirremunt - Petri mons - Pyrmont; Ernst Eichler, Hans Walther, Ortsnamenwechsel im Elbe-Saale-Gebiet. Wandlungen der Siedlungsstrukturen und ihre Auswirkungen auf die Siedlungsnamen; Jürgen Udolph, Zum Problem der Slavisierung alteuropäischer Gewässernamen in Franken; Hans Jakob, Über siedlungsgeographische und ethnische Ursachen des Ostnamenwechsels im östlichen Franken; Erwin Herrmann, Das Altenstadt-Problem. Beispiele für Namenwechsel und Namenverlust im nordostbayerischen Raum; Helmuth Feigl, Änderungen von Siedlungsnamen in Österreich; Reinhard Bleier, Zum Grundwortwechsel bei Ortsnamen und seine Abgrenzung zum Ortsnamenwechsel; Dieter Berger, Noviomagus - Civitas Nemetum - Speyer; Wolfgang Haubrichs, Warndtkorridor und Metzer Romanenring. Überlegungen zu siedlungsgeschichtlichen und sprachgeschichtlichen Bedeutung der Doppelnamen und des Namenwechsels in Lothringen; Manfred Halfer, Partieller Ortsnamenwechsel bei -acum-Namen des Rheinlandes; Albrecht Greule, Der hydronymische Namenwechsel); Schützeichel, Rudolf (Hg.) (1988), Bibliographie der Ortsnamenbücher des deutschen Sprachgebietes in Mitteleuropa (= BNF NF Beih.26), Heidelberg 1988, 1206 S., DM 33,-. > O Ortsnamenbücher, > Kompendium Mittelalter > Ortsnamenkunde [Buhlmann, 1985, 1986, 06.2020]

Nansen, Fridtjof, norwegischer Polarforscher: Der Norweger Fridtjof Nansen (*1861-†1930) wurde bekannt als Polarforscher. 1888 durchquerte er Grönland von Ost und nach West, 1893/96 leitete er eine norwegische Polarexpedition, die die Erforschung der Arktis wesentlich voranbrachte (Segelschiff Fram, Expeditionen ins Eis, wissenschaftliche Untersuchungen). Nach Norwegen zurückgekehrt, wurde Nansen Professor an der Universität Christiana (1897) und Leiter des "Internationalen Laboratoriums für Meeresforschung" (1901). Als Diplomat in politischen Diensten war er Gesandter in London (1906/08) und setzte sich nach dem Ersten Weltkrieg (1914/18) für die Rückkehr deutscher Kriegsgefangener nach Deutschland ein; außerdem minderte eine Hilfsinitiative, die auf Nansen zurückging, die Not der Hungernden in Russland (1921/23). Nansen engagierte sich für die Flüchtlinge des griechisch-türkischen Krieges (1919/22), für die vom osmanischen Genozid betroffenen Armenier. Er erhielt 1922 den Friedensnobelpreis.
Von Fridtjof Nansen stammt sein Tagebuch: Nansen, Fridtjof (1893/96), In Nacht und Eis. Die Norwegische Polarexpedition 1893-1896, Wiesbaden 1952, Nachdruck Bremen 2012, 343 S., Schwarzweißabbildungen, Karte, € 29,90. [Buhlmann, 02.2022]

Napoleon Bonaparte, französischer Feldherr und Kaiser: I. Napoleon(e) B(u)onaparte wurde am 15. August 1769 im korsischen Ajaccio geboren; er gehörte einer korsischen Notablen- und Kleinadelsfamilie ein. Damals stand Korsika erst seit Kurzem (1768) unter französischer Kontrolle. Napoleon schlug eine militärische Ausbildung ein, die ihn u.a. an die Pariser Militärschule brachte (1784; Ausbildung in Artillerie, Staatsrecht, Befestigungskunde). 1785 erhielt er frühzeitig sein Offizierspatent, im selben Jahr wurde er durch den Tod des Vaters Familienoberhaupt der Buonapartes. Erste Erfahrungen als Offizier machte er in Valence (1786) und Auxonne (1788), immer wieder unterbrochen durch Aufenthalte auf Korsika. II. Napoleon war Anhänger der Französischen Revolution (1789), hielt aber Abstand zur Politik, um sich wiederum den Revolutionsführern - u.a. den Jakobinern - militärisch zur Verfügung zu stellen. Der Versuch der Einnahme einer Insel des Königreichs Sardinien-Piemont von Korsika aus scheiterte allerdings im Gefecht von La Maddalena (1792). Bei der Eroberung der von französischen Royalisten gehaltenen Hafenstadt Toulon (November/Dezember 1793) tat sich der Offizier hervor, der in der Folge zum Brigadegeneral befördert wurde. Das Ende der Jakobinerherrschaft brachte Napoleon nur vorübergehend in politische Nöte (1794). Den Pariser Aufstand gegen die Thermidorianer (Direktorium) schlug Napoleon erfolgreich nieder (Oktober 1795) und wurde zum Divisionsgeneral befördert. Es folgte die Heirat mit Joséphine de Beauharnais (1796); aus der Ehe gingen keine Kinder hervor. Von den Kriegen der französischen Republik war neben Belgien, den Niederlanden und dem Rheinland (1792/95) auch Italien betroffen. Als Befehlshaber der Italienarmee (im Rahmen des Ersten Koalitionskrieges 1792-1797) gelang Napoleon nach siegreichen Schlachten gegen Piemont und Österreich (Schlachten von Mondovì und Lodi [1796]) die Einnahme von Mailand und Mantua (1796) sowie in den Alpenraum einzudringen. Der Frieden von Campo Formio (1797) beendete den Krieg, die italienischen Eroberungen Frankreichs wurden als Cisalpinische und Ligurische Republik organisert. Der von Napoleon eingenmächtig geschlossene Frieden verstärkte das Misstrauen zwischen dem Direktorium und dem General. Napoleon wurde mit dem gegen Großbritannien gerichteten Feldzug nach Ägypten (1798/99) beauftragt, die Expedtionsarmee behauptete nach dem Sieg Napoleons über die Mamelucken in der Schlacht bei den Pyramiden (21. Juli 1798) Ägypten, wurde aber durch die Vernichtung der französischen Flotte in der Schlacht bei Abukir (1./2. August 1798) von jeglichem Nachschub abgeschnitten. Unter Zürucklassung (und letztendlichen Preisgabe) der Armee kehrte Napoleon Anfang Oktober 1799 nach Frankreich zurück, um nach dem Staatstreich vom 18. Brumaire (9. November) die Stellung eines Ersten Konsuls in einer neuen republikanischen Verfassungsordnung einzunehmen. Napoleon, der nun an den Schaltstellen der Macht in der französischen Republik saß (verdeckte Diktatur), ging es innenpolitisch um die "Beendigung der Revolution" bei Zufriedenstellung der bürgerlichen Mittelschicht. Dies gelang Napoleon auch für die nächsten Jahre, die von einem wirtschaftlichen Aufschwung begleitet waren (Verwaltungs-, Währungsreformen, Ehrenlegion 1802, Code Napoléon 1804). Außenpolitisch gelang (im Rahmen des Zweiten Koalitionskrieges gegen Österreich, Russland und Großbritannien 1799-1802) u.a. nach Napoleons Sieg bei Marengo (14. Juni 1800; Alpenüberquerung) die Sicherung der französischen Rheingrenze und Wiederherstellung der Cisalpinischen Republik in den Frieden von Lunéville (1801) und Amiens (1802). In einer Volksabstimmung sprachen sich die Franzosen für Napoleon als Ersten Konsul auf Lebenszeit aus (1802). III. Die (Selbst-) Krönung Napoleons zum "Kaiser der Franzosen" in der Pariser Kathedrale Notre Dame (1804; und etwas später zum König von Italien) hatte auch Rückwirkungen auf die internationalen Beziehungen, die in einem weiteren Krieg (Dritter Koalitionskrieg 1805 gegen Österreich, Russland und Großbritannien) kulminierten; hier gelang Napoleon - u.a. nach Siegen bei Elchingen und Ulm sowie der Einnahme Wiens - der Sieg in der "Dreikaiserschlacht" bei Austerlitz (2. Dezember 1805), der in den Frieden von Pressburg einmündete (1805). Zwar hatte die britische Flotte mit ihrem Sieg bei Trafalgar (21. Oktober 1805) die französischen und spanischen Seestreitkräfte ausgeschaltet, doch blieb die französische Hegemonie auf dem europäischen Kontinent nun unbestritten, was sich in der napoleonischen Neuordnung gerade auch Mitteleuropas niederschlug (Reichsdeputationshauptschluss 1803 als Vorlauf, durch Frankreich dominierter Rheinbund 1806, Ende des römisch-deutschen Reiches und österreichisches Kaisertum 1806, Großherzogtum Berg 1806, Königreich Westfalen 1807). Frankreich setzte sich somit auch im Krieg gegen Preußen und Russland (Vierter Koalitionskrieg 1806-1807) durch, u.a. in der Schlacht bei Jena und Auerstedt (14. Oktober 1806), der die Besetzung des Königreichs Preußen (Schlachten bei Preußisch Eylau und Friedland 1807) und der Frieden von Tilsit (1807) folgten. Napoleon befand sich damit auf dem Höhepunkt seiner politisch-militärischen Macht, ein auf die Gebiete östlich der Elbe beschränktes Preußen stellte keine unmittelbare Gefahr mehr da (Herzogtum Warschau 1807). Um den britischen Handel zu treffen, erließ Napoleon für Frankreich und die von Frankreich abhängigen (Satelliten-) Staaten die wirtschaftlich zweischneidige Maßnahme einer Kontinentalsperre (1806), die er außenpolitisch durchzusetzen suchte. Die (versuchte) französische Besetzung von Spanien und Portugal (1807; gemäß dem Vertrag von Fontainebleau) führte zu einem langwierigen Krieg auf der iberischen Halbinsel, der zunehmend französische Truppen band und Frankreich in der Defensive sah (1808-1814). IV. Die Friedensordnung von Tilsit (1807) - nochmals dokumentiert auf dem Erfurter Fürstentag (1808) - wurde in den folgenden Jahren immer wieder in Frage gestellt, während das napoleonische Herrschaftssystem innenpolitisch an Dynamik verlor (Aristokratisierung des Kaiserreichs, Personenkult um Napoleon, wirtschaftliche Probleme). Eine erste Krise der napoleonischen Ordnung in Europa schuf der Fünfte Koalitionskrieg gegen Österreich (und Großbritannien; 1809); Napoleon gelang es indes, die nach Bayern eingedrungenen österreichischen Truppen in den Schlachten von Abensberg und Eggmühl und in den Kämpfen um Regensburg aus Bayern abzudrängen und schließlich - nach der Besetzung Wiens und einer Niederlage bei Aspern (21./22. Mai 1809) - in den Schlachten bei Raab und Wagram (5./6. Juli 1809) Österreich zum Friedensschluss von Schönbrunn (1809) zu zwingen. Das österreichische Kaiserreich verlor in der Folge des Friedens seine Küstengebiete am Mittelmeer (Illyrische Provinzen Frankreichs); der österreichische Kaiser Franz I. (1792/1804-1835) willigte zudem in die Heirat seiner Tochter Marie-Louise mit Napoleon ein. Diese erfolgte nach der Scheidung Napoleons von Joséphine de Beauharnais im Jahr 1810; aus der Ehe ging der potentielle Thronfolger Napoleon II. (*1811-†1832) hervor. U.a. das Ausscheren Rußlands aus der Kontinentalsperre (1810/11) verschlechterte die Beziehungen zwischen Napoleon und Zar Alexander I. (1801-1825) zusehends, so dass sich der französische Kaiser zum lange vorbereiteten (1811/12) Russlandfeldzug entschloss. Dieser stand von Anfang an unter keinem guten Stern, stellten sich doch alsbald massive Versorgungsprobleme ein, unter deren Folge die Grande Armée litt. Der verlustreiche Sieg bei Borodino (7. September 1812) öffnete zwar den französischen Truppen den Weg nach Moskau, doch erwies sich die Besetzung Moskaus (1812) letztlich strategisch als Nachteil (Brand Moskaus), so dass der Rückzug von dort und der hereinbrechende Winter die vielfach dezimierte Grande Armée in eine militärische Katastrophe führte (Schlacht an der Beresina, 26.-28. November 1812), die sich durch den Abfall des mit Frankreich verbündeten Preußen (Konvention von Tauroggen 1812) und durch Unruhen in Frankreich noch verschärfte. Napoleon kehrte daher unverzüglich nach Frankreich zurück; hier gelang ihm die Aufstellung einer neuen Armee, mit der er im Sechsten Koalitionskrieg (gegen Großbritannien, Österreich, Preußen, Russland und Schweden 1813-1815) zunächst erfolgreich gegen preußische Truppen (Schlachten bei Großgörschen und Bautzen 1813) durchsetzte ("Befreiungskriege"), während die verbündeten Gegner Napoleons (Allianzverträge von Teplitz 1813) bei Auflösungserscheinungen im Rheinbund die französische Armee in der "Völkerschlacht bei Leipzig" (16.-19. Oktober 1813) besiegten. Dies bedeutete das Ende der Herrschaft Napoleons über Europa. Der Kaiser zog sich nach Frankreich zurück, das er noch eine Weile gegen die anrückenden alliierten Truppen verteidigte, bevor Schlacht und Einnahme von Paris (31. März 1814) Napoleon zur Abdankung zwangen (12. April 1814). Napoleon wurde die Herrschaft über die Mittelmeerinsel Elba zugestanden (1814/15); hier versuchte er, Elba seinen politischen und wirtschaftlichen Reformen zu unterwerfen. Doch war die Insel zu klein für seinen immer noch vorhandenen politischen Ehrgeiz, der auf Frankreich gerichtet war. So nutzte Napoleon die in Frankreich aufgekommene Unzufriedenheit mit dem von den Koalitionären eingesetzten Bourbonenherrscher Ludwig XVIII., um sich der "Herrschaft der hundert Tage" über Frankreich zu bemächtigen (März-Juni 1815). Indes verloren die von Napoleon geführten französischen Truppen die Schlacht bei Waterloo (18. Juni 1815), Napoleon dankte zum zweiten Mal ab (22. Juni 1815) und wurde auf die britische Insel St. Helena im Südatlantik verbannt. V. Die letzten Lebensjahre Napoleons auf St. Helena (1815/21) waren geprägt vom Schauspiel des "kaiserlichen Hofes" um Napoleon und dessen "Residenz", vom Versuch Napoleons, seine Memoiren zu verfassen, und nicht zuletzt von seiner weitgehend unbehandelten Erkrankung wohl an Magenkrebs, an der er am 5. Mai 1821 verstarb. Die Beerdigung des Leichnams erfolgte am 9. Mai auf St. Helena, die sterblichen Überreste Napoleons wurden im Jahr 1840 exhumiert und in den Pariser Invalidendom gebracht. Napoleon, dem bis heute in Frankreich Verehrung entgegengebracht wird, stand am Anfang des "langen" 19. Jahrhunderts mit dessen vielfältigen Entwicklungen in und außerhalb Europas.
Zu Napoleon s. die Biografien: Cronin, Vincent (1973), Napoleon. Eine Biographie, Gütersloh [1975], 576 S., Schwarzweißtafeln, DM N.N.; Müchler, Günter (2019), Napoleon. Revolutionär auf dem Kaiserthron (= Besondere Wissenschaftliche Reihe 2019), Darmstadt 2019, 623 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € ca.12,- sowie: Duffy, Christopher (1977), Die Schlacht bei Austerlitz. Napoleons größter Sieg (= Heyne Geschichte 30), München 1979, 243 S., Abbildungen, Karten, DM 2,-; Thamer, Hans-Ulrich (2013), Die Völkerschlacht bei Leipzig. Europas Kampf gegen Napoleon (= BSR 2774), München 2013 > T Thamer, Völkerschlacht. [Buhlmann, 03.2019, 07.2023]

Narducci, Emanuele (2012), Cicero. Eine Einführung (= RUB 18818), Stuttgart 2012 > C Cicero

Narr, Karl J. (1950), Die Neandertaler im Lichte neuerer Forschungen, in: Romerike Berge 1 (1950), S.49-56 > N Neandertaler

Narr, Karl J. (1961), Urgeschichte der Kultur (= KTA 213), Stuttgart 1961 > U Ur-, Vor-, Frühgeschichte

Narr, Karl J., Schulz-Weidner, Willy u.a. (Bearb.), Abriß der Vorgeschichte (= Oldenbourg Abriß der Weltgeschichte), München 1957 > V Vorgeschichte

NassAnn = Nassauische Annalen

Nation, Nationalismus: I. Nationalismus bezeichnet ein Ideensystem ("Weltbild") innerhalb der (europäischen) Moderne (19./21. Jahrhundert) zur Etablierung eines Solidarverbands, der Nation bzw. Nationalstaat genannt wird. Nation als Ausfluss von Nationalismus ist der souveräne Herrschaftsverband (Staat), der als gedacht-ideelle Ordnung legitimer politischer Herrschaft historische Traditionen wie Volk, Religion, Sprache, Kultur, Gesellschaft- oder Wirtschaftsordnung auf je eigene Weise sich einverleibt. II. Der Nationalismus als politisches Phänomen im Zusammenhang von Herrschaft und Herrschaftslegitimierung reicht in die frühe Neuzeit zurück und kann in den Zusammenhang mit der Abspaltung der Vereinigten Niederlande von Spanien (1579/81), der Englischen, Amerikanischen und Französischen Revolution (1642/79, 1776, 1789) gestellt werden. Mit diesen historischen Geschehnissen verbunden war die Konstituierung moderner Staatlichkeit (der nationalen "Pionierländer" als Vorbild) nach außen und innen, die Nation entstand in einem Prozess des nation-building, state-building durch Einbeziehung breiter Bevölkerungsschichten ("Massenmobilisierung", "Integrationsdoktrin") allerdings unter (revolutionärer) Gefährdung der bis dahin gültigen Gesellschafts- und politischen Ordnung (Transformation von Gesellschaft und Staatsorganisation). Fehlte bei der Nationenentstehung indes eine historische, vornationale staatliche Grundlage (Staat der [frühen] Neuzeit), so bildeten sich bei fehlender Staatstradition labile, wenig existenzfähige Staatsgebilde heraus. Im Falle der Revolutionen ersetzte der Nationalismus, der die neue Staatlichkeit speiste, die alten, feudalen Ordnungen aus der Vorrevolutionszeit. (Revolutionärer) Nationalismus konnte sich zur "politischen Religion" steigern (Rückgriff auf jüdisch-christliche Traditionen ["auserwähltes Volk", "gelobtes Land", "Vorsehung", Abstammungsmythos, Messianismus], Heroisierung der Gründungsepochen), wurde als "gedachte Ordnung" zur Zielutopie der "Erfindung der Nation", zu deren Rechtfertigung und Sinngebung, definierte mithin homogenisierend die Ethnie (Bevölkerung, "Volk") - aufbauend und zurückgreifend auf historische Traditionen (Ethnien mit Herkunft, als Erinnerungsgemeinschaft usw.) - als Nation und Staatsvolk ("imaginierte Gemeinschaft"). Träger des Nationalismus waren Personen, Gruppen und Gruppierungen aus allen Schichten einer Bevölkerung unabhängig von Religion und Konfession, entsprechend dem Auftreten des Nationalismus (Phase 1: Interessennationalismus in Hinblick auf "nationale" Sprache, Kunst, Literatur und Geschichte; Phase 2: Elitennationalismus von Intellektuellen und Bürgerlichen; Phase 3: Nationalismus als Massenbewegung auf Grund von weit verbreiteten "nationalen" Vorstellungen, Nationalbewegungen). Die Ausbreitung des Nationalismus gelang dabei - vor dem Hintergrund von Modernisierung (Buchdruck, Zeitungswesen) - auf Grund von "Kommunikationsverdichtung" und "Volkssprache", der Propagierung eines wie auch immer gearteten "nationalen Erbes" und der "nationalen Interessen", des Vorbilds des Elitennationalismus sowie von ausgrenzender "Binnenhomogenisierung" der Nation und deren Abgrenzung nach außen. Zu unterscheiden sind dann verschiedene Typen von Nationalismus: "integrierender" Nationalismus (Nation als schon bestehender Herrschaftsverband auf neuer Legitimationsbasis), "unifizierender" Nationalismus (Vereinigung von schon bestehenden Herrschaftsverbänden zu einer Nation), "sezessionistischer" Nationalismus (bei Abtrennung einer Nation von einem schon bestehenden Herrschaftsverband), "Transfernationalismus" (Übertragung des westlich-europäischen Nationalismus auf die Nationenentstehung in Außereuropa [Kolonien, Dekolonisierung]) (nach: Wehler, Nationalismus). III. Das Wort "Nationalstaat" setzt sich zunächst einmal formal betrachtet aus den Wörtern "Nation" und "Staat" zusammen. Das Wort "Staat" leitet sich dabel aus dem lateinlschen status ("Zustand, Verfassung") her und wird definiert als eine Herrschaftsordnung, durch die ein "Volk" auf einem abgegrenzten Gebiet durch hoheitlliche Gewalt zur Wahrung gemeinsamer Güter und Werte verbunden ist. Das Staatsvolk ist dabei die Gesamtheit der durch den Staat vereinigten Menschen. Der zweite Begriff "Nation" stammt ebenfalls aus dem Lateinischen, und zwar von nasci ("geboren werden"), aus dem das Wort natio ("Geburt, Geschlecht, Art, Stamm, Volk") resultlert. Im Mittelalter war "Nation" eine Bezeichnung für Stämme, wurde aber auch schon bei der Umschreibung führender abendländlischer Staaten (Deutschland, Frankreich, England) verwendet. Im 15. Jahrhundert wurde in den Konzilien nach nationes abgestimmt. Der Begriff "Nation" eniwickelte sich dann in zwei Richtungen: 1. Nation im Sinne von Staat oder Staatsvolk; 2. Nation im Sinne einer Menschengruppe, die eine einheitliche Kultur besitzt. Der Unterschied zwischen diesen Auffassungen ist gravierend; staatliche Macht baut jedoch nicht immer auf einer einheitlichen Kultur auf und umgekehrt; Beispiel hierfür ist das in mehrere Einzelstaaten zersplitterte Heilige Römische Reich Deutscher Nation der frühen Neuzeit, in dem die Bevölkerung von einer (politischen) Kultur geprägt war. Von Interesse erscheint bei einer Definition des Begriffs "Nationalstaat" allerdings nur die erste Defintion: Nation im Sinne von Staat oder Staatsvolk. Hier fallen die Bezeichnungen "Staat" und "Nation" zusammen. Diese Auffassung - im 18. Jahrhundert entstanden - ist eine europäische, wird so in England und Frankreich vertreten. Immerhin steckt dahinter ja die Idee des französischen Nationalstaats. Diese Auffassung ist weiter dadurch geprägt, dass bei einem Nationalstaat, wie ihn Frankreich darstellt, sich Staat und Nation in ihrem Äußeren decken; Staatsvolk ist die Nation. Dabei wird der Nationalstaat bedingt durch folgende notwendige bis hinreichende Faktoren: 1. Eine langdauernde äußere Lebensgemeinschaft, die nicht einheitlicher Abstammung zu seln braucht. Diese Lebensgemeinschaft wird z.B. geprägt durch eln gemeinsames Territorium, auf dem sie lebt; 2. Eine Sprachgemeinschaft, die nicht notwendig ist, da auch Staaten mit verschiedenen Sprachen existieren (Schweiz) oder verschiedene Staaten mit gleicher Sprache (USA - Großbritannien); 3. Gleichartigkeit des Denkens und Weltempfindens beim Staatsvolk; 4. Nationalbewusstsein. Auch bedingen slch Staat und Nation gegenseitig. Nicht nur, dass jede Nation nach einem ihr gemäßen staatlichen Rahmen strebt, auch die Existenz eines Staates wirkt (durch staatliche Direktiven) auf eine Volksgemeinschaft, die dadurch zu einer Nation werden kann. Der Nationalstaat kann kulturelle Minderheiten einschließen. Man ist allerdings im 19. und im 20. Jahrhundert vielfach von der Idee eines reinen Nationalstaats (ohne Minderheiten) ausgegangen. Dieses Prinzip konnte aber im internationalen Rahmen nur partiel1 angewendet werden, so im 20. Jahrhundert, wo z.B. in Südosteuropa "reine" Nationalstaaten wegen der siedlerischen Durchdringung der Völker nicht entstehen konnten. Außerdem muss bedacht werden, dass ein "reiner" Nationalstaat anfälliger ist für nationalistische und (kultur-) imperialistische Tendenzen. Die Ideologie des Nationalstaats kommt hier an seine Grenzen (Buhlmann). IV. Beispielhaft für Nationalismus und Nationalstaat sind dann: der amerikanische Nationalismus (18./19. Jahrhundert), der deutsche Nationalismus (19./20. Jahrhundert), der Transfernationalismus Außereuropas (18.-20. Jahrhundert: Südamerika, Asien, Afrika). Die Nationalstaaten der Moderne und die Ideologie des Nationalismus könnten dann einen Übergang darstellen zu dezentral-föderalistischen Herrschaftssystemen, die eingebunden sind in übernationale Organisationen, wobei die demokratische Verfasstheit der Staaten (Demokratie, Menschenrechte, Rechtssicherheit, Sicherheit, Wohlstand) eine wichtige Rolle spielt (nach: Wehler, Nationalismus).
Zu Nation und Nationalismus s.: Wehler, Hans-Ulrich (2001), Nationalismus. Geschichte, Formen, Folgen (= BSR 2169), München 2001, 122 S., € 4,-. [Buhlmann, 05.1980, 10.2017]

Naumann, Helmut (1967), Die Schenkung des Gutes Schluchsee an St. Blasien. Ein Beitrag zur Geschichte des Investiturstreites, in: DA 23 (1967), S.358-404 > S St. Blasien

NbergBeitrr = Niederbergische Beiträge

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Neandertaler: Der klassische Neandertaler - benannt nach dem im Jahre 1856 im Neandertal (östlich von Düsseldorf) aufgefundenen Skelett eines "Urmenschen" - gehört in die Zeit des Mittelpaläolithikums (ca.200000-ca.35000 vor heute). Der ca. 50000 Jahre alte Fund aus der (durch Kalksteinabbau heute nicht mehr existierenden) Kleinen Feldhofer Höhle oberhalb der Düssel ist typisch für die damaligen Bewohner (nicht nur) Mitteleuropas. Der lange niedrige Schädel des Neandertalers (großes Gehirnvolumen, Augenwülste, ausgeprägter Kiefer, fliehendes Kinn, große Zähne, breite Nase) entsprach dabei der kräftigen muskulösen Gedrungenheit und Robustheit des gesamten Körpers mit seiner Durchschnittsgröße von 1,60 m und einem Durchschnittsgewicht von 75 kg. Insofern waren die Neandertaler weniger der Kälte als dem Rhythmus der Jahreszeiten angepaßt, denn es ist zu beachten, dass sie auch während der Warmzeiten - u.a. im Eem-Interstadial - in Mitteleuropa lebten. Offensichtlich bevorzugte diese Menschenpopulation Lebensräume, in denen es ein Gleichgewicht zwischen Wald und Grasland gab, etwa die periglaziale Tundren- und Steppenlandschaft der letzten Eiszeit. Kräftezehrend und gefahrvoll wurden hier Mammut, Wollnashorn, Bison, Wildpferd und Rentier bejagt; (gefrorene) Tierkadaver erleichterten - zumal Vorratshaltung wohl unbekannt war - das Überleben im fünf bis sechs Monate dauernden Winter, ebenso die Kleidung und der Gebrauch des Feuers. Lokale (soziale) Neandertaler-Gruppen von (geschätzten) bis zu 150 Personen mussten also aufgrund des Jagens und Sammelns im hohen Maße mobil sein, ohne dass die Mobilität an die der wandernden Tierherden herangereicht hätte. Aus den Wanderungen erklärt sich die Streuung (nicht nur) der mittelpaläolithischen Funde, die in einigen Fällen aber auf länger oder wiederholt besuchte Plätze (Rastplätze, Plätze mit Rohmaterialvorkommen) hinweisen. Neben den Faustkeilen finden sich in der Levallois-Tradition des Moustérien - wie am Freilandplatz von Rheindahlen erkennbar - auch Spitzen, Schaber, Klingen und einseitige Messer aus Silex; die kurzen hölzernen Jagdlanzen der Neandertaler wurden zugespitzt oder mit Steinspitzen versehen. Die z.T. durchaus fortschrittlichen (ästhetischen?) und in der Entwicklung fortschreitenden Steinwerkzeuge sind die materielle Hinterlassenschaft der "Neandertaler-Kultur". Der Skelettfund in der Höhle des Düsseltals wirft aber darüber hinaus die Frage nach den geistigen Fähigkeiten und dem Verhalten der Neandertaler auf. Der Interpretation des Neandertalfundes als Bestattung und vielleicht als Ausdruck von religiösen Vorstellungen steht z.B. die These von der Leichenbeseitigung entgegen, die eher dem Verhalten dieser Menschenpopulation mit ihren Überlebensstrategien durch die Jahrtausende entsprechen würde. Zudem wäre eine Gesellschaft ohne eine artikulierte Sprache möglich, auch wenn es Hinweise auf die Sprachfähigkeit später Neandertaler zu geben scheint. So könnte das Verhalten der Neandertaler von dem moderner Menschen (homo sapiens sapiens) durchaus sehr verschieden gewesen sein. Ein kultureller Wandel vollzog sich vor 35000 bis 40000 Jahren, als (oder doch bevor?) der anatomisch moderne Homo sapiens sapiens (Cro-Magnon-Typ) die europäische Bühne betrat und die Neandertaler ausstarben. Wohl Verdrängung war die Ursache für das Verschwinden des Homo sapiens neanderthalensis. Vielleicht ein Ungleichgewicht in der Geburten- und Sterberate, vielleicht eine schlechtere Ressourcenausnutzung (trotz teilweiser Übernahme modernerer Techniken) ließen die Neandertaler rasch ins Hintertreffen geraten, und das bei einer Populationsgröße von maximal 2 Millionen Individuen im gesamten besiedelten westeurasiatischen Raum. Zu einer genetischen Vermischung zwischen Neandertalern und Neuankömmlingen ist es dabei wohl nicht gekommen, der Bevölkerungswechsel vollzog sich schnell; kein Neandertalerfund ist jünger als 30000 Jahre vor heute.
Vgl. Appleton, Tom (1999), Warum verschwanden die Neandertaler? Die Geschichte der Urmenschen (= Heyne Sb 584), München 1999, 239 S., Abbildungen, DM 16,90; Bosinski, Gerhard (1967), Der Neandertaler und seine Zeit (= Kunst und Altertum am Rhein, Nr.118), Bonn 1985, 74, 38 S., Abbildungen, DM 15,-; Narr, Karl J. (1950), Die Neandertaler im Lichte neuerer Forschungen, in: Romerike Berge 1 (1950), S.49-56; Schrenk, Friedemann, Müller, Stephanie (2005), Die Neandertaler (= BSR 2373), München 2005, 127 S., Schwarzweißabbildungen, € 7,90; Uslar, Rafael von (1956/57), Fuhlrott - Der Neandertaler - Tiere und Höhlen, in: Romerike Berge 6 (1956/57), S.145-158. [Buhlmann, 1986, 2001, 12.2005, 07.2019]

Neidhardt, Friedhelm (1967), Die Junge Generation. Jugend und Gesellschaft in der Bundesrepublik (= Beiträge zur Sozialkunde. Reihe B: Struktur und Wandel der Gesellschaft, Bd.6), Opladen 31970 > D Deutsche Geschichte, 1949-heute

Neininger, Falko (1994), Konrad von Urach (†1227). Zähringer, Zisterzienser, Kardinallegat (= Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte, NF, H.17), Paderborn 1994, 618 S., DM 58,-. Über das Geburtsjahr Konrads von Urach ist nichts bekannt; seine Eltern, Graf Egino IV. von Urach und die Zähringerin Agnes, hatten aber wohl vor dem Jahr 1181 geheiratet. Für Konrad war die geistliche Laufbahn vorgesehen, und so finden wir ihn, der einen Zähringernamen trug, wahrscheinlich vor 1189 als Domkanoniker an der Lütticher Kathedralkirche, wo Konrads Großonkel Rudolf, der Bruder des Zähringerherzogs Berthold IV., Bischof war (1167-1191). Die Domschule vermittelte dem Jungen eine solide Ausbildung, Konrad wurde 1199 nach seinem Eintritt in die Abtei Villers Zisterziensermönch, seit 1208 oder 1209 ist er im diesem Tochterkloster von Clairvaux als Abt nachweisbar. 1213 oder 1214 wechselte Konrad nach Clairvaux, wo er zum Klosterleiter gewählt worden war. Als Abt der Primarabtei mit den meisten Tochterklöstern, als Nachfolger des berühmten Bernhard von Clairvaux (*ca.1090-†1153), und noch mehr ab 1217 als Abt von Citêaux und oberster Repräsentant des Zisterzienserordens bestimmte er wesentlich Organisation und Politik dieser weit verzweigten, europäischen Mönchsgemeinschaft (Generalkapitel von 1217 und 1218; Frauenseelsorge, Zisterzienserinnen und Magdalenerinnenorden). Anfang 1219 wurde er nach erfolgreichen Verhandlungen zwischen Zisterzienserorden und Papsttum Kardinalbischof von Porto und Santa Rufina, eingesetzt und geweiht von Papst Honorius III. (1216-1227). 1219, 1223/24 und 1226/27 führte Konrad seine Amtsgeschäfte an der Kurie, dazwischen war der Kardinal als päpstlicher Legat in Frankreich (1220-1223; Albigenserkreuzzug, Klosterrefom) und Deutschland (1224-1226; Kreuzzugwerbung, kirchliche Konflikte). Gerade seine Legationstätigkeit in Deutschland macht das Netzwerk aus familiären, politischen und kirchlichen Beziehungen, in dem sich Konrad bewegte, deutlich. Der geografische Raum seiner Einflussnahme erstreckte sich dabei vom Niederrhein und Lothringen bis nach Südwestdeutschland, von Bayern bis nach Sachsen. Im Sommer 1224, um in Südwestdeutschland bzw. bei der Familienpolitik der Grafen von Urach zu bleiben, kam es zu einem Vertrag zwischen Kaiser Friedrich II. und der Straßburger Kirche u.a. wegen eines ehemals zähringischen Kirchenlehens in Offenburg; der Vertrag war dabei von Konrad vermittelt worden. Etwas später einigten sich, wahrscheinlich ebenfalls auf Vermittlung Konrads, König Heinrich (VII.) (1220-1235) und Graf Egino V. von Urach (†1236/37) wohl in Speyer hinsichtlich des Zähringererbes; der Vertrag wurde schließlich "aus Verehrung für den Kardinalbischof Konrad" von Kaiser Friedrich II. (1212-1250) am 8. Juli 1226 bestätigt und der wegen der Erbstreitigkeiten in Opposition stehende Egino in Gnaden aufgenommen. Am 8. Januar 1225 urkundete Kardinallegat Konrad in Schaffhausen für das Kloster Sankt Georgen im Schwarzwald, das im Jahr zuvor abgebrannt war, im Herbst 1225 war Konrads Vater Egino bei jenem in Sachsen, um notwendige Familienangelegenheiten zu besprechen. Bei den diversen Verhandlungen nicht nur in Deutschland half es schließlich Konrad, dass die Grafen von Urach über die Zähringerin Agnes weiträumig verwandt gewesen waren mit den zähringischen Seitenlinien der Markgrafen von Hachberg und der Herzöge von Teck, mit den Wittelsbachern, den Herzögen von Namur, dem Erzbischof Engelbert von Köln (1216-1225), den Grafen von Holland, Dagsburg und Geldern, mit den Staufern oder dem französischen König. Im Frühjahr 1226 war dann Konrads zweite Legation beendet, der Kardinalbischof kehrte nach Italien und Rom zurück, schaltete sich in die Verhandlungen mit dem lombardischen Städtebund ein (1226/27) und unterstützte die Kreuzzugsvorbereitungen des Kaisers, womöglich im Heiligen Land selbst, wo er vielleicht auch starb. Das Todesdatum Konrads von Urach war der 30. September 1227, seine Leiche wurde nach Clairvaux überführt, wie nicht zuletzt ein Schreiben von Konrads Bruder, Graf Egino V. von Urach und Freiburg, aus dem Jahr 1228 belegt. [Buhlmann, 02.2006]

Nell-Breuning, Oswald von, deutscher Priester, Jesuit, Theologe: Geboren am 8. März 1890 in Trier, absolvierte Oswald von Nell-Breuning Schule und Gymnasium in Trier (Abitur 1908), studierte u.a. Philosophie und Theologie u.a. in Innsbruck, Valkenburg und Münster (Promotion 1928), unterbrochen vom Eintritt in den Jesuitenorden (1911) und dortigen Noviziat sowie der Priesterweihe (1920). Nach seiner Promotion (Promotionsarbeit: "Grundzüge der Börsenmoral") wurde Nell-Breuning Professor an der neu gegründeten Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main, der er bis zu seinem Tod am 21. August 1991 in Forschung und Lehre verbunden blieb. Als "Nestor" der katholischen Soziallehre hob Nell-Breuning in seinen Forschungen immer wieder ab auf den Sozialstaat (Gleichwertigkeit von Kapital und Arbeit, Subsidiaritätsprinzip, Mitbestimmung) und fand darin Gehör in Wirtschaft und Politik der Bundesrepublik Deutschland. Vgl. Klein, Heribert (Hg.) (1989), Oswald von Nell-Breuning: Unbeugsam für den Menschen. Lebensbild, Begegnungen, ausgewählte Texte, Freiburg-Basel-Wien 1989, 192 S., DM 24,80. [Buhlmann, 11.2018]

Nemeth, Eduard, Fodorean, Florin (2015), Römische Militärgeschichte (= Geschichte kompakt), Darmstadt 2015, 134 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 12,95. I. Schon der königszeitliche Stadtstaat Rom (8.-6. Jahrhundert v.Chr.) verfügte über ein Heer, über das wenig bekannt ist. Vermutet wird die Existenz einer "Bürgerarmee", die sich aus den drei tribus ("Stämme") der Ramnes, Tities und Luceres rekrutierte (3 mal 10 centuriae ["Hundertschaften"] = 3000 Fußsoldaten, 300 equites ["Reiter"]). Unter den Königen Tarquinius Priscus und Servius Tullius (ca.550 v.Chr. und später) soll das Heer zahlenmäßig verdoppelt und durch Leichtbewaffnete (velites) ergänzt worden sein; der wahrscheinlich damals in Zensusklassen gegliederte populus Romanus (comitia centuriata) stellte je nach Vermögen die Soldaten, die als Hopliten (bewaffnet mit gladius, pilum, hasta, geschützt durch scutum, lorica) als iuniores in Schlachtreihe (Phalanx), als seniores verteidigend kämpften. Das Zensussystem löste damit eine ältere Einteilung der männlichen römischen Bevölkerung bei der Rekrutierung von Soldaten ab (classis clipeata, infra classem [capite censi]; legere = auslesen -> Legion). II. In der (frühen) römischen Republik wurde das königszeitliche System der "Bürgerarmee" beibehalten, die auf den Zenturien beruhende Volksversammlung wählte nun die republikanische Magistrate (magistratus), von denen die zwei Konsuln Kommandogewalt über das Heer hatten (magistratus cum imperio; Aufteilung des Bürgerheeres in zwei Legionen). Bis ins 3. Jahrhundert v.Chr. gelang es der Stadt Rom und den Römern, ganz Italien ihrer Herrschaft zu unterwerfen. Dies gelang durch eine Reihe unzähliger Kriege, die als bella iusta ("gerechte Kriege") jeweils rituell durch Kriegseröffnungszeremonien (bellicae ceremoniae [Kriegserklärung, Lanzenwurf, columna bellica, Lustration des Heeres, Auspizien) eingeleitet wurden und in denen die Legionen zunächst in Phalanx-, dann (wohl ab 3. Jahrhundert v.Chr.) in Manipularordung (manipulum; drei Treffen der hastati, principes, triarii [triplex acies]) eine entscheidende Bedeutung besaßen (daneben: Reiterei, Kriegsflotte [classis]). An Kriegen wurden (letztendlich erfolgreich) geführt: Eroberung Vejis (396 v.Chr.), "Gallierkatastrophe" (387 v.Chr.), 1. Samnitenkrieg (343-341 v.Chr.), 2. Samnitenkrieg (326-304 v.Chr.), Eroberung von Tarquinii (n.308 v.Chr.), 3. Samnitenkrieg (298-290 v.Chr.), Eroberung von Volsinii (280 v.Chr.), Krieg gegen Pyrrhus von Epirus (279-275 v.Chr.), Eroberung Tarents (272 v.Chr.), 1. Punischer Krieg (264-241 v.Chr.), 1. Illyrischer Krieg (229-228 v.Chr.), 2. Illyrischer Krieg (219 v.Chr.), 2. Punischer Krieg (218-201 v.Chr.), 1. Makedonischer Krieg (215-205 v.Chr.), 2. Makedonischer Krieg (200-197 v.Chr.), 3. Makedonischer Krieg (171-168 v.Chr.), 3. Punischer Krieg (149-146 v.Chr.), Zerstörung von Korinth und Eroberung Griechenlands (146 v.Chr.). Neben römischen Bürgern (aus Rom und den römischen Bürgerkolonien [coloniae]) kämpften noch die römischen Bundesgenossen (latinischen Rechts u.a.) (socii) auf römischer Seite. Die Eroberungen schufen ein weit über Italien hinausgehenden römischen Herrschaftsraum, der außerhalb der Apennienhalbinsel in Provinzen organisiert wurde. In der späten römischen Republik diente die römische Armee auch zunehmend als Machtmittel in den Bürgerkriegen zwischen Popularen und Optimaten; notwendige Militärreformen unter Tiberius und Gaius Gracchus (133, 123 v.Chr.; Militärgewalt der Promagistrate, Einbeziehung der besitzlosen Bürger) sowie unter Gaius Marius (Kohorteneinteilung der Legionen [cohors], triplex acies der Kohorten) machten aus der "Bürgerarmee" eine Berufsarmee, deren Soldaten (mit römischen Bürgerrecht) bei zunehmender Professionalisierung (Lager-, Straßen-, Brückenbau, Artillerie, Bewaffnung) nun über mehrere Jahre im Einsatz sein und eine enge Bindung (Besoldung, Beute) zu ihrem (magistratischen, promagistratischen) Feldherrn aufbauen konnten. Der Bundesgenossenkrieg (bellum sociale; 91-88 v.Chr.) weitete dann das römische Bürgerrecht auf ganz Italien aus, beseitigte aber nicht die politischen und militärischen Konflikte innerhalb der römischen Republik im letzten Jahrhundert ihres Bestehens (Marius-Sulla, Erstes Triumvirat, Caesar-Pompeius, Octavian-Marcus Antonius). An Bürger- und auswärtigen (Eroberungs-) Kriegen sind dabei aufzuführen: Kimbern- und Teutonenkrieg (113-101 v.Chr.), Krieg gegen Mithridates VI. von Pontus (88-85 v.Chr.), Spartakusaufstand (73-71 v.Chr.), Seeräuberbekämpfung (67 v.Chr.), Eroberung Syriens (64/63 v.Chr.), Eroberung Galliens (58-51 v.Chr.), Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius bzw. Pompeianern (49-45 v.Chr.), Bürgerkrieg gegen die Caesarmörder (43/42 v.Chr.), Bürgerkrieg zwischen Octavian und Marcus Antonius (31/30 v.Chr.). III. Die römische Prinzipatszeit begann mit der Demobilisierung eines beachtlichen Teils der in den römischen Bürgerkriegen benötigten Truppen durch Kaiser (Octavian-) Augustus (27 v.Chr.-14 n.Chr.). Augustus beschränkte die römische Militärmacht auf rund 300000 Soldaten (hältig [28] Legionen und Hilfstruppen), finzanziert durch das aerarium militare ("Militärkasse"); die Legionäre erhielten einen jährlichen Sold und nach 16, 25 bzw. 20 Dienstjahren bei ihrer Entlassung eine Abfindung. Trotz der Truppenreduzierung ging die Expansion des römischen Reiches weiter: Vereinnahme Galatiens (25 v.Chr.), Eroberung Lusitaniens (19 v.Chr.), Einbeziehung des Vor-/Alpenraums (16/15 v.Chr.), Eroberung Pannoniens (12 v.Chr.-6/9 n.Chr.), versuchte Eroberung Germaniens (12 v.Chr.-9/16 n.Chr.). Mit dem Ausklingen der augusteischen Expansion wurden die Legionen in den kaiserlichen Provinzen an (vermuteten) Einsatzbrennpunkten stationiert. Die Legionen der Prinzipatszeit hatten eine klare Kommando- (Befehlshaber [legatus Augusti, procurator Augusti, legatus Augusti legionis], höhere Offiziere [tribuni militum, tribunus laticlavius, tribuni angusticlavi, praefectus castrorum legionis], Unteroffiziere [principales], niedere Offiziere [centuriones, primus pilus], einfache Soldaten [singulares, equites, pedites]) und Organisationsstruktur (Zenturien, Kohorten, Vexillationen [zeitweise aus der Legion ausgegliederte Militäreinheiten]). Daneben gab es die Hilfstruppen (auxilia), gegliedert in die berittenen alae (Alen), in die aus Fußsoldaten bestehenden Kohorten (cohortes quingenariae, cohortes milliariae) und in die numeri ("ethnische" Militäreinheiten). Zum Schutz des Kaisers gab es die Prätorianergarde (cohortes praetoriae) unter dem Befehl des Prätorianerpräfekten, stationiert bei Rom (Castra Praetoria, 23 n.Chr.). Das ausgedehnte römische Straßensystem (als Transportsystem [Straßen, Brücken, cursus publicus]), die Legionslager (praetorium, principia, via principalis, via decumana, portae, Unterkünfte, Speicher, Ställe, Werkstätten, Thermen) und die Kastelle der Auxiliareinheiten mit den dazugehörigen Zivilsiedlungen (canabae, vici) bildeten das Rückgrat des römischen Miltärsystems, zu dessen Aufgaben neben offensiven militärischen Aktionen besonders Defensive und Grenzbewachung und -verteidigung gehörten (Limesanlagen [obergermanischer, rätischer Limes; Hadrianswall u.a.]). In der Prinzipatszeit ging die Ausdehnung des römischen Reiches (verhalten) weiter: Eroberung Britannien (43/84 n.Chr.), jüdischer Aufstand (66-73 n.Chr.), Vierkaiserjahr (68/69 n.Chr.), Agri decumates (ca.72/85/150 n.Chr.), Dakerkrieg (85-88 n.Chr.), Eroberung Dakiens (101-106 n.Chr.), zeitweise Besetzung Armeniens und Mesopotamiens (114-117 n.Chr.). IV. Die spätrömische Zeit sah das Imperium Romanum militärisch weitgehend in der Defensive. Gerade die Zeit der Soldatenkaiser (Erhebung von Kaisern durch das Heer, Usurpationen; 3. Jahrhundert n.Chr.) war geprägt von innerrömischen Auseinandersetzungen, durch die das Reich gegenüber auswärtigen Feinden (Germanen, Sassaniden, Rhein- und Donaugrenze, Ostgrenze) ins Hintertreffen geriet (Gallisches Sonderreich, Zwischenreich von Palmyra). Unter den Bedingungen der "Völkerwanderung" erfolgte so die Aufgabe der Agri decumates (n.260 n.Chr.) und Dakiens (271 n.Chr.). Die Armeereformen der Kaiser Diokletian (284-305) und Konstantin des Großen (306-337) brachten aber diesbezüglich eine Stabilisierung (Vergrößerung der Armee [400000/500000 Soldaten?], Grenztruppen [limitanei, tief gestaffelte Grenzverteidigung], comitatensische Truppen [Bewegungsheer], Vexillationen, logistische Neuorganisationen, Neuorganisation der Kommandostrukturen [Vergrößerung der Anzahl der Provinzen, Diözesen, Präfekturen; spätrömisches Ämtersystem]). In der Spätantike spielten "Barbaren" (foederati, laeti) im ([nur] teilweise christianisierten) römischen Heer zunehmend eine Rolle als einfache Soldaten oder Befehlshaber. Einschneidend waren der Niedergang römischer Macht (Schlacht bei Adrianopel 378 n.Chr.) und das Eindringen germanischer Stämme besonders ins weströmische Reich (Westgoten, Ostgoten, Vandalen, Burgunder, Alemannen, Franken; 5. Jahrhundert n.Chr.). Ein entstehendes germanisches Staatensystem beendete im weströmischen Reich die römische Staatlichkeit und damit auch das römische Militärsystem. [Buhlmann, 06.2018]

Nerdinger, Winfried (2018), Das Bauhaus. Werkstatt der Moderne (= BSR 2883), München 2018 > B Bauhaus

Nerdinger, Winfried (2023), Architektur in Deutschland im 20. Jahrhundert. Geschichte, Gesellschaft, Funktionen, München 2023, 816 S., Schwarzweißabbildungen, € 49,90. Betrachtet wird deutsche Architekturgeschichte zwischen 1890 und 1990, umfassend die Zeit des deutschen Kaiserreiches, der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus, der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland. Architektur wird hierbei in gesellschaftliche Zusammenhänge gestellt, die auf "Industrialisierung, Verstädterung und Urbanisierung" sowie "kapitalistische Wirtschaft, bürokratische Ordnung und technisch-wissenschaftliche Rationalisierung" der Moderne beruhen (Henry van de Velde und "Jugendstil" [1890]; August Schmarsow, Das Wesen der architektonischen Schöpfung [1894]; Otto Wagner, Moderne Architektur [1896]). Im deutschen Kaiserreich (1871-1918) erlebte die Bauwirtschaft als Bauindustrie - oder besser das Bauhandwerk - einen steilen Aufstieg, was (kommunale, staatliche) Aufträge (rechtlicher Rahmen, Grundstücksmarkt, Stadtplanung und Bebauungspläne), Beschäftigungszahlen, Ausbildung und berufliche Organisation (Handwerker, Architekten, Ingenieure) anbetraf. Gleichzeitig wandelte sich der Baubetrieb durch die Verwendung von Stahl und Stahlbeton (Eisenindustrie). Ausfluss der wirtschaftlichen Entwicklung beim Bauen waren sich auf die vermeintliche deutsche Vergangenheit beziehende kaiserliche und patriotische (Groß-) Projekte (Straßburger Kaiserpalast [1883/89], Goslarer Kaiserpfalz [1888/97], Berliner Dom [1894/1905], Kaiser-Friedrich-Museum [1898/1904], Posener Residenzschloss [1905/13], Metzer "Kaiserbahnhof" [1906/08]; Neoromanik als Kaiserstil) und Denkmäler (Hermannsdenkmal [1836/75], Kyffhäuser [1896], Leipziger Völkerschlachtsdenkmal [1898/1913]), das urban-bürgerlicbe Bauen in der Stadt (Reichstagsgebäude [1884/94], Münchner Justizpalast [1891/97], Düsseldorfer Regierungsgebäude [1907/11], Hallesches Museum für die deutsche Vorgeschichte [1912/18]) auch Hinblick auf Daseinsvorsorge, Stadthygiene, Infrastruktur und städtische Technik (Berliner Rudolf-Virchow-Krankenhaus [1899/1906], Hamburger Johanneum [1912/14]; Sanierung von Stadtvierteln, spekulativer Wohnungsbau, Kommunen, Wohnungsbaugenossenschaften; Großstadtkritik [Agrarromantik, künstlerischer Städtebau, Gartenstädte]), der Jugendstil (als Lebensreformbewegung) (Darmstädter Mathildenhöhe [1899/1914], Weimarer Großherzoglich-Sächsische Kunsthochschule [1904/11]; Maschinenästhetik und Deutscher Werkbund; Giengener Steiff-Fabrikhallen [1902/03], Mannheimer Kunsthalle [1905/07], Frankfurter Fest-/Ausstellungshalle [1906/09], Berliner AEG-Kleinmotorenwerk [1909/11], Alfelder Fagus-Schuhleistenfabrik [1911/12], Breslauer Jahrhunderthalle [1911/13], Kölner Glashaus des Deutschen Werkbundes [1914]), Denkmalpflege (auch im Rahmen der Bodenreform- und Heimatschutzbewegung) (Berliner Märkisches Museum [1896/1908], Münchner Hofbräuhaus [1897], Jenaer Universitätshauptgebäude [1903/08], Bad Tölzer Marienstift [1905], Alsfelder Rathaus [1911], Quedlinburger Schlosskirche, Bremer Dom, Meißener Dom [v.1914]), Kriegsarchitektur (Potsdamer Kriegsschule [1899/1902], Flensburger Marineschule [1907/10], Karlsruher Manzsche Waffen- und Munitionsfabrik [1915/18], Düsseldorfer Rheinmetall-Montagehalle [1917]; Normierung/Typisierung des Bauens). Die Zeit der Weimarer Republik (1919-1933) war bestimmt durch den verloren gegangenen Ersten Weltkrieg (1914-1918) und die Reparationszahlungen gemäß dem Versailler Friedensvertrag (1919), durch die von Finanzminister Matthias Erzberger initiierte Finanzreform (1920) bei Reichsschuldenverwaltung (Berliner Reichsschuldenverwaltung [1919/24]), durch (erweiterte) Maßnahmen zum Mieterschutz, Wohnungszwangswirtschaft und Hauszinssteuer (1919), durch Veränderungen im staatlichen Baurecht und in der Bauverwaltung (Reichsbauverwaltung [1923] als Reichsbaudirektion [1930]) sowie in der Architektenausbildung. Die Bauwirtschaft unterlag in dem 1920er-Jahren Rezessionen durch die Ruhrkrise (1923) und die Weltwirtschaftskrise (ab 1929). Nationale und internationale Entwicklungen wirkten auf die Architektur der Weimarer Republik ein wie neogotische "Reformphantasien" (Frankfurter Ehrenhalle der Farbwerke Hoechst [1920/24]), der Hochhausbau (Hamburger Chilehaus [1922/24]), der "expressive Aufbruch" (Potsdamer Einsteinturm [1920/22]), das Bauhaus (Stuttgarter Kaufhaus Schocken [1924/26]) als einander polarisierende Parallelentwicklungen (Tannenbergdenkmal [1924/27], Stuttgarter Weißenhofsiedlung [1925], Düsseldorfer GeSoLei [1926] mit Planetarium und Museumsbauten, Deutscher Pavillon der Barceloner Weltausstellung [1929], Halle-Leipziger Flughafenrestaurant [1929/31]; "Block" gegen "Ring"; Paul Schmitthenner, Das deutsche Haus [1932]). Institutionell (und reformpädagogisch) war das Bauen in der Weimarer Republik verankert im Genossenschaftsbauen (Berliner Hufeisensiedlung Britz [1925/31], Frankfurter Siedlung Römerstadt [1927/28]), beim Bauhaus Dessau, der ADBG-Bundesschule Bernau, dem Haus der Jugend Altona (Dessauer Gropiusbau [1925/26], Bernauer Bundesschule [1928/30], Hamburger "Haus der Jugend" [1928/30]). Die Rationalisierung (Amerikanismus, Fordismus) und neue Wohnformen führten damals auch zur "Neuen Bauwirtschaft" (Dessau-Törten, Frankfurt a.M.; Plattenbau, Frankfurter Küche), zu vom Reich finanzierten Versuchssiedlungen (Stuttgart-Weißenhof, Frankfurt-Westhausen [1929/32]), zu Existenzminimum-Wohnungen, aber auch - während der Weltwirtschaftskrise - zu Laubenkolonien bei Luxusvillen (Berliner Laubenkolonie Rehberge [1929], Hamburger Villa von Philipp F. Reemtsma [1930/32]). Auch Stadtumbau (Städtekritik und städtische Visionen, Funktionstrennung), Raum- und Landesplanung (Siedlungsverbände) spielten in der Weimarer Republik eine wichtige Rolle (Kölner Messehalle [1924/28], Frankfurter Großmarkthalle [1927/28], Leipziger Großmarkthalle [1927/29], Leipziger Siedlung Rundling [1929/30]). Im Nationalsozialismus (1933-1945) stand das Bauen unter nationalistischen und Kriegs-Vorzeichen (Gleichschaltung, Bauen für die Aufrüstung, Autarkie und Vierjahresplan, Rüstungsproduktion) hin zur "Gleichschaltung" zur "deutschen Baukunst" (gegen Internationalismus und "Baubolschewismus") (Stuttgarter Kochenhof-Siedlung [1933], Münchner "Haus der Deutschen Kunst" [1933/37], Berliner Ehrenhalle der Ausstellung "Deutsches Volk - Deutsche Arbeit" [1934], Deutsches Haus auf der Pariser Weltausstellung [1937]). Die Gleichschaltung spiegelte sich auch wider in der (Industrie-, Militär-) Architektur für den Krieg (Berlin-Gatower Luftkriegsakademie [1933/35], Berliner Reichsluftfahrtministerium [1934/35], Berliner "Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt" [1934/36], Augsburger Messerschmitt-Werke [1934/37], Finsterwalder Kjellberg-Elektrodenwerk [1936], Oranienburger Heinkel-Werke [1936/38], Flugmotorenwerk Ostmark in Wiener Neudorf [1941/42]), was im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) seine Fortsetzung fand (Konzentrationslager Auschwitz [1944], Bunkerfabrik im Mühldorfer Hart [1944]; Planen und Bauen im Krieg; Albert Speer, SS, Zwangsarbeit, KZs). Nationalsozialistische Allmachtsphantasien konkretisierten sich in gigantomanischen Bauprojekten (Münchner Königsplatz [1936], Berliner Reichskanzlei [1938], Nürnberger Reichsparteitagsgelände [1938], Rügener Kdf-Bad Prora [1938] und (städtebaulichen) Planungen (Reichshauptstadt Germania, Münchner Ost-West-Achse, Gauforen in Hamburg und Weimar, Umgestaltung von Linz). Die Konzepte nationalsozialistischer Raumordung waren Instrumente einer Neuordung nach rassistischen Merkmalen (Reichsstelle für Raumordnung, "Eindeutschung", "Reichsgau" Wartheland, "Westmark", "Generalplan Ost"). Die Nachkriegszeit (1945-1949) stand der Wiederaufbaus von im Krieg zerstörten Gebäuden und der Gebäudeneubau im Vordergrund, wobei unter den Verhältnissen der Verdrängung des Nationalsozialismus, einer neuen (politischen) "Moral" (Frankfurter Paulskirche [1946/48], Frankfurter Goethehaus [1949]), von Rationalität und Wiederaufbau-"Chance" der Wiederaufbau in den jeweiligen Besatzungszonen unterschiedlich betrieben wurde (Hamburger Grindelhochhäuser [1946/56], Münsterscher Prinzipalmarkt [1950]). In den zwei entstehenden deutschen Staaten Bundesrepublik Deutschland (BRD) und Deutsche Demokratische Republik (DDR) (1949-1990) entwickelten sich Architektur und Bauen unter den Prämissen von kapitalistisch-sozialer Marktwirtschaft und kommunistischer Planwirtschaft bei sich ausbildender "Systemkonkurrenz" unterschiedlich. Dies betraf die Architektenausbildung und deren Berufsstand genauso wie die jeweilige Bauwirtschaft im Ost-West-Konflikt und "Kalten Krieg" (nationale Bautradition [Schinkeltradition] als politisches Instrument der DDR: Berliner Stalinallee [1952/58, Turmbauten] versus USA als Vorbild für die BRD: Berliner George-C.-Marshall-Haus [1950]). In der BRD gab es Kontinuitäten, Traditionen und Brüche (Düsseldorfer Hanielgarage [1951/52], Düsseldorfer Rathaus [1952/56]; Darmstädter Gespräche [1951], Wiederaufbaukritik); in der DDR wurde zwischenzeitlich eine "Wende im Bauwesen" eingeleitet (1956; Tauwetterperiode), die allerdings in Planungen zur kommunistischen Bauwirtschaft und dirigistischen Plattenbau einmündeten. In der BRD stand das Bauwesen in Verbindung zur Ökonomisierung und Wohlstandsarchitektur (Stuttgarter Fernsehturm [1954/56], Essener Ruhrschnellweg [1954/62], Nürnberger Versandhaus Quelle [1954/67], Garchinger Forschungsatomreaktor [1956/57], Düsseldorfer Thyssen-Hochhaus [1957/60], Ruhruniversität Bochum [1962/74], Wallfahrtskirche Neviges [1963/68], Osterburkener Tagesheimgymnasium [1965/68]). Dem Wohnungsmangel ist West und Ost geschuldet waren monotone Großsiedlungen (Hoyerswerda-Neustadt [1957/75], Neustadt Schwedt [1960/75], Halle-Neustadt [ca.1975], Berlin-Marzahn [1977/89], Berlin-Nikolaiviertel [1980/87]), die Kritik an Moderne und Postmoderne (Fortschrittsoptimismus, sozialistische Egalität) hervorriefen (Denkmalschutz, Stadtreparatur) sowie am Städtebau der Nachkriegszeit in West und Ost (autoverkehrsgerechte, geschichtsferne, kommerzielle Stadt versus "gesunde" Stadt und "behutsame Stadterneuerung" [Berliner IBA, Neue Heimat], Bildzeichenarchitektur [Jenaer Fernrohr-Hochhaus 1960/62]). Der Wiederaufbau in den Städten führte allgemein zu Kontinuitäten und Brüchen in der Architekturentwicklung (Dürener St. Anna-Kirche [1951/56], Berliner Staatsoper [1952/55], Theater in Münster [1954/56], Münchner Alte Pinakothek [1952/57], Kölner Wallraf-Richartz-Museum [1955/58], Manchinger Friedenskirche [1957/58], Leineschloss in Hannover [1957/62], Bremer Bürgerschaftshaus [1963/66], Aachener Hühnermarkt [ca.1965]), während Mahn- und Gedenkstätten in BRD und DDR eine jeweils eigene Geschichte in Beschlag nahmen (Gedenkstätte Buchenwald [1958], Gedächtnisstätte Friedland [1967]). (Politische, kulturelle) Repräsentationsbauten im veränderten städtischen Umfeld entstanden in der DDR (Unterwellenborner Kulturhaus der Maxhütte [1952/55], Berliner Staatsratsgebäude [1962/64], Berliner Palast der Republik [1973/76]) und in der BRD (Bonner Bundeshaus [1949/52], Gelsenkirchener Musiktheater [1954/59], Lünener Gymnasium [1956/62], Berliner Philharmonie [1956/63], Wolfsburger Kulturzentrum [1958/61], Bonner Kanzlerbungalow [1963/64], Deutscher Pavillon auf der Montrealer Weltausstellung [1967], Münchner Olympiaanlage [1972], Neues Bundeshaus in Bonn [1976]). Durch die Wiedervereinigung von BRD und DDR erlebte die westdeutsche Bauwirtschaft bei einem wirtschaftlichen Ausverkauf der ehemaligen DDR einen enormen konjunkturellen Aufschwung. So standen für die "neue" BRD, die freilich auch in der Architektur alte Denkmustern (etwa in der Stadtplanung) verhaftet blieb, die repräsentative Umgestaltung der Hauptstadt Berlin (Leipziger Platz, Potsdamer Platz, Reichstagsgebäude als deutscher Bundestag) im Mittelpunkt, während andere Großprojekte wie die richtungsweisende IBA Emscher Park medial weniger Aufmerksamkeit erfuhren. In Architekturplanung und im Bauingenieurswesen hielten dabei in den 1990er-Jahren Computer und Digitalität Einzug. [Buhlmann, 12.2023]

Neresheim, Benediktinerkloster in Schwaben: Als Gründung der Dillinger Grafenfamilie entstand im Jahr 1095 in Neresheim (bei Aalen) unter päpstlichem Schutz (1095/99) ein Chorherrenstift, das 1106 in ein Benediktinerkloster umgewandelt wurde. Die Mön-che kamen damals aus Petershausen, 1119 aus Zwiefalten. Neben dem Männer- gab es einen Frauenkonvent, der bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts bestand. Das Kloster ist um diese Zeit in den Kämpfen zwischen der staufischen und päpstlichen Partei schwer in Mitleidenschaft gezogen wor-den. Bis 1258 hatten die Dillinger die Schirmvogtei über die Mönchsge-meinschaft inne, nach 1263 die Grafen von Öttingen. Dem Niedergang des Klosters im 14. und 15. Jahrhundert begegnete man ab 1481 mit der Kastler und Melker Reformbewegung. 1764 wurde die Abtei reichsunmittelbar, 1803 aufgehoben.
Zu Neresheim s.: Hecht, Konrad (1975), Zur romanischen Abteikirche des Klosters Neresheim, in SMGB 86 (1975), S.31-80; Irtenkauf, Wolfgang (1975), Neresheim und die Kirchen des Härtsfelds (Patrozinien und Altäre der alten Klosterkirche), in SMGB 86 (1975), S.81-92; Tüchle, Hermann (1975), Die Anfänge. Das Dillinger Hauskloster, in SMGB 86 (1975), S.13-30; Tüchle, Hermann (1975), Inneres Leben und Ordensreform, in SMGB 86 (1975), S.93-107. [Buhlmann, 11.2005, 03.2009]

Nerlich, Daniel (1996), Diplomatische Gesandtschaften zwischen Ost- und Westkaisern 756-1002 (= Geist und Werk der Zeiten, Bd.92), Bern 1999, 337 S., Schwarzweißabbildungen, Regententabelle, tabellarische Übersicht, € 9,09. Betrachtet wird als Diplomatiegeschichte das Gesandtschaftswesen zwischen byzantinischem und fränkisch-sächsischem Reich im frühen Mittelalter (7. Jahrhundert/756-1002) zwischen den fränkischen Königen und karolingisch-ottonischen Kaisern auf der einen und den oströmisch-byzantinischen Kaisern auf der anderen Seite. Nach der Eroberung des Langobardenreichs (773/74) und durch die Erlangung des Kaisertums (800) durch den Frankenkönig Karl den Großen (768-814) rückten Byzanz und Frankenreich zwangsläufig näher. Es ging mit der Erneuerung des westlichen Kaisertums um das Verhältnis zwischen West- und Ostkaiser, das (gescheiterte) Zusammengehen der Großmächte gegen Islam und arabische Expansion, die Rolle des karolingischen regnum Italicum (9. Jahrhundert). Es folgte das Kaisertum (962) des ostfränkischen Herrschers Ottos I. des Großen (936-972) und dessen Anerkennung durch Byzanz (Bischof Liudprand von Cremona als Gesandter in Byzanz, Heirat Kaiser Ottos II. [973-983] mit Theophanu) bei Etablierung der römischen Kaiseridee im Machtbereich der ostfränkisch-deutschen Könige gerade auch durch das Papsttum (Kaiserkrönung durch den Papst) (10. Jahrhundert). Die Politik der renovatio imperii Romani Kaiser Ottos III. (983-1002), das damalige enge politisch-theologische Zusammengehen von Kaiser und Papst wies die Richtung auf die miteinander konkurrierenden West- und Ostkaiser des hohen Mittelalters, auf das Auseinandertreten von westlichem und östlichem Christentum (11. Jahrhundert). Das Gesandtschaftswesen war geprägt durch eine Reihe von ihn flankierenden politisch-diplomatischen und gesellschaftlichen Faktoren. Als strukturelle Grundlagen können dabei gelten: das Konzept der "Familie der Könige" unter (ideeller) Führung des byzantinischen Kaisertums, das byzantinische Defensivkonzept der Verlagerung von Krieg auf Diplomatie und der Verschleppung von Verhandlungen, die zentrale Organisation des Gesandtschaftswesens in West (missi) und Ost (logothétes toû drómon), eine gewisse zunehmende Professionalisierung des Gesandtschaftswesens im Westen (Liudprand von Cremona als Repräsentant einer Familie von Diplomaten, Sprachkenntnisse, Schriftlichkeit [und Mündlichkeit]), die Immunität der Gesandten im Rahmen der Gastfreundschaft. Gesandte waren jeweils "Instrumente der Außenpolitik", was ihre Auswahl und (geistliche, weltliche) Person, ihren Rang (Bischöfe, Hofbeamte) und ihre Instruktionen anbetraf. Die Gesandten waren im Rahmen einer Gesandtschaft oder Gegengesandtschaft eingebunden in ein Empfangszeremoniell (byzantinischer Prägung [Zeremonienbuch Kaiser Konstantins VII., Magnaura-Empfänge]) mit der Übergabe von Geschenken (von Wert, Geschenk und Gegengeschenk), in die Verhandlungen (formelle, informelle Gespräche), in den Vertragsabschluss ("byzantinisches Verfahren"; Aachener Vertrag [812], Heirat zwischen Kaiser Otto II. und Theophnau [972]); byzantinischer Einfluss prägte auch das Gesandtschaftswesen im Westen. Parallel zu den den Gesandtschaften zwischen den West- und Ostkaisern lief im 8. bis 10. Jahrhundert die Diplomatie zwischen Papst und Patriarch von Konstantinopel ab (Pippinsche Schenkung [756], Konzil von Nikaia [787], Konzil von Konstantinopel [869/70], Photios-Patriarchat [877-886]). Im 11. Jahrhundert trat dann die Trennung zwischen West- und Ostkirche ein (1054); sie ist zu begreifen als Teil einer Entwicklung, in der auf die Begegegnung zwischen West- und Ostkaisertum im 9. und 10. Jahrhundert eine Abkehr der politischen Sphären von byzantinischem und Franken- bzw. Ostfrankenreich folgte. [Buhlmann, 07.2022]

Neruda, Pablo, chilenisch-südamerikanischer Schriftsteller: Ricardo Eliécer Neftalí Reyes Basoalto (*1904-†1973), der sich ab 1920 als Schriftsteller Pablo Neruda nannte, wuchs in der Pioniergesellschaft des chilenischen Grenzlands der Frontera auf, studierte in Santiago de Chile Französisch (1921/24, Studienabbruch 1924) und war als Honorarkonsul in diplomatischen Diensten Chiles in Südostasien (1927/32), Argentinien (1933) und Spanien (1934/37) tätig. Auch unter dem Eindruck des spanischen Bürgerkrieges (1936-1939) entwickelte sich Neruda zu einem antifaschistischen Schriftsteller, der u.a. die chilenische Volksfrontregierung politisch unterstützte. Als Konsul der spanischen Emigranten in Paris (1939; Rettung von 2000 emigrierten Spaniern [Passagierschiff Winnipeg]) und der chilenischen Regierung in Mexiko (1940/43) kam nun auch Lateinamerika zunehmend in das Blickfeld des politischen Schriftstellers, der dadurch zu einem der bedeutendsten lebenden Dichtern für Süd- und Mittelamerika wurde. Politisch in Chile verfolgt (1948/49), musste Neruda, damals chilenischer Senator (1945/48), aus dem Land fliehen und konnte erst 1952 wieder zurückkehren. In Chile und weltweit auch außerhalb dieses Landes entfaltete der Dichter weiterhin seine politischen und schriftstellerischen Aktivitäten (Wahlkampf in Chile 1958, 1964, 1970; zeitweise Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Kommunistischen Partie Chiles 1969; Salvador Allende; Auslandsreisen). Für sein dichterisches Werk erhielt Neruda vielfach Auszeichnungen (Stalinpreis 1953, Nobelpreis 1971, Ehrendoktorwürden), als Nobelpreisträger wurde er besonders in Chile gefeiert. Ab 1970 war Neruda zudem chilenischer Botschafter in Frankreich. Am 11. September 1973 wurde durch Putsch und Ermordung des Präsidenten Allende die Diktatur des Generals Auguste Pinochet in Chile errichtet, am 23. September starb der Dichter Neruda (durch Mord?) in Santiago de Chile; sein Haus wurde vom chilenischen Militär geplündert und zerstört, beim Begräbnis von Nerudas Leichnam manifestierte sich erstmals der Widerstand gegen die Diktatur.
Zu Pablo Neruda s.: Neruda, Pablo (1924/52), Liebesgedichte. Spanisch-deutsch (= dtv 11817), München 71998, 226 S., DM 14,90; Neruda, Pablo (1973), Ich bekenne, ich habe gelebt. Memoiren (= SL 220), Darmstadt-Neuwied 141987, 362 S., DM 16,80; Garscha, Karsten (Hg.) (1981), Der Dichter ist kein verlorener Stein. Über Pablo Neruda, Darmstadt-Neuwied 1981, 256 S., Schwarzweißfotos, DM 29,80 (mit den Beiträgen: Karsten Garscha, Pablo Nerudas Aufenthalte auf Erden; Alain Sicard, Pablo Neruda: ein dreieckiger Dichter; Antonio Melis, Pablo Neruda: eine streitbare und umstrittene Persönlichkeit der hispanoamerikanischen Dichtung; Federico Schopf, Pablo Nerudas Werk im Kontext der chilenischen Dichtung; Joaquín Marco, Pablo Neruda und Spanien (1927-1973); Hernán Loyola, Pablo Neruda und Lateinamerika. Zur Entstehung des "Großen Gesangs"; Yolanda Broyles, Die lateinamerikanische Literatur und Pablo Neruda im deutschen Sprachraum; Eduardo Galeano, Über die "Zwanzig Liebesgedichte" von Pablo Neruda; Julio Cortázar, Von einer Freundschaft; Enrique Lihn, Für eine Entmythologisierung von Pablo Neruda; Jorge Edwards, Meine Erinnerung an Pablo Neruda; Hernán Loyola, Die letzten Tage von Pablo Neruda). [Buhlmann, 05.2020]

Neu, Rainer (2021), Willibrord und die Christianisierung Europas im Frühmittelalter (= Urban Tb), Stuttgart 2021, 211 S., Farbabbildungen, Karten, € 23,20. I. Fränkisches Merowingerreich, Friesen und Sachsen bildeten mit ihren Herrschaftsräumen das Umfeld der angelsächsischen bzw. angelsächsich geprägten Heidenmission auf dem nordwesteuropäischen Festland vom 7. bis 9. Jahrhundert. Voraussetzung dafür war die im angelsächsischen Britannien vollzogene Christianisierung (irische Missionierung [Columban der Ältere, †597], römische Mission [Augustinus, †604], Übertritt König Edwins von Northumbrien [ca.584-633] zum Christentum, "Synode" von Whitby [664]) nach dem Ende der römischen Herrschaft (ca.400). Der Beginn der angelsächsischen Mission auf dem europäischen Festland ist untrennbar mit der Person des Northumbriers Wilfrid verbunden (*ca.634-†709/10), dem späteren Bischof von York. Ein Schüler des Wilfrid war der angelsächsische Mönch Willibrord (-Clemens) (*ca.658-†739), der spätere "Apostel der Niederlande". An (früh-) mittelalterlichen Geschichtsquellen beschäftigen sich mit Willibrord: Beda, Kirchengeschichte (v.735); Alkuin, Lebensbeschreibung Willibrords (v.804); Abt Thiofrid von Echternach, Lebensbeschreibung Willibrords (12. Jahrhundert, Anfang); Festkalender Willibrords (ca.700/20); (verfälschte) Urkunden aus der Frühzeit des Klosters Echternach einschließlich des "Testaments" Willibrords; Brief des Winfrid-Bonifatius an Papst Stephan II. (753). II. Willibrord, geboren im bzw. um das Jahr 658 im südlichen Northumbrien (Deira) - der Vater Wilgis wurde später Einsiedler -, wurde als Kind dem Kloster Ripon übergeben, wo er an der Klosterschule eine geistliche Ausbildung durchlief und schließlich die Mönchsweihe empfing. 678 begab sich Willibrod nach Irland; hier lernte er das (strengere [Bußbücher, Askese]) irische Mönchtum kennen, als er für zwölf Jahre im Kloster Rath Melsigi lebte (weitere Ausbildung, Priesterweihe, Missionsabsichten Egberts von Iona [*639-†729]). Dem "Radikalismus irischen Mönchtums" folgend (peregrinatio als Wandermönchtum), reiste Willibrord im Jahr 690 mit elf Begleitern nach Friesland und begann im fränkischen Umfeld mit der Bekehrung der Heiden. Gestützt auf den fränkischen princeps und Hausmeier Pippin (687-714), konnte Willibrord zunächst in der fränkisch beherrschten Fresia citerior, dem diesseitigen Friesland bis zum Lek und südlich davon zwischen Maas und Schelde, missionieren. Ein zweiter Friesenfeldzug Pippins im Jahr 695 gegen den Friesenherzog/-könig Radbod (679-719) gipfelte in der Schlacht bei Dorestad. Von nun an war Friesland wahrscheinlich bis zur Vlie fränkisch. Nun war auch der Weg für Willibrord frei. Im November 695 hielt sich der Missionar zum zweiten Mal (nach 692) in Rom auf und wurde dort von Papst Sergius I. (687-701) zum (Erz-) Bischof in gentem Frisonem geweiht - gemäß dem römisch-universalmissionarischen Ansatz einer Bekehrung des gesamten friesischen Volks. Der (Metropolitan-) Bischofssitz der solcherart begründeten, der römischen Kirche unterstellten friesischen Kirchenprovinz war zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon und sicher im Einvernehmen mit Pippin als Utrecht bestimmt. Auf jeden Fall hat Willibrord kurz nach 695/96 den Ort als Zentrum der neuen friesischen Kirchenorganisation zugewiesen bekommen. Von hier aus entwickelten sich die kirchlichen Strukturen und das Christentum weiter unter dem Schutz der fränkischen Herrschaft und unter Einbeziehung der gesellschaftlichen Eliten Frieslands. Die Person des Willibrord ist aber auch untrennbar mit dem Kloster Echternach verbunden, das er gründete (Echternacher Skriptorium). Eine Unterstützerin Willibrords war Irmina (von Oeren?), die 697/98 dem Friesenmissionar (wenig umfangreichen) Besitz in Echternach übergab. Es sind weitere Schenkungen (Güter, Weihegerät) an das Kloster des angelsächsischen Missionars bezeugt. 704/06 übertrug Willibrord das Kloster angeblich dem Schutz und der Herrschaft des Hausmeiers Pippin und dessen Nachkommen. Und gleichsam als Gegenleistung bestätigten Pippin und dessen Ehefrau Plektrud 706 Willibrord als geistlichen Vorsteher Echternachs und den Mönchen die freie Abtswahl. Weiter schenkten die beiden dem Kloster umfangreiche Güter in Echternach. Willibrord ging es dabei um die Existenz(sicherung) und Unabhängigkeit seines Klosters (vom Bischof), Pippin um die weitere Einbeziehung des Missionars in die karolingische Politik und um die Schaffung einer Machtposition im Trierer Land. Von nun an war Echternach jedenfalls ein karolingisches Eigenkloster mit Willibrord bzw. Verwandten Willibrords als Vorstehern der Mönchsgemeinschaft. Während Willibrords angebliche Missionstätigkeit im heidnischen Dänemark und auf der Insel Fositesland in Reich der Legende verwiesen werden kann, war der Missionar - unterstützt durch Herzog Heden II. (†717/19) - zeitweise in Mainfranken und Thüringen tätig, während auf Willibrord zurückgehende Missionserfolge entlang des linken Niederrheins zumindest denkbar sind. Die Mission Willibrords in Friesland wurde indes durch den Tod Pippins im Jahr 714 jäh unterbrochen. Damals gelang es Radbod, unter Ausnutzung der innerfränkischen Wirren große Teile des fränkisch beherrschten Frieslands zurückzuerobern. Erst als sich Karl Martell (714-741) als Hausmeier und princeps im Frankenreich durchsetzen konnte, glückte die Wiedereroberung der verloren gegangenen Gebiete im Feldzug von 722, dem 733 und 734 weitere Feldzüge und die Ausdehnung der fränkischen Herrschaft bis hin zur Lauwers folgten. Die Möglichkeiten zur Missionierung waren also wieder gegeben, Mission und Christianisierung konnten nach den Jahren der Unterbrechung durch Willibrord und durch seine Helfer wiederaufgenommen werden. Willibrord verbrachte indes immer mehr Zeit in seinem Kloster Echternach, dem er umfangreichen Besitz - in Friesland, Thüringen und anderswo - zuwies. Zudem gab es Reibungen mit einem weiteren angelsächsischen Missionar, mit Winfrid-Bonifatius (*673-†754/55), der sich ein eigenes Missionsfeld u.a. in Hessen schuf. Willibrord verstarb in seinem Kloster Echternach in der Nacht vom 6. zum 7. November 739. Im Chorraum der Klosterkirche wurde der Missionar - gemäß seinem "Testament" von 726 - begraben und alsbald in Echternach als Heiliger verehrt. [Buhlmann, 08.2021]

Neubert, Friedrich Paul Harald (1977), Die deutsche Politik im Palästina-Konflikt 1937 und 1938, Diss. Bonn 1977 > P Palästina, 1933-1939

Neubert, Otto (1977), Tut-ench-Amun. Gott in goldenen Särgen (= Bastei-Lübbe Tb 64004), Bergisch Gladbach 1977 > T Tutanchamun

Neudingen, Ort auf der Baar: I. Neudingen reicht - wie auch der Ortsname Nidinga (870) vermuten lässt - in alemannische Zeit zurück; eine alemannzeitliche Ansiedlung muss an der bedeutenden, vom Oberrhein nach Rätien führenden Römerstraße gelegen haben. In die Alemannenzeit kann folglich ein (wohl 450 bis 500 Bestattungen umfassender) Reihengräberfriedhof des 6./7. Jahrhunderts unmittelbar südlich von Neudingen gestellt werden (Gewann "Löbern" [<- hlêo für "Grab/Grabhügel"]); die Gräber wiesen reiche Beigaben auf (Fibeln, Runenfibel, Webstuhl mit Runenritzungen, Pferdegeschirr in einem Holzkammergrab [Kriegergrab], Münzen, Kreuzanhänger). II. Im Zuge der Christianisierung Alemanniens kam der Alemannenfriedhof von Neudingen zu seinem Ende. In der Karolingerzeit scheint Neudingen sporadisch auf: als Ausstellungsort frühmittelalterlicher Urkunden (870, 950), als Vorort einer Grafschaft als königlicher Herrschaftsbezirk (881; comitatus Nidinga), als karolingischer Königshof (curtis, Pfalz?), wo Kaiser Karl III. (876-888) am 13. Januar 888 verstarb. Urkundlich zum Jahr 950 wird Besitz des Klosters Reichenau in Neudingen erkennbar. Im 12. Jahrhundert sind Herren von Neudingen als Ministeriale der Zähringerherzöge bezeugt. Von den Zähringern kam Neudingen an die Grafen von Fürstenberg, die im Spätmittelalter u.a. über das Kirchenpatronat (Neudinger Pfarrkirche 1274) verfügten. III. Das Frauenkloster Maria Auf Hof, vielleicht 1274 in Neudingen gegründet, vielleicht schon Jahrzehnte vorher (ca.1200?, v.1244?) an anderer Stelle (Allmendshofen?) entstanden, war seit 1287 ein adliger Dominikanerinnenkonvent, der alsbald über eine Vielzahl von Gütern und Rechten in und um Neudingen verfügte. Gefördert wurde die Kommunität auch weiterhin von den Grafen von Fürstenberg. Letztere besaßen in Neudingen umfangreichen Besitz und grundherrschaftliche Rechte; aus der Frauengemeinschaft wurde ein fürstenbergisches Hauskloster, in dem sich seit Heinrich II. (†1337) die Fürstenberger bestatten ließen (fürstenbergische Grablege als "Erbbegräbnis"). Nach einer wechselvollen Geschichte (1413 Brand und Wiederaufbau; 1584 Zisterzienserinnenkloster Maria Auf Hof, Inkorporation nach Friedenweiler) wurde das Kloster 1803 säkularisiert. IV. Neben dem Kloster gab es in Spätmittelalter und früher Neuzeit das Dorf Neudingen mit der Pfarrkirche St. Andreas; Besitz der Fürstenberger war vorhanden und ist es heute noch (Gruftkapelle 1856). Seit 1975 ist Neudingen Ortsteil der Stadt Donaueschingen.
Zu Neudingen s.: Brendle, Tobias (2008), Die Alamannen von Neudingen. Ein Gräberfeld liefert Einblicke in die Welt des frühen Mittelalters, in: Almanach 2008 (2008), S.94-98; Buhlmann, Michael (2013), Die Klöster St. Gallen und Reichenau, das Königtum, die Baar und Neudingen im frühen Mittelalter (= VA 68), Essen 2013, 72 S., € 5,-; Schlecht, Cornelia (2008), Neudingen - an der jungen Donau. 700 Einwohner, drei Kirchen - eine lebendige Dorfgemeinschaft mit großer Geschichte, in: Almanach 2008 (2008), S.28-37. [Buhlmann, 12.2013, 12.2018]

Der Neue ADAC Weltatlas. Jubiläumsausgabe, München 2007 > A Atlas, geografischer Atlas

Der Neue Fischer Weltalmanach > W Weltgeografie

Neue Fischer Weltgeschichte ist nicht nur eine durch die fortschreitende historische Forschung bedingte Aktualisierung der Fischer Weltgeschichte, sondern möchte einer in der Geschichtswissenschaft neu verstandenen Globalgeschichte Rechnung tragen. Bisher ist u.a. erschienen: NFW 12: Schulte Nordholt, Henk (2018), Südostasien, Frankfurt a.M. 2018 > S Schulte Nordholt Südostasien. [Bötefür, Buhlmann, 10.2023]

Neuer Großer Weltatlas, München 2004 > A Atlas, geografischer Atlas

Neuer Großer Weltatlas (für Heim, Unterricht und Reise), hg. v. H.-R. Fischer (1960), Heidelberg-München 1960 > A Atlas, geografischer Atlas

Neues Universal-Lexikon A bis Z, hg. v. Werner Schulte (1998), Köln-Eltville 1998 > L Lexika, Enzyklopädien

Neugebauer, Anton, Kremb, Klaus, Keddigkeit, Jürgen (Hg.) (2010), Richard von Cornwall. Römisch-deutsches Königtum in nachstaufischer Zeit (= BPfG 25 = Veröffentlichungen der Pfälzischen Geschichte zur Förderung der Wissenschaften, Bd.109), Kaiserslautern 2010 > R Richard von Cornwall

Neuheuser, Hanns Peter, St. Peter und Paul in Ratingen (= Rheinische Kunststätten. Allgemeine Reihe, H.85), Köln 21983 > R Ratingen

Neuheuser, Hanns Peter (Hg.) (1999), Die Handschriften des Propsteiarchivs Kempen. Interdisziplinäre Beiträge, Köln-Weimar-Wien 1999, 391 S., € 8,60, bietet interdisziplinäre Zugänge zu überlieferten Handschriften und Handschriftenfragmenten des 11. bis 19. Jahrhunderts aus dem Propsteiarchiv der niederrheinischen Pfarrei Kempen (Pfarrarchiv St. Mariae Geburt) (Hanns Peter Neuheuser, Einleitung; Hanns Peter Neuheuser, Kurzverzeichnis der Handschriftensammlung im Propsteiarchiv Kempen). Zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Köln gefertigte Einbände zu Kempener Büchern enthielten als Makulatur ein lateinisches Lektionarfragment (H 46) aus der Zeit nach 1050 betreffend Perikopen der Woche nach Ostern (vollständige Osteroktav mit achttägiger Osterfeier) (Hanns Peter Neuheuser, Ein Lektionarfragment aus salischer Zeit mit Perikopen der Osterwoche im Propsteiarchiv Kempen), weiter das zerschnittene Fragment (H 45) eines um 1100 zu datierenden Vollmissales mit Antiphonen und Neumen (Nikolaus Nonn, Das Fragment eines hochmittelalterlichen Missales mit Neumen im Propsteiarchiv Kempen. Rekonstruktion des Textes und einige musikwissenschaftliche Anmerkungen; Jürgen Holzapfel, Hanns Peter Neuheuser, Kriminaltechnik im Dienst der historischen Handschriftenforschung. Computergestützte Untersuchungen eines Neumenfragments durch Einsatz elektromagnetischer Wellen im nichtsichtbaren Spektralbereich), schließlich ein Fragment (AB-H 10) mit einem bisher unbekannten medizinisch-gynäkologischen Traktat über Anzeichen für einen toten Fötus im Mutterleib sowie mit kosmetischen Rezepten wohl aus der Mitte des 13. Jahrhunderts (Konrad Gochl, Johannes Gottfried Mayer, Gundolf Keil, Ein gynäkologisch-kosmetisches Fragment aus der Mitte des 13. Jahrhunderts im Propsteiarchiv Kempen als Gegenstand der medizinhistorischen Forschung). Weitere Einbandfragmente sind ein wohl in Beziehung zum Niederrhein stehendes Fragment (H 47) der Rezension I2 des hochmittelalterlichen Alexanderromans (Geschichte um Alexander den Großen, die Königswitwe Kandakis und deren Söhne) vom letzten Viertel des 13. Jahrhunderts (Wolfgang Kirsch, Ein Fragment der Historia de proeliis Alexandri Magni, Rezension I2, vom Ende des 13. Jahrhunderts im Propsteiarchiv Kempen - eine philologische Untersuchung; Wolfgang Oeser, Versuch einer paläographischen Einordnung des Kempener Alexanderroman-Fragmentes vom Ende des 13. Jahrhunderts) sowie ein in die 1. Hälfte des 14. Jahrhundert zu datierendes Fragment (H 57) aus Versen der im Spätmittelalter weit verbreiteten Versgrammatik des Eberhard von Béthune (†1212) mit deutschen Rand- und Interlinearglossen (Heinz Heinrich Stiene, Ein unbekanntes Fragment der Versgrammatik 'Grecismus' des Eberhard von Béthune aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts im Propsteiarchiv zu Kempen). Mit der Datierung eines Kalendariums, das Grundlage für das älteste Kempener Memorienbuch (H 4) war, auf die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts befasst sich Hans Budde, Das Kalendarium im ältesten Memorienbuch des Propsteiarchivs Kempen. Das Fragment (AA 11) des lateinisch(-deutsch)en Wörterbuchs "Vocabularius ex quo" aus dem 15. Jahrhundert enthält 1451 lateinische und 501 deutsche Wörter, zum großen Teil abgekürzt; der Schreiber des Fragments war vielleicht ein Mönch aus Mönchengladbach, der für die Seelsorge in Kempen zuständig war (Pfarrrechte des Gladbacher Klosters in Kempen) (Thomas Frenz, Das Fragment des 'Vocabularius ex quo' der Zeit um 1410 im Propsteiarchiv zu Kempen - eine paläographische Studie). Hanns Peter Neuheuser, Penwerk und Text in einem spätmittelalterlichen Missale Coloniense aus dem IJsselstreek. Buchkundliche, liturgiegeschichtliche und kunsthistorische Ansätze zu seiner Datierung und Lokalisierung verortet den spätmittelalterlichen Kempener Kodex H 1, ein Vollmissale u.a. mit Kalendar und Proprium, auf Grund von Penwerk (spezieller niederländischer Fleuronée-Stil bei Initialen und an den Rändern der Buchstabenfelder) und ortsgeschichtlichen Hinweisen auf die Zeit um 1460 und damit in die Phase von umfangreichen Baumaßnahmen an der Kempener Marienkirche (1440/72). Die Annales Franciscanorum Kempensium sind eine Kempener Franziskanerchronik (H 27) (des Adam Bürvenich?) aus der Zeit um 1650 über Kempen (Thomas von Kempen), die Franziskaner in Kempen (Tertiarierinnenkloster von 1421, Bilder von Ordensheiligen, Pater Johannes Brugmann) und der Gründung des Kempener Franziskanerklosters (1624 Gründung, 1632 erzbischöfliche Bestätigung, [1640 Weihe]) (Reimund Haas, "Ordinis nostri Seraphici in civitatem Kempensem mirabilis introductis ..." - Die Kempener Franziskanerchronik der Jahre 1624-1632 aus ordensgeschichtlicher Perspektive). Die um 1110/20 von dem Brauweiler Mönch Konrad auf Latein niedergeschriebene Lebensbeschreibung des (Gladbacher und) Brauweiler Abtes Wolfhelm (1065-1091), die Vita Wolfhelmi, ist nur aus der frühen Neuzeit überliefert in drei Redaktionen (1: kürzere Fassung des Laurentius Spurius von 1571, 2: längere Fassung im Chronicon Brunwylrense bis 1525, 3: längere Fassung des Gladbacher Abtes Petrus Knor (1703-1725) von 1717; Redaktion 3 abhängig von den Redaktionen 1 und 2); überliefert ist die Vita Wolfhelmi u.a. in einer Kempener Handschrift (H 31) von 1719 (Stiene, Heinz Erich, Die Überlieferung der 'Vita Wolfhelmi' des Konrad von Brauweiler im 'Liber de fundatione et abbatibus' des Gladbacher Abtes Petrus Knor von 1717). Darüber hinaus finden sich in einer Kempener Sammelhandschrift (H 33) deutsche Predigten der Aufklärung des Kölner Pfarrers Wilhelm Barion (*1739-†1816) (Albert Damblon, Drei österliche Predigten der Aufklärungszeit in einem Predigtband des Kempener Propsteiarchivs. Eine materialhomiletische Untersuchung), in einem Aktenstück (AA 42) handschriflich verfasste Rechenaufgaben zur Bruchrechnung, die in Beziehung stehen zu den Elementarlehrern Daniel Schürmann (*1752-†1838) und Bernhard Overberg (*1754-†1826) (Siegbert Schmidt, Mathematikdidaktische Untersuchungen zu einigen handschriftlichen Aufzeichnungen von Rechenaufgaben in einem Aktenstück aus dem Propsteiarchiv Kempen), sowie zu einem Evangelistar (H 3) und einem Lektionar (H 2) von 1512 neuzeitliche Samteinbände (Gudrun Sporbeck, Zwei textile Bucheinbände der Barockzeit und des Historismus im Propsteiarchiv Kempen). [Buhlmann, 10.2011]

Neuheuser, Hanns Peter (2016), Zwei Porträts des Kölner Generalvikars Martin von Oed (um 1465-1536). Eine Miniaturmalerei und ein Gemälde des Bartholomäus Bruyn, in: AHVN 219 (2016), S.117-136. I. Martin von Oed (*ca.1465-†1536) war der Sohn des Chirurgen Heinrich von Oed, studierte in Köln bis zum doctor decretorum (1507) und war 1508/09 Rektor der Universität. Parallel dazu verfolgte Oed eine geistliche Karriere, die ihn zum Fischelner Personotar (ca.1495), Vizekanzler und Offizial des Kölner Erzbischofs (1507 bzw. 1508) und zum Mitglied im Kölner Domkapitel (1509) machte. Zeitweise Kölner Generalvikar (1519-1524) und Propst des Arnhemer Wlaburgisstifts, zog sich Oed, der mit Reformkatholiken und Humanisten am Niederrhein Kontakt hatte, vor den Wirren der Reformation nach Kempen zurück, wo er 1536 verstarb (Schenkung von Messlektionar und Evangelistar an die Kempener Marienkirche 1512, Schenkung eines Psalters an die Kranenburger Stiftskirche 1514, Haus "Nievenheim" in Kempen 1524). II. Das an die Kempener Kirche verschenkte Lektionar enthält nun als Miniatur ein Porträt des Stifters Oed, flankiert von Symbolen des heiligen Martin als Namenspatron Oeds. Weiter hat sich ein Ölgemalde des Malers Bartholomäus Bruyn des Älteren erhalten, ein Brustbild des Kirchenmannes, angefertigt in den 1530er-Jahren. Stifterminiatur und Ölgemälde vermitteln dann etwas vom christlich-religiösen Selbstverständnis des Martin von Oed. [Buhlmann, 05.2017]

Neumahr, Uwe (2021), Die exzentrische Lebensgeschichte des Künstlers und Verbrechers Benvenuto Cellini (= wbg Edition), Darmstadt 2021, Schwarzweißabbildungen, 319 S., ca. € 10,-. Benvenuto Cellini, geboren am 3. November 1500 in Florenz, gestorben am 13. Februar 1571 ebendort, war ein begnadeter Renaissance-Künstler, aber auch ein gewalttätiger, geltungssüchtiger Narzisst. Ein guter Musiker (pifero), doch weniger an der Musik als an der bildenden Kunst interessiert, lernte er - teilweise gegen den Willen des Vaters Giovanni Cellini - sein Handwerk bei bedeutenden Künstlern in Florenz, Siena und Lucca. Unter dem Medici-Papst Clemens VII. (1523-1534) hielt er sich zeitweise in Rom auf, wo er beim Sacco di Roma die Engelsburg mitverteidigte (1527) und eine eigene Werkstatt als Goldschmied betrieb. Cellini stand u.a. als päpstlicher Münzmeister (Münzen, Medaillen) in der Gunst des Papstes, so dass die Ermordung des Mörders seines Bruders Francesco keine Folgen für ihn hatte. Immer wieder geriet er aber durch seine Gewalttätigkeiten und durch seine auch homosexuellen Praktiken mit Gesetz und Gerichtsbarkeit in Konflikt (Schlägereien, Sodomievorwürfe usw.). Auch die Ermordung Pompeo de Capianeis durch Cellini wurde von Papst Paul III. Farnese (1534-1549) gedeckt; die Familie Pompeos stellte ihm indes nach, Cellini erkarnkte schwer, um nach seiner unvermuteten Genesung eine erste, wenn auch erfolglose Reise nach Frankreich anzutreten (1535). Nach Rom zurückgekehrt, wurde er wegen angeblicher Verungtreuung von dem Papst gehörenden Edelsteinen in der Engelsburg gefangen gesetzt (Fluchtversuch, strengere Haft). In der Zeit seiner Gefangenschaft (1536/38) entstanden die ersten Gedichte (Sonette) Cellinis. Auf Veranlassung des Este-Kardinals Ippolito kam Cellini schließlich frei. Der Künstler begab sich nach Frankreich (1540/45), wo er im Auftrag seines Gönners, des französischen Königs Franz I. (1515-1547), die nächsten Jahre als Bildhauer arbeitete (Jupiterstatue, Salzfass [1543]), aber auch auf Widerstände stieß. Cellini kehrte 1545 nach Florenz zurück und zumindest in der ersten Jahren nach seiner Rückkehr vom Medici-Herzog Cosimo I. (1537-1574) mit Aufträgen bedacht wurde (Bronzebüste des Herzogs [1548]). So entstand bis 1554 als Bronzestandbild der "Perseus mit Medusahaupt", Cellinis künstlerisch bedeutendstes Werk. Für mehrere Jahre (1558/60) wechselte Cellini in den geistlichen Stand (Immunität vor Strafverfolgung, Seelsorge). Die letzten Jahre seines Lebens bescherten Cellini noch eine Familie (1563), die Ehefrau Piera und drei Kinder, darunter einen Sohn, der den Vater beerben sollte. Für sein Grabmal fertigte Cellini das Mamorkruzifex des nackten Christus (1562), das in den Escorial nach Spanien gelangte. Neben seinen Werken der bildenden Kunst haben verschiedene Schriften überlebt, allen voran seine eindrückliche auto(bio)grafische Lebensbeschreibung (erste [teilweise] Übertragung ins Deutsche durch Johann Wolfgang Goethe [1798]), die Gedichte, aber auch zwei Traktate über Goldschmiedekunst und Bildhauerei. [Buhlmann, 03.2021]

Neumann, Peter R., Die neuen Dschihadisten. IS, Europa und die nächste Welle des Terrorismus, Berlin 22015 > T Terrorismus

Neumann, Siegfried P. (1965), Gegenstand und Methode. Die theoretischen Wissenschaften nach Thomas von Aquin aufgrund der expositio super librum Boethii De Trinitate (= Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters. Texte und Untersuchungen, Bd.XLI, H.2), Münster 1965 > T Thomas von Aquin

Neundorfer, Bruno, Limmer, Ingeborg ([1938]), Der Dom zu Bamberg (= Schnell & Steiner, Kleine Kunstführer, Nr.100), Regensburg 181995 > B Bamberg, Bistum

900 Jahre Stadt St. Georgen im Schwarzwald 1084-1984, Festschrift hg. v.d. Stadt St. Georgen (1984), Villingen-Schwenningen 1984 > S St. Georgen im Schwarzwald

Newman, Barbara (1995), Hildegard von Bingen. Schwester der Weisheit (= Frauen - Kultur - Geschichte, Bd.2), Freiburg-Basel-Wien 1995 > H Hildegard von Bingen

Ni

Nibelungenlied, mittelhochdeutsches Heldenepos: Das Nibelungenlied behandelt im Rahmen mittelhochdeutscher Klassik und höfischer Kultur als Heldenepik germanische Stoffe, die in Spätantike (Burgundenreich, Hunnen, Theoderich) und frühes Mittelalter (Merowingerreich, Brunhilde) zurückreichen, als Sagen und Mythen (mündlich) seit dem 8./9. Jahrhundert weitergegeben wurden. Der Autor bzw. die Autoren sind unbekannt, als Mäzen bei der Verschriftlichung des Nibelungenliedes wird teilweise der Passauer Bischof Wolfger von Erla (1191-1204) angenommen. Das Nibelungenlied besteht aus 2316 (A), 2376 (B) bzw. 2439 Strophen (C), die jeweils aus vier Langversen der Form Anvers - Zäsur - Abvers mit verspaarweiser Reimung bestehen. Inhaltlich enthält das Nibelungenlied 39 Âventiure: Vorstellung Kriemhilds am Wormser Hof der Burgunden (Âventiure 1), Vorstellung Siegfrieds von Xanten (2), Siegfrieds Erscheinen in Xanten (3), Siegfrieds Hilfe für den Burgunderkönig Gunther gegen Sachsen und Dänen (4), minne zwischen Siegfried und Kriemhild (5), Überwindung der Brunhild durch Siegfried und Gunther (Brautwerbung Gunthers) (6-8), Reise Siegfrieds zu den Nibelungen, Kampf gegen einen Riesen und gegen Alberich (8), Hochzeit Brunhilde-Gunther, Kriemhilde-Siegfried, Unterstützung Gunthers in seiner 2. Brautnacht mit Brunhilde durch Siegfried (10), Rückkehr Siegfrieds mit Kriemhild nach Xanten, Geburt Gunthers (11), Einladung von Siegfried und Kriemhild nach Worms, Rangstreit zwischen den Königinnen Kriemhild und Brunhild (12-14), Ermordung Siegfrieds durch Hagen unter Mitwisserschaft König Gunthers (15-17), Verbleiben Kriemhilds in Worms für dreieinhalb Jahre, Versenkung des Nibelungenhortes im Rhein (19), Werbung des Hunnenkönigs Etzel um Kriemhild (20), Reise Kriemhilds zu Etzel über Passau, Tulln nach Wien (21), Heirat in Wien (22), Geburt des Kriemhildsohns Ortlieb nach sieben Jahren Ehe, Bitte um Einladung von Kriemhilds Verwandten ins Hunnenland (23), Empfang der Boten Etzels in Worms, Beschluss, der Einladung zu folgen (24), Reise der Burgunden ins Hunnenland über Passau nach Etzels Burg (25-27), Empfang durch Dietrich von Bern und Hildebrand, durch Kriemhild und Etzel (28), Spannungen zwischen Kriemhild und Hagen (29-30), Kirchgang und Turnier, Unterstützung von Kriemhilds Racheplänen durch den Etzelbruder Blödelin (31), Ermordung der Knappen der Burgunden, Tod Blödelins (32), Ermordung Ortliebs durch Hagen, Kampf zwischen Hunnen und Burgunden im Festsaal (33-34), Zweikampf zwischen Iring von Dänemark und Hagen (35), weitere Kämpfe zwischen Hunnen und Burgunden um und im Festsaal (36), Scheitern von Vermittlungsversuchen, Tod Rüdigers von Bechelaren (37), Kampf zwischen Dietrichs Leuten und den Burgunden (38), Gefangennahme Gunthers und Hagens, deren Auslieferung an Kriemhild, Tötung Gunthers und Hagens durch Kriemhild, Tötung Kriemhilds durch Hildebrand (39). Überliefert ist das Nibelungenlied in 34 vollständigen und fragmentarischen Handschriften des 13.-16. Jahrhunderts (A: München, B: St. Gallen, C: Karlsruhe [Donaueschingen] -> Fassungen *A, *B, *C) mit Süddeutschland als Schwerpunkt. Vielfach verbunden wurde das Nibelungenlied in den Handschriften mit der Nibelungenklage, ein gemäß der höfischen Lyrik in Kurzversen mit paarweisem Reim verfasster Text, der das Leid (not) des Nibelungenlieds reflektiert, Krimhild positiv, Hagen und Brunhild hingegen negativ (im Gegensatz zum Nibelungenlied) darstellt. Die Nibelungenklage gehört damit als Fortsetzung und Ergänzung des Nibelungenliedes zur Rezeptionsgeschiche des Heldenepos, die bis ins endende 16. Jahrhundert reicht ("Rosengarten zu Worms", "Lied vom hürnen Seyfrid") und erst wieder mit der Entdeckung der Handschrift C (1755) einsetzt. Die Rezeption des Nibelungenlieds im 19. und 20. Jahrhundert schwankte zwischen "Nationalepos", "Nibelungentreue" und "Dolchstoßlegende" (Simrock, Hebbel, Dahn, deutsche Nation, Nationalsozialismus) und Jugendliteratur, Nacherzählung, Wormser Festspiele und Film einschließlich einer nachlassenden Verwendung des Epos im Deutsch- und Geschichtsunterricht an den Schulen.
Das Nibelungenlied ist textmäßig erfasst in: Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung, hg. v. Helmut Brackert (1976), 2 Bde., Tl.1 (= Fischer Tb 6038), Frankfurt a.M. 91980, 303 S., DM 6,80, Tl.2 (= Fischer Tb 6039), Frankfurt a.M. 61979, 303 S., DM 6,80; Analysen des Nibelungenliedes bieten: Ehrismann, Otfrid (2005), Das Nibelungenlied (= BSR 2372), München 2005, 128 S., € 7,90; Heusler, Andreas (1921), Nibelungensage und Nibelungenlied. Die Stoffgeschichte des Deutschen Heldenepos, Darmstadt 61965, Nachdruck Darmstadt 1991, 164 S., DM 26,-; Miedema, Nine R[obijntje] (2011), Einführung in das "Nibelungenlied" (= Einführungen Germanistik), Darmstadt 2011, 160 S., € 9,90; Schulze, Ursula (1997), Das Nibelungenlied (= RUB 17604), Stuttgart 1997, 336 S., € 7,60; "Uns ist in alten Mären ..." Das Nibelungenlied und seine Welt, hg. v.d. Badischen Landesbibliothek Karlsruhe u.d. Badischen Landesmuseum Karlsruhe (2003) (= Ausstellungskatalog), Darmstadt 2003, 239 S., € 19,95. Literarisch aufbereitet wurde der Nibelungenmythos immer wieder, u.a.: Beheim-Schwarzbach, Martin (1961), Der Stern von Burgund. Roman der Nibelungen, Gütersloh [1965], 352 S., DM N.N.; Hebbel, Friedrich (1862), Die Nibelungen. Dichtung und Wirklichkeit, hg. v. Helmut de Boor (1966) (= DW 16), Berlin 1966, 280 S., Dokumentation von mittelalterlichen Quellen, € 0,50; Lodemann, Jürgen (2002), Siegfried und Krimhild. Die älteste Geschichte aus der Mitte Europas im 5. Jahrhundert notiert, teils lateinisch, teils in der Volkssprache, ins irische Keltisch übertragen von Kilian Hilarus von Kilmacduagh, im 19. Jahrhundert von John Schazman ins Englische; ins Deutsche übersetzt, mit den wahrscheinlichsten Quellen verglichen und mit Erläuterungen versehen. Roman, Stuttgart 2002, 886 S., € 29,50. [Buhlmann, 01.2003, 07.2004, 09.2005, 08.2012, 03.2018, 07.2019, 02.2022]

Nicosia, Francis (1980), Arab Nationalism and National Socialist Germany 1933-1939. Ideological and Strategic Incompatibility, in: International Journal of Middle East Studies 12/3 (1980), S.351-372 > P Palästina, 1933-1939

Niederaltaich, Benediktinerkloster in Bayern: Niederaltaich (Altaha für "Altwasser" der Donau) war als eines der bayerischen "Urklöster" eine Gründung des Bayernherzogs Odilo (†748), angeblich besiedelt durch Mönche von der Bodenseeinsel Reichenau (741). Nach der Eingliederung Bayerns ins Frankenreich (788) wurde das Kloster zu einer königlichen Abtei (Schutzherrschaft) und zeitweise zur Kommende, der Bischöfe vorstanden. Im 10. Jahrhundert war das durch damalige Ungarneinfälle geschädigte Kloster Zugriffen bayerischer Herzöge wie Berthold (938-947) ausgesetzt, zwischenzeitlich wurde es als Kommende zu einem Kanonikerstift (950). Unter Bischof Altmann von Passau (1065-1091) und Herzog Heinrich IV. (995-1004, 1009-1017; König Heinrich II.) gelang die Wiederbegründung Niederaltaichs als Benediktinerkloster unter Abt Godehard (966-1022), dem späteren Bischof von Hildesheim (1022-1038) (Umsiedlung der Kanonikergemeinschaft auf den Frauenberg bei Hengersberg, Godehard als Abt von Tegernsee, Reform des Hersfelder Klosters 1005, Gründung der Niederaltaicher Klosterzelle Rinchnach 1010). Im Kloster entstanden nach der Mitte des 11. Jahrhunderts die berühmten Annales Altahenses. 1065 gelangte die Abtei für kurze Zeit an Herzog Otto von Northeim, 1152 wurde sie durch König Friedrich I. (1152-1190) dem Bischof von Bamberg als Lehnsherrn unterstellt. Unter der Leitung Abt Hermanns (1242-1273) erlangte die Mönchsgemeinschaft eine gewisse Blüte. Damals gelangte die Klostervogtei von den Grafen von Bogen in die Verfügung der wittelsbachisch-bayerischen Herzöge. In das beginnende 14. Jahrhundert fällt die Errichtung der gotischen Klosterkirche, 1341 wurde die Klosterzelle Frauenau eingerichtet. Prior Georg Hauser (1478-1481) steht mit seiner von ihm verfassten Gesta illustrium ducum Bavariae (1479) für den Humanismus am Ende des Mittelalters; ebenso sind im 15. Jahrhundert Einflüsse der Melker Klosterreform erkennbar. In der frühen Neuzeit blieb die Abtei beim katholischen Glauben, darin unterstützt von den bayerischen Herzögen. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) brachte Plünderung und Zerstörung mit sich (1633, 1641, 1647/48), auch Brände im Kloster (1659, 1671, 1685) schädigten die Abteigebäude. Unter Abt Joscio Hamberger (1700-1739) trat das Kloster in eine erneute Blütezeit ein (barocker Umbau der Klosterkirche). Das 18. Jahrhundert sah in der Abtei historiographische und naturwissenschaftliche Studien vertreten, aber auch den barocken Rangstreit um den Primas Abbatum Bavariae zwischen den Klöstern Niederaltaich und Tegernsee. 1803 kam die Abtei Niederaltaich durch Aufhebung zu ihrem Ende; dies betraf insbesondere die Klostergebäude, die Bibliothek und das Archiv.
Zur Geschichte des Klosters s.: Deutinger, Stephan, Deutinger, Roman (Hg.), Die Abtei Niederaltaich. Geschichte, Kultur und Spiritualität von der Gründung bis zur Säkularisation (= SMGB, Ergbd.53), St. Ottilien 2018, XV, 575 S., Abbildungen, €49,95 (mit den Beiträgen: Alois Schmid, Das Kloster und seine Vergangenheit. Geschichtskultur in der Benediktinerabtei Niederaltaich; Roman Deutinger, Vom Rhein zur Donau. Akteure der Gründung; Wolfgang Janka, Ortsnamen als Zeugnis Niederaltaicher Siedlungstätigkeit; Hubertus Seibt, Schutz, Besitz, Gefolgschaft, Gebet. Die Beziehungen zu Königtum und Reich (9.-12. Jahrhundert); Jürgen Dendorfer, Die Abtei und ihre Vögte im frühen und hohen Mittelalter; Dieter J. Weiß, Niederaltaich und die Bischöfe von Bamberg; Roman Zehetmayer, Besitz und Stellung der Abtei in Niederösterreich; Roman Deutinger, Heilige und Verstorbene im liturgischen Gedächtnis der Mönche. Das Jenaer Martyrolog-Nekrolog; Robert Klugseder, Liturgische Musik des Mittelalters; Julia Knödler, Buchbestände des Mittelalters. Nachforschungen zu einer untergegangenen Bibliothek; Jörg Schwarz, Zwischen regionaler Verankerung und europäischem Horizont. Zur Darstellungsweise der "Annales Altahenses"; Roman Deutinger, Die Lex Baioariorum in Niederaltaich; Christof Paulus, Niedergang oder Überlieferungsdunkel? Methodische Überlegungen zur Melker Reform; Herbert W. Wurster, Die Abtei Niederaltaich und das Bistum Passau in der Frühen Neuzeit; Martin Hille, Herr vieler Diener und Diener vieler Herren. Die Beziehungen zwischen der Abtei und ihren Grundholden im 16. und 17. Jahrhundert; Hannelore Putz, Münchener Prägungen. Bildung und Erziehung von Niederaltaicher Konventualen im Jesuitengymnasium und in der Domus Gregoriana; Johannes Molitor, Chroniken der Frühen Neuzeit. Hausgeschichsschreibung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert; Ernst Schütz, Zwischen Selbstvergewisserung und öffentlicher Wahrnehmung. "Corporate Identity" und "Corporate Image" des Klosters im 18. Jahrhundert; Stephan Deutinger, Utriusque Bavariae Abbatum Primas. Der barocke Rangstreit zwischen Niederaltaich und Tegernsee; Bernhard Greiler, Zur Musikgeschichte Niederaltaichs im 18. Jahrhundert; Heike Mrasek, Monastisches Rokoko. Dre Maler Franz Anton Rauscher und sein Werk; Stephan Deutinger, Naturwissenschaft und gelehrte Netzwerke im Zeitalter der Vernunft. Pater Lorenz Hunger - ein Pionier in der Erforschung des Bayerischen Waldes; Stephan Deutinger, Andacht versus Aufklärung. Pater Gregor Pusch und seine Streitschrift gegen die Feiertagsreduktion aus dem Jahr 1763); Stadtmüller, Georg, Pfister, Bonifaz (1971), Geschichte der Abtei Niederaltaich 741-1971, Augsburg 1971, 516 S., Abbildungen, Karten, DM 20,-. [Buhlmann, 08.2023]

Niederhäuser, Peter (Hg.) (2010), Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee (= AGZ 77), Zürich 2010 > H Habsburger

Niederhäuser, Peter (Hg.) (2015), Die Grafen von Kyburg. Eine Adelsgeschichte mit Brüchen (= AGZ 82), Zürich 2015, Schwarzweiß- und Farbabbildungen, Stammtafeln, Pläne, Karten, € 43,-. I. Die Grafen von Kyburg treten mit Adelbert I., Graf von Chuiburk (1112), in Erscheinung. Adelbert war ein Sohn des Grafen Hartmann I. von Dillingen (a.d. Donau; 1079, -1123) von dessen Ehefrau Adelheid von Winterthur. Hartmann zählt zur Verwandtschaft um den heiligen Bischof Ulrich von Augsburg (923-973). Die Dillingen-Kyburger Grafen erlangten in Ostschwaben und in der Ostschweiz Bedeutung, ablesbar u.a. daran, dass Ulrich (I.), ein Bruder Adelberts, als Bischof das Konstanzer Bistum im ausgehenden Investiturstreit leitete (1111-1127). Über die Heirat mit Richenza von Lenzburg (ca.1150) wurde Graf Hartmann III. von Dillingen-Kyburg (1152-1180) verwandt mit dem Lenzburger Grafenhaus, das zudem über gute Verbindungen zu den staufischen Herrschern verfügte. Nach dem Aussterben der Lenzburger (1172/73) erbte Hartmann Teile des Lenzburger Besitzes und befand sich damit in politischer Konkurrenz zum Stauferkaiser Friedrich I. Um 1180 teilte sich das Dillingen-Kyburger Grafenhaus in die zwei Linien Dillingen und Kyburg. Bedeutsam für die weitere Entwicklung war die Person des Grafen Ulrich III. von Kyburg (†1227), der Anna, die Tochter des Zähringerherzogs Berthold IV., heiratete und nach dem Tod von Annas Bruder Berthold V. (1218) sich gegen Clementia von Hochburgund, der Witwe Herzogs Berthold V. von Zähringen (1186-1218), den Besitz u.a. Burgdorfs sicherte. Nach dem Tod Ulrichs teilten sich Ulrichs Sohn Hartmann IV. (1227-1264) und Ulrichs Enkel Hartmann V. (1229-1263) die Kyburger Herrschaft. Sie sollten die letzten Grafen der Linie von (Alt-) Kyburg sein, und auch die Dillinger Linie sollte mit Bischof Hartmann von Augsburg (1248-1286) zu ihrem Ende kommen. Anna, die Tochter Graf Hartmanns V. von Kyburg, heiratete indes Graf Eberhard (I.) von Habsburg-Laufenburg (†1284) und begründete damit die Linie der Grafen von Neu-Kyburg (Hansjörg Brunner, Dillingen und Neresheim - an den Anfängen kyburgischer Geschichte; Fabrice Burlet, Prestigeträchtige Ehen und große Erbschaften? Herrschaft und Heiratspolitik der Grafen von Kyburg; Peter Niederhäuser, Adelsgeschichte zwischen Macht und Ohnmacht - zur Einleitung). II. Dabei lässt die im Übrigen höchst unfertige Landesherrschaft der Grafen von Kyburg einige Herrschaftsschwerpunkte erkennen, in der Ostschweiz die Städte Winterthur und Diessenhofen (Münzstätte), in der Westschweiz (jenseits des Flusses Reuss) die Stadtherrschaft über die ehemaligen "Zähringerstädte" Freiburg im Üchtland, Thun und eben Burgdorf. Hinzu kam der von den Lenzburgern ererbte Ort Baden. Dabei betrieben die Kyburger keine ausgesprochene Städtepolitik, sehen wir vielleicht von der Verleihung der Freiburger Handfeste (1249) einmal ab. Zudem halfen Burgen, die Kyburger Herrschaft zu sichern; zu ihnen gehörten die namengebende Kyburg (südlich Winterthur), die Burgen Lenzburg, Frauenfeld und Mörsburg, der Wohn- und Burgturm Kastelen sowie der Megalithturm Richensee. Resultierend aus mancherlei verwickelten Erbschaftsstreitigkeiten, gelang den Kyburgen zusammen mit anderen Adelsgeschlechtern wiederholt die "Neutralisierung" von umstrittenem Besitz durch die Stiftung geistlicher Gemeinschaften (Heiligberg, St. Katharinental [Diessenhofen], Töss, Wettingen). Als Begräbnis- und Memorialort war das von den Kyburgern bevogtete Chorherrenstift Heiligberg bedeutsam, aber auch das Zisterzienserkloster Wettingen (Erwin Eugster, Die Grafen von Kyburg - "fromme Gründer" kirchlicher Stiftungen?; Waltraud Hörsch, Kastelen - die geheimnisvolle jüngste Grafenburg; Bruno Meier, Baden - ein erfolgloses Zwischenspiel der Kyburger?; Felicitas Meile, Frauenfeld - Kleinstadt mit Kleinburg an idealer Lage; Peter Niederhäuser, Lenzburg - Wege und Irrwege einer "Erbschaft"; Ernst Tremp, Die Grafen von Kyburg und der Westen. Freiburg im Üchtland, die Nachbarn Savoyen und Bern; Werner Wild, Die Mörsburg - eine Residenz und ein Witwensitz; Werner Wild, Die Kyburg - die 1000-jährige "Stammburg"; Renata Windler, Grabstätten der Grafen von Kyburg; Renata Windler, Winterthur - eine geschaffene Stadt mit älteren Wurzeln; Benedikt Zäch, Die kyburgische Münzprägung des 12. und 13. Jahrhunderts). III. Mit dem Aussterben der älteren Linie der Grafen von Kyburg geriet Burgdorf mitsamt einer allerdings reduzierten Kyburger Herrschaft und nach einigem politischen Hin und Her zwischen den Grafen Rudolf IV. von Habsburg (1240-1291) und Peter II. von Savoyen (1263-1268) ("Grafenkrieg" 1265/67) an die Grafen von (Neu-Kyburg bzw.) Kyburg-Burgdorf. Anna von Kyburg, die Erbtochter des Grafen Hermann V. heiratete den Grafen Eberhard I. von Habsburg-Laufenburg (†1284) und begründete damit die neue Kyburger Linie (1273). Anna und Eberhard hatten zunächst den habsburgischen Grafen bzw. (ab 1273) deutschen König Rudolf (I.) zufriedenzustellen (Verkauf der kyburgischen Herrschaftsbereiche im Aargau und in der Zentralschweiz [Lenzburg], Verkauf der Stadt Freiburg im Üchtland 1273). Ihre Nachfahren behaupteten immerhin über ein Jahrhundert lang die Herrschaft, in der Burgdorf als Residenzstadt (mit Münzstätte) eine wichtige Rolle spielte. Dabei gerieten die Grafen politisch und finanziell aber zunehmend ins Abseits; sie überschuldeten sich im Verlauf des 14. Jahrhunderts, Herrschaftsrechte gingen an sich verselbstständigende Kyburger Dienstleute (Herren von Torberg, Herren von Kein) verloren, und auch die Stadtherrschaft der Grafen über Burgdorf (und Thun) schwächte sich massiv ab. Ein Auslöser dieser Entwicklung waren sicher die Geschehnisse im Jahr 1322 um die (angebliche?) Ermordung Graf Hartmanns II. (1301-1322) durch dessen Bruder Eberhard II. (†1357), der immerhin das geistliche Amt eines Propstes von Amsoldingen ausübte. Damit verschränkt, gerieten die Kyburger Grafen immer wieder und öfter zwischen die politischen Fronten in den Auseinandersetzungen zwischen der Reichsstadt Bern und den Grafen von Habsburg (Armand Baeriswyl, Burgdorf und Thun - im Schatten der Zähringer?; Erwin Eugster, Erbe - neu überdenken!; Peter Niederhäuser, Im Zeichen der Kontinuität? Die Grafen von Neu-Kyburg). IV. Eine Rezeption Kyburger Grafengeschichte findet seit dem 16. Jahrhundert statt (Nanina Egli; Erklärungen zu Lücken. Eine programmatische Suche nach den Kyburgern in der Geschichtskultur des 19. und 20. Jahrhunderts; Rudolf Gamper, Wie die Grafen von Kyburg eine ehrenvolle Geschichte erhielten. Die Erforschung der Kyburger Geschichte im 16. Jahrhundert; Ueli Stauffacher, Die Kyburger - ein Fall fürs Museum?). [Buhlmann, 05.2018]

Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810 (= Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen, Bd.56), hg. v. Josef Dolle, Dennis Knochenhauer: Tl.1 (2012): Abbingwehr bis Gandersheim, Bielefeld 2012, Tl.2 (2012): Gartow bis Mariental, Bielefeld 2012, Tl.3 (2012): Marienthal bis Zeven, Bielefeld 2012, Tl.4 (2012): Literatur und Register, Bielefeld 2012 > K Klosterbücher

NiedersJb = Niedersächsisches Jahrbuch

Niemeier, Georg (1953), Die Ortsnamen des Münsterlandes. Ein kulturgeographischer Beitrag zur Methodik der Ortsnamenforschung (= Westfälische geographische Studien, Bd.7), Münster 1953 > N Namenkunde

Nigg, Walter (1973), Die Heiligen kommen wieder. Leitbilder christlicher Existenz. Elisabeth von Thüringen, Hedwig von Schlesien, Niklaus von Flüe (= Herder Tb 468), Freiburg i.Br. 61978 > H Heilige des Christentums

Nikolaus von Kues, Kirchenmann, Theologe, Philosoph: I. Nikolaus Cryfftz (Krebs) wurde im Jahr 1401 in Kues an der Mosel als Sohn des reichen Schifffahrtsunternehmers, (Wein-) Händlers und Geldverleihers Hennen Cryfftz und der Katharina Roemer geboren. Er sollte sich nach seinem Geburtsort Nikolaus von Kues (Nikolaus Cancer de Coeße, Niclas von Cuße, Nicolaus de Cusa, Nicolaus Cusanus) nennen. Über die Kindheit und Jugendzeit unseres Protagonisten ist nichts bekannt; die historische Forschung nimmt an, dass Nikolaus schon früh von der religiösen Bewegung der devotio moderna beeinflusst worden war. Erst mit dem Studium in Heidelberg (artes liberales und via moderna) und Padua (Kirchenrecht) sowie Nikolaus' Abschluss als doctor decretorum (1416-1423) betreten wir sicheren Boden. Der Aufenthalt in Padua sollte Nikolaus mit dem italienischen Humanismus bekannt machen. Ab dem Jahr 1425 hielt sich der Kusaner wieder an der Mosel auf, wo er beim Trierer Erzbischof als Kirchenjurist Anstellung fand. Als Doktor des kanonischen Rechts beschäftigte sich Nikolaus von Kues u.a. mit Zollfragen und Zehntstreitigkeiten oder trat im auf Deutsch niedergeschriebenen Bernkasteler Hochgerichtsweistum des Trierer Elekten Ulrich von Manderscheid (1430-1436) vom 21. August 1432 als Zeuge auf. Das Weistum von 1432 fällt in die Zeit des Trierer Bischofschismas. Der erwählte Bischof Ulrich von Manderscheid wurde von Papst Martin V. (1417-1431) nicht anerkannt und suchte beim Konzil von Basel (1431-1449) Zustimmung. Sachwalter Ulrichs am Basler Konzil wurde Nikolaus von Kues. Doch schlossen sich letztlich die Konzilsteilnehmer in Sachen des Trierer Schismas der Entscheidung des Papstes an und votierten gegen Ulrich von Manderscheid (1432). In der Folge arrangierte sich Nikolaus mit dem nun allgemein anerkannten Trierer Erzbischof Hraban von Helmstedt (1430-1439). Dass zudem der Kusaner als Rechtsgelehrter umworben war, zeigen die zwei Angebote der damals neu gegründeten Universität Löwen, ihn als Professor für kanonisches Recht zu gewinnen. Parallel zu seiner Tätigkeit als Jurist studierte Nikolaus von Kues seit 1425 in Köln Theologie und Philosophie, allerdings ohne Abschluss. Ausfluss der erworbenen theologischen Bildung war sicher seine um 1430 begonnene Predigttätigkeit, der er sich mit Engagement widmete. Noch 1435 war Nikolaus allerdings nur Diakon; erst später, aber zu einem uns unbekannten Zeitpunkt erwarb er die höheren Weihen und wurde Priester (1435/36). Dabei verfügte er als wirtschaftliche Grundlage seiner Rechts- und kirchlichen Tätigkeit über eine Anzahl von Pfründen, die ihm bei seiner wohl eher bescheidenen Lebensweise ein notwendiges Einkommen sicherten, die ihn nichtsdestoweniger gerade in späteren Jahren dazu verleiteten, Präbenden anzuhäufen oder seine Verwandten mit Pfründen zu versorgen. Nikolaus von Kues, dessen Denken nicht zuletzt durch sein Studium in Köln von dem Gedanken der concordantia ("Übereinstimmung") geprägt war, wurde zunächst zu einem überzeugten Anhänger des Konzils, das er in rechtlichen Fragen beriet und für das er als Gesandter und Konzilsrichter tätig wurde. Seine Gedanken und damals verfassten schriftlichen Ausführungen kreisten etwa um das Problem der Hussiten in Böhmen, die Überordnung des Konzils über den Papst oder die Kirchenreform. Anlässlich der Absetzung Papst Eugens IV. (1431-1447) durch eine Mehrheit im Konzil schloss sich Nikolaus von Kues der Konzilsminderheit an (1436/37); Letztere ordnete sich Papst und römischer Kurie unter. Nikolaus von Kues 1437 war im Auftrag der Konzilsminderheit als Gesandter beim byzantinischen Kaiser Johannes VIII. (1425-1428) in Konstantinopel tätig; Zweck der Reise waren Verhandlungen um die Kirchenunion, die dann wirklich 1438/39 zustande kam und - kaum mit Leben erfüllt - das west-östliche Schisma von 1054 beenden sollte. Als Anhänger Papst Eugens IV., der er nunmehr war, wandte sich Nikolaus von Kues gegen den vom Konzil gewählten Gegenpapst Felix V. (1439-1449), Herzog Amadeus VIII. von Savoyen (1391/1417-1434). Der Überwindung des Papstschismas diente im Auftrag Papst Eugens IV. das Vorgehen des Nikolaus von Kues als "Herkules der Eugenianer" in Diplomatie und Kirchenpolitik, etwa auf einem Mainzer Kongress (1441), auf einer Fürstenversammlung in Nürnberg (1442) oder bei einem Streitgespräch in Frankfurt (1442). Unterdessen hatte Papst Eugen nämlich das Basler Konzil nach Ferrara (dann Florenz und Rom, 1437-1445) verlegt. Dies geschah gegen den Widerstand der Basler Konzilsmehrheit, so dass nun Kirchenversammlungen in Basel und Ferrara tagten. Als Beauftragter (procurator, nuntius) Papst Eugens wurde Nikolaus päpstlicher Subdiakon (1443), später päpstlicher Legat de latere (1446). Als Legat konnte er dann die allgemeine Anerkennung "seines" Papstes in Deutschland durchsetzen. Zunächst Kardinal in petto (1446), wurde der Kusaner schließlich 1451 von Papst Nikolaus V. (1447-1455), dem Nachfolger Eugens, zum Kardinal ernannt; Titelkirche des Kardinalpriesters Nikolaus von Kues war das römische Gotteshaus St. Peter in Ketten (basilica sancti Petri ad vincula). Zuvor, an Heiligabend 1450, wurde der Kirchenmann apostolischer Legat für Deutschland, Böhmen und die angrenzenden Länder, um den Jubiläumsablass zu verkünden - das Jahr 1450 war ein kirchlich-päpstliches Jubeljahr (Heiliges Jahr) gewesen - und Maßnahmen zur Kirchenreform in Angriff zu nehmen. Nikolaus von Kues befand sich ab Jahresbeginn 1451 auf seiner durchaus erfolgreichen Legationsreise in den Ländern nördlich der Alpen. Für den Kardinal stand dabei die seelsorgerische Tätigkeit im Vordergrund, die sich vor allem in seinen Predigten, aber auch in der Vergabe von Ablässen äußerte. Zentrales Anliegen war dem Legaten eine Reform der Kirche: Die von ihm erlassenen Dekrete betrafen das Konkubinat und die Missstände bei der Pfründenvergabe, Reformen innerhalb der Orden und (Frauen-) Klöster sowie die Gottesdienstliturgie; auch ein Dekret gegen die Juden gehört hierher. Über Österreich und Bayern ging die Legationsreise nach Sachsen und in die Niederlande, dann bis an die Mosel, schließlich an den Niederrhein, wo Nikolaus von Kues zu Weihnachten 1451 in Köln weilte. Weitere Stationen des Nikolaus von Kues auf dessen Legationsreise waren dann im Herzogtum Brabant Brüssel und Löwen, dann Maastricht und wiederum Aachen, schließlich Ende Februar und Anfang März 1452 nochmals Köln. Für Nikolaus von Kues war danach Frankfurt eine weitere, wenn auch bedeutende Zwischenstation. In der Folgezeit hielt sich der Kardinal in Süddeutschland auf, dann - im April 1452, als Ausgang der Legationsreise - in seinem Bistum Brixen. Nikolaus von Kues war im Jahr 1450 nämlich zudem vom Papst als Bischof von und Landesherr des Bistums Brixen eingesetzt worden. Als geistlicher Reichsfürst übte er auch weltliche Macht im Bistum aus, befand sich aber dabei in scharfem Gegensatz zum Domkapitel und zum habsburgischen Herzog Sigismund von Tirol (1439-1490). Trotz dieser schlechten Voraussetzungen bemühte sich der Kusaner gerade auch im Bistum Brixen um die Kirchenreform; Seelsorge und Visitationen standen im Vordergrund seiner Maßnahmen. Nach einem vom Tiroler Herzog inszenierten Überfall auf den Bischof (1457) und der "Schlacht" bei Enneberg (1458) verließ Nikolaus von Kues im Jahr 1459 sein Bistum, gleichsam abberufen von Papst Pius II. (1458-1464), der den Kusaner zu seinem Generalvikar machte. Der Konflikt zwischen Nikolaus von Kues und Herzog Sigismund um das Bistum Brixen sollte sich dann nochmals verschärfen (Fehdebrief des Herzogs, zwischenzeitliche Gefangennahme des zurückgekehrten Bischofs, Exkommunikation Sigismunds und päpstliches Interdikt gegen Tirol 1460). Erst im Juni 1464 kam es zu einem Kompromiss: Nikolaus von Kues überließ das Bistum einem Stellvertreter. Seit 1459 war Kardinal Nikolaus von Kues Generalvikar für Rom und den Kirchenstaat, daneben päpstlicher Legat auf deutschen Provinzialsynoden. Als enger Vertrauter des humanistisch gesinnten Papstes Pius II. bereitete der Kusaner eine letztlich nicht durchgeführte Reform des römischen Klerus vor und unterstützte den pontifex maximus in dessen Kreuzzugsplänen. Indes starb Papst Pius II. in der Nacht vom 14. zum 15. August 1464, und das Kreuzzugsunternehmen gegen die Türken wurde ausgesetzt. Zuvor, am 11. August 1464, war Nikolaus von Kues in Todi gestorben. Dieser hatte am 6. August sein Testament gemacht, mit dem er besonders seine im Jahr 1458 ins Leben gerufene Stiftung des St.-Nikolaus-Hospitals in Kues bedachte. Begraben liegt der Kardinal in seiner römischen Titelkirche St. Peter in Ketten (Grabmal im linken Seitenschiff des Gotteshauses), sein Herz wurde aber zum Hospital nach Kues gebracht. II. Völlig erschließt sich Nikolaus von Kues erst durch seine Werke, Schriften philosophischen, theologischen oder auch mathematischen Inhalts, die u.a. die Beziehungen zwischen Gott und der Welt, die Reform von Kirche und Staat, Infinitesimalrechnung, Chronologie oder eine "Sichtung" des Korans behandeln. Im Einzelnen sind aufzuzählen: Astrologisch-gedeutete Weltgeschichte (1425), De concordantia catholica I-III (1433), De maioritate auctoris sacrorum conciliorum supra auctoritatem papae (1433), De auctoritate praesidendi in concilio generali (1433), De usu communionis (Gegen den Irrtum der Hussiten) (1433/34), De correctione kalendarii (Über die Kalenderverbesserung) (1436), Tractatulus de modo habilitandi ingenium ad discursum in dubiis (1436), Libellus inquisitionis veri et boni (1436), Sermo XXII: Dies sanctificatus (1440), De docta ignorantia (Die belehrte Unwissenheit) I-III (1440), De coniecturis (Mutmaßungen) (1440/44), Sermo XLIII: Alleluia. Dies sanctificatus (1444), De Deo abscondito (Vom verborgenen Gott) (1444/45), De quaerendo Deum (Vom Gottsuchen) (1444/45), De filiatione Dei (Von der Gotteskindschaft) (1444/45), De transmutationibus geometricis (ca.1445), De arithmeticis complementis (ca.1445), De dato patris luminum (1445/46), Coniectura de ultimis diebus (Mutmaßungen über die Endzeit) (1446), Dialogus de genesi (1447), De circuli quadratura (Über die Quadratur des Kreises) (1450), Quadratura circuli (Die Kreisquadratur) (1450), Idiota de sapienta (Der Laie über die Weisheit) I-II (1450), Idiota de mente (Der Laie über den Geist) (1450), Idiota de staticis experimentis (Der Laie über Versuche mit der Waage) (1450), De pace fidei (Über den Frieden im Glauben) (1453), De visione Dei (Von der Gottesschau) (1453), Complementum theologicum (1453), De mathematicis complementis I-II (1453/54), Sermo CCLXXX: Ego sum pastor bonus (1457), Dialogus de circuli quadratura (1457), De caesarea circuli quadratura (1457), De beryllo (Über den Beryll) (1458), De mathematica perfectione (Über die mathematische Vollendung) (1458), De aequilitate (Über die Gleichheit) (1459), De principio (Über den Anfang) (1459), Reformatio generalis (Kirchenreform) (1459), Aurea propositio in mathematicis (Der Goldene Satz in der Mathematik) (1459), Trialogus de possest (Über das Können-Sein) (1460), Cribratio Alkorani (Sichtung des Koran) I-III (1460/61), Directio speculantis seu de non-aliud (Vom Nichtanderen) (1462), De ludo globi (Vom Globusspiel) (1462?), De venatione sapientiae (Die Jagd nach der Weisheit) (1462/63), Compendium (Kompendium) (1463), De apice theoriae (Vom Gipfel der Schau. Die höchste Stufe der Betrachtung) (1464), N.N. (?, 1464), Declaratio rectilineatoris curvae (?), De una recti curvique mensura (?).
Quellen zur Geschichte des Nikolaus von Kues bieten, Schriften des Nikolaus von Kues sind: Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues: Bd.I,1 (1976): 1401 - 1437 Mai 17, hg. v. Erich Meuthen, Hamburg 1976, XVI, 199, 9 S., Bd.I,2 (1983): 1437 Mai 17 - 1450 Dezember 31, hg. v. Erich Meuthen, Hamburg 1983, VI, 466, 14 S., DM 320,-, Bd.I,3a (1996): 1451 Januar - September 5, hg. v. Erich Meuthen, Hamburg 1996, VII, 431 S., DM 328,-, Bd.I,3b (1996): 1451 September 5 - 1452 März, hg. v. Erich Meuthen, Hamburg 1996, 452 S., DM 328,-, Bd.I,4 (2000): Literatur und Register, hg. v. Erich Meuthen, Hamburg 2000, 248 S., DM 298,-; Nikolaus von Kues, Schriften (in deutscher Übersetzung; in lateinisch-deutschen Parallelausgaben), hg. v. Ernst Hoffmann, Paul Wilpert u. Karl Bormann: Philosophische Reihe: H.1 (1988): Idiota de sapientia. Der Laie über die Weisheit, hg. v. Renate Steiger (= PhB 411), Hamburg 1988, XXXVIII, 166 S., DM 24,80; H.2 (1977): Über den Beryll, hg. v. Karl Bormann (= PhB 295), Hamburg 31987, XIII, 151 S., DM 32,-; H.9 (1973): Trialogus de posset. Dreiergespräch über das Können-Ist, hg. v. Renate Steiger (= PhB 285), Hamburg 1973, XXXIII, 130 S., DM 19,80; H.11 (1980): Die mathematischen Schriften, übers. v. Joseph Ehrenfried Hofmann (= PhB 231), Hamburg 21980, LII, 270 S., DM 48,-; H.12 (1987): Vom Nichtanderen, hg. v. Paul Wilpert (= PhB 232), Hamburg 31987, XXVIII, 221 S., DM 36,-; H.13 (1978): Vom Globusspiel, übers. v. Gerda von Bredow (= PhB 233), Hamburg 21978, 136 S., DM 24,-; H.15a-c (1977/79): De docta ignorantia - Die belehrte Unwissenheit, übers. v. Paul Wilpert (= PhB 264a-c), A. Erstes Buch, Hamburg 31979, XIII, 152 S., B. Zweites Buch, Hamburg 21979, VIII, 182 S., C. Drittes Buch, Hamburg 1977, XVIII, 236 S., DM 86,-; H.16 (1996): Compendium. Kurze Darstellung der philosophisch-theologischen Lehren, hg. v. Bruno Decker u. Karl Bormann (= PhB 267), Hamburg 31996, X, 110 S., DM 36,-; H.17 (1988): De coniecturis - Mutmaßungen, hg. v. Josef Koch u. Winfried Happ (= PhB 268), Hamburg 21988, XXI, 264 S., DM 38,-; H.19 (1986): De apice theoriae - Die höchste Stufe der Betrachtung, hg. v. Hans Gerhard Senger (= PhB 383), Hamburg 1986, XXVIII, 176 S., DM 36,-; H.20a-c (1989/93): Cribratio Alkorani - Sichtung des Korans, hg. v. Ludwig Hagemann u. Reinhold Glei (= PhB 420a-c), A. Erstes Buch, Hamburg 1989, XIX, 138 S., B. Zweites Buch, Hamburg 1990, VIII, 111 S., C. Drittes Buch, Hamburg 1993, XI, 150 S., DM 96,-; Theologische Reihe: Die Kalenderverbesserung. De correctione Kalendarii, übers. v. Viktor Stegemann, Heidelberg 1955, LXXX, 132 S., DM 14,80. > Lateinische Literatur > N Nikolaus von Kues. Biografisches zu Nikolaus von Kues bieten: Brösch, Marco, Euler, Walter Andreas, Geissler, Alexandra, Ranff, Viki (2014), Handbuch Nikolaus von Kues. Leben und Werk, Darmstadt 2014, 448 S., Zeittafel, Bibliographie, € 69,- (mit den Beiträgen: I. Nikolaus von Kues in seiner Zeit: Alexandra Geissler, Eine kurze Einführung in die Zeit; Walter A. Euler, Die Biographie des Nikolaus von Kues; Marco Brösch, Nachleben und Erbe; II. Werke in chronologischer Reihenfolge: Gerald Christianson, De concordantia catholica I-III; Tom Müller, De reparatione kalendarii; David Albertson, De docta ignorantia I-III; Kazuhiko Yamaki, De coniecturis; Viki Ranff, De deo abscondito, De quaerendo deum, De filiatione dei, De dato patris luminum; Bernard McGinn, Coniectura de ultimis diebeus; David Albertson, Dialogus de genesi; Max Rohstock, Apologia doctae ignorantiae; Christiane Bacher, Idiota de sapientia, Idiota de mente, Idiota de staticis experimentis; Cecilia Rusconi, De theologicis complemnetis, De mathematicis complementis; Susan Gottlöber, De pace fidei; Viki Ranff, De visione dei; Susan Gottlöber, Epistula ad Ioannem de Segobia; Cecilia Rusconi, De beryllo; Hans Gerhard Senger, De aequilitate; Max Rohstock, Tu quis es - De principio; Thomas Woelki, Reformatio generalis; Kazuhiko Yamaki, Trialogus de possest; Susan Gottlöber, Cribratio Alkorani; Max Rohstock, De non aliud; Hans Gerhard Senger, De venatione sapientiae; Hans Gerhard Senger, Dialogus de ludo globi; Viki Ranff, Epistola ad Nicolaum Bononiensem; Felix Resch, Compendium; Hans Gerhard Senger, De apice theoriae; Viki Ranff, Theologische Kleinschriften; Menso Folkerts, Mathematische Schriften; Thomas M. Izbicki, Basiliensia; Hans Gerhard Senger, Opuscula Bohemica; Walter A. Euler, Sermones; III. Quellen und Rezeption: Viki Ranff, Hinweise zu den Quellen in den Schriften des Nikolaus von Kues; Stephan Meier-Oeser, Die Rezeption der cusanischen Philosophie und Theologie); Flasch, Kurt (2001), Nicolaus Cusanus (= BSR 562), München 2001, 180 S., DM 24,90; Flasch, Kurt (2001), Nikolaus von Kues. Geschichte einer Entwicklung, Frankfurt a.M. 2001, 679 S., € 40,-; Flasch, Kurt (2004), Nikolaus von Kues in seiner Zeit. Ein Essay (= RUB 18274), Stuttgart 2004, 111 S., € 3,60; Kandler, Karl-Hermann (1995), Nikolaus von Kues. Denker zwischen Mittelalter und Neuzeit, Göttingen 1995, Schwarzweißabbildungen, 171 S., DM 38,-; Mennicken, Peter (1932), Nikolaus von Kues, Trier 21950, 261 S., DM 10,-; Meuthen, Erich (1958), Die letzten Jahre des Nikolaus von Kues. Biographische Untersuchungen nach neuen Quellen (= Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes NRW 3), Köln-Opladen 1958, 345 S., DM 28,-; Meuthen, Erich (1964), Nikolaus von Kues (1401-1464). Skizze einer Biographie (= BCG Sb), Münster 71992, 144 S., DM 38,-; Vansteenberghe, Edmond (1920), Le Cardinal Nicolas de Cues (1401-1464). L'action - la pensée, Paris 1920, Nachdruck Frankfurt a.M. 1963, 506 S., DM 15,-; Zellinger, Eduard, Cusanus-Konkordanz. Unter Zugrundelegung der philosophischen und bedeutendsten theologischen Werke, München 1960, XVI, 331 S., DM 30,-. Die Philosophie des Nikolaus haben zum Inhalt: Jacobi, Klaus (Hg.) (1979), Nikolaus von Kues. Einführung in sein philosophisches Denken (= Kolleg Philosophie), Freiburg-München 1979, 192 S., DM 12,-; Volkmann-Schluck, Karl-Heinz (1957), Nicolaus Cusanus. Die Philosophie im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Frankfurt a.M. 21968, XVI, 190 S., DM 18,-; Winkler, Norbert (2001), Nikolaus von Kues (zur Einführung) (= Junius. Zur Einführung, Bd.239), Hamburg 2001, 231 S., DM 26,80. Einzelfragen zu Nikolaus von Kues behandeln: Buhlmann, Michael (2013), Die Urkunde des Kardinals Nikolaus von Kues für die Kaiserswerther Marienkapelle (= BGKw MA 18), Düsseldorf-Kaiserswerth 2013, 60 S., € 6,-; Meuthen, Erich (1961), Nikolaus von Kues in Aachen, in: ZAGV 73 (1961), S.5-23; Meuthen, Erich (1964), Das Trierer Schisma von 1430 auf dem Basler Konzil (= BCG 1), Münster 1964, XI, 294 S., DM 24,-; Schultz, Rudolf (1948), Die Staatsphilosophie des Nikolaus von Kues, Meisenheim am Glan 1948, 79 S., DM 5,-. Zu verweisen ist noch auf die Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft. > M Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft. Auch literarisch ist die Person des Nikolaus von Kues rezipiert worden: Künkel, Hans (1936), Schicksal und Liebe des Niklas von Cues. Roman, Leipzig 1936, 392 S., DM 6,- (als nationalsozialistische Vereinnahmung des Nikolaus von Kues?, Volkspreis für Deutsche Dichtung 1936). > Nikolaus von Kues, > Lateinische Literatur > N Nikolaus von Kues [Buhlmann, 10.1996-02.1997, 06.2002, 09.2013, 11.2016, 07.2017]

Nille, Christian (2013), Mittelalterliche Sakralarchitektur interpretieren (= Einführungen. Kunst und Architektur), Darmstadt 2013 > S Sakralarchitektur

Nissen, Hans J. (1983), Grundzüge einer Geschichte der Frühzeit des Vorderen Orients (= Grundzüge 52), Darmstadt 1983 > A Alter Orient

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Nördlingen, Stadt in Bayerisch-Schwaben, gelegen im Nördlinger Ries: I. Archäologische Funde im Nördlinger Ries reichen bis in die Altsteinzeit zurück, Bronze- und Eisenzeit im 2. bzw. 1. Jahrtausend v.Chr. kannten auf den vorgeschichtlichen Straßen, die das Ries querten und die sich in Nördlingen trafen, weit reichende Handelsbeziehungen. Um Christi Geburt bzw. gegen Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. beginnt dann für das Nördlinger Ries mit der Eingliederung des Voralpenraums in das römische Reich bzw. der Einbeziehung der agri decumates, der "Zehntlande" zwischen den Provinzen Obergermanien und Rätien, die römische Zeit. Hinter dem Limes entwickelte sich in Nördlingen wohl seit dem 2. Jahrhundert eine kleine römische Zivilsiedlung (vicus), römische Landgüter (villae rusticae) beherrschten das Ries. II. Wahrscheinlich seit dem 4. Jahrhundert gehörte das Ries zum alemannisch-schwäbischen Siedlungsgebiet und war seit dem 6. Jahrhundert Teil des merowingischen und karolingischen Frankenreichs (Ortsname "Nördlingen" als Nordilingin [8. Jahrhundert, 2. Hälfte], Nordilinga [898, 973], Noerdelingen [1215]). Für das frühe und hohe Mittelalter ist von Königsgut in Nördlingen auszugehen, daneben hatte die Regensburger Benediktinerabtei dort Besitz (898). Im 11. und 12. Jahrhundert nahm Nördlingen als Vorort des Ries die Rolle eines (lokalen) Handelsplatzes und Marktortes ein. Im Jahr 1215 tauschte König Friedrich II. (1212-1250) die Frauenstifte Ober- und Niedermünster in Regensburg gegen den Regensburger Besitz in Nördlingen und Öhringen ein. Nördlingen war zum Zeitpunkt des Tausches auch schon keine villa ("Dorf, Ort") mehr, in der Urkunde wird die Siedlung (auch) als (königliche, staufische) civitas ("Stadt") bezeichnet. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts verdichten sich jedenfalls die Hinweise auf ein städtisches Nördlingen (Ammann 1233, Stadtmauer 1243, Stadtsiegel ca.1250, Rat 1260). Die äußere Entwicklung Nördlingens im späteren Mittelalter war geprägt durch Privilegienvergaben, die die verfassungsrechtliche Situation der Stadt hin zur Reichsstadt verbesserten. Doch gab es auch retardierende Momente, etwa und besonders im Zusammenhang mit den Grafen von Oettingen. König Konrad IV. (1237/50-1254) hatte Nördlingen an die Grafen verpfändet, weitere Verpfändungen bis hin zu Ammannamt und Judensteuer folgten bis weit ins 14. Jahrhundert hinein. An der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert war die Stadt im Ries nahe daran, im gräflichen Territorium als landsässiger Ort aufzugehen. Doch gelang es den Nördlinger Bürgern, das Ammannamt 1323 wieder auszulösen. 1327, 1348 und 1361 erhielt die Stadt zudem die Zusage von Seiten des Königs, nicht mehr als Ganzes verpfändet zu werden. Gerade die unter den Herrschern Ludwig dem Bayern (1314-1347) und Karl IV. von Luxemburg (1347-1378) verfügten Privilegierungen konsolidierten Nördlingen auch im Inneren (neue Stadtmauer und Ungeld 1327, Zünfteverfassung 1349, Bürgermeister 1360, Blutgerichtsbarkeit 1434). Neben dem sowohl die äußeren als auch die inneren Verhältnisse mitbestimmenden Mit- und Gegeneinander von Königtum und Stadt gab es auch die Entwicklung von Obrigkeit und Gericht in Nördlingen (Nördlinger Stadtrecht 1290, ratsfähige Familien [Geschlechter], 2. Stadtrecht 1348/50, Gerichts- und Ratsordnungen von 1450/55 und 1481). Im Jahr 1552 wurde die "demokratische" Zünfteverfassung durch Kaiser Karl V. (1519-1558) abgeschafft. Stattdessen existierte bis zum Ende der Reichsstadt Nördlingen 1802/03 ein oligarchisches Stadtregiment ("Hasenrat"). Eigene kriegerische Unternehmungen Nördlingens betrafen in spätem Mittelalter und früher Neuzeit die Auseinandersetzungen mit den Herren von Neuburg und die Grafen von Oettingen (1388), den Krieg gegen Herzog Ludwig von Bayern-Ingolstadt (1420-1422), den sog. Städtekrieg der schwäbischen Reichsstädte u.a. gegen die Grafen von Württemberg und Hohenzollern und die Herzöge von Bayern (1449-1453), dann - als Mitglied im Schwäbischen Bund (1488-1534) - den Schweizerkrieg (1499), den bayerisch-pfälzischen Erbfolgekrieg (1503-1505), ein Strafzug gegen fränkische Raubritter (1523), den Bauernkrieg (1524/25). Von 1496 bis 1715 ging es in sieben "Lerchenkriegen" gegen die Grafen von Oettingen um das Recht des Lerchenfangens. Die Zeit von der Mitte des 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts war die Blütezeit der Nördlinger Zünfte, im 15. und 16. Jahrhundert erlebte Nördlingen eine wirtschaftliche Blütezeit, nicht zuletzt und gerade durch die Arbeitskraft seiner Loden-, Leinen- und Tuchmacher sowie seiner Gerber und Färber. Ab 1290 ist für Nördlingen eine Judengemeinde bezeugt, die sich weiter zurückreichte (Judenverfolgungen 1290, 1298, 1348). Die jüdische Gemeinde kam dann mit der "Judenschlacht" von 1384 und mit der endgültigen Vertreibung der Juden im Jahr 1507 zu ihrem Ende. In Spätmittelalter und früher Neuzeit beherbergte das fast kreisrunde Oval der noch heute bestehenden mittelalterlichen Stadtmauer das Nördlinger Spital und die St. Johannis-Pflege, das Franziskaner-"Klösterle", die Salvator- und Georgskirche; zur profanen Architektur zählen die Messegebäude auf dem Leutberg wie Kürschnerhaus (ca.1400 bzw. 1426) und "Paradies" (1465/66) als Kaufhäuser, das Hallgebäude ("Neuer Bau", 1541), das Gebäude der Reichsmünzstätte (1418/31), die Häuserreihe des 15./16. Jahrhunderts zwischen Trinkstube und Lateinschule, die Rossmühle (1411), ein Zeughaus (1606), der "Kaisersaal" (1520), schließlich das Rathaus ("Steinhaus" 1240, Rathausuhr 1410, Schatzturm 1509, Freitreppe 1618). Im 15., 16. und 17. Jahrhundert wurde zudem die Stadtbefestigung den sich weiter entwickelnden militärtechnischen Erfordernissen angepasst; Mauern und Tore wurden verstärkt, Vorwerke erbaut (Alte Bastei 1554, Neue Bastei 1607-1612/13). III. Am Beginn der frühen Neuzeit stand für Nördlingen der Bauernkrieg, seit den 1520er-Jahren machte die Reformation aus Nördlingen eine protestantische Reichsstadt (evangelische Kirchenordnung 1543/44, Passauer Vertrag 1552, Augsburger Religionsfrieden 1555). Die Belagerung Nördlingens 1634 während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) hinterließ große Zerstörungen in der Stadt, nach der Schlacht bei Nördlingen (6. September 1634) ergab sich die Reichsstadt den kaiserlich-katholischen Belagerern. Durch die Reichskriege zwischen 1672 und 1714 büßte Nördlingen weiter an Wirtschaftskraft und finanzieller Leistungsfähigkeit ein. Die Einquartierungen kaiserlicher Truppen während des Pfälzischen Krieges (1688-1697) gehören ebenso hierher wie das Ries und Ostschwaben als Kriegsschauplatz von gleich drei Schlachten (Höchstädt, Schellenberg, Blindheim) in den Jahren 1703 und 1704 während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701-1713/14). Französische Revolution (1789), Reichsdeputationshauptschluss (1803) und Rheinbund (1806) besiegelten dann das Ende der reichsstädtischen Zeit Nördlingens, das durch Bayern mediatisiert wurde (1802/03; Abtragung der frühneuzeitlichen Vorwerke der Stadtbefestigung) und fortan Teil des Königreichs Bayern war (1806-1918). Eine katholische Kirchengemeinde entstand am protestantischen Ort (1826/29); 1836 errichtete man neben der alten Rats- und Lateinschule eine Gewerbeschule. 1848/49 waren Bürger aus Nördlingen an der Märzrevolution beteiligt, doch ging die weitere, auch industrielle Entwicklung während des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts an Nördlingen vorbei. Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und seinen Zerstörungen, auch an Georgskirche und Stadtmauer, kamen die Zeit des Wiederaufbaus und einer bis dahin nie gekannten Prosperität im Rahmen von bundesrepublikanischem "Wirtschaftswunder" und Demokratie. Trotz der stark angewachsenen Einwohnerzahl auf 15000 in den 1960er-Jahren, trotz der ins Umland ausgreifenden Industrie- und Dienstleistungsbetriebe blieb der heute touristisch erschlossene Kern Nördlingens, die Nördlinger Altstadt, im Wesentlichen erhalten.
An Literatur zu Nördlingen sei aufgeführt: Buhlmann, Michael (2005), Nördlingen in alter Zeit. Mit einem Anhang: Das Kloster Bebenhausen im Mittelalter (= VA 19), St. Georgen 2005, 44 S., € 4,-; Schmid, Elmar D. (1977), Nördlingen - die Georgskirche (und St. Salvator), Stuttgart-Aalen 1977, 167 S., Abbildungen, Pläne, DM 36,-; Voges, Dietmar-H[enning] (1988), Die Reichsstadt Nördlingen. 12 Kapitel aus ihrer Geschichte, München 1988, 351 S., Abbildungen, Karten, DM 48,-; Voges, Dietmar-H[enning] (1998), Nördlingen seit der Reformation. Aus dem Leben einer Stadt, München 1998, 480 S., Abbildungen, DM 58,-; Zipperer, Gustav Adolf (1979), Nördlingen. Lebenslauf einer schwäbischen Stadt, Nördlingen 1979, 376 S., Abbildungen, DM 40,-. [Buhlmann, 07.2005, 12.2015]

Nörr, Knut Wolfgang (1964), Kirche und Konzil bei Nicolaus de Tudeschis (Panormitanus) (= Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, Bd.4), Köln-Graz 1964, 192 S., DM 22,-. I. Nicolaus de Tudeschis, der abbas Siculus, abbas modernus und Panormitanus, wurde 1386 in Catania geboren, in jungen Jahren Benediktinermönch, studierte und lehrte in Bologna Kirchenrecht, lehrte zwischen 1412 und 1418 in Parma, zwischen 1418 und 1430 in Siena. Eine kirchliche Karriere blieb damit aus. 1421 wurde Nicolaus auditor generalis der apostolischen Kammer, 1425 Abt des Klosters St. Maria de Maniaco bei Messina, 1433 Gesandter Papst Eugens IV. (1431-1447) beim Basler Konzil (1431-1449). Seit 1434/35 war er Erzbischof von Palermo, zwischen 1436 und 1439 hielt er sich wieder am Basler Konzil auf, wo er für und gegen Papst Eugen IV. eintrat. Vom Gegenpapst Felix V. (1439-1449) zum Kardinal erhoben, war Nicolaus Teilnehmer des Frankfurter Reichstags von 1442 und kehrte Deutschland 1443 den Rücken. Die letzten Lebensjahre verbrachte er auf Sizilien, wo er im Jahr 1445 an der Pest starb. II. Nicolaus de Tudeschis verfasste eine Reihe von juristisch-dogmatischen und polemisch-rhetorischen Werken, u.a. die (nicht immer vollendeten) Kommentare zu den Dekretalen Papst Gregors IX., zu den Clementinen, zum Liber Sextus und zu den Digesten, Consilien in zwei Büchern, sieben Quaestiones (1. Quaestio: Episcopus et quidam rector curatus, 1426; 7. Quaestio als erste Schrift Nicolaus', 1418), die Streitschriften für und gegen das Basler Konzil (Ecce nunc tempus acceptabile, 1433; Miratur hec sancta synodus; Maximum onus), die Streitschriften auf zwei Frankfurter Reichstagen (Mecum tacitus, 1438; Quoniam veritas verborum, 1442). III. In seinen Werken hatte Nicolaus de Tudeschis eine konzise, klar strukturierte Vorstellung von Kirche, Papst und Konzil. Auf der Grundlage des Begriffspaares potestas ("Gewalt", Verteilung der Gewalt) - exercitium ("Vollzug", Vollzugsgedanke) stellte er den verfassungsmäßigen Aufbau von Kirche und Welt dar (Ebene der potestas: Gott -> einheitliche Gewalt der ecclesia universalis mit Haupt [Christus], Stellvertreter [Papst], Geistlichkeit und Laien; Ebene des exercitium: Entfaltung der potestas in Spiritualien und Temporalien, Kirche und Welt; Kirche: Papst und Bischöfe als Träger der potestas iurisdictionis, ordinis, Papst nur teilweise als Träger der plenitudo potestatis über Temporalien [Kirchenstaat], Konzil [aus Papst und Bischöfen] als Repräsentant der ecclesia universalis, unterworfen dem Papst innerhalb dessen plenitudo potestatis, außerhalb davon dem Papstamt überlegen [Sedisvakanz, Schisma]). Nicolaus verkannte indes, dass die Zeit an seinen universalen, Kirche und Welt vereinheitlichenden Vorstellungen ("mittelalterlicher Universalismus") schon vorbeigegangen war (Konziliarismus, Kirchenreform, Landeskirche und spätmittelalterlicher Staat). Trotzdem sind seine Schriften im innerkirchlichen Bereich vielfach rezipiert worden; Nicolaus de Tudeschis galt als famosissimus iuris doctor und lucerna iuris clarissima, als letzter nachklassischer Kanonist des Mittelalters vor dem Konzil von Trient (1545/63). > Lateinische Literatur > N Nicolaus de Tudeschis [Buhlmann, 03.2015]

Nolte, Ernst, Die faschistischen Bewegungen (= dtv 4004), München 51975 > D dtv-Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts

Nonn, Christoph (2017), Das deutsche Kaiserreich. Von der Gründung bis zum Untergang (= BSR 2870), München 2017, 128 S., Karte, € 8,95. I. Das deutsche Kaiserreich passt sich ein in die Entstehung anderer europäischer Nationen im 19. Jahrhundert, resultierend aus der europäischen Ideologie des Nationalismus und der Nation, die als "erdachte" Gemeinschaft an die Stelle der alten mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ordnungen treten sollte. Politisch beförderte die Entstehung der deutschen Nation die "Befreiungskriege" gegen das Frankreich Napoleons, die bürgerlich-liberale Revolution von 1848/49, der Krieg des Deutschen Bundes (1815-1866) gegen Dänemark (1864), die Niederlage Österreich-Ungarns gegen Preußen und das Ende des Deutschen Bundes (1866), die Bildung des Norddeutschen Bundes unter preußischer Ägide (1866) und das Zusammengehen der liberalen Nationalbewegung mit dem Königreich Preußen, das Defensivbündnis der süddeutschen Staaten mit Preußen (1867), schließlich der deutsch-französische Krieg (1870/71; Verzicht der Hohenzollern auf den spanischen Thron, Emscher Depesche Bismarcks 1870; Gründung des deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal von Versailles 1871; deutsch-französischer Waffenstillstand und Frieden [Abtretung Elsass-Lothringens, Kriegsentschädigungen]). Das deutsche Reich war von Anfang an integriert im System der europäischen Mächte (Dreikaiserabkommen 1873, Berliner Kongress 1878, Zweibund 1879), die deutsche Nationalstaatsbildung wurde u.a. von Großbritannien und Russland im Wesentlichen begrüßt, während sich zu Frankreich eine "Erbfeindschaft" ausbildete. Es war eine Monarchie mit dem Reichstag als Parlament und dem deutschen Kaiser als preußischen König, dem Hohenzoller Wilhelm I. (1861/71-1888). II. Die 1870er-Jahre waren die liberale Ära des Kaiserreichs. Bismarck als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident und sein konservatives Umfeld regierten mit einem Reichstag, der nur über eine gewisse Budgethoheit verfügte und in dem liberale Strömungen die Mehrheit hatten. Eine liberale Wirtschaftspolitik (Freihandel, Globalisierung der Wirtschaft, Gründerboom) war die Folge und beförderte auch den inneren Ausbau des Kaiserreichs vom Staatenbund zum Bundesstaat (Bundesrat, Vereinheitlichung der Gesetzgebung, Währungsunion, Wirtschaftsunion). Konservativ-liberale Akzente in der Politik setzte Bismarck mit dem "Kulturkampf" gegen die katholische Kirche (1871/74; Säkularisierung und Anti-"Ultramontanismus", "Kanzelparagraph" 1871, katholische Zentrumspartei) und dem Sozialistengesetz (gegen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands [SPD] 1878/90). III. Das deutsche Kaiserreich war geprägt von einem starken gesellschaftlichen Wandel, der mit der sich weiter ausbreitenden Industrialisierung und einer Revolution im Transportwesen zusammenhing. Der Agrarsektor (zusammen mit der Heimarbeit) verlor in der Folge von Globalisierung, Migration und Technisierung seinen bestimmenden Einfluss auf die Wirtschaft, während Metallverarbeitung, Maschinenbau, Chemie und Elektrotechnik zunehmend Arbeitskräfte aus der stark anwachsenden Bevölkerung brauchten. Der Gegensatz zwischen Industrie und Agrarwirtschaft, zwischen (Groß-) Stadt und Land sollte sich verschärfen und das, obwohl die Transportrevolution (Eisenbahn, Dampfschifffahrt) die Regionen in Deutschland näherrücken ließ. Sozial und kulturell war das Kaiserreich zudem geteilt in Klassen (Adel, Bürger, Bauern, Arbeiter) und Religionen (ein Drittel Katholiken, zwei Drittel Protestanten, Juden; Einführung der Zivilehe 1875; Kaiserreich als "konfessionelles Zeitalter"). Der Nationalismus konkurrierte mit partikulär-regionalen Strömungen z.B. in Süddeutschland (Bayern, Württemberg), aber auch in Preußen (Konservative), das ungefähr zwei Drittel des Territoriums des deutschen Reiches ausmachte. Es waren also vielfältige Entwicklungen, die während der knapp fünfzig Jahre der Existenz des Reiches die deutsche Nation gesellschaftlich, wirtschaftlich und kulturell veränderten. IV. Der liberalen Phase folgte unter der Kanzlerschaft Bismarcks eine konservative Ära der Politik im Kaiserreich (1879-1890). Zusammen mit den Konservativen und wechselnden Mehrheiten im immer wichtiger werdenden und an Ansehen gewinnenden Reichstag wurden die Grundlagen der deutschen Sozialversicherung (gesetzliche Krankenversicherung 1883, gesetzliche Unfallversicherung 1884, gesetzliche Alters- und Invalidenversicherung 1889) gelegt, wobei es auch hier vornehmlich um den Machterhalt der Konservativen ging. Von Bismarck instrumentalisiert wurde auch der Erwerb von Kolonien in Afrika und im Pazifik durch das deutsche Reich (1884; Berliner Kongokonferenz 1884). Die Konservativen blieben weiterhin an den Schalthebeln der Macht, außenpolitisch auch gestärkt durch die Erneuerung des Dreikaiserbundes zwischen deutschem Reich, Österreich-Ungarn und Russland (1881) und einem Dreibund zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien (1882), während die Agrarzölle des deutschen Reiches für außenpolitische Unruhe sorgten (deutsch-russischer Rückversicherungsvertrag 1887). Nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. (1888) und der kurzen Regierungszeit von dessen Sohn Friedrich (1888) betrieb Friedrichs Sohn, Kaiser Wilhelm II. (1888-1918), mit der Politik des "Neuen Kurses" (1890/94) eine Politik der Integration statt Konfrontation. Bismarck wurde als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident entlassen (1890), sein Nachfolger wurde der Liberale Leo von Caprivi, der weiter auf Sozialreformen setzte (Arbeiterschutz), letztlich aber ohne Erfolg blieb, was den Zulauf der (Industrie-) Arbeiterschaft zur SPD anbetraf. Caprivi scheiterte schließlich mit seiner von Wilhelm II. nur halbherzig unterstützten Politik (1894), nicht zuletzt auf Grund der vom Reichskanzler zeitweise betriebenen Rekonfessionalisierung preußischer Schulen, der Schwierigkeiten bei den Agrarzöllen, die den steigenden Exporten Deutschlands bei den Industrieprodukten entgegenstanden, und der Frage der Einbeziehung oder Nichteinbeziehung der SPD in die Reichspolitik. V. Das "persönliche Regiment" Kaiser Wilhelms II. (1894/1912) stützte wieder die konservative Vorherrschaft im deutschen Kaiserreich und in Preußen sowieso (Dreiklassenwahlrecht), während in den süddeutschen Ländern im Reich liberale Regierungen existierten und das Landtagswahlrecht weiter demokratisiert wurde. Im Reichstag scheiterten die vom neuen Reichskanzler Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst eingebrachte "Umsturzvorlage" (1894), das "kleine Sozialistengesetz" (1897), und die "Zuchthausvorlage" (1899), so dass der Monarch das Interesse an innenpolitischen Themen verlor. Wilhelm II. verlegte sich aufs Militär und die Außenpolitik als Weltpolitik (ab 1890). Der Aufbau einer deutschen Flotte, vergleichbar mit der britischen, lag dem Kaiser besonders am Herzen (Reichsmarineamt unter Alfred von Tirpitz, kolonialer "Platz an der Sonne" für das deutsche Reich). Verhandlungen mit Großbritannien scheitern nach kurzen Phasen der (kolonialen) Zusammenarbeit im Jahr 1901, die Besuch des Kaisers in Marokko (1905) oder der Wettlauf auf dem Gebiet der Flottenrüstung (ab 1906; Flottengesetze) verschärften noch die außenpolitische Isolation des Kaiserreichs. Dies konnte auch der ab 1900 regierende Reichskanzler Bernhard von Bülow nicht verhindern, zumal in Fragen des Zusammenhangs zwischen Flottenbau und Zollpolitik ("Zolltarifwahlen" zum Reichstag 1903). Bülow konnte jedoch immer noch auf den "Bülow-Block", einer Parteienkoalition im Reichstag, setzen, bis die Koalition in Fragen der Reichsfinanzen zerbrach und Bülow zurücktrat (1909). Den "schwarz-blauen Block" aus Konservativen und Zentrum wollte der neue Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg danach zu einer Sammlungsbewegung erweitern, während Reformen des preußischen Dreiklassenwahlrechts scheiterten (1910) und die Integration des Reichslands Elsass-Lothringen (Verfassungsreform 1911) wieder in Frage gestellt wurde (1913); weiter stärkten die Reichstagswahlen von 1912 die SPD soweit, dass eine "schwarz-blaue" Mehrheit im Reichstag verloren ging. VI. Ab 1912 befand sich das deutsche Kaiserreich in einer innen- und außenpolitischen Krise; die "stabile Krise" von 1912/14 als Stillstand zwischen den Verfassungsorganen im Kaiserreich bei zunehmender Beteiligung der Sozialdemokraten an der Reichspolitik sollte sich indes zur Krise des Ersten Weltkriegs (1914-1918) ausweiten, angefangen bei der Julikrise von 1914 nach der Ermordung des österreich-ungarischen Thronfolgers Ferdinand in Sarajevo. Der deutsche "Blankoscheck" für Österreich-Ungarn und ein "Automatismus der Allianzen" führten in den Krieg, den Deutschland nach der Besetzung Luxemburgs und Belgiens gegen Frankreich, Russland und Großbritannien zu führen hatte mit Österreich-Ungarn und dem Osmanischen Reich als Verbündete. Der Reichstag stimmte dabei den notwendigen Kriegskrediten zu, ein "Burgfrieden" bestand zwischen den politischen Parteien. Im von einer britischen Seeblockade eingeschlossenen deutschen Kaiserreich litt die Bevölkerung in den Wintermonaten zunehmend Hunger (Steckrübenwinter 1916/17); die Westfront gegen Frankreich und Großbritannien konnte noch gehalten werden, und russische Revolution (1917) und Frieden von Brest-Litowsk (1918) beendeten den Krieg im Osten. Der uneingeschränkte deutsche U-Bootkrieg führte aber dazu, dass sich die USA gegen Deutschland stellten, ab August 1918 befand sich das deutsche Reich an der Westfront in der Defensive, Befehlsverweigerungen und Streiks häuften sich, die Parteien unter der Führung der SPD forderten das Ende des Krieges und eine Parlamentarisierung und Demokratisierung des deutschen Reiches. Im Herbst 1918 hatten jedenfalls das deutsche Kaisertum und die es tragenden (agrar-) konservativen Eliten jegliche Legitimität in der Bevölkerung verloren, die deutsche Revolution von 1918/19 mit ihren Arbeiter- und Soldatenräten führte indes nicht nur zum vom letzten Reichskanzler Max von Baden initiierten Thronverzicht Wilhelms II., sondern zur Ausrufung der Republik. VII. Über das Fiasko des Ersten Weltkriegs hinweg blieb aber das deutsche Reich als Nationalstaat erhalten, mochte es in den Anfangsjahren der Weimarer Republik (1919/33) auch manche Abspaltungstendenzen gegeben haben. Die Nation wurde nicht in Frage gestellt. Zu verbindend war für die Deutschen die Entwicklung zu einer "säkularisierten demokratisierten industriellen Klassengesellschaft" (politische Mündigkeit) im Kaiserreich gewesen. Aber auch der deutsche Nationalismus besonders des Ersten Weltkriegs (Alldeutscher Verband u.a.) - gepaart mit Rassismus (Hereroaufstand in Deutsch-Südwestafrika 1904 u.a.) und Antisemitismus - rettete sich in die Weimarer Republik und wurde vor dem Hintergrund des den Ersten Weltkrieg beendenden Versailler Vertrags (1919) Grundlage für den Aufstieg von Nationalsozialismus und "Drittem Reich" (1933/45). [Buhlmann, 07.2017]

Nonn, Ulrich (1972), Merowingische Testamente. Studien zum Fortleben einer römischen Urkundenform im Frankenreich, in: AfD 18 (1972), S.1-129, auch als Sonderdruck, DM 15,-. I. Einleitung: "Aufgabe der Untersuchung ist es, Übernahme, Fortleben und Auskligen der römischen Urkundenform 'Testament' im Frankenreich nachzuzeichnen" (S.3). Diese Testamente treten in der Zeitspanne zwischen 533 und 739 auf. II. Das römische Testament: Grundlage des fränkischen Testaments ist das römische, das als Erbeinsetzungstestament in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. entstanden ist (Alleinerben, Adoption, Ausschluss von Erben). Am Ende der römischen Republik waren dann andere Testamentsformen vom soqenannten Libraltestament verdrängt worden, das - dem ius civile entsprechend - strengen Formen gehorchte, die freilich während der Kaiserzeit Wandlungen und Ab schwächungen unterlagen. Neben dieser Art von Testament traten seit Augustus Soldatentestamente und Kodizille (als "minderes Testamente") auf. In der Spätantike kam es unter Einfluss des Vulgarrechts zu weiteren Änderungen, die insbesondere eine Lockerung der strengen Formvorschrifen betrafen (z.B.: eigenhändig geschriebenes Testament). Aufgebaut waren spätrömische Testamente wie folgt: a) Datum- und Ortsangabe, b) Arenga, c) Testamentserklärung mit Nennung des Schreibers, der Zeugen usw., d) Kodizillarklausel, e) Erbeinsetzung, f) Enterbungsklausel, g) evtl. nochmals Datum und Ort, h) Unterschriften, i) Unterschrift des Schreibers, j) Zeugenliste. III. Das fränkische Testament: Die überlieferten Testamente sind: Remigius von Reims (Bischof) (533); Caesarius von Arles (Bischof) (27. März 542); Aridius und seine Mutter Pelagia (572); Bertram von Le Mans (Bischof) (27. März 616); Burgundofara (633/34); Adalgisel-Grimo (Diakon) (634); Hodoindus von Le Mans (Bischof) (6. Februar 645); N.N., Sohn der Idda, Gatte der Chramnethrud (ca.690); Eriminethrud (Ende 7. Jahrhundert); Widerad von Flavigny (Abt) (18. Januar 722); Abbo von Novalese (patricius) (739). Urkundlich und literarisch bezeugte Testamente stammen aus: Königsurkunden, Gregor von Tours, Vita Eparchii, Gesta der Bischöfe Auxerre usw. An Testamenten in den Formelsammmlungen sind nur wenige Testamentsformulare greifbar, etwa das Marculf-Formular, Nr.41 der Formelsammlung aus Angers, Nr.17 der Formulae Turonenses, ergänzt durch westgotische Formeln. IV. Das Formular der fränkischen Testamente: Das Grundformular besteht - grob gesagt - aus: 1. Invocatio, 2. Anfangsdatierung, 3. Intitulatio, 4. Handlungsfähigkeitspassus, 5. Innere Begründung, 6. Testamentserklärung, 7. Angaben über Schreiber, eigene Unterschrift und Zeugen, 8. Kodizillarklausel, 9. Erbeneinsetzung, 10. Enterbungsklausel, 11. Caput generale, 12. Testamentarische Verfügungen, 13. Nuncupatio, 14. Dolus-malus-Klausel, 15. Korrekturvermerk, 16. Actum mit Ortsangabe und zusammenfassender Datierung, 17. Unterschrift/en des Erblassers, der Zeugen, des Schreibers, 18. Nachträge. Als Erweiterungen des Formulars kamen vor: 1. Insinuationsvermerk, 2. Poen, 3. Adiuratio, 4. Stipulationsklausel. Als Ergebnisse ergeben sich: a) eine im Ganzen sehr konstante Reihenfolge der Formeln; b) die Testamentsgruppen: Bertram, Hadoindus von Le Mans - Widerad, Form. Marc. II, 17, Coll. Flav. 8 - Sohn des Idda, Erminethrud. V. Das Verhältnis von Urkunde und Formular am Beispiel des Widerad-Testaments: Verglichen werden das Widerad-Testament und das Formular von Flavigny. Folgende Beziehungen sind dann möglich: x -> Form. Marc. II, 17, Widerad-Testament -> Coll. Flav. 8. VI. Exkurs: Zur Wortgeschichte von testamentum: Im betrachteten Zeitraum - insbesondere im letzten Viertel des 7. Jahrhunderts - hat das Wort "testamentum" eine Bedeutungswandel hin auch zu nichttestamentarischen Schenkungen erfahren (besonders im nordöstlichen Raum des Frankenreichs). VII. Übersicht über die behandelten Testamente und Formulare. [Buhlmann, 06.1988]

Nonn, Ulrich (2010), Die Franken (= Urban Tb 579), Stuttgart 2010, 177 S., € 18,80. Nachvollzogen wird - unter ausgiebiger Benutzung der römisch-antiken Geschichtsquellen (erstes Auftreten des Frankennamens 291) - die fränkische Frühzeit von der Ethnogenese des fränkischen Stammesverbandes aus Chamaven, Brukterern, Chattuariern, Amsivariern, Saliern u.a. im 3. und 4. Jahrhundert über das Mit- und Gegeneinander von Römern und Franken am Niederrhein und in Gallien im 4. und 5. Jahrhundert bis zum salfränkischen Königtum Childerichs (461-482), des Vaters von Chlodwig (482-511), dem Begründer des merowingischen Frankenreichs. Neben den ereignisgeschichtlichen Entwicklungen finden aus der Archäologie gewonnene Erkenntnisse Eingang in die Schilderung von Lebensweise und Alltag der germanischen Stammesgruppe (Gräber und Siedlungen, Landwirtschaft, Alltagskultur). Der Schluss setzt sich mit dem frühmittelalterlichen Trojamythos (Franken als Trojaner, Xanten) auseinander. Eine Zeittafel, ein auf die zitierten Quellen bezogener Anmerkungsapparat und ein ausführliches Literaturverzeichnis ergänzen die gelungene Übersicht zur fränkischen Frühgeschichte vor dem Merowingerreich König Chlodwigs. [Buhlmann, 03.2011]

Nordfriesische Geschichte als: Geschichte Nordfrieslands. Neuausgabe, hg. v. Nordfriisk Instituut u.a. (= Schriftenreihe des Dr.-Carl-Haeberlin-Friesen-Museums Wyk auf Föhr NF 19): Tl.1 (2003/10): Bantelmann, Albert, Nordfriesland in vorgeschichtlicher Zeit, Bredstedt 2010, 80 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, € 9,90; Tl.2 (2004/10): Panten, Albert, Die Nordfriesen im Mittelalter, Bredstedt 2010, 80 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, € 9,90; Tl.3 (2007): Kuschert, Rolf, Nordfriesland in der frühen Neuzeit, Bredstedt 2007, 175 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, € 15,90. I. Vorgeschichte: Geologisch und geografisch formten die Eiszeiten des Quartärs die Landschaft Nordfrieslands (Nordwesten des Bundeslandes Schleswigh-Holstein, Bundesrepublik Deutschland) mit ihren Nordseeinseln, Marsch- und Geestgebiten (von West nach Ost betrachtet). Dabei führte das Abklingen der letzten Eiszeit (Spätglazial [bis 8000 v.Chr.], Holozän [ab 8000 v.Chr.]) schließlich zu einem massiven Anstieg des Meeresspiegels (Formung der nordfriesischen Küste ab 3000 v.Chr.). Altsteinzeitliche Spuren menschlicher Anwesenheit im nordfriesischen Gebiet finden sich für Eem-Interglazial (Faustkeilfund aus Drelsdorf, ca.120000 v.Chr.) und Spätglazial (Flintgeräte aus Ahrenshöft, 9. Jahrtausend v.Chr.). Mittelsteinzeitlich (8000-4000 v.Chr.) sind Funde von Geräten und Waffen (Mikrolithe, Knochenspitzen) insbesondere im nordfriesischen (Festlands-) Geestgebiet (Bordelum, Wyk auf Föhr). Die Jungsteinzeit (4000-2500 v.Chr.) führte zur Ausbreitung von Ackerbau und Viehzucht bei Verdrängung der bisherigen Wirtschaftsform der Jäger und Sammler. Ackerbau und Viehzucht bedingten eine durch Menschen erfolgte Umgestaltung der Landschaft, wie sie im Rahmen der nordeuropäische Megalithkultur nicht zuletzt durch die Errichtung großer Grabanlagen (Großsteingräber, Ganggräber [Harhoog (Keitum auf Sylt), Denghoog (Wenningstedt auf Sylt]; Grabbeigaben) sichtbar wird. Dabei ist die neolithische Megalithkultur mit der Trichterbecherkultur in Verbindung zu bringen (Steinbeile, Steinäxte, Keramik), die im Verlauf des 3. Jahrtausends v.Chr. durch kulturelle Entwicklungen der Steinbronzezeit (2500-1800 v.Chr., Einzelgrabkultur) abgelöst wurde (Flintgeräte und -waffen neben Bronzeimportware [Bronzedolche, -schwerter, -schmuck]; Handel). In der Bronzezeit (1800-500 v.Chr.) stellt sich die (Oberklassen-) Kultur der nordischen (älteren, mittleren) Bronzezeit als eine Kultur der Hügelgräber, Grabhügelgruppen und Bronzeschwerter dar (Bestattungen in Baumsärgen, Steinkisten und Urnen [Körper-, Brandbestattungen], Waffen als Grabbeigaben, bronzezeitliche Siedlungen [Norddorf, Thodendorf]), wobei ein Wandel bei den Bestattungen für die mittlere Bronzezeit festzustellen ist. Die vorrömische Eisenzeit (500 v.Chr.-Christi Geburt) ist gekennzeichnet durch eine vorraufgehende Klimaverschlechterung, die somit schlechtere Bewohnbarkeit des nordfriesischen Gebiets macht sich in einem Bevölkerungsrückgang bemerkbar, wenn auch nun vermehrt Gerätschaften und Waffen aus Eisen aufkamen (Bootsfunde, Siedlungen [Dunsum auf Föhr, Utersum]). Inwieweit die in der römischen Überlieferung bezeugten Kimbern und Teutonen der jütländischen Halbinsel zugeordnet werden können, ist unklar (römische Germanenkriege 113-101 v.Chr.). In der römischen Eisenzeit (Christi Geburt-4. Jahrhundert n.Chr.) findet sich eine dichte Besiedlung im Bereich der Geestinseln auf Wohnhügeln und Warften (Siedlung "Möllenknob" bei Archsum, Warftsiedlung Tofting [kaiserzeitliche Wohnhäuser, 2. Jahrhundert n.Chr.]). In die Völkerwanderungszeit (4.-7. Jahrhundert) ist der Eisenverhüttungspaltz Joldelund (4./5. Jahrhundert) und der "Marktplatz" auf der Insel Amrun (Strandmarkt, ca.500; Keramik, Glas) zu setzen; ein massiver Bevölkerungsrückgang wird für das 6. und 7. Jahrhundert angenommen. Die Wikingerzeit (8.-10. Jahrhundert) ließ durch Einwanderung der Friesen aus der Frisia zwischen Rheinmündung und Weser ein durch Friesen besiedeltes Nordfriesland entstehen; die friesische Besiedlung Helgolands (Forsitesland) fällt wohl ins 7. Jahrhundert. II. Mittelalter. Die friesische Besiedlung erfolgte während und nach der Wikingerzeit wohl in zwei Schüben, einmal verursacht durch die Kämpfe zwischen Friesen und fränkischem Reich im 7./8. Jahrhundert (fränkisch-merowingisches Utrecht, Dorestad als Handelsort, Friesenherzog Radbod [†719] und die karolingischen Hausmeier Pippin den Mittleren [†714] und Karl Martell [†741]) und entlang der friesischen Handelsrouten (Nordsee als mare Frisi(c)um, friesischer Handel im Frühmittelalter, Münzfunde in Friesland und Nordfriesland [Goldsolidus von Föhr, 7. Jahrhundert, Mitte; Schatz von englischen Silbermünzen von List auf Sylt, ca.1000]) sowie im Gefolge der dänischen Wikinger im 9. Jahrhundert (dänische Unternehmungen Rorics [857]), zum anderen wohl noch im 11. Jahrhundert (Hufendörfer in den Marschgebieten, Warften). Zum Frühmittelalter sind ältesten Burganlagen und Ringwälle Archsumburg (auf Sylt), Lembecksburg (auf Föhr) und Tinnumburg (auf Sylt) zu stellen, ebenso friesische Siedlungsplätze (Archsum auf Sylt; Dorf/Warft Elisenhof [Langhäuser als Wohnstallhäuser, Sodenbrunnen, Brücke über Priel, Floß], Tofting in Eiderstedt; Warft Toftum in Wiedinghard) und Grabhügelfelder (Urnenbestattungen, Grabbeigaben). Ab dem frühen Mittelalter war Nordfriesland eng mit dem dänischen Königreich verbunden; so soll es unter König Harald Blauzahn (ca.940-985) zu einer ersten Intensivierung dänischer Herrschaft gekommen sein. Parallel dazu muss bis ins 11. Jahrhundert mit der Christianisierung der Nordfriesen gerechnet werden. Am Ende des 11. Jahrhunderts setzte in Nordfriesland der Schutz des Landes durch aufwändige Deichbauten ein. Spätestens im hohen Mittelalter werden im nordfriesischen Raum - auf dem Festland und in den Utlanden - Verwaltungseinheiten (Harden als [Heeres-,] Rechtsbezirke, [Gerichts-] Ding) in Erscheinung. Das Hochmittelalter sah eine weitere Stärkung königlicher Macht, wenn es auch vereinzelt zu Thronstreitigkeiten kam (1151). Unter dem Dänenkönig Waldemar II. (1202-1241) kämpften Friesen auf Seiten des Herrschers gegen das eingedrungene deutsche Herr Kaiser Ottos IV. (1198/1208-1218) (1215) sowie gegen die Dithmarscher (1217/26); die Niederlage Waldemars in der Schlacht bei Bornhöved (1227) beendete allerdings die dänische Expansion nach Süden. Die Nordfriesen wehrten sich - unter Bezugnahme auf angebliche Privilegien Kaiser Karls des Großen (768-814) - erfolgreich gegen eine stärkere Besteuerung der "Dreilande" (Eiderstedt, Everschop, Utholm) durch die Könige Erich IV. (1241-1250) und Abel (1250-1252). Nach dem Tod Waldemars (1241) war es damit zu dynastischen Auseinandersetzungen gekommen; die Kirche und ein erstarkender Adel bestimmten wesentlich die Politik in Dänemark mit. Der politische und wirtschaftliche Niedergang Dänemarks gipfelte in der faktischen Regentschaft des Grafen und Pfandherrn Gerhard von Holstein (†1340; Kieler Friede 1332 [Verpfändung Frieslands an Gerhard]) während einer Thronvakanz (1332-1340), in der Ermordung Gerhards (1340) und der Konsoliderung dänischer Macht gegen Friesen (Schlacht bei Langsumtoft, Huldigung Pellworms 1344, Unterwerfung Pellworms 1354), Holsteiner und Schweden unter König Waldemar IV. Atterdag (1340-1375). Im Süden des dänischen Königreichs hatte sich aber bis dahin unumkehrbar fürstliche Macht in Form der Schauenburger Grafen von Holstein (Unterstellung der Edomsharde unter die Holsteiner Grafen 1358) und der (dänischen) Herzöge von Schleswig etabliert. Hinzu kamen die Auswirkungen der 1350 Nordfriesland erreichenden Pest ("Schwarzer Tod") und eine ab der Wende zum 14. Jahrhundert einsetzende Klimaverschlechterung, die (nicht nur) für Nordfriesland zu einer erhöhten Anzahl von Sturmfluten führte (1362, 14236 u.a.). Die "Große Mandränke" vom 15. bis 17. Januar 1362, eine der großen Naturkatastrophen des Mittelalters, brachte Landverluste im Bereich der Utlande sowie den Untergang Ringholts, des 1345 erstmals erwähnten Vororts der Edomsharde. Das späte Mittelalter sah auf Grund der vorgeschilderten Ereignisse allgemeinen ein (massiven) Bevölkerungsrückgang für Nordfriesland bei steigenden Steuerlasten für den dänischen König (Unterwerfung Pellworms, der Böking- und Horsbüllharde 1363). Nordfriesen aus Amrum, Föhr, Pellworm und Sylt (Königsfriesen) waren zudem an den Kaperkriegen König Waldemars IV. gegen die Hanse beteiligt; Helgoland erhielt 1356 vom Dänenkönig eine Befestigung; das Land Eiderstedt suchte Waldemar 1374 heim (Verlust der Privilegien und Freiheiten, Strafgeld und Besteuerung). Mit dem Tod Waldemars IV. (1375) und dem Herzog Heinrichs von Schleswig (1364-1375) konnten die Grafen von Holstein im südlichen Jütland und Friesland ausdehnen (Huldigung der Bökingharde 1377, Claus und Henneke Lembek, Belehnung der Holsteiner Grafen mit dem Herzogtum Schleswig 1386, zeitweise holsteinische Herrschaft über die Königsfriesen). Unter dem dänischen König Erich von Pommern (1396-1439) verstärkte sich der dänische Einfluss in Nordfriesland wieder (dänische Niederlage bei Sollerup 1410, Friedensvertrag von Kolding 1411, Nyborger Urteil 1413 und Herzogtum Schleswig), 1418 gelang dem Holsteiner Heinrich III. (1386-1421) die Einbeziehung der Beltring-, Edoms-, Lundenberg- Pellworm- und Wiriksharde in seine Herrschaft (holsteinische Niederlage in Dithmarschen 1403/04; Auseinandersetzungen zwischen Friesen und Dithmarschern 1405/17); im Krieg um das Herzogtum Schleswig und die von König Erich verweigerte Belehnung der holsteinischen Grafen damit standen bei weiterer Zurückdrängung des dänischen Einflusses in Nordfreisland (1420er-Jahre) die Friesen auf Seiten des holsteinisch-schleswigischen Herzogs (Waffenstillstand 1423, Urteil Kaiser Sigismunds 1424, dänisches Eindringen ins Herzogtum 1426, friesische Siebenhardenbeliebung und altes Landrecht 1427, Waffenstillstand 1432). Die Holsteiner setzten sich letztlich im Frieden von Wordingborg (1435) durch; für Nordfriesland bedeutete der Friedensvertrag, dass letztlich nur noch die Enklaven des Listlands (auf Sylt) und der Föhrer Westerharde mit Amrum dem dänischen Königshaus verbunden blieben. In der Folge des Wordingborger Friedens festigte der holsteinische Graf und schleswigische Herzog Adolf VIII. (XI., 1427-1459) auch seine Landesherrschaft über die Friesen (Steuererhebung, herzogliche Rechtsprechung [herzoglicher Amtmann Otto Split, altes friesisches Landrecht, Rechtsvorschriften für die Dreilande 1446], Regelung friesisch-dithmarschischer Konflikte). 1448 folgte im dänischen Königreich, 1459 in Holstein und Schleswig Christian I. von Oldenburg, der Neffe Herzog Adolfs VIII., in der Herrschaft (Personalunion) nach (1448/59-1481); Holstein und Schleswig sollten für die Zukunft ungteilt bleiben (Ripener Versicherung Christians von 1460: up ewig ungedeelt). Konflikte mit den Friesen gab es immer wieder um die Steuererhebung durch den König und Herzog (Usurpationen Graf Gerhards, des Bruders Christians, in Friesland, Schleswig und Holstein 1466/70; friesischer Aufstand, Belagerung Husums 1472; königliches Strafgericht). Die Königsherrschaft von Christians Sohn Hans (1481-1513) und die Volljährigkeit von dessen Bruder Friedrich I. (1490-1533) führten entgegen dem Ripener Versprechen (1460) zur Teilung von Herzogtum Schleswig und Grafschaft Holstein. Nordfriesland war von der Teilung insofern betroffen, dass die Nordergoesharde des schleswigischen Amtes Flensburg beim König verblieb (friesische Huldigung Herzog Friedrichs 1492, Ausbau Husums). Herzog Friedrich unterlag indes in der Schlacht bei Hemmingstedt den Dithmarschern (1500). III. Frühe Neuzeit. Eine weitere Teilung Schleswigs und Holsteins erfolgte 1544 unter Friedrich I., der 1523 zudem dänischer König geworden war; damit kam der Großteil Nordfrieslands (einschließlich Helgolands als Teil des Schleswiger Herzogtums) für die nächsten fast zweihundert Jahre an die Gottorfer Linie der Herzöge von Schleswig. Unterdessen hatte sich die Reformation in Dänemark, Schleswig und Holstein verbreitet; die bisherige Kirchenorganisation des Bistums Schleswig (Nordfriesland: Propsteien Eiderstedt, Ellumsyssel, Strand, Widau) war damit überholt (protestanische Kirchenordnung 1542), die mittelalterlichen nordfriesischen Pfarrkirchen wurden protestantisch-lutherisch (Kapellen in Tating [1103] und Garsand [1109], Keitumer Kirche [ca.1188], Olderuper Kirche [ca.1200], Pellwormer Kirchturm [ca.1200], Niebüller Kirche [1462]; Verluste an Pfarrkirchen durch Landverluste infolge von Sturmfluten). Politisch gesehen, herrschte im 16. Jahrhundert im Großen und Ganzen Frieden, was sich u.a. in den Bauaktivitäten der Schlesweiger Herzöge in Nordfriesland (Schloss vor Husum, Schloss in Tönning, Gründung Friedrichstadts 1621) und im zunehmenden Wohlstand der auch schon im Mittelalter wohlhabenden friesischen Bevölkerung widerspiegelte. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) und der Eintritt Dänemarks in den Krieg (1625; dänische Niederlage in der Schlacht bei Lutter 1626) beendete diese Friedensperiode; Truppen des römisch-deutschen Kaisers unter General Albrecht von Wallenstein drangen bis nach Jütland vor; auch Nordfriesland (Strand, Pellworm) war von den Kampfhandlungen betroffen, obwohl der Gottorfer Herzog Friedrich III. (1616-1659) versuchte, das Herzogtum Schleswig aus den Auseinandersetzungen herauszuhalten. Erst der Frieden von Lübeck (1629) brachte diesbezüglich Entlastung, wenn auch die Spannungen zwischen dem dänischen Königshaus und den Gottorfer Herzögen nicht abklangen bzw. sich verschärften (dänischer Revanchekrieg gegen Schweden 1657/60, Altonaer Vergleich 1689). Der Große Nordische Krieg (1700-1721) sah die dänische Besetzung des Gottorfer Herzogtums (1700; Belagerung der Festung Tönning 1700) und den baldigen Rückzug des dänischen Königs Christian V. (1670-1699) (Frieden von Traventhal 1700), während das Gottorfer Herzogshaus weiterhin auf schwedischer Seite gegen Dänemark stand (schwedische Besetzung der Herzogtümer Holstein und Schleswig 1709, Belagerung Tönnings 1713/14). Der Nordische Krieg endete mit der Niederlage Schwedens und der Einverleibung des Gottorfer Anteils des Schleswiger Herzogtums in die dänische Herrschaft (1721). Nordfriesland war damit vollständig mit dem dänischen Königshaus und erlebte politisch ein ruhiges 18. Jahrhundert. In Nordfriesland standen sich in Gottorfer und dänischer Zeit Landesherrschaft und Organe der Selbstverwaltung gegenüber, wie an der Landschaft Eiderstedt ("Dreilande"; Selbstverwaltung, Pfarrorganisation, Abkehr von der friesischen Sprache), den Utlands- (Altnordstrand, Föhr und Amrum, Sylt) (Gerichtsbarkeit und Recht in den Utlanden: "Rotes Buch von Tönning" 1466, Gesetzgebung von 1572, Deichrecht ["Spadelandesrecht"]) und den Geestharden (freie Bauern als "Bonden/Bohnsleute", Hardesgerichtsbarkeit [Hardesvogt, Birkvogt, "Sandmänner", "Neffninger" als Urteiler]) zu erkennen ist. Kulturell trat eine nordfriesische Geschichtsschreibung hervor, wirtschaftlich spielten im Zeitalter des Merkantilismus Städte (Friedrichstadt, Garding, Husum, Tönning, Tondern) als Handels- und Gewerbeplätze eine Rolle, ebenso deren agrarisches Umfeld (Viehzucht ["Ochsenweg", Viehmärkte], Ackerbau [Gewannfluren, Flurzwang], Bock- und Holländermühlen, Bauernhäuser, Siedlungsausbau [Moore, Heiden, Landgewinnung durch Eindeichung]) und die Verkehrswege (Eiderkanal 1777/84). Gegen die Sturmfluten der Nordsee (zweite "Mandränke" vom 11. Oktober 1634, Weihnachtsflut vom 24.-25. Dezember 1717) spielten Deichbau und Deichorganisation weiterhin eine große Rolle (niederländische Zuwanderung und "oktroyierte" Köge). Schließlich war die Seefahrt von jeher aus Nordfriesland nicht wegzudenken (Seehandel, Kaperei, Walfang, Robbenschlag, Fischfang, Vogelfang). [Buhlmann, 03.2016, 09.2018]

Nordrheinisches Klosterbuch. Lexikon der Stifte und Klöster bis 1815 (= Studien zur Kölner Kirchengeschichte, Bd.37), hg. v. Manfred Groten, Georg Mölich, Gisela Muschiol, Joachim Oepen, Redaktion: Wolfgang Rosen: Tl.1 (2009): Aachen bis Düren, Siegburg 2009, Tl.2 (2013): Düsseldorf bis Kleve, Siegburg 2013 > K Klosterbücher

Norman, David (2005), Dinosaurier (= RUB 18694), Stuttgart 2011, Schwarzweißabbildungen, Karten, 238 S., € 6,60. I. Nicht nur die Menschheit hat eine Geschichte, sondern u.a. auch die Tierwelt auf dem Planeten Erde, wenn auch letztere in den geologischen Zeiträumen der Paläontologie. Deren Beschäfigung mit den Arten und Gattungen der Dinoaurier des Erdmittelalters (Mesozoikum: Trias, Jura, Perm) heißt Dinosaurierforschung und umfasst Suche und Auswertung von (versteinerten) Fossilien. Für die Entwicklung der Dinosaurierforschung seit dem 19. Jahrhundert waren die Entdeckung spezieller Dinosaurier (Iguanodon, Deinonychus, [Archaeopteryx]) und deren Auswertung durch bedeutende Forscher (Richard Owen [†1892], Louis Dollo [†1931], John Ostrom [†2005], David Norman) wichtig. Heute stellt sich die Dinosaurierforschung dar als eine differenzierte Wissenschaft mit den Hilfswissenschaften Ichnologie und Koprolithforschung sowie mit wissenschaftlichen Verfahren (Kladogramme, Isotope, Scanning). II. Als Ergebnisse der Dinosaurierforschung können dann gelten: Vor dem Hintergrund des geologischen Zerfalls des irdischen Einheitskontinents Pangaea im Mesozoikum traten in der Mitteltrias (vor 234 Millionen Jahren) erste Dinosaurierarten auf; gemeinsam war den Dinosauriern, dass sie als aufrecht stehende Reptilien begriffen werden können. Zwei Hauptgruppen bildeten sich in der Folgezeit (Obertrias, vor 220 Millionen Jahren) heraus: Saurischier (Echsenbeckensaurier) und Ornithischier (Vogelbeckensaurier). Die Saurischier gliederten sich in Sauropodomorphen (pflanzenfressende Tiere mit großem Rumpf, langem Hals, langem Schwanz, sich fortbewegend auf vier Beinen: Diplodocua, Brachiosuriden, Titanosaurier) und Theropoden (fleischfressende Tiere mit kräftigem Schwanz, sich fortbewegend auf zwei Beinen: Deinonychus, Gigantosuarus, Allosaurus, Baryonyx, Spinosaurus, Tyrannosaurus), die (pflanzenfressenden) Ornithischier in Thyreophoren (vierfüssige Tiere mit Knochenschuppen: Stegosaurus, Euoplocephalus), Cerapoden (als Zweifüßer: Hypsilophodon, Iguanodon und Iguanodonten, Marginocephalier) und Ceratopier (mit Horn und Kragenknochen: Protoceratops, Triceratops). Die Vielfalt der rund 900 bis jetzt aufgefundenen Dinosaurierarten erklärt sich aus einer weiter größeren Artenvielfalt während des für die Dinosaurier klimatisch günstigen (warmen) Erdmittelalters bei einer weiten evolutionär-geografischen Ausdifferenzierung dieser Tierpopulation (Verbreitung von Dinosaurierarten und geologisch-tektonische Prozesse). Infolge der Kontinentaltrennung und -verschiebung im späten Jura (vor 150 Millionen Jahren) entwickelten sich z.B. Iguanodonten und Hadrosaurier aus einer gemeinsamen Vorfahrengruppe von Dinosauriern. Die Ausdifferenzierung beinhaltete auch, dass es wohl wechselwarme und warmblütige Dinosaurierarten gegeben hat. Auch die Abstammung der Vögel von den Dinosauriern ist möglich, wenn die Entwicklung von kleinen Theropoden (Compsognathus) über die Dromaeosaurier hauptsächlich seit dem mittleren Jura (Sinosauropteryx, Protoarchaeopteryx; Befederung von Saurierarten) zum "Urvogel" Archaeopteryx greift. Das Aussterben vieler Tierarten - u.a. der Dinosaurier - im Übergang vom Zeitalter der Kreide zu dem des Tertiär (KT-Grenze; vor 65 Millionen Jahren) ist mit Unklarheiten behaftet (klimatischer Wandel hin zu jahreszeitlichen Änderungen?, Meteoreinschlag/-einschläge auf der Erde?). [Buhlmann, 04.2017]

Normandie, Landschaft im nördlichen Frankreich: I. In der Normandie, gelegen zwischen Seine und Mont-Saint-Michel, zwischen Kanalküste und Pariser Becken (Haute Normandie, Basse Normandie), reichen menschliche Besiedlungsspuren zurück in die Altsteinzeit (Höhlen, Feuerstein), von da in die Megalithkultur (Dolmen, Menhire), die Bronzezeit (Zinnexport aus Cornwall) und die römische Zeit (römische Eroberung Galliens 58/51 v.Chr., römische Straßen und Orte). In der römischen Spätantike (4./5. Jahrhundert n.Chr.) war die Normandie Teil der Provinz Lugdunensis secunda mit den civitates Avranches, Coutances, Évreux, Liseux, Rouen und Sées. Der litus Saxonicum diente der Abwehr germanischer Überfälle zur See über die Kanalküste. Im Verlauf des 5. Jahrhunderts wird die Normandie fränkisch. II. In den folgenden Jahrhunderten (6./9. Jahrhundert) war die Normandie (eher ein peripherer) Teil des Frankenreichs der merowingischen und karolingischen Könige (christliche Missionierung, Klostergründungen [Fécamp, Jumièges, St. Ouen, St. Wandrille]). Im 9. Jahrhundert sah sich die Küstenlandschaft den Plünderungszügen der Wikinger ausgesetzt (Rouen 841 u.a.), die Normandie wurde Teil des Westfrankenreichs (Zerfall des karolingischen Gesamtreiches). III. Die Normannen als mittelalterliche Bewohner der Normandie entstanden durch Ansiedlung von Wikingern an der unteren Seine und der vom Westfrankenherrscher Karl III. den Einfältigen (898-923) anerkannten Herrschaftsbildung des "Normannen" Rollo (†927/30) (ca.876, 911 [angeblicher? Vertrag von Saint-Clair-sur-Epte]). Im 10. Jahrhundert entwickelte sich die Grafschaft, Markgrafschaft und das Herzogtum Normandie unter den Nachkommen Rollos als Herrschaftsträgern und damit einhergehend bei normannischer Siedlung und Integration, bei Christianisierung und Herrschaftsstabilisierung. Für Herzog Wilhelm II. den Eroberer (1035-1087) erwies sich die Normandie als Sprungbrett für die Eroberung des angelsächischen England (Schlacht bei Hastings 1066), im 12. Jahrhundert war die Normandie Teil des anglo-normannischen Reichs der Plantagenet Heinrich II. (1149-1189) und Richard I. Löwenherz (1189-1199), 1204 ging das Herzogtum an den König von Frankreich verloren. IV. Im Hundertjährigen Krieg (1339-1453) wurde die Normandie wieder englisch (Schlacht bei Azincourt 1415, Einnahme Rouens 1419, Verbrennung Jeanne d'Arcs in Rouen 1431), in den 1440er-Jahren vollzog sich die französische Rückeroberung (Fall Cherbourgs 1450). Die Normandie wurde ein durchaus eigenständiger Teil des Königreichs Frankreich (Charte aux Normands 1458), reformatorisches Gedankengut fand dort Anklang (hugenottische Auseinandersetzungen 1562/63, Schlacht bei Arques-la-Bataille 1589, Toleranzedikt von Nantes 1598). Das 17. Jahrhundert sah die weitere Eingliederung der Normandie in das absolutistische französische Königreich (Zergliederung der Provinz Normandie), die aus der Französischen Revolution (1789) hervorgehende Republik Frankreich untergliederte die Normandie in fünf Départements (1793). V. Industrialisierung und die wirtschaftlichen Entwicklungen der Moderne prägten auch die Normandie des 19. und 20. Jahrhunderts (Eisenbahnbau, Eisenbergbau, chemische Industrie, Tourismus), während die Landschaft im Nordwesten Frankreichs politisch mit dem französischen Kaiserreich Napoleons, dem Königreich Frankreich und den französischen Republiken verbunden blieb (deutsch-französischer Krieg 1870/71, Erster Weltkrieg 1914/18, Zweiter Weltkrieg 1939/45 [Normandie als Bestandteil der "Festung Europa", alliierte Invasion 1944]). VI. Historische Städte und Stätten der Normandie sind u.a.: Alencon, Avranches, Bayeux, Caen, Cherbourg, Coutances, Dieppe, Étretat, Eu, Évreux, Falaise, Fécamp, Gisors, Honfleur, Jumièges, Le Havre, Lessay, Lisieux, Louviers, Mainneville, Mont-Saint-Michel, Pont-Audemer, Rouen, Saint-Wandrille, Sées, Thaon, Verneuil-sur-Avre (nach: Schäfke, Normandie).
Vgl. Musset, Lucien (1974), Analyse socio-economique de quelques recueils de miracles dans la Normandie du XIe au XIIIe siècle, in: Annales de Normandie 24,1 (1974), S.3-36, 287-290; Palgrave, Francis (1851/64), The History of Normandy and of England, Vol.I: General Relations of medieval Europe, London 1878, L, 753 S., Vol. II: The three first dukes of Normandy, London 1857, XLVII, 916 S., Vol. III: Richard Sans-Peur, Richard Le-Bon, Richard III., Robert Le-Diable - William the Conqueror, London 1864, XXVII, 662 S., Vol. IV: William Rufus, Accesssion of Henry Beauclerc, London 1864, XX, 734 S., zus. DM 240,-; Schäfke, Werner (1981), Die Normandie. Vom Seine-Tal zum Mont-Saint-Michel (= DuMont Kunst-Reiseführer), Köln 71990, 305 S., Schwarzweißabbildungen, Schwarzweiß-, Farbtafeln, Pläne, Karten, DM 39,80. [Buhlmann, 07.2019]

Normannen und deren mittelalterliche Herrschaftsbildungen: Die Normannen als mittelalterliche Bewohner der Normandie entstanden - in der Phase der Wikingereinfälle ins Franken- bzw. Westfrankenreich (ab 810) - durch Ansiedlung von Wikingern an der unteren Seine und der vom Westfrankenherrscher Karl III. den Einfältigen (898-923) anerkannten Herrschaftsbildung des "Normannen" Rollo (†927/30) (ca.876, 911 [angeblicher? Vertrag von Saint-Clair-sur-Epte]). Im 10. Jahrhundert entwickelte sich die Grafschaft, Markgrafschaft und das Herzogtum Normandie unter den Nachkommen Rollos als Herrschaftsträgern und damit einhergehend bei normannischer Siedlung und Integration, bei Christianisierung und Herrschaftsstabilisierung. Für Herzog Wilhelm II. den Eroberer (1035-1087) erwies sich die Normandie als Sprungbrett für die Eroberung des angelsächischen England (Schlacht bei Hastings 1066), im 12. Jahrhundert war die Normandie Teil des anglo-normannischen Reichs der Plantagenet Heinrich II. (1149-1189) und Richard I. Löwenherz (1189-1199), 1204 ging das Herzogtum an den König von Frankreich verloren. In England integrierte sich die normannische Oberschicht schnell (innerhalb von vier Generation) in das angelsächsische Umfeld. Die Normandie war auch Ausgangspunkt für (misslungene und erfolgreiche) normannische Staatenbildungen im Mittelmeerraum. Zu nennen sind diesbezüglich die Normannen, die ab der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert in Süditalien als Pilger, Söldner und Einwanderer in Erscheinung traten und die zwischen römisch-deutschem Reich, byzantinischem Reich, Papsttum und langobardischen Herzogtümern zunächst Melfi, dann Apulien und Sizilien (normannische Eroberung Siziliens 1061/91 durch Roger I. [1061-1101]) ihrer Herrschaft unterwarfen. Roger II. (1101-1154) herrschte als König (1130) über Unteritalien und Sizilen, das normannische Königreich Sizilien fand mit der Eroberung durch den deutschen Kaiser Heinrich VI. (1190-1197) sein Ende (1194). Von Süditalien aus richteten sich normannische Angriffe auf das benachbarte byzantinische Reich (Einnahme von Dyrrhachion durch Robert Guiscard [1059-1085] 1081/82 und byzantinischer Sieg 1085), Normannen standen schon länger im Sold der byzantinischen Kaiser (Hervé [1038/40], Robert Crispin [1068/73], Roussel von Bailleul [1063/78] und dessen anatolische Herrschaft [1071/74]). Bohemund (†1111), dem Sohn des apulisch-kalabrischen Herzogs Robert Guiscard, gelang schließlich beim 1. Kreuzzug (1096-1099) die Bildung des Fürstentums und Kreuzfahrerstaats Antiochia (1098) unter seiner Herrschaft; er scheiterte jedoch gegen Byzanz (Belagerung Dyrrhachions 1107/08 und Vertrag von Devol 1108). Das Fürstentum Antiochia, dessen normannische Oberschicht in der "Schlacht auf dem Blutfeld" (1119) stark dezimiert wurde, sollte bis zum Jahr 1268 bestehen bleiben. Schließlich ist noch die ephimere Herrschaftsbildung des Normannen Robert Burdet (1129-1155) und seines Sohnes Wilhelm (1153/55-1177) im spanischen Tarragona (1129-1149/53/77) zu nennen.
Zur Geschichte der Normannen s. die Überblicke: Brown, R. Allen (1988), Die Normannen (= dtv 11390), München 21991, 250 S., Abbildungen, Karten, DM 12,80; Houben, Hubert (2012), Die Normannen (= BSR 2755), München 2012, 5 Karten, 4 Stammtafeln, 128 S., € 8,95; Plassmann, Alheydis (2008), Die Normannen. Erobern - Herrschen - Integrieren (= Urban Tb 616), Stuttgart 2008, 366 S., € 18,80; Simek, Rudolf (2018), Die Geschichte der Normannen. Von Wikingerhäuptlingen zu Königen Sizliens, Stuttgart 2018, 280 S., Farbtafeln, Karten, € 22,-. [Buhlmann, 09.2008, 01.2013, 08.2018]

North, Michael (1997), Geschichte der Niederlande (= BSR 2078), München 42013, 140 S., Karten, Zeittafel, € 8,95. Gegen Ausgang des Mittelalters war das Gebiet der heutigen Niederlande bzw. des heutigen Belgien war weitgehend eingebunden in den Herrschaftsbereich der burgundischen Herzöge Philipp des Guten (1419-1467) und Karl des Kühnen (1467-1477). Der flandrische Raum war gegenüber Holland der wirtschaftlich stärkere (Textilien, Handel; Großstädte Antwerpen, Brügge, Brüssel, Gent), doch bildete sich auch im Holland des 15. Jahrhunderts zunehmend eine Städtelandschaft aus (Tuche, Bier, Fischfang, Frachtschifffahrt [Ostsee]). Städtisches Autonomiestreben und fürstlicher Herrschaftsanspruch kollidierten aber des Öfteren (Brügger Aufstand [1436/38], Genter Aufstand [1453]), während höfische und städtische Kultur am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit eine Symbiose eingingen (flämische Malerei [Rogier van der Weyden, Robert Campin, Jan van Eyck], Teppichweberei, Musik im "flämischen Stil"). Nach dem Untergang Karls des Kühnen (Schlacht bei Nancy 1477) gelangte das burgundische Herrschaftsgebiet weitgehend an die Habsburger; Herrschaftsschwerpunkt Philipps des Schönen (1482/94-1506) und Karls (V., 1515/19-1556) war dabei der holländisch-flandrische Raum (Genter Kapitulation 1498, 17 niederländische Provinzen [Tournai 1521, Friesland 1524, Utrecht 1528, Groningen 1536, Geldern/Zutphen 1543]). Im Zeitalter von Humanismus und Reformation (devotio moderna, Erasmus von Rotterdam [*1469-†1536], Ketzerverfolgung, Calvinismus und Confessio Belgica [1561]) expandierten die Niederlande ökonomisch (Aufstieg Antwerpens 1495/1525, Schiffbau, Intensivierung von Landwirtschaft, Spezialisierung des Handwerks). Der Aufstand der Niederlande gegen die habsburgisch-spanische Herrschaft unter König Philipp II. (1555-1598) führten zu "Genter Pazifikation" (1576) und "Ewigem Edikt" (1577), zur Niederlage von Gembloux (1578) und zur Spaltung der 17 Provinzen in einen wallonischen (Union von Arras 1579) und einen nördlichen Teil (Unionsvertrag von Utrecht 1579). Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts hatte sich das Territorium der Niederländischen Republik - entstanden aus politischen, sozialen und religiösen Gründen (Freiheit der Stände, Aufstieg der städtischen Mittelklasse, Calvinismus) - ausgebildet. Territorium und Republik der Vereinigten Niederlande wurden dann im Westfälischen Frieden (1648) ausdrücklich anerkannt. Das "Goldene Zeitalter" der Niederlande im 17. Jahrhundert fußte auf einer föderalen Verfassung, in der die aristokratisch-bürgerlich geprägten Generalstände als Gesamtstaatsorgan eine wichtige Rolle spielten, ebenso die Ämter des Statthalters und des Ratspensionärs in Krieg und Frieden (Konflikte um das Statthalteramt der Oranier). Die Niederlande behaupteten sich politisch als Großmacht im Ersten Englisch-Niederländischen Krieg (1652-1654; Navigation Act 1651) sowie im Zweiten Englisch-Niederländischen Krieg (1665-1667; Frieden von Breda 1667), dem der Dritte Englisch-Niederländische Krieg (1672-1674) folgte und eine Eheverbindung zwischen dem niederländischen Statthalter Wilhelm III. von Oranien (1672-1702) und Maria Stuart (†1694), einer Nichte des englischen Königs Karl II. (1660-1685); die Ehe eröffnete den Oraniern den Weg zum englischen Königsthron (Glorious Revolution 1688). Die Niederlande wurden ebenfalls zu einer Drehscheibe des Welthandels (Landwirtschaft, Fischerei, Textilherstellung, Schiffsbau, Schifffahrt, Dienstleistung [Banken, Finanzen, Edelmetallhandel], Westindien-, Afrikahandel [Verenigde Ooost-Indische Compagnie 1602, West-Indische Compagnie 1621]). Die niederländische Gesellschaft des 17. Jahrhunderts prägten einer hoher Grad der Urbanisierung, soziale Einrichtungen, Kunst und Kultur (niederländische Malerei [Esaias van de Velde, Jan Porcellis, Pieter de Molijn, Johannes Vermeer], Literatur, Gelehrsamkeit und Philosophie [Hugo Grotius, Christian Huygens]). Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) verloren die Niederlande ihre Rolle als Großmacht, Folge war eine strikte Neutralitätspolitik u.a. im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740-1748; französische Besetzung der Niederlande 1747, Erbstatthalterschaft Wilhelms IV. von Oranien [1748-1751]) und im Siebenjährigen Krieg (1756-1763). Der Vierte Englisch-Niederländische Krieg (1780-1784) endete mit einer Niederlage; dem entsprach eine wirtschaftliche Stagnation im 18. Jahrhundert. Im Zeitalter der Französischen Revolution (1789) entstand (nach dem Ende der österreichischen Niederlande 1794) die Batavische Republik (1795), dann ein französisches Königreich (1810). Mit dem Untergang Napoleons (1813/15) übernahm Wilhelm I. von Oranien (1815-1840) als König die Macht über die nördlichen und südlichen (ehemals habsburgischen) Niederlande, bis sich der Süden im Revolutionsjahr 1830 als Belgien vom Norden abspaltete. Das niederländische Königreich stellte sich ab dem Revolutionsjahr 1848 als parlamentarische Monarchie dar (Zweikammersystem, Grundrechte, Bildung, politische Organisationen [Arbeiterschaft], entstehendes Parteiensystem und gesellschaftliche "Versäulung"). Wirtschaftlich entwickelten sich die Niederlande im 19. Jahrhundert von einer Handels- zu einer Industrienation, wobei die Industrialisierung (Kanäle, Eisenbahn, Infrastruktur) erst spät verspätet einsetzte; hingegen gelang nach der Verstaatlichung der Verenigden Ooost-Indischen Compagnie (1798) der Aufbau einer zeitweise (1850/60er-Jahre) wirtschaftlich einträglichen Kolonialherrschaft in Niederländisch-Indien (Sumatra, Bali, Borneo, Celebes; Cultuurstelsel, privates Unternehmertum, Herrschaftsintensivierung). Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) waren die Niederlande neutral, die Einführung von Verhältnis- (1917) und Frauenwahlrecht (1919) schuf eine parlamentarische Parteiendemokratie. Negative ökonomische Auswirkungen hatte die Weltwirtschaftskrise (ab 1929). Im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) wurden die Niederlande von deutschen Truppen besetzt (1940), während Niederländisch-Indien von den Japanern erobert wurde (1942). Die alliierte Befreiung der Niederlande (1944/45) und das Ende des Krieges (1945) führten zur Aufgabe der niederländischen Neutralität bei europäischer Integration (Benelux-Zollunion 1948, Beitritt zum Nordatlantikpakt NATO 1949, Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG 1957). Parallel dazu verlor die Niederlande im Rahmen eines zum Teil schmerzhaften Dekolonisationsprozesses ihre Kolonien (Unabhängigkeit Indonesiens 1949, Unabhängigkeit Surinams 1975). Im Auf und Ab der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung ab der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts (Vereinbarung von Wasssenaar 1982, Vertrag von Maastricht 1992, Globalisierung und Weltwirtschaft) wirkt(e) das oranische Königshaus für die Niederlande stabilisierend (Königinnen Juliana [1948-1980], Beatrix [1980-2013]). Vgl. Elbin, Günther (1971), In Holland, München 1971, 364 S., Schwarzweißtafeln, Farbbilder, Karte, DM 17,80; Lademacher, Horst (1983), Geschichte der Niederlande. Politik, Verfassung, Wirtschaft, Darmstadt 1983, 580 S., Schwarzweißtafeln, Zeittafel, DM 20,-. [Buhlmann, 12.2014, 12.2017, 10.2018]

Norwegische Geschichte: Norwegen nimmt den westlichen Teil Skandinaviens als Teil Kontinentaleuropas ein (Inseln, Fjorde, Berge). Die Zeit der Nordgermanen und Wikinger (8.-11. Jahrhundert) steht am Anfang norwegischer Geschichte, die nichtdestotrotz bis in Altsteinzeit und Eiszeitalter (40000/30000 vor heute) zurückreicht (Mesolithikum, Neolithikum, Bronzezeit, Eisenzeit). Im frühen Mittelalter (jüngere Eisenzeit, 6.-11. Jahrhundert) dominierten kleinräumige politische Strukturen (Häuptlingstümer, Kleinreiche im östlichen Norwegen), Ansätze zu übergeordneter politischer Herrschaft u.a. unter König Harald I. Schönhaar (ca.872) blieben zunächst ohne Erfolg. Erst das Eindringen des Christentums nach Norwegen (11./12. Jahrhundert, Erzbistum Lund [1152]) stützte auch die Herrschaft der Könige Olaf I. Trygvasson (995-1000), Olaf II. der Heilige (1015-1028) bis - nach langdauernden Auseinandersetzungen zwischen Baglern und Birkebeinern (1204/17) - hin zur endgültigen Verfestigung des norwegischen Königtums unter Haakon IV. Haakonsson (1217-1263); damals umfasste das norwegische Königreich auch Island und Grönland, die Inselgruppen der Shetlands und Orkneys, die Insel Man und die Hebriden (beide abgetreten an Schottland [1266]). Der Wechsel von der Sverre-Dynastie zu der der Folkunger beim Tod Haakons V. Magnusson (1299-1319) vereinigte Norwegen mit Schweden unter König Magnus VII. Eriksson (1319-1355); der Folkunger Olaf IV. (1380-1387) war zudem König von Dänemark, seine Mutter Margarete I. (1380/88-1412) begründete die Kalmarer Union zwischen Dänemark, Norwegen und Schweden (1397), Norwegen blieb unter der Dynastie der oldenburgischen Dänenkönige (1450-1814) bis 1814 (als dänische Provinz, Königsgesetz von 1665) mit dem dänischen Königreich verbunden. Der Kieler Frieden (1814) sah dann mit einer liberalen Verfassung ausgestattete Norwegen als Teil des schwedischen Königreichs (1814-1905; Spannungen zwischen dem norwegischen Storting [Parlament] und den schwedischen Königen, schwedische Statthalterschaft [-1873], parlamentarische Regierung in Norwegen [1884], allgemeines norwegisches Wahlrecht [1898/1913]). Die politische Union zwischen Norwegen und Schweden wurde aufgelöst (1905), Norwegen wurde unter der Dynastie der Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburger ein eigenes Königreich (1905-heute). Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) neutral, wurde Norwegen, das über eine funktionierende Demokratie verfügte, im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) von deutschen Truppen besetzt (1940; Flucht von König und Regierung nach Großbritannien, "Regierung" des Vidkun Quisling [1942/45], Judendeportationen, Umsiedlungen). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Norwegen Teil der NATO (1949), eine norwegische Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft bzw. der Eurpäischen Union war politisch nicht gewollt (1972, 1994). Heute gehört Norwegen als Königreich zu den reichen skandinavischen Demokratrien (Öl- und Gasexporte, Tourismus u.a.).
Zu Norwegen s.: Kamphausen, Alfred (1983), Norwegen. Ein Führer, München 21985, 384 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Karten, DM 38,-. [Buhlmann, 05.2022]

Norwich, John Julius (1993/96), Byzanz: Bd.1: Der Aufstieg des oströmischen Reiches, Düsseldorf-Wien-New York-Moskau 1993, Bd.2: Auf dem Höhepunkt der Macht (800-1071), Düsseldorf-Wien-New York-Moskau 1994, Bd.3: Verfall und Untergang (1072-1453), Düsseldorf-Wien-New York-Moskau 1996 > B Byzantinische Geschichte

Nossack, Hans Erich, deutscher Schriftsteller: Hans Erich Nossack (*1901 in Hamburg, †1977 in Hamburg), Abiturient, Student der Kunstgeschichte, Literatur- und Rechtswissenschaft, Hilfsarbeiter, Bankkaufmann und Kaufmann im väterlichen Handelsunternehmen, betätigte sich ab 1926 auch als Schriftsteller, war ab 1956 ein freier Schriftsteller. Der Prosatext Der Untergang (1948) machte aus Nossack einen wichtigen Schriftsteller der deutschen Nachkriegszeit. Weitere Veröffentlichungen des Autors sind: Nossack, Hans Erich (1947), Nekyia. Bericht eines Überlebenden (= BS 72), Nachdruck Frankfurt a.M. 1964, 154 S., DM 4,80; Nossack, Hans Erich (1956), Unmögliche Beweisaufnahme (= BS 49), Nachdruck Frankfurt a.M. 1956, 212 S., DM 5,80. [Buhlmann, 09.2023]

Nottarp, Hermann (1916), Das Ludgersche Eigenkloster Werden im 9. Jahrhundert, in: HJb 37 (1916), S.80-98 > W Werden

Novalis, deutscher Schriftsteller: Novalis, eigentlich (Georg Philipp) Friedrich von Hardenberg (*1772-†1801), entstammte einer niedersächsisch-kursächsischen Adelsfamilie, der Vater Heinrich Ulrich Erasmus von Hardenberg (*1738-†1814) war Salinendirektor, Friedrich der Zweitgeborene unter den elf Kindern des Erasmus, Gottlob Friedrich Wilhelm von Hardenberg (*1728-†1800) Landkomtur des Deutschen Ordens und der Onkel Friedrichs. Zunächst unterrichtet von Hauslehrern, besuchte Friedrich die Abschlussklasse des Eislebener Gymnasiums, um ab 1790 in Jena Jura zu studieren, später in Leipzig und Wittenberg. In Jena schloss Hardenberg Bekanntschaft mit Friedrich Schiller, Johann Wolfgang Goethe und Johann Gottfried Herder; Freundschaft verband den Hardenberger mit Friedrich Schlegel. 1794 war Hardenbergs Jurastudium abgeschlossen, es schloss sich die Arbeit als Aktuar und in der Weißenfelser Salinendirektion an (Salienassessor 1799, Supernumerar-Amtshauptmann 1800), weiter (ab 1797) ein Studium der Montanwissenschaften an der Bergakademie im sächsischen Freiberg. Friedrich von Hardenberg beschäftigte sich zudem mit der Philosophie des "Ichs und Nicht-Ichs" von Johann Gottlieb Fichte (1795/96; "Liebesreligion" Hardenbergs und dessen neue, von der Vorstellungskraft geleitete Ästhetik). Unter dem Pseudonym "Novalis" war Hardenberg auch schriftstellerisch tätig; seine Gedichte (Hymnen an die Nacht, 1800) und philosophischen Blüthenstaub-Aphorismen (1798) machten aus Novalis einen der bedeutendsten Vertreter der (deutschen) Frühromantik ("Jenaer Romantik" 1799). Nur als Fragmente überliefert sind die Romane Novalis' Heinrich von Ofterdingen (1800/02) und Die Lehrlinge zu Sais (1798/99/1802). Die Werke von Novalis lassen eine mystisch-transzendente Religiosität erkennen, ein "poetisches Christentum" (Europarede "Die Christenheit oder Europa" 1799), eine Ästhetik der Dichtkunst. Verlobt war Hardenberg mit Sophie von Kühn (†1797) und Julie von Charpentier (†1811). Hardenberg starb am 25. März 1801 letztlich wohl an den Folgen der Erbkrankheit Mukoviszidose. Zu Novalis s.: Seidel, Margot (1988), Novalis. Eine Biographie, München 1988, 415 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, Karte, DM 49,-. [Buhlmann, 10.2023]

Nu

Nunn, Astrid (2012), Der Alte Orient. Geschichte und Archäologie, Darmstadt 2012, 208 S., Farbabbildungen, Karte, Pläne, Zeittafel, € 24,95. I. Alter Orient meint hauptsächlich Mesopotamien und den anschließenden sysrischen Raum, erforscht durch jüdische Reisende (Benjamin von Tudela, Petachiah von Regensburg [12. Jahrhundert]), durch frühneuzeitliche und neuzeitliche Forscher (Pietro della Valle [17. Jahrhundert], Carsten Niebuhr [18. Jahrhundert]), durch moderne Ausgräber und Archäologen (Robert Koldewey, Walter Andrae, Leonard Wolley), durch die Entzifferung von Keil- und Alphabetschrift (Friedrich Grotefend, Henry Creswicke Rawlinson; Sumerer und Semiten; Sumerisch, Akkadisch, Babylonisch, Assyrisch), durch die chronologische Einordnung altorientalischer Geschichte (Lange, Mittlere, Kurze Chronologie; Berossos, Babylonica). Altorientalistik ist heute die Wissenschaft von Kultur und Geschichte des Alten Orients. II. Homo erectus- und Funde von Neandertalern kennzeichnen die Altsteinzeit im Alten Orient, Sesshaftwerdung und "neolithische Revolution" den Übergang zur akeramischen und keramischen Jungsteinzeit (Kebarisch [18000-12000 v.Chr.], Natufien/Zarzisch [12000-10200], Miéfatien/Nemrikien [10200-7000], Proto-Hassuna [7000-6500]). Dörfer (und Häuser), organisierte Dörfer stehen am Ende des keramischen Neolithikums und lassen gesellschaftlich, wirtschaftliche und religiöse Strukturen (chiefdom, big man, altorientalische Religionen) (Hassuna [6500-6000] und Halaf [6000-5300], Obeid [6500-4300]), Samarra [6200-5700]). In der Uruk- und Gaurazeit (4300-3100 v.Chr.) begann der Übergang zu hochorganisierten städtischen Gemeinwesen (Adab, Eridu, Nippur, Ur, Uruk; Herrschaft, Verwaltung und Hierarchisierung [en, Erfindung der Schrift], Großbauten [Tempel, Stadtmauer]). Die Krise der Späturukzeit mündete ein in die Djemdet Nasr- (3100-2900 v.Chr.) und frühdynastische Zeit (2900-2340 v.Chr.); die Städte des südlichen Mesopotamien mit ihren umgebenden Territorien (sumerische Stadtstaaten) regierten Königsdynastien (lugal, en, ensi), bedeutende Könige waren Mesilim von Kisch, Eanatum von Lagasch und Lugalzagesi von Umma/Uruk, der das "Land Sumer" wohl weitgehend unter seiner Herrschaft vereinigte. Auf Lugalzagesi folgte die mesopotamische Herrschaft Sargons unter Einbeziehung der sumerischen Stadtstaaten und die semitische zentralisierende Staatenbildung der Akkadzeit (2340-2172/66 v.Chr.), die unter König Naramsin ihren politisch-militärischen Höhepunkt erreichte. Das Ende Akkadzeit markierte die Herrschaft der Gutäer (2210-2110 v.Chr.), die wiederum durch Utuhengal von Uruk beendet wurde; es beginnt die Ur III-Zeit (2110-2003 v.Chr.) unter den Herrschern Urnammu, Schulgi, Amarsin, Schusin und Ibbisin sowie in Lagasch u.a. unter Gudea. Die Einnahme und Zerstörung Urs durch Elamiter leitete dann zur Isin- (Ischbi-Erra; 2019-1933 v.Chr.), Larsa- (1933-1763 v.Chr.) und altbabylonischen Zeit (1792-1595 v.Chr.) über. Bedeutendster König dieser Epochen war Hammurabi von Babylon (Gesetzeskodex); die altbabylonische Zeit endete mit der Eroberung Babylons durch die Hethiter (1595 v.Chr.). In der nachfolgenden mittelbabylonischen Kassitenzeit (1580-1155 v.Chr.) war Mesopotamien (Babylonien, Assyrien) Teil eines komplexen Staatensystems von Ägypten über Mittani bis zum Hethiterreich. Mittelassyrische (1400-1000 v.Chr.) und Isin II-Zeit (1157-1026 v.Chr.) stehen für den Aufstieg Assyriens unter den Königen Assuruballit, Salmanassar I. oder Tukultininurta I. bzw. für das Königtum in Isin u.a. des Nebukadnezar I. Das 1. Jahrtausend v.Chr. sah dann in der neuassyrischen Zeit (1000-609 v.Chr.) den Aufstieg Assyriens zum Großreich vom Persischen Golf bis zum Mittelmeer und nach Ägypten (Eroberungen der Könige Salmanassar III., Tiglatpilesar III., Sanherib, Sargon II., Assurbanipal; Kontrolle Babylons, Verwaltungsorganisation des Reiches). Das neuassyrische Reich ging unter im Krieg gegen das neubabylonische Reich (626-539 v.Chr.) und die Meder (612/09 v.Chr.). Die neubabylonische Dynastie u.a. unter Nebukadnezar II. (605-562 v.Chr.) steht für die spätbabylonische Zeit (Stadt Babylon mit Tempeln, Zikkurat, Euphratbrücke, Stadtmauer), die mit der Einnahme Babylons durch den Perserkönig Kyros II. ihr Ende fand (539 v.Chr.). Fortan war Mesopotamien eine Provinz im persischen Großreich (Achämenidenzeit [539-331]). Kulturelle Äußerungen des Alten Orients finden sich indes noch in Hellenismus und den ersten nachchristlichen Jahrhunderten. III. Gesellschaftlich war die Kultur des Alten Orients überwiegend von den Städten als Verwaltungs-, Herrschafts- und Handelsmittelpunkten geprägt (Stadtgründung, Stadtplanung, Stadtaufbau [Gebäude, Straßen, Plätze, Gärten], Architektur [Tempel, Paläste, Wohnhäuser]). Eine wichtige Rolle spielten zudem Religion (Götter, Glaube, religiöse Praxis), Arbeit und Lebensunterhalt (Schreiber [Beamte], Handwerk, Landwirtschaft, Kriegswesen), Wissenschaft (Astrologie, Archive, Bibliotheken) und Kunst (Plastik, Flachkunst [Orthostaten, Stelen, Felsreliefs, "Standarte von Ur"], Bilder), Alltag und Lebensbewältigung (Mentalitäten). [Buhlmann, 02.2015]

NuS = Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und früher Neuzeit

Nussbaum, Martha (2019), Königreich der Angst. Gedanken zur aktuellen politischen Krise (= Besondere Wissenschaftliche Reihe 2019), Darmstadt 2019 > G Globalisierung

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