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Rezensionen (Geschichte)
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RA = Rheinisches Archiv

Raabe, Christiane (1995), Das Zisterzienserkloster Mariental bei Helmstedt von der Gründung 1138 bis 1337 (= BHS 20 = Ordensstudien IX), Berlin 1995, IX, 477 S., Äbteverzeichnis, Karten, € 29,-. I. Das Zisterzienserkloster Mariental wurde im Jahr 1138 im Lappwald, einem Waldgebiet nördlich von Helmstedt, genauer an dem Bach Rode Riede in einem Tal des Lappwalder Höhenzugs, gegründet. Stifter der Mönchsgemeinschaft war - u.a. einer Papsturkunde von 1147 zufolge - Pfalzgraf Friedrich II. von Sommerschenburg (1120-1162), Gründungsabt ein gewisser Bodo (1143-1147); die Klosterstiftung erfolgte zu Ehren der Dreifaltigkeit, Marias, Petrus', Jakobus' und Stephans. Das Jahr 1138 kann als Beginn der Gründung Marientals gelten. Die Mönche für Mariental kamen wohl zu Beginn der 1140er-Jahre aus dem 1133 entstandenen Zisterzienserkloster Altenburg im Rheinland, Abt Bodo wohl aus Amelungsborn. Der Klosterstifter Friedrich war als Pfalzgraf einer der führenden Adelspersönlichkeiten im sächsischen Herzogtzum zurzeit Kaiser Lothars von Supplinburg (1125-1137) und König Konrads III. (1138-1152); die Sommerschenburger nannten sich nach einer Burg südöstlich von Helmstedt. Territorialpolitisch gesehen benutzte Friedrich die Marientaler Gründung zur Ausweitung seiner Machtstellung im Helmstedter Raum und im Lappwald; neben der Vogtei über das Stift Walbeck wurde Mariental hier zu einem Stützpunkt der Sommerschenburger. Dem entsprach die Dotierung des Klosters mit Gründungsgut hauptsächlich aus dem Allodialgut der Ehefrau Friedrichs, Liutgards von Stade (Heirat ca.1130, Scheidung 1144). 1146 erfolgte die Übertragung des Klosters Mariental an der Halberstädter Bischof, in dessen Diözese die Zisterze lag. Die Vogtei über die Mönchsgemeinschaft verblieb bei den Sommerschenburgern bis zu deren Aussterben 1179. II. Danach erlangte das Kloster im Wesentlichen Vogtfreiheit. Im 13. Jahrhundert wird eine defensio ("Schutz") des welfischen Pfalzgrafen Heinrich (1220er-Jahre) und der welfischen Herzöge (1252?) erkennbar. Parallel dazu entwickelte die Zisterze Mariental auch ihrenen päpstlichen Privilegien (Freiheiten, Immunitäten; 1147, 1158, 1180, 1221, 1249) heraus als Teil des Zisterzienserordens eine größere Selbstständigkeit u.a. gegenüber dem Diözesanbischof. Beziehungen bestanden zur Abtei Altenburg (Altenburger Filiation) sowie zu (ostsächsischen) Zisterzienserklöstern der Umgebung ([zeitweise] Aufsichtsfunktionen über: Zinna, Magdeburger Zisterzienserinnenklöster, Meyendorf, Althaldensleben; befreundete Zisterzen Michaelstein, Riddagshausen, Amelungsborn). Zudem war Mariental Mutterkloster der 1232 gegründeten Zisterzienserabtei Hude (bei Oldenburg). Beziehungen bestanden selbstverständlich auch zum Generalkapitel des Zisterzienserordens (disziplinarische Vergehen, ordensinterne Aufgaben). III. Der guten äußeren Entwicklung des Klosters Mariental innerhalb von Orden und Kirche entsprach auch die besitz- und wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung der Abtei. Mariental und der (Gründungs-) Besitz im Lappwald (Avendorf, Barmke, Bernsdorf, Brönsdorf, Dudenrode, Emmerstedt, Grasleben, Kohnsdorf, Lisdorf, Metzdorf, Querenhorst, Rätzlingen, Rottorf, Steindorf, Tammenrode, Weferlingen; Besitz des Lappwalds [bis 1180]). Weitere Besitzschwerpunkte lagen um Brandsleben, in der nördlichen Magdeburger Börde (Hakenstedt, Kowelle, Mammendorf, Siegersleben), im Harz (Ramberg), um Helmstedt (Harmersleben, Neinstedt, Ottleben, Warsleben, Wegersleben). Streubesitz gab es in der Altmark, um Berklingen (am Harz), im nordöstlichen Vorfeld des Harzes, in Heinrichsdorf (bei Jüterbog), bei Königslutter. Die Zisterze verfügte über Stadthöfe in Braunschweig, Helmstedt, Magdeburg und Schöningen. Organisiert war der Großgrundbesitz überwiegend in Grangien (Eigenbewirtschaftung, Rentengrundherrschaft), aufbauend u.a. auf der älteren ostsächsischen Grundherrschaft (Villikationsverfassung und deren Verfall). Gerade im 12. Jahrhundert kam der Marientaler Grundbesitz vielfach als Schenkung an das Kloster. Im 13. Jahrhundert setzte eine planmäßige Marientaler Güterpolitik ein, die durch Kauf, Verkauf und Tausch Besitzverdichtung und klösterliche Besitzzentren schuf. Die klimatische Katastrophe von 1315 und kriegerische Ereignisse beendeten indes diese so erfolgreiche Güterpolitik, so dass nun auf Grund eingetretener Verschuldung soger Güterverkäufe notwendig wurden. Neben der Grangienwirtschaft spielte der Kirchenzehnt eine zunehmende Rolle beim Einkommen von Kloster und Mönchen. Patronate über Pfarrkirchen und Kapellen (Barmke [?], Bischofsrode, Dodendorf, Eilsleben, Eschenrode, Fitzerode, Hakenstedt, Hamersleben, Helmstedt, Kohnsdorf, Mammendorf, Neinstedt, Rottorf, Siegersleben, Warsleben) waren ebenfalls von Anfang an vorhanden. IV. Insgesamt gelang Mariental bis zum Ende des 13. Jahrhunderts der Aufbau einer durchaus selbstständigen Stellung, begünstigt u.a. durch ein politisches Machtvakuum in Ostsachsen nach dem Sturz des Sachsenherzogs Heinrichs des Löwen (1180) und seine Distanz zum Halberstädter Bischof. Mariental zählte weiter zu den reichsten Grundbesitzern zwischen Elm und Elbe. Höhepunkt der Marientaler Stellung in Wirtschaft und Politik war die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. [Buhlmann, 06.2017]

Rabeneck, Günter [o.J.], St. Liudger (742-26.3.809). Zeittafel seines Lebens, [Essen-Werden] [o.J.] > L Liudger

Rader, Olaf B. (2010), Friedrich II. Der Sizilianer auf dem Kaiserthron. Eine Biographie, München 2010 > F Friedrich II. (von Hohenstaufen)

Raeburn, Michael (Hg.) (1980), Baukunst des Abendlandes. Eine kulturhistorische Dokumentation über 2500 Jahre Architektur, Stuttgart 1982 > A Architekturgeschichte

Raffa, Enzo [o.J.], San Gimignano. Stadt der schönen Türme. Führer Kunst und Geschichte, Terni o.J., 95 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Stadtplan. Der toskanische Ort San Gimignano kann auf eine Geschichte bis zu der Zeit der Etrusker zurückblicken (etruskische Gräber und Funde [3./2. Jahrhundert v.Chr.], Legende um die Römer Silvio und Muzio und die catilinarische Verschwörung [63 v.Chr.]). Der Aufstieg des Ortes begann wohl im Langobardenreich (568-773/74) des 7. Jahrhunderts als Hospiz- und Raststättenstation an der Via Francigena von Nord-/Westeuropa nach Rom. Urkundlich erwähnt findet sich San Gimignano in der Schenkung des "Berges des Turmes" durch den italienischen "Nationalkönig" Hugo (926-948) an Bischof Adelhard von Volterra vom 30. August 929. Im hohen Mittelalter wurden die zwei Ortsteile San Gimignanos durch eine Ringmauer vereinigt (ca.1000). Es gab im Ort mehrere Kirchen (Dom, San Lorenzo, Augustinuskirche) und noch mehr Adelstürme (Monte, Casaglia, Ulignano, Fosci, Monteagutolo, Picchena, Santa Christina, Castelnuovo) rivalisierender Adelsfamilien. San Gimignano wurde zu einer Stadt des Handels und Gewerbes unter der Stadtherrschaft des Bischofs von Volterra (kleiner und großer Rat, Konsulat und Podestat). Die Stadt hatte bis ins 14. Jahrhundert innere Parteikämpfe, (ghibellisch-guelfische) Kriege gegen Nachbarorte und Auseinandersetzungen mit dem Stadtherrn zu bestehen. Schließlich unterwarf sich der Ort Florenz (1352) und war fortan Teil des Florentiner Contado. Zwischenzeitlich wurde San Gimignano zu einem Zentrum der Safranproduktion, doch verarmte der Ort seit dem ausgehenden Mittelalter zusehends, weil die Via Francigena als Durchgangsstraße und Handelsroute an Bedeutung verlor. So blieb es in Renaissance und Barock beim mittelalterlichen Stadtbild, das das heutige San Gimignano zu einem Zentrum des Tourismus in der Toskana macht. [Buhlmann, 12.2016]

Rahmstorf, Stefan, Schellnhuber, Hans Joachim (2006), Der Klimawandel. Diagnose, Prognose, Therapie (= BSR 2366), München 72012 > U Umweltgeschichte der Moderne

Rahner, Karl (1976), Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums, Freiburg-Basel-Wien 91976 > K Katholische Kirche in der Moderne

  Ramsen, Nonnenkloster, Männerkloster: Das Nonnenkloster Ramsen, ein Priorat der Mönchsgemeinschaft St. Georgen im Schwarzwald, gelegen bei Kirchheimbolanden, hatte aus Sicht des Schwarzwaldklosters keine Zukunft. Es war eine Schenkung des Speyerer Ministerialen Berthold von Winzingen (1146), erwies sich aber wegen der räumlichen Distanz und der Ausstattung als für das Schwarzwaldkloster unrentabel, so dass es 1174 an den Bischof Konrad II. von Worms (1171-1192) übergeben wurde. Das Kloster gehörte ab dem Jahr 1267 dem Zisterzienserorden an, im späten Mittelalter verschlechterte sich seine wirtschaftliche Lage trotz umfangreichen Grundbesitzes so, dass es 1418 aufgelöst wurde. Im Jahr 1477 wurde in Ramsen ein Männerkloster gegründet, das nur bis 1485 Bestand hatte. Nur die klösterlichen Ländereien bildeten in der Folge eine Wirtschafts- und Verwaltungseinheit innerhalb des Besitzes des Bistums Worms.
An Literatur zum Kloster Ramsen ist zu nennen: Buhlmann, Michael (2009), Das St. Georgener Priorat Ramsen in der Pfalz. St. Georgener Tochterklöster und Priorate in Mittelalter und früher Neuzeit (= VA 43), St. Georgen 2009, 48 S., € 4,-; Werle, Hans (1955), "Ramosa". Das Kloster Ramsen, Berthold von Winzingen und die pfalzgräfliche Neustadt, in: BllPfKG 22 (1955), S.129-134. > A Acht, Empfängerkonzept [Buhlmann, 09.2009]

Ramses II., ägyptischer Pharao: Über mehrere Jahrzehnte regierte Pharao Ramses II. (1301-1234 v.Chr. bzw. 1279-1213 v.Chr.), Sohn von Pharao Sethos I. (19. Dynastie, Neues Reich), Ägypten, Nubien sowie Teile Palästinas und Syriens. Die Schlacht bei Kadesch gegen die Hethiter (1274 v.Chr.; Friedensvertrag mit den Hethitern 1259 v.Chr.) mag für das Ausgreifen und die Beschränkung ägyptischer Macht im syrischen Raum stehen (syrische Vasallenstaaten); daneben kam es immer wieder zu Kämpfen mit libyschen Stämmen; ein Nubienfeldzug des Pharao (1236 v.Chr.) sicherte die ägyptische Herrschaft im Süden. Ramses hatte u.a. Nefertari, Isisnofret, Maathorneferure, Bintanat (Tochter Ramses'), Meritamun (Tochter Ramses') als Ehefrauen (Große königliche Gemahlinnen) und wohl mehr als 40 Töchter und 45 Söhne, u.a. seinen Nachfolger Merenptah. Zahlreiche Bauaktivitäten kennzeichneten die Regierungszeit Ramses' II.: Tempelneubauten in Abu Simbel und Abydos sowie des Felsentempels in Derr, Erweiterungen am Karnak-, Luxor-Tempel und Ptah-Tempel in Memphis, Ausbau des Serapeums in Sakkara, Palastanlage Ramesseum in Theben. Hauptstadt Ägyptens zurzeit Ramses' II. war das im Nildelta (pelusischer Nilarm) gelegene und vom Pharao zur Großstadt ausgebaute Pi-Ramesse. Nach seinem Tod (1213 v.Chr.) wurde der mumifizierte Leichnam des Pharao überführt in ein Felsengrab im Tal der Könige; er wurde aus Angst vor Grabräubern mehrfach umgebettet und schließlich vom deutschen Ägyptologen Emil Brugsch aufgefunden (1881).
Zu Ramses II. s.: Vandenberg, Philipp (1977), Ramses der Große. Der Pharao der Bibel, Gottkönig und Übermensch, der Weltwunder schuf und selbst eines war. Eine archäologische Biographie, Bern-München 1977, 368 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, DM 34,-, Bern-München 21977, 368 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, DM 34,-; Weeks, Kent (1998), Ramses II. Das Totenhaus der Söhne. Die sensationelle Ausgrabung im Tal der Könige, München 1999, 368 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Pläne, Karten, DM 39,90. [Buhlmann, 1977, 05.2018]

Randall, Lisa (2008), Verborgene Universen. Eine Reise in den extradimensionalen Raum (= Fischer Tb 17438), Frankfurt a.M. 42011 > U Universum

Ranke, Leopold von (1869), Geschichte Wallensteins (= ADTG 7211), Kronberg-Düsseldorf 1978 > D Dreißigjähriger Krieg

Ranke, Leopold von ([1881/85]), Alexander der Große. Aufstieg und Untergang der mazedonischen Weltmacht, Köln 1942 > A Alexander der Große

Ranke-Graves, Robert von, Patai, Raphael, Hebräische Mythologie. Über die Schöpfungsgeschichte und andere Mythen aus dem Alten Testament (= re 411), Reinbek b.H. 1986 > M Mythos und Geschichte

Rapp, Christof (2001), Aristoteles (zur Einführung) (= Junius), Hamburg 32007 > A Aristoteles

Rappmann, Roland, Zettler, Alfons (1998), Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter (= AG 5), Sigmaringen 1998 > R Reichenau

Rath, Gebhard, Reiter, Erich (Bearb.) (1989), Das älteste Traditionsbuch des Klosters Mondsee, Linz 1989, 255 S. > Lateinische Literatur > A Ältestes Traditionsbuch des Klosters Mondsee

Ratingen, niederrheinische Stadt: I. Erstmals wird Ratingen in einem Urbar des Klosters Werden a.d. Ruhr aus der 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts erwähnt. Bis ins 12. Jahrhundert hinein bleibt es bei vereinzelten Nennungen des Ortes in der Werdener und Kaiserswerther Überlieferung, doch ist erkennbar, dass Ratingen mit seiner Pfarrkirche Vorortfunktionen in der Pfarrei und im Niederbergischen ausübte. Mit Urkunde vom 11. Dezember 1165 wurde die Ratinger Kirche dem Kölner Domkapitel inkorporiert, ein Ratinger Messbuchcodex aus der Zeit um 1200 oder dem 13. Jahrhundert bezeugt die Wichtigkeit des Gotteshauses. II. Im 12./13. Jahrhundert wuchs Ratingen in die Landesherrschaft der Grafen von Berg hinein. Endpunkt dieser Entwicklung war die politisch motivierte Erhebung des Ortes zur Stadt mit Urkunde vom 11. Dezember 1276 durch Graf Adolf V. von Berg (1259-1296). Ratingen wurde mit einer Befestigung versehen, die Ratinger Bürger erhielten Gericht und Selbstverwaltung, Marktrecht und steuerliche Privilegien. Doch trat die Stadt trotz der feststellbaren wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung, die Handwerk und Gewerbe betraf, alsbald in den Schatten des 1288 zur Stadt erhobenen Düsseldorf. Die gotische Monstranz (1394) der aufwändig gestalteten romanischen Pfarrkirche, das alte Rathaus aus dem 14. Jahrhundert, die noch heute erhaltenen Reste der Stadtbefestigung wie Dicker Turm und Kornsturm zeigen die Bedeutung des Ortes im späten Mittelalter an. III. Ratingen blieb auch in der frühen Neuzeit eine Landstadt innerhalb des Herzogtums Berg, doch standen das 17. und 18. Jahrhundert für den auch kriegsbedingten (Dreißigjähriger Krieg, Spanischer Erbfolgekrieg) Niedergang der Ratinger Wirtschaft. Mit der Errichtung der ersten kontinentaleuropäischen Baumwollspinnerei (Cromford) durch Gottfried Brügelmann (1784) hielt die Industrialisierung Einzug. Heute ist Ratingen eine wirtschaftlich prosperierende Mittelstadt mit rund 90000 Einwohnern. Eingemeindet nach Ratingen wurden Breitscheid, Eggerscheidt, Hösel und Lintorf (1975).
Ratinger Geschichtsquellen betreffen: Kessel, J[ohann] H[ubert] [Bearb.] (1877), Geschichte der Stadt Ratingen (mit besonderer Berücksichtigung des ehemaligen Amtes Angermund), Bd.2: Urkundenbuch, Köln-Neuß 1877, IV, 387 S., RM N.N.; Redlich, Otto R. (Bearb.) (1928), Ratingen (= PubllGesRheinGeschkde XXIX: Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte. Bergische Städte, Bd.III), Bonn 1928, XI, 322 S., RM 32,-; weiter: Buhlmann, Michael (1999/2022), Quellen zur mittelalterlichen Geschichte Ratingens und seiner Stadtteile mit: I. Eine Werdener Urbaraufzeichnung (9. Jahrhundert, 1. Hälfte), in: Die Quecke 69 (1999), S.90f, II. Eine Königsurkunde Ludwigs des Kindes (3. August 904), in: Die Quecke 69 (1999), S.91-94, III. Schenkungen der Adelheid in Lintorf und Velbert (1031-1050), in: Die Quecke 70 (2000), S.74ff, IV. Vermächtnis des Werdener Abts Gerold (1047), in: Die Quecke 70 (2000), S.76ff, V. Die Schenkungsurkunde des Franko und der Werinhild (1052), in: Die Quecke 70 (2000), S.78f, VI. Eine Königsurkunde Heinrichs IV. zu Duisburg und zum angrenzenden Reichsforst (16. Oktober 1065), in: Die Quecke 71 (2001), S.36ff, VII. Eine Königsurkunde Heinrichs IV. für die Kaiserswerther Kanonikergemeinschaft (29. Dezember 1071), in: Die Quecke 71 (2001), S.38ff, VIII. Eine Grafengerichtsurkunde über den Erwerb des Hofes Dahl durch das Werdener Kloster (1093), in: Die Quecke 71 (2001), S.40ff, IX. Nachrichten aus der Werdener Grundherrschaft (10./11. Jahrhundert), in: Die Quecke 72 (2002), S.86ff, X. Ein Werdener Stiftungsverzeichnis (10./11./12. Jahrhundert), in: Die Quecke 72 (2002), S.88f, XI. Vermehrung der Brotrationen für die Kaiserswerther Kanonikergemeinschaft (um 1100), in: Die Quecke 72 (2002), S.89-92, XII. Besitz des Kölner Georgstifts in Homberg (1067?; 12. Jahrhundert, 1. Hälfte), in: Die Quecke 73 (2003), S.21ff, XIII. Die sog. Duisburger Mauerbauinschrift (1111/25), in: Die Quecke 73 (2003), S.24f, XIV. Schenkung von Ackerland in Lintorf (um 1145), in: Die Quecke 73 (2003), S.25f, XV. Kauf des Hofes Anger durch das Kloster Werden (1148), in: Die Quecke 74 (2004), S.58ff, XVa. Kauf einer Hufe in Selbeck durch das Kloster Werden (1148), in: Die Quecke 85 (2015), S.78ff, XVI. Ein Urbar der Werdener Abtshöfe (12. Jahrhundert, Mitte), in: Die Quecke 74 (2004), S.60-63, XVII. Memorienkalender des Klosters Werden (12. Jahrhundert, 2. Drittel und später), in: Die Quecke 74 (2004), S.63ff, XVIII. Inkorporierung der Ratinger Pfarrkirche (11. Dezember 1165), in: Die Quecke 75 (2005), S.194ff, XIX. Die Güterlisten des Kölner Erzbischofs Philipp von Heinsberg (1167/91), in: Die Quecke 75 (2005), S.196-199, XX. Immunitätsprivileg Kaiser Heinrichs VI. für das Kaiserswerther Kanonikerstift (25. November 1193), in: Die Quecke 75 (2005), S.199ff, XXI. Eine Werdener Urkunde zum Besitz des Stifts Kaiserswerth in Hasselbeck (1194), in: Die Quecke 76 (2006), S.76f, XXII. Ratinger Messbuchcodex (13. Jahrhundert, Anfang und später), in: Die Quecke 78 (2008), S.45-55, XXIII. Der Aaper Wald im hohen Mittelalter (10. März 1202), in: Die Quecke 79 (2009), S.68ff, XXIV. Einkünfte des Kölner Dompropstes Engelbert von Berg (1209), in: Die Quecke 80 (2010), S.49f, XXIVa. Überlassung von Kaiserswerther Wachszinsigen (1212 Juli 12), in: Die Quecke 85 (2015), S.80, XXV. Kölner Schreinsurkunden (1135/80, 1197/1215), in: Die Quecke 81 (2011), S.35, XXVa. Zehntabgaben des Frauenstifts Gerresheim in Linz (1217), in: Die Quecke 85 (2015), S.81f, XXVb. Stadt, Stift und Äbtissin von Gerresheim (1218), in: Die Quecke 85 (2015), S.82f, XXVI. Kleine und große Vogteirolle des Grafen Friedrich von Isenberg (vor, um 1220), in: Die Quecke 82 (2012), S.60ff, XXVIa. Eggerscheidt in den Vogteirollen des Grafen Friedrich von Isenberg (vor, um 1220), in: Die Quecke 86 (2016), S.43, XXVII. Heberegister des Frauenstifts Gerresheim (um 1220), in: Die Quecke 83 (2013), S.15-19, XXVIIa. Übereignung des Waldes Buchel an das Zisterzienserinnenkloster Saarn (1221), in: Die Quecke 86 (2016), S.44f, XXVIII. Entlassung der Aleidis von Eggerscheidt in die Wachszinsigkeit (1254), in: Die Quecke 84 (2014), S.14f, XXVIIIa. Beilegung von Streitigkeiten hinsichtlich des Gutes Holdewic (20. Januar [1269]), in: Die Quecke 93 (2023), S.84ff, XXIX. Heberegister der kleineren Werdener Klosterämter (13. Jahrhundert, 2. Hälfte), in: Die Quecke 84 (2014), S.15-18, XXIXa. Schwarzbach in der Überlieferung des Kaiserswerther Kanonikerstifts (Juni 1271; 24. Januar 1313), in: Die Quecke 90 (2020), S.168ff, XXX. Ratinger Stadterhebungsurkunde (1276 Dezember 11), in: Die Quecke 86 (2016), S.45-48, XXXI. Erhebung einer Akzise in Ratingen (1277 Februar), in: Die Quecke 87 (2017), S.100f, XXXII. Abgaben Ratinger Bürger (1278 November 11), in: Die Quecke 87 (2017), S.102f, XXXIII. Düsseldorfer Stadterhebungsurkunde (1288 August 14), in: Die Quecke 88 (2018), S.101-104, XXXIV. Heberegister des Werdener Fronhofs Kalkofen (13. Jahrhundert), in: Die Quecke 89 (2019), S.91f; XXXV. Nachtrag zum Heberegister des Gerresheimer Frauenstifts (13. Jahrhundert, letztes Viertel), in: Die Quecke 91 (2021), S.182f; XXXVI. Landsberg: Ministerialen der Grafen von Berg (20. Juni 1289; 1291), in: Die Quecke 92 (2022), S.91ff. Ratinger Geschichte vermitteln darüber hinaus: Dresen, A[rnold] (1925), Die mittelalterliche Wehrverfassung der Stadt Ratingen, in: Alt-Ratingen 2 (1925), S.76-80; Dresen, A[rnold] (1926), Ratingen. Zum 650jährigen Stadtjubiläum, in: Jan Wellem Nr.5 (1926), S.99-104; Eschbach, Peter (1900), Küren der Stadt Ratingen aus dem 14. Jahrhundert, in: DJb 14 (1900), S.24-51; Eschbach, Peter (1905), Die Ratinger Mark. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des Niederrheins, in: DJb 20 (1905), S.1-61; Ferres, Thomas, Metelmann, Ulrich (1994), Ratingen - ein ganz anderes Stadtbuch - a very different book about this town, Ratingen 1994, 118 S., Abbildungen, Karte, DM N.N.; Germes, Jakob (1965), Ratingen im Wandel der Zeiten. Geschichte und Kulturdokumente einer Stadt, Ratingen 1965, 168 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, DM 24,-; Herder, Paul (1927), Orts- und Flurnamen aus Ratingen und seiner Umgebung, in: Alt-Ratingen 3 (1927), S.26f, 53ff; Kreuzberg, P.J. (1910), Die Anfänge der Stadt Ratingen, Ratingen 1910, 20 S.; Neuheuser, Hanns Peter, St. Peter und Paul in Ratingen (= Rheinische Kunststätten. Allgemeine Reihe, H.85), Köln 21983, 23 S., Farbfotos, DM 3,50; Pracht-Jörns, Elfi (Bearb.) (2008), Ratingen (= RS 89), Köln-Weimar-Wien 2008, 32 S., 4 Taf., € 24,50; Stadtplan Ratingen 1:10000, hg. v.d. Stadt Ratingen, o.O. o.J., DM 3,50; Stadtplan Ratingen mit allen Stadtteilen 1:20000, Stuttgart-Bad Cannstatt o.J., DM 3,90; Sölter, Walter (1981), Beobachtungen im Boden der katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul in Ratingen, in: Romerike Berge 31,4 (1981), S.1-12, sowie die Beiträge zur Geschichte Ratingens: BGR 1: Peters, Heinz (1957), St. Peter und Paul in Ratingen. Eine frühe deutsche Hallenkirche, Ratingen 1957; BGR 2: Germes, Jakob (1961), Ratinger Siegel, Wappen und Zeichen, Ratingen 1961; BGR 5: Grabert, Hellmut, Narr, Karl J., Germes, Jakob (1968), Ratingens älteste Geschichte, Ratingen 1968; BGR 6: Germes, Jakob (1973), Die Ratinger Edelherren und ihre Burg. Geschichte der Wasserburg "Zum Haus", Ratingen-Düsseldorf 1973 > B Beiträge zur Geschichte Ratingens. [Buhlmann, 06.1976, 04.1999, 05.2000, 05.2001, 05.2002, 05.2003, 05.2004, 05.2005, 05.2006, 05.2008, 05.2010, 05.2011, 05.2012, 05.2013, 05.2014, 05.2015, 05.2016, 05.2017, 05.2018, 10.2019, 09.2020, 07.2023, 12.2023]

Ratzinger, Joseph [Benedikt XVI.] (2007), Jesus von Nazareth, Tl.1: Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung (= Herder Spektrum 6033), Freiburg i.Br.-Basel-Wien 2007 > J Jesus Christus

Raue, Dietrich (2020), Reise zum Ursprung der Welt. Die Ausgrabungen im Tempel von Heliopolis, Darmstadt 2020, 384 S., Farbabbildungen, € 25,60. verbunden wurde I. Heliopolis, heute ein Stadtteil der ägyptischen Hauptstadt Kairo, und Memphis lagen in pharaonischer Zeit an der "Waage der beiden Länder" (Unter- [Nildelta], Oberägypten [Nil]). Zeitlich steht Heliopolis - früher ägyptischer Überlieferung (Pyramidentexte, Sargtexte u.a.) zufolge - am Anfang der Schöpfung der Welt, die verbunden wurde mit dem Gott Atum, dem "ersten Licht" und der Zeit, dem Benu-Vogel ("Phönix") und dem Benben-Stein. Der Schöpfergott Atum, seine Nachkommen (1. Generation: Schu, Tefnacht; 2. Generation: Geb [Erde], Nut [Himmel]; 3. Generation: Osiris [Fluss], Isis [fruchtbares Land], Seth [Wüste], Nephthys [Sumpf] -> "Neunheit" von Heliopolis; 4. Generation: Horus als Sohn von Osiris und Isis) und Heliopolis gehörten demzufolge zusammen und bildeten die Grundlage des in der ägyptischen Religion tradierten Geschehens um die Götter (Osirislegende [Ermordung des Osiris durch Seth], Bedeutung des Osirissohns Horus [Horusname der Pharaonen], ägyptische Apokalypse). Für die Ägypter war Heliopolis der "Ursprung" der Welt, der Ort der Schöpfung, des Rechts und der rechtmäßigen Herrschaft, von Gesellschaft und Kultur (Ordnung/Gerechtigkeit [maat], Wissen, Wahrheit gegen Schlechtigkeit, Falschheit, Tod). Dementsprechend fand in Heliopolis die Verehrung von Göttern (Götterneunheit, Sonnengott Ra, Hathor, Tierkulte [Stierkult, Schafe, Phönix]) über mehr als 2400 Jahre statt. Heliopolis als Anbetungsort der Sonne hatte nach ägyptischen Vorstellungen aber auch einen Zugang zur Unterwelt (Totengericht des Osiris). Schließlich war Heliopolis auch ein Ort des Wissens und der Bildung (Imhotep). II. In antiker Zeit lag Heliopolis in der Nähe des geografischen Punktes, an dem sich der Nil zum Delta auffächerte, auf einer "Gezira" ("Insel"), einem das Sumpfland des Nils überragenden Plateau als Sandanhöhe (Heliopolis als "Urhügel"). Zentral für Heliopolis war der 1150 m x 950 m große Heilige Bezirk mit den Tempelanlagen, teilweise im Westen begrenzt von einem Nilarm, begrenzt weiter von Seen und Sumpf. Der Tempelbezirk war von einer mächtigen, nach außen hin abweisend wirkenden Mauer umgeben, die nur die im Bezirk aufgestellten hohen Obelisken überragten (Obelisk Sesostris' I. [ca.1950 v.Chr.], von Heliopolis nach Europa verbrachte Obelisken [Rom, London]). An den Heiligen Bezirk schloss sich im Osten und Südosten eine 1500 m x 2500 m große Nekropole ("Große Dauerhafte von Heliopolis") an, der Bezirk selbst wird in seiner nördlichen Hälfte eine Tempelsiedlung umfasst haben. III. Die Anfänge einer Siedlung Heliopolis zwischen Sandanhöhe und Nilarm reichen ins mittlere 4. Jahrtausend v.Chr. zurück; die Siedlung muss - u.a. den Keramikfunden zufolge - schon damals recht umfangreich gewesen sein. Sie gewann in der Zeit der politischen Verdichtung Ägyptens zu einem Zentralstaat (3200/3000 v.Chr.) weiter an Profil; ein Königsgut als Wirtschaftsanlage ist schon für das 1. Viertel des 3. Jahrtausends v.Chr. anzunehmen. Erste Inschriften datieren aus der Zeit um 2700 v.Chr. (fragmentierter Schrein des Pharao Djoser), damals fungierte als heliopolitanischer Hauptpriester Imhotep aus der Königsfamilie, dem in diesem Amt u.a. ein Prinz Rahotep (2650 v.Chr.) nachfolgte; das Heiligtum von Heliopolis war also sehr eng mit dem Königtum verbunden. Unter Pharao Cheops (2600 v.Chr.) spielte Heliopolis beim Pyramidenbau als Organisations- und Versorgungszentrum eine wichtige Rolle, so dass spätestens für diese Zeit von einem funktionierenden Tempelbezirk ausgegangen werden kann. Der Aufschwung des Sonnenkults um den Gott Ra in der Zeit der 4. und 5. ägyptischen Königsdynastie wird auch (weiter nicht belegbare) Auswirkungen auf Heliopolis gebracht haben (Palermostein: Stiftungen an die "Ba"-Seelen ["Götterneunheit"?] von Heliopolis). Die politischen Unruhen während der 6. Dynastie führten zu einer Aufwertung des Königskults, von dem wohl auch Heliopolis beeinflusst wurde (ca.2350 v.Chr.; Atumtempel in Heliopolis: architektonische Einbindung des Königskults). Mit dem Ausgang des Alten Reichs rücken Gräber und Grabinventare (Grabobelisken) der Nekropole (östliche "Wüste") von Heliopolis in den Gesichtskreis der Archäologie (Grab des Verwalters Sobekuseri [ca.2050 v.Chr.]; Grab des Heni [ca.2030 v.Chr.]: Pharao Seanchibra). Mit dem Mittleren Reich verstärkte sich der Einfluss des ägyptischen Königtums in Heliopolis wieder, das für die 12. Königsdynastie einen Ort zentraler, das Alte imitierender Legitimation darstellte und bei baulichen Großprojekten der Pharaonen wieder eine Rolle spielte. So waren die Könige Amenemhat I. und insbesondere Sesostris I. durch umfangreiche Bauprojekte (Steinbauten wie der Hathortempel ["Berliner Lederrolle"], Herrscherskulpturen und Kolossalstatuen, Obelisken) in Heliopolis vertreten; Sesostris förderte zudem mit Theben-Luxor ein Gegenstück zu Heliopolis als religiöses Zentrum für Oberägypten. Im Mittleren Reich wurde bzw. blieb Heliopolis ein bedeutendes Zentrum der ägyptischen Religion, ablesbar auch an einer (Teil-) Nekropole aus der damaligen Zeit (Graber, Grabinventare). Archäologisch ist dann der Übergang vom Mittleren zum Neuen Reich (Hyksoszeit) in Heliopolis schlecht bezeugt, mit dem Neuen Reich ändert sich dieses Bild, stammen die meisten der erhaltenen Monumente in Heliopolis aus dieser Zeit; im Rahmen des Kultes um die neu geformte Sonnengottheit Amun-Ra entstand zudem und vorrangig in Theben-Luxor-Karnak ein "neues Heliopolis". Im unterägyptischen Heliopolis errichtete Pharao Thutmosis III. eine überbreite Wallmauer als 400 m durchmessendes Quadrat wohl als Damm gegen die Wasser des Nils, daneben ein Obeliskenpaar, das die Präsenz der Pharaonenherrschaft auch in Unterägypten anzeigte; auch gehörte damals der Hohepriester von Heliopolis der königlichen Familie an. Die Thutmosis III. nachfolgenden Könige setzten die Bautätigkeit in Heliopolis (und an anderen Orten im Nildelta) fort, während archäologisch aus dieser Zeit auch religiöse Stiftungen einfacher Leute (Mnevisstierkult) fassbar sind. Von Pharao Amenophis III. ist lediglich nur der Bau eines kleinen Horustempels in Heliopolis bezeugt, unter Amenophis IV. (Echnaton), der die ägyptische Religion durchaus im Gepräge des Alten Reiches auf den (alleinigen) Schöpfer- und Sonnengott Aton ausrichten wollte ("Armana-Reform/Revolution"), umso mehr zahlreiche Aktivitäten, was den Sonnentempel von Heliopolis anbetraf (Gesteinsquader; Inschriften mit der Nennung von Heliopolis als "Geschäftsbereich des Aton", Statuetten Echnatons und der Nofretete; Heiligtümer des Aton; Pawah als Hohepriester von Heliopolis). Die Wiederherstellung des Amunkults nach dem Tod Echnatons betraf auch Heliopolis (Tempel des Tutanchamun; Haremhabs Hohepriester Paraemhab). Auch unter den Ramessiden der 19. und 20. Dynastie kam es immer zu baulichen Veränderungen und Ergänzungen im Tempelbezirk von Heliopolis, z.B. aus Gründen des Alters des jeweiligen Pharaos oder einer Dynastiegründung (Sonnenheligtum, Kultbildschrein Sethos' I.), unter Ramses II. waren die "Auswüchse" der Religion Echnatons vollends beseitigt, aus dem Atum von Heliopolis war ein "rammessidischer Weltgott" geworden, der sich hinter der Göttertrias Amun, Ra und Ptah und den Zentren ihrer Verehrung Theben, Heliopolis und Memphis verbarg. Seine lange Regierungszeit bot Ramses II. - gerade in seinen späteren Regierungsjahren (insbesondere ab ca.1250 v.Chr.) - auch Möglichkeiten, große Bauprojekte in Heliopolis voranzutreiben. So wurde der Wall Thutmosis' III., der das Innere des Tempelbezirks einfasste, planiert und zu einer Geländestufe reduziert, weiter durch eine den ganzen Bezirk schützende Umfassungsmauer ersetzt; im westlichen Teil von Heliopolis entstanden drei Tempeleinheiten, ein Tempel davon versehen mit einer großen Sphinx sowie zwei große Festtempel, darunter ein Amuntempel, u.a. mit Kolossalstatuen des Herrschers; auch ließ der Pharao Obelisken aufstellen (Bauleiter May, Ramses-Sohn Meriatum als Hohepriester). Vielleicht ein Erdbeben (ca.1210 v.Chr.) veranlasste Merenptah, Sohn und Nachfolger des Ramses, die Umfassungsmauer um Heliopolis zu erneuern; im Tempelbezirk verkündete eine Granitsäule den Sieg des Pharaos über die "Libyer", doch dokumentieren andere Denkmale aus Heliopolis auch die schwere innere und äußere Krise, in der sich Ägypten an der Wende vom 13. zum 12. Jahrhundert v.Chr. befand (Pharao Sethos II., Statue der Königin Tausret). Die Probleme blieben auch unter den Pharaonen der 20. Dynastie, allen voran Ramses III. Es ging nun überwiegend um Instandhaltung und -setzung der Tempelanlagen, der Tempelbezirk von Heliopolis war Ort eines Wunders beim Übergang der Herrschaft von Ramses III. auf Ramses IV. (ca.1150 v.Chr.). Ramses VI. weihte in Heliopolis einen Obelisken dem Totengott Osiris (ca.1100 v.Chr.). Heliopolis blieb damit bedeutend für die Darstellung des pharaonischen Königtums, übrigens auch über die Zeit des Neuen Reiches hinaus. Die Pharaonen, die nach den Ramessiden Ägypten oder Teile davon regierten, verewigten sich in Heliopolis durch Stiftungen; größere Bauten oder Umbauten fehlen, das architektonische Ensemble blieb aber monumental bestehen. Um 725 v.Chr. stattete der kuschitische Pharao Piye (746-716 v.Chr.; 25. Dynastie) nach der Eroberung des libysch (24. Dynastie) regierten Nordägypten, aus religiös-ideologischen Gründen und Gründen der Herrschaftsanerkennung und -sicherung neben Memphis dem Tempel von Heliopolis einen Besuch ab und wurde dort von den Priestern aufwändig rituell empfangen. Ägypten und Heliopolis waren betroffen von den Kampfhandlungen zwischen dem neuassyrischen König Assurbanipal (668-631 v.Chr.) und dem König von Kusch (663 v.Chr.). Psammetich I. (664-610 v.Chr.) führte Äygpten in die Unabhängigkeit; der Pharao der ägyptischen Spätzeit ist in Heliopolis durch die Reste einer 10,5 m hohen Kolossalstatue vertreten. Auch die spätzeitliche Nekropole von Heliopolis enthüllt im Übrigen die (sich künstlerisch auf das 2. Jahrtausend v.Chr. beziehende) "ägyptische Renaissance" der 26. Königsdynastie (Grab des Priesters Paneshi [ca.580 v.Chr.], Stele des Priesters Djed-atum-iuef-anch [ca.528 v.Chr.]). Ägypten ist von der Persern unter deren Großkönig Kambyses (529-522 v.Chr.) erobert worden, wobei es zu gewissen Zerstörungen in Heliopolis kam (525 v.Chr.). Im von den Persern beherrschten Ägypten soll angeblich der griechische Geschichtsschreiber Herodot (†ca.430/20 v.Chr.) Heliopolis besucht haben (5. Jahrhundert, Mitte?) wie etwas später - laut Strabon - Platon und Eudoxos. In der Zeit ägyptischer Unabhängigkeit (404-343 v.Chr.) ließ Pharao Nektanebos I. (380-363 v.Chr.) unter Bezug auf Sesostris I. einen Tempel und einen Kiosk für Atum errichten. Vielleicht stammt aus der Mitte des 4. Jahrhunderts v.Chr. eine neue Umfassungsmauer um Heliopolis, vielleicht als Schutzmaßnahme vor einer persischen Invasion nach Äygpten. Diese erfolgte 343/42 v.Chr., womöglich wurde damals der Tempelbezirk von Heliopolis zerstört und der Ort verlor seine Rolle als "externer königlicher Referenzort". Im Reich Alexanders des Großen (336-323 v.Chr.) und im Ptolemäerreich (bis 30 v.Chr.) scheint Heliopolis keine Bedeutung mehr gehabt zu haben. Die Ptolemäerkönige fanden in Heliopolis keine religiöse Tradition mehr vor, an die sie etwa durch bauliche Maßnahmen anknüpfen konnten; lediglich der Kult um den Menvisstier lebte weiter fort (150 v.Chr., 210 n.Chr.). Heliopolis wurde zu einem literarischen Topos für Gerechtigkeit, wie z.B. aus rituellen Texten des 3. Jahrhunderts v.Chr. hervorgeht. Ansonsten zerfielen die Tempel und wurden als Steinbruch genutzt einschließlich des Verschickung von Steinblöcken nach Alexandria (Pompeiussäule im Serapeum) und des Abtransports von Obelisken in römischer Zeit (ab 30 v.Chr.; und später). Zur Zeit des Geografen Strabon (†23 n.Chr.), um 25 v.Chr. besuchten Touristen den fast verlassenen Ort, die Tempelsiedlung bestand wohl eingeschränkt weiter (120 n.Chr.), mit dem Kult um dem Mnevisstier verschwanden aber im 3. und 4. Jahrhundert n.Chr. - auch unter dem Einfluss eines expandierenden Christentums - die Reste von aus dem vorhellenistischen Ägypten überkommenen Kulttraditionen. [Buhlmann, 12.2020]

Rave, Wilhelm (1939), Ein alter Plan der Werdener Krypten, in: Westfalen 24 (1939), S.131-135 > W Werden

rde = Rowohlts deutsche Enzyklopädie

Re

re = Rowohlts Enzyklopädie

Reader's Digest Illustrierte Geschichte der Welt behandelt in zeitlich-thematischer Abfolge die Geschichte menschlicher Kulturen und Gesellschaften: [Bd.1] (2004/05): Die Entstehung unserer Zivilisation (6 Millionen-900 v.Chr.), Nachdruck Stuttgart-Zürich-Wien 2007, 192 S., Farbabbildungen, Karten, € N.N. > W Weltgeschichte [Buhlmann, 04.2021]

Reader's Digest Illustriertes Lexikon der Weltgeschichte. Personen, Daten, Ereignisse, Stuttgart-Zürich-Wien 1999 > W Weltgeschichte

Reader's Digest Weltatlas, hg. v. Lisa Thomas (2004), Stuttgart-Zürich-Wien 42009 > A Atlas, geografischer Atlas

Recker, Marie-Luise (2001), Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (= BSR 2471), München 32009 > D Deutsche Geschichte, 1949-heute

Reclams Lexikon der Heiligen und biblischen Gestalten, hg. v. Hiltgart L. Keller (1968), Stuttgart 71991 > H Heilige des Christentums

Red. = Redaktion

Redlich, Otto R. (1929), Die Bedeutung von Stift und Burg Kaiserswerth für Kirche und Reich, in: AHVN 115 (1929), S.61-75 > K Kaiserswerth

Redlich, Virgil (1928), Neue Nekrologienfragmente aus Tegernseer Handschriften, in: NA 47 (1928), S.495-517 > T Tegernsee

Reese, Elke (2015), Das Porträt eines Kölner Kurfürsten? Fragen zur möglichen Stifterfigur eines Altars von 1513, in: AHVN 218 (2015), S.95-103. Eine Altartryptichon des Malers Jacob Claesz. van Utrecht (vielleicht 1535 als Wiedertäufer hingerichtet) aus dem Jahr 1513 zeigt die Anbetung der heiligen drei Könige und darin vielleicht ein Porträt des Kölner Erzbischofs Philipps von Daun (1508-1515) als Zweiter der Könige, nebst einem an prominenter Stelle im Bild platzierten Zwerg und Hofnarren. [Buhlmann, 05.2016]

Regententabellen, Stammtafeln: Der Verortung von Herrschaft, Regierung und Familienbeziehungen bei Menschen, Familien und gesellschaftlichen Gruppen in historischen Zeiträumen dienen Genealogien, Regententabellen und Stammtafeln.
Zu nennen sind u.a.: Grote, H. (1877), Stammtafeln. Mit Anhang: Calendarium medii aevi, Leipzig 1877, Nachdruck o.O. o.J., XIV, 556, 24 S., DM 43,30; Matz, Klaus-Jürgen (1980), Regententabellen zur Weltgeschichte (= dtv 3215), München 1980, 396 S., DM 16,80; Truhart, Peter (1986/88), Regenten der Nationen. Systematische Chronologie der Staaten und ihrer politischen Repräsentanten in Vergangenheit und Gegenwart, Tl.III,1: Mittel-, Ost-, Nord-, Süd-, Südosteuropa, München-London-New York 1986, XII S., S.2280-3357, DM 180,-, Tl.III,2: Westeuropa. Register, München-London-New York 1988, XII S., S.3358-4258, DM 240,-. > E Europäische Stammtafeln, > InternetRegententabellen (Mittelalter), > InternetStammtafeln (Mittelalter), > Kompendium Mittelalter > Genealogie [Buhlmann, 07.2017]

Regesta pontificum Romanorum sind sich auf Antike und Mittelalter beziehende Sammlungen von Papstregesten. Regesten sind von modernen Bearbeitern gestaltete, chronologisch geordnete, kurze Zusammenfassungen der Inhalte von Geschichtsquellen; Päpste heißen in der christlichen Kirche der Antike und des Mittelalters die römischen Bischöfe.
Im Einzelnen ergibt sich: Regesta pontificum Romanorum: Jaffé, Philipp (Hg.) (1851), Regesta pontificum Romanorum. Ab condita ecclesia ad annum post christum natum MCXCVIII, Bd.1 [-1143], Bd.2 [1143-1198], bearb. v. Ferdinand Kaltenbrunner, Paul Ewald, Samuel Loewenfeld, 2 Bde., 21885-1888, Nachdruck Graz 1956, XXXIV, 918 S., VIII, 832 S., DM 160,-, Potthast, August (Hg.) (1874/75), Regesta pontificum Romanorum. Inde ab a. post christum natum MCXCVIII ad a. MCCCIV, 2 Bde., 1874-1875, Ndr Graz 1957, VII, 2157 S., DM 168,-; Regesta pontificum Romanorum. Germania pontificia sive repertorium privilegiorum et litterarum a Romanis pontificibus ante annum MCLXXXXVIII Germaniae ecclesiis monasteriis civitatibus singulisque personis concessorum, hg. v. Theodor Schieffer: III: Provincia Maguntinensis: Pars III (1910/11): Dioeceses Strassburgensis, Spirensis, Wormatiensis, Wirciburgensis, Bambergensis, bearb. v. Albert Brackmann (1935), Berlin 1935, XXVI, 300 S., RM 20,-; Regesta pontificum Romanorum. Italia pontificia sive repertorium privilegiorum et litterarum a Romanis pontificibus ante annum MCLXXXXVIII Italiae ecclesiis monasteriis civitatibus singulisque personis concessorum, hg. v. Paul Fridolin Kehr: VIII: Regnum Normannorum - Campania, hg. v. Paul Fridolin Kehr (1935), 1935, Ndr Hildesheim 1986, XII, 479 S., € 9,80, IX: Samnium - Apulia - Lucania, hg. v. Walther Holtzmann (1962), Nachdruck Hildesheim 1986, XLVI, 519 S., € 11,50. [Buhlmann, 07.2015]

Regge, Tullio (1999), L'universo senza fine. Breve storia del Tutto: passato e futuro del cosmo, Cles 2000 > U Universum

Reiband, Nadine (2014), Burgruine Wehrstein vor Zerfall gerettet. Vor zehn Jahren startet eine Bürgeriniative zum Erhalt des Kleinods, in: Schwarzwälder Hausschatz 2014, S.64-67. Die Burgruine Wehrstein (in Sulz-Fischingen) ist eine der größeren Burgruinen entlang des oberen Neckars. Zunächst im Besitz der Herren von Wehrstein (ca.1100), wurden Burg und Herrschaft Wehrstein im Jahr 1331 Besitz der Grafen von Hohenberg; die Wehrsteiner selbst starben wohl im Jahr 1409 mit Benz von Wehrstein aus. Öfters von den Hohenbergern verpfändet, gelangten schließlich die Herren von Weitingen in den Besitz der Herrschaft Wehrstein, die Lehen der vorderösterreichischen Grafschaft Hohenberg war. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) durch kurbayerische Truppen beschädigt, blieb die Burg unter österreichischer Oberlehnsherrschaft, bis Wehrstein 1806 an Hohenzollern-Sigmaringen kam. In der neuesten Zeit (ab 2006) widmet sich ein Förderverein dem Erhalt und der Restaurierung der ausgedehnten Burgruine (Quer-, Kamin-, Rückwand, Tonnengewölbe u.a.). [Buhlmann, 01.2019]

Reich, Wilhelm, österreichisch-amerikanischer Arzt, Psychonanalytiker und Soziologe: Wilhem Reich (*1897 in Dobzau, †1957 in Lewisburg) studierte nach dem frühen Tod der Eltern und nach seinem Einsatz als Soldat im Ersten Weltkrieg (1914-1918) in Wien Medizin (1918/22) und schloss das Studium mit einer Promotion ab. Er arbeitete anschließend als Therapeut und Psychoanalytiker in Wien ("Wiener Psychoanalytisches Ambulatorium" 1922/30, Leiter des "Wiener Seminars für Psychoanalytische Therapie" 1924/30). Zentral wurde für Reich seine Orgasmustherapie (1927; Orgasmus, sexuelle Zwangsmoral, Sexualunterdrückung, Sexualfeindlichkeit), er entwickelte seine Charaktertherapie (1933; Massenpsychologie des Faschismus 1933), die Körpertheorie (1935) und die Orgontherapie (1940er-Jahre; Orgon als "biologische Energie"). Seine Abhandlung Die sexuelle Revolution (1935) wurde von der 1968er-Bewegung aufgenommen. Die Auseinandersetzungen u.a. mit Sigmund Freud führten zu Reichs Ausschluss aus der "Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung" (1934). Reich, der auch der österreichischen Sozialdemokratie nahestand und Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs war, emigrierte 1933 nach Dänemark, 1934 nach Norwegen (Forschungen über Bione, Bioenergie und Krebs), 1939 in die Vereinigten Staaten von Amerika. Seine Orgonforschung dort war nicht unumstritten ("tödliche Orgonenergie", "Cloudbuster", Äthertheorie und Orgonomie); in der US-amerikanischen McCarthy-Ära wurden seine Experimente verboten (1955), er selbst wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt (1956) und starb kurze Zeit nach seinem Haftantritt (1957). Zu Wilhem Reich s.: Boadella, David (1981), Wilhelm Reich. Pionier des neuen Denkens. Eine Biographie, Bern-München 21995, 366 S., DM 16,95; Reich, Wilhelm (1933), Die Massenpsychologie des Faschismus (= KiWi 111), Köln 62003, 352 S., € 8,90 > D Deutsche Geschichte, 1933-1945. [Buhlmann, 08.2019, 11.2023]

Reich, Wilhelm (1933), Die Massenpsychologie des Faschismus (= KiWi 111), Köln 62003 > R Reich, Wilhelm

Reich-Ranicki, Marcel, deutscher Literaturkritiker: Reus, Gunter (2020), Marcel Reich-Ranicki. Kritik für alle (= Besondere Wissenschaftliche Reihe 2020), Darmstadt 2020, 224 S., ca. € 10,-. Marcel(i) Reich, geboren am 2. Juni 1920 als deutsch-polnischer Jude, lebte ab 1929 bei wohlhabenden Verwandten in Berlin, wo er bis zur Erlangung des Abiturs (1938) das Werner-Siemens-Realgymnasium und das Fichte-Gymnasium besuchte. Ein Studium blieb ihm im nationalsozialistischen Deutschalnd verwehrt; alsbald (1938) wurde er nach Polen abgeschoben. Mit seiner (späteren) Frau Teofila (Tosia) Langnas (†2011) überlebte er den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und das nationalsozialistische Terrorregime in Warschau, im Warschauer Ghetto und im Untergrund, bis Warschau von der Roten Armee erobert wurde (1944). Marcel Reich, der sich in Ranicki umbenannte (1948), stand in der Nachkriegszeit (ab 1944) in Diensten der polnischen Regierung (Geheimpolizei; Spionage; Vizekonsul in Großbritannien 1948) bis zu seiner Entlassung (1950) und einer teilweisen Inhaftierung. Danach wandte er sich als Lektor, freier Schriftsteller und Publizist der (deutschen) Literatur zu (Warschauer Verlag, polnischer Rundfunk), teilweise unterbrochen von einem Publikationsverbot (1953/54). 1958 emigrierte Reich-Ranicki mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland, wo er als Feuilletonist und Literaturkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung arbeitete. Damit begann sein Aufstieg zum deutschen "Literaturpapst", zum wirkmächtigen, die Medien (Presse, Fernsehen) nutzenden Literaturkritiker, der besonders durch die Fernsehsendung "Das Literarisches Quartett" (1988-2001) berühmt wurde. Transparenz der Argumentation und didaktische Barrierefreiheit der Sprache machten dabei die polemische und Widerspruch herausfordernde Literaturkritik Reich-Ranickis für viele an der deutschen Literatur Interessierte verständlich. Der Publizist und Feuilletonist betrieb damit eine (Literatur-) "Kritik für alle", die auch noch heute nachwirkt [s. die im Buch enthaltenen Interviews mit deutschen Feuilletonist/innen]. Marcel Reich-Ranicki starb am 18. September 2013 in Frankfurt a.M. Zu Marcel Reich-Ranicki s. noch dessen Autobiografie: Reich-Ranicki, Marcel (1999), Mein Leben, Stuttgart 51999, 566 S., € 8,-; Reich-Ranicki, Marcel (1999), Mein Leben (= dtv 12830), München 32001, 566 S., DM 22,50. Vgl. weiter: Reus, Gunter (2020), Marcel Reich-Ranicki. Kritik für alle (= Besondere Wissenschaftliche Reihe 2020), Darmstadt 2020 > R Reus, Reich-Ranicki. [Buhlmann, 03.2020, 11.2022]

Reich-Ranicki, Marcel (1997), Der Fall Heine, Stuttgart 21997 > H > Heine, Heinrich

Reichardt, Lutz (1982), Ortsnamenbuch des Kreises Esslingen (= VKGLBW B 98), Stuttgart 1982 > O > Ortsnamenbücher

Reichardt, Lutz (1983), Ortsnamenbuch des Kreises Reutlingen (= VKGLBW B 102), Stuttgart 1983 > O > Ortsnamenbücher

Reichardt, Lutz (1984), Ortsnamenbuch des Kreises Tübingen (= VKGLBW B 104), Stuttgart 1984 > O > Ortsnamenbücher

Reichardt, Lutz (1984), Zur Anlage und Herstellung landschaftlicher Namenbücher, in: BNF NF 19 (1984), S.184-200 > N > Namenkunde

Reichardt, Lutz (1986), Ortsnamenbuch des Alb-Donau-Kreises und des Stadtkreises Ulm (= VKGLBW B 105), Stuttgart 1986 > O > Ortsnamenbücher

Reichardt, Lutz (1987), Ortsnamenbuch des Kreises Heidenheim (= VKGLBW B 111), Stuttgart 1987 > O > Ortsnamenbücher

Reichardt, Lutz (1989), Ortsnamenbuch des Kreises Göppingen (= VKGLBW B 112), Stuttgart 1989 > O > Ortsnamenbücher

Reichardt, Lutz (1989), Ortsnamenbuch des Rems-Murr-Kreises (= VKGLBW B 128), Stuttgart 1993 > O > Ortsnamenbücher

Reichelt, Günther (1970), Die Landschaft der Baar im Spiegel alter Karten, in: SVGBaar 28 (1970), S.34-79 > B > Baar

Reichelt, Günther (Hg.) (1972), Die Baar. Wanderungen durch Landschaft und Kultur, Villingen o.J. [1972] > B > Baar

  Reichenau, Benediktinerkloster: Das um 724 gegründete Kloster Reichenau wurde unter den karolingischen Kaisern und Königen Reichsabtei. Überhaupt war das 9. Jahrhundert eine erste Blütezeit des Klosters, der in der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts unter dem Reformmönch Bern (1008-1048) eine zweite folgte. Aus dem frühen Mittelalter sind von der Reichenau der berühmte St. Galler Klosterplan (ca.820) überliefert, weiter die herausragenden Kodizes der Reichenauer Schreib- und Malschule (970-1030). Im späteren Mittelalter trat der wirtschaftliche und geistige Niedergang der adligen Mönchsgemeinschaft ein, ein Klosterbrand von 1235 verstärkte diese Entwicklung, die auch zur Aufgabe der vita communis führte. Von den Klosterreformen des 15. Jahrhunderts unberührt, wurde im Jahr 1540 die Abtei als Priorat dem Konstanzer Bistum inkorporiert. 1803 erfolgte die Säkularisation. Archtektonisch steht die Georgskirche in Reichenau-Oberzell für die Vorromanik, die Romanik für das Gotteshaus St. Peter und Paul in Reichenau-Unterzell; die Abteikirche in Mittelzell verbindet eine romanische Basilika mit einem gotischen Chor.
Die Geschichte der Reichenau fasst zusammen und beleuchtet in vielen Aspekten: Beyerle, Konrad (Hg.) (1925), Die Kultur der Abtei Reichenau. Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724-1924, 2 Halbbde., 1925, Nachdruck Aalen 1970, 1243 S., DM 450,-. Besondere Fragestellungen haben zum Inhalt: Classen, Peter (Hg.) (1977), Die Gründungsurkunden der Reichenau (= VuF 24), Sigmaringen 1977, 88 S., DM 25,-; Fehrenbach, Theodor ([v.1970]), Die Reichenau und ihre drei Kirchen, Reichenau-Mittelzell 21970, 23 S., DM N.N.; Fehrenbach, Theodor, Weißer, Alfons ([v.1970]), Die Reichenau und ihre drei Kirchen, Reichenau-Mittelzell 111995, 23 S., DM 3,-; Hlawitschka, Eduard (1989), Egino, Bischof von Verona und Begründer von Reichenau-Niederzell, in: ZGO 137 (1989), S.1-31; Klüppel, Theodor (1980), Reichenauer Hagiographie zwischen Walahfrid und Berno, Sigmaringen 1980, 179 S., DM 24,-; Kreutzer, Thomas (2008), Verblichener Glanz. Adel und Reform in der Abtei Reichenau im Spätmittelalter (= VKGLBW B 168), Stuttgart 2008, XLIX, 582 S., € 49,-; Maurer, Helmut (1974), Die Abtei Reichenau. Neue Beiträge zur Geschichte und Kultur des Inselklosters (= Bodensee-Bibliothek, Bd.20), Sigmaringen 1974, 622 S., DM 52,-; Rappmann, Roland, Zettler, Alfons (1998), Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter (= AG 5), Sigmaringen 1998, 586 S., € 39,80; Richter, Michael (1996), Neues zu den Anfängen des Klosters Reichenau, in: ZGO 144 (1996), S.1-18; Szkiet, Christine (2005), Reichenauer Codices in Schaffhausen. Die frühen Handschriften des Schaffhauser Allerheiligenklosters und ihre Stellung in der südwestdeutschen Buchmalerei des 11. Jahrhunderts (= Kieler kunsthistorische Studien, Neue Folge, Bd.9), Kiel 2005, 236 S., € 14,95; Zettler, Alfons (1988), Die frühen Klosterbauten der Reichenau. Ausgrabungen - Schriftquellen - St. Galler Klosterplan (= AG 3), Sigmaringen 1988, 362 S., DM 88,-. Eine neue, nur punktuelle Perspektiven bietende Zusammenfassung von Kloster- und Inselgeschichte geben: Spicker-Beck, Monika, Keller, Theo (2001), Klosterinsel Reichenau. Kultur und Erbe, Stuttgart 2001, 127 S., zahlreiche Abbildungen, DM 39,80. Daneben ist zu nennen: Schroth, Ingeborg, Keller, Theo (1956), Reichenau (= Thorbecke Bildbücher, Bd.20 [19]), Konstanz-Stuttgart o.J. [1963?], 47 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, DM 12,80. > R Reichenauer Texte und Bilder [Buhlmann, 06.2011, 10.2021, 05.2022]

  Reichenauer Texte und Bilder, hg. v. Walter Berschin bieten Einblicke in die Literatur, Überlieferung und Kunst des ehemaligen benediktinischen Bodenseeklosters Reichenau. Erschienen sind bisher: RTB 1 (1999): Berschin, Walter, Klüppel, Theodor, Die Reichenauer Heiligblut-Reliquie, Stuttgart 21999, 63 S., DM 16,-; RTB 2 (1992): Berschin, Walter, Klüppel, Theodor, Die Legende vom Reichenauer Kana-Krug. Die Lebensbeschreibung des Griechen Symeon, Sigmaringen 1992, 52 S., € 8,20; RTB 3 (1992): Berschin, Walter, Staub, Johannes, Die Taten des Abtes Witigowo (985-997). Eine zeitgenössische Biographie des Purchart von der Reichenau, Sigmaringen 1992, 66 S., DM 16,-; RTB 4 (1994): Berschin, Walter, Klüppel, Theodor, Der Evangelist Markus auf der Reichenau, Sigmaringen 1994, 89 S., € 8,20; RTB 5 (1994): Drös, Harald, Das Wappenbuch des Gallus Öhem, Sigmaringen 1994, 68 S., € 8,20; RTB 6 (1997): Konrad, Bernd, Weimar, Gertrud, Heilige am Bodensee. Der spätgotische Flügelaltar im Reichenauer Münster (1498), Sigmaringen 1997, 76 S., € 8,20; RTB 7 (1994): Pörnbacher, Mechthild (Hg.), Walahfrid Strabo, Zwei Legenden (Blathmac, der Märtyrer von Iona, Mammes, der christliche Orpheus), Sigmaringen 1997, 104 S., DM 16,-; RTB 8 (1999): Berschin, Walter, Zettler, Alfons, Egino von Verona. Der Gründer von Reichenau-Niederzell (799), Stuttgart 1999, 72 S., DM 16,-; RTB 9 (2002): Antoni, Richard, Leben und Taten des Bischofs Pirmin. Eine karolingische Vita, Stuttgart 2002, 114 S., € 9,90; RTB 10 (2002): Konrad, Bernd, Weimar, Gertrud, Weimar, Peter, Die Renaissancefresken im spätgotischen Chor des Reichenauer Münsters, Stuttgart 2002, 112 S., € 9,90; RTB 11 (2005): Berschin, Walter, Hellmann, Martin, Hermann der Lahme. Gelehrter und Dichter (1013-1054), Heidelberg 22005, 114 S., € 9,90; RTB 12 (2004): Knittel, Hermann (Hg.), Heito, Walahfrid Strabo, Visio Wettini, Heidelberg 2004, 156 S., € 9,90; RTB 13 (2007): Berschin, Walter (Hg.), Walahfrid Strabo, De cultura hortorum (Hortulus). Das Gedicht vom Gartenbau, Heidelberg 2007, 106 S., € 9,90; RTB 14 (2008): Hollick, Bernhard (Übers.), Opusculum Herimanni: De octo vitiis principalibus. Eine Vers- und Lebensschule, Heidelberg 2008, 152 S., € 14,80. > R Reichenau [Buhlmann, 06.2011]

Reichenbach (Klosterreichenbach), Benediktinerkloster: Das Priorat Reichenbach war eine Gründung Abt Wilhelms von Hirsau (1069-1091), der 1082 auf Veranlassung des adligen Stifters Bern die cella sancti Gregorii im Schwarzwald an der Murg errichtete. Die enge Verflechtung mit Hirsau blieb in der Folgezeit bestehen, der Hirsauer Abt besaß das Recht der Ein- und Absetzung des Reichenbacher Priors, Loslösungstendenzen des Priorats wurden erfolgreich unterbunden. Die Vogtei über Priorat und Klosterbesitz besaßen zunächst die Grafen von Calw, um 1200 die Pfalzgrafen von Tübingen, im 14. Jahrhundert die Grafen von Eberstein. 1399 erlangten die Markgrafen von Baden einen Anteil an der Kastvogtei, Markgraf Bernhard I. von Baden (1372-1431) erhöhte im Interesse seiner Landesherrschaft den Druck auf das Priorat, dessen Mönche wohl daraufhin zur Besitzwahrung und -dokumentation das Reichenbacher Urbar von 1427 anfertigten. Das Eingreifen der Grafen von Württemberg auf Hirsauer Seite führte dazu, dass Reichenbach im 15. und 16. Jahrhundert ständiges Streitobjekt zwischen Baden und Württemberg wurde. So setzte Markgraf Karl I. von Baden (1453-1475) im Jahr 1472 gewaltsam seinen Kandidaten als Prior durch, die Zusammensetzung des Konvents, der aus dem Landadel und den Ratsfamilien der Umgebung kam, wurde im badischen Sinne beeinflusst. Die Reformation und die Säkularisierung Hirsaus (1535) durch den Württemberger Herzog Ulrich I. (1498-1550) verstärkten den Streit, da Reichenbach unter badischer Kontrolle und somit katholisch blieb. 1595 besetzte Herzog Friedrich I. von Württemberg (1568-1608) Reichenbach, 1602 erwarb er die Vogteirechte, 1603 wurde in Reichenbach die Reformation eingeführt. Nach einem katholischen Zwischenspiel zwischen Restitutionsedikt (1629) und Westfälischem Frieden (1648) wurde Reichenbach endgültig württembergisch. Das Reichenbacher Schenkungsbuch aus der Mitte des 12. Jahrhunderts und das Reichenbacher Urbar von 1427 geben einen guten Einblick in die Grundherrschaft des Priorats. Danach besaß die geistliche Kommunität im späten Mittelalter nicht nur das Klosterterritorium im oberen Murgtal, sondern auch Besitzschwerpunkte im Gebiet von Neckar und oberer Nagold sowie Streubesitz um Oppenau, Achern, Gernsbach, Ettlingenweier und Pforzheim. Das Urbar verweist auf Ortsherrschaften, Gerichtsrechte, Frondienste und Abgaben an über 60 Orten, teilweise schimmert noch die hochmittelalterliche Fronhofsverfassung der Grundherrschaft durch. Die heutige Reichenbacher Kirche geht, was Langhaus, Vorhalle und Westturmpaar betrifft, auf das Gotteshaus von oder kurz nach 1082 zurück. Verändert wurde im ausgehenden 12. Jahrhundert der Chor, zu Beginn des 13. Jahrhunderts die Vorhalle. Die Klosteranlage wurde nach der württembergischen Okkupation durch eine Ringmauer geschützt. Bedeutende Prioren aus Reichenbach waren Theoger von St. Georgen (ca.1085-1088) und Wolfram Maiser von Berg (1423-1428), der die Niederschrift des Reichenbacher Urbars veranlasste.
Zu Reichenbach s. an Quellen: Keyler, Regina (Bearb.) (1999), Das älteste Urbar des Priorats Reichenbach von 1427 (= VKGLBW A 51), Stuttgart 1999, XXVI, 222 S., Abbildungen, Karten, DM 38,-; Molitor, Stephan (Bearb.) (1997), Das Reichenbacher Schenkungsbuch (= VKGLBW A 40), Stuttgart 1997, XXVI, 269 S., Karten, DM 40,-, an Darstellungen: Hahn, Dorothea, Frenzel, Burkhard, Wein, Gerhard (1982), Kloster Reichenbach 1082-1982, Freudenstadt 1982, 116 S., Abbildungen, Karten, DM 12,-. [Buhlmann, 11.2004, 09.2015]

Reichenmiller, Margareta (1964), Das ehemalige Reichsstift und Zisterziensernonnenkloster Rottenmünster. Studien zur Grundherrschaft, Gerichts- und Landesherrschaft (= VKWGLBW B 28), Stuttgart 1964 > R Rottenmünster

Reichert, Folker (2013), Das Bild der Welt im Mittelalter, Darmstadt 2013, 160 S., Farbabbildungen, € 29,95. Texte und Karten geben Auskunft darüber, wie mittelalterliche Menschen des christlichen Europa über die Welt dachten. Es beginnt im Übergang von der Antike zum Frühmittelalter mit den Etymologiae des westgotischen Bischofs Isidor von Sevilla (†626). Die Etymologiae transportierten antikes Wissen ins Mittelalter und blieben für das Bild, das sich die ersten Jahrhunderte des Mittelalters von der Welt machten, maßgeblich. Antike Geografie und Kartografie (Tabula Peuteringia, Kosmas Indikopleustes) reichte dabei hauptsächlich von Nordafrika im Süden bis zu den britischen Inseln im Norden, vom Atlantik im Westen bis nach Arabien, Indien und China im Osten. Im Mittelalter entstanden die schematischen TO-Karten, die drei Kontinente Asien, Europa und Afrika zeigen (auch als Hemisphärenkarten); daneben gab es Zonen- und Klimakarten. Die mittelalterlichen Weltkarten waren symbolisch und christlich-heilsgeschichtlich aufgeladen (Oxforder Weltkarte, Hereford-Karte, Ebstorfer Weltkarte; Jerusalem als Mittelpunkt der Welt; christliche Kartografie). Mittelalterliche Kartografie war eingebunden in die Ansicht der Erde als Erdglobus (Kugelgestalt der Erde) im Weltall (mundus, Kosmos-Ei), wie sie der fast anonyme Gelehrte Honorius Augustodunensis (12. Jahrhundert) in seiner Imago mundi ("Bild der Welt") schildert. Den Wundern in der Welt spürten dann aber nicht nur die Karten nach. Auch Gervasius von Tilbury (†ca.1235) führte in seinen Otia imperialia, einer Weltbeschreibung, zahlreiche natürliche Wunder auf, von Tieren und Pflanzen bis hin zu den Wundervölkern am Rand der Ökumene. Jenseits von Spiritualität und Wunderglauben erschloss sich seit dem 13. Jahrhundert durch Mongolengefahr und Mongolenreich die Welt Asiens und Ostasiens (Johannes von Plano Carpini, Wilhelm von Rubruk, Marco Polo). Im späten Mittelalter kamen Spezialkarten auf, etwa die "Augenscheinkarten" in rechtlichen Angelegenheiten (Grenzkarten) gab oder Reisekarten zu den Pilgerzielen der Christenheit (Romwegkarte des Erhard Etzlaub). Wichtig für die Seefahrt z.B. auf dem Mittelmeer wurden auch die Portulankarten (Kompass und Karte, Liniennetz); damit zusammenhängend beschrieb der Humanist Christoforo Buondelmonti (†ca.1430) aus Florenz über seine "Inselwelten". Neue Impulse gab am Ende des 14. Jahrhunderts die Entdeckung der Kartografie des antiken Geografen Klaudios Ptolemaios, die gerade bei den Humanisten Verbreitung fand (Karte und Gradnetz; frühe Drucke, u.a. die Ulmer Ausgaben 1482, 1486). Für das endende Mittelalter stehen die Weltkarte des venezianischen Kamaldulenserlaienbruders Fra Mauro (†1459), die Kartentafeln des Henricus Martellus Germanus (†1496), der Reisebericht des niederrheinischen Adligen Arnold von Harff (†1505; Reise: Rom - Sinai - Jerusalem - Konstantinopel - Santiago), für die geografischen Veränderungen im europäischen Weltbild an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert schließlich die portugisisch-spanischen Entdeckungen, der Behaim-Globus und die Cosmographia des Sebastian Münster (†1552). [Buhlmann, 05.2015]

Reichhold, Anselm (1988), Die Entwicklung der Ortschaft Großenhag/Scheyern, in: SMGB 99 (1988), S.27-76 > S Scheyern

Reichhold, Anselm (1998), Chronik von Scheyern. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. v.d. Abtei Scheyern, Weißenhorn 1998 > S Scheyern

Reichholf, Josef H. (1993), Das Rätsel der Menschwerdung. Die Entstehung des Menschen im Wechselspiel der Natur (= dtv 30341), München 1993 > M Menschwerdung

Reichmann, Christoph (2013), Der Ansiedlung der Salfranken in Toxandrien, in: AHVN 216 (2013), S.1-15. Die salischen Franken (Salii, zu: -seli/sali für "zeitweiligen Wohnsitz" [Ortsnamen], wohl als fränkischer Teilstamm) ließen sich 337/40 im römischen Toxandrien nieder, wo Kaiser Constans I. (337-350) sie in seinem Niederrheinfeldzug von 341/42 bekriegte und mit ihnen einen foedus abschloss (342; römische Münzen mit Vertrag als Thema, Münzanhänger von Krefeld-Fischeln [als Vertragsnachweis, als vereinfachte Form römischer Militärdiplome]). Auf diesem förmlichen Vertrag von 342 beruhte u.a. die Ansiedlung von Saliern im Duisburger Raum (Dispargum als Duisburg) zur Sicherung des Hellwegs und des Handels (Handelsplatz [Duisburg-] Serm). Der Caesar Julian (†363) bekämpfte 356/58 diese rechtsrheinischen Salier (deren Ausweichen ins Bergische Land) und erneuerte 358 den foedus von 342. [Buhlmann, 04.2014]

Reichmann, Christoph (2018), Zur Bevölkerung Geldubas (Krefeld-Gelleps) in Spätantike und frühem Mittelalter, in: AHVN 221 (2018), S.7-47. Die Gräberfelder südlich und westlich des am Niederrhein gelegenen kaiserzeitlich-spätantiken römischen Kastells Gelduba (Krefeld-Gellep) mit einer (kumulierten) Belegungsdauer vom 1. bis ins 8. Jahrhundert n.Chr. liegen/lagen 1) ein sich zeitlich von der Antike bis zum frühen Mittelalter erstreckendes Ortsgräberfeld an der südlichen Ausfallstraße zum Kastell, 2) das südöstlich davon gelegene Fürstengräberfeld, zeitlich am Beginn des 6. Jahrhunderts einsetzend, 3) das westlich vom Kastell an Limesstraße und krummen Weg gelegene Gräberfeld des 5. bis 7. Jahrhunderts in (Krefeld-) Stratum. Hinsichtlich der Nekropolen und der dort siedelnden Bevölkerung lässt sich dann aus den Grabtypen und -funden (Brand-, Körpergräber, mit und ohne Grabbeigaben) die folgende Entwicklung nachvollziehen: Nach der Zerstörung des mittelkaiserzeitlichen Kastells Gelduba durch die in die römische Provinz Niedergermanien eingedrungenen Franken (ca.275) nahm die römische Verwaltung eine Neuordnung der außerhalb Geldubas liegenden Ortsfriedhofs vor; neue Areale entstanden für die ubisch-germanische Landbevölkerung, für von jenseits des Rheins gekommenene Germanen, für die Bewohner des Kastells selbst bzw. des nunmehr befestigten Kastell-vicus als "Zivilsiedlung" und Hafen auf einer Gellep vorgelagerten Rheininsel. Die Neuordnung des römischen Heeres unter den Kaisern Diokletian (284-305) und Konstantin I. (306-337) sah für Gelduba eine dort stationierte Einheit von Grenztruppen (limitanei), ergänzt um eine Einheit aus Fußtruppen des Bewegungsheeres (comitatenses; ca.300), ergänzt schließlich um eine Einheit aus Reitertruppen des Bewegungsheeres (ca.320). Die Soldaten des Bewegungsheeres stammten aus dem Orient (Fußtruppe) bzw. aus der niedergermanischen Provinz (Reitertruppe) und wurden auf verschiedenen abgegrenzten Arealen des Ortsfriedhofs bestattet; das Gräberareal der Fußtruppe wurde um die Mitte des 4. Jahrhunderts aufgegeben, die Fußtruppe hatte vielleicht im Zusammenhang mit Usurpation des Gegenkaisers Magnentius (350-353) Gelduba verlassen - was eine wesentliche Verkleinerung des Lagers mit sich brachte -, während die Reitertruppe noch bis zur Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert das Kastell verteidigte. Als Ersatz für die um 350 abgezogenen Fußtruppen fungierte vielleicht eine im Rechtsrheinischen die römische Grenze und den Hellweg schützende Truppe aus salfränkischen Föderaten. Nach Abzug der Reitertruppe um 400 war Gellep Heimat einer elbgermanischen Föderatengruppe, die sich - ablesbar an den entsprechenden Grabstellen zumeist auf dem Stratumer Gräberfeld - wie die örtliche römisch-romanische Oberschicht in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts an einen fränkischen Lebensstil anpasste (Gräber mit Waffenbeigaben). Mit dem Zusammenbruch der römischen Grenzverteidigung am Niederrhein um 460 wurde nämlich das römische Kastell aufgegeben, die Grenztruppen wurden weitgehend abgezogen, die föderierten Truppen siedelten nach Stratum um, während sich in Gellep endgültig die Salfranken durchsetzten, ablesbar am Gelleper Grab eines fränkischen Fürsten auf dem dadurch begründeten Fürstengräberfeld. Der Gelleper Fürst beherrschte zu Beginn des 6. Jahrhunderts wohl im Auftrag des fränkischen Merowingerkönigs den Gelleper Raum. Franken herrschten im Verlauf des 6. und 7. Jahrhunderts auch weiterhin - vielleicht mit Hilfe eines noch existierenden Gelleper Dekurionenrats - über die im Gelleper Raum verbliebenen Romanen und Christen (gegenüber den Franken sich abgrenzende Grabinventare dieser Bevölkerungsteile). Der Abbruch fürstlicher Begräbnisse auf dem Fürstengräberfeld gegen Mitte des 7. Jahrhunderts ist dann wohl auf eine Verlegung des fränkisches Herrschaftszentrums vielleicht auf die Kaiserswerther Rheininsel (dortiger Königshof) zurückzuführen. Das Stratumer Gräberfeld blieb zum Ende des 7. Jahrhunderts in Funktion, auf dem Fürstengräberfeld sind Nachbestattungen (Brandgräber heidnischer friesischer Schiffsleute?) bis ins beginnende 8. Jahrhundert belegt. Danach beerdigte man die Toten beigabenlos auf den Friedhöfen nahe gelegener christlicher Kirchen. > G Gellep [Buhlmann, 12.2018]

Reichsgut der fränkisch-ostfränkisch-deutschen Könige und Kaiser (im Mittelalter): I. Reichsgut waren die Besitzungen (und Rechte) des (fränkisch-ostfränkisch-deutschen) Königs, die er zum Zweck der Herrschaftsausübung einsetzen konnte. Daneben verfügte der Herrscher auch über das Hausgut, also über Besitz der Adelsfamilie, der er selbst angehörte. Da eine Abgrenzung von Reichsgut und Hausgut auch im Mittelalter schwierig war, vermengten sich im Verlauf der Jahrhunderte des frühen und hohen Mittelalters immer wieder diese für den König nutzbaren Besitzgruppen. Auch veränderten sich im Laufe der Zeit die Besitzgrundlagen des Königtums geografisch; das Reichs- bzw. Hausgut der karolingischen Herrscher lag im austrasisch-lothringischen Raum der spätmerowingisch-karolingischen Epoche, das der ottonischen Könige im sächsisch-thüringischen Gebiet des 10. und 11. Jahrhunderts, das der salischen und staufischen Könige und Kaiser im Mittelrheingebiet, in Südwestdeutschland oder im Elsass des hohen Mittelalters. Dabei traten immer wieder "Königslandschaften" in Erscheinung, d.h. Räume und Gebiete mit verdichtetem Reichsbesitz, die damit dem Königtum besondere machtpolitische Einwirkungsmöglichkeiten boten. Zusammen mit dem Besitz verfügte der König auch über weitreichende Rechte, die Regalien (regalia, iura regalia) genannt werden. Diese Regalien haben sich rechtlich erst im Verlauf des Mittelalters ausgebildet, u.a. während des Investiturstreits (1075-1122; Temporalien) und unter Einwirkung des römischen Rechts (12./13. Jahrhundert), und betrafen Einrichtung und Betrieb von Münzstätten, Märkten, Zöllen, das Forstregal und den Wildbann, den Bergbau oder das Spolienrecht, um nur einige der Königsrechte aufzuzählen. Regalien konnten ver-liehen, eingeschränkt oder abgetreten werden, was z.B. Kaiser Friedrich II. in zwei Reichsgesetzen, der Confoederatio cum principibus ecclesiasticis ("Vereinbarung mit den geistlichen Fürsten", 1220) und dem Statutum in favorem principum ("Gesetz zu Gunsten der Fürsten", 1232), getan hat. Das Reichskirchengut war nach dem Wormser Konkordat (1122), das den Investiturstreit beendete, der Temporalienbesitz der Reichskirchen. Das Reichskirchengut machte zusammen mit dem Reichslehngut und dem unmittelbar vom Herrscher nutzbaren Krongut das Reichsgut aus. Das Reichslehngut war das an königliche Vasallen, Dienstleute und Getreue verliehene Reichsgut; es wurde im Zuge des Eindringens des Lehnswesens in die Verfassung des deutschen Reiches (11./12. Jahrhundert) ebenfalls auf eine rechtliche Grundlage gestellt. II. Zeitlich unterschieden geben die Zeugnisse der schriftlichen Geschichtsquellen unterschiedliche Einblicke in die Ausdehnung und Organisation von Reichsgut: a) Das Reichsgut der fränkisch-deutschen Könige des frühen und hohen Mittelalters ging zumindest zum Teil auf Königsgut der merowingischen Frankenkönige (5.-8. Jahrhundert) zu-rück, die wiederum im Zuge der fränkischen "Landnahme" im römischen Reich (4./5. Jahrhundert) Teile des römischen Staatslandes für sich nutzbar machen konnten. Mit der Karolingerzeit wird das grundherrschaftlich organisierte Reichsgut der fränkischen Könige und Kaiser erkennbar. Grundherrschaft heißt ein den Grundherrn, hier den König, versorgendes Wirtschaftssystem, das auf Großgrundbesitz und Abgaben von und Rechten über abhängige Bauern beruht. Grundherrschaft ist damit - verkürzt und nicht unbedingt korrekt ausgedrückt - "Herrschaft über Land und Leute". Die zweigeteilte Grundherrschaft bestand aus eigenbewirtschaftetem Salland und gegen Abgaben und Frondienste an bäuerliche Familien ausgegebenem Leiheland. Villikationen, Hofverbände unter der Verwaltung eines villicus (Meier), hatten einen Fronhof als Zentrum, eine Anzahl von Villikationen und Einzelhöfen bildeten die Grundherrschaft. Die königliche Grundherrschaft der Karolingerzeit war auf den Königshof (curtis) oder die Pfalz (palatium) hin ausgerichtet. Das Capitulare de villis ist ein Kapitular des Frankenkönigs Karl des Großen (768-814), niedergeschrieben im 2. Viertel des 9. Jahrhunderts. Die "Landgüterverordnung" umfasst 70 Kapitel, die detailliert auf die Organisations- und Verwaltungsstruktur des karolingischen Königsguts eingehen. b) Für die Zeit der ottonisch-salischen Reichskirche im Rahmen des entstehenden deutschen Reiches (10./11. Jahrhundert) ist von einer weit stärkeren Inanspruchnahme der Bistümer und Reichsabteien auszugehen, als es in der Karolingerzeit der Fall gewesen war. Allgemein übertrugen die Herrscher damals Besitz und Rechte an die Reichskirchen und erwarteten im Gegenzug die Mithilfe der Kirchen im Zuge des Königsdienstes (servitium regis). Dieser Umverteilung von Besitz und Rechten entsprachen die größeren Einwirkungsmöglichkeiten des Königs bei der Besetzung (Investitur) der wichtigsten Positionen innerhalb der Reichskirche. Im Gegenzug dazu hatten Bistümer und Klöster Abgaben und Dienste für Königtum und Reich zu erbringen. c) Bekanntlich kam die Reichskirche ottonisch-salischer Prägung durch den Investiturstreit zu ihrem Ende, die Servitialabgaben an den König hatten aber die verfassungsgeschichtlichen Umbrüche an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert offensichtlich überlebt. Im 12. Jahrhundert werden Servitialzahlungen der Reichsklöster an die deutschen Herrscher erkennbar. Neben den Bistümern und Klöstern trug natürlich das Krongut der hochmittelalterlichen deutschen Könige einen beträchtlichen Teil zur Versorgung von König und Königshof bei. In diesem Zusammenhang ist auf das sog. Tafelgüterverzeichnis zu verweisen, das "Höfe, die zur Tafel des römischen Königs gehören" aufführt (ca.1150 oder 1165/66). Aus der Stauferzeit ist eine Reihe von Güterverzeichnissen überliefert, die Einblick geben in Verwaltung und Leistungen des Reichsguts. Es handelt sich hierbei um das Tafelgüterverzeichnis (ca.1150 oder später), das Lehnbuch des staufischen Ministerialen Werner II. von Bolanden (Wende 12. zum 13. Jahrhundert), das Urbar der Reichsmarschälle von Pappenheim (13. Jahrhundert, 1. Hälfte), ein Verzeichnis von Rechten und Einnahmen des Reichs im Amt (officium) Pfullendorf (ca.1220), die Reichssteuerliste (1241), die Abrechnung des Amtmanns Gerhard von Sinzig (1242) sowie die Goslarer Vogteigeldlehnrolle (1244). Insbesondere das Reichssteuerverzeichnis der precarie civitatum et villarum ("Bitte an Städte und Orte", 1241) gibt Auskunft über die Organisation von Königsterritorium und Reichsgut in spätstaufischer Zeit; veranlagt wurden somit Städte, Verwaltungsbereiche, Grundherrschaften, Judengemeinden, wahrscheinlich mit jährlicher Regelmäßigkeit und auf Grundlage der staufischen Prokurationen als regionalen Verwaltungseinheiten im Königsterritorium. e) In nachstaufischer Zeit erlitt das Reichsgut der deutschen Herrscher erhebliche Einbußen durch Verpfändung und Entfremdung (Interregnum). Die römisch-deutschen Könige des Spätmittelalters betrieben nunmehr (Macht-) Politik auf der Grundlage eigener Hausmacht (Luxemburger, Habsburger).
Zahlreich sind die Darstellungen zum mittelalterlichen Reichsgut: Brühl, Carlrichard (1968), Fodrum, gistum und servitium regis. Studien zu den wirtschaftlichen Grundlagen des Königtums im Frankenreich und in den fränkischen Nachfolgestaaten Deutschland, Frankreich und Italien vom 6. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, 2 Bde. (= KHA 14,I-II), Tl.1: Text; Tl.2: Register und Karten, Köln-Graz 1968, zus. XIV, 932 S., Karten, DM 248,-; > B > Buhlmann, Kaiserswerth: Reichsgut, ...; > D > Dannenbauer, Tafelgüter; Faußner, Hans Constantin, Die Verfügungsgewalt des deutschen Königs über weltliches Reichsgut im Hochmittelalter, in: DA 29 (1973), S.345-449; > G > Göldel, Tafelgüterverzeichnis; > H > Heusinger, Servitium regis; Metz, Wolfgang (1959), Probleme der fränkischen Reichsgutforschung im sächsischen Stammesgebiet, in: NiedersJb 31 (1959), S.77-126; > M > Metz, Karolingisches Reichsgut; Metz, Wolfgang (1971), Tafelgut, Königsstraße und Servitium regis in Deutschland vornehmlich im 10. und 11. Jh., in: HJb 91 (1971), S.257-291; > M > Metz, Erforschung des karolingischen Reichsgutes, Metz, Servitium regis; Metz, Wolfgang (1978), Das Servitium Regis. Zur Erforschung der wirtschaftlichen Grundlagen des hochmittelalterlichen deutschen Königtums (= EdF 89), Darmstadt 1978, VIII, 141 S., DM 18,-; Rieckenberg, Hans Jürgen (1942), Königsstraße und Königsgut in liudolfingischer und frühsalischer Zeit, in: AUF 17 (1942), S.32-154; Weigel, Helmut (1957/59), Zur Organisation des karolingischen Reichsgutes zwischen Rhein, Main und Sieg. Rekonstruktionsversuche mit Hilfe von Ortsnamen, Patrozinien, Reihengräbern und Altstraßen, Tl.I, in: NassAnn 68 (1957), S.1-32; Tl.II, in: NassAnn 69 (1958), S.31-66, Tl.III, in: NassAnn 70 (1959), S.22-40. [Buhlmann, 10.2015, 09.2018]

Reiher, Ruth, Baumann, Antje (Hg.) (2004), Vorwärts und nichts vergessen. Sprache in der DDR: Was war, was ist, was bleibt (= AtV 8118), Berlin 2004 > D Deutsche Geschichte, 1949-1990

Reiners, Ludwig (1956), Bismarcks Aufstieg (= dtv 1573), München 1980 > B Bismarck, Otto von

Reiners, Ludwig (1957), Bismarck gründet das Reich (= dtv 1574), München 1980 > B Bismarck, Otto von

Reinhardt, Rudolf (1958), Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte der deutschen Benediktiner im 15. Jahrhundert. Die Steuerliste der Benediktinerabteien in der Diözese Konstanz aus den Jahren 1477/78, in: ThQschr 138 (1958), S.207-217 > B Benediktiner

Reinhardt, Rudolf (1969), Der Kampf der römischen Kurie gegen die nicht-königlichen Ersten Bitten in der deutschen Reichskirche (1. Hälfte des 18. Jahrhunderts), in: ZRG KA 55 (1969), S.282-321 > E Erste Bitten

Reinhardt, Volker (1998), Die Medici. Florenz im Zeitalter der Renaissance (= BSR 2028), München 1998, 122 S., DM 14,80. Im mittelalterlichen Florenz ist der Familienclan der Medici seit der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts bezeugt. Im 13. Jahrhundert waren die Medici, zugehörig zum popolo der Stadt Florenz, nur am Rande beteiligt an der politischen Entwicklung der Kommune zwischen Ghibellinen und Guelfen, zwischen Aristokratie und wirtschaftlich aufstrebendem Bürgertum (primo popolo). Die wirtschaftlich erfolgreiche Hauptlinie der Medici ("di Averardo" oder "di Cafaggiolo") gelangte erste gegen Ende des 14. Jahrhunderts in politisch wichtige Positionen (Salvestro di Medici als gonfaloniere 1378; Ciompi-Aufstand 1378), als sich aus dem Stadtstaat der Territorialstaat Florenz (unter Einschluss von Prato, Pistoia, Arezzo u.a.) schon entwickelt hatte. U.a. mit der Gründung der Medici-Bank (1397) gelang Giovanni di Medici (†1429) eine beträchtliche Ausweitung des politischen Einflusses seiner Familie in Florenz gegen die damals regierende Oligarchie (Medici-"Faktion"). Giovannis Sohn Cosimo (†1464) richtete die informelle Signorie der Medici in Florenz auf; Parteigänger der Familie besetzten dabei wichtige politische Positionen innerhalb der Stadt, die Medici beeinflussten das Leben der Stadt in Kunst und Kultur (Mäzenatentum: Palazzo Medici, Dominikanerkloster San Marco), Wirtschaft und Verwaltung. Unter Cosimos Sohn Piero (†1469) und Cosimos Enkel Lorenzo "il Magnifico" (†1492) konnte die Vormacht der Medici auch gegen Widerstände noch ausgebaut werden; Lorenzo überlebte 1478 ein Attentat, bei dem sein Bruder Giuliano ermordet wurde (Pazzi-Verschwörung). Gestützt wurde die Macht der Medici auch durch politisch-familiäre Verbindungen zu anderen italienischen Staaten; Lorenzos Sohn Giovanni wurde 1489 Kardinal an der römischen Kurie (später Papst Leo X. [1513-1521]). Lorenzos Sohn Piero (†1503) wurde 1494 aus Florenz vertrieben, die Republik des popolo grasso lebte damals wieder auf. 1512 sollten die Medici indes ihre Machtstellung in Florenz wiedererlangen, seit 1537 war Cosimo I. (†1574) Herzog von Florenz, seit 1569 Großherzog der Toskana. [Buhlmann, 09.1998]

Reinhardt, Volker (2002), Die Renaissance in Italien. Geschichte und Kultur (= BSR 2191), München 2002, 128 S., Schwarzweißabbildungen, € 7,90. Das (nördliche) Italien des späten Mittelalters, besonders des 15. und 16. Jahrhunderts, war - politisch gesehen - ein Flickenteppich von Staaten (Monarchien, Signorien, Republiken), unter denen die fünf Vormächte Venedig, Mailand, Florenz, Rom (Kirchenstaat), Neapel (Königreich Sizilien) hervorragten (Frieden von Lodi [1454], Italien zwischen Frankreich und Spanien-Habsburg [Königreich Neapel, Herzogtum Mailand, Sacco di Roma 1527]). In diesem politischen Umfeld war die Kunst der Renaissance (ca.1430-1560) angesiedelt, eine Kunst der Fürstenhöfe, der Mäzene und Künstler (Herrschaft und Inszenierung von Herrschaft durch Kunst), die nach ganz Europa hin ausstrahlte. [Buhlmann, 07.2002]

Reinhardt, Volker (2005), Der unheimliche Papst. Alexander VI. Borgia (1431-1503), München 2005, 277 S., Abbildungen, Karten, € 22,90; Reinhardt, Volker (2011), Die Borgia. Geschichte einer unheimlichen Familie (= BSR 2741), München 32013, 128 S., Schwarzweißabbildungen, Stammtafel, Zeittafel, Karte, € 8,95. I. Die spanische (Land-) Adelsfamilie der Borgia (Borja) stammte aus Játiva (bei Valencia), wo sie auf lokaler Ebene im späten Mittelalter immer wieder Führungsämter in der städtischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit einnahmen. Kirchlich waren die Borja regelmäßig als Kanoniker am Bischofssitz Lérida vertreten. Mit dem Kanoniker Alonso de Borja (*1378-†1458) begann vor dem Hintergrund von Großem Papstschisma (1378-1417) und Konstanzer Konzil (1414-1418) der Aufstieg seiner Familie. Der Jurist Alonso wurde im Gefolge Papst Benedikts XIII. (1394-1409/17) und König Alfons' V. von Aragón (1416-1458) mächtig, erhielt als Ratgeber des Herrschers den Bischofssitz von Valencia (1429), setzte gegenüber Papst Eugen IV. (1431-1447) das aragonesische Königtum in Neapel-Sizilien durch (1443) und wurde Kardinal in Rom (1444). Alonso unterstützte seine Neffen Rodrigo (*1431-†1503) und Pedro Luis (*1432?-†1458) bei ihren kirchlich-weltlichen Karrieren, zumal als Papst, zu dem er in der Nachfolge Nikolaus' V. (1447-1455) als Calixt III. (1455-1458) gewählt wurde. Nepotismus und ein sich stark verschlechterndes Verhältnis zum aragonesischen Herrscher Alfonso (Papst als Lehnsherr des Königreichs Neapel) mündeten ein ein in die Nichtanerkennung des Alfons-Sohns Ferrante als König von Neapel durch den Papst (1458); die geplante Eroberung Süditaliens durch den inzwischen (1456) zum Kardinal und Kanzler erhobenen Rodrigo Borgia wurde hinfällig, als Callixtus III. starb (1458). II. Unter Calixts päpstlichen Nachfolgern Pius II. (1458-1464), Paul II. (1464-1471) und Sixtus IV. (1471-1484) gingen ein zunehmend ungezügelter Nepotismus und die Prachtentfaltung an den Höfen der Kardinäle und Nepoten weiter. Rodrigo Borgia gelang es auch unter diesen veränderten Umständen, seine Machtstellung und Gefolgschaft (Netzwerk aus Beziehungen und Loyalitäten) weiter auszubauen (Borgia-Familie, Kardinäle als Gefolgsleute, Ämter und Pfründen, Bistum Valencia, Kloster Subiaco, castelli in der Nähe Roms u.a.). Auch die (zahlreichen) Söhne und Töchter des Kardinals gehören hierher, u.a. Pedro Luis (†1488) und Giovanni (†1497) als Herzöge von Gandía (Herzöge von Gandía), Letzterer sowie Cesare, Lucrezia und Jofré aus der Verbindung mit Vannozza Cattanei (†1518); Lieblingssohn war dabei Giovanni, politisch so befähigt wie sein Vater Cesare, Lieblingstochter Lucrezia. Bei der Papstwahl von 1484 unterlag Rodrigo Borgia gegen Innozenz VIII. (1484-1492), um schließlich nach dessen Tod Papst zu werden (1492-1503). Schon bald nach seiner Wahl hatte Papst Alexander VI., wie sich Rodrigo Borgia nun nannte, es mit dem politisch-militärischen Gegenspiel der Kardinalsfamilie um Giuliano della Rovere, des französischen Königs Karl VIII. (1483-1498) und der Mailänder Herzogsfamilie Sforza zu tun; Alexander war Anhänger des aragonesischen Königtums, das dessen Karriere so gefördert hatte (König Ferrante von Neapel [1458-1494]). Der Papst versuchte - u.a. durch die Verheiratung seiner Tochter Lucrezia in eine Seitenlinie der Sforzaherzöge - die Position von Kirchenstaat und seiner Familie im komplizierten politischen Kräftespiel auf der Apenninhaöbinsel zu festigen (1493). Dazu gehörte auch die Ernennung von gleich zwölf neuen Kardinälen, die Parteigänger Alexanders waren; unter den Kardinälen war auch Cesare, der zudem über das zwischenzeitlich zum Erzbistum erhobene Valencia verfügte und als Kardinal-Nepot Borgiafamilie und -gefolgschaft an der römischen Kurie und im Kirchenstaat repräsentierte. Die Belehnung Alfonsos II. (1494-1495), des Sohns Ferrantes, mit dem Königreich Neapel durch den Papst sowie das erneute Aufflammen der Gegnerschaft der Sforzafamilie verursachten u.a. den Kriegszug des französischen Königs in Italien (1494/95), die Rückkehr Giulianos della Rovere in den Kirchenstaat und den Thronverzicht Alfonsos auf Neapel, dessen Sohn Ferrandino (1495-1496) sich nicht gegen König Karl VIII. durchsetzen konnte. Zwischenzeitlich war sogar Rom von französischen Truppen besetzt. Alexander VI. drohte die Absetzung, doch kam es nach Verhandlungen zur "Aussöhnung" zwischen Papst und französischem König (1495). Eine vom Papst geschmiedete Allianz (Heilige Liga von Venedig) gegen Karl VIII. trotzte diesem in der Schlacht von Fornovo ein Unentschieden ab, Karl musste sich aus Italien zurückziehen, und auch die Machtstellung des Sforzaherzogs Ludovico war beeinträchtigt. Nach dem "französischen Italien-Abenteuer" hatte der Papst insofern die Oberhand, dass er erfolgreich den Priester und Sittenreformer Savanarola in Florenz bekämpfte (Interdiktandrohungen, Inhaftierung und Verbrennung Savanarolas 1498) und im Kirchenstaat - unter Propagierung der (angeblichen) Wiederherstellung des Kirchenstaats - u.a. gegen die Colonna, Orsini und Sforza, gegen die römischen Barone allgemein der Borgiafamilie wichtige Positionen verschaffen wollte (Giovanni Borgia in Rom 1496, Niederlage der Borgia gegen die Orsini bei Soriano, Belehnung Giovannis mit Benevent u.a., Ermordung Giovannis, Auflösung von Lucerzias Ehe 1497). In der Frage, wem das Erbe des Königreichs Neapel zufallen sollte, standen sich zudem aragonesische, französische und Borgia-Interessen gegenüber. Nach der Ermordung des Lieblingssohns Giovanni (1497) reagierte der Papst "entfesselt" und setzte sich umso hemmungsloser für Machterhalt und -vermehrung der Borgiafamilie ein (Heirat Lucrezias mit Alfonso von Aragon, Verzicht Cesares auf das Kardinalat 1498, Bündnis zwischen dem Papst und dem französischen König Ludwig XII. [1498-1515], französische Einnahme Mailands und Niederlage der Sforza, Belehnung Lucrezias mit Foligno, Nepi, Spoleto 1499, Eroberungen Cesares im Kirchenstaat 1499/1503 [Riario-Territorium, Eroberung von Imola, Forlí, Pesaro, Rimini, Urbino und Camerino]). Das Jahr 1500 war ein Heiliges Jahr, das viele Pilger nach Rom brachte; Lucrezia Borgia heiratete nach der Ermordung Alfonsos von Aragón (1500) in dritter Ehe Alfonso von Este (1501), während die Borgiaherrschaft über Rom und im Kirchenstaat im drückender wurde (Verkauf von Kardinalsämtern durch den Papst, Gerüchte, Rebellion von Borgiaanhängern 1502, Ausschaltung der Orsini, Ermordung des Kardinals Giovanni Michiel 1503). Im Jahr 1503 kamen die Eroberungen Cesares ins Stocken, der Tod Papst Alexanders VI. (18. August 1503) ließ die Borgia-"Fürstentum" im Norden des Kirchenstaats zusammenbrechen, Cesare floh ins Königreich Navarra, wo er einige Jahre später im Kampf starb (1507). III. Die Borgiaherrschaft in Mittelitalien gab es nicht mehr, als der langjährige Widersacher gegen die Borgia, Giuliano della Rovere, zum Papst gewählt wurde (Julius II., 1503-1513). In weiten Teilen des Kirchenstaates konnten sich nach der herrschaftlichen tabula rasa der Borgia nun die päpstliche Herrschaft durchsetzen. Die Borgia bzw. Borja bleiben auch weiterhin in höchsten Positionen der katholischen Amtskirche tätig (Borja als Herzöge von Gandía [-1740/48], Francesco Borja als General des Jesuitenordens [1565-1571] und Heiliger [1671], spanischer Kronkardinal Gaspar Borja [†1645], Papst Innozenz X. [1644-1655] als Borgiaabkömmling). Von den unmittelbaren Nachfahren Rodrigo Borgias konnte lediglich Lucrezia als Herzogin von Ferrara und Mutter auf ein "geregeltes" Leben zurückblicken, als sie früh im Kindbett verstarb (1519). Vgl. Gregorovius, Ferdinand (1874), Lucrezia Borgia. Fürstin der Renaissance, Augsburg 1997, 315 S., DM N.N. [Buhlmann, 08.2005, 06.2018]

Reinhardt, Volker (2012), Machiavelli oder Die Kunst der Macht. Eine Biographie, München 2012, 400 S., Schwarzweißabbildungen, 1 Karte, Zeittafel, € 24,95. Niccolò Machiavelli (*1469-†1527) wurde in einen verarmten Familienzweig der Florentiner Machiavelli hineingeboren, genoss aber eine umfangreiche Ausbildung und Erziehung, die ihn u.a mit klassisch-lateinischen Autoren wie Livius und Ovid bekannt machte. Nach dem Sturz Savanarolas (1498) wurde Machiavelli Zweiter Kanzler der Republik Florenz und führte im Auftrag von Regierung (gonfaloniere Piero Soderini) und Rat (governo largo) erfolgreich diplomatische Aufträge durch (Gesandtschaften zu König Ludwig XII. von Frankreich, Cesare Borgia, Kaiser Maximilian I. u.a.). Ausfluss dieser Tätigkeit waren die Denkschriften Machiavellis über Deutschland und die Schweizer Eidgenossenschaft (1508). 1509 gelang mit Hilfe der von Machiavelli aufgestellten Bauernmilizen die Eroberung von Pisa, das 1494 von Florenz abgefallen war. Die alleinige politische Anbindung an Frankreich (Gegenkonzil von Pisa 1511 u.a.) führte indes Florenz in die Niederlage gegen Papst und Spanier, die Medici kehrten nach Florenz zurück, die Dienste des Republikaners Machiaveli wurden nicht mehr gebraucht (1512). Letzterer überstand Inhaftierung und Folterung infolge seiner angeblichen Beteiligung an einer Verschwörung gegen die Medici (1513). Bis 1513 war Machiavellis Schrift "Vom Fürsten" (De principatibus) entstanden, der 1513/17 der an Livius angelehnte Traktat "Von der Republik" (Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio) folgte. In den beiden Schriften trennt Machiavelli provozierend Politik (Macht) und Moral, erweist sich aber mit seinem Traum von der "perfekten Republik" als gesellschaftspolitischer Idealist. Politisch interpretierbar sind auch sein 1517/19 fertiggestellten Komödien La Mandragola und Clizia sowie seine 1519/20 verfasste Biografie über den Luccheser Stadtherren Castruccio Castracani degli Antelminelli (†1328). 1520/25 folgt die Istorie Fiorentino, die "Geschichte von Florenz", die Machiavelli im Auftrag des Kardinals und Papstes Giulio de Medici (Papst Clemens VII., 1523-1534) verfasste (Kritik Machiavellis an der Mediciherrschaft über Florenz). Gegen Ende seines Lebens (1526/27) führte Machiavelli noch politische Aufträge in Norditalien durch (Warnungen vor dem kaiserlichen Söldnerheer) und erlebte noch den Sacco di Roma (1527). > M Machiavelli, Niccolò [Buhlmann, 02.2012]

Reinhardt, Volker (2013), Geschichte von Florenz (= BSR 2773), München 2013, 128 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, 1 Karte, € 8,95. Das römische Florenz entstand im Jahr 59 v.Chr. als Folge eines Ackergesetzes des damaligen Konsuls Gaius Julius Cäsar (†44 v.Chr.) für die Soldaten des Gnaeus Pompejus (†48 v.Chr.); die römische Kolonie Florentia mit cardo (Via Cassia) und decumanus lag am schiffbaren Arno, entwickelte sich mit zu einem Handelsort und zu einem Zentrum der Woll- und Kupferverarbeitung, erreichte ihre Blütezeit im 3. Jahrhundert n.Chr. und wurde zum Verwaltungszentrum für das römische Tuszien (Tempel, Amphitheater, Thermen). Um die Mitte des 3. Jahrhunderts soll der heilige Minias hier das christliche Martyrium erlitten haben, spätestens ab 313 gab es einen Bischof in Florenz. Neben Minias/Miniato ist für den Beginn des 5. Jahrhunderts die Verehrung der heiligen Reparata nachweisbar, ebenso eine Belagerung von Florenz durch die Ostgoten. Zwischenzeitlich (539-568) oströmisch, wurde Florenz als Teil des Langobardenreiches zum Sitz eines langobardischen dux (n.569), in karolingischer Zeit (774-875) wurde Florenz in das System der karolingischen Grafschaftsverfassung eingebunden (854). In der Stadt ansässiger Adel (Uberti, Giandonati, Buondelmonti als maiores), Bischöfe, Kirchen und Klöster (Kamaldulenser, Benediktinerkloster St. Miniato [1014], Baptisterium [1060/1150]) bestimmten im 10. und 11. Jahrhundert - unter der Stadtherrschaft der Markgrafen von Tuszien - die politische und wirtschaftliche Entwicklung von Florenz (Textilproduktion, Stadtmauer [1078], vergebliche Belagerung von Florenz durch König Heinrich IV. [1082]). Für das beginnende 12. Jahrhundert sind Vorstädte (borghi) von Florenz nachweisbar und ein sich strukturierendes Einzugsgebiet (contado; Sieg über die Adelsfamilie Adimari [1107], Eroberung von Fiesole [1125]), erstmals 1138 eine Konsularverfassung mit vier gewählten Konsuln. Im Verlauf des 12. Jahrhunderts rückten neben die maiores neue konkurrierende Familienclans in die städtische Oberschicht auf, die - wirtschaftlich erfolgreich - ebenso erfolgreich adligen Lebensstil nachahmten (Geschlechtertürme, Landbesitz, Grabkapellen). Um 1200 - inmitten eines starken demografischen und wirtschaftlichen Wachstums - hatte Florenz rund 25000 Einwohner, neue Familien waren zugezogen und bildeten den popolo mit seinen Institutionen. Podesta-Verfassung und Parteiungen zwischen Ghibellinen und Guelfen vor dem Hintergrund zeitweiligen Einflusses staufischer Kaiser und Könige (1150er-, 1230er-, 1240er-Jahre) mündeten 1282 ein in die "Zunftherrschaft" der Kaufleute, Textilhersteller und Handwerker. Deren oligarchisches Regiment (21 arti maggiori, 16 gonfaloni, Tre Maggiori [Signoria mit gonfaloniere, 12er-, 16er-Gremium]) gründete nicht zuletzt auf der Stadt Florenz als europäisches Zentrum der Textilherstellung und der Banken (Palazzo della Signoria/Vecchio [1302], Eroberung von Pistoia, Arezzo u.a. [bis 1340]). Der Zusammenbruch der florentischen Banken (1338/43), die kurzzeitige Alleinherrschaft des Johann von Brienne (1342/43) und die Pest (1348, 1363) lösten in der bis dahin rund 100000 Einwohner zählenden Stadt wirtschaftliche Krisen und weitere Parteikämpfe aus (Ciompi-Aufstand [1378] und Wiederherstellung der Oligarchie [1382]); Florenz wurde vom Mailänder Herzog Gian Galeazzo Visconti (†1402) bedroht, konnte aber 1406 durch die Eroberung von Pisa direkten Zugang zum Meer gewinnen (Ospedale degli Innocenti [1419], Domkuppel [1420/36]). Ab 1434 stand die Republik Florenz unter der Herrschaft der Medici. U.a. mit der Gründung der Medici-Bank (1397) gelang Giovanni di Medici (†1429) eine beträchtliche Ausweitung des politischen Einflusses seiner Familie in Florenz gegen die damals regierende Oligarchie (Medici-"Faktion"). Giovannis Sohn Cosimo (†1464) richtete die informelle Signorie der Medici in Florenz auf; Parteigänger der Familie besetzten dabei wichtige politische Positionen innerhalb der Stadt, die Medici beeinflussten das Leben der Stadt in Kunst und Kultur (Mäzenatentum: Palazzo Medici, Dominikanerkloster San Marco), Wirtschaft und Verwaltung. Unter Cosimos Sohn Piero (†1469) und Cosimos Enkel Lorenzo "il Magnifico" (†1492) konnte die Vormacht der Medici auch gegen Widerstände noch ausgebaut werden; Lorenzo überlebte 1478 ein Attentat, bei dem sein Bruder Giuliano ermordet wurde (Pazzi-Verschwörung). Gestützt wurde die Macht der Medici auch durch politisch-familiäre Verbindungen zu anderen italienischen Staaten; Lorenzos Sohn Giovanni wurde 1489 Kardinal an der römischen Kurie (später Papst Leo X. [1513-1521]). Lorenzos Sohn Piero (†1503) wurde 1494 aus Florenz vertrieben, die Republik des popolo grasso lebte damals unter dem streitbaren Prediger Savanarola (†1498; Verbrennung des Savanarola [1498]) wieder auf. 1512 sollten die Medici indes ihre Machtstellung in Florenz wiedererlangen, seit 1537 war Cosimo I. (†1574) Herzog von Florenz, seit 1569 Großherzog der Toskana. Die Medici-Großherzöge regierten Florenz bis 1737 im Großen und Ganzen erfolgreich (Einbindung des florentischen Adels in die Herrschaft, kulturelle Impulse in der "Stadt der Erinnerung" [Francesco Vettori, Giorgio Vasari, Uffizien, Accademia del designo, Camerata fiorentina, Galilei Galileo]). 1737, nach dem Aussterben der Medici im Mannessstamm, folgten diesen die Großherzöge aus dem Hause Habsburg-Lothringen nach. Großherzog Pietro Leopoldo (1765-1790, Kaiser Leopold II. 1790-1792) führte im Sinne der Aufklärung Modernisierung durch, die Gesellschaft (Adel, Abschaffung der Todesstrafe [1786]) und Wirtschaft (Abschaffung der Zünfte [1770]) betrafen. Mit der französischen Herrschaft über Florenz (1799-1814) im Gefolge der Französischen Revolution (1789) gelangte die Stadt vollends auf den "Weg in die Moderne", zunächst im restaurierten Großherzogtum der Habsburger (Revolution von 1848/49), dann im Italien der piemontesischen Könige (1859/61; Florenz als Hauptstadt Italiens [1865-1870]). Im Italien des 20. Jahrhunderts machte Florenz die faschistische Ära Benito Mussolinis und den Zweiten Weltkrieg (1939-1945; deutsche Besetzung [1943]) mit, heute ist Florenz wegen seiner Kulturschätze ein Zentrum des internationalen Tourismus. [Buhlmann, 05.2013]

Reinhardt, Volker (2013), Pius II. Piccolomini. Der Papst, mit dem die Renaissance begann, München 2013, 392 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, Zeittafel, € 24,95. Enea Silvio Piccolomini wurde am 18. Oktober 1405 in Corsignano (bei Siena) geboren und gehörte einer verarmten Adelsfamilie aus Siena an. Seine Kindheit verbrachte Enea in seinem Heimatdorf Corsignano; Siena und Florenz waren die Städte, in denen der Adlige auf Grund von Studium und Ausbildung zu einem bedeutenden Humanisten wurde. Schon damals wusste Enea (nicht nur in Sachen Liebesaffären) gesellschaftliche Netzwerke zu nutzen, wobei ihm seine erworbene Meisterschaft in lateinischer Rhetorik half. Als Scholar und Sekretär des Kardinals Domenici Capranica gelangte er ans Basler Konzil (1432), in dessen Auftrag er in der Folge als Schreiber und Vertreter des Konziliarismus tätig wurde (Rede vor dem Herzog von Mailand 1433, Anschlag auf Papst Eugen IV. [1431-1447] 1435, Schottlandreise 1435/36, Suspension Papst Eugens IV. 1438, Pestepidemie 1439, Schrift Libellus dialogorum de concilii generalis auctoritate 1440) und als Sekretär des Gegenpapstes Felix V. (1439-1449; Leitung des Konklaves 1439, Sekretär 1440/42). In habsburgischen Diensten König Friedrichs III. (1440-1493) befand sich Piccolomini als Kanzleisekretär ab dem Jahr 1442. Damals schrieb er erotische Werke ("Geschichte von den zwei Liebenden", Chrysis 1444) und ein Satyretraktat ("Über das Elend der Hofleute", 1444). Als Diplomat des römisch-deutschen Königs bereinigte er sein Verhältnis zu Papst Eugen IV. (1445, Ernennung zum päpstlichen Sekretär). Diplomatische Reisen im Auftrag des Königs prägten die nächsten Jahre (1447/51). Papst Nikolaus V. (1447-1455) machte ihn, der inzwischen Priester geworden war (Subdiakonat 1446), zum Bischof von Triest (1447), dann zum Bischof von Siena (1450). 1452 empfing Piccolomini die Braut Friedrichs III., Eleonora von Portugal, in Livorno und führte Braut und Bräutigam zusammen, bevor es zur römischen Kaiserkrönung Friedrichs ging (Organisation der Krönung). Die Zeit der osmanischen Eroberung Konstantinopels (1453) war auch geprägt von einer Anzahl von Schriften Piccolominis ("Österreichische Geschichte", Dialogus 1453/55, Germania 1457/58). 1456 wurde Piccolomini durch Papst Kalixt III. (1455-1458) zum Kardinal erhoben, 1458 erfolgte seine Wahl zum Papst (1458-1464). Als Papst Pius II. stärkte Piccolomini die Stellung des Papsttums (gegen den Konziliarismus, Bulle Execrabilis 1460) und berief nach Mantua (Gonzaga) einen Kreuzzugskongress ein (1459/60, Eingriffe in die inneren Angelegenheiten der Stadt Siena 1459 [Beteiligung des Adels an der Politik der Stadt]). Dem Kreuzzugskongress war indes nur mäßiger Erfolg beschieden. Dem von ihm betriebenen Nepotismus widersprachen Reformbestrebungen des Papstes (Reformentwurf, Reformschriften des Nikolaus von Kues). Im Kirchenstaat griff Pius II. hart und erfolgreich durch (römisch-republikanische Unruhen 1460, Prozess gegen Sigismondo Malatesta von Rimini 1461). Im Krieg um das und im Königreich Neapel stand Pius II. auf der Seite des aragonesischen Königs Ferrante (1458-1494) gegen die französischen Anjou (u.a. 1461). In den letzten Jahren seines Pontifikats betrieb Piccolomini - obwohl gesundheitlich schwer angeschlagen (Badeaufenthalte des Papstes) - den architektonischen Ausbau seines Geburtsortes Corsignano, der nun Pienza hieß (Kathedrale, Palazzo, Piazza, Erhebung des Ortes zum Bischofssitz Pienza 1462), weiter schrieb er an seiner "Autobiografie" (Commentarii 1462/64). Anlässlich seines nur ungenügend vorbereiteten Kreuzzugsunternehmen begab sich Pius II. nach Ancona, wo er in der Nacht vom 14. auf dem 15. Oktober 1464 verstarb. Der Leichnam des Papstes wurde in der Peterskirche in Rom beigesetzt. S. noch: Aeneas Silvius de Piccolomini, Historia Austrialis. Österreichische Geschichte, hg. v. Jürgen Sarnowsky (2005), Darmstadt 2005 > F Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe. > Lateinische Literatur > P Piccolomini, Enea Silvio [Buhlmann, 08.2016]

Reinhardt, Volker (2018), Leonardo da Vinci. Das Auge der Welt. Biographie, München 2018, 383 S., Illustrationen, Anhang der Bilder Leonardos, Zeittafel, Karte, € 26,95. I. Leonardo da Vinci, geboren am 15. April 1452, gestorben am 2. Mai 1519, war ein italienischer bedeutender Künstler der Renaissance. Aufgewachsen in Florenz (1457/77), lernte der künstlerisch sehr begabte Leonardo bei Andrea del Verrocchio (†1488) Bildhauerei und Malerei, später war er als Künstler im Auftrag des Lorenzo Medici (†1492) tätig (1477/81). Leonardo wandte sich Mailand zum Herzogshof der Sforza (1482/99), danach findet er sich u.a. in Florenz, im Dienst Cesare Borgias (†1507), in Rom und beim französischen König Franz I. (1515-1547). Freundschaft verband ihn mit dem Mathematiker Luca Pacioli (†1514/17). Gegen Ende seines Lebens hielt er sich im französischen Amboise auf, wo er auch im Schloss Cloux verstarb. II. An künstlerischen Werken hinterließ Leonardo da Vinci u.a. die Gemälde: "Verkündigung Mariae" (ca.1473/75, Mitarbeit), "Taufe Christi" (ca.1473/75, Mitarbeit), "Madonna mit Nelke" (ca.1475/77), Benois-Madonna (ca.1478/80), Porträt der Ginevra Benci (ca.1478/80), "Anbetung der heiligen drei Könige" (ca.1481/82), "Hieronymus in der Wüste" (ca.1481/81 oder 1490er), "Felsgrottenmadonna" (ca.1483/86 oder 1490er), "Bildnis eines Musikers" (1480er, Mitte), "Felsgrottenmadonna" (ca.1493/95), Porträt der Cecilia Gallerani (ca.1490), "Madonna Litta" (1490er, Anfang), "Letztes Abendmahl" (ca.1495/98), Dekoration im Mailänder Sala delle Asse (ca.1496/98), Porträt der Lucrezia Crivelli (ca.1496/98), "Madonna mit der Spindel" (ca.1500/01), "Anghiarischlacht" (ca.1503/06),"Mona Lisa" (ab 1503), "Anna selbdritt" (ab ca.1508), "Leda mit dem Schwan" (ca.1510), "Johannes der Täufer" (ab 1513)), "Bacchus" (ab ca.1513), daneben: Federzeichnungen und Skizzen militärischer Art (1480er-Jahre), Architekturentwürfe (ab 1501), naturkundliche Skizzen (Wasserströmung, Pflanzen, menschliche Anatomie, ab 1506), Notizen und Zeichnungen. III. Der Künstler Leonardo da Vinci maß dem Sehen mit den Augen bei der Betrachtung der Natur den höchsten Stellenwert ein. Ihm ging es um die Stellung des Menschen in der Welt (Mensch als Mikrokosmos - Makrokosmos bzw. Mensch - Natur). Von daher wandte er sich in und mit seinem Werk gegen die humanistischen Bestrebungen seiner Zeit, gegen Christentum und Religion, gegen die alchemistische Interpretation von Natur. Leonardo da Vinci wurde "sehend, zeichnend und malend zum Auge der Welt". IV. Francesco Melzi, der adlige Page Leonardos da Vinci, sollte das Vermächtnis des Künstlers in Form bringen insofern, dass er die Aufzeichnungen Leonardos im Trattato della pittura (handschriftlich) zusammenstellte. In den Lebensbeschreibungen zu Renaissancekünstlern von Giorgio Vasari kam Leonardo da Vinci nicht gut weg, so dass der Maler und Erforscher der Natur in Vegessenheit geriet. Die Moderne setzt sich mit dem "wiedergefundenen Leonardo" auseinander, der vielfach auch als "erfunden" charakterisiert werden kann und muss. Vgl. noch: Rosheim, Mark Elling (2006), Leonardo's Lost Robots, Berlin-Heidelberg 2006, 188 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, € 32,- (Leonardo da Vinci als Konstrukteur von Automaten [Löwe, Ritter, hydraulischer Glockenschläger]). [Buhlmann, 06.2019, 12.2022]

Reinoß, Herbert (Hg.) (o.J.), Autoren in Wort und Bild, Gütersloh o.J. > L Literatur

Reitz, Manfred (2007), Schinderhannes und Spießgesellen. Kleine Geschichte der Räuber und Raubritter, Ostfildern 2007, 160 S., Schwarzweißabbildungen, € 7,-. Adelskrise und wirtschaftliche Veränderungen ließen im späten Mittelalter (13.-15./16. Jahrhundert) manche Ritter ["Raubritter"; fragwürdiger Begriff!] zur Fehde besonders gegen Kaufleute, Bürger und Städte greifen, wobei Überfälle und Lösegeld ein Auskommen sichern sollten (Philipp von Hohenfels [13. Jahrhundert, Mitte], Thomas von Absberg [†1531], Mangold von Eberstein [16. Jahrhundert, 1. Hälfte], Götz von Berlichingen [†1562]). Mit dem Beginn der frühen Neuzeit (16.-18. Jahrhundert) verschwanden Fehdewesen und "Raubritter"; Räuber, Mordbrenner und Wilderer, (arbeitslose) Söldner und Marodeure, auch kriminelle Frauen verübten nun ihre Verbrechen (Diebstahl, Raub, Mord und Totschlag). Ein Tiefpunkt dieser Entwicklung war sicher im und kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erreicht, der in der frühen Neuzeit erreichten Territorialisierung zum Trotz (Peinliche Halsgerichtsordnung [1532] und Todesstrafe [Hängen, Rädern], Prozess und Folter, Zwangsarbeit und Galeerenstrafe, Gefängnisse und Freiheitsstrafen [17. Jahrhundert, 2. Hälfte], Polizei [18. Jahrhundert]). Noch im 18./19. Jahrhundert gab es erfolgreiche (auch sozialromantisch verklärte) Räuberbanden (Friedrich Schwan ["Sonnenwirtle", †1760], Jakob Reinhardt ["Hannikel", †1787], Johannes Bückler ["Schinderhannes", †1802], Georg Philipp Lang ["Hölzerlips", †1812]). [Buhlmann, 04.2012]

Religion(en) als soziale(s), sinngebende(s), weltanschauliche(s) System(e) von Glaubensaussagen und -praktiken zur Einordnung von Menschen in transzendent-absolute Bezüge von "Göttlichem, Übernatürlichem", als "Subsystem(e)" menschlicher Kulturen und Gesellschaften: Der menschliche Religionsbegriff entzieht sich einer exakten Definition, so dass Religion tragfähig nur innerhalb einer bestimmten Kultur und Gesellschaft verortet werden kann, die bestimmte gesellschaftliche Bereiche als Religion ansieht. Jenseits dieser Schwierigkeiten von Religionsbestimmung können dennoch in der Menschheitsgeschichte folgende "Subsysteme" als Religionen ermittelt werden: Schamanismus, "primitive Stammesreligionen", ägyptische Religion, altorientalische Religionen (babylonisch-assyrische Religion u.a.), jüdische Religion, griechische Religion, römische Religion, keltische Religion, Brahmanismus, Buddhismus, Dschainismus, germanische Religion, Zarathustrismus, altamerikanische Religionen, Christentum (evangelisch, katholisch), chinesischer Universismus, Manichäismus, Mandäer, Shintoismus, Islam (Bahai, Schiitentum, Sunnitentum), Hinduismus, slawische Religionen, koreanische Religionen, finnisch-ugrische Religion; baltische Religionen, Bon, Caodaismus, Sikhismus u.a.
Zu den Religionen in der Menschheitsgeschichte s.: Glasenapp, Helmuth von (Hg.) (1957), Die nichtchristlichen Religionen (= FL 1), Frankfurt a.M. 21957, 338 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, Karte, DM N.N.; Panati, Charles (1996), Lexikon religiöser Bräuche und Gegenstände. Von Altar bis Yin und Yang (= SP 2795), München 1999, 637 S., Schwarzweißabbildungen, DM 19,90 (als vergleichendes Lexikon bezogen auf die heutigen Hauptreligionen: Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam, Judentum); Simmel, Oskar, Stählin, Rudolf (Hg.) (1957), Christliche Religion (= FL 3), Frankfurt a.M. 1957, 350 S., Schwarzweißabbildungen, DM N.N. [Buhlmann, 10.2021, 07.2023]

Rellin, Martina (2004), Klar bin ich eine Ost-Frau! Frauen erzählen aus dem richtigen Leben, Berlin 2004 > D Deutsche Geschichte, 1949-1990

Reliquet, Phillippe (1984), Ritter, Tod und Teufel. Gilles de Rais: Monster, Märtyrer, Weggefährte Jeanne d'Arcs (= dtv 11174), München 1990, 312 S., Abbildungen, Karten, DM 16,80, erzählt die Geschichte des Gilles de Rais (†1440), der als Marschall von Frankreich, Graf von Brienne und Generalleutnant der Bretagne der Weggefährte der Jeanne d'Arc war, sich büßend schuldig fühlte am Verrat an der französischen Märtyrerin und als Veransatlter von Mysterienspiele (u.a. "Mysterium der Balgerung von Orléans") zu einem Vorbild christlicher Frömmigkeit wurde. Wirtschaftlich bankrott, zog sich Gilles de Rais auf seine Burg Tiffauges zurück, wo er der Alchimie anhing und mindestens 130, vielleicht 250 Kinder, meist Jungen, ermordete. Der Morde und der Häresie überführt, wurde der Massenmörder im Jahr 1440 in Nantes zum Tode verurteilt und gehängt. [Buhlmann, 11.1992]

Rellinghausen, Frauenstift an der unteren Ruhr, Stadtteil von Essen, Großstadt in Nordrhein-Westfalen: I. (Essen-) Rellinghausen weist eine bis ins frühe Mittelalter zurückreichende Geschichte auf. Der Ort Rellinghausen wird erstmals zu 858/63 erwähnt anlässlich einer Schenkung des Kirchenzehnts an die damals neu gegründete Essener Frauengemeinschaft. Ab dem Jahr 943 verfügte das Benediktinerkloster (Essen-) Werden über den Zehnten in Rellinghausen. Die Rellinghauser Kirche weist wahrscheinlich ins 9. Jahrhundert zurück; dieser Datierung entspricht das erstmals 1311 erwähnte Lambertuspatrozinium des Gotteshauses. Die Nennung Rellinghausens im berühmten Testament der Essener Äbtissin Theophanu (1039-1058) setzt jedenfalls mindestens die Existenz einer Kirche voraus. II. Über die Anfänge der Frauengemeinschaft Rellinghausen ist nichts bekannt. Nachrichten, wonach die Kommunität von der Essener Äbtissin Mathilde (971-1011) gestiftet wurde, stellen sich als frühneuzeitliche Fälschungen des Essener Frauenstifts dar. Zum Jahr 1158 wird eine Rellinghauser Pröpstin Ida in den mittelalterlichen Geschichtsquellen erwähnt; zum Jahr 1170 spricht die Jahrgedächtnisstiftung der Essener Äbtissin Hadwig II. von Wied (1154-v.1172?/76) von einer (Frauen-) "Gemeinschaft in Rellinghausen". Rellinghausen rückte in den Mittelpunkt des politischen Geschehens am Niederrhein, als im 2. Viertel des 13. Jahrhunderts die Vogtei über das Stift zwischen den Kölner Erzbischöfen, den Grafen von Isenberg-Limburg und der Äbtissin der Essener Frauengemeinschaft umstritten war. Rellinghausen gehörte damals teilweise zur staufischen Prokuration Kaiserswerth. Im 13. Jahrhundert verdichteten sich ebenfalls Grundbesitz und Rechte um Rellinghausen zur Landesherrschaft, zur "Herrlichkeit Rellinghausen" der Rellinghauser Pröpstin als Leiterin des Stifts und "Herrin von Rellinghausen". Die Landesherrschaft der Pröpstin über das kleine Rellinghauser Territorium beiderseits der unteren Ruhr war indes eingeschränkt durch die Stiftsvögte (Rellinghauser Landfeste vom endenden 16. Jahrhundert). Für das späte Mittelalter fließen die Geschichtsquellen über Rellinghausen reichlicher. Personelle Verflechtungen zwischen den benachbarten Frauenstiften Essen und Rellinghausen werden erkennbar. Vielfach gehörten Rellinghauser Pröpstinnen auch der Essener Frauengemeinschaft an. Daneben gab es auch wiederholt Streitigkeiten zwischen den beiden geistlichen Kommunitäten. Auch über das Leben im Rellinghauser Stift (adlige und ritterbürtige Stiftsfrauen, hochadlige Pröpstin, Rellinghauser Liber ordinarius, Liturgie, Prozessionen), über die Topografie innerhalb der Stiftsimmunität (Stiftskirche als Pfarrkirche, Stiftsgebäude, Wirtschaftsgebäude) und über die wirtschaftlichen Grundlagen kann für Spätmittelalter und frühe Neuzeit viel mehr in Erfahrung gebracht werden. Die Frauengemeinschaft besaß umfangreichen Grundbesitz (spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Rentengrundherrschaft) in der Umgebung von Rellinghausen, im Bergischen Land und westlich des Niederrheins. In Krisenzeiten, etwa im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), ging manches verloren (Verkauf von Höfen), auch schädigten Kriege die Frauengemeinschaft schwer. Einnahmen aus dem Steinkohlebergbau im Stiftsgebiet sind indes seit dem späten Mittelalter belegt. Im Zeitalter der Reformation behauptete sich das Rellinghauser Stift trotz protestantischer Vögte als katholische Frauengemeinschaft. Dafür gewann - auch auf Grund der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage - die Frauenkommunität Essen immer mehr Einfluss auf Rellinghauser Stift und Stiftsgebiet. Versuche der Rellinghauser Frauengemeinschaft, über die Aufnahme von Beziehungen zu den römisch-deutschen Kaisern, politisches Gegenspiel zu entwickeln, scheiterten letztlich. Und so kam es gemäß dem Vereinigungsvertrag von 1661 zu einer Übertragung von Rellinghauser Landeshoheit und Gerichtsbarkeit an die Essener Äbtissin und das Stift Essen. Rellinghausen war fortan Teil der Essener Landesherrschaft. Parallel dazu leitete nun die Rellinghauser Dechantin die Frauengemeinschaft, freilich unter Beibehaltung des Pröpstinnenamtes (1669). Mit dem Frauenstift Essen kam auch die Rellinghauser Kommunität zu ihrem Ende, als preußische Truppen das Essener Stift besetzten (1802). Die bisherige Rellinghauser Stiftsverfassung wurde aufgehoben (1803), es entstand für kurze Zeit eine Versorgungsanstalt für adlige preußische Offiziers- und Beamtentöchter (1804). Die Auflösung dieser Versorgungsanstalt (1812) ebnete den Weg zur Säkularisation des ursprünglichen Stiftsvermögens. III. Heutzutage sind im Stadtteil Rellinghausen der Großstadt Essen noch die im 19. Jahrhundert umgebaute ehemalige Stiftskirche und einzelne Gebäude des Stifts einschließlich von Resten der einstigen Ummauerung des stiftischen Immunitätsbezirks zu sehen. Überlebt hat auch der in einer Abschrift von 1577 überlieferte Rellinghauser Liber ordinarius.
Wenig gibt es zur Geschichte des Frauenstifts Rellinghausen (bzw. des Ortes Rellinghausen): Buhlmann, Michael (2016), Frauengemeinschaft Rellinghausen in Mittelalter und früher Neuzeit (= SGE 3), Essen 2016, 52 S., € 3,-; Grevel, Wilhelm (1881), Das Gerichtswesen im Stifte Rellinghausen von der ältesten Zeit bis zu dessen Auflösung, in: EB 1 (1881), S.15-45; Harleß, W[oldemar] (1911), Zwei Denkschriften über das Verhältnis von Rellinghausen und Bifang zum Stift Essen und dessen Bergregal, mitgeteilt v. Wilh[elm] Grevel, in: EB 33 (1911), S.79-132; Hoederath, Hans Theodor (1928), Das Rellinghauser Land- und Stoppelrecht. Ein Beitrag zur westfälischen Rechtsgeschichte, in: EB 46 (1928), S.329-407; Humann, F[ranz] Ant[on] (1871), Das Stift Rellinghausen, in: ZBGV 7 (1871), S.61-74; Karsch, [J.] (1881), Zur Geschichte des Stiftes Rellinghausen im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, in: EB 4 (1881), S.24-43; Karsch, [J.] (1892), Das Stift Rellinghausen in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, in: EB 14 (1892), S.5-35; Karsch, [J.] (1892), Verzeichnis der Pröpstinnen und Dechantinnen des kaiserlich freiweltlichen Damenstifts Rellinghausen, in: EB 14 (1892), S.35-46; Potthoff, Ludwig (1953), Rellinghausen im Wandel der Zeit, Essen 1953, 175 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, DM N.N.; Schroer, Hans (1991), Rellinghausen und seine Geschichte, Essen 1991, Schwarzweißabbildungen, Karten, DM N.N.; Tomaszewski, H. (1963), Die Rellinghauser Stiftsdamen, in: MaH 16 (1963), S.101-106. [Buhlmann, 05.2013, 06.2016]

Remmen, Karl (2005), Die Klosterlandschaft im mittelalterlichen Stadtraum Neuss (= Libelli Rhenani, Bd.13), Köln 2005, 156 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, Pläne, € 11,-. I. Die Siedlung Neuss, gelegen an der Mündung der Erft in den Rhein im Berich der rheinischen Niederterrasse, entwickelte sich seit der Karolingerzeit (8./9. Jahrhundert) um ein kreisrundes castellum Niusa auf einem Büchel (Erhebung), der mit etwas über 40 m Meereshöhe hochwasserfrei war und in den folgenden Jahrhunderten Platz für einen fränkischen Hofverband, die Frauengemeinschaft St. Quirin und das Münster bot. Zur Burg kam eine westlich davon gelegene Kaufmannsvorstadt als suburbium. In ottonisch-salischer Zeit (10./11. Jahrhundert) stellte sich Neuss als "Siedlungscluster" dar; bevorzugt wurden bei der Bebauung weitere (sechs) Büchel, neben der Büchelburg und dem Handwerker- und Kaufleuteareal gab es mit Türmen versehene Freihöfe des Ortsadels. Die staufische Zeit (12./13. Jahrhundert) war dann die Zeit der Neusser Stadtentwicklung, topografisch gesehen der Ummauerung des Ortes (spätromanische Stadtmauer, Stadtgraben), der Ausdehnung der Siedlung (über die die Büchel trennenden Rinnen hinweg) nach Westen und Süden (Freihöfe, Ministerialenburgen). Innerhalb der Stadtmauer befand sich in spätem Mittelalter und früher Neuzeit ein birnenförmiger Stadtraum, der von Nordwest nach Südost 1050 m, von Südwest nach Nordost 400 m maß und eine Fläche von 400000 qm umfasste. II. Die sich gerade im Spätmittelalter in Neuss ansiedelnden geistlichen Gemeinschaften nahmen wohl 15 bis 20 Prozent dieser Fläche ein. Zu nennen sind: St. Quirin als Benediktinerinnenkloster (9./10. Jahrhundert; Translation der Quirinusreliquien 1050 [Dionysius- als Vorgängerpatrozinium]) bzw. Frauenstift (12. Jahrhundert; Immunität und erzbischöflich-kölnische Stadtherrschaft), "altes" Kloster auf dem "Marienberg" (13. Jahrhundert?; Neusser Marienpatrozinien [Köln]) ("alte" Klöster), Minoritenkloster (1234; im Süden der Stadt intra Muros), Klarissenkloster (13. Jahrhundert, Mitte?; in zentraler Lage), Alexianerkloster (14. Jahrhundert, Mitte; im Kaufleuteviertel), Sebastianuskloster (1422/28; nahe dem Niedertor) ("neue" Klöster u.a. der Bettelorden), Udemannskonvent (v.1328), Michaelisbergkloster (Hunenkonvent, v.1467) (Beginenkonvente). Das mit Augustinerchorherren besiedelte Oberkloster (1181) befand sich außerhalb der Stadtmauer (kriegsbedingte Zerstörungen des Klosters [1205 u.a.], Räumung des Klosters [1585], Übersiedlung der Chorherren in die Stadt [Kamperhof, 1603/07]). Im 14. und 15. Jahrhundert geraten auch die Klöster und geistlichen Kommunitäten in Neuss in eine (wirtschaftliche) Krise (Misstrauen der Stadtregierung [Vermögensaufsicht durch den Rat], Rückgang der Schenkungen, Verflachung des klösterlichen Engagements, Gleichgültigkeit der Bürger). Die Neusser Klöster überstanden indes Reformation und frühe Neuzeit und werden zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgehoben und säkularisiert. [Buhlmann, 12.2016]

Renner, Anna Maria (1976), Sibylla Augusta, Markgräfin von Baden. Die Geschichte eines denkwürdigen Lebens, Karlsruhe 31976 > B Baden

Renoir, Pierre-Auguste, französischer Maler: (Pierre-) Auguste Renoir (*1841 in Limoges, †1919 in Cagnes-sur-Mer) war ein bedeutender französischer Maler des letzten Drittel des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts. Er arbeitete zunächst als Porzellanmaler (1854/58), studierte dann Malerei (1861/64 u.a.), schloss Freundschaft u.a. mit Claude Monet und Édouard Manet. In die Pariser Salons fanden Renoirs Bilder seit 1864 Eingang. Einer impressionistischen Phase (1864/81) folgte die nachimpressionistische Phase von Renoirs Malerei (Italienreise 1881, Reise nach Guernsey 1883). Unter den rund 6000 Werken Renoirs sind zu nennen: Flowers in Greenhouse (1864), Diana als Jägerin (1867), Lise mit dem Sonnenschirm (1867), Der Spaziergang (1870), Odaliske (1870), Pont-Neuf (1872), Tänzerin (1874), Die Pariserin (1874), Die Loge (1874), Nach dem Bade (1876), Bal au Moulin de la Galette (1876), Der Dogenpalast in Venedig (1881), Früchte des Südens (1881), Moulin Huet Bay (1883), Die großen Badenden (1887), Junge Mädchen am Klavier (1892), Das Urteil des Paris (1908), Badende (1910/11), Ruhe nach dem Bad (1918/19).
Zu Renoir s.: Hayes, Colin (1961), Renoir, Wiesbaden 1961, 38 S., 48 Farbtafeln, DM 10,80. [Buhlmann, 01.2022]

Rensing, Franz (1913), Der Geburtsort des hl. Liudger, in: BeitrrGWerden 16 (1913), S.54-61 > L Liudger

Reuchlin, Johannes, Henno. Lateinisch/Deutsch, übers. v. Harry C. Schnur (1995) (= RUB 7923), Stuttgart 1995, 72 S., € 1,- > Lateinische Literatur > R Reuchlin, Johannes

Reus, Gunter (2020), Marcel Reich-Ranicki. Kritik für alle (= Besondere Wissenschaftliche Reihe 2020), Darmstadt 2020, 224 S., ca. € 10,-. Marcel(i) Reich, geboren am 2. Juni 1920 als deutsch-polnischer Jude, lebte ab 1929 bei wohlhabenden Verwandten in Berlin, wo er bis zur Erlangung des Abiturs (1938) das Werner-Siemens-Realgymnasium und das Fichte-Gymnasium besuchte. Ein Studium blieb ihm im nationalsozialistischen Deutschalnd verwehrt; alsbald (1938) wurde er nach Polen abgeschoben. Mit seiner (späteren) Frau Teofila (Tosia) Langnas (†2011) überlebte er den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und das nationalsozialistische Terrorregime in Warschau, im Warschauer Ghetto und im Untergrund, bis Warschau von der Roten Armee erobert wurde (1944). Marcel Reich, der sich in Ranicki umbenannte (1948), stand in der Nachkriegszeit (ab 1944) in Diensten der polnischen Regierung (Geheimpolizei; Spionage; Vizekonsul in Großbritannien 1948) bis zu seiner Entlassung (1950) und einer teilweisen Inhaftierung. Danach wandte er sich als Lektor, freier Schriftsteller und Publizist der (deutschen) Literatur zu (Warschauer Verlag, polnischer Rundfunk), teilweise unterbrochen von einem Publikationsverbot (1953/54). 1958 emigrierte Reich-Ranicki mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland, wo er als Feuilletonist und Literaturkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung arbeitete. Damit begann sein Aufstieg zum deutschen "Literaturpapst", zum wirkmächtigen, die Medien (Presse, Fernsehen) nutzenden Literaturkritiker, der besonders durch die Fernsehsendung "Das Literarisches Quartett" (1988-2001) berühmt wurde. Transparenz der Argumentation und didaktische Barrierefreiheit der Sprache machten dabei die polemische und Widerspruch herausfordernde Literaturkritik Reich-Ranickis für viele an der deutschen Literatur Interessierte verständlich. Der Publizist und Feuilletonist betrieb damit eine (Literatur-) "Kritik für alle", die auch noch heute nachwirkt [s. die im Buch enthaltenen Interviews mit deutschen Feuilletonist/innen]. Marcel Reich-Ranicki starb am 18. September 2013 in Frankfurt a.M. > R Reich-Ranicki, Marcel [Buhlmann, 03.2020, 02.2022]

Reuter, Marcus (1997), Der römische Gutshof von Wurmlingen, in: TutHbll NF 60 (1997), S.24-30. Im Tuttlinger Raum, an der Donau, waren die Römer seit 40/60 n.Chr. präsent; mit der Inbesitznahme der agri decumates ab 73/74 n.Chr. entstand die Fernstraße Straßburg - Offenburg - Waldmössingen - Rottweil - Tuttlingen. Bei Wurmlingen wurde in Hanglage und an einer Quelle in direkter Beziehung zur im Tal verlaufenden Fernstraße am Ende des 1. Jahrhunderts ein römischer Gutshof (villa rustica) gegründet, der - zunächst aus Holzgebäuden bestehend - um die Mitte des 2. Jahrhunderts in Stein aufgeführt wurde (Hauptgebäude, Wirtschaftsgebäude, Bad); die Siedler kamen dabei wohl aus dem römischen Reich (Gallien). Bis zu Beginn des 3. Jahrhunderts prosperierte der Gutshof, auch auf Grund seiner Lage an der Fernstraße (Funde: Bronzeschalengriff, Bronzeaufsatz eines Reisewagens, Pantherfibel). Nach einem Brand wurde das Badegebäude zum Wohnhaus, der Wirtschaftsbau zur Werkstatt für das Umschmelzen von Bronze. Nach 238/39 (Fund: römische Münze Kaiser Gordians III.) ist der Gutshof aufgegeben worden, seit dem späten 3. Jahrhundert sind Alemannen als Siedler bezeugt, die bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts das ehemalige Badegebäude weiternutzten und die Anlage ihren Vorstellungen anpassten. Die Wurmlinger Reihengräberfriedhöfe des 5. und 6. Jahrhunderts zeigen dann die Verlagerung von Siedlungen ins Tal an. Der Ort Wurmlingen wird erstmals in einer Urkunde des Klosters St. Gallen zum Jahr 797 erwähnt. [Buhlmann, 01.2012]

  Reuter, Marcus, Thiel, Andreas (2015), Der Limes. Auf den Spuren der Römer, Nachdruck Darmstadt 2019, 224 S., Abbildungen, Glossar, Pläne, Karten, € 38,-. I. Die römische Präsenz in Germanien östlich des Rheins und nördlich der Donau kündigte sich mit den Feldzügen des römischen Feldherrn Gaius Julius Caesar (†44 v.Chr.) im "Gallischen Krieg" (58-50 v.Chr.) im Grenzgebiet zwischen keltischen und germanischen Stämmen an (Rheinüberquerungen Caesars; kurzfristig bezogene Militärlager von Hermeskeil und Limburg a.d. Lahn). Es folgten weitere römisch-germanische Auseinandersetzungen entlang des Rheins (Rheinüberquerung des Marcus Vinicius 25 v.Chr.; Niederlage des Marcus Lollius gegen Sugambrer, Tenkterer und Usipeter 17/16 v.Chr.). Unter Kaiser Augustus (27 v.Chr.-14 n.Chr.) scheiterte der Versuch, die Germania zwischen Rhein, Donau und Elbe zu besetzen (12 v.Chr.-9 n.Chr.; Römerlager entlang der Lippe, Römerlager von Waldgirmes; Niederlage des Publius Quinctilius Varus 9 n.Chr.; letztlich erfolglose römische Gegenoffensiven 11/12, 14-16 n.Chr.). Das 1. Jahrhundert n.Chr. war geprägt vom unter- bzw. obergermanischen Militärbezirk hinter dem Rhein als "nasser" Grenze (ripa) (Grenzausbau unter den Kaisern Claudius [41-54] und Nero [54-68], Bataveraufstand 69/70). Unter den flavischen Kaisern Vespasian (69-79) und Domitian (81-96) kam es zur Bildung der römischen Provinzen Germania inferior und Germania superior (ca.85) und zum römischen Ausgreifen in das Gebiet zwischen Oberrhein und oberer Donau (Ausgreifen in den Schwarzwald 73, Rottweil und Sulz als Truppenlager, römisches Baden-Baden, Chattenfeldzug Kaiser Domitians 83, Einbeziehung der Wetterau, Aufstand des Mainzer Statthalters Saturninus 89). Unter den Kaisern Trajan (98-117), Hadrian (117-138) und Antoninus Pius (138-161) entstand der obergermanisch-rätische Limes als römische Militärgrenze (Kastellkette, hinterer Limes, vorderer Limes), die bis ins 3. Jahrhundert hinein wenig gefährdet schien (Markomannenkriege Kaiser Marc Aurels [161-180], Maternus-Aufstand 185/86, Germanenfeldzug Kaiser Caracallas [211-217] 213 [Dalkinger Limestor]). Germanische Einfälle nach Obergermanien (ab 233), die Krise des römischen Reiches um die Mitte des 3. Jahrhunderts und die Existenz eines gallischen Sonderreiches (Imperium Galliarum) führten zur Aufgabe des obergermanisch-rätischen Limes durch die Römer am Ende der 250er- und in den 260er-Jahren. Rhein, Iller und Donau waren nun die "nassen" Grenzen des Imperium Romanum im Gebiet der (spätantiken) Provinzen Germania prima und Raetia prima (Donau-Iller-Rhein-Limes). II. In der Zeit der Existenz des obergermanisch-rätischen Limes bildeten damit folgende Befestigungen und Kastelle die Grenze des römischen Reiches: "nasse" Grenze in Niedergermanien: Katwijk-Brittenburg (Kastell), Valkenburg (Kastell), Leiden-Roomburg (Kastell), Alphen (Kastell), Bodegraven (Kastell), Woerden (Kastell), Utrecht (Kastell), Vechten (Kastell), Rijswijk (Kastell), Kesteren (Kastell), Randwijk (Kastell), Driel (Kastell), Arnhem-Meinerswijk (Kastell), Nimwegen (Legionslager), Duiven-Loowaard (Kastell), Herwen-De-Bijland (Kastell), Rindern (Kastell), Steincheshof (Kastell), Qualburg (Kastell), Altkalkar (Kastell), Xanten-Vetera (Legionslager), Wesel-Büderich (Kastell), Calo (Kastell), Moers-Asberg (Kastell), Rheinhausen-Werthausen (Kastell), Krefeld-Gellep (Kastell), Neuss (Legionslager), Reckberg (Kastell), Monheim (Kastell), Dormagen (Kastell), Köln-Alteburg (Kastell), Bonn (Legionslager), Remagen (Kastell); obergermanischer Limes: Rheinbrohl (Wachturm, caput limitis), Niederbieber (Kastell), Bendorf (Kastell), Niederberg (Kastell), Arzbach (Kastell), Bad Ems (Kastell), (Taunus-Wetterau-Limes): Hunzel (Kastell), Holzhausen (Kastell), Kemel (Kastell), Grebenroth (Wachturm), Mainz (Legionslager), Zugmantel (Kastell), Feldberg (Kastell, römisches Bad), Saalburg (Kastell), Kapersburg (Kastell), Friedberg (Kastell), Langenhain (Kastell), Butzbach (Kastell), Arnsburg (Kastell), Inheiden (Kastell), Echzell (Kastell), Ober-Florstadt (Kastell), Altenstadt (Kastell), Marköbel (Kastell), Rückingen (Kastell), (Mainlimes:) Großkrotzenburg (Kastell, Main), Seligenstadt (Kastell), Stockstadt (Kastell), Niedernberg (Kastell), Obernburg (Kastell), Wörth a.M. (Kastell), Trennfurt (Kastell), Miltenberg (Kastell); hinterer obergermanischer Limes: (Odenwaldlimes:) Mudau (Statuengruppe, Limesmauer), Schloßau, Neckarburken, (Neckarlimes:) Bad Wimpfen, Böckingen, Walheim, Benningen, Bad Cannstatt, Köngen (Lager), (Lautertallimes:) Dettingen ("Sibyllenspur"), (Alblimes:) Donnstetten, Deggingen, Urspring, Heidenheim (Lager), Essingen, Lauchheim, Oberdorf am Ipf; vorderer obergermanischer Limes: Walldürn (Wachtürme, Kastell, Römerbad), Buchen (Wachtürme, Kleinkastell), Osterburken (Wachtürme, Lager, Annexkastell, Münzschatz), Jagsthausen (Kohortenlager, Römerbad), Forchtenberg (Wachturmfundament), Zweiflingen (Graben-/Palisadensystem), Westernbach (Kastell), Öhringen (Wachturm, Kohortenlager, Limestor, Bronzekopf der Minerva), Pfedelbach (Wachtürme), Mainhardt (Wachturm, Kleinkastell, Lager), Großerlach (Wachtürme, Kleinkastell), Murrhardt (Wachturm, Kohortenlager), Kaisersbach (Wachtürme, Kleinkastell), Welzheim (Wachtürme, Reiterlager, Kastell, Kleinkastell), Alfdorf (Wachtürme, Turmfundament), Lorch (Wachtürme, Limesknick, Kleinkastell, Lager, römisches Architrav), Straßburg (Legionslager); rätischer Limes: Schwäbisch Gmünd (Wechsel in der Grenzbefestigung, Kleinkastelle, Lager, römisches Bad), Böbingen a.d. Rems (Grenzmauer, Lager), Mögglingen (Grenzmauer, Wachtürme), Aalen (Reiterlager), Hüttlingen (Wachtürme), Rainau (Wachturm, Kohortenlager, Limestor), Ellwangen (Wachtürme), Buch (Kastell), Halheim (Numeruskastell), Ruffenhofen (Reiterkastell), Dambach (Kastell), Gunzenhausen (Kastell), Weißenburg (Kastell, römische Thermen), Ellingen (Kastell), Böhmingen (Kastell), Pfünz (Kastell), Heinheim (Wachturm, Donau), Eining (Kastell), Pförring (Kastell), Kösching (Kastell); "nasse" Grenze in Raetien: Regensburg (Legionslager), Straubing (Kastell), Moos-Burgstall (Kastell), Künzing (Kastell), Passau (Kastell). [Buhlmann, 07.2022]

RGA = Reallexikon der Germanischen Altertumskunde: Ergbd. = Ergänzungsbände

Rh

RH = Reihe Hanser

RhVjbll = Rheinische Vierteljahresblätter

Ri

RI = Regesta Imperii

RI Beihefte = Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu den Regesta Imperii

Ribbeck, Konrad (1911), Zur Kultur- und Wirtschaftsgeschichte des Stiftes Essen im Mittelalter, in: EB 48 (1930), S.23-50. Das Essener Kettenbuch aus dem beginnenden 15. Jahrhundert bietet wichtige Einblicke in das Leben im und um das Essener Frauenstift (Essener Stiftsimmunität, Äbtissin, Stiftskapitel und Stiftsverwaltung), in die stiftische Grundherrschaft (Besitz, Oberhöfe, Abgaben, Landschaft), in den Haushalt von Äbtissin und Kapitel (Hofämter, Versorgung mit Getreide, Fleisch und Fisch) sowie in die Festkultur (Jahrmärkte, Festtage, Prozessionen). [Buhlmann, 09.2012]

Ribbeck, Konrad (1915), Geschichte der Stadt Essen [Tl.1], Essen 1915 > E Essen im Mittelalter

Ribbeck, Konrad (1929), Gilde, Lichtmeß und Fastnacht im Stifte Essen, in: AHVN 115 (1929), S.98-110 > E Essener Frauenstift

Ribhegge, Wilhelm (2002), Die Grafen von der Mark und die Geschichte der Stadt Hamm im Mittelalter, Münster 2002, 160 S., Schwarzweißabbildungen, Stammtafeln, Pläne, € 9,90. I. Die Ermordung des Kölner Erzbischofs Engelbert II. (1216-1225) im November 1225 bei Gevelsberg und die Hinrichtung Graf Friedrichs von Isenberg, des Verursachers der Tat, im Jahr 1226 in Köln führten - laut dem Historiografen Levold von Northof (*1279-†ca.1359) und seiner "Chronik der Grafen von der Mark" - zu Racheaktionen des Grafen Adolf I. von der Mark (1199-1249), eines Vetters Friedrichs. Adolf zerstörte die Stadt Nienbrügge mit der Burg und gründete Aschermittwoch 1226 die märkische Stadt Hamm. Hamm liegt an der Mündung der Ahse in die Lippe; daraus erklärt sich der Ortsname "Hamme", "Hamo" usw. mit "Hamm" für "Landzunge". II. Die Stadt Hamm und die benachbarte Burg Mark waren Herrschaftszentren der entstehenden Grafschaft Mark, jener Territorialbildung im hochmittelalterlichen Westfalen, deren Landesherren, die Grafen von der Mark, von den Grafen von Berg bzw. von denen von Altena abstammten. Graf Adolf I. betrieb mit der Gründung der Stadt Hamm bewusst Territorialpolitik, wozu auch die Errichtung der Burg Blankenstein gehörte, die die zerstörte Burg Isenberg (bei Hattingen) ersetzen sollte. Adolf behauptete in zahlreichen Fehden die Grafschaft Mark gegen die Herren zur Lippe, Bischöfe von Osnabrück, Grafen von Schwalenberg, Herren von Steinfurt oder Grafen von Tecklenburg. Auch nach Adolf I. blieben (nicht nur) bei den Grafen von der Mark Städte und Burgen bestimmende Elemente in der Territorialpolitik. So entstanden im 13. Jahrhundert als Städtegründungen Iserlohn, Kamen, Lüdenscheid und Unna, im 14. Jahrhundert Altena, Blankenstein, Bochum, Breckerfeld, Castrop, Hagen, Hattingen, Hörde, Lünen, Neuenrade, Plettenberg, Schwelm, Schwerte, Wattenscheid und Wetter, vielfach mit Burgen als Herrschaftsmittelpunkten und Residenzen versehen. III. Hamm entwickelte sich im 13. bis 15. Jahrhundert unter der (Stadt-) Herrschaft der märkischen Grafen von einer ca. 17 Hektar großen Siedlung zu einer rund 30 Hektar großen Stadt, befestigt zunächst mit Wall und Graben (Vertrag Graf Adolfs I. mit Dietrich von Isenberg 1243: Hamm als befestigte Stadt/Festungsstadt), dann (v.1290) mit einer Stadtmauer (vier Stadttore, Türme), später (1393) zusätzlich gesichert durch Landwehren. Die Stadt erfreute sich des Zuzugs aus umgebenden Orten (Stadtrecht), neben Ackerbau gab es Gewerbe und Handel (vier Handwerkerzünfte). Für Hamm war zunächst die Pfarrkirche in Mark zuständig, in Hamm gab es eine Filialkirche (Kapelle am gräflichen Hof), ab 1254 besaß das Prämonstratenserkloster Cappenberg das Patronat über Kirche und Kapelle. Die spätmittelalterlichen kirchlichen Einrichtungen waren: die Hammer Pfarrkirche St. Georg und Laurentius (Gründung der Hammer Pfarrei 1337) neben dem Markt, ein Zisterzienserinnenkloster (ca.1270, 1295 in Kentrop zwischen Hamm und Mark), das Nordenhospital (ca.1280, später als Schwestern-/Beginenhaus), das Kloster der Franziskanerobservanten (1455). Die Stadtverfassung wurde immer wieder von den märkische Grafen und Herzögen den Hammer Bürgern und ihrer Bürgergemeinde bestätigt (Stadtrechtsprivilegien, erstmals 1279; Soest-Lippstädter Stadtrecht, Stadtrat, Bürgermeister, städtisches Siegel [1269], Markt und Jahrmärkte, Grundstückszins, Münzrecht [1269], Befreiung von auswärtigen Gerichten [1331]), wobei bis ins 14. Jahrhundert hinein dennoch die städtische Selbstverwaltung durch den Landes- und Stadtherrn eingeschränkt blieb (Verkauf der stadtherrlichen Rechte durch märkischen Landesherren). 1417 schloss sich die Stadt Hamm der Hanse an. IV. Die Grafschaft Mark behauptete sich im westfälischen Kräftespiel nach der Niederlage des Kölner Erzbischofs in der Schlacht bei Worringen (1288) (kölnisches Herzogtum Westfalen 1180). Ein politisch-kirchliches Ausgreifen der Märker Grafenfamilie u.a. auf die Bischofssitze von Köln, Lüttich, Münster und Osnabrück ist feststellbar (14. Jahrhundert), die Grafen von der Mark übten Vogteirechte gegenüber dem Frauenstift Essen und dem Kloster Werden aus. In der "Großen Dortmunder Fehde" (1388/89) sollte - wenn auch erfolglos - die Reichsstadt Dortmund niedergezwungen werden. Nach der Erbvereinigung des Herzogtums Kleve mit der Grafschaft Mark (1391) erschütterten (ab 1414) Streitigkeiten innerhalb der klevisch-märkischen Herzogsfamilie die vereinigten Territorien, Streitigkeiten, die u.a. der Stadt Hamm eine Ausweitung ihrer Rechte ermöglichte (1419/50). In der (Teil-) Grafschaft Mark entwickelte sich im 15. Jahrhundert eine landständische Verfassung (Ritterschaften und Städte als Landstände). Das Territorium Kleve-Mark unterstützte in der Soester Fehde (1444-1449) die Stadt Soest gegen den Kölner Erzbischof und stand im Neusser Reichskrieg (1474/75) auf der Seite des Herzogs von Burgund. Am Ende des Mittelalters war die Grafschaft Kleve Teil der vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg (1521). [Buhlmann, 05.2016]

Richard von Cornwall, Graf von Cornwall, römisch-deutscher König: Geboren wurde Richard von Cornwall in Winchester als zweiter Sohn des englisch-angevinischen Königs Johann Ohneland (1199-1216) und der Isabella von Angoulême am 5. Januar 1209. Durch die Heirat Kaiser Friedrichs II. (1198/1212-1250) mit Isabella von England wurde Richard, seit 1227 Graf von Cornwall, zum Schwager des Stauferherrschers und hatte daher durchaus dynastische Ansprüche auf das römisch-deutsche Königreich. Und wirklich wurde Richard am 13. Januar 1257 in Frankfurt zum deutschen König gewählt und am 17. Mai in Aachen gekrönt. Wenn auch nicht unangefochten und immer wieder eingebunden in die englische Politik, gelang es Richard, besonders im auch für England wirtschaftlich wichtigen Rheingebiet Fuß zu fassen. Seine Aufenthalte in Deutschland (1257/58, 1260, 1262/63, 1268/69) belegen dies. Am 2. April 1272 ist Richard gestorben; er liegt in der Zisterzienserabtei Hayles begraben. Auf der Seite seines älteren Bruders, König Heinrich III. von England (1216-1272), stand Richard gegen den Aufstand der englischen Barone (1258-1265), unterstützte den Friedensvertrag mit dem französischen König Ludwig IX. (1226-1270) (Pariser Frieden 1259) und entfaltete in seiner Herrschaft eine gewisse Wirksamkeit in Deutschland, insbesondere in den Rheinlanden (Kaiserswerth, Köln, [Eroberung] Boppard[s 1258], Oppenheim, Worms, Speyer, Basel; Wormser Reichstag [1269], Heirat in Kaiserslautern [1269]).
Zu Richard von Cornwall sei verwiesen auf: Denholm-Young, Noël (1947), Richard of Cornwall, Oxford 1947, XV, 187 S., Abbildungen, Karte; Lemcke, Georg (1909), Beiträge zur Geschichte König Richards von Cornwall (= HS 65), Berlin 1909, 104 S.; Neugebauer, Anton, Kremb, Klaus, Keddigkeit, Jürgen (Hg.) (2010), Richard von Cornwall. Römisch-deutsches Königtum in nachstaufischer Zeit (= BPfG 25 = Veröffentlichungen der Pfälzischen Geschichte zur Förderung der Wissenschaften, Bd.109), Kaiserslautern 2010, 336 S, Farbabbildungen, Karten, € 24,90 (mit den Beiträgen: Anton Neugebauer, Richard von Cornwall - ein Engänder am Rhein, ein König ohne Bedeutung?; Manfred Groten, Mitravit me, et ego eum coronabo - Konrad von Hochstaden und die Wahl Richards von Cornwall; Jörg Schwarz, Herrschaft und Herrschaftskonzeptionen des römisch-deutschen Königs Richard von Cornwall; Björn Weiler, Das Königtum Richards von Cornwall und das Erbe Friedrichs II.; Ingo Schwab, Richard von Cornwall und Alfons von Kastilien - Parallelen und Differenzen ihres Königtums; Alexander Thon, ... sitzen wir an Stelle Herrn Richards, Königs der Römer, dem Gericht vor. Studien zur Bedeutung der pfälzischen Reichsministerialität für Itinerar und Herrschaftspraxis des römisch-deutschen Königs Richard, Graf von Cornwall (1257-1272); Gerold Bönnen, Richard von Cornwall und die Städte Worms und Speyer - Frieden und Macht, Netzwerke und Geld; Nicholas Vincent, Richard von Cornwall und das "Heilige Blut" - Indentitätsstiftung im 13. Jahrhundert; Daniel Parello, Kunstströmungen am Rhein zur Zeit des Interregnums - Überlegungen zur Genese des sogenannten "mittelrheinischen" Zackenstils; Klaus Kremb, Macht und Gegenmacht im mittelalterlichen Mehrebenensystem - Das römisch-deutsche Königtum Richards von Cornwall als Beispiel prekärer Staatlichkeit im Interregnum; Sarah Brötz, Jürgen Keddigkeit, Anton Neugebauer, Der Engländer auf dem deutschen Thron - König Richard von Cornwall und seine Zeit ). [Buhlmann, 08.2016]

Richard Löwenherz, englischer König: I. Richard, 1157 geboren als Sohn des englisch-angevinischen Königs Heinrich II. (1154-1189) und der Eleonore von Aquitanien (†1204), wurde der Nachfolger des Vaters, nahm am 3. Kreuzzug (1189-1192) teil und wurde auf der Rückreise in sein Reich zum Gefangenen des österreichischen Herzogs Leopold V. (1177-1194). Zunächst in Dürnstein inhaftiert, übergab man Richard Kaiser Heinrich VI. (1190-1197), der den englischen König u.a. auf dem Trifels gefangen hielt. Gegen Zahlung eines hohen Lösegeldes und durch politische Konzessionen kam Richard 1194 wieder frei. Er wurde im englisch-französischen Krieg bei einer Belagerung tödlich verwundet (1199). II. Die ritterlich-kämpferische Lebensweise Richards trug schon bald zur Legendenbildung um den "heldenhaften" König bei. Der Entstehungsbeginn der Robin Hood-Legende kann bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgt werden, die Legende um den fahrenden Sänger Blondel (*ca.1155) entwickelte sich ab ca.1260. Blondel - so die Sage - soll erfolgreich Kontakt zum gefangenen Richard aufgenommen und viel zu dessen Befreiung beigetragen haben.
Zu Richard Löwenherz vgl.: Berg, Dieter (2007), Richard Löwenherz (= GMR), Darmstadt 2007 > Berg, Richard Löwenherz; Obermeier, Siegfried (1982), Richard Löwenherz. König - Ritter - Abenteurer. Biographie, München 22003, 320 S., € 9,90; Pernoud, Régine (1994), Der Abenteurer auf dem Thron. Richard Löwenherz, König von England, München 1994, 301 S., Karten, DM 38,-. [Buhlmann, 09.2009, 07.2020]

Richards, Julian D. (2011), Die Wikinger (= RUB 18691), Stuttgart 2011, 216 S., Karten, Schwarzweißabbildungen, € 6,60. Die Wikinger (Normannen) entstammten dem skandinavischen Raum (Dänemark, Norwegen, Schweden) der Spätantike und des früh(er)en Mittelalters (3.-10./11. Jahrhundert [Wikingerzeit]: Einzelgehöfte, Dörfer, Handelsplätze und -städte [Birka, Haithabu], Königtum und Königreiche, Christianisierung) und verbreiteten sich seit dem ausgehenden 8. Jahrhundert als Händler, Plünderer und Siedler über den nordwest- und osteuropäischen Raum sowie den Nordatlantik (England [Danelaw], Irland [Dublin], Wales, Pikten [Hebriden, Orkneys, Shetlands], Russland [Rus], Faröer, Island, Grönland ["Landnahme", Kolonisierung], Vinland [als Neufundland, Stützpunkt]) im politischen und kulturellen Mit- und Gegeneinander mit der jeweils einheimischen Bevölkerung. Deutlich wird: Die "Wikinger" - schon der Begriff ist problematisch - hat es so nicht gegeben, besonders nicht die Verallgemeinerungen und Ideologisierungen, die diesen Skandinaviern des frühen Mittelalters in Geschichtsschreibung und öffentlicher Wahrnehmung seit dem 19. Jahrhundert angedichtet wurden (Wikingerbild der Romantik oder des deutschen Nationalsozialismus). [Buhlmann, 06.2011]

Richardson, Samuel, englischer Schriftsteller: Samuel Richardson (*19. August 1689-†4. Juli 1761), Sohn eines Schreiners, lernte den Beruf eines Buchdruckers, wurde ein Londoner Druckereibesitzer und verlegte erfolgreich politische (Zeit-) Schriften wie The True Briton und die Journals [of the House of Commons] sowie die Zeitungen Daily Journal und Daily Gazeteer. Richardson war zweimal verheiratet und hatte insgesamt zwölf Kinder. Seine literarische Karriere war geprägt von den sog. Tugendromanen, die Richardson schrieb: Pamela; or, Virtue Rewarded (1740/41), Clarissa; or, the History of a Young Lady (1747/48), The History of Sir Charles Grandison (1753/54). Alle diese Novellen waren in Großbritannien und europaweit sehr erfolgreich und brachten Richardson viel Bewunderung ein.
Zu Samuel Richardson und dessen literarischem Werk s.: Richardson, Samuel (1740/41), Pamela; or, Virtue Rewarded (= Penguin Classics), Harmondsworth 1995, 538 S., £ 6,99. [Buhlmann, 12.2016]

Riché, Pierre (1981), Die Welt der Karolinger, Stuttgart 1981 > K Karolinger

Riché, Pierre, Die Karolinger. Eine Familie formt Europa, Stuttgart 1987 > K Karolinger

Riché, Pierre (1987), Gerbert d'Aurillac. Le Pape de l'An Mil, Paris 1987 > G Gerbert von Aurillac

Richter, Klaus (1999), Friedrich Barbarossa hält Gericht. Zur Konfliktbewältigung im 12. Jahrhundert (= Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Fallstudien 2), Köln-Wien-Weimar 1999, IX, 227 S., € 12,90. Auf Grund von Falbeispielen in der Gesta Frederici Bischof Ottos von Freising und Rahewins (Erhängen von Ministerialen, Verweigerung von Vergebung, dänische Thronfolgestreitigkeiten, Streitigkeiten um das Herzogtum Bayern, Regalienentzug, Bußleistung des Regensburger Bischofs, Strafe gegen den rheinischen Pfalzgrafen und gegen den Mainzer Erzbischof, Verurteilung von Räubern, burgundische Streitigkeiten, Unterwerfung Herzog Boleslaw IV., Streitigkeiten zwischen Herzog Heinrich dem Löwen und den Grafen von Eppan, Streitigkeiten mit einer byzantinischen Gesandtschaft, Auseinandersetzungen mit Mailand, Verona und den Römern, Zerstörung von Asti, Chieri und Tortona, Einnahme Spoletos, Belagerung und Eroberung Crema, Hinrichtung von Brandstiftern, Kreuzigung eines Mörders) kann festgestellt werden, dass Gericht und Fehde (Krieg) die Mittel Kaiser Friedrich I. Barbarossas (1152-1190) zur Konfliktbeilegung und -bewältigung waren. Die Konfliktbeilegung erfolgte im öffentlichen Raum und orientierte sich an bestimmten, dennoch variierenden Regeln, die sich weniger an Strafen als an Ausgleich und Vermittlung orientierten. Fehde (Krieg) war dazu ein Mittel, neben Gericht (Rechtsgang, Hofgericht) und vertraglicher Übereinkunft (Sühnevertrag). Die hochmittelalterliche Rechtspraxis der öffentlichen Strafe lässt sich bis an die Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert verfolgen und vollzog sich als öffentliche Sanktionierung (Verfahren, Strafvollstreckung durch den Herrscher als strafende Person) in Reaktion auf die Verletzung bzw. die Gefährdung von Reichsrechten u.a. in der Reichspolitik. [Buhlmann, 02.2016]

Richter, Michael (1983), Irland im Mittelalter. Kultur und Geschichte, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1983, 180 S., Abbildungen, Karten, DM 8,-. Eine Voraussetzung des mittelalterlichen Irlands war die Geschichte der Atlantikinsel in der irischen Frühzeit mit ihrer (keltischen?) Gesellschaft. - Irlands erstes Mittelalter (ca.500-1100): Politische und religiöse Entwicklungen werden dann ab dem 5. Jahrhundert n.Chr. fassbar (irische Expansion ins nachrömische Brittanien, Christianisierung Irlands, heiliger Patrick). Irland war aufgeteilt in kleinere Herrschaften und Kleinkönigtümer. Mit Columban den Älteren (†597) und Columban den Jüngeren (†615) (irische peregrinatio im merowingischen Frankenreich) verbunden ist die Ausgestaltung einer irischen Kirche, eine vom römischen Papsttum zunächst unabhängige christliche Mönchskirche mit bedeutenden Klöstern (u.a. Bangor; Klostersiedlungen), die das christliche Irland des 7. und 8. Jahrhunderts wesentlich mitbestimmten. Irland war im Laufe seiner Geschichte immer wieder Zielpunkt äußerer Einflüsse, angefangen bei den Invasionen der Wikinger (ab 793) und Normannen (ab 1169). Die Wikinger errichteten in Irland Handelsplätze und Militärstützpunkte (Cork, Dublin [852], Limerick). - Irlands zweites Mittelalter (ca.1100-1500): Im 12. Jahrhundert gab es - nach einem geeinten Irland zur Zeit der Wikingerinvasionen? (Schlacht bei Clontarf 1014) - die vier Königreiche Ulster, Connacht, Leinster und Munster; Streitigkeiten zwischen Leinster und Connacht begünstigten indirekt die anglonormannische Eroberung Irlands (1169/72) unter dem angevenisch-englischen König Heinrich II. (1154-1189). Die englische Kolonisierung und Herrschaftsdurchdringung des 13. Jahrhunderts (Grafschaften, Baronien) machte aus Irland ein gespaltenes Land zwischen Ost und West, zwischen den eingewanderten Anglo-Iren auf der einen und der eingesessenen irischen Bevölkerung auf der anderen Seite. Im 14. und 15. Jahrhundert zeichnete sich die Unregierbarkeit der Insel ab (Vernichtungsfeldzug des Edward Bruce 1315-1318, Statut von Kilkenny 1366 [rechtliche Trennung von Engländern und Iren], Besuch Irlands durch den englischen König Richard II. [1377-1399] 1394), faktisch schrumpfte das Gebiet englischen Einflusses in Irland auf die Dubliner Region ("Pale" 1446) und einige Städte (Athlone, Meath, Trim, Wicklow); englische Herrschaft wurde gerade von den Anglo-Iren getragen (Poynings' Law 1494; Verbot eines irischen Parlaments ohne Zustimmung des englischen Königs), während Ulster und Connacht zunehmend wieder gälisch wurden. Im Zusammenhang mit englischer Reformation und anglikanischer Kirche entwickelte sich bei neuerlicher englischer (englisch-schottischer) Durchdringung Irlands der katholisch-protestantische Gegensatz auf der Insel zwischen Iren und Engländern. [Buhlmann, 02.2024]

Richter, Michael (1996), Neues zu den Anfängen des Klosters Reichenau, in: ZGO 144 (1996), S.1-18 > R Reichenau

Richtsteig, Georg (Bearb.) [o.J.], Kaiserswerther Notizen. Fragmentarische Kurzmanuskripte zur Vergangenheit unserer Stadt (= Heimatkundliches in und um Kaiserswerth, Nr.11), [Düsseldorf-Kaiserswerth] o.J. > H Heimatkundliches in und um Kaiserswerth

Rieckenberg, Hans Jürgen (1942), Königsstraße und Königsgut in liudolfingischer und frühsalischer Zeit, in: AUF 17 (1942), S.32-154 > R Reichsgut

Rieckhoff, Sabine, Biel, Jörg (2001), Die Kelten in Deutschland, Stuttgart 2001 > K Kelten

Riedel, Hermann (1974), Ausweglos ...! Letzter Akt des Krieges im Schwarzwald, in der Ostbaar und an der oberen Donau Ende April 1945, Aachen 2011, 404 S., Bildanhang, € 24,-. Mit dem Übergang französischer Truppen über den Oberrhein Ende März/Anfang April 1945 begann auch für das Gebiet des mittleren Schwarzwalds, der Baar und der oberen Donau der letzte Akt des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) zwischen alliierten Soldaten und deutschen Divisionen der im Dezember 1944 neu gebildeten Heeresgruppe "Oberrhein". Vor der drohenden Einkesselung durch rasch vordringende französische und amerikanische Truppen versuchten die deutsche 106. und 719. Infanteriedivision der Heeresgruppe als Teil des XVIII. SS-Armeekorps sich nach Südosten abzusetzen, scheiterten aber in diesem Versuch und lösten sich schließlich im Gebiet der oberen Donau auf. Betroffen von den Kampfhandlungen hauptsächlich südlich und südöstlich von Villingen waren die Orte: Triberg, Nußbach, Schönwald, Brigach, St. Georgen im Schwarzwald, Oberkirnach, Unterkirnach, Rohrbach, Schönenbach, Vöhrenbach, Herzogenweiler, Pfaffenweiler, Rietheim, Marbach, Bad Dürrheim, Hochemmingen, Sunthausen, Biesingen, Obebaldingen, Unterbaldingen, Öfingen, Ippingen, Immendingen, Geisingen, Zimmern, Hintschingen, Mauenheim. [Buhlmann, 02.2017]

Riedel, Manfred (1973), System und Geschichte. Studien zum historischen Standort von Hegels Philosophie (= es 619), Frankfurt a.M. 1973 > H Hegel, Georg Wilhelm Friedrich

Riegel, Stadt zwischen Kaiserstuhl und Schwarzwald: I. Riegel, gelegen auf Lössboden im Rheintal, an Elz, Glotter und Dreisam, kann eine bis in die Jungsteinzeit zurückreichende Geschichte aufweisen. Ein keltischer Münzschatz datiert ins 2. Jahrhundert v.Chr., ein römisches Holz-Erde-Kastell stammt aus dem 1. Jahrhundert n.Chr., die Fundamentreste eines römerzeitlichen Mithräums lassen sich in die ersten Jahrhunderte n.Chr. verorten. Der Ort wird als Riegola erstmals im Testament des Straßburger Bischofs Heddo (734-v.765?) erwähnt (762); hier hatten die Klöster Ettenheimmünster (762) und Lorsch (770, 781) Besitz. Der Riegeler Königshof (curtis regalis mit Besitz in der Umgebung) kam durch Kaiser Otto I. (936-973) an das Kloster Einsiedeln, das auch über die Martinskirche als Pfarrkirche verfügte. Die Einsiedler Güter wurden von den Zähringerherzögen bevogtet (bis 1218), danach übten die Herren von Üsenberg Ortsherrschaft und Herrschaftsrechte in Riegel aus. Güter und Rechte der Mönchsgemeinschaft Einsiedeln wurden 1353 verkauft bzw. 1483 an das Kloster Ettenheimmünster verschenkt. Ab 1368 gehörte Riegel zur vorderösterreichischen Landesherrschaft der Habsburger. 1806 wurde Riegel badisch, es folgten die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen des 19. und 20. Jahrhunderts (Industrialisierung, Rheintalbahn, evangelische Kirchengemeinde, Zweiter Weltkrieg). II. Eine erste Riegeler Pfarrkirche als Martinskirche auf dem Fronhofsbuck neben dem Königshof reicht wohl als Holzkirche ins 8., als Steinkirche ins 8./9. Jahrhundert zurück. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurde das Gotteshaus in das Dorf Riegel verlegt, die mittelalterliche Kirche war west-östlich orientiert und wurde 1743 durch einen barocken Neubau in Nord-Süd-Ausrichtung ersetzt. Patronatsherr der Kirche war bis 1483 das Kloster Einsiedeln, dannach die Mönchsgemeinschaft Ettenheimmünster. Der barocke Kirchenbau samt Inneneinrichtung (Deckengemälde, Altar, Statuen) ist im Wesentlichen bis heute erhalten (Renovierung 1903/11, Brandunglück 1936, Kriegsschäden im Zweiten Weltkrieg). III. Oberhalb von Riegel auf dem Michaelsberg liegt die Michaelskapelle, die vielleicht ursprünglich eine Burgkapelle einer im 12. Jahrhundert erbauten zähringischen Befestigungsanlage (castrum Riegol 1180, zähringischer Dienstmann Werner von Roggenbach). Im 13. und 14. Jahrhundert waren Burg und Kapelle üsenbergisch, nach dem Aussterben der Üsenberger (1379) zerfiel die Burg, die Michaelskapelle wurde weiter genutzt, wie Baumaßnahmen aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts - und nach Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) - vom Ende des 17. und vom 18. Jahrhundert (Barockisierungen) zeigen. Im 18. und 19. Jahrhundert war die Kapelle Ziel von Wallfahrten. Vgl.: Michels, Mechthild (2005), Katholische Pfarrkirche St. Martin Riegel, Lindenberg 2005, 32 S., Farbabbildungen, Pläne, € 3,50. [Buhlmann, 11.2016]

Riegel, Joseph (1916), Die Teilnehmerlisten des Konstanzer Konzils. Ein Beitrag zur mittelalterlichen Statistik, Diss. Freiburg i.Br. 1916, 73 S., Tabelle. Über die Chronik des Konstanzer Bürgers Ulrich von Richental (†1437) hinaus geben Tagebuchnotizen etwa von geistlichen Einzelpersonen (Guillaume Fillastre, Lionardo Bruni, Johannes von Firstenport, Lorenz von Brschezowa) und Gesandten (aus Köln, Frankfurt, Wien), allgemein-pauschale Erwägungen (Geschichtsschreibung und Chroniken [Korner-Chronik, Klingenberger Mitteilungen, Augsburger Chronik, Chronica Austriae des Thomas Ebendorfer, Magdeburger Schöppenchronik]) und Namensverzeichnisse Auskunft über Menge und Zusammensetzung der Teilnehmer am Konstanzer Konzil (1414-1418). Während des Konzils wurde im Auftrag von König und Stadt eine aigen buch ("behördliche Statistik") mit den Namen der in Konstanz und Umgebung anwesenden Einheimischen und Fremden angefertigt. Das aigen buch ist allerdings nicht mehr erhalten, wohl aber drei Auszüge (Frankfurt, Wien), die die Informationen des aigen buch entsprechend kürzten und pauschalisierten. Auf Privatinitiative hin zusammengestellte Namensverzeichnisse entstanden während und nach dem Konstanzer Konzil (Prager Verzeichnis, Richental-Chronik, Liste des Konrad Justinger, zeitgenössische Dichtung [Johann Engelmars]). [Buhlmann, 07.2014]

Rieger, Angelica (2021), Der Alexanderroman. Ein Ritterroman über Alexander den Großen. Handschrift 78.C.1 des Kupferstichkabinetts Preußischer Kulturbesitz Berlin, Darmstadt 2021, 199 S., Farbabbildungen, € 30,-. I. Alexander war der Sohn König Philipps II. von Makedonien (359-336 v.Chr.) und der epirotischen Prinzessin Olympias. Geboren am 20. Juli 356 v.Chr., genoss der Königssohn eine Ausbildung u.a. durch den Philosophen Aristoteles (†322 v.Chr.). Nach der Ermordung seines Vaters Philipp (336 v.Chr.) sicherte sich Alexander die Macht im Königreich (Hegemon des Korinthischen Bundes [336 v.Chr.], Niederwerfung der auftständischen Thraker und Illyrer [335 v.Chr.]). Es folgte die Eroberung des Perserreiches: Vorbereitung des Feldzugs (335/34 v.Chr.), Übergang der makedonisch-griechischen Truppen nach Kleinasien (Troja, 334 v.Chr.), Schlacht am Granikos (334 v.Chr.), Schlacht bei Issos (333 v.Chr.), Belagerung von Tyrus (332 v.Chr.), Besetzung Ägyptens (332/31 v.Chr.), Orakel von Siwa, Schlacht bei Arbela/Gaugamela (331 v.Chr.), Einnahme Babylons, Vordringen nach Persien und Medien, Ermordung des Perserkönigs Dareios III. (336-330 v.Chr.) durch Bessos, (angebliche) Niederbrennung von Persepolis (330 v.Chr.), Vorstoß nach Baktrien (330/29 v.Chr.), Feldzug in Sogdien und Spitamenes (329-327 v.Chr.), Tötung des Kleitos (328/27 v.Chr.), Heirat Alexanders und Roxanes, Pagenverschwörung (327 v.Chr.), Indienfeldzug (326/25 v.Chr.) und Schlacht am Hydaspes (326 v.Chr.), Zug durch Gedrosien, Flottenexpedition des Nearchos (326/24 v.Chr.), Harpalos-Affäre (324 v.Chr.), Massenhochzeit in Susa, Revolte makedonischer Truppen in Opis, Tod Hephaistons (324 v.Chr.), Tod Alexanders (10. Juni 323 v.Chr.), Überführung des Leichnams nach Ägypten, politische Weichenstellungen nach dem Tod Alexanders durch die zukünftigen Diadochen. II. Alexander war ein erfolgreicher Heerführer mit persönlichen Stärken und Schwächen, er erfuhr seit der Antike die unterschiedlichsten Bewertungen (Curtius Rufus, Plutarch, mittelalterlicher Alexanderroman, Alexanderrezeption in der neuzeitlichen und modernen Geschichtsschreibung). Für die Antike setzte die Legendenbildung um Alexander schon mit dessen Tod ein. Zwischen 320 und 300 v.Chr. waren "Leben und Taten des Makedonen Alexander" entstanden; auf diesem Werk beruhte hauptsächlich das Wissen der Antike über Alexander. Verschriftlichte mündliche Überlieferungen und Legenden mündeten zudem ein in Chroniken und epischen Erzählungen, in denen historische Fakten nur noch eine Nebenrolle besaßen. Pseudo-Kallisthenes (3. Jahrhundert n.Chr., benannt nach dem Hofhistoriker Alexanders Kallisthenes [hingerichtet 327 v.Chr.]) verwendete für seinen Alexanderroman gewisse Vorlagen [, nämlich die Alexanderbiografie eines Historiografen (1. Jahrhundert v.Chr./2. Jahrhundert n.Chr.), einen Briefroman (ca.100 v.Chr.), einen angeblichen Brief Alexanders an Aristoteles über die indischen Ereignisse, eine Schrift über ein angebliches Gespräch Alexanders mit indischen Brahmanenkönig Dindimus (Gymnosophisten), ein (echtes) Traktat über Sterben, Tod und Testament Alexanders (ca.320 v.Chr.)]; die Vorlagen des Alexanderromans waren sicher auch beeinflusst etwa von den Schriften Persika und Indika des Ktesias von Knidos (5./4. Jahrhundert v.Chr.), die exotisch-phantastische (Menschen-, Tier-) Welten des Orients vorstellten. Der griechische Alexanderroman des Pseudo-Kallisthenes bildete dann auf Latein - die lateinische Übersetzung des Iulius Valerius Polemius Res gestae Alexandri Magni (ca. 320 n.Chr.) ist hier zu nennen sowie eine Zusammenfassung (Epitome) des 9. Jahrhunderts - die Grundlage auch für den mittelalterlichen Alexanderroman. Er steht für den antiken Alexander-Mythos: Die (angebliche) göttliche Herkunft (vom Gott Ammon, über den ägyptischen Pharao Nectanebus), die Zähmung des menschenfressenden Pferdes Bucefalus, die Thronbesteigung, der gordische Knoten und die Weltherrschaft, die Kämpfe und Schlachten, die Gespräche und Briefe, die Reisen ins Jenseits, durch die Luft und unter Wasser, der Gifttod machen Alexander zu einem Helden als Halbgott und Krieger. Im Mittelalter geschah die "Romanisierung" Alexanders des Großen im Rahmen einer im Hochmittelalter sich entwickelnden "Alexander-Mode", ausgelöst auch durch die frühen französischen Alexanderromane (Alberic de Pisancon: Anfänge Alexanders [11. Jahrhundert, Ende/12. Jahrhundert, Anfang]; "Zehnsilbiger Alexander" [1160/65], ergänzt von Lambert le Tort und um den Mort Alixandre; Alexander von Paris: Alexanderroman in vier Überlieferungen/"Zweigen" [branche] [n.1177/80]), gefolgt von einer Vielzahl auch deutscher Alexanderromane, wobei sich im späten Mittelalter Prosafassungen durchsetzten. Die Handschrift 78.C.1 des Kupferstichkabinetts Preußischer Kulturbesitz Berlin auf Französisch ist solch eine Prosaerzählung (Leseliteratur) um Alexander den Großen, basierend auf der Übersetzung des Alexanderromans des Pseudo-Kallisthenes ins Lateinische durch den Archipresbyter Leo von Neapel (10. Jahrhundert, 2. Hälfte). Zusammen mit zwei anderen überlieferten Prosafassungen stammt sie aus dem endenden 13. Jahrhundert, eventuell wurde sie dem jungen Fulcaud von Rochechouart, dem späteren Erzbischof von Noyon (1317-1331), als repräsentatives (Tauf-) Geschenk übereignet. Ob hinter dem Geschenk eine Mutter-Sohn-Beziehung stand, ob die Handschrift damit als Sammlung von bebilderten "Gute-Nacht-Geschichten" zu interpretieren ist, die Sohnes- und Mutterliebe hervorhebt, ebenso ritterliche Tugenden, die aber am Beispiel König Alexanders auch vor Willkür und Maßlosigkeit warnt, ist unklar. Alexander wird im Prosaroman jedenfalls auf sehr ambivalente Weise dargestellt: als mit (Kampfes-) Mut und Wissbegierde versehen, bewandert in der Philosophie einerseits, als Welteroberer, von Maßlosigkeit erfüllt andererseits. Die Alexanderromane wie auch die Prosahandschrift 78.C.1 bedienten ritterliche Tugenden wie Abenteuer, sieghafter Kampf oder die Rolle von Frau und Mutter; sie bedienten aber auch Exotik und Phantastik, ablesbar an den orientalisch-indischen Erlebnissen des Königs, die zentral von exotischen und Fabeltieren, von Drachen und von Begegnungen mit Tiermenschen, Riesen, Gymnosophisten und einem wilden Mann handeln. Die großartigen Miniaturen der Handschrift 78.C.1 setzen gerade diese Exotik und Fremdheit ins Bild. [Buhlmann, 08.2021]

Riehle, Wolfgang (1994), Geoffrey Chaucer (= rm 422), Reinbek b.H. 1994 > C Chaucer, Geoffrey

Riemenschnieder, Tilman, deutscher Bildschnitzer und -hauer: Geboren um 1460, erlebte Tilman Riemenschneider seine Kindheit und Jugend hauptsächlich in Osterode und erlernte ab ca.1473 das Bildhauer- und Bildschnitzerhandwerk vermutlich in Straßburg und Ulm. 1478/79 und 1483 endgültig ließ sich Riemenschneider in der Bischofsstadt Würzburg nieder, wo er zunächst als Geselle ("Malerknecht"), dann auch als Meister (Ehe mit der Goldschmiedemeisterwitwe Anna Schmidt 1485, Würzburger Bürgerrecht) seine Kunst ausübte und alsbald im mainfränkischen Raum große Anerkennung fand (ca.1500). Letztere spiegelte sich wider in seiner Wohlhabenheit (Besitz von Häusern, Weinbergen, Werkstatt, Grundstücken) und in den öffentlichen Ämtern, die er in der Stadt Würzburg ausübte (Mitglied im Unteren Rat 1504, Baumeisteramt, Fischereimeisteramt, Pfleger der Marienkapelle, Bürgermeister 1520/21-1524). Als Vertreter der Stadt war Riemenschneider auch an den Auseinandersetzungen mit dem Würzburger Bischof Konrad II. von Thüngen (1519-1540) beteiligt, die in der Vernichtung eines Bauernheeres vor Würzburg kulminierte (deutscher Bauernkrieg 1524/25; Schlacht vom 4. Juni 1525; Unterwerfung der Stadt Würzburg am 7. Juni 1525); Riemenschneider geriet in Gefangenschaft (Folter), wurde nach zwei Monaten gegen Überlassung seines halben Vermögens freigelassen und musste für den Aufstand gegen den Stadt- und Landesherrn auch noch danach büßen, blieben doch nun die Aufträge für seine Werkstatt weitgehend aus. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte der Bildhauer in vierter Ehe zurückgezogen in Würzburg, wo er am 7. Juli 1531 auch starb. Künstler und Werke gerieten alsbald in Vergessenheit. Erst der modernen Kunstgeschichte gelang die Zuordnung von Kunstwerken der Spätgotik an den Künstler: Grabmal des Eberhard von Grumbach (n.1487), Münnerstädter Hochaltar (1490/92), Figuren der Würzburger Marienkapelle (1493, 1500/06), Grabmal des Würzburger Bischofs Rudolf von Scherenberg (n.1495), Grabmal von Kaiser Heinrich II. und Kaiserin Kunigunde im Bamberger Dom (1499/1513), Heiligblutaltar in Rothenburg o.d. Tauber (1501/04), Creglinger Marienaltar (1505/10; mit Selbstbildnis), Windsheimer Apostelaltar (1507/09), Rothenburger Heiligkreuzaltar (ca.1510/13), Relief "Beweinung Christi" (1520/25; mit Selbstbildnis), Einzelwerke als Teil von zerstörten Altären, Kreuzigungsgruppen u.ä. (heiliger Johannes der Täufer [ca.1490], heilige Anna Selbdritt [ca.1500], Johannes Evangelist [ca.1505], heiliger Kilian [1508/10], heilige Barbara [ca.1515], heiliger Sebastian [ca.1516], "Gnadenstuhl" [ca.1516]).
Zu Tilman Riemenschneider s.: Freeden, Max H. von (1954), Tilman Riemenschneider, Frankfurt a.M. 1954, 44 S., 100 S. Schwarzweißtafeln, DM N.N.; Kalden-Rosenfeld, Iris (2009), Der Creglinger Altar des Tilman Riemenschneider (= Langewiesche Bücherei), Königstein i.T. 2009, 64 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, € 5,-; Röhrig, Tilmann (2007), Riemenschneider. Historischer Roman (= Piper Tb 5367), München-Zürich 22010, 623 S., Karten, € 2,-. [Buhlmann, 12.2019, 07.2020, 10.2021]

Riemer, Ulrike (2006), Die römische Germanienpolitik. Von Caesar bis Commodus, Darmstadt 2006, 167 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 4,95. Germani waren für die Römer die (ethnisch nicht genau abzugrenzenden) "Völker" jenseits von Rhein und Donau, aber auch die Germani cisrhenani u.a. der Militärbezirke und Provinzen Germania inferior und Germania superior. Die römische Eroberung Galliens durch Caesar (58-51 v.Chr.) brachte auch Kriege gegen Germanen mit sich (Ariovist [58 v.Chr.], Belger [?, 57/56 v.Chr.], Usipeter und Tenkterer [55/54 v.Chr.], Caesars Rheinübergänge [55, 53 v.Chr.]). Die Germanenpolitik unter den römischen Kaisern Augustus (27 v.Chr.-14 n.Chr.) und Tiberius (14-37) begann mit der Übersiedlung der Ubier in linksrheinisches Gebiet (ca.20/19 v.Chr.) und der Niederlage eines römisches Heeres unter M. Lollius Paulinus gegen die Sugambrer (16 v.Chr.), die unter Drusus (†9 v.Chr.) und Tiberius immer weiter reichende römische Feldzüge zwischen Rhein und Elbe provozierte (Eroberung des Alpengebiets [16/15 v.Chr.], Niederlage der Sugambrer [12 v.Chr.], Unterwerfung der Usipeter [11 v.Chr.], Krieg gegen Chatten, Sueben und Cherusker [9 v.Chr.], linksrheinische Ansiedlung der Sugambrer [8 v.Chr.], Feldzug des Tiberius [4/5 n.Chr.]). Die römische Herrschaft westlich des Rheins brach allerdings vor dem Hintergrund des Panonienaufstandes (6-9 n.Chr.) mit der vernichtenden Niederlage des P. Quintilius Varus gegen ein germanisches Bündnis unter Arminius bei Kalkriese ("Teutoburger Wald", 9 n.Chr.) in sich zusammen. Auch die Feldzüge des Germanicus (14-16 n.Chr.) änderten nichts daran, dass das Imperium Romanum auf Gallien bis zum Rhein beschränkt blieb; Rhein und Donau wurden zu Grenzen des römischen Reiches, versehen mit einer Kette von Wehranlagen und Legionslagern. Die folgenden Jahrzehnte scheinen am Rhein überwiegend friedlich gewesen zu sein, unterbrochen von Aufständen gegen Rom (Friesenaufstand [28], Bataver- und Trevereraufstand [68/69]) und diplomatischen Misserfolgen römischer Politik gegenüber germanischen Gruppen rechts des Rheins (Einsetzung des Italicus als König der Cherusker [47]). Ab Kaiser Domitian (81-96) ist dann ein Übergreifen römischer Macht in rechtsrheinische Räume (Rhein-Main-Gebiet, Rhein-Donau-Gebiet, Chattenfeldzug [83], Saturninusaufstand [89]) bei Umformung der Militärbezirke zu den Provinzen Germania inferior und Germania superior (83/84) feststellbar. Bis in die Regierungszeit der Kaiser Hadrian (117-138) und Antoninus Pius (138-161) wurden die agri decumates zwischen Oberrhein und oberer Donau auch durch die Anlage des obergermanisch-rätischen Limes der römischen Herrschaft gesichert. Unter Kaiser Marc Aurel (161-180) kam es zu den Markomannen- und Quadenkriegen an der mittleren Donau (169-180, Marc-Aurel-Siegessäule in Rom), denen ein Frieden unter Kaiser Commodus (180-192) folgte (180). [Buhlmann, 01.2013]

Rieple, Max (1962), Erlebter Schwarzwald. Ein Gesamtbild des Schwarzwaldes, Stuttgart 51979 > S Schwarzwald

Rieple, Max (1965), Der Hochschwarzwald. Heimatbuch eines Landkreises, Konstanz 1965 > S Schwarzwald

Rieple, Max (1975), Schwarzwald-Baar. Mosaik eines Landkreises, Stuttgart 21979 > S Schwarzwald-Baar-Kreis

Riese, Berthold (2011), Das Reich der Azteken. Geschichte und Kultur, München 2011 > A Azteken

Rietheim, Ort, als Rietheim-Weilheim Gemeinde auf der Baar, in Baden-Württemberg: Rietheim wird erstmals erwähnt in Urkunden des Klosters St. Gallen von 786 und 834. Der Ortsname ist ein -heim-Name und steht für "Sumpf, sumpfartiges Gelände, mit Sumpfgras bewachsenes Gelände". Zudem lag Rietheim an einer via publica, ebenso wie die -heim-Orte Aixheim, Balgheim, Dürbheim und Weilheim, die offensichtlich die "Königsstraße" von Rottweil nach Tuttlingen für die fränkische Herrschaft sichern halfen. Ob Rietheim zur St. Galler Villikation um den Fronhof Kirchdorf (um 1200) gehörte, ist unklar. Für die Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert ist die damals dort beheimatete Adelsfamilie der Herren von Rietheim bezeugt; sie gehörte zu demjenigen Personenkreis, der das 1089 gegründete benediktinische Reformkloster Zwiefalten unterstützte. Die Herren von Rietheim bildeten dann bis zu ihrem Aussterben am Beginn des 14. Jahrhunderts den Ortsadel. Zum Jahr 1275 erwähnt der Liber decimationis des Bistums Konstanz erstmals die Rietheimer Pfarrkirche. Im 14. Jahrhundert kam Rietheim zur Herrschaft Lupfen, 1444 gelangte der Ort an die Grafschaft Württemberg. Am Ende des 15. Jahrhunderts belehnte Graf Eberhard V. von Württemberg (1450-1496) Hans von Karpfen u.a. mit dem Rietheimer Burgstall (1491; Burg Altrietheim). Hans von Karpfen erwarb dazu noch den Ort Rietheim durch Kauf. Bis 1663 sollten seine Nachkommen Rietheim in Besitz haben. Danach erfolgte durch Württemberg der Verkauf Rietheims an die Familie Wiederhold (Grabmäler der Familie [18. Jahrhundert]). Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gehörte Rietheim zum Königreich Württemberg; der Ort machte die geschichtlichen Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts mit (Industrialisierung; Deutscher Bund, Kaiserreich, Weimarer Republik, Bundesrepublik Deutschland und Bundesland Baden-Württemberg) und wurde wiederum Pfarrort (Kirchenbau von 1885). 1975 erfolgte die Vereinigung Rietheims mit dem benachbarten Weilheim zur Gemeinde Rietheim-Weilheim.
Zu Rietheim s.: Buhlmann, Michael (2014), Das Kloster St. Gallen, das Königtum, die Baar und Rietheim im frühen Mittelalter (= VA 74), Essen 2014, 68 S., € 4,-. [Buhlmann, 09.2014]

Rilke, Rainer Maria, deutsch-französischsprachiger Dichter: Rainer Maria Rilke (*1875-†1926), aufgewachsen im Österreich-Ungarn der Habsburgermonarchie, war von Kindheit und Jugend an musisch interessiert und studierte nach bestandener Matura (1895) in Prag und München (1895/96). Beziehungen zu älteren Frauen, die Heirat mit der Bildhauerin Clara Westhoff (1901) und Aufenthalte in Venedig, Russland, Worpswede, Paris, Florenz oder Rom (1897/1908) beeinflussten Rilke stark; seine beginnende schriftstellerische Karriere beinhaltet Auftragsarbeiten und eigene Gedichte, Dramen und Romane (ab 1894). Während des Ersten Weltkriegs (1914-1918) lebte Rilke in München und Wien, danach in der Schweiz. Leukämie und Sanatoriumsaufenthalte verdüsterten die letzten Lebensjahre des Lyrikers.
Zu den Werken Rilkes gehören: Rilke, Rainer Maria (1895/1926), Ausgewählte Gedichte (einschließlich der Duineser Elegien und der Sonette an Orpheus), hg. v. Erich Heller (1966) (= Bibliothek Suhrkamp 184), Nachdruck Frankfurt a.M. 1984, 208 S., DM N.N.; Rilke, Rainer Maria (1913/14), Gedichte an die Nacht, hg. v. Anthony Stephens (1957) (= Bibliothek Suhrkamp 519), Frankfurt a.M. 1976, 98 S., DM 8,80. [Buhlmann, 10.2021, 05.2022]

Ringwald, Klaus (1985), Bronzeportale am Villinger Münster, Stuttgart-Zürich 1985 > V Villingen

Rinker, Reiner, Setzler, Wilfried (1986), Die Geschichte Baden-Württembergs, Stuttgart 1986 > B Baden-Württemberg

Rinke, Stefan (2019), Conquistadoren und Azteken. Cortés und die Eroberung Mexikos, München 2019 > A Azteken

Rippoldsau, Benediktinerkloster: Eine Urkunde Papst Alexanders III. (1159-1181) für das Kloster St. Georgen im Schwarzwald erwähnt zum 26. März 1179 erstmals die "Zelle des heiligen Nikolaus auf dem Gut Rippoldsau" (im Nordschwarzwald), ein Priorat im Besitz des Brigachklosters, wohl um 1140 von den Herren von Wolfach gegründet. Kirchenvögte waren zunächst die Herren von Wolfach, ab 1306 die Grafen von Fürstenberg. Im Zuge des Übertritts des Grafen Wilhelm von Fürstenberg (1509-1549) zum Protestantismus wurde 1537 in Rippoldsau die Reformation eingeführt und die Klostergüter eingezogen. Die Konventualen flüchteten nach Villingen, konnten aber 1549 wieder zurückkehren. Aus dem 17. Jahrhundert ist über das "neuerbaute Klösterlein" wenig zu erfahren, im Dreißigjährigen Krieg kam das monastische Leben fast zum Erliegen. Im 18. Jahrhundert bildete sich am Priorat Rippoldsau eine Marienwallfahrt aus, die den Mönchen eine verstärkte Bautätigkeit ermöglichte, im Jahr 1802 wurde das Priorat badisch, säkularisiert und in eine Pfarrei umgewandelt.
Literatur zum Kloster Rippoldsau ist: Buhlmann, Michael (2008), Das St. Georgener Priorat Rippoldsau im Nordschwarzwald. St. Georgener Tochterklöster und Priorate in Mittelalter und früher Neuzeit (= VA 40), St. Georgen 2008, 40 S., € 4,-. [Buhlmann, 09.2008]

Rittberger, Berthold (2021), Die Europäische Union. Politik, Institutionen, Krisen (= BSR 2927), München 2021 > E Europäische Union

Ritter, Gerhard (1936), Die Heidelberger Universität im Mittelalter (1386-1508). Ein Stück deutscher Geschichte, Heidelberg 21986 > H Heidelberg: Universität

Ritter, Helmut ([o.J.]), Kleiner Führer durch die Stiftskirche St. Castor, [Trais-Karden] 132010 > K Karsten: St. Castor

rm = rororo monographie

Ro

Rockenschuh, Wolfgang (1999), Königsfeld. Beiträge zur Geschichte, Königsfeld 1999 > K Königsfeld

Rode, Herbert ([1970]), Der Kölner Dom (= Langewiesche-Bücherei), Königstein i.T. o.J. [1970] > L Langewiesche-Bücherei

Rodenwaldt, Ulrich (1962), Der Villinger Stadtwald (= Schriftenreihe der Stadt Villingen), Villingen 1962, 227 S., Schwarzweißtafeln, Karten, € 10,-. I. Zur Allmende der an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert sich ausbildenden bzw. gegründeten Stadt Villingen gehörte der Villinger Stadtwald. Zusammen mit Feldmarkbereichen wurde der Wald bei der Stadtentstehung vom Zähringerherzog Berthold V. (1186-1218) dem Ort Villingen zugeordnet; Wald und Feldmark gehörten zur Verfügungsmasse des Herzogs entweder als Eigengut oder als von den Zähringern bevogtetes Reichsgut. Es entstand - auch durch Erweiterungen im Verlauf des späteren Mittelalters (Warenburg, Runstal, Rogggenbach u.a.) - die übergroße Villinger Gemarkung mit rund 3000 Hektar Ackerland und rund 3800 Hektar Wald. Der Wald wurde dann verschiedenartig genutzt (Nutzholz, Brennholz, Köhlerei, Viehweide, Waldfeldbau, Harznutzung), die Nutzung von der Villinger Bürgergemeinde organisiert (Holzordnung 1602, Waldmeisterinstruktion 1756). Die sog. "hohe Jagd" ("freie Pürsch") übten seit der fürstenbergischen Zeit Villingens (und über das Jahr 1326 hinaus) die Grafen von Fürstenberg aus, die "niedere" die Villinger Patrizier. Der Villinger Stadtwald war in Mittelalter und früher Neuzeit überwiegend mit Nadelhölzern (Tanne, Fichte, Kiefer) bewachsen, Buche und Eiche traten demgegenüber stark zurück. II. Eine nachhaltige und daher planmäßige Bewirtschaftung des Villinger Stadtwaldes im Sinne einer geregelten Forstwirtschaft begann mit dem Aufbau einer "städtischen Bezirksforstei" im Jahr 1834 und ging einher mit der Ablösung von Waldberechtigungen, Aufforstungen, Trockenlegungen usw., d.h. mit einer Bestandspflege bei Reduzierung der durch den Menschen verursachte Waldschädigungen. [Buhlmann, 11.2019]

Röhl, Hans (1914), Geschichte der deutschen Dichtung, Leipzig-Berlin 51926 > D Deutsche Literaturgeschichte

Röhl, John C.G. (2013), Wilhelm II. (= BSR 2787), München 2013, 144 S., 2 Karten, € 8,95. Der am 27. Januar 1859 geborene Sohn (Friedrich) Wilhelm (Viktor Albert) des Hohenzollernprinzen Friedrich (†1888) und seiner englischen Prinzessin Victoria kam mit einem verkrüppelten linken Arm zur Welt; man unterzog das Kind, das zudem unterb einem Schiefhals litt, qualvollen medizinischen Behandlungen (Operationen, Bäder, Magnet- und Elektrotherapien), deren Nutzen höchst zweifelhaft war. Auch das ambivalente Verhältnis der Mutter zu ihrem missgebildeten Kind und die ausufernde, überfordernde (gymnasiale) Erziehung (unter Georg Ernst Hinzpeter, bis 1876) beförderten die später massiv auftretenden Charaktermängel des Kronprinzen (Narzissmus, Herzlosigkeit, Egoismus, Emotionalität, Labilität). Es folgten ein Studium an der Universität Bonn (1877-1879) sowie die militärische Karriere Wilhelms in den Garderegimentern in Potsdam (ab 1879), weiter Wilhelms Heirat mit der Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein (1881). Das Dreikaiserjahr 1888 brachte den Kronprinzen als Kaiser Wilhelm II. auf deutschen (und preußischen) Thron. Gottesgnadentum und "persönliches Monarchie" des autokratischen Herrschers führten zum Sturz des Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck (1890) und zu den in starker Abhängigkeit vom Kaiser stehenden Reichskanzlern Caprivi (1890-1897), Bülow (1897-1909), Bethmann Hollweg (1909-1918) (als Höflingen Wilhelms). Gerade die Außenpolitik des Deutschen Reiches wurde von dem Kaiser zunehmend bestimmt; falsche politische Signale förderten Isolation Deutschlands in Europa und gegenüber den Weltmächten Großbritannien, Russland und Frankreich (Weltmacht- und Flottenpolitik, Hegemonialpolitik in Kontinentaleuropa; Dreibund und Tripelentente). Stationen der aggressiven und unberechenbaren deutschen Außenpolitik auf den Weg letzlich in den Ersten Weltkrieg (1914-1918) waren dabei: das Kaisertreffen von Björkö (1905) in der Folge des russisch-japanischen Krieges (1904/05), der Besuch des Kaisers in Tanger (1905) und die Konferenz von Algeciras (1906), die Daily-Telegraph-Äffare um Reichskanzler Bülow (1908/09), die Krise infolge der Annexion Bosniens durch den deutschen Verbündeten Österreich-Ungarn (1908/09), der "Panthersprung" nach Agadir (1911), der gesteigerte deutsche Schlachtschiffbau (1911/12), die Haldane-Mission (1912), die Balkankrise um Serbien und Österreich-Ungarn (1912) und der Aufschub des europäischen Krieges (1913/14); innenpolitisch war die Stellung des Kaisers durch die Eulenburg-Affäre (1906-1909) angeschlagen. Die Julikrise von 1914 mündete - unter maßgeblicher Beteiligung des Kaisers als "obersten Kriegsherrn" und "selbstgerechten Gottesstreiter" - in den Ersten Weltkrieg Deutschlands und Österreich-Ungarns gegen Russland, Frankreich und auch Großbritannien. Bestimmte Wilhelm zunächst im Krieg, besonders im Seekrieg (U-Boot-Krieg) militärisch und politisch (Königreich Polen 1916) noch mit, so wurde er ab 1916 - als "Schattenkaiser" - zunehmend von den Generälen der Obersten Heeresleitung Hindenburg und Ludendorff in seiner politischen Wirksamkeit eingeengt. Die Niederlage Deutschlands im Krieg und die deutsche Novemberrevolution von 1918 führten zum erzwungenen Rücktritt des Kaisers, der mit seinem Gefolge letztlich in Doorn in den Niederlanden Exil fand. Dort auf Rache sinnend und auf eine Wiedererrichtung des deutschen Kaisertums, profilierte sich Wilhelm weiter als Antisemit und war auch der natonialsozialistischen Bewegung Adolf Hitlers durchaus zugetan (Treffen mit Hermann Göring 1931, 1932); starken Anteil nahm der Hohenzoller an den deutschen Erfolgen im Zweiten Weltkrieg (1939-1945). Wilhelm starb 4. Juni 1941 im Exil. [Buhlmann, 09.2013]

Röhrich, Wilfried (1978), Politik als Wissenschaft. Eine Einführung (= dtv 4321), München 1978 > P Politik

Röhrig-Schlierbaum, Annette (1993), Ein neues frühmerowingerzeitliches Kriegergrab bei Möhringen, Stadt Tuttlingen, in: TutHbll NF 56 (1993), S.95-99. Alemannische Grabfunde bei Möhringen (Friedhof im Gewann "Gansäcker", Gräber im Gewann "Unter Weilattengraben") reichen bis in die 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts zurück. Das gilt auch für ein (adliges?) Kriegergrab im Gewann "Unter Weilattengraben" mit seiner nur teilweise erhalten gebliebenen Ausstattung (Griffangel der Spatha, Zierstücke der Schwertscheide). Die Grabfunde weisen auf eine frühe alemannische Besiedlung des Möhringer Raums hin (Wüstung Renningen), die sich aus der Lage an der Donau (Donauversickerung, Donaufurten [Öthenfurt]), an der Geisinger Pforte durch die Schwäbische Alb und an der damals hier nord-südlich verlaufenden Römerstraße zwischen Singen und Tuttlingen ergab. Der Verstorbene im Kriegergrab könnte von daher eine wichtige Rolle bei der Besiedlung [oder Sicherung des Donauübergangs] gespielt haben. [Buhlmann, 01.2013]

Roelcke, Thorsten (2009), Geschichte der deutschen Sprache (= BSR 2480), München 2009 > D Deutsche Sprache

Roemer, Adolph (1913), Homerische Aufsätze, Villingen-Schwenningen 2015 > H Homer

Römer, Christof (1983), Helmstedt - Werden. Tausendjährige Geschichte einer Doppelabtei aus Helmstedter Sicht, in: MaH 36 (1983), S.11-23 > H Helmstedt

Römische Geschichte, 15.-6. Jahrhundert v.Chr., Frühzeit: Rom, gelegen im mittelitalischen Latium am Kreuzungspunkt von Fluss Tiber (Tiberübergang), Salzstraße und Viehtrift, zudem gelegen in einer Kontaktzone zwischen Etruskern sowie Latinern, Faliskern und Sabinern, verfügt über Besiedlungsspuren aus dem 15. Jahrhundert v.Chr. (Kapitol, Gebiet des späteren Forum Romanum) und aus dem 10. Jahrhundert v.Chr. (Palatin); Streusiedlung kann für das Gebiet der klassischen "Sieben Hügel Roms" (Aventin, Caelius, Esquilin, Kapitol, Palatin, Quirinal, Viminal) bis ins 9. Jahrhundert v.Chr. angenommen werden. Erst ab dem 9./8. Jahrhundert v.Chr. kam es im Bereich von Palatin, Quirinal und Esquilin zu Siedlungsverdichtungen (Nekropolen), ohne dass für diese Zeit des "Hütten-Roms" von einer Stadtgründung oder -werdung die Rede sein kann. Die römische Überlieferung und literarische Tradition, zurückgehend ins 4. Jahrhundert v.Chr. und eine Siebenzahl von römische Königen über einen Zeitraum von 244 Jahren festlegend, bringt hingegen die angeblich 753 v.Chr. erfolgte Stadtgründung durch König Romulus ins Spiel (Stadtgrenze des pomerium gemäß dem römischen Luperkalienfest). Für das endende 7. Jahrhundert v.Chr. kann die Trockenlegung des Gebiets um das Forum Romanum beobachtet werden, in die 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts v.Chr. datiert ein Tempel am Nordrand des Forum Boarium. Für das 6. Jahrhundert v.Chr. können damit die Errichtung öffentlicher Bauten und die Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen angenommen werden, wobei Maßnahmen wie die cloaca maxima als Abwasserkanal oder die 426 Hektar umschließende sog. Servianische Stadtmauer wie auch der Kapitolinische Tempel mit großer Wahrscheinlichkeit dem 4. Jahrhundert v.Chr. angehören. Dies geschah unter Führung der Etrusker, der damals führenden Macht im westlichen Mittelitalien. Dem entsprach, dass Rom immer durch auswärtige Könige latinischer, sabinischer oder etruskischer Herkunft berherrscht wurde. Im 6. Jahrhundert v.Chr. bemächtigten sich etruskische warlords Caile Vipinas, Avle Vivenna und Macstrna zeitweise Rom; Lars Porsenna, der Etruskerkönig von Clusium, (und dessen Sohn Arruns) herrschte(n) wohl auch über Rom (bis 504/03 v.Chr. [Niederlage in der Schlacht bei Aricia]). Die warlords und Könige standen dabei in vielfachem Gegensatz zum Patriziat der eingesessenen römischen Aristokratie; römischer legendarischer (Haupt-) Überlieferung zufolge kam es unter dem König Tarquinius Superbus nach Übergriffen (innerhalb der Königsfamilie [gens Tarquinia]?) zum Sturz des "Tyrannen" und zur (angeblichen) Errichtung einer res publica (509/08 v.Chr.).
Zur Frühzeit der Stadt Rom sei an Literatur genannt: Alföldi, Andreas (1977), Das frühe Rom und die Latiner, Darmstadt 1977, XIX, 604, XXIV S., Abbildungen, Karte, DM 39,-; Blösel, Wolfgang (2015), Die römische Republik. Forum und Expansion (= C.H. Beck Geschichte der Antike, Bd.4 = BSR 6154), München 2015, 304 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, Zeittafel, € 16,95. Römische Geschichte der Antike behandeln insgesamt: Kornemann, Ernst (1938/39), Römische Geschichte, 2 Bde., Bd.I: Die Zeit der Republik (= KTA 132), Stuttgart (6)1970, X, 567 S., Karte, DM 19,80, Bd.II: Die Kaiserzeit (= KTA 133), Stuttgart (6)1970, VI, 523 S., Karte, DM 19,80. [Buhlmann, 1982, 08.2017]

Römische Geschichte, 1. Jahrhundert v.Chr.-3. Jahrhundert n.Chr., Kaiserzeit: I. Das Ende der römischen Bürgerkriege (Schlacht bei Actium 30 v.Chr.) und die faktische Alleinherrschäft des Oktavian, der als Einziger über die römischen Truppen und Soldaten verfügte (Treueidleistung) leitet traditionell die Geschichte von der römischen Republik zur römischen Kaiserzeit über. Mit der "Wiederherstellung" der Republik bei Weiterführung der republikanischen Institutionen (Wahlen, Ämter) und der Anerkennung von Oktavians Führungsanspruch durch Senat und Senatoren (27 v.Chr.) war die Machtstellung des princeps ("erster Bürger"), der den Ehrentitel Augustus erhielt, innerhalb dieser republikanischen Fassade durch immer wieder verlängerte Sondervollmachten hinreichend gesichert, der römische Senat teilweise an der Macht im römischen Reich beteiligt (senatorische, kaiserliche Provinzen; Provinzneuordnung). Die (informelle, formelle) Macht des Augustus (27 v.Chr.-14 n.Chr.), der zudem die tribunicia potestas und das imperium proconsulare erhielt (23/19 v.Chr.), beruhte dabei auf der Fiktion eines permanenten Staatsnotstands; Senatoren, Konsuln, Prätoren waren Zuträger dieser Macht. Nicht zuletzt um eines ausgeglichenen Staatshaushalts willen (angestrebte Balance zwischen Steueraufkommen und Ausgaben für das stehende Legionsheer [aerarium militare 6 n.Chr.]) betrieb Augustus eine expansive Außenpolitik (Erbschaft Galatien 25 v.Chr., Kantabrischer Krieg 25/19 v.Chr., Einbeziehung der Alpenregion bis zur Donau 25/15 v.Chr., misslungene Einbeziehung der Germania libera 12 v.Chr./9 n.Chr., Pannonischer Aufstand 6-9 n.Chr.), die aber auch eine Defensivstrategie bzgl. des Partherreiches beinhaltete (römisch-parthisches Abkommen 20 v.Chr.) oder auch Perspektiven des Friedens bediente (pax Augusta, Ara Pacis 13/9 v.Chr.). Hinsichtlich der Nachfolge im Prinzipat starben vorgesehene Personen der julisch-claudischen Herrscherfamilie vor Augustus, so dass Tiberius (14-37) unter Beipflichtung des Senats und unter Beibehaltung des von Augustus geschaffenen Herrschaftssystems dem Augustus als princeps nachfolgte. II. Mit Tiberius setzte sich die julisch-claudische Kaiserdynastie fort. Tiberius brach die römischen Eroberungskriege zu Gunsten einer "gemäßigten Kriegspolitik" ab (Expeditionen des Germanicus in der Germania libera 14-16 n.Chr., Tod des Germanicus 19). Die Ausformung des Prinzipats nahm unter Tiberius weitere Gestalt an (Divinisierung des Augustus, Kaiserkult [Gebete, Opfer] in Italien und den Provinzen, Bedeutung von familiären Ereignissen im Kaiserhaus für die Untertanen [Entpolitisierung der Untertanenschaft], Denunziation [Prozess gegen Calpurnius Piso im Zusammenhang mit dem Tod des Germanicus 20]). Der (völlige) Rückzug des Tiberius nach Capri (26) ermöglichte den Aufstieg des Prätorianerpräfekten Sejan als "Ersatzkaiser", der aber gestürzt wurde (31). Die Beziehungen zwischen Kaiser und Senat blieben auch danach weiterhin durch Misstrauen geprägt. Nach dem Tod des Tiberius (37) wurde der Germanicussohn (Gaius Iulius Caesar) Caligula (37-41) dessen Nachfolger. Die römische Historiographie berichtet vom "Wahnsinn" dieses Kaisers, von dessen Willkür auch gegenüber den senatorischen Verfolgern seiner Familie sowie von Verschwörungen gegen den princeps, die letztlich zur Ermordung Caligulas führten (41). Mit Unterstützung der Prätorianer (gegen die Senatoren) gelangte danach (Tiberius) Claudius (Nero) (41-54) an die Macht. Auch unter Claudius blieben die Zerwürfnisse zwischen Kaiser und Senat bestehen; Misstrauen auf Seiten des Kaisers (Leibwache, Denunziationen, Todesurteile) und der große Einfluss der Ehefrauen auf den Kaiser, Messalina (ermordet 48) und Agrippina die Jüngere (Heirat 49), steigerten zudem den Unwillen der Senatorenschaft gegenüber Claudius. Claudius nahm eine offensive Kriegspolitik wieder auf, nachdem sich Tiberius mit der Unterwerfung von Gebieten in Nordafrika (17/24) begnügt hatte und geplante Feldzüge unter Caligula nicht mehr zustande kamen. Im Jahr 43 begann die Eroberung Britanniens, Mauretanien (nach einem Aufstand), Lykien und Thrakien wurden als Provinzen dem römischen Reich eingegliedert (43-46/47). Gegenüber den germanischen Friesen und Chauken sollte sich das römische Reich nach Angriffen (47) weiterhin defensiv verhalten. Nicht Claudius' Sohn Britannicus (ermordet 54), sondern der Sohn der Agrippina und Enkel des Germanicus, (Lucius Domitius Ahenobarbus, adoptiert als) Nero (Claudius Caesar) (54-68), folgte auf Claudius (vergiftet? 54). Der junge, bei der römischen Bevölkerung zunächst populäre Nero erlangte gegen Ende der 50er-Jahre größere politische Eigenständigkeit, die aber - seinen künstlerischen Neigungen, seiner Unberechenbarkeit und zunehmender Enthemmung entsprechend - eine einheitliche Linie vermissen ließ (Neros Ermordung der Mutter Agrippina 59, Aufstand in Britannien 60/61, römisch-partisches Kompromissabkommen von Rhandeia 64, großer Stadtbrand Roms 64, Christenverfolgung, neronische domus aurea und Monumentalstatue des Kaisers, Pisonische Verschwörung und Selbstmord Senecas 65). Der jüdische Aufstand gegen Rom (66-70/73) steht am Anfang von Ereignissen, die schließlich zur Absetzung des Kaisers durch den Senat führten (68); das wiederholte Auftreten Neros als Sänger und Wagenlenker, die von Nero beschlossene Verselbstständigung der griechischen Provinz Achaia (67?; später wieder eingegliedert), das konspirative Verhalten des gallischen Statthalters Gaius Iulius Vindex sowie die Usurpation des spanischen Statthalters Servius Sulpicius Galba (68) führten dazu, dass Nero in Panik geriet, aus Rom zu fliehen versuchte und sich letztlich von einem Sklaven töten ließ (68). Galba trat die Nachfolge Neros an, konnte sich in Rom auch auf Grund von falschen Personalentscheidungen nicht gegen den von den Prätorianern unterstützten weiteren Imperator Marcus Salvius Otho nicht durchsetzen und wurde ermordet (69). Otho wiederum unterlag dem zum Imperator gemachten Befehlshaber Aulus Vitellius des niedergermanischen Militärbezirks und beging nach der Niederlage seines Heeres bei Bedriacum Selbstmord (69). Gegen Vitellius und seine Rheinlegionen erhoben sich die Donaulegionen, die Titus Flavius Vespasianus, der den jüdischen Aufstand bekämpfte, zum Imperator (69) erhoben und ebenfalls bei Bedriacum die Vitellianer besiegten; Vitellius starb bei Straßenkämpfen in Rom (69). III. Überlebender Imperator des sog. 1. Vierkaiserjahres war Vespasian (69-79), der die flavische Kaiserdynastie begründete. Unter ihm kam mit der Eroberung Jerusalems (70, und Masadas 73) der jüdische Aufstand zu einem Ende, auch gelang es den Bataveraufstand unter Gaius Iulius Civilis (69/70) am Niederrhein einzudämmen. Vespasian und sein ältester Sohn und Nachfolger Titus (Flavius Vespasianus) (79-81) verfolgten darüber hinaus aber eine "Politik des Innehaltens", die nichtdestotrotz die Aneignung von Gebieten zwischen Rhein und Donau (Arae Flaviae [Rottweil] 73/74) und die Eroberung großer Teile Britanniens (71-84/85) umfasste; die Legionen im Osten sollten einem neuen Defensivkonzept (gegenüber dem Partherreich) genügen. In Rom wurden neue öffentliche Gebäude errichtet oder wiederhergestellt, u.a. ein Amphitheater (Colosseum) und der Tempel der capitolinischen Götterdreiheit. Dabei erholten sich wegen der fehlenden (großen) Kriege die römischen Finanzen erstaunlich schnell. In die Regierungszeit des Titus fällt der Ausbruch des Vulkans Vesuv, der die römischen Kleinstädte Pompeji, Herculaneum und Stabiae zerstörte (79). Nach dem frühen Tod des Titus ging die Herrschaft auf dessen Bruder (Titus Flavius) Domitian(ianus) (81-96) über. Unter Domitian führte das römische Reich wieder offensiv Kriege (Chattenfeldzug 83, germanische Militärbezirke als römische Provinzen Germania inferior, Germania superior [n.83], Dakerkriege 85/97, Saturninusaufstand 88/89). Vor dem Hintergrund eines gespannten Verhältnisses zwischen (dem wohl unberechenbaren) Kaiser und Teilen des Senats fiel Domitian einer Palastverschwörung zum Opfer (96). IV. Domitians Nachfolger (Marcus Cocceius) Nerva (96-98), ein betagter Senator, lavierte politisch zwischen den Prätorianern in Rom und den Domitian anhängenden Armeen in den römischen Provinzen. Er adoptierte schließlich den Statthalter der obergermanischen Provinz, Marcus Ulpius Traianus, der von nun an das eigentliche Sagen in der römischen Politik hatte und nach dem Tod Nervas (98) als Imperator und Augustus (98-117) die politischen Fäden weiter in der Hand hielt (Ermordung des Prätorianerpräfekten Casperius Aelianus 98, Rückkehr nach Rom [99] als princeps optimus). Trajan führte die offensive Politik Domitians fort; die Dakerkriege (101-102 bzw. 105-106) führten zur Eroberung Dakiens und der Einbeziehung des Königreichs des Decebalus ins römische Reich als Provinz (Erbeutung des dakischen Königsschatzes, Trajanssäule auf dem forum Traiani in Rom [113]), der Krieg gegen das Partherreich (114/17) endete mit der zeitweisen Besetzung Armeniens und Mesopotamiens (Einnahme von Ktesiphon 114, römische Provinzen Assyria, Mesopotamia 114/17 und deren teilweise Räumung, jüdischer Aufstand in Ägypten u.a. 115/17). Beim Tod Trajans (117) war dessen imperialistische Ostpolitik schon gescheitert. Trajans Nachfolger wurde - entweder durch Adoption oder durch eine Intrige der Frauen um Trajan - (Publius Aelius) Hadrian(us) (117-138), mit dem das "goldene Zeitalter" Roms anbrach. Die friedlichen Jahrzehnte des römischen Reiches unter Hadrian und Antoninus Pius (138-161) wurden eingeleitet durch den Abzug der römischen Truppen aus dem und einem Friedensvertrag mit dem Partherreich (117/18). Nach dem innenpolitischen Ausgleich mit den Anhängern des Trajan verfolgte Hadrian eine defensive Außenpolitik, indem er große Teile der römische Grenze sichtbar (einschüchternd) durch Grenzanlagen (Kastelllinien, obergermanisch-rätischer Limes, Hadrianswall) befestigen ließ; diese militärische Abriegelung geschah wahrscheinlich zur Abwehr von kleineren Übergriffen und von Raubzügen, die somit nicht mehr zu kriegerischen Eskalationen beitragen konnten. Zivile Baumaßnahmen ließ der Kaiser auch in den Provinzen durchführen (Italica, Athen, Kyzikos), Ausdruck seines Philhellenismus (Panhellenion als politisches Projekt [131/32]); in und um Rom erneuerte er das Pantheon, ließ sein Mausoleum ("Engelsburg") aufführen und besaß in Tivoli eine prachtvolle Sommerresidenz. Eine größzügige Fiskalpolitik begünstigte wirtschaftlich alle Bewohner des Reiches, das gegen Ende von Hadrians Regierungszeit durch den jüdischen Bar Kochba-Aufstand erschüttert wurde (132-136). Hadrians Nachfolger sollte Marcus Annius Verus (Marc Aurel) werden, für den Übergang wurde (Titus Aurelius Fulvius) Antoninus (Pius) adoptiert. Mit ihm setzte sich nach dem Tod des homosexuellen Hadrian die Reihe der Adoptivkaiser fort. Antoninus Pius setzte die Innen- und Außenpolitik seines Vorgängers nahtlos fort, wobei er in Britannien die Grenze weiter nach Norden verlegte (Antoninuswall [ab 143]) und auch die Grenze des obergermanisch-rätischen Limes vorschob (150er-Jahre). Auch als Fiskalpolitiker war der Kaiser erfolgreich; bei seinem Tod (161) wies der Haushalt des römischen Reiches einen beträchtlichen Überschuss auf. V. Die Blütezeit des römischen Reiches im 2. Jahrhundert war nicht zuletzt Ausfluss einer stabilen wirtschaftlich-sozialen Lage der römischen Gesellschaft. Landwirtschaft (Ackerbau, Viehzucht) war dabei die Grundlage der römischen Wirtschaft; der Großgrundbesitz der römischen Oberschicht (Senatoren, Ritter, Ratsherren) war um Gutshöfe und villae gruppiert, daneben gab es selbstständige Kleinbauern und Pächter (coloni). Kaiserlicher Grundbesitz und Fiskalland sowie öffentlicher Grundbesitz in den Gemeindestaaten machten einen erheblichen Teil der agrarisch bewirtschafteten Fläche aus. Die einige tausend Gemeindestaaten (civitates) gliederten das römische Reich politisch; sie waren soziokulturell-gentil organisiert um Städte oder stadtähnliche Orte, verfügten über einen Rat, die Magistrate und eine Volksversammlung, waren als (peregrine) civitates liberae Enklaven im Reich oder als civitates foederatae, stipendiariae mit Rom unter Erbringung von (Steuer-, Dienst-) Leistungen verbündet, waren (römischrechtlich) organisiert als coloniae nach Vorbild der Stadt Rom (Senat, Magistrate, Volksversammlung römischer Bürger) oder als municipia durch Verleihung des römischen oder (zunächst) latinischen Rechts. Die Stadt Rom mit ihren Institutionen und Magistraten besaß politisch eine Doppelstellung zwischen Stadtstaat und Reichsregierung, überlagert durch die Herrschaft des Kaisers. Stadt Rom, das Gebiet der italischen Bundesgenossenschaft und die römischen Provinzen waren zusammengefasst unter der Herrschaft des princeps (imperator), die auf unterschiedlichen Ebenen politisch wirksame Oberschicht bestand aus dem ordo senatorius, dem ordo equester und dem ordo decurionum, vom Kaiser hingen wichtige Zentralbehörden im römischen Reich ab, von den durch Ritter besetzten Präfekturen (Prätorianer-, Vigilien-, Annona-, ägyptische Präfektur) über die Verwaltung des kaiserlichen Haushalts (Sekretäre als Ressortleiter) bis zum consilium (kaiserlicher Rat) und comitatus (kaiserliches "Gefolge"). Kulturell und gesellschaftlich wuchs das römische Reich in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten zusammen (Weltreichs- statt romzentrierter Literatur, Vielfalt des religiösen Heidentums und frühes Christentum als "pazifistisches Netzwerk"). VI. Das "goldene Zeitalter" Roms kam durch die Kriege, die Kaiser Marc Aurel (161-180), der Nachfolger des Antoninus Pius, zu führen hatte, zu seinem Ende. Zusammen mit seinem Bruder (Lucius Aurelius) Verus (161-169) hatte Marc Aurel zunächst den römisch-parthischen Krieg (161-166) zu bestehen, ausgelöst durch das Eindringen der Parther ins römische Syrien (Vertreibung der Parther aus Syrien, römische Eroberung von Artaxata 163, römische Eroberung von Ktesiphon, Zerstörung von Seleukeia 165, Eindringen der "Pest" ins römische Reich, Friedensvertrag mit den Parthern [römische Klientelstaaten Osrhoene und Nisibis, Dura Europos] 166). Völkerverschiebungen nördlich der Donau (165/66) führten alsbald zu den "Markomannenkriegen" (170-175, 178-180) und zur (wohl von Marc Aurel versuchten) Einbeziehung der suebischen Markomannen ins römische Reich; der Aufstand des römischen Befehlshabers Avidius Cassius konnte entschärft werden (175). Vor dem Hintergrund der sich ausweitenden tödlichen Seuche und der ins Geld gehenden Kriegspolitik gab nach dem Tod des Marc Aurel (180) dessen Sohn (Lucius Aurelius) Commodus (180-192) das weitere Kämpfen auf, abgesehen von einem kurzen, erfolglosen Feldzug gegen die Quaden (180). Commodus entfremdete sich vom väterlichen Beraterkreis, ein Anschlag auf ihn schlug fehl (182); der Prätorianerpräfekt Tigidius Perennis stieg in Commodus' Gunst auf und fiel in Ungnade (185), ebenso der Freigelassene Marcus Aurelius Cleander (†190). Die (wohl vorhandene) Egomanie des Kaisers (Auftritte als Gladiator, als Halbgott Hercules; Ermordung missliebiger Personen) führte zu dessen Ermordung (192). Commodus' Nachfolge trat der Frontoffizier (Publius Helvius) Pertinax (193) an, der aber knapp vier Monate später von Prätorianern erschlagen wurde, die wiederum mit Didius Julianus (193) einen weiteren Frontoffizier Marc Aurels zum Imperator erhoben. Das Kaisertum des Didius Julianus traf auf Widerstand bei den pannonischen Legionen, die den Statthalter (Lucius) Septimius Severus (193-211) zum Kaiser ausriefen. Septimius Severus gelang es, den britannischen Statthalter Clodius Albinus (193-197) in seine Kampagne einzubinden, während der syrische Statthalter Pescennius Niger (193-194) ebenfalls das Kaisertum usurpierte (193). Severus gelang, sich Italien und Rom kampflos einzuverleiben; Didius Julianus wurde hingerichtet, die Prätorianer als gedemütigte Eliteeinheit durch pannonische Soldaten ersetzt (193). Dann begannen die Truppen des Severus den Osten des römischen Reiches zu erobern (Belagerung von Byzanz 193/95, Sieg des Severus in der Schlacht bei Issos, Flucht und Enthauptung des Pescennius Niger 194, römische Strafexpedition östlich des Euphrat 195). Auch Clodius Albinus wurde von Septimus Severus besiegt (Schlacht bei Lugdunum 197), der in seiner Verfolgung von Senatoren an Kaiser Commodus anknüpfte. Severus (und seine Nachfolger) vermehrte(n) im Übrigen die Anzahl der römischen Truppen; großzügige Soldanpassungen ließen zudem den römischen Haushalt weiter in Schieflage geraten. Septimius Severus begründete die Kaiserdynastie der Severer. Erfolgreich war er mit seiner kriegerischen Außenpolitik etwa gegen das Partherreich; der Partherkrieg (197) endete nach der Einnahme von Ktesiphon mit der Errichtung der Provinz Mesopotamia mit der Hauptstadt Nisibis. Die anschließende Friedenszeit nutzte Severus u.a. zum Besuch seiner nordafrikanischen Heimat (Leptis Magna). Ein Aufstand des Räuberhauptmanns Bulla Felix in Italien und Gallien wurde ohne Eingreifen des Kaisers niedergeschlagen (207/08). Severus unternahm noch eine expeditio Britannica (208/11), bevor er in York starb (211). Seine beiden einander hassenden Söhne (Marcus Aurelius Antonininus) Caracalla (211-217) und (Publius Septimus) Geta (211) folgten ihm als Augusti in der Herrschaft nach und begaben sich nach Rom, wo nach wenigen Monaten zweier verfeindeter Regierungen Caracalla Geta und dessen Anhang töten ließ (211). Wohl 212 stattete Caracalla alle Einwohner seines Reiches durch die Constitutio Antoniniana mit dem römischen Bürgerrecht aus und reihte sich damit allgemein ein die Rechts-, Verwaltungs- und Sozialreformen der severischen Dynastie, die auch verbunden waren mit den damaligen bedeutenden Juristen Papinian, Ulpian und Marcian. Caracalla bekämpfte 213 die Alemannen und wandte sich dann gegen das Partherreich (Provinz Osrhoene 213, Aufenthalt in Antiochia 215/16, Massaker in Alexandria 216, römisches Eindringen ins Partherreich 216, Überwintern in Edessa 216/17). Caracalla wurde von einem Soldaten ermordet (217), die durch die Parther bedrängte römische Armee rief den Ritter und Prätorianerpräfekten Opellius Macrinus (217-218) zum Kaiser aus. Diesem gelang es, mit den Parthern Frieden zu schließen (217); Macrinus und sein Sohn Diadumenian unterlagen aber alsbald (218) dem Prätendanten und emesanischen Hohepriester Elagabal (218-222) aus der Familie des Septimius Severus. Der unkriegerische Elagabal verschaffte dem römischen Reich noch einmal eine Friedenszeit; als Nachfolger wurde durch Adoption Elagabals Vetter Bassianus als (Marcus Aurelius) Severus Alexander (222-235) aufgebaut. Dieser folgte, noch jung, nach Elagabals Ermordung (222) im römischen Kaisertum nach. Sein Zusammengehen mit der senatorischen Elite führte zur Entfremdung mit dem römischen Militär. Der Invasionskrieg gegen das neu entstandene Perserreich der Sasaniden endete noch mit einem Verhandlungsfrieden (232), aber anlässlich der Vertagung eines Feldzugs gegen die rechtsrheinischen Germanen wurde Severus Alexander in Mainz von seinen eigenen Soldaten ermordet (235). VII. Mit der Erhebung des Maximinus Thrax (235-238) zum Kaiser begann die Epoche der "Soldatenkaiser" als eine Krisenzeit im römischen Reich. Maximinus führte seinen Germanenfeldzug erfolgreich durch (Schlacht beim Harzhorn 235), scheiterte aber bei weiteren militärischen Unternehmungen am fehlenden Geld. Aufstände gegen Maximinus und dessen Verurteilung als Staatsfeind mündeten im 2. Vierkaiserjahr der beiden Gordiane (I., II., 238) und der "Senatskaiser" (Marcus Clodius) Pupienus (Maximus) (238) und (Decius Caelius) Balbinus (238) sowie des (Marcus Antonius) Gordian(us) (III., 238-244). Letzterer setzte sich durch, als der Feldzug des Maximinus nach Italien (Belagerung Aquileias 238) in einer Rebellion endete, in deren Folge Maximinus ermordet wurde, und es in Rom zu Kämpfen jedes gegen jeden kam. Hatte Maximinus die Germanen noch offensiv bekämpfen können, so änderte sich in den folgenden Jahrzehnten drastisch; aus dem imperialistischen Reich als Angreifer wurde ein Reich, das an vielen Fronten angegriffen wurde. Entlang des Rheins entstanden die germanischen Stammesbünde der Franken und Alemannen, die Raubzüge bis tief nach Gallien und Italien unternahmen. Eine Folge ihres unheilvollen Wirkens war die Entstehung des sog. gallischen Sonderreiches (260-274) unter dem "Sonderkaiser" (Marcus Cassianus Latinius) Postumus (260-269), der sich gegen Kaiser Gallienus (253/60-268) durchsetzen konnte (Aufgabe des römischen Gebiets zwischen Rhein und Donau). Entlang der Donau formierten sich "gotische Völkerschaften" als hauptsächliche Bedrohung gegen das römische Reich; Usurpationen gegen Kaiser Philippus Arabs (244-249; 1000-Jahr-Feier der Stadt Rom 248) verschärften noch die Lage an der Donaufront; der (Gegen-) Kaiser Decius (249-251) unterlag mit seinen Truppen den Goten bei Abrittus, während sein Nachfolger Trebonianus Gallus (251-253) wenig Wirkung entfaltete, ebenso Kaiser (Marcus Aemilius) Aemilianus (253). So plünderten gotische Gruppierungen in den 250er- und 260er-Jahren den Balkan, die Ägäis und Kleinasien; die Goten wurde durch Kaiser Claudius II. (268-270) bei Naissus besiegt. Das persische Sasanidenreich war der größte Feind Roms, das im Osten Gebietsverluste hinnehmen musste (250er-Jahre) bis hin zur persischen Kriegsgefangenschaft des römischen Kaisers Valerian (253-260) und zur Bildung eines weiteren Sonderreichs mit der Oasenstadt Palmyra als Zentrum (ca.260-273; Herrscherin Zenobia [268-272/73]). Kaiser Aurelian (270-275) gelang immerhin die Eingliederung der beiden Sonderreiche in das römische Reich (273/74), während er Dakien als römische Provinz aufgab (271). Unter Aurelian stabilisierte sich das römische Reich zusehends, Usurpationen und Bürgerkriege ließen nach, die Bedrohungen von außen konnten eingedämmt werden. Dies geschah auch durch Änderungen in der Verwaltung des Reiches bei (zeitweiliger) Schaffung ausgedehnter Kommandobereiche, durch eine Militarisierung der Provinzverwaltung bei Bevorzung des Ritterstandes, durch staatliche Eingriffe in das Münzwesen (Münzentwertung) bei Unterversorgung des Reiches mit Münzen und somit ausbleibender Inflation; Letztere sollte sich erst in 270er-Jahren bemerkbar machen (Münzreformen und kaiserliches Münzmonopol, Neuprägung von Goldmünzen unter Kaiser Aurelian). Zum Chaos der Zeit der "Soldatenkaiser" gehörten auch kurzzeitige Christenverfolgungen und eine wiederholte Betonung des Kaiserkults, der zur Stabilisierung des Reiches beitragen sollte. Die Regierungszeiten der Kaiser Tacitus (275-276), Probus (276-282) sowie Carus (282-283), Carinus (283-285) und Numerian (283-284) leiten dann über zur Tetrarchie Kaiser Diokletians (284-305) (nach: Eich, Römische Kaiserzeit).
Zur römischen Kaiserzeit sei an Literatur genannt: Bengtson, Hermann (1979), Die Flavier. Vespasian, Titus, Domitian. Geschichte eines römischen Kaiserhauses (= BS), München 1979, 315 S., Abbildungen, Karten, DM 38,-; Bleicken, Jochen (1978), Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches, 2 Bde., Bd.1 (= UTB 838), Paderborn-München-Wien-Zürich 21981, 352 S., Abbildung, Karte, DM 19,80, Bd.2 (= UTB 839), Paderborn-München-Wien-Zürich 1978, 304 S., DM 18,80; Christ, Karl (1988), Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin, München 1988, IX, 869 S., Abbildungen, Karten, DM 86,-; Christ, Karl (2001), Die römische Kaiserzeit. Von Augustus bis Diokletian (= BSR 2155), München 2001, 127 S., Abbildungen, Karten, DM 14,80; Eich, Armin (2014), Die römische Kaiserzeit. Die Legionen und das Imperium (= C.H. Beck Geschichte der Antike, Bd.5 = BSR 6155), München 2014, 304 S., Zeittafel, Karten, € 16,95 > G (C.H. Beck) Geschichte der Antike. [Buhlmann, 1982, 1988, 06.2001, 08.2017, 03.2022]

Römische Geschichte, 3.-5. Jahrhundert n.Chr., Spätantike: I. Am Anfang der römischen Spätantike stehen Kaiser Diokletian (284-305) und seine Tetrarchie. Die Ermordung Kaiser Numerians (283-284) brachte Gaius Valerius Diocles (Diokletian) im Osten des römischen Reiches gegen den noch im Westen regierenden Carinus (283-285), den Bruder Numerians, an die Macht. Die Erhebung Diokletians machte nochmals offenkundig, dass die Macht im römischen Reich bei den römischen Legionen und beim römischen Militätr lag, jenseits von Hauptstadt Rom und römischem Senat. Seit 268 konnten dabei die römischen (Soldaten-) Kaiser zunehmend Erfolge gegen äußere Feinde (Germanen, Goten, Sasaniden) erringen, eine innenpolitische Konsolidierung von kaiserlicher Herrschaft befand sich indes in weiterer Ferne, obwohl die "Sonderreiche" Gallien und Palmyra wieder Teil des einheitlichen römischen Reiches geworden waren. Zur Herrschaftsstablisierung baute Diokletian nach dem Sieg über Carinus (285) sein Kaisertum zu einer Tetrarchie ("Viererherrschaft") aus, indem er zunächst Maximian zum Caesar (285) und Augustus (286) erhob und - systematisierend und den Augusti untergeordnet - durch Adoption Galerius (293/305-311) und Constantius (I., 293/305-206) zu Caesares (293) (Familien der Jovier, Herculier). Die Herrschaftsteilung innerhalb der Tetrarchie ermöglichte eine weitere miltitärische Stabilisierung des Reiches gegen auswärtige Feinde (Persersieg 297) und den Usurpator Carausius in Britannien (287/97). Dabei wurden die in der Zeit der Soldatenkaiser begonnenen Reformen des römischen Militärwesens erfolgreich weitergeführt (Ritter als Kommandeure, Neuaufstellung und Verkleinerung der Legionen, Stärkung der Reiterei, Grenzverteidigung und Limitantruppen, Bewegungsheer und comitatensische Legionen, Bau und Ausbau von Befestigungen). Die militärischen Erfolge ermöglichten auch die drängenden inneren Reformen (Vermehrung der Anzahl der [verkleinerten] Provinzen, Aufgliederung Italiens in Provinzen, Diözesen und Präfekturen; Münzreform, Steuerreform [bei größerer Steuergerechtigkeit, Indiktion als Steuerzyklus]; Maximalpreistarif [301]; strengeres Hofzeremoniell, Überhöhung der Tetrarchie, Betonung der Einheit der Tetrarchen). Gerade die Tetrarchie als Dominat (Zusammenfall von Politik und [heidnischer] Religion) geriet in Konflikt mit dem (besonders im Osten des Reiches) verbreiteten Christentum; die diokletianische Christenverfolgung (303-311) forderte viele Opfer (Märtyrer), die das Christentum aber auf Dauer stärkten. Nach dem Rücktritt Diokletians vom Kaisertum (305; Rückzug in den Palast von Split) wurden die Caesares zu Augusti, Severus (305-307) und Maximinus Daia (305-313) zu Caesares. Der frühe Tod des Constantius (306) und die Erhebung seines Sohnes Konstantin (I., 306-337) (zum Caesar) brachte aber die Tetrarchie letztlich zum Einsturz. Zwar konnte ein Bürgerkrieg zunächst verhindert werden, doch die Erhebung von Maximians Sohn Maxentius (307-312) und das Auftreten Maximians als senior augustus (307-308) eröffnete letztendlich den Untergang der tetrarchischen Ordnung spätestens, als Konstantin Maxentius unter (christlichen Vorzeichen) Maxentius in der Schlacht an der Milvischen Brücke (vor Rom) besiegte und Licinius (308-324) Maximinus Daia (313). Der Untergang des Licinius war mit dessen Niederlage bei Adrianopel gegen Konstantin besiegelt (324); Konstantin war zum römischen Alleinherrscher geworden, der mit der sog. Konstantinischen Wende (312) das Christentum zumindest als den heidnischen Religionen gleichwertig anerkannte. Als "christlicher" Kaiser enztschied Konstantin auf dem ökumenischen Konzil zu Nikaia mit (Christologie, Osterfesttermin) und gründete als Gegenstück zum "alten" Rom "seine Stadt" Konstantinopel (330) (nach: Pfeilschifter, Spätantike). II. Die Dynastie Konstantins, repräsentiert durch die Kaiser Konstantin II. (337-340), Constans (337-350), Constantius II. (337-361) und Julian (361-363), konnte (im Wesentlichen) ihre Macht im römischen Reich bis zum Tod Julians behaupten. Im dabei zeitweise faktisch geteilten Imperium Romanum der drei augusti und Konstantinsöhne Konstantin II., Constans und Constantius II. (Westen, Mittelteil, Osten des römischen Reichs) kämpften diese um die Macht (Einfall Konstantins II. ins Italien Kaiser Constans' 340; Constans als Kaiser des Westens nach Konstantins II. Tod 340/50; Usurpation des Magnentius, Ermordung des Constans 350; Schlacht bei Mursa 351; Selbstmord des Magnentius, Constantius II. als Alleinherrscher 353; Caesar Gallus 351/54; Usurpation des Silvanus 355; Caesar Julian 355/60; Usurpation Julians 360, dessen Feldzug gegen Constantius II. 361; Tod Constantius' II. 361). Auch ging es um die Verteidigung der römischen Außengrenzen; Bruderkämpfe und Usurpationen hatten selbstverständlich negative Auswirkungen darauf. Im Westen bedrohten Sachsen, Franken und Alemannen die Grenzen (Kämpfe am Rhein; Britannienfeldzug Constans' 343; Schlacht bei Straßburg gegen die Alemannen 357; Krieg Julians gegen die salischen Franken 358), im Osten war es das sassanidische Perserreich unter Großkönig Schapur II. (†379) (geplanter Feldzug Konstantins des Großen; Armenien unter römischem Einfluss 338; persischer Angriff auf Nisibis 338; römische Niederlage bei Singara 344; persische Angriffe auf Nisibis 346, 350; persische Eroberung Amidas 359; Perserfeldzug Julians 363), entlang der Donau Quaden und Sarmaten (erfolgreiche Kriege Constantius' II. gegen Quaden 358 und Sarmaten und Limiganten 359). Die Kaiser wirkten - wie Konstantin I. auch (Konzil von Nikaia 325) - mit ihrer je katholischen oder arianischen Politik auf die in verschiedene Glaubensrichtungen gespaltene christliche Kirche ein (Bischof Athanasius von Alexandrien; Enkämien-Synode von Antiochien 341; Konzil von Serdica 342/43; Donatisten in Nordafrika, Synode von Karthago 348; Synode von Mailand 355; Synoden von Sirmium 357, 358; Wiederbelebung heidnischer Kulte unter Julian, Philosophengesetz 362). Nicht nur hinsichtlich des Christentums, sondern generell erhöhte sich der Einfluss von Kaisertum und kaiserlicher Bürokratie in vielen Lebensbereichen der Bevölkerung des Imperium Romanum (Idealisierung des Kaisertums [Rombesuch Constantius' II. 357, Roma aeterna], administrative Intensivierung [zivile, militärische Ämter], Wirtschaft und Finanzen, Steuererhebung [Dekurionen] und Münzwesen; Senatoren, honestiores/potentes, humiliores/humiles, coloni, ["barbarische"] Soldaten). III. Nach dem Tod Kaiser Julians auf dem Perserfeldzug (363) und der kurzen Regierung Kaiser Jovians (363-364) (römisch-persischer Friedensvertrag und Aufteilung Armeniens 363; Aufhebung des Philosophengesetzes 364) wurden Valentinian I. (364-375, Westen) und dessen Bruder Valens (364-378, Osten) zu neuen augusti und begründeten damit die valentinianische Herrscherdynastie (Erhebung des Valentiniansohns Gratian zum augustus 367; Kaiser Valentinian II. [375-392]). Die beiden Herrscher setzten sich gegen innere (Usurpation des Procopius 365; Schaffung des Amtes des defensor plebis 368; "Studentengesetz" 370; Aufstand des Firmus in Nordafrika 373/75) und äußere Feinde (Alemmannenkriege Valentinians I. 365/67; Kämpfe Valens' gegen die Goten 369) durch, an der Ostgrenze gegenüber dem Perserreich blieb u.a. in der Frage der Stellung Armeniens als Pufferstaat die politischen Verhältnisse unentschieden. Das Eindringen der Hunnen in Europa und das Ende des nördlich des Schwarzen Meers gelegenen Ostgotenreichs (375) sollten dann den Druck gotischer Völkerschaften auf die römische Grenze entlang der unteren Donau erhöhen (römische Niederlage in der Schlacht bei Adrianopel und Tod des Valens 378). Der von Kaiser Gratian (367/75-383) für den Osten des römischen Reichs zum augustus ernannte Thoedosius I. der Große (379-395) konnte die Verhältnisse indes noch einmal stabilisieren (foedus mit den Westgoten 382; römisch-persischer Frieden 384), machte das nikaianische Christentum zur Staatsreligion (Edikt Cunctos populos von 380; Konzil von Konstantinopel 381 [nikaianisch-konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis]; Ambrosius von Mailand, Damasus von Rom, Martin von Tours als Vertreter der westlichen, Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa als Vertreter der östlichen Kirche; Priscillianismus) und setzte sich auch gegen den Usurpator des westlichen Kaisertums, Magnus Maximus (383-388), durch (Ermordung des Maximus in Aquileia 388; Rombesuch des Theodosius 389 [heidnische Senatoren in Rom]) sowie gegen den von dem Franken Arbogast erhobenen Usurpator Eugenius (393-394) durch (Schlacht am Frigidus, Tötung des Eugenius, Selbstmord des Arbogast 394). Theodosius war damit Alleinherrscher (Verbot der Olympischen Spiele 394), starb jedoch alsbald unter Hinterlassung seiner Söhne Arcadius (395-408) und Honorius (395-423) als augusti im Osten und Westen des römischen Reiches. IV. Es folgte im 5. Jahrhundert eine fortbestehende faktische Teilung des römischen Reichs in einen West- und einen Ostteil, wobei insbesondere der Westen unter verheerenden Germaneneinfällen und feindlichen Invasionen zu leiden hatte. Hier entfalteten die nun in Ravenna residierenden weströmischen Kaiser (Honorius, Valentinian III. [423/25-455], Petronius Maximus [455], Avitus [455-456], Maiorian [457-461], Libius Severus [461-465], Anthemius [467-472], Olybrius [472], Glycerius [473-474], Nepos [474-475], Romulus Augustulus [475-476] kaum noch politisch-militärisches Gegenspiel, was z.B. die Bedrohung Italiens durch die Westgoten unter Alarich anbetraf (Heermeister Stilicho und Alarich; Feldzug Stilichos gegen Vandalen und Alanen 401; Ermordung Stilichos 408; militärische Aufgabe Britanniens 410; westgotische Eroberung Roms 410; Westgotenreich im südlichen Gallien 416) oder die zunehmende Ablösung Britanniens und Galliens von der römischen Herrschaft (Abzug römischer Truppen aus Britannien 401; Eindringen von Sueben, Alanen, Burgundern und Vandalen nach Gallien; Usurpationen in Gallien [Konstantin III. 407, Jovinus 411, Constantius III. 421]). Auch Spanien und Nordafrika war von den geramanischen Invasionen betroffen (Vandalen unter König Geiserich in Nordafrika, Belagerung von Hippo Regius 430, vandalische Eroberung von Karthago 439, vandalische Plünderung Roms 455). Lediglich in Gallien gelang es dem römischen Heermeister Aetius (†454) zwischenzeitlich und mit fränkischer, burgundischer und westgotischer Hilfe, sich in der Schlacht auf den "Katalaunischen Feldern" (451) gegen ein hunnisch-ostgotisches Heer unter Attila (†453) durchzusetzen. In Gallien fanden dennoch unvermindert die fränkische Landnahme (Norden, Nordosten), die Ausdehnung des Westgotenreichs (Süden) und die Ausdehnung des (zweiten) Burgunderreichs (Niederlage und Umsiedlung der Burgunder in die Sapaudia 435/36) statt. Vom Eindringen äußerer Feinde in das Reichsgebiet war der Osten des römischen Reichs weit weniger betroffen. Mit Kaiser Theodosius II. (408-450) ("Zitiergesetz" 426; Konzil von Ephesus 431; Codex Theodosianus als Gesetzbuch 435; latrocinium von Ephesus 449) endete die theodosianische Kaiserdynastie. Ihm folgten die (auf den Osten beschränkten) Kaiser Marcian (450-457) (Konzil von Nikaia-Chalkedon 451), Leon I. (457-474) und Zenon (474-491). Mit dem Ende des westlichen Kaisertums (Ricimer als germanischer Heermeister in Italien; König Odoaker in Italien [476-493] als römischer patricius) kamen römische Staatlichkeit (auf der Ebene des Kaisertums <-> lokale römische Verwaltung) und Spätantike zu ihrem Ende. V. Resümierend lässt sich für das römische Reich im 4. Jahrhundert festhalten: die Christianisierung des Reiches unter christlichen (katholischen, arianischen) Kaisern bei christlich-kirchlichen Glaubensstreitigkeiten und bei einer teilweise toleranten, teilweise gemäßigten antipagane Religionspolitik, die Bürokratisierung des Reiches, der Aufstieg Konstantinopels als eine Reichshauptstadt, das Nebeneinander von meist miteinander verwandten Kaisern in der Herrschaft über das Reich, die Eindämmung von Usurpationen, die weitgehende Stabilisierung der römischen Grenzen bei Einbeziehung "barbarischer" Völkerschaften (Germanen, Goten) in römisches Reich und römische Armee (foederati, laeti, hospitalitas). Für das 5. Jahrhundert kann gelten: die Erosion römischer Herrschaft im Westteil des Reiches ("weströmisches Reich", germanische Königreiche auf römischem Boden) als Folge militärischer Niederlagen und wirtschaftlichem Niedergangs (abnehmende Bedeutung der Städte, Rolle der gallorömischen Senatorenschicht), die Stabilisierung des Ostteils ("oströmisches Reich") auch auf wirtschaftlicher und kultureller Basis (Bedeutung des Städtewesens, hellenistische Traditionen). Die Teilung des römischen Reichs in eine lateinische West- und eine griechische Osthälfte kann so unabhängig von äußeren Bedrohungen und militärischen Gegebenheiten auch als ein allmähliches (die Spätantike durchziehendes) Auseinandertreten von West und Ost im ökonomischen und kulturell-geistigen Bereich interpretiert werden (nach: König, Spätantike).
Zur Spätantike s.: König, Ingemar (2007), Die Spätantike (= Geschichte kompakt), Darmstadt 2007 > K König, Spätantike; Pfeilschifter, Rene, Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher (= C.H. Beck Geschichte der Antike, Bd.6 = BSR 6156), München 2014, 304 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, Karten, € 16,95 > G (C.H. Beck) Geschichte der Antike. > S Spätantike [Buhlmann, 1999, 09.2018, 04.2022]

Römische Kunst: Einen umfangreichen Überblick über die römische Kunst von den Anfängen bis zur Spätantike bietet unter besonderer Berücksichtigung der Stadt Rom und der römischen Architektur Wohlmayr, Wolfgang (2011), Die römische Kunst. Ein Handbuch (= Besondere Wissenschaftliche Reihe 2011), Darmstadt 2011, 400 S., zahlreiche Abbildungen, ca. € 15,-. Schollmeyer, Patrick (2005), Römische Plastik. Eine Einführung, Darmstadt 2005, 160 S., zahlreiche Abbildungen, € 5,-, beschäftigt sich mit Porträts (Statuen [Augustus, Claudius, Holconius Rufus, Tetrarchen, Konstantin der Große], Reiterstatuen [Mark Aurel], Büsten [sog. Brutus, Pompejus, Augustus, Nero, Vespasian, Trajan, Hadrian, Philippus Arabs; Plotina, Faustina, Julia Mamea]), Reliefs (Staatsreliefs [Ara Pacis, Trajanssäule, Konstantinsbogen], Idealplastik, dekorative Reliefs, Sarkophage und Grabstatuen [Balbinussarkophag]) innerhalb von Raumkonzeptionen (Tempel und Heiligtümer, Forum, Thermen, Bibliotheken, Nymphäen, monumentale Grabanlagen, domus, villa, Palast) in ihrer zeitlichen (Königszeit, Republik, Kaiserzeit, Spätantike) und geografischen Verteilung (Rom, Italien, Provinzen) und im Umfeld des antiken Kunstbetriebs (Materialbeschaffung [Marmor, Bronze, Edelmetalle, Terrakotta], Herstellung [Techniken, farbige Gestaltung], Typen [Formate], Künstler und Auftraggeber, Kunsthandel und -raub). Nach Schollmeyer, Patrick (2008), Römische Tempel. Kult und Architektur im Imperium Romanum, Darmstadt 2008, 192 S., zahlreiche Farbabbildungen, € 5,-, entsprachen römische Tempel italisch-etruskischen Formen (Prostylos mit cellae und alae), später auch griechischen Architekturvorstellungen (Peripteros, Pseudoperipteros, Peripteros sine postico, Prostylos [Rechtecktempel]; Monopteros, Tholos [Rundtempel]; Terassenheiligtum); daneben gab es Sonderformen in den Provinzen des römischen Reiches wie den gallorömischen Umgangstempel. Die Tempel waren reich ornamentiert, skulpturiert (Kapitelle [ionisch, korintisch, dorisch, Kompositkapitell], Basen [attisch, ephesisch, samisch], Friese, Akrotere u.a.; Kultbilder [thronende Götter]) und farbig ausgemalt, wurden im Auftrag der römischen Republik, der Kaiser oder von Privatleuten (auf Grund besonderer Anlässe) erbaut oder wiederhergestellt (Architekten, Bauplanung, Baumaterialien [Mauerung], Tempelerrichtung) und geweiht. Im Bereich der Stadt Rom folgten auf vorgeschichtliche Heiligtümer die Tempel der Königszeit (6. Jahrhundert v.Chr.; Tempel am Nordrand des Forum Boarium; Kapitol mit Jupitertempel), der frühen römischen Republik (5.-3. Jahrhundert v.Chr.; Saturntempel, Dioskurentempel auf dem Forum Romanum, Largo Argentina mit vier Tempeln) und der mittleren und späten römischen Republik (2.-1. Jahrhundert v.Chr.; Porticus Metelli, Portunustempel, Tiberrundtempel, Theater des Pompejus). In das augusteische Zeitalter Roms gehören Tempelanlagen u.a. auf dem Forum Romanum, dem Marsfeld oder dem Forum Iulium (Tempel des Saturn, der Vesta, des Apollo [Sosianus, Palatinus], der Concordia, des Mars Ultor), in die römische Kaiserzeit weitere Tempel, z.B. das Pantheon oder die Heiligtümer auf den Kaiserforen, dem Marsfeld und dem Forum Romanum (Hadrianeum, Tempel des Vespasian, der Faustina und des Antoninus Pius). Im Zuge der orientalischen "Erlösungsreligionen" verbreiteten sich Mithräen in Rom. In Italien und in den Provinzen des Imperium Romanum wurden spätestens in der Kaiserzeit römische Tempeltypen vielfach verbindlich, im Westen des Reiches beherrschend (Tempel in Tivoli, Pompeji, Brescia; Tempel in Alcántara, Ankara, Ephesus, Évora, Nímes, Pergamon, Philae, Pula, Soda, Sufetula, Thugga; orientalische Kultbauten [Baalbek, Palmyra]). Die Christianisierung des römischen Reiches in der Spätantike brachte dann das Ende des antiken Heidentums und der römischen Tempel (christliche Kirchen [Johannesbasilika in Ephesos], Zerstörungen und Umwidmung von heidnischen Tempeln). [Buhlmann, 05.2011, 04.2013]

Römische Rechtsgeschichte: I. Die römische Rechtsgeschichte spiegelt die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen der römischen Frühzeit (753-509 v.Chr.), der römischen Republik (509-30 v.Chr.) und der römischen Kaiserzeit (30 v.Chr.-565 n.Chr.) wider, ebenso in den überlieferten Texten, Inschriften und Geschichtsquellen, die Rechtstexte im eigentlichen Sinn, aber auch Geschichtsquellen zu Politik, Verfassung und Rechtswesen (Rechts- und Verfassungsphilosophie, Gerichtsreden, Briefe, Komödien) umfassen. II. Das römische Recht als weltliches ius einer weltlichen Ordnung ist u.a. entstanden durch Abgrenzung von der sakralen Sphäre des letztlich den Göttern zukommenden fas (sacrorum) (Sakralrecht [Sakramentseid, römische Priesterschaft]; Fas lex divina, ius lex humana est: göttliches und menschliches Recht). Zunächst Gewohnheitsrecht (Grundsätze, Normen, mores maiorum ["Sitten der Vorfahren"]), erzwangen nicht zuletzt gesellschaftliche Entwicklungen innerhalb der frühen römischen Republik (Patrizier, Plebejer) die Aufzeichnung des ius, wie dies mit dem Zwölftafelgesetz (5. Jahrhundert v.Chr., Mitte) geschah, das den damaligen Rechtszustand festschrieb. Das Zwölftafelgesetz begründete gleichsam das römische ius civile (römisches "Bürgerrecht", entstehend durch Fortbildung des römischen Rechts), dem - im Bereich des Privatrechts - ein ius gentium ("Völkerrecht"; kurz nach 3. Jahrhundert v.Chr., Mitte) für Nichtrömer gegenübergestellt wurde (Fremden-, Handelsrecht, praetor peregrinus als Richter zwischen Nichtrömern bzw. Römern und Nichtrömern). Über Gesetze der römischen Republik wurde innerhalb der römischen Volksversammlungen (zunächst comitia centuriata, dann comitia tributa) entschieden, was Gesetzesvorschläge der Konsuln bzw. des römischen Senats voraussetzte bzw. plebiscita der concilia plebis (unter Führung der Volkstribunen; Lex Hortensia 287 v.Chr.). Bestimmenden Einfluss auf die Rechtsentwicklung hatte dabei der aus Angehörigen der patrizisch-plebejischen Nobilität ("Amtsadel" auf Grundlage der Magistraturen) bestehende Senat (Senatsbeschlüsse [als Gutachten; consilium, senatus consultum (ultimum) auf der Grundlage er auctoritas (patrum)). Das römische Privatrecht wurde auf Grund der institutionellen Gegebenheiten zwischen Volksversammlungen, Magistraten und Senat nur wenig weiter entwickelt (Lex Aquilia 286 v.Chr, Lex (P)laetoria ca.200 v.Chr., Lex Falcidia 40 v.Chr.) Umso mehr spielten bei der Weiterentwicklung (neue Rechtsgedanken, neues Recht) die römischen Prätoren und deren Edikte (iuris civilis corrigendi gratia) in der Rechtsprechung (für den Einzelfall) eine Rolle (Zivilprozessverfahren [Prozessbegründung, Urteil des Prätors]); für die Marktgerichtsbarkeit waren zudem zwei kurulische Ädilen zuständig. Im Bereich des Privatrechts entstand so z.B. beim Eigentum eine rechtliche Gemengelage (altrömisches Recht [der Quiriten], altrömisches Erbrecht, prätorisches Recht; altrömisches, amtsrechtliches Prozessverfahren). III. Eine Verstetigung in der römischen Rechtsentwicklung erfolgte in der römischen Kaiserzeit. Der princeps bzw. dominus wurde zur (alleinigen) Quelle des römischen Rechts bzw. der Gesetze innerhalb des römischen Reiches als Amtsbezirk seines imperium (lex de imperio als lex rogata und Grundlage der kaiserlichen Gesetzgebung: Konstitutionen, Edikte und Dekrete des Kaisers). Der Kaiser in seiner Gesetzgebung wurde teilweise unterstützt durch den Senat (bis 5. Jahrhundert n.Chr.). Kaiserliches Recht galt sowohl in den kaiserlichen als auch letztlich (Rechtszug) in den senatorischen Provinzen des Imperium Romanum. Dabei benötigte die kaiserliche Gerichtsbarkeit eine eigene Verwaltung (consilium des princeps und die diesem angehörenden Juristen, kaiserliche Kanzlei: decreta als Rechtsbeurteilungen, responsa als Rechtsgutachten). In der Prinzipatszeit (besonders 2. Jahrhundert n.Chr.) werden einzig die constitutiones principum ("Gesetze der Kaiser") zur Quelle neuen, auf aktuelle Gegebenheiten antwortenden Rechts; so bedeutet die Constitutio Antoniniana (212 n.Chr.) mit der Verleihung des römischen Bürgerrechts an alle im römischen Reich lebende freie Bewohner eine Neuerung und Zäsur. In Fortsetzung der römisch-republikanischen Juristen (S. Aelius Paetus [Konsul 198 v.Chr.], M. Manilius [Konsul 149 v.Chr.], P. Mucius Scaevola [Konsul 133 v.Chr.], Q. Mucius Scaevola [Konsul 95 v.Chr.], C. Aquilius Gallus [Prätor 66 v.Chr.], Alfenus Varus [consul suffectus 39 v.Chr.]) entwickelten in Verbindung mit den Kaisern stehende, privilegierte Juristen in der klassischen bis spätklassischen Periode des römisches Rechts (2.-3. Jahrhundert n.Chr.) dieses weiter (Massurius Sabinus, Cassius Longinus, Iavolenus Priscus, Neratius Priscus [2. Jahrhundert n.Chr., Anfang], Salvius Iulianus, Iuventus Celsus, Gaius, Sextus Pomponius [2. Jahrhundert n.Chr.], Ulpius Marcellus, Cervidius Scaevola [2./3. Jahrhundert n.Chr.], Aemilius Papinianus, Iulius Paulus, Domitius Ulpianus [3. Jahrhundert n.Chr., 1. Drittel]). Rechtsschulen und darin gelehrte Rechtswissenschaft beförderten die Verbreitung des römischen Rechts, ebenso die umfangreichen Schriften (Sammlungen) der gelehrten Juristen (Gaius, Institutiones; Sextus Pomponius, Responsa; Aemilius Papinianus, Responsa; Iulius Paulus, Digesten; Domitius Ulpianus, Disputationes u.a.). Nach der Zeit der Soldatenkaiser (235-284) brachten die Reformen im römischen Reich eine weitere Stärkung der Stellung des Kaisers im (nachklassischen) römischen Rechtssystem (gegenüber der "freien" Rechtswissenschaft); kaiserliche An- und Verordnungen schufen nun alleinig neues Recht, das bisherige Recht als ius vetus ("altes Recht") wurde ein neues Kaiserrecht gegenübergestellt, das in den kaiserlichen Gesetzessammlungen (Kodifikationen) der Spätantike (4.-6. Jahrhundert n.Chr.) dokumentiert wurde (Codex Theodosianus 439; Tribonian, Dorotheus aus Berytos, Theophilus: justinianische Rechtkodifikationen der Digesten und Konstitutionen [533] als Corpus iuris civilis). IV. In das spätantike römischer Recht war trotz der Verwendung des klassischen Rechts auf Seiten der Kaiser immer öfter - und den politischen Unbilden des Zeitalters geschuldet - damaliges Vulgarrecht eingeflossen, ablesbar u.a. an privaten Gesetzessammlungen oder an den "Volksrechten" der ins weströmische Reich eingedrungenen "Germanenstämme". Die Rechtskodifikationen etwa Kaiser Justinians I. (527-565) waren von daher zunächst keine große Zukunft beschieden. Dies galt für die (zur Vereinfachung neigende) Rechtsentwicklung im oströmisch-byzantischen Reich und erst recht für die frühmittelalterlichen Entwicklungen im entstehenden christlichen Abendland (5./6.-10. Jahrhundert n.Chr.). Erst ab der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert gab es in Italien mit Pavia eine (lombardische) Rechtsschule von größerer (rechtswissenschaftlicher) Bedeutung; bei ihrer Sammeltätigkeit beziehen sich die Paveser Glossatoren auf die Langobardenrechte, das weströmische Vulgarrecht, aber auch auf den Codex Iustiniani, wobei das römische Recht als das damalige Rechtssystem unterstützend anerkannt wird. Den Glossatoren in Pavia, dann auch in Bologna (Irnerius [ca.1100], Azo [ca.1200]) folgten die Kommentatoren römischen Rechts (Cinus [†1336], Bartolus [†1357], Baldus [†1400]). Sie alle bereiteten den Weg zur Kenntnis des römischen Rechts (als mos Italicus) in ganz Europa, wobei das römisch-deutsche Kaisertum der Stauferherrscher im deutschen Reich verbreitend wirkte (universale Reichsidee, deutsches Reich in der Nachfolge des römischen Reiches). Im Spätmittelalter wurde (subsidiäres) römisches Recht in Deutschland rezipiert in Zusammenhang mit Aspekten von Landesherrschaft und fürstlichem Gericht (Hofgericht [Reichskammergericht]), wobei einheimisches Recht erhalten blieb (Sachsenspiegel, Schwabenspiegel). Ebenso beschäftigten sich Humanismus, frühe Neuzeit und Aufklärung mit dem römischen Recht (frühe Neuzeit: usus modernus pandectarum; Aufklärung: Naturrecht, Vernunftrecht).
Zum römischen Recht vgl.: Dulckeit, Gerhard, Schwarz, Fritz (1962), Römische Rechtsgeschichte. Ein Studienbuch (= Juristische Kurzlehrbücher), München-Berlin 31963, XIII, 294 S., DM 4,80; Römisches Privatrecht, übers. v. Erwin Scharr (1960) (= BdAW RR), Zürich-Stuttgart 1960, 1400 S., € 20,-; Römisches Recht, hg. v. Liselot Huchthausen (1975) (= BdA RR), Berlin-Weimar 1983, XLVI, 524 S., M 9,90; Stein, Peter G. (1996), Römisches Recht und Europa. Die Geschichte einer Rechtskultur (= Europäische Geschichte = Fischer Tb 60102), Frankfurt a.M. 1996, 234 S., Abbildungen, DM 19,80. [Buhlmann, 11.2018]

Römisches Privatrecht, übers. v. Erwin Scharr (1960) (= BdAW RR), Zürich-Stuttgart 1960 > R Römisches Rechtsgeschichte

Römisches Recht, hg. v. Liselot Huchthausen (1975) (= BdA RR), Berlin-Weimar 1983 > R Römisches Rechtsgeschichte

Römmelt, Stefan W., Wilhelm von Grumbach (1503-1567), Reichsritter, in: Fränkische Lebensbilder, Bd.21, hg. v.d. Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Würzburg 2006, S.71-102 Die niederadligen Grumbach waren im späten Mittelalter als fränkische Lehnsträger des Würzburger Hochstifts durchaus einflussreich; Wolfram (1332-1333) und Johann III. von Grumbach (1455-1456) waren sogar Würzburger Bischöfe. Der Reichsritter Wilhelm von Grumbach (*1503-†1567) war der Sohn Konrad von Grumbachs zu Rimpar (†1526). Er genoss wohl eine elementare adlige Erziehung, vielleicht auch am Hof des brandenburgischen Markgrafen und am Würzburger Bischofshof. Unter Bischof Konrad II. von Thüngen (1519-1540) hielt sich Wilhelm vom Würzburger Hof fern, unterstützte danach aber politisch und "in herausgehobener Position" - u.a. als Marschall - Konrads Nachfolger Konrad III. von Bibra (1540-1544). Unter Bischof Melchior Zobel (1544-1558) verlor Wilhelm seinen Einfluss im Hochstift, seinem Dienstverhältnis zum Markgrafen Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach (1541-1554) kam jetzt erhöhte Bedeutung zu, besonders als markgräflicher Statthalter (beginnende 1550er-Jahre) und im Zweiten Markgräfler Krieg gegen die Bistümer Würzburg und Bamberg sowie die Reichsstadt Nürnberg (1552/53). Die Erklärung der Reichsacht gegen Albrecht (1553) schädigte auch Wilhelm schwer (Verlust der würzburgischen Lehen- und fränkischen Eigengüter). Er schloss sich Herzog Johann Friedrich II. von Sachsen (1557-1567) an, mit dem er ein Dienstverhältnis schloss (Versuch der Erlangung der Kurwürde durch Johann Friedrich II.). Mit der wohl unbeabsichtigten Tötung des Würzburger Bischofs Melchior Zobel (1558) durch Leute Wilhelms begannen die Grumbachschen Händel, zumal der neue Würzburger Fürstbischof Friedrich von Wirsberg (1558-1573) nicht kompromissbereit war. Die Grumbachschen Händel hatten mit der Eroberung Würzburgs (1563) durch Wilhelm ihren Höhepunkt. Den Engelsvisionen des Sundhausener Bauernjungen Hans Müller zum Trotz verschlechterte sich in der Folgezeit die politische Lage von Sachsenherzog und Grumbacher (erneute Achterklärung 1566, Achtexekution 1567). Der Herzog wurde entmachtet, Wilhelm von Grumbach am 18. April 1567 auf dem Hauptmarkt von Gotha hingerichtet. Durchgesetzt hatte sich in den Grumbachschen Händeln die Fürstenmacht gegen adliges Machtstreben mit dessen Rückgriff auf das damals nicht mehr zeitgemäße Fehdewesen. Wilhelm von Grumbach warb beides: sowohl "adliger Gewalttäter" als auch "Opfer fürstlicher Gewalt", mobil, modern und anpassungsfähig (Medien, Adelnetzwerke) und zugleich "rückwärtsgewandt". [Buhlmann, 04.2015]

Rösener, Werner (1974), Reichsabtei Salem. Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des Zisterzienserklosters von der Gründung bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (= VuF, Sonderband 13), Sigmaringen 1974 > S Salem

Rösener, Werner (Hg.) (1989), Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter (= MPIG 92), Göttingen 1989 > G Grundherrschaft

Rösener, Werner (1989), Grundherrschaft im Wandel. Untersuchungen zur Entwicklung geistlicher Grundherrschaften im südwestdeutschen Raum vom 9. bis 14. Jahrhundert (= MPIG 102), Göttingen 1991 > G Grundherrschaft

Rösener, Werner (Hg.) (1995), Grundherrschaft und bäuerliche Gesellschaft im Hochmittelalter (= MPIG 115), Göttingen 1995 > G Grundherrschaft

Roeser, Volker, Rathke, Horst Gottfried (1986), St. Remigius in Nagold. Eine Grabung 1961 bis 1964 - Ergebnis und landesgeschichtliche Bedeutung; Die Geschichte der Pfarrei bis zur Reformation, Tübingen 1986, 269 S., Schwarweißabbildungen, Schwarzweißtafeln, Pläne, Karten, € 15,-. I. Nagold und das Nagolder Becken, östlich des Schwarzwaldes gelegen, zeichnen eine mindestens bis in die Hallstatt- und Latènezeit reichende Geschichte aus (keltenzeitliche Befestigung auf dem Schlossberg, Grabhügel Krautbühl). Auch römerzeitliche Funde und Fundamente (römischer Gutshof an und unter der Remigiuskirche) sind feststellbar, ebenso (um Nagold) frühmittelalterliche (alemannische) Gräberfelder. Die Nagolder Kirche St. Remigius lag (vielleicht) an einem römerzeitlichen Höhenweg, der Aquae (Baden-Baden) über den Schwarzwald (Altensteig) mit Sumelocenna (Rottenburg) verband; fest steht, dass der Nagolder Gutshof an das römische Wegesystem angebunden war. Unter der Kirche St. Remigius wurden die römischen Fundamente (einschließlich aufgehenden Mauerwerks) eines Wirtschaftsgebäudes des Gutshofes gefunden, vielleicht auch ein Teil einer Umfassungsmauer um den Gutshof. Weiter enthält das Mauerwerk der Kirche römische Spolien (römische Eckpfeiler am Triumphbogen, römischer Viergötterstein im Mauerwerk des Langhauses). Die Kirche I geht als Steinbau wohl bis zur Wende vom 6. zum 7. Jahrhundert zurück, vielleicht war ein Profanbau ein Vorgängerbau. Die Kirche des 8. Jahrhunderts war sehr wahrscheinlich eine grundherrliche Eigenkirche, ihr Innenraum war dreischiffig in Längs- und Querrichtung gegliedert, so dass ein Vorraum und ein Altarraum vermutet werden kann. Die Kirche lag inmitten eines bis zum Anfang des 8. Jahrhunderts zurückreichenden Friedhofs. Das Gotteshaus ist mit dem fränkisch-karolingischen Ausgreifen nach Alemannien (Grafschaftsverfassung) und einer verstärkten Christianisierung (Remigiuskult) in Verbindung zu bringen; ein karolingischer Graf des Nagoldgaus (770) war Gerold der Ältere (†784?), dessen Sohn Gerold der Jüngere (†799) urkundete (unter politischen Vorzeichen) in Nagold (villa Nagaltuna) für das Kloster St. Gallen (786) vor dem Hintergrund fränkisch-alemannischer Auseinanderstezungen (783/86), die (Udalrich-) Gerolde mögen sich in den Jahren 710/20 (oder 750/60) in Nagold festgesetzt haben, die Kirchengründung in der damaligen Zeit war eine karolingisch-fränkische. Die Kirche II/IIa als Nachfolger der ersten Kirche entstand - wie den Außenbestattungen und der Keramik zu entnehmen ist - im 9./10. Jahrhundert, wobei ein gegenüber Kirche I schmaleres Langhaus durch einen eingezogenen Chor mit eingezogener Apsis ergänzt wurde (Triumphbogen zwischen Langhaus und Chor; Kirche als karolingisch-ottonische Saalkirche mit eingezogenem Chor). Diese Kirche II wurde durch zwei Seitenkapellen jeweils mit Apsis nördlich und südlich des Langhauses zur Kirche IIa ergänzt, die auf die 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts datiert werden kann, also in die Zeit des Übergangs von den Gerolden bis zu den diesen in Verwandtschaft nachfolgenden schwäbisch-hunfridingischen Herzögen Burchard II. (†926) und Burchard III. (†973); im 10. Jahrhundert waren jedenfalls Nagold (villa Nagalta 881) und Nagoldgau als Amtsgut oder Familienbesitz in den Händen der schwäbischen Herzöge, Nagold besaß als Vorort (Hauptort) des Nagoldgaus eine gewisse (zentralörtliche) Bedeutung. Vielleicht durch Erbschaft gelangte Nagold in den Besitz Kaiser Ottos III. (983-1002) bzw. Kaiser Heinrichs II. (1002-1024); Letzterer schenkte Nagalta dem von ihm gegründeten Bistum Bamberg (1007). Im 12. und 13. Jahrhundert erhob das Kloster Stein am Rhein Ansprüche auf Nagold (Kirchenpatronat des Abts von Stein 1327), während im 14. Jahrhundert die Stadtherrschaft der Grafen von (Nagold-) Tübingen bzw. Hohenberg erkennbar ist. Noch im 10. Jahrhundert wurde im Zuge der Entstehung der Kirche III/IIIa ein gerade geschlossener, quadratischer Chor (Altarfundament) bei verlängertem Langhaus errichtet, die Seitenkapellen abgerissen und neu aufgeführt. Der nördlich vom Chor erbaute romanische Turm der Kirche IIIa reicht mit seinen baulichen Anfängen ins beginnende 12. Jahrhundert (Schallarkaden), die Obergeschosse des Turms waren über den Chor erreichbar (Fenster im 1. und 2., Doppelfenster im 3. Obergeschoss des Turms). Die (heutige) Kirche IV/IVa ist das Resultat baulicher Entwicklungen zunächst in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, die eine Erneuerung der Langhausmauern, das Aufführen einer Quermauer im Langhaus, die Errichtung eines Bogeneingangs zur südlichen Kapelle, den Chor mit nun polygonalem Abschluss (gotische Chorfenster) betrafen; auch wurden damals Fresken auf der südlichen Innenwand des Langhauses angebracht. Die Verkürzung des Langschiffs (nach Erdbeben [1348, 1356 o.a.]?), Einbauten gotischer Fenster (spätmittelalterliches Maßwerk) u.a. erfolgten im 14./15. Jahrhundert und damit in der Phase der Kirche IVa. II. Im frühen Mittelalter wurden Nagold und der Nagoldgau beherrscht von den Gerolden, den burchardingischen Herzögen, den Grafen von Nagold (-Tübingen), Kaiser Heinrich II., alle miteinander verwandtschaftlich verbunden. Neben den archäologischen Untersuchungen verweist das Patrozinium auf den frühmittelalterlichen Ursprung der Nagolder Remigiuskirche (Patrozinium zu 1327 erstmals belegt), die die Entstehung anderer Kirchen (Remigiuspatrozinien: Altensteig-Dorf, Gündringen u.a.; Stephanuspatrozinien; "Basiliken" des im Nagoldgau begüterten Klosters Lorsch) im Nagolder Raum beeinflusst hat. Der Abt Waldfred des Georgsklosters auf dem Hohentwiel soll gleichzeitig Graf im Nagoldgau gewesen sein (ca.970), das Nachfolgekloster Stein am Rhein über Nagolder Kirche und Zehnt verfügt haben (1005). Kloster und Nagolder Besitz gelangten 1007 an das Bistum Bamberg; Vögte des Bamberger Besitzes im deutschen Südwesten waren die Herzöge von Zähringen (11. Jahrhundert-1218), später über das Kloster Stein und dessen Besitz die Herren von (Hohen-) Klingen als Kast-, die deutschen Könige wahrscheinlich als Schutzvögte. Kirche und Pfarrei Nagold werden im Zehntverzeichnis des Bistums Konstanz erwähnt (1274/75; späteres Dekanat Herrenberg-Nagold). Im späten Mittelalter verfügte das Kloster Stein über den Nagolder Kirchenpatronat (1327); es folgte die Inkorporation der Remigiuskirche in das Kloster (1386), der Abt trat als rector ecclesie parochialis in Erscheinung (1423; Widdumgut und Pfarrpfründe, Kirchenfabrik, Anniversarienstiftungen, Präsenz; Altarpründen [Katharinen-, Marienaltar]). Neben der Nagolder Kirche verfügte das Kloster in der Pfarrei Nagold über einen Maierhof an der Kirche, über weiteren Besitz und Zehntrechte, die sich auch auf [ehemalige] Filialkirchen bezogen. Die bauliche Erweiterung der Marienkapelle in der Stadt Nagold (ca.1400; Glockenturm 1401) minderte die Stellung der Remigiuskirche als Pfarrkirche, die Marienkapelle übernahm Funktionen der Pfarrkirche, ohne dass es zu einer Verselbstständigung der Stadtkirche gekommen wäre ((Liebfrauenkapelle, Severusbruderschaft). Vor der Stadt gab es noch die Nikolauskapelle (1327), auf der Burg Hohennagold des Stadtherrn die Georgskapelle, weiter die Leonhardskapelle und andere Dorfkapellen. Unmittelbar neben der Remigiuskirche existierte im späten Mittelalter die Beginensammlung von Oberkirch (St. Remigius), erstmals erwähnt zu 1391, als Dominikanerinnenklause u.a. zu 1508. Die Reformation beendete das Bestehen der Klause. [Buhlmann, 09.2022]

Rogan, Eugene (2015), Der Untergang des Osmanischen Reiches. Der Erste Weltkrieg im Nahen Osten 1914-1920, Darmstadt 2021, 591 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 31,20. I. Das osmanische Reich unter Sultan Abdülhamid II. (1876-1909) war zum einen die Epoche der Reformbestrebungen des Tanzimat, die u.a. einherging mit der nur zeitweiligen Einrichtung eines Parlaments (osmanische Verfassung 1876, Parlament 1877-1878), zum anderen eines autokratischen Herrschaftsstils des Sultans, gegen den die jungtürkische Revolution (1908; Enver Pascha, Cemal Pascha) mit der Wiederherstellung des Parlaments und unter Unterdrückung einer Konterrevolution (1909) vorging. Nach der Absetzung Abdülhamids (1909) wurde dessen Bruder Mehmed V. Rasad (1909-1918) Sultan. Anfang und Ende der Regierung Abdülhamids waren außenpolitisch gekennzeichnet durch massive territoriale Verluste an osmanischen Gebieten im russisch-osmanischen Krieg (1877/78) (Berliner Kongress 1878 und Abtretung kaukasischer Gebiete an Russland [Armenierfrage, osmanische Reformdekrete, Massaker an Armeniern 1894/96]; britische Annexion Zyperns 1878 und Ägyptens 1882; französische Annexion Tunesiens 1881) sowie nach der jungtürkischen Revolution und Konterrevolution (Massaker von Adana 1909; italienische Eroberung Libyens 1911/12, italienische Besetzung der Dodekanes 1912), auch im Ersten Balkankrieg (1912/13) gegen Montenegro, Serbien, Griechenland und Bulgarien (Vertrag von London 1913 und weitgehender Verzicht des osmanischen Reiches auf seine Besitzungen in Europa). Im Zweiten Balkankrieg (1913) zwischen Bulgarien auf der einen und Griechenland, Montenegro, Rumänien, Serbien auf der anderen Seite gelang den Osmanen immerhin die Rückgewinnung der wichtigen Stadt Edirne. Das jungtürkische Regime hatte dabei innenpolitisch mit einer zunehmenden (auch arabischen) Opposition zu kämpfen (Forderungen nach administrativer Dezentralisierung, Auseinandersetzungen in Beirut 1913, Erster Arabischer Kongress in Paris 1913, arabischer Nationalismus). Im Vorfeld des Ersten Weltkriegs verbündeten sich das osmanische Reich und das deutsche Kaiserreich (Besuch des osmanisches Reiches durch Kaiser Wilhelm II. 1898, Bau der Bagdadbahn 1903/14, deutsche Militärmission 1913, osmanische Bündnisoptionen mit Frankreich und Großbritannien, geheimes Verteidigungsbündnis zwischen osmanischem und deutschem Reich gegen Russland 1914). Mit Beginn des Ersten Weltkriegs (1914-1918) war das osmanische Reich zunächst neutral, ungeachtet des Vorfalls um die im Mittelmeer operierenden deutschen Schiffe Goeben und Breslau (deren Flucht in türkische Gewässer und deren "Verkauf" an das osmanische Reich 1914). Deutschland drängte die Osmanen zum Kampf (deutsche Islampolitik des Freiherrn von Oppenheim, jungtürkischer Dschihad; osmanische Verhandlungen mit Russland). Deutsche Geldzahlungen an das osmanische Reich führten zu Manöver und Angriff der türkischen Flotte auf Sewastopol, so dass Russland, Großbritannien und Frankreich dem osmanischen Reich den Krieg erklärten (2./5. November 1914). II. Sultan und Osmanen erklärten mit dem Kriegseintritt des osmanischen Reiches den Dschihad aller Muslime gegen die Europäer, soweit sie nicht zum deutschen Reich oder Habsburgermonarchie Österreich-Ungarn gehörten (Ausrufung des Heiligen Krieges, 14. November 1914). Eine erweiterte Mobilmachung osmanischer Truppen schwächte dabei die Finanzkraft des Reiches, während die europäischen Mächte Frankreich und Großbritannien auf Truppen aus ihren über die ganze Welt (Weltkrieg!) verteilten Kolonien zurückgreifen konnten (hohe Verluste bei den Kolonialtruppen im Stellungskrieg auf dem europäischen Kontinent, muslimische Kolonialsoldaten und osmanischer Dschihad). Ägypten stand unter britischer Herrschaft, war aber Teil des osmanischen Reiches, so dass die Briten ägyptische Soldaten nur zögernd rekrutierten und Ägypten zu ihrem Protektorat machten (18. Dezember 1914). In Britisch-Indien sprachen sich die Muslime für Großbritannien und gegen den Dschihad aus; auch der Bey von Tunis und der König von Marokko standen auf französischer Seite, so dass sich der Propagandakrieg um den osmanischen Dschihad zu Gunsten der Kolonialmächte entwickelte. III. Das osmanische Reich sah sich bei einer Außengrenze von rund 12000 km Länge von Anfang an an allen Fronten einem Krieg ausgesetzt. Es galt zunächst russische Angriffe auf die Provinz Erzurum abzuwehren (Schlacht bei Köprüköy, Anfang November 1914), während eine britische Truppenexpedition das irakische Basra einnahm (21./23. November 1914; Feldzug gegen Al-Qurna, Dezember 1914). Weitere britische Angriffe erfolgten auf den osmanischen Jemen, Ägypten erlebte einen Zustrom britischer Soldaten. Zudem blockierte eine französisch-britische Flotte die türkische Ägäisküste (Bombardement von Gallipoli, 3. November 1914; Eastern Mediterranean Squadron; osmanischer Schutz der Dardanellen und des Bosporus), während die Südküste Kleinasiens (Kilikien) vielfach ungeschützt sich Angriffen ausgesetzt sah. Im Winter 1914/15 (19./22. Dezember-Mitte Januar) wandten sich die Osmanen unter Kriegsminister Enver Pascha gegen die eingedrungene russische Kaukasusarmee (misslungener Angriff auf Sarikamis, verlustreicher Rückzug). Auch der osmanische Angriff auf den Suezkanal scheiterte (ab 14. Januar 1915; Durchquerung des Sinai; Kämpfe am Suezkanal, 3. Februar), wenn auch unter geringen Verlusten. Schließlich erwies sich die versuchte, aber missglückte Rückeroberung Basras unter dem Kommando Süleyman Askeris als Fiasko für die osmanische Stellung in Mesopotamien (Januar-April 1915; osmanische Niederlage in der Schlacht vor Schaiba, 12./14. April). Parallel zu den erfolglosen osmanischen Offensiven lief vom Tiefwasserhafen Moudros (auf Limnos) aus der alliierte Angriff britischer und französischer Flottenkräfte auf die Dardanellen (Beginn der Marineoperation, 19. Februar 1915; Ausschaltung von türkischen Batterien, Vordringen der Kriegsschiffe in die Dardanellenmündung, erfolglose Minensuche, feindlicher Beschuss); ein Eindringen der allierten Flotte in die Dardanellen scheiterte unter Verlusten (18. März), so dass sich die Briten für eine Landungsoperation auf Gallipoli entschieden. Französische und britischen Truppen griffen denn auch Gallipoli an der Südspitze (Kap Helles) und östlich davon an (25. April); unter schweren Verlusten setzten sich die Alliierten auf Gallipoli fest bei ebenso schwerem Abwehrfeuer osmanischer Truppen u.a. unter Führung des Mustafa Kemal (Atatürk). Es entspann sich auf Gallipoli in der Folge ein Stellungskrieg, der das allierte Vordringen erschwerte bzw. unmöglich machte (Schlachten um Krithia, 28. April-4. Juni; hohe allierte und osmanische Verluste bei Angriffen auf feindliche Stellungen; Versenkung des britischen Schlachtschiffs Goliath, 13. Mai; deutsche U-Boot-Angriffe und Abzug der allierten schweren Schlachtschiffe). Innenpolitischen Irritationen in Großbritannien (u.a. um den Marineminister Winston Churchill) zum Trotz wurden weitere alliierte Truppen nach Gallipoli entsendet (3. August), wo der Stellungskrieg unvermindert anhielt (Artillerie, Minen, osmanische Scharfschützen, Leichen, Krankheiten [Verwundungen, Durchfall, Kriegszittern], Sichtweisen auf den Gegner), da allierte Offensiven (Lone Pine, Chunuk Bair, Suvla-Bucht, 1. Augusthälfte) scheiterten, die alliierten Truppen weiterhin auf drei Enklaven beschränkt blieben. Britische Rückzugspläne wurden nach dem Besuch Lord Kitcheners (13. November) in die Tat umgesetzt; der geordnete allierte Rückzug (Vorbereitungen; Rückzug aus Suvla- und ANZAC-Bucht, 9./20. Dezember; Rückzug von Kap Helles, 24. Dezember 1915/9. Januar 1916) beendete den achteinhalbmonatigen Kampf um die Dardanellen. Eine Folge der (sich abzeichnenden) alliierten Niederlage auf Gallipoli war im Übrigen der Kriegseintritt Bulgariens auf der Seite der Mittelmächte (15. Oktober); von nun an konnten über den Landweg notwendige deutsche Waffen direkt ins osmanische Reich transportiert werden. IV. Das Kriegsjahr 1915 war auch ein Jahr "ethnischer Säuberungen" im osmanischen Reich; griechisch-orthodoxe Christen wurden umgesiedelt, Muslime vom Balken gelangten ins osmanische Reich. Armenier, ansässig besonders in Istanbul, Kilikien und Ostanatolien, gerieten nach der türkischen Niederlage am Kaukasus (1914/15) zunehmend ins Visier der jungtürkischen Regierung, wobei armenische Nationalisten und Splittergruppen dem durchaus Vorschub leisteten. Deportationen von Armeniern forderten viele Menschenleben, die armenische Führungsschicht in Istanbul wurde vor dem Hintergrund der Gallipoli-Offensive verhaftet (Februar/März 1915), Pogrome gegen die Armenier und Massaker gab es in Van (März), ein "Deportationsgesetz" (26. Mai 1915) und Geheimbefehle der osmanischen Regierung erleichterten die Umsiedlung von Armeniern, mit der auch die geheim gehaltene Vernichtung der Deportierten verbunden war (osmanische Geheimorganisation Teskilât-i Mahsusa, Erschießung von Armeniern, Todesmärsche, Massaker in Anatolien). Insgesamt starben auf diese Weise geschätzt zwischen 800000 und 1500000 Armenier - ein Völkermord, der die militärische Position des Reiches keinesfalls verbessern half. Klar wird dies an der mesopotamischen Front, wo nach der osmanischen Niederlage vor Schaiba (April 1915) die Briten gegen die u.a. durch Desertion geschwächten türkischen Truppen weiter nach Nordwesten vorrückten, Amara erreichten (3. Juni), Nassirija (25. August) und Kut al-Amara (29. September) einnehmen konnten. Die osmanischen Truppen reorganisierten sich unter dem Kommando des preußischen Generalfeldmarschalls Colmar Freiherr von der Goltz neu (September), türkische Stellungen rund um den "Bogen des Chosrau" sicherten Bagdad, als die Briten Richtung Bagdad vorstießen und sich nach heftigen Kämpfen zurückziehen mussten (22./25. November); Unterstützung fanden die Osmanen auch zunehmend bei den irakischen Schiiten (sog. Banner des vierten Kalifen Ali). Auch im Jemen konnten osmanische Truppen Geländegewinne im britischen Protektorat Aden verbuchen (Februar-Juli), ein von den Osmanen initiierter Sanusiya-Dschihad betraf Libyen und Ägypten (November/Dezember) und wurde auch deutschen U-Booten unterstützt, so dass die muslimische Sanusiya-Bruderschaft weiterhin libysch-ägyptische Küstenregionen kontrollieren konnten (Schlacht bei Aqaqir, 26. Februar 1916). In Mesopotamien konzentrierten sich die Kämpfe auf Kut al-Amara, das von der türkischen Armee angegriffen bzw. belagert wurde (Dezember 1915-April 1916); ein britischer Entlastungsangriff auf Dudschalla scheiterte (8./10. März 1916) wie auch das Vordringen eines allierten Entsatzheeres auf Kut (3./17./22. April; versuchte Versorgung der Belagerten zu Luft und Wasser). Unvermeidlich war daher die Kapitulation der britischen Truppen in Kut (29. April; deren Gefangennahme und unzureichende Versorgung). Wie die misslungene Gallipoli-Invasion, so schlug auch die Kapitulation von Kut innenpolitisch in Großbritannien hohe Wellen. Parallel zu den Kriegsereignissen in Mesopotamien geriet das osmanische Reich an der Kaukasusfront gegenüber einer russischen Offensive (ab 10. Januar 1916) ins Hintertreffen; Erzurum (16. Februar), Mus, Van, Bitlis (3. März), Rize (8. März) und Trabzon (18. April) gingen verloren. V. Hinter der mesopotamischen Front organisierten Briten wie T.E. Lawrence den sog. Arabischen Aufstand gegen die Osmanen. Ziel der arabischen Nationalbewegung war die arabische Unabhängigkeit; schon vor Beginn des Ersten Weltkriegs gab es britische Kontakte zum haschemitischen Scherifen von Mekka (britisch-haschemitisches Bündnis), während sich die Beziehung zwischen Jungtürken und Arabern verschlechterten (Damaskus-Protokoll, 23. Mai 1915; arabisch-alliierte Verhandlungen [arabisches Königreich, britische Positionen im Irak, französischer Einfluss in Syrien). Im Umfeld der Annäherung zwischen Arabern und Alliierten kam es dabei zum britisch-französischen Sykes-Picot-Teilungsplan (16. Mai 1916). Der Arabische Aufstand gegen die Osmanen begann dann in den Hedschas (10. Juni 1916) und führte alsbald zur Eroberung von Dschidda (16. Juni 1916), Mekka (9. Juli) und andere Städte durch die Aufständischen. Längst nicht alle Araber - gerade in den Kernzonen des osmanischen Reiches (Syrien) - schlossen sich allerdings dem Aufstand an, da sie z.B. auf eine Erneuerung des osmanischen Herrschaft nach dem Krieg hofften. Umgekehrt konnten die Alliierten den Aufstand mit nichtmuslimischen Truppen kaum unterstützen, während die Türken unter dem Kommando Fahri Paschas eine starke Stellung um Medina einnahmen und von dort aus die Aufständischen angriffen und diese zeitweise in massive Bedrängnis brachten (Oktober-Dezember 1916). Der Arabische Aufstand rückte Syrien (mit Libanon, Palästina) in den Mittelpunkt des Geschehens, daneben auch die von den Osmanen Anfang 1915 besetzten Teile der Sinai-Halbinsel, von denen eine Bedrohung für den Suez-Kanal ausging. Der britische Eisenbahnbau zwischen El Qantara und Qatiya (März 1916) forderte bedrohliche osmanische Gegenangriffe unter dem Kommando des deutschen Oberst Friedrich Freiherr Kreß von Kressenstein heraus (Kämpfe um Qatiya, 23. April; osmanische Niederlage in der Schlacht bei Romani, 3. August), während die britische Egyptian Expeditionary Force auf Al-Arisch vorrückte (Einnahme der Stadt, 21. Dezember; Kämpfe bei Magdhaba) und auch Rafah einnehmen konnte (9. Januar 1917), womit die Rückeroberung des Sinai abgeschlossen war (osmanische Verteidigungslinie zwischen Gaza und Beerscheba). Auch in Mesopotamien gerieten die Osmanen nach der Einnahme von Kut (29. April 1916) in die Defensive, zumal deren Truppen im Norden durch russische Streitkräfte in Persien bedroht wurden (osmanische Gegenvorstöße, osmanische Eroberung der persischen Städte Kermanschah [1. Juli] und Hamdan [10. August]). In Mesopotamien sollte die britische Armee nach ausgedehnten Vorbereitungen auf Kut vorrücken (13. Dezember 1916), das nach langwierigen Kämpfen erobert werden konnte (23. Februar 1917). Der osmanische Rückzug und Vorstöße der britischen Mesopotamian Expeditionary Force führten unter General Stanley Maude zur Aufgabe von Bagdad, das in britische Hände überging (11. März; britische "Befreiung" Bagdads). VI. Der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten von Amerika gegen die Mittelmächte und das osmanische Reich (2. April 1917) und die dadurch stattfindende Entlastung britischer Truppen an der europäischen Westfront ließ eine britische Offensive in Palästina und Mesopotamien machbar werden. Indes scheiterte die Eroberung von Gaza (26./27. März 1917; verlustreicher britischer Abzug), während nun auch die alliierte Eroberung von Jerusalem ins Blickfeld geriet. Doch wurde auch der zweite Angriff auf Gaza abgewehrt (17./19. April; britischer Einsatz von Giftgas und Tanks), General Murray durch General Edmund Allenby abgelöst. In den Hedschas war die osmanische Herrschaft weitgehend auf Medina beschränkt (arabische Einnahme von Al-Wadschh, 23. Januar 1917; Unterbrechung der Hedschasbahn, März; Aufbau einer regulären arabischen Armee), das wichtige Akaba konnte von den aufständischen Arabern eingenommen werden (osmanische Kapitulation, 6. Juli; "Lawrence von Arabien"). Im Sommer 1917 kam es zu einer Reorganisation der türkischen Kräfte im syrisch-mesopotamischen Raum; die Briten bereiteten den dritten Angriff auf die osmanische Verteidungslinie um Gaza vor. Dieser begann mit der schnellen Eroberung Beershebas (31. Oktober), der (Schein-) Angriffe auf Gaza folgten und der Durchbruch britischer Truppen durch die türkischen Stellungen zwischen Gaza und Beersheba (6./7. November), verbunden mit dem alliierten Einrücken in das evakuierte Gaza (7. November). Es folgten die Besetzung von Ramla und Lod (15. November), der Vorstoß nach Jaffa (17. November) und die Kapitulation Jerusalems (9. Dezember; feierlicher britischer Einzug in Jerusalem, 11. Dezember). Parallel dazu verkündete die britische Regierung die für die weitere Geschichte Palästinas so folgenreiche Balfour-Deklaration (2. November 1917). Das Kriegsjahr 1917 hatte der osmanischen Regierung gezeigt, das es nun um die Existenz des Reiches ging. VII. Das Kriegsjahr 1918 stand zunächst im Zeichen der russischen Oktoberrevolution (7. November 1917) und des Friedens von Brest-Litowsk (3. März 1918) bei Rücknahme der russischen Eroberungen auf osmanischen Gebiet (türkische Besetzung Trabzons [24. Februar] und Erzurums [24. März]; osmanische Annexion der drei 1878 verloren gegangengen osmanischen Provinzen am Kaukasus, 11. August 1918; osmanischer, deutscher, britischer Vorstoß nach Baku, osmanisch-aserbaidschanischer Bündnisvertrag [4. Juni] und osmanische Besetzung Bakus [15. September]). Im syrischen Raum verstärkte sich der arabische Druck auf die noch verbliebenen osmanischen Kräfte trotz eventueller politischer Irritationen zwischen den aufständischem Scherifen und der britischen Regierung. Es gelang den Arabern, Tafila zu besetzen (15. Januar 1918; osmanische Rückeroberung, 3. März; arabische Rückeroberung, 18. März). In Palästina rückten britisch-arabische Truppenverbände weiter vor (Besetzung Jerichos, 21. Februar; missglückter arabischer Vorstoß auf Maan, März; britische Einnahme von Salt, missglückter britischer Vorstoß auf Amman, 27./30. März; britischer Rückzug aus Transjordanien; Kämpfe um Maan, 13./17. April). Das zeitweise deutsche Vorrücken an der europäischen Westfront ließ auch die britische Offensive (als "aktive Defensive") in Palästina ins Stocken geraten (Abwehr britischer Angriffe auf Salt und Schunat Nimrim durch osmanisch-deutsche Verbände, 30. April-4. Mai; osmanische Propagierung des Sykes-Picot-Teilungsplan, Meinungsumschwung bei der arabischen Bevölkerung). Indem der türkische Kriegsminister Enver Pascha osmanische Truppen im Sommer 1918 im Kaukasusgebiet band, gelang es den Briten unter dem Kommanduer Allenby, ihre Eroberungen in Palästina und Mesopotamien fortzusetzen. Bei Jaffa gelang der Vormarsch ins nördliche Palästina (19. September; Eroberung Nazareths, 21. September; Besetzung Akkos und Haifas, 23. September) bei vollständiger Ausschaltung der dortigen osmanischen Armeen. Salt und Amman in Transjordanien fielen ebenfalls an die Briten (23./25. September). Es folgten Daraa (26./27. September) und das wichtige Damaskus (30. September/1. Oktober), wobei die Franzosen darauf achteten, gemäß dem Sykes-Picot-Abkommen in Syrien berücksichtigt zu werden. Bulgarien kapitulierte am 30. September 1918; nun fehlten die deutschen Waffenlieferungen an das osmanische Reich. Die Eroberung Aleppos (26. Oktober) beendete dann die osmanische Präsenz in Syrien. Schon zuvor (8. Oktober) hatte es in Istanbul einen Regierungswechsel gegeben; die neue Regierung unter Ahmet Izzet Pascha bemühte sich, mit den Alliierten einen Waffenstillstand abzuschließen, was auch am 30. Oktober 1918 auf dem Kriegsschiff Agamemnon gelang. Diese vollständige Kapitulation des osmanischen Reiches beendete den Ersten Weltkrieg im Nahen Osten am 31. Oktober um 12 Uhr mittags. VIII. Es folgte der endgültige Untergang des osmanischen Reiches. Deutsche Truppen kehrten unter Führung des Generals Otto Liman von Sanders nach Deutschland zurück; das osmanische Triumvirat Mehmet Talât, Ismail Enver und Ahmet Cemal, das so lange die osmanische Kriegspolitik bestimmt hatte, erhielt in Deutschland politisches Asyl. Truppen der Entente besetzten Istanbul und den Sultanspalast (13. November 1918); der Völkermord an den Armeniern wurde von den Alliierten ausdrücklich gebrandmarkt, Schuldige u.a. zum Tode verurteilt (Berliner Attentate auf Schuldige 1920/21; Erschießung von Cemal Pascha 1922; Tod des Enver Pascha im Gefecht 1922). Daneben formierte sich ein türkischer Nationalstaat (Kongresse der Türkischen Nationalbewegung in Erzurum und Sivas, Juli/September 1919; "Nationalpakt" von Ankara, Januar 1920; Mustafa Kemal; Sultan Mehmed VI. Vahdettin [1918-1922], die Hohe Pforte und die alliierten Siegermächte). Der Friedensvertrag von Sèvres (10. August 1920) löste dann das osmanische Reich bis hin nach Anatolien in seine Bestandteile auf, nachdem die Siegermächte die arabischen und ehemals osmanischen Länder (Irak, Libanon, Palästina, Syrien) unter sich aufgeteilt hatten. Gegen die Aufteilung Kleinasiens wehrten sich indes die Türken erfolgreich, so dass mit dem Vertrag von Lausanne (24. Juli 1923) die Türkei in den heutigen Grenzen entstand. [Buhlmann, 02.2022]

Rogl, Hans Wolfgang (1983), Abseits der großen Strecken. Nebenbahnen in der Bundesrepublik Deutschland 1950-1982, Düsseldorf 1983 > E Eisenbahn(en) in Mitteleuropa

Roitner, Ingrid (2005), Das Admonter Frauenkloster im zwölften Jahrhundert: ein Musterkloster des Ordo Hirsaugiensis, in: SMGB 116 (2005), S.199-289 > A Admont

Rolandslied, mittelalterliches Versepos: I. Im Jahr 778 unternahm der fränkische König Karl der Große (768-814) einen Feldzug gegen die "Sarazenen" in Nordspanien. Die geplante Einnahme von Saragossa gelang indes nicht. Der Feldzug wurde abgebrochen, auf dem Rückzug Pamplona zerstört. Die Nachhut des fränkischen Heeres mit dem Tross geriet daraufhin bei Roncesvalles in einen Hinterhalt und wurde durch baskische Krieger vernichtet. II. In den nachfolgenden Jahrhunderten des Mittelalters bildete sich die fränkische Niederlage bei Roncesvalles eine Kriegerlegende aus, in deren Mittelpunkt der (angebliche?) Befehlshaber der Nachhut, Roland, steht. Als französiches Versepos wurde im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts das Chanson de Roland ("Rolandslied") verfasst, ein chansons de geste, das vom durch eine Intrige verursachten Kampf Rolands und seiner fränkischen Krieger gegen die Heiden erzählt, weiter vom Eingreifen Karls des Großen, der die Heiden besiegt und nach einer weiteren siegreichen Schlacht Saragossa einnehmen kann. Das französische Chanson de Roland war u.a. Vorlage für das Rolandslied des Pfaffen Konrad aus der Zeit um 1170 und weitere (anderssprachige) Versionen. Im Übergang vom Mittelalter zu frühen Neuzeit entstanden die Versromane Orlando innamorato von Matteo Maria Boiardo (1476) und Orlando furioso von Ludovico Ariosto (n.1505).
Zum deutschen Rolandslied s.: Das Rolandslied des Pfaffen Konrad. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg. v. Dieter Kartschoke (1993) (= RUB 2745), Stuttgart 1993, 821 S., DM 32,-. [Buhlmann, 06.2019]

Rolf, Anita (Red.) (1982), Burgen und Schlösser in Deutschland, Ostfildern 1982, 288 S., Farbfotos, Pläne, Karten, DM N.N. Es werden besprochen: (Schloss) Ahrensburg, (Residenzschloss) Arolsen, (Schloss) Augustusburg (Brühl), (Schloss) Bentheim, (Burg) Bergwartstein (Erlenbach), (Schloss) Broich (Mülheim a.d. Ruhr), (Schloss) Bruchsal, (Residenzschloss) Bückeburg, (Schloss) Büdingen, (Burg) Burghausen, (Schloss) Celle, (Jagdchloss) Clemenswerth (Sögel), (Veste) Coburg, (Residenzschloss) Detmold, (Grafenschloss) Dietz, (Schloss) Dornum, (Wasserschloss) Dyck, (Schloss) Ellingen, (Burg) Eltz, (Großherzogliches Schloss) Eutin, (Burg) Falkenberg, (Schloss) Fasanerie (Fulda), (Schloss) Favorite (Rastatt), (Schloss) Glücksburg, (Schloss) Gottorf (Schleswig), (Klosterburg) Großcomburg (Schwäbisch Hall), (Schloss) Hämelschenburg (Emmerthal), (Burg) Hohenzollern (Hechingen), (Schloss) Iburg, (Neues Schloss) Ingolstadt, (Schloss) Jever, Kirchenburg (Ostheim), (Schloss) Johannisburg (Aschaffenburg), (Schloss) Lembeck (Dorsten), (Burg) Lichtenberg (Oberstenfeld), (Schloss) Ludwigsburg, (Landgrafenschloss) Marburg, (Festung) Marienberg (Würzburg), Marksburg (Braubach), (Altes Schloss) Meersburg, (Schloss) Neuschwanstein (Schwangau), (Kaiserburg) Nürnberg, (Schloss) Nymphenburg (München), (Schloss) Oldenburg, Pfalzgrafenstein/Gutenfels (Kaub), Plassenburg (Kulmbach), (Schloss) Prunn (Riedenburg), (Schloss) Raesfeld, (Schloss) Rheydt (Mönchengladbach), (Festung) Rosenberg (Kronach), (Schloss) Schleißheim, (Burgenstadt) Schlitz, (Schloss) Schwetzingen, (Oberes, unteres Schloss) Siegen, (Hohenzollernschloss) Sigmaringen, Spandau(er Zitadelle), (Schloss) Stolzenfels (Koblenz), Trendelburg, (Kurfürstlicher Palast) Trier, (Burg) Veldenstein (Neuhaus a.d. Pegnitz), (Burg) Vischering (Lüdinghausen), (Schloss) Weilburg, (Schloss) Wewelsburg, (Schloss) Wilhelmsthal (Kassel), (Schloss) Wolfegg, (Schloss) Wolfenbüttel, (Schloss) Würth, (Schloss) Zwingenberg. [Buhlmann, 10.2021]

Rolf, Anita (Hg.) (1985), Schwarzwald-Romantik. Vom Zauber einer deutschen Landschaft, Niedernhausen 1985 > S Schwarzwald

Roloff, Jürgen (2000), Jesus (= BSR 2142), München 2000 > J Jesus Christus

Rom: Kunstgeschichte: In König, Ingemar (2009), Caput mundi. Rom - Weltstadt der Antike (= Besondere Wissenschaftliche Reihe 2009), Darmstadt 2009, 144 S., zahlreiche Abbildungen in Farbe, ca. € 15,-, erschließen sich dem Leser in einem virtuellen Spaziergang durch die 14 Regionen und über die sieben Hügel des kaiserzeitlichen Rom die Sehenswürdigkeiten der Stadt: Tempel (auf dem Kapitol, Largo Argentina, Forum Romanum, Forum Boarium, Ara pacis und Horologium Augusti, Pantheon), Foren (Forum Romanum mit dem Lapis niger, Kaiserforen) und Märkte, Paläste (der Kaiser, Domus aureus), öffentliche Gebäude und Basiliken (Curia Iulia, Maxentiusbasilika), insulae, Villen und Gärten (Villa des Maecenas), Theater und Arenen (Theater des Pompejus und des Marcellus, Amphitheater, Circus maximus), Straßen, Brücken und Plätze (Via sacra, Via lata, Via Appia, Ponte Fabricio, Pons Aemilius), Hafen, Aquädukte, Thermenanlagen und Kanäle (Trajans-, Caracalla-, Diokletiansthermen, Cloaca maxima), Stadtmauern und -tore (servianische und aurelianische Stadtmauer), Triumphbögen (der Kaiser Titus, Septimius Severus und Konstantin), Denkmäler (Koloss Kaiser Neros, Säulen der Kaiser Trajan und Marc Aurel, Obelisken, Janusbogen), Friedhöfe und Grabmäler (Scipionengrab, Grabmal der Caecilia Metella, Cestius-Pyramide, Grabmal des Bäckers Eurysaces, Mausoleen der Kaiser Augustus und Hadrian, Columbarien, Ager Vaticanus). Mit dem Forum Romanum und dem westlich daran anschließenden Palatin beschäftigt sich: Lugli, Giuseppe (1964), Forum Romanum. Palatin, Rom 1964, 181 S., Pläne und Schwarzweißabbildungen, (L 700,-), mit dem Friedensaltar des Kaisers Augustus (30 v.Chr.-14 n.Chr.): Moretti, Giuseppe (1962), Die Ara Pacis Augustae (= Führer durch die Museen, Galerien und Denkmäler Italiens, Nr.67), Rom 1962, 48 S., Schwarzweißabbildungen, (L 350,-), mit der Rom vorgelagerten Hafenstadt Ostia: Calza, G., Becatti, G. (1963), Ostia (= Führer durch die Museen, Galerien und Denkmäler Italiens, Nr.1), Rom 31963, 134 S., Pläne, Schwarzweißabbildungen, (L 600,-). Allgemein sind an Kunst- und Reiseführern zu Rom zu nennen: Bloss, Hans, Dippel, Paul Gerhardt (1981), Rom. Besichtigungsvorschläge, Kunst- und Kulturgeschichte, Ausflüge in die Albaner Berge, Sabiner Berge und nach Ostia (= Goldstadt-Reiseführer, Bd.2026), Pforzheim 1981, 219 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, Pläne, DM 12,80; Bonechi, Edoardo (1978), Rom. Kompletter Führer zur Stadtbesichtigung, Florenz 1978, 160 S., Farbabbildungen, Karte, L N.N.; Fischer, Heinz-Joachim (1986), Rom. Zweieinhalb Jahrtausende Geschichte, Kunst und Kultur der Ewigen Stadt (= DuMont Kunstreiseführer), Köln 31999, 448 S., Schwarzweißabbildungen, Farbfotos, Karten, Pläne, DM 20,-; Stützer, Herbert Alexander (1979), Das antike Rom (= DuMont Kunst-Reiseführer), Köln 71987, 383 S., Farbabbildungen, Karten, DM 16,99. Diese Kunst- und Reiseführer bilden die ganze Kunstgeschichte der "ewigen Stadt" ab: Antike als Zeit der römischen Republik und des Imperium Romanum der römischen Kaiser einschließlich des frühchristlichen Roms (10. Jahrhundert v.Chr.-5./6. Jahrhundert n.Chr.), Mittelalter als Zeit der römischen Päpste und der römisch-deutschen Kaiser (6.-15./16. Jahrhundert), frühe Neuzeit als Zeit des Humanismus, der Renaissance und des Barock (15./16.-18. Jahrhundert), Moderne (19.-21. Jahrhundert). [Buhlmann, 03.1996, 03.2011, 11.2014, 03.2020, 03.2023]

Romains, Jules u.a. ([1973]), Alexander der Große. Das Genie und seine Welt, Wiesbaden [1973] > A Alexander der Große

Romanik, europäische Kunstepoche: Romanik ist eine europäische Kunst- und Architekturrichtung des Mittelalters, mit dem Vorlauf der karolingischen (ca.750-950) und ottonischen Kunst (919-1024) zeitlich unterteilbar in Frühromanik (1024-1080), Hochromanik (1080-1190) und Spätromanik (1190-1235) (Mitteleuropa). Zur romanischen Architektur gehören massive Wände und Deckengewölbe aus Stein, Säulen mit Würfelkapitellen, bei Gotteshäusern die Dreischiffigkeit des Langhauses (Basilika), die Joche des Langschiffs, Obergadenfenster, rundbogige Fenster und Türen, Mehrturmanlagen; die Grundrisse der romanischen Bauten basieren auf den geometrischen Formen von Rechtecken (Lang-, Querhaus), Quadraten (Vierung, Türme) und Halbkreisen (Apsiden); Kirchen waren überwiegend Longitudinalbauten, es gab aber auch Zentralbauten. Romanik äußerte sich ebenfalls in Skulptur und Plastik (Kirchentympana, freistehende Großplastiken) sowie in der Buch- und Wandmalerei. Zur Romanik s.: Lasarte, Joan Ainaud de ([o.J.]), Museo de Cataluna: "Arte Romanico", Madrid-Mexiko-Buenos Aires-Caracas o.J., 131 S., Bildtafeln, ESP N.N. (zur romanischen Wandmalerei und Kunst in Katalonien). [Buhlmann, 12.2022]

Romm, James (2011), Der Geist auf dem Thron. Der Tod Alexanders des Großen und der mörderische Kampf um sein Erbe, München 2016, 352 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 26,95. I. Der Tod des Makedonenkönigs Alexander (III.) des Großen (336-323 v.Chr.), des Eroberers des Perserreichs, durch Krankheit (oder Gift?) am 10. Juni 323 v.Chr. in Babylon bedeutete Untergang und Zergliederung seines Reiches durch die Kämpfe um die Herrschaft, die von Alexanders ranghohen Offizieren und/oder Leibwächtern mit ihren Heeren in Asien, Afrika und Europa ausgefochten wurden. Alexander fungierte dabei als "Geist auf dem Thron" und als Folie, vor der die Kämpfe um die Herrschaft und die Rolle der makedonischen Königsdynastie der Argeaden stattfanden. Das Reich Alexanders [oder dessen Fiktion] ging dabei in einer ersten Etappe bis zum Jahr 316 v.Chr. unter; weitere Kriege sollten folgen, so dass der Kampf um die Macht über 25 Jahre anhielt. Letztendlich entstand an der Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v.Chr. das hellenistische Staatensystems Griechenlands, Vorderasiens und Nordafrikas. II. Zwischen 323 und 316/08 v.Chr. sind dann folgende politisch-kriegerische Ereignisse und Entwicklungen auszumachen: 323 Tod Alexanders des Großen in Babylon, dortige Konferenz von Alexanders Leibwächtern/Gefährten/Offizieren/Feldherren (mit dem "Geist auf dem Thron"), Herrschaftsverteilung an Perdikkas (Regentschaft über die Könige Philipp III. Arrhidaios und Alexander IV.), Ptolemaios (Ägypten), Peithon (Baktrien), Eumenes von Kardia (Kappadokien), Antigonos der Einäugige (Phrygien), Leonnatos (Kleinphrygien), Lysimachos (Thrakien), Antipater (schon bestehende Statthalterschaft in Makedonien), Krateros (Leitung des Zugs der entlassenen Veteranen nach Makedonien); 323/22 Antigonos in Phrygien, Krateros in Kilikien, Aufstand in Baktrien, Ptolemaios in Ägypten (Ausschaltung des Kleomenes, Söldnerführer Thibron und Kyrene); 323/22 Unruhe in Athen (Phokion, Demosthenes, Aristoteles, Hypereides), Harpalos-Affäre, Verbanntendekret Alexanders des Großen, Erhebung der Athener, Hellenischer [Lamischer] Krieg (Einschluss des makedonischen Heeres unter Antipater in Lamia, Entsatz durch Leonnatos, athenische Niederlage, Oligarchie in Athen, Selbstmord des Demosthenes); 322 Kleopatra, die Schwester Alexanders des Großen, in Sardis, Ermordung der Kynane durch Alketas, Heirat der Kynanetochter Adea mit König Philipp III., Bündnis des Antipater, Antigonos und Krateros gegen Perdikkas; 321 Entführung von Alexanders Leichnam nach Ägypten (Memphis) durch Ptolemaios, Feldzug des Perdikkas gegen Ägypten, Sieg des Eumenes über Krateros und Neoptolemos in Nordanatolien, Schlachtentod des Krateros, Perdikkas' Niederlage und Ermordung, Antipater in Asien, Konferenz von Triparadeisos und Neuverteilung der Aufgaben (Antigonos als Vormund der Könige, Antigenes und die Silberschilde [Veteranen Alexanders], Ächtung des Eumenes); 320 Besetzung von Syrien und Palästina durch Ptolemaios, Eumenes in der Defensive; 320/19 Antipaters Rückkehr mit den Königen nach Makedonien; 319 Niederlage des Eumenes gegen Antigonos bei Orkynia, Flucht des Eumenes in die Bergfestung Nora, Demades und Phokion in Athen, Tod Antipaters, dessen Nachfolger Polyperchon, Antipaters Sohn Kassander gegen Polyperchon, Tod des Alketas, Polyperchon und Olympias, die Mutter Alexanders des Großen; 319/18 Eumenes belagert in Nora, Antigonos' Angebot an Eumenes und dessen Abzug aus Nora, Bündnis zwischen Polyperchon und Eumenes gegen Kassander und Antigonos; 318 Antigenes, Teutamos und die Silberschilde als Kerntruppe des Eumenes, Polyperchons Begünstigung demokratischer Regierungen in Griechenland, demokratischer Umsturz in Athen durch Hagnonides, Hinrichtung des Phokion, Polyperchons Feldzug auf der Peleponnes (misslungene Belagerung von Megalopolis), Eumenes in Phönizien, Kassander in Vorteil, Niederlage der Flotte des Kleitos am Hellespont gegen Nikanor und Abzug von Polyperchons Sohn Alexander aus Athen, Verhandlungen der Athener mit Kassander, wiederum Oligarchie in Athen, Überlaufen der Truppen König Philipps III. und Adeas zu Olympias und Polyperchon, Olympias' Regime in Makedonien, Ermordung Philipps III., erzwungener Selbstmord der Königin Adea; 318/17 Zug des Eumenes durch Babylonien in die Susiana, Bündnis mit Peukestas und den Befehlshabern der östlichen Satrapien; 317 Niederlage des Antigonos am Fluss Koprates, erfolgreiches Eindringen Kassanders nach Makedonien, Belagerung der Olympias und ihres Enkels Alexander IV. in Pydna durch Kassander, unentschiedene Schlacht von Paraitakene zwischen Eumenes und Antigonos; 316 Schlacht von Gabiene zwischen Eumenes und Antigonos, Rebellion der Silberschilde gegen Eumenes, Auslieferung des Eumenes an Antigonos, Hinrichtung des Eumenes, Kapitulation und Ermordung der Olympias, 316/11/10 König Alexander IV. und dessen Mutter Roxane als Gefangene in Amphipolis, Ermordung der beiden auf Befehl Kassanders, Zerwürfnisse zwischen Kassander und Antigonos; 309/08 Versuch eines Feldzugs Polyperchons gegen Kassander zur Rückgewinnung Makedoniens (Ermordung des Herakles, des illegitimen Sohns Alexanders des Großen, Polyperchon in Diensten Kassanders); 308 Anbahnung einer Ehe zwischen Kleopatra und Ptolemaios, Ermordung der Kleopatra durch Antigonos (Kleopatra als letzte Angehörige der argeadischen Königsfamilie). [Buhlmann, 12.2016]

Rose, Anne (2001), Filippo Beroaldo der Ältere und sein Beitrag zur Properz-Überlieferung (= BzA 156), Leipzig 2001, 474 S., € 6,90. Der Humanist Filippo Beroaldo der Ältere (*1453-†1505), aus Bologneser Adel stammend, studierte klassische Studien in Bologna, war Lehrer in Bologna (1472-1475), Parma (1475-1476), Paris (1476-1479) und kehrte über Mailand nach Bologna zurück, wo er politisch in der Umgebung des Herrschers Giovanni II. Bentivoglio zu finden war (Mitglied einer Gesandtschaft an Papst Alexander VI. 1492 u.a.) und an der Universität als Professor im Bereich von Rhetorik und Dichtkunst lehrte. Beroaldos Vorleseungen erfreuen sich bei den Studenten großer Beliebtheit, Ausfluss seiner Lehrtätigkeit war seine daraus erwachsende philologische Methode, waren die Kommentare und Ausgaben zu lateinisch-antiken Schriftstellern sowie weitere literarisch-humanistische Werke wie Symbola Pythagorae, De felicitate, Carmina pia et religiosa. Beroaldo war als Herausgeber seiner in Bologna gedruckten Kommentare dabei auch wirtschaftlich erfolgreich (Universität und Studenten als Markt). Auch nach seinem Tod wurden seine Werke, besonders auch in Frankreich, rezipiert. Im Zusammenhang mit der mittelalterlich-frühneuzeitlichen Überlieferung der elegischen Werke des römischen Dichters Properz (*47 v.Chr.-†ca.15 v.Chr.) erweist sich Beroaldos 1487 gedruckte kommentierte Ausgabe als wichtig. Sie gehört zu den 15 Properz-Inkunabeln des ausgehenden 15. Jahrhunderts und beeinflusste Drucke und Handschriften, wie sie umgekehrt z.B. die Properz-Ausgaben der Humanisten Giovanni Calphurnius und Delio Volsco verarbeitete. > Lateinische Literatur > B Beroaldo der Ältere, Filippo [Buhlmann, 10.2011]

Rose, Romani (Hg.) (1995), Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, Heidelberg 1995, 189 S., Schwarzweißfotos, Dokumente, Karte, DM 24,80. Sinti und Roma sind seit dem 14. Jahrhundert im mitteleuropäisch-deutschen Sprachraum nachweisbar, vielfältig vernetzt über Arbeit und Beruf, Heimat und Alltag mit dem Rest der Bevölkerung. Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft über Deutschland (1933-1945) führte hier zu gesellschaftlicher Ausgrenzung und zunehmender Entrechtung der Sinti und Roma ("Nürnberger Gesetze" 1935, Sonderbestimmungen und Durchführungsverordnungen, nationalsozialistische Hetze und "Rassehygienische Forschungsstelle", kommunale Konzentrationslager [ab 1936], Zwangsarbeit, Kennzeichnungsmaßnahmen). Dem Weg in die "Endlösung der Zigeunerfrage", propagiert u.a. ab 1938, folgten "Festschreibungserlaß" (1939) und "Maideportation", schließlich die physische Vernichtung der Sinti und Roma im vom Nationalsozialismus beherrschten Europa durch Massenerschießungen (1941/42) und in Konzentrations- und Vernichtungslagern (Deportationen [auch von Kindern], "Auschwitz-Erlaß" 1942, "Zigeuner-Lager" Auschwitz-Birkenau; medizinische Experimente, "Vernichtung durch Arbeit"). Über 500000 Sinti und Roma wurden Opfer des nationalsozialistischen Holocausts. [Buhlmann, 09.2021]

Rosen, Judith (2022), Bonifatius. Der europäische Heilige, Darmstadt 2022, 272 S., Schwarzweißabbildungen, Karte, € 25,60. I. Auch im Britannien des römischen Reiches - und darüber hinaus in Irland (Palladius als "erster Bischof" der Iren 431) - breitete sich das Christentum im 5. Jahrhundert aus (Häresie des Pelagianismus <-> gallische Bischöfe Germanus von Auxerre, Lupus von Troyes, Sverus). Das Ende der römischen Herrschaft (409/10) und die germanisch-angelsächsische Besiedlung der britischen Provinzen (5. Jahrundert) bedeutete auch für den christlichen Glauben eine wichtige Zäsur. Das Christentum behauptete sich jedoch, wenn auch auf niedrigem Niveau. Das 6. Jahrhundert sah christliche Missionsvorstöße aus Gallien, Papst Gregor der Große (590-604) sandte den heiligen Augustinus mit einer Gruppe von Mönchen nach Britannien (596/97), um die christliche Mission voranzutreiben. Auch familiäre Beziehungen zwischen den katholischen Merowingerkönigen des Frankenreichs und den angelsächsischen Herrschern spielten eine wichtige Rolle, zudem trat zur gallofränkischen Mission noch die irisch-keltischer Mönche (Synode von Whitby 664). Die Organisation der christlichen Kirche in Britannien empfing durch Erzbischof Theodor von Canterbury (668-690) entscheidende Impulse (Gründung von Diözesen, Synodaltätigkeit, Kathedralschule von Canterbury, Benedict Biscop [†690], "northumbrische Renaissance", Beda Venerabilis [†735]). Die so geschaffene Einheit der britischen Kirche befähigte diese, umgekehrt christliche Mission bei den Heiden in Kontinentaleuropa zu betreiben. II. Die angelsächsische Mission auf dem Festland - in Hessen und Thüringen, aber auch in Sachsen und Friesland - ist mit dem Namen des Winfrid-Bonifatius (*672/75-†754) verbunden. In Wessex wurde Winfrid geboren, in Exeter und Nursling zum Mönch erzogen, nach 701 zum Priester geweiht. Es folgten 716 und - nach einem Aufenthalt in Rom - 719/21 erste Missionsreisen zu den Friesen, wo er den Missionar Willibrord (†739) unterstützte und bei Utrecht, an der nördlichen Zuidersee und bei Haarlem wirkte. Es folgten weiter 722 die Weihe zum Missionsbischof und vielleicht ein Missionierungsversuch bei den Altsachsen, wie ein Brief Papst Gregors II. (715-731) nahe legt, der die Altsachsen zum Übertritt zum Christentum aufrief und ihnen den Missionar Winfrid-Bonifatius empfahl. 723/25 missionierte Bonifatius in Hessen und Thüringen, 732 erhielt er durch Papst Gregor III. (731-741) das Pallium. 738 wurde Bonifatius päpstlicher Missionslegat, der sich noch im selben Jahr groß angelegten Bekehrungsversuchen bei den Sachsen im Grenzgebiet zu Hessen und Thüringen widmete. Auch die Kontakte zu den Karolingern und den bayerischen Großen waren intensiv, liefen aber bei der Reorganisation der Landeskirchen nicht immer ohne Streitigkeiten ab. Seit dem Concilium Germanicum (743?) war Bonifatius Metropolit der austrasischen Kirche und begann mit deren Organisation, die indes schleppend verlief und mit persönlichen Rückschlägen verbunden war. Zu groß waren noch - trotz der Unterstützung des maßgeblich an einer Kirchenreform interessierten Hausmeiers Karlmann (741-747) - die Widerstände im fränkischen Episkopat gegen eine romverbundene, kanonisch geordnete Kirche im angelsächsischen Sinn. Zumindest indirekt brachte aber die Romorientierung des Bonifatius das Zusammengehen von Papst Zacharias (741-752) und Hausmeier Pippin dem Jüngeren (741-751/68), das in der bekannten Königserhebung und Salbung Pippins (751) sowie in der sog. Pippinschen Schenkung (754) gipfelte. Dagegen wurde für Bonifatius ab 753 nochmals die Friesenmission aktuell; räuberische Friesen erschlugen ihn zusammen mit Eoban und ungefähr fünfzig weiteren Gefährten am 5. Juni 754. III. Die von Bonifatius im Großen und Ganzen erfolgreich betriebene Missionierung an den Rändern des merowingisch-karolingischen Frankenreichs war dadurch ermöglicht worden, dass der Missionar über ein breites Netzwerk von geistlichen und weltlichen Unterstützern in den angelsächischen Königreichen und im Frankenreich verfügte. Es waren dies Männer, aber auch zunehmend Frauen wie die angelsächsische Äbtissin Eadburg von Thanet oder die "charismatischen Frauen" Bugga, Lioba, Walburga. Dabei verband Bonifatius vielfach mit seinen Unterstützern und Unterstützerinnen eine amicitia ("Freundschaft"), seine Mission auch immer mit Fragen der Spiritualität, Ethik und Moral ("Leben aus dem Wort", Verhalten von Priestern und Bischöfen). Letzteres war auch einer der Gründe, dass gegen Ende seines Lebens Widerstände im fränkischen Episkopat und bei den fränkischen Großen nicht ausblieben, was wiederum Rückschläge beim Aufbau der fränkischen Kirche jenseits des Rheins bedingte. Die Schwierigkeiten bei Mission und Kirchenaufbau belegt nicht zuletzt die noch im 8. Jahrhundert entstandene Briefsammlung des Bonifatius. IV. Die Person des Bonifatius unterlag nach dem Tod des Missionars einer vielfältigen Rezeptionsgeschichte. Das begann schon mit den Streitigkeiten zwischen den Bischofssitzen Utrecht und Mainz um die letztendliche Grablege des Bonifatius im Kloster Fulda. Von Fulda aus verbreitete sich in der Folgezeit die Verehrung des Lokalheiligen Bonifatius (Bonifatiusreliquien [Ragyndrudis-Kodex, Knochenpartikel u.a.] in Aschaffenburg, Freckenhorst, Halberstadt, Hersfeld, Kitzingen, Lorsch, Mainz, Regensburg, Trier, Würzburg; Bonifatius als "Patron Germaniens" [9. Jahrhundert], Fuldaer Prachtsakramentar [ca.1000], Bonifatius als totius Galliae et Germaniae apostolus [v.1162]). Im 19. Jahrhundert trat Bonifatius als "Apostel der Deutschen" in Erscheinung und geriet ins Fahrwasser der unterschiedlichen christlichen Konfessionen (Bonifatiusverein 1849, Bonifatiusjubiläum 1855); heutzutage wird Bonifatius - abseits von einem "endgültigen Bonifatiusbild" - eher als ein "europäischer Heiliger" betrachtet. [Buhlmann, 03.2023]

Rosenan, Naftali (1976), Das jüdische Jahr (= Ausstellungskatalog), Zürich 1976 > Z Zeit

Rosseaux, Ulrich (2006), Städte in der Frühen Neuzeit (= Geschichte kompakt Frühe Neuzeit), Darmstadt 2006, 152 S., € 5,-. I. Die Städte in Deutschland in der frühen Neuzeit verdankten ihre Entstehung meist den (hoch-) mittelalterlichen Entwicklungen und Städtegründungen; Städtegründungen gab es in der frühen Neuzeit nur in geringer Zahl. Demografisch gesehen, lebte im 16. bis 18. Jahrhundert nur ein geringerer Anteil der Bevölkerung in Städten (Verstädterungsgrad von 25%, teilweise bis zu über 50%). Es dominierten Klein- und Mittelstädte mit wenigen hundert bis wenigen tausend Einwohnern, die demografische Entwcklung unterlag äußeren Faktoren wie Krieg (Dreißigjähriger Krieg [1618-1648]) und Krankheiten (Pestepidemien). Die Anzahlen von Geburten und Todesfällen führten in den Städten allgemein zu einem Sterbeüberschuss, der nur Migrationsbewegungen (Einwanderung vom Land in die Städte) ausgeglichen werden konnte; die negative städtische Vitalbilanz resultierte dabei aus wirtschaftlichen (prekäre städtische Lebensverhältnisse, resultierend aus Mängeln bei der Nahrungsmittelversorgung, Krankheiten) und sozialen Faktoren (Gesellschaftsstruktur, Geschlechterrelation, Heiratsalter, Reproduktivitätsrate). II. Im römisch-deutschen Reich der frühen Neuzeit lassen sich folgende Städtetypen feststellen: a) (wirtschaftlich potente, größere) Reichsstädte und freie Städte (Aachen, Augsburg, Bremen, Dortmund, Goslar, Hagenau, Hamburg, Frankfurt, Köln, Lübeck, Nördlingen, Regensburg, Rottweil, Speyer, Straßburg, Ulm, Worms, Zell am Harmersbach u.a.), damit vergleichbare Städte mit Autonomie vom Landesherrn (Braunschweig, Erfurt, Lüneburg, Magdeburg, Münster, Rostock u.a.); b) (neu gegründete) Residenzstädte (mit städtebaulichen Konzept) (Ansbach, Dresden, Karlsruhe, Kassel, Mannheim, Rastatt, Weimar u.a.); c) Berg[bau]städte (Annaberg, Freiberg, Goslar u.a.); d) Universitätsstädte (u.a. auf Grund der Konfessionalisierung, als landesherrliche Städte) (Duisburg, Frankfurt a.d. Oder, Greifswald, Heidelberg, Kiel, Köln, Leipzig, Marburg, Rinteln, Tübingen, Wien, Wittenberg u.a.); e) Exulantenstädte (als Folge der Konfessionalisierung und der daraus resultierenden Migrationen, der Reformierten, der Hugenotten) (Berlin-Charlottenburg, Berlin-Friedrichstadt, Hanau-Neustadt, Johanngeorgenstadt u.a.); f) Festungsstädte (meist auf mittelalterlicher Grundlage) (Freiburg i.Br., Jülich, Kaiserswerth, Landau, Saarlouis); g) Idealstädte (utopischer Art); h) Kurorte (Aachen, Baden-Baden, Karlsbad, Marienbad, Pyrmont, Teplitz, Wiesbaden, Wildbad u.a.). III. Städte waren Mittelpunkte der Wirtschaft, was Fern- und Regionalhandel ([ehemalige] Hansestädte, süddeutsche Handelsstädte), Handwerk (berufliche Ausdifferenzierung, Zunftwesen), neue Gewerbezweige (Druckereien, Manufakturen [Textilherstellung, Herstellung von Luxusartikeln und Porzellan], Verlagswesen [Textilherstellung]) anbetraf. Die städtische Bevölkerung unterteilte sich rechtlich in (die Minderheit der) Bürger und Nichtbürger (Schutzverwandte, Beisassen, Inwohner); hinzu kamen die Eximierten eines anderen Rechtsverbands. Damit nicht unbedingt deckungsgleich gab es eine ständische Abstufung innerhalb der städtischen Einwohnerschaft: reich und arm, repräsentiert durch eine Oberschicht meist aus Fernhändlern und Großkaufleuten, der Mittelschicht aus Handwerkern, Gewerbetreibenden und Kleinhändlern und der Unterschicht der Tagelöhner, Armen, Bettler, Witwen usw. Daneben gab es Randgruppen und Minderheiten, u.a. jüdische Gemeinden (17./18. Jahrhundert), Fremde ausländischer Nationalität, Personen, die unehrliche Berufe ausübten, als Hexen und Magiere Verfolgte. IV. Politisches Zentrum der Stadt war der Stadtrat (großer/äußerer - kleiner/innerer Rat) mit Ratsmitgliedern, die aus der wirtschaftlichen Führungselite kamen. Zu unterscheiden ist zwischen Städten mit Patriziat (Augsburg, Nürnberg, Ulm u.a.) und denen mit Zunftverfassung (Köln u.a.), wobei sich Letztere auc oligarchisieren konnten. Bürgerausschüsse, die sich u.a. aus Bruderschaften, Gilden oder Zünften rekrutierten, verhandelten etwa bei innerstädtischen Auseinandersetzungen (Stadtunruhen, Konflikte) mit dem Stadtrat (Kompromisse); politische Rechte und Pflichten sollten sich entsprechen (städtische Steuern, Wehrdienst). Ausfluss städtischer Politik war u.a. eine städtische Festkultur (Schwörtage, Kriegsanniversarien, Friedensfeste, Jubiläen). V. Im Zuge der Ausbreitung von (städtischer) Reformation und Konfessionalisierung bildeten sich konfessionell (katholisch, lutheranisch, reformiert) verschiedenartige Städtewesen aus. Reichs- und Autonomiestädte waren Vorreiter der Reformation (Speyrer Protestation 1529, Confessio Augustana 1530, Augsburger Religionsfrieden 1555); Landstädte sollten folgen, gerade auch innerhalb landesherrlicher Reformation (ius reformandi), aber auch in deren Vorfeld (Lemgo). In vielen Städten konnte sich aber auch die Reformation nicht durchsetzen (Rolle der Stadträte). Es ergaben sich mit der Zeit meist konfessionell homogene Stadtgemeinden, auf der Ebene der Reichsstädte waren Augsburg, Biberach, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Leutkirch, Ravensburg und Ulm Simultanstädte, d.h. konfessionell gemischt. Die Zahl der gemischtkonfessionellen Städte vergrößerte sich durch die Normaljahresregelung (1624) des Westfälischen Friedens (1648) (bi-, mehrkonfessionelle Städte); in den gemischtkonfessionellen Städten blieben die Konfessionen durch eine "unsichtbare Grenze" indes voneinander getrennt. VI. Die Stadt beeinflusste ihr Umland (Gärten, Vororte, Einrichtungen [Richtstätte, Abfallentsorgung, Gewerbebetriebe]), sie wurde durch (auch rechtlich als Grenze zwischen Stadt und Land bedeutsame) Befestigungsanlagen nach außen hin geschützt (Bastionsbefestigung, Entfestigungen [spätes 17. und 18. Jahrhundert, 1790/1825]). (Schmale) Straßen und (enge) Bebauung innerhalb einer Stadt, Relikte aus dem Mittelalter, änderten sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte kaum, den immer wieder auftretenden Stadtbränden zum Trotz; lediglich die neu gegründeten Residenzstädte wurden großzügiger, weil repräsentativ angelegt (Dresdner Neustadt 1685/1732, Karlsruhe 1715/17 u.a.). Neben den Wohngebäuden, die auch wirtschaftlich genutzt wurden (Lager, Werkstätten, Verkaufsräume), gab es Kirchen sowie das Rathaus; Plätze wurden als Markt genutzt. Der Hausbau geschah in Fachwerk oder mit Natur- oder Backstein. Wichtig war für die Stadtbewohner die Versorgung mit Wasser (Fließgewässer, Brunnen, Abwasser) und Energie (Brennholz [Nutzung über Wald], Torf, Kohle, Wasser und Wind [Mühlen]) und eine Entsorgung des anfallenden Abfalls (Latrinen, Abfallbeseitigung). Zur Gesundheitsvorsorge gehörten eine Seuchenhygiene, Quarantänebestimmungen, aber auch eine Krankheiten vorbeugende Straßenpflasterung; zum städtischen Gesundheitswesen gehörten Hospitäler und Krankenhäuser. Zur städtischen Ökologie einer Stadt gehörte auch die Belsatung der Bewohner mit Rauch, Ruß und Staub; produktionsintensive, der Umwelt abträgliche Gewerbe (Gerbereien, Färbereien, Metallschmelzen) wurden topgrafisch von den Wohnvierteln getrennt. VII. Das Alltagsleben in der Stadt folgte für die Bewohner dem christlichen (julianischen, gregorianischen) Kalender mit Wochentagen und Sonntagen sowie den christlichen Festtagen (städtisches Zeitregime, öffentliche Uhren), folgte auch (noch) dem Wechsel von Tag und Nacht bei Abkopplung der Arbeitszeiten davon (Torsperrzeiten, Straßenbeleuchtung). Das Leben und Arbeiten der Stadtbewohner spielte sich vielfach im Wohnhaus ab, neben einer Kernfamilie und weiteren Familienangehörigen lebten hier Gesellen, Lehrlinge und Dienstpersonal (Großhaushalt, öffentlich-privates Haus); der Typ der bürgerlichen Kernfamilie lässt sich bis in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen. Für das Leben der Bewohner war zentral die Küche, die Möblierung war im Unterschichtenmilieu spärlich (Betten, Stühle, Tisch, Geschirr, Kleidung [Kleidermoden]), außerhalb davon (sehr viel) reichhaltiger (Truhen, Schränke). Beim Essen und Trinken war Brot das Grundnahrungsmittel, der Fleischkonsum ging während der frühen Neuzeit stark zurück; Fisch war als Fastenspeise bedeutsam, hinzu traten - in jahreszeitlicher Abfolge - Obst und Gemüse; Speisen wurden stark gewürzt. Bier und Wein wurden überwiegend konsumiert, Kaffee fand seit dem endenden 17. Jahrhundert Verbreitung (Kaffeeausschank, Kaffeesurrogate). Zur urbanen Unterhaltung der Stadtbewohner gehörten schließlich Jahrmärkte, Schützenfeste, Karneval, musikalische und literarische Darbietungen (Tanz, Musik, Konzerte, Opern; Theater, protestantisches Schultheater, Jesuitentheater; Schaustellerei), allgemein die Gestaltung von Freizeit (Spaziergänge, Ausflüge, Bäder und Kuren). [Buhlmann, 07.2017]

Rosenthal, Dieter (1979), Zur Diskussion über das Alter der nordwestdeutschen Ortsnamen auf -heim. Die Ortsnamen des ehemaligen Kreises Hildesheim-Marienburg, in: BNF NF 14 (1979), S.361-411 > N Namenkunde

Rosheim, Mark Elling (2006), Leonardo's Lost Robots, Berlin-Heidelberg 2006 > R Reinhardt, Leonardo da Vinci

Rossberg, Ralf Roman (1977), Geschichte der Eisenbahn, Künzelsau 1977 > T Technik, Technikgeschichte

Rostovtzeff, Michael (1955/56), Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt, 3 Bde., 1955, Nachdruck Darmstadt 1984 > G Griechische Geschichte, 4.-1. Jahrhundert v.Chr.

Roth, Gerhard (2001), Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert (= stw 1678), Frankfurt a.M. 2003, 600 S., Schwarzweißabbildungen, € 17,-. Geschichte wird (zwar nicht nur) von Menschen gemacht, Geschichte ist (aber) Menschheitsgeschichte, der Mensch und das menschliche Verhalten sind Grundkonstanten von Geschichte. So kommt den biologischen Grundlagen der sich seit Jahrmillionen entwickelnden biologischen Gattung "Mensch" eine besondere Rolle in der Geschichte zu. Dies betrifft insbesondere das Gehirn des Menschen (Nervenzellen, Vernetzung, kognitives-exekutives Gehirn [Großhirnrinde, Isocortex, sensorisch-assoziative Areale, limbisches System]), das Gedächtnis und Erinnerung (Geschichte), Denken, Intelligenz und Kreativität, Bewusstsein, Gefühle und Persönlichkeit (Ich), Handeln und Willen (Willensfreiheit, Determinismus, Autonomie), schließlich Sprache, Kommunikation und Interaktion (in menschlichen Gesellschaften) bewirkt. [Buhlmann, 09.2015]

Roth, Hubert (2016), Die Stadt Tiengen und der Klettgau. Die Sulzer Grafen führen lange die Regentschaft am Hochrhein, in: Schwarzwälder Hausschatz 2016, S.166-172 > T Tiengen

Roth, Hubert (2018), Thomas Müntzer im Klettgau. Der Theologe und Revolutionär beim Bauernkrieg im Südwesten, in: Schwarwälder Hausschatz 2018, S.42-45 > G Goertz, Thomas Müntzer

Roth, Hubert (2018), Der alemannische Sprachraum. Einführung in die Sprachgeschichte, in: Schwarwälder Hausschatz 2018, S.116f. Während verschriftlichte Sprache im deutschen Sprachraum im Mittelalter zunächst weitgehend vom Lateinischen dominiert wurde, kam dem Alemannischen mit seinem Sprachraum zwischen Elsass und Lech, Neckar und Alpen erst seit dem 15. Jahrhundert als Sprachgemeinschaft des Deutschen und als Sprachraum die Bedeutung einer Muttersprache (materna lingua) zu. Aus dem Alemannischen entwickelte sich das Schwäbische (13. Jahrhundert), das Hochalemannische (südliches Baden, Schweiz) oder das Höchstalemannische (Oberwallis). Im alemannischen Sprachraum gibt es örtliche Sprachformen als Mundarten oder Dialekte (alemannische Sprachpflege der Dialekte). [Buhlmann, 11.2020]

Rothenburg, Friedrich Samuel (1956), Theologische Fremdwörter (= Handbücherei R. Brockhaus, Bd.5), Wuppertal 1956 > T Theologie

Rothfels, Hans (1958), Die deutsche Opposition gegen Hitler. Eine Würdigung (= Fischer Tb 198), Frankfurt a.M.-Hamburg 1958 > D Deutsche Geschichte, 1933-1945

Rothmann, Kurt (1978), Kleine Geschichte der deutschen Literatur (= RUB 17676), Stuttgart 192009 > D Deutsche Literaturgeschichte

Rottenbuch, Ort mit katholischer Pfarrkirche: Der Ort Raitenpuech (für "Buchenrodung") im Ammertal (Ammergau) wird um die Mitte des 10. Jahrhunderts erstmalig in der Geschichtsüberlieferung erwähnt. Der welfisch-bayerische Herzog Welf IV. (I., †1101) und seine Ehefrau Judith stifteten hier - im Rodungsgebiet - unter Mitwirkung des Passauer Bischofs Altmann (1065-1091) ein Stift für Regularchorherren, aus dem sich im Investiturstreit (1075-1122) eine Niederlassung der Augustinerchorherren entwickeln sollte. Das Stift siedelte sich westlich der schon bestehenden Marienkirche Altenmünster an, die zwischen ca.1100 und ca.1300 Gotteshaus einer Kommunität von Augustinerinnen war (deren Umsiedlung nach Benediktbeuren). Die Gemeinschaft der Chorherren indes entfaltete als Institution der gregorianischen Kirchenreform rasch Wirkung und beeinflusste die geistlichen Kommunitäten in Berchtesgaden (ca.1110), Baumburg (1107/10), Klosterrath (1112) und Dießen (1114). Die bald nach der Gründung errichtete Stiftskirche war eine kreuzförmige Basilika mit freistehendem Glockenturm. Die Kirche wurde 1262/65 und nochmals 1322 teilweise zerstört und wiederaufgebaut (Ablassbrief des Brixener Bischofs Landulf 1298, Weihe von Altären in der Vorhalle 1345). 1417 stürzte der Kirchturm ein, der 1439 unter Propst Georg Neumayr (1431-1472) erneuert wurde. Der Propst und seine Nachfolger Petrus Taygscher (1472-1480) und Johann Messerschmidt (1480-1497) erneuerten auch die Kirche (neuer Chor, Einwölbung von Chor und Querschiff 1466, neues Langhaus 1477, Inneneinrichtung), Ausfluss der wirtschaftlichen Prosperität des Chorherrenstifts im 15. Jahrhundert. Die frühe Neuzeit sah nach Kapellenerneuerungen unter Propst Wolfgang Perkhofer (1582-1611) die Barockisierung von Kirche und Stiftsgebäuden unter den Pröpsten Michael Piscator (1627-1663), Augustin Oberst (1663-1690), Gilbert Gast (1690-1700), Patritius Oswald (1700-1740) und Clemens Prasser (1740-1770); es entstand ein Stift des Rokoko nach barockem Idealplan. Die Säkularisation des in geistlich-kulturell-wirtschaftlicher Blüte stehenden Stifts im Jahr 1803 führte u.a. zu einer massiven Beschädigung des Kirchenbaus (Abriss von Nebenkirchen und Kapellen u.a.) sowie dem Verlust von Kirchenschätzen. Renovierungen und Restaurierungen (1936, 1961/63) dienten der Substanzerhaltung und Wiederherstellung des in Mitleidenschaft Geratenen, u.a. der Orgel von 1747. Zu Rottenbuch s.: Schnell, Hugo (1934), Katholische Pfarrkirche Rottenbuch (= Schnell & Steiner, Kleine Kunstführer, Nr.8), München-Zürich 321987, 15 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Plan, DM N.N. [Buhlmann, 11.2022]

  Rottenburg am Neckar, Stadt am Übergang des Neckartals vom Oberen Gäu zum Schwäbischen Keuper-Lias-Land (Porta suevica): I. Vor-, Frühgeschichte: Paläolitische (Knochen eiszeitlicher Großfauna, Steingeräte) und neolithische Funde (Siedlung der bandkeramischen Kultur) sind im Rottenburger Stadtgebiet ergraben worden. II. Römische Zeit: Rottenburg, das römische Sumelocenna, entstand als vicus im Zusammenhang mit einem römischen Kastell (?) im Rahmen der römischen Inbesitznahme der agri decumates um 85/90 n.Chr. an der römischen Fernstraße Rottweil-Köngen-Heidenheim-Regensburg. Der Name SUMELOCENNA ist dabei in mehreren römischen (Bau-) Inschriften überliefert; im Bereich des heutigen Marktplatz ist eventuell der Kreuzungspunkt von Fernstraße und via principalis des Kastells anzunehmen, der Orte umfasste Gebiete nördlich und südlich des Neckar. Spätestens in der Regierungszeit des römischen Kaisers Trajan (98-117) wurde Rottenburg zum Mittelpunkt einer kaiserlichen Domäne (saltus Sumelocennensis) mit einem curator als Domänenleiter. Spätestens die Mitte des 2. Jahrhunderts n.Chr. brachte die Aufwertung Sumelocennas zum Vorort der civitas Sumelocennensis (Stadt und nicht genauer begrenzbares Umland, umfassend das Gebiet des vicus Grinario [Köngen], angrenzend an die Gebiete des Municipiums Rottweil, der civitas Aurelia Aquensis [Baden-Baden], der civitas Aurelia G... [Cannstadt?], im Osten anstoßend an die Westgrenze der römischen Provinz Raetien). Das römische Sumelocenna ist dann nach der Aufgabe des obergermanisch-rätischen Limes (250er-Jahre) untergegangen. Eine Vielzahl von Funden auf Rottenburger Stadtgebiet belegt indes gut den römischen Alltag in Sumelocenna (römische Stadtmauer mit Wehrgang und Graben [2. Jahrhundert, Ende?], Aquädukt und Frischwasserversorgung, [drei] Bäder und Latrinen, Häuserfundamente, Ziegel, Fresken, Keramik, Funde militärischen Charakters, Inschriften auf Altären und Weihesteinen -> Handel, Verkehr, Handwerk, Bildung, Spiel, Kleidung, Essen und Trinken, Medizin, Religion und Totenkult) (nach: Heiligmann, Sumelocenna). III. Mittelalter: Alemannische Besiedlung lässt sich in Ehingen und Sülchen (frühmittelalterlicher Sülchgau) feststellen, fränkische Einflüsse in den Patrozinien der Pfarrkirchen St. Martin in Sülchen und St. Remigius in Ehingen. Im 11. und 12. Jahrhundert gab es in Rottenburg Königs- und Reichsgut, wahrscheinlich ins Frühmittelalter zurückreichend; Besitz und Rechte besaßen damals auch die Bistümer Speyer und Bamberg sowie das Kloster Kreuzlingen. Bamberger Vögte waren die Grafen von Hohenberg, die im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts (ab 1160) die maßgeblichen politischen Akteure in Rottenburg wurden, ablesbar am Erwerb der Burg Rottenburg sowie der Gründung der Stadt Rotenburg ca.1280. Die Stadtgründung bewirkte, dass sich dort Karmeliter ansiedelten; zudem gab es in Ehingen um die damals wohl schon länger (10. Jahrhundert?) bestehende Kirche St. Moriz ein um 1330 durch die Hohenberger Grafen eingerichtetes Chorherrenstift; das Heiliggeistspital wurde 1361 gestiftet. Rottenburg war Vorort der Grafschaft Hohenberg, die 1381 durch Verkauf an die habsburgischen Herzöge und Könige gelangte (Vorderösterreich). In östereichischer Zeit war Rottenburg Aufenthaltsort der Erzherzogin Mechthild (1454/82). 1456/57 wurde die Liebfrauenkapelle am Rottenburger Markt Pfarrkirche (statt der Sülchener Kirche) und der Freiburger Universität inkorporiert. IV. Neuzeit: Die Reformation ging am habsburgischen Rottenburg vorüber. Im Dreißjährigen Krieg (1618-1648) war Rottenburg zeitweise württembergisch besetzt, 1644 wurde der Stadtteil nördlich des Neckar durch Brand zerstört, 1649 wurde in Rottenburg ein Jesuitenkolleg eingerichtet. Die Stadt war ab 1729/51 Verwaltungszentrum eines österreichischen Oberamts und fiel 1805 an (das Königreich) Württemberg (Oberamt Rottenburg ab 1806). 1817/21/28 entstand in Rottenburg das katholische Bistum für Württemberg. Im 19. bis 21. Jahrhundert macht(e) die Stadt die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen im Königreich und Land Württemberg sowie Bundesland Baden-Württemberg mit (Rottenburg als Zentrum des Hopfenhandels [19. Jahrhundert, 2. Hälfte], Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg [1939-1945] und französische Besatzungszone, Eingemeindungen [1971/75]).
Zu Rottenburg s.: Heiligmann, Karin (1992), Sumelocenna - Römisches Stadtmuseum Rottenburg am Neckar (= Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg, Bd.18), Stuttgart 1992, 116 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, € 2,-; Manz, Dieter (2008), Die Gotteshäuser der Katholischen Kirchengemeinde St. Moritz in Rottenburg-Ehingen. Geschichte - Kunstwerke, Rottenburg 32008, 97 S., Farbfotos, € 4,50. [Buhlmann, 09.2020]

Rottenmünster, Zisterzienserinnenkloster: Geistliche Frauengemeinschaften des hohen Mittelalters waren Ausfluss einer religiösen Frauenbewegung, einer mittelalterlichen Suche nach einem christlichen Leben in Armut, Demut und Fürsorge für den anderen. Auch in Rottweil fanden sich bei der Altstadt in Hochmauren Frauen zu einer (irregulären) geistlichen Kommunität zusammen (1217), die sich dem Zisterzienserorden und dem Abt von Salem unterstellte (1223) und von Papst und Kaiser privilegiert wurde (1224, 1237). Gerade der Schutz durch König und Reich sollte den Weg der Frauengemeinschaft zu einem Reichsstift eröffnen. Spätes Mittelalter und frühe Neuzeit sahen die Kom-munität als reichsunmittelbar und reichsständisch unter der Leitung einer Fürstäbtissin sowie im Besitz eines Territoriums, mit dem insbesondere Niedergerichtsbarkeit und Ortsherrschaft in den südlich und östlich von Rottweil gelegenen Dörfern Aixheim, Frittlingen, Neukirch, Lauffen und Zepfenhan verbunden war. Westlich von Rottweil hatte die Frauengemeinschaft zudem Besitz in Dunningen, Hardt, Locherhof und Seedorf. Schutz-herren und Vögte Rottenmünsters waren zunächst die königlichen Amtsträger in Rottweil, später resultierte aus den vogteilichen Ansprüchen der Reichsstadt gegenüber der Frauengemeinschaft eine Reihe von Streitigkeiten. Wirtschaftlich nahm Rottenmünster im 13. Jahrhundert einen enormen Aufschwung, die wohl bis zu 140 Nonnen kamen aus dem regionalen Hoch- und Niederadel, später auch aus dem Bürgertum der unmittelbar benachbarten Reichsstadt. Im Windschatten der Reichsstadt überstand das Stift die Reformation, zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist die Abtei aufgelöst worden.
An Literatur zu Rottenmünster sei genannt: Reichenmiller, Margareta (1964), Das ehemalige Reichsstift und Zisterziensernonnenkloster Rottenmünster. Studien zur Grundherrschaft, Gerichts- und Landesherrschaft (= VKWGLBW B 28), Stuttgart 1964, XV, 207 S., DM 24,-. [Buhlmann, 03.2009, 11.2012]

Rottenwöhrer, Gerhard (2007), Die Katharer. Was sie glaubten, wie sie lebten, Ostfildern 2007, 316 S., € 6,95. I. Das mittelalterliche Katharertum gehört in die große Gruppe antik-mittelalterlicher Theologien, die - u.a. christliche Grundgedanken aufnehmend - von einer Zweiheit von gegensätzlichen Prinzipien (Dualismus) ausgehen. Folgende Theologien können dieser Gruppe zugewiesen werden: Markioniten (Markion [†ca.160], als Kirche des 2.-4./5. Jahrhunderts); Montanisten (Montanos [ca.172], als prophetische Bewegung des 2.-6. Jahrhunderts); Novatianer (Novatian [3. Jahrhundert, Mitte], als Abspaltung vom Christentum im 3.-7. Jahrhundert); Gnostiker (christliche Gnosis des 2.-3. Jahrhunderts); Manichäer (Mani [†277], als gnostische Weltreligion des 3.-16. Jahrhunderts); Origenisten (Origenes [†ca.253/54], Anhänger im 4.-6. Jahrhundert); Priscillianisten (Priscillianus [†386], Anhänger im 4.-6. Jahrhundert); Messalianer (als mönchische Gebetsbewegung des 4.-5. Jahrhunderts); Paulikianer (als Häretiker im byzantinischen Reich des 7.-11. Jahrhunderts); Ketzer des katholischen Europa (11.-12. Jahrhundert); Bogomilen (Bogumil [10. Jahrhundert, 1. Hälfte], Ketzerbewegung im byzantinischen Reich des 10.-14. Jahrhunderts). II. Manichäer, Paulikianer und Bogomilen können vielleicht als geistige Wurzeln des hochmittelalterlichen Katharertums im katholischen Europa gelten; das Katharertum war wahrscheinlich der westliche Ableger des östlichen Bogumilentums (reformierte Bogumilen). Vereinzelt treten Katharer im 12. Jahrhundert im Rheinland (Köln ca.1145, 1163; Mainz ca.1163/79), in Norditalien (Lombardei ca.1174) und in Südfrankreich (1166/67) in Erscheinung. Spaltungen innerhalb katharischer Gruppen werden ebenfalls schon früh erkennbar (theologische Zersplitterung). Die Katharer organisierten sich in Ortskirchen unter der Leitung von Bischöfen (weitere Amtsträger). Der Name "Katharer" bedeutet vielleicht "die Reinen", das deutsche Wort "Ketzer" könnte von der lateinischen Bezeichnung "Katharer" abstammen. In Italien wurden die Katharer als "Patarener" bezeichnet, in Südfrankreich als "Albigenser", auch Albanenser, Bagnolenser oder Concorezzenser waren katharische Gruppen. In den katharischen Kirchen waren im beginnenden 13. Jahrhundert vielleicht mehrere Hunderttausend Gläubige um die Askese übenden Katharer (im engeren Sinn), die das consolamentum (als Geisttaufe) empfangen hatten, versammelt. Die (nicht einheitliche) katharische Lehre beruhte (meist) auf einem (radikalen) Zwei-Prinzipien-Dualismus von Teufel/Welt und Gott, von Böse und Gut zweier Schöpfungen, unter Bezugnahme auf den und unter Herleitung vom Engel Christus. Die Lehre hatte Auswirkungen auf die Lebensweise der "Vollkommenen" (perfecti/perfectae, veri christiani, boni homines), die einer lebenslangen Buße, dem Fasten und der sexuellen Enthaltsamkeit verpflichtet sind. Sie wandte sich gegen die katholische Großkirche mit ihrem Gottesdienst und den Sakramenten. Umgekehrt war es die päpstlich-katholische Großkirche, die u.a. auf der Grundlage der Inquisition die Katharer verfolgte bis hin zum südfranzösischen Albigenserkreuzzug (1209-1229). Katharische Gruppen konnten sich in Südfrankreich, Norditalien oder dem Piemont noch bis ins 14. Jahrhundert halten. [Buhlmann, 08.2017]

Rotter, Ekkehart (2000), Friedrich II. von Hohenstaufen (= dtv 31040), München 2000 > F Friedrich II. (von Hohenstaufen)

Rotthoff, Guido (1974), Gildegavia - Keldaggouue - Gellepgau, in: Pirling, Renate (1974), Das römisch-fränkische Gräberfeld von Krefeld-Gellep, 1960-1963 (= Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit. Serie B: Die fränkischen Altertümer des Rheinlandes, Bd.8), Berlin 1974, S.215-223 > G Gellepgau

Rotthoff, Guido (1977), Studien zur mittelalterlichen Geschichte im Raum Krefeld, in: RhVjbll 41 (1977), S.1-39 > G Gellepgau

Rotthoff, Guido (1990), Pro und contra Gellepgau, in: RhVjbll 54 (1990), S.251-254 > G Gellepgau

Rottweil, Stadt am oberen Neckar: I. Rottweil tritt als Arae Flaviae der römischen Antike und als Rotuvilla in einer mittelalterlichen Urkunde von 771 in Erscheinung, für die Zeit Karls des Großen (768-814) wird ein Königshof bei der Rottweiler Altstadt erkennbar, Aufenthalte spätkarolingischer und salischer Herrscher in diesem Vorort des schwäbischen Herzogtums sind bezeugt. In staufischer Zeit entwickelte sich nördlich des Königshofes eine befestigte Stadt, 1241 wird Rottweil im Reichssteuerverzeichnis genannt. Im späten Mittelalter wurde aus der königlichen Stadt eine Reichsstadt (Gerichtshoheit 1299, 1359; Privileg gegen Verpfändung 1348). 1415 erlangte sie das königliche (Rottweiler) Pürschgericht als Reichslehen, 1434 eine "Goldene Bulle" von Kaiser Sigismund (1411-1437), die alle bis dahin erworbenen Rechte bestätigte. Parallel dazu schritt die innere Entwicklung voran (Schultheiß 1230; Rat und Bürgermeister 1289). Patriziat und elf bzw. neun Zünfte waren 1316 im Großen und Kleinen Rat der Stadt vertreten, eine Verfassungsreform schuf 1378 das Gremium der Zweiundzwanziger, aus dem später das der Achtzehner wurde. An der Spitze der Stadt standen noch der Obervogt, der Pürschvogt, der Bruderschafts- und der Spitaloberpfleger. Die Repräsentanten der vornehmsten Stadtämter waren zudem Beisitzer im Rottweiler Hofgericht, das sich als höchste Instanz freiwilliger Gerichtsbarkeit in dieser Form unter König Rudolf von Habsburg ausgebildet hatte. Das Hofgericht war nach den Worten Kaiser Maximilians I. (1493-1519) das "oberste Gericht in Teutschland" (1496). Handel und Gewerbe (Metallverarbeitung und Glockenguss, Textilherstellung, Holz-, Vieh- und Getreidehandel) waren in der Kernstadt und den Vorstädten (Hochbrückvorstadt, Auvorstadt) vielfach vertreten. Zwei Jahrmärkte und städtische Kaufhäuser (ab 1285) sorgten wie die Pfleghöfe der Klöster Petershausen, St. Blasien, Gengenbach oder Alpirsbach für Handel und Warenumschlag. Die Rottweiler "Kirchenlandschaft" bestand aus der Pfarrkirche St. Pelagius in der Altstadt, Kirche der Hauptpfarrei Heiligkreuz (ab 14. Jahrhundert) war das Münster, daneben gab es eine Kapelle mit dem Kapellenturm im Rottweiler Stil (ca.1330), Niederlassungen der Johanniter (ca.1247), Dominikaner (1266) und Dominikanerinnen (v.1306) sowie die Reichsabtei Rottenmünster, ein Zisterzienserinnenkloster (1217). Spital (v.1275), Leprosenhaus (1298) und Heiligkreuz-Bruderschaft (1314) waren für Kranke und Arme zuständig. Die Stadt Rottweil betrieb ab dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts eine Politik zur Festigung und Ausweitung ihres Territoriums (Sinkinger Dorfherrschaft 1377; Rottweiler Pürsch 1415; Unterstellung Dunningens 1435). Die fehdefreudige Stadt war u.a. mit Villingen, Freiburg im Breisgau und Schaffhausen verbündet, seit 1463 und 1519 war Rottweil zugewandter Ort der Schweizer Eidgenossenschaft. 1529 konnten die Anhänger des Protestantismus aus der Stadt verdrängt werden, der Ort blieb in der frühen Neuzeit eine katholische Reichsstadt. II. In der frühen Neuzeit musste sich die Reichsstadt kriegerischen Angriffen erwehren (Fehde mit Christoph von Landenberg 1539, württembergische [1632] und kaiserliche [1634] Besetzung Rottweils, Belagerung und Einnahme durch französische Truppen [1643]), wirtschaftlich setzte der Niedergang schon vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) ein, ablesbar auch an den wenigen öffentlichen Gebäuden, die etwa im 18. Jahrhundert entstanden (Jesuitenkonvikt [1700/13], Lyzeum [1717/22], Umbau von Kapellen- [1727] und Dominikanerkirche [1753]). Seit 1802 war Rottweil württembertgisch und machte als Teil von Königreich Württemberg, deutschem Kaiserreich, Weimarer Republik, "Drittem Reich" und Bundesrepublik die gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Entwicklungen des 19. bis 21. Jahrhunderts mit (Rottweil als Oberamt- und Kreisstadt, Eisenbahnbau, Kunstsammlung Lorenzkapelle [1851], Pulverfabrik [n.1863], Rottweiler Fastnacht usw.).
Zu Rottweil s.: Buhlmann, Michael (2010), Die Familie Kanzler aus Rottweil und das Kloster St. Georgen im Schwarzwald, in: Der Heimatbote 21 (2010), S.9-16; Buhlmann, Michael (2015), Rottweil und das fränkisch-deutsche Königtum im frühen Mittelalter (= VA 83), Essen 2015, 56 S., € 4,-; Buhlmann, Michael (2016), Rottweil im hohen Mittelalter (= VA 97), Essen 2016, 56 S., € 4,-; Buhlmann, Michael (2016), Rottweil im Reichssteuerverzeichnis von 1241 (= VA 101), Essen 2016, 68 S., € 5,-; Dorn, K. ([1959]), 100 Jahre Gewerbeverein Rottweil 1859-1959, o.O. [1959], 31 S., DM N.N.; Fiedler, Ulrich (Hg.) (2019), Weißt Du noch damals ...? Erinnerungen ehemaliger Rottweiler Konviktoren (= Jahresgabe des Rottweiler Geschichts- und Altertumsvereins, Bd.119), Rottweil 2019, 452 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, € N.N.; Hecht, Winfried (2008), Vor 771 n.Chr. Anfänge und Wurzeln der Stadtgeschichte, Rottweil 2008, Hecht, Winfried (2007), Rottweil 771-ca.1340. Von "rotuvilla" zur Reichsstadt, Rottweil 2007, Hecht, Winfried (2005), Rottweil ca.1340-1529. Im Herbst des Mittelalters, Rottweil 2005 > H Hecht, Rottweil; King, Stefan, Klos, Hermann (Hg.) (2012), Industriekultur im Neckartal Rottweil. Vom Pulver zur gewerblichen Vielfalt, Rottweil-Villingen 2012, 176 S., Abbildungen, Pläne, Karte, € 12,-. > K Kleine Schriften des Stadtarchivs Rottweil [Buhlmann, 08.2007, 12.2008, 11.2010, 09.2015, 10.2016, 03.2021, 03.-04.2023]

RS = Rheinischer Städteatlas

rst = Reformationsgeschichtliche Studien und Texte

RTB = Reichenauer Texte und Bilder

Ru

RUB = Reclam Universal-Bibliothek

Rudenberg, Ortsteil von Titisee-Neustadt: Rudenberg wird zum Jahr 1316 erstmals genannt, kann aber - in Verbindung stehend mit dem benachbarten Kloster Friedenweiler - sehr wahrscheinlich auf eine weiter zurückreichende Geschichte zurückblicken. Die Chronik Rudenberg, hg. v. Arbeitskreis Rudenberg, v. Gerhard Beha, Jochen Borrmann, Albert Braun, Hildegard Frei, Karin Frei, Carola Hannig, Birgit Hermann, Gerrit Müller, Franz Rombach, Liane Schilling, Egon Straub, Edelbert Willmann (2011), Titisee-Neustadt-Rudenberg 2011, 670 S., € 28,-, informiert ausführlich über: das Ortswappen, die politische Geschichte von der Vor- und Frühgeschichte bis heute (Anfänge bis 12. Jahrhundert [Reichenau, St. Gallen, St. Georgen, Tauschurkunde von 1123]; 12. bis 15. Jahrhundert [Benediktinerinnenkloster Friedenweiler, Grafen von Fürstenberg, Schweizer Eidgenossenschaft]; 16. bis 17. Jahrhundert [Bauernkrieg, Fürstenberger, Zisterzienserinnen in Friedenweiler]; 17. Jahrhundert bis zur Säkularisation [Kriege des 17./18. Jahrhunderts, Streitigkeiten um Rudenberg, Fürstenberger, Säkularisation]; 19. und 20. Jahrhundert [Großherzogtum Baden, badische Revolution, Weltkriege, Baden-Württemberg], die Dorfentwicklung vom Mittelalter bis in die Moderne [mittelalterlich-frühneuzeitliche Grundherrschaft und Leibeigenschaft, Höfe als Erblehen, Höfe und Wohnhäuser], die Entwicklungen hauptsächlich ab dem 19. Jahrhundert (Schulwesen, Flurbereinigung, Kriege, Vertriebene und Flüchtlinge), Sagen und Erzählungen, die Kirchengeschichte, Vereine (Feuerwehr, Kirchenchor, Vinzensiusverein, Musikverein, Narrenverein, Veteranenverein, Jagdgenossenschaft, Sportverein, Armenfond), Gewerbe (Geigenbau, Hinterglasmalerei, Uhrenhandwerk/-handel, Erwerbsmöglichkeiten in der Industrie [Papier-, Schraubenfabrik], Landwirtschaft, Schlachthaus, Gasthäuser), Höfe in Rudenberg (in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts), Natur und Landschaft (Geografie, Geologie, Gewässer, Vegetation, Wald), Haus- und Höfechronik (Knöpflehof, Thebisenhof, Josefenhof, Straube, Josefenhisli, Gasthaus "Sternen", Äußerer Hof, Michelishof, Freie Kaspar's, Kirnerhof, Lickerte, Knöpfle, Schlegelhof, Pauli-Wirt, Lochhisli, S'Gschtellerhisli, [Wiesenhof], Schulhaus, S'Kerne, Knöpfles, Murerhisli, Rothisli, Junge, [Jokelhof], Josenhof, Heptinge, Schlegel, Löffler, Bauknechte, Brunner, Jokelhisli, Schlössle, Schlössle, Berghof, Baders, Wehrles, Dolde, S'Freie, Herchers, Lochenbach, Winterhalder, Waldvogel, [Schafhof]). [Buhlmann, 12.2011]

Rudolf I. von Habsburg, römisch-deutscher König: Der Sohn des Grafen Albrecht IV. von Habsburg (1211-1239) und der Heilwig von Kiburg wurde am 1. Mai 1218 geboren. Als Anhänger der Staufer stand Rudolf auf der Seite Konrads IV. (1237/50-1254) und Konradins (Italienzug 1267/68). Seit 1239 war Rudolf Graf von Habsburg. Am 1. Oktober 1273 wurde Rudolf von den Kurfürsten in Frankfurt zum König gewählt; die Krönung fand am 24. Oktober in Aachen statt. Damit hatte sich Rudolf gegen den böhmischen König und mächtigen Territorialfürsten Ottokar II. (1253-1278) durchgesetzt. In dem daraufhin ausbrechenden Konflikt (1276) blieb wider Erwarten Rudolf der Sieger (Schlacht bei Dürnkrut auf dem Marchfeld, 26. August 1278); Ottokar fiel, und Rudolf konnte Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain für die Habsburger gewinnen. Der König hatte damit eine starke Hausmacht, was sich auch vorteilhaft auf seine Revindikationen (Zurückgewinnung von Reichsgut) und auf seine Politik bzgl. der sich ausbildenden Reichsstädte auswirkte. Alles in allem gelang es also Rudolf mit den Mitteln der Städte- und Friedenspolitik, der Verwaltungsneuordnung (Landgutvogteien) und der Stärkung der habsburgischen Hausmacht, das Königtum machtpolitisch wieder zu festigen. Indes verweigerten die Kurfürsten Rudolf die Wahl seines Sohnes Albrecht (I.) zum Nachfolger. Und so starb der Habsburger am 15. Juli 1291, ohne dass sein Sohn ihm im Königtum nachgefolgt wäre oder er die Kaiserwürde erlangt hätte. Rudolf liegt im Dom zu Speyer begraben.
An Literatur zu König Rudolf I. seien genannt: Franzl, Johann (1986), Rudolf I. Der erste Habsburger auf dem deutschen Thron, Graz-Wien-Köln 1986, 309 S., DM 50,-; Krieger, Karl-Friedrich (2003), Rudolf von Habsburg (= GMR), Darmstadt 2003, VII, 294 S., € 24,90; Schneidmüller, Bernd (Hg.) (2019), König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter, Darmstadt 2019, 512 S., Schwarzweißabbildungen, € 64,- (mit den Beiträgen: Bernd Schneidmüller, König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter. Eine Einführung; Bernd Schneidmüller, Rudolf von Habsburg. Geschichtem vom Regieren im Reich und vom Sterben in Speyer; Die Erneuerung der Königsgewalt im Reich: Martin Kaufhold, Ehre und Wiederherstellung des Reiches: Neue Instrumente der Königspolitik unter Rudolf von Habsburg; Martina Stercken, Herrschaft gestalten. Die Anfänge der Habsburger; Andreas Büttner, das riche im Besitz der Habsburger? Königtum und Reichskleinodien unter Rudolf, Albrecht und Friedrich (1273-1324); Herrschaftsräume und Aufstieg der Habsburger zur europäischen Dynastie: Christina Lutter, Die Habsburger und Österreich (13. bis 15. Jahrhundert); Dieter Speck, Der habsburgische Herrschaftsraum am Oberrhein (vorderösterreichische Lande) und die Eidgenossenschaft; Julia Hörmann-Thurn und Taxis, Heirat als politisches Instrument. Die habsburgischen Ehen im 13. und 14. Jahrhundert; Christian Lackner, Die habsburgischen Universitätsgründungen im Spätmittelalter; Skulptur und Grablege im Dom zu Speyer: Matthias Müller, Das Stirnrunzeln des Königs. Rudolfs von Habsburg vermeintliches Grabbildnis im Speyerer Dom als interpretatorische Herausforderung; Gabriele Köster, Der Dom zu Speyer als Memorialort des Reiches um 1500. Noch einmal zum unvollendeten Kaiserdenkmal Maximilians I. für den Speyrer Dom; Speyer, das Reich und die Habsburger: Manuel Kamenzin, Wie es einem König gebührt? Die Beisetzung Rudolfs I. in Speyer in der Tradition königlicher Grablegen des 13./14. Jahrhunderts; Gerhard Fouquet, Königliche Klienten - die Speyerer Kirche in der Zeit Rudolfs von Habsburg; Kurt Andermann, König Rudolf von Habsburg und die Stadt Speyer; Benjamin Müsegades, Der Speyerer Dom und seine Patrone im Mittelalter; Alexander Schubert, Auferstehung der mittelalterlichen Herrscher? Die Habsburger im Museum; Habsburg auf dem Weg zur Weltmacht: Martin Kintzinger, Das habsburgische Kaisertum im Spätmittelalter. Erfolg im zweiten Versuch; Julia Burkhardt, Ostmitteleuropa als politische Region: Österreich, Ungarn und Böhmen im 15. Jahrhundert; Klaus Oschema, Wege des Hauses Habsburg in den Westen Europas 1477 bis 1519; Claudia Märtl, Habsburger und Osmanen bis zum Ende der Zeit Maximilians I. (†1519); Heinz-Dieter Heimann, Plus ultra? Von Kaiser Karl V. zu König Rudolf I. von Habsburg. Habsburgs Aufbrüche in die Welt, das Scheitern imperialer Weltherrschaft Kaiser Karls V. und die Zeichen dynastischer Erinnerungsbeahuptung bis zu Kaiser Franz Joseph I. von Österreich am erneuerten Dom zu Speyer). [Buhlmann, 1986ff, 01.2013, 08.2021]

Rübesamen, Hans Eckart, Ander, Leonore (1985), Glacier Express. Die Traumreise im langsamsten Schnellzug der Welt, Augsburg 1998 > E Eisenbahn(en) in Mitteleuropa

Rück, Peter (1966), Die Urkunden der Bischöfe von Basel bis 1213 (= QFBG 1), Basel 1966, XIV, 310 S., DM 19,-. I. Das in die spätrömische und fränkische Merowingerzeit zurückreichende Bistum Basel besaß in der Karolingerzeit (8./9. Jahrhundert) eine Reihe bedeutender Bischöfe. Als Grenzstadt zwischen dem Königreich Burgund und dem Ostfrankenreich überstand Basel eine "Zeit der Wechsel und Wirren" (9./10. Jahrhundert), um 1006/33 (zusammen mit Burgund) an die ostfränkisch-deutschen Herrscher zu gelangen (Kaiser Heinrich II. [1002-1024] in Basel). Das Basler Bistum war südlich des Hochrheins und im südlichen Elsass vertreten, auch das rechtsrheinische Basler Vorfeld gehörte zum Einflussbereich der Basler Bischöfe. II. Die überlieferten (Aussteller-) Urkunden der Basler Bischöfe setzen dann mit einer Urkunde Bischof Adalberos II. (v.999-1025) betreffend das Frauenkloster Sulzburg ein (1010). Es folgen die Bischöfe: Udalrich (1025-1040; -), Theoderich (1040-1056; -), Bernger (1057-1072; -), Burkhard von Fenis-Neuchâtel (1072-1107; Urkunden aus dem Umfeld des Investiturstreits: Ulrich von Cluny und Zell [1087], Gründung und Schenkungen an das Kloster St. Alban in Basel als Cluniazenserpriorat [1096/1105]), Rudolf von Homburg (1107-1122; Urkunden betreffend das Kloster St. Blasien [1113], die Kirche St. Leonhard in Basel [1118], das Stift St. Dié [1122]), Berthold von Neuenburg (1123-1133; -), Adalbero III. (1133-1137; Urkunden betreffend das Chorherrstift St. Leonhard in Basel [1135?], die Gründung des Klosters Lützel [1136], das Kloster Prüm [1136]), Ortlieb vom Froburg (1137-1164; Urkunden für das Kloster Lützel [1139/59], die Martinskapelle in Egisheim [1145], das Kloster Schönthal [1145/52], das Kloster Bellelay [ca.1146], das verlegte Kloster Alspach [1149], das Nonnenkloster Feldbach [1156?], das Kloster Beinwil [1156], das Kloster Sulzburg [1157]), Ludwig II. (1164-1179; Urkunden für das Kloster Feldbach [1168], die Basler Kirche [1169], das Kloster Seewen [ca.1174], das Kloster Bellelay [1175]), Hugo v. Hasenburg (1179-1180; -), Heinrich I. von Hornberg (?) (1180-1190; Urkunden für das Kloster Maursmünster [1180], die Kirche St. Ursanne [1180/90], das Kloster Bellelay [1180/90], betreffend einen Vergleich zwischen den Klöstern Pairis und Gregorienthal [1183], für das Priorat Zell [1183], für das Basler Kloster St. Alban [1184], für das Kloster Lieucroissant [1189]), Lütold I. von Aarburg (1191-1213; Urkunden für das Kloster Steinbach [1191/1202], die Basler Kirche [1190/1210], das Basler Kloster St. Alban [1192/1213], das Kloster Lützel [1193], hinsichtlich der Pfarrei Hohenkirch [1194], für das Kloster St. Ursanne [1200/10], das Basler Kloster St. Leonhard [1205/06], das Kloster Murbach [1207]). Untersucht werden die Bischofsurkunden als Ausfluss einer "bischöflichen Kanzlei", aber auch als Empfängerausfertigungen (Aussteller-, Empfängerprovenienz) nach Schrift (Minuskel, Majuskel) und äußerlichen Merkmalen (Pergament, Format, Linierung, Raumaufteilung), nach den auftretenden Bischofssiegeln (ab Adalbero II.; Basler Domkapitel als Mitsiegler; aufgedrückte und anhängende Siegel [Umschrift, Siegelbild]), nach den inneren Urkundenmerkalen (Urkunde als carta, pagina, scriptum, litterae, als privilegium, publicum instrumentum, instrumentum legitimum, pagina constitutionis; lateinische Sprache; juristische und rhetorische Formelhaftigkeit; Urkundenformular [Invocatio, Intitulatio/Devotio, Inscriptio, Pflicht-/Lohn-/Schriftlichkeitsarenga, Publicatio, Narratio/Dispositio, Zeugen, Corroboratio, Sanctio, Datierung, Apprecatio]). [Buhlmann, 10.2021]

Rückert, Peter (2007), Von der Burgkapelle zur Stiftskirche. Anfänge der Wertheimer Kirchengeschichte, Wertheim 2007, 31 S., Farbabbildungen, Karten, € 3,-. Die Kirchengeschichte Wertheims a.d. Tauber wurzelt im Mainfranken der Merowinger- und Karolingerzeit (Martinskirche in Gamburg [7./8. Jahrhundert], Bistum Würzburg [8. Jahrhundert, Mitte]). Erst ab dem 11./12. Jahrhundert sind Einzelheiten zur Kirchenorganisation an den unteren Tauber bekannt (Würzburger Kirche, Zentralort Kreuzwertheim und dortiger Markt [1009]; Grafen von Wertheim [1003]). 1136 übergab Bischof Embricho von Würzburg (1125-1146) Kirche und Pfarrei Kreuzwertheim, die hier erstmals genannt werden, sicher aber einige Jahrhunderte zurückreichen, dem Chorherrengemeinschaft Triefenstein; im Verlauf des hohen Mittelalters wurden die Kreuzwertheimer Filialkirchen Altfeld, Michelrieth und Röttbach selbstständige Pfarrkirchen; Patronzinium der Kreuzwertheimer Pfarrkirche war das Heilig-Kreuz-Patrozinium. Gegenüber von Kreuzwertheim lag am südlichen Ufer des Main und am Zusammenfluss von Tauber und Main der Ort Wertheim als suburbium und Markt-, Handwerker- und Kaufleutesiedlung unterhalb der Burg der Grafen von Wertheim (12. Jahrhundert). Kirchlich gehörte Wertheim zur Pfarrei des weiter südlich an der Tauber gelegenen Reicholzheim, die Wertheimer Filialkirche stand am Markt der planmäßig errichteten Stadt Wertheim. Zu 1192 wird ein Reicholzheimer Pfarrer Rugger erwähnt und eine pfarreiliche Abgabe der Einwohner von Wertheim (Beschluss einer Würzburger Synode); Rugger wird damals die Tochterkirche in Wertheim seelsorgerisch mitbetreut haben. Zu 1264 war die Wertheimer Stadtkirche Ort der Verleihung eines Privilegs Graf Poppos IV. von Wertheim (1264-1278) an die Johanniterkommende Mosbach-Neckarelz, zu 1266 wird ein rector scolarum ("Schulmeister" mit der Wertheimer Kirche in Verbindung gebracht. Daneben gab es eine Burgkapelle der Grafen von Wertheim mit gräflichem Kaplan und Pankratius-Patrozinium; die Burgkapelle war mit der (frühromanischen) St. Vitus-Pfarrkirche in Eichel vereinigt, einer gräflichen Eigenkirche aus dem beginnenden 12. Jahrhundert (Saalkirche mit quadratischem Turm, romanisches Tympanon [Schaf und Wolf]). An der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert besaß die Wertheimer Stadtkirche den Status einer Pfarrkirche zusammen mit der Reicholzheimer im Pfarrbezirk Wertheim-Reicholzheim (Ablassbrief von 1295: ecclesia parrochialis sancte Marie virginis, Marienpatrozinium, Kirchenbau) und entsprechend der Aufgliederung der Reicholzheimer Mutterpfarrei in selbstständige Pfarrbezirke (Sachsenhausen 1297, Waldenhausen 1317, Urphar 1325). In der Pfarrei Wertheim-Reicholzheim wurde die Pfarrkirche in Wertheim tonangebend. Im 14. Jahrhundert bestand die Wertheimer Sakrallandschaft aus: Pfarrkirche, Burgkapelle, Kapellen innerhalb der Stadt (Elisabeth-, Lorenzkapelle), Spital, Synagoge. Die Krise des mit den Grafen von Wertheim eng verbundenen Zisterzienserklosters Bronnbach (als Wertheimer Gründung und Grablege sowie unter Wertheimer Vogtei) nach der Mitte des 14. Jahrhunderts nutzte Graf Johann I. (1373-1404) zur Unterstellung der Wertheimer Pfarrkirche unter das Kloster (päpstliche Inkorporationsurkunde 1378) bei Ausformung der Pfarrkirche zu einer Stifskirche, an der insgesamt zehn Weltgeistliche (darunter der Pfarrer bzw. dessen Vikar) den Gottesdienst feiern sollten (1383/84). Damit verbunden war der architektonische Um- und Ausbau der Pfarrkirche (Langhaus, Chor [1388], Stifterdenkmal Graf Johanns I. [ca.1400], Heilig-Geist-Kapelle [1406] im neuen Kirchturm, Tumba Graf Johanns I. [1407], Vorhalle). Die endgültige Ausformung der Pfarrkirche zu einem Kollegiatstift geschah unter Johanns I. Sohn Johann II. (1407-1444). [Buhlmann, 03.2017]

Rückert, Peter, Planck, Dieter (Hg.) (1999), Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland. Politik, Kunst und Liturgie im Umfeld des Klosters Maulbronn (= OS 16), Stuttgart 1999 > M Maulbronn

  Rückert, Peter, Schwarzmaier Hansmartin (Hg.) (2001), 850 Jahre Kloster Herrenalb. Auf Spurensuche nach den Zisterziensern (= OS 19), Stuttgart 2001, 240 S., Schwarzweiß-, Farbtafeln, Karten, € 14,95. I. Das hochmittelalterliche zisterziensische Mönchtum verbreitete sich durch die Vielzahl seiner damaligen Klostergründungen (Hansmartin Schwarzmaier, Die Zisterzienser in der Welt des 12. Jahrhunderts), so auch in Bezug auf das Männerkloster Herrenalb, dessen Gründung im oberen Albtal im Nordschwarzwald in dünn besiedeltem Waldland erfolgte. Gemäß einer Gründungsurkunde fand die Stiftung der Mönchsgemeinschaft Alba (dominorum) im Jahr 1148 statt; Stifter waren der Adlige Berthold III. von Eberstein und dessen Ehefrau Uta. Die Zisterze verfügte über einen umfangreichen ihr zugewiesenen Klosterbezirk entlang der Alb (Peter Rückert, Das Albtal im 12. Jahrhundert. Eine zisterziensische Einöde?). In der Folge gelang dem Kloster der Aufbau einer umfangreichen Großgrundherrschaft, die neben der Klosterumgebung zusammenhängenden Besitz und Streu- und Fernbesitz um die Pflegen und Kellereien Bruchsal, Derdingen, Enzklösterle (Kloster), Langensteinbach (Kloster), Malsch, Merklingen und Ottersweier, auch Besitz in den Städten Calw, Durlach, Eppingen, Gernsbach, Kuppenheim, Pforzheim, Weil der Stadt usw. umfasste sowie über inkorporierte Pfarrkirchen z.B. in Göbrichen, Ittersbach, Nußbaum, Simmozheim, Spramtal, Wolmarsbüren oder auch über Ortsherrschaften verfügte. Seine größte Ausdehnung erreichte die Herrenalber (Renten-) Grundherrschaft um die Mitte des 15. Jahrhunderts; damals war die hochmittelalterliche Grangienwirtschaft schon vielfach aufgegeben worden (Kurt Andermann, Zur Besitz- und Wirtschaftsgeschichte des Klosters Herrenalb; Johannes Wilhelm, Der Amtshof des Klosters Herrenlab in Oberderdingen). Der Einfluss der Ebersteiner blieb auch im 13. Jahrhundert noch spürbar (Ebersteiner Grablege in Herrenalb), ab 1289 wurde das Kloster durch die badischen Markgrafen bevogtet (Kenotaph Bernhards I. von Baden), ab 1338 gab es eine württembergische Schirmherrschaft über die Zisterze (Renate Neumüllers-Klauser, Stifter - Schirmer - Mönche. Mittelalterliche Inschriften im Kloster Herrenalb). Zeitweise galten Kloster und (engeres) Klosterterritorium im späten Mittelalter als reichsunmittelbar (Aufforderung zur Befestigung des Klosters durch König Ruprecht [1400-1410] 1403, Nennung Herrenalbs in den Reichsmatrikeln), doch verlor die Zisterze die Reichsunmittelbarkeit in der Folge eines Vogteistreites mit Württemberg (1496/97) bzw. spätestens mit der Einführung der Reformation durch Herzog Ulrich von Württemberg (1498-1550) (1535). Katholische Restitutionen gab es in der Folge von Augsburger Interim (1548) und Restitutionsedikt (1629), doch gelangte das Kloster Herrenalb, das 1643 durch schwedische Truppen zerstört wurde, immer wieder zurück unter württembergische Herrschaft (evangelische Klosterschule 1555/95) (Hermann Ehmer, Die Reformation in Herrenalb. Das Ende des Klosters und der Versuch eines Neubeginns). II. Geistig-kulturell entfaltete das Kloster Herrenalb (gerade) im (hohen) Mittelalter seine Wirkung (Volker Himmelein, Beiträge zur Herrenalber Kunstgeschichte; Felix Heinzer, Herrenalb - Frauenalb - Lichtenthal: Spurensuche in einem bibliotheksgeschichtlichen Dreieck; Paula Väth, Das Herrenalber Gebetbuch; Ulrich Köpf, Zisterziensische Spiritualität im Kloster Herrenalb?). Bauernkrieg (1524/25) und Dreißigjähriger Krieg (1618-1648) haben dabei den mittelalterlichen Baubestand des Klosters weitgehend zerstört (teilweise noch erhalten: romanisches Paradies, spätmittelalterlicher Chor [1428; evangelischer Kirchenbau des 18. Jahrhunderts]) (Johannes Wilhelm, Kloster Herrenalb als Denkmal). III. Nicht nur als geografisches Gegenüber fungierte im Mittelalter das Zisterzienserinnenkloster Frauenalb (Alba dominarum), Herrenalb ziemlich benachbart. Auch Frauenalb war eine Gründung der Herren von Eberstein (ca.1180/85) und ergänzte somit die Ebersteiner "Klosterlandschaft". Ein päpstliches Schutzprivileg von 1193 führt u.a. den Besitz des Nonnenklosters auf, der sich in der unmittelbaren Umgebung der Gemeinschaft zu einer zusammenhängenden Grundherrschaft verdichten sollte. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts verfügten die Markgrafen von Baden (mit den Grafen von Eberstein) über die Vogtei über Frauenalb. Im Zusammenhang mit der Oberbadischen Okkupation (1594) wurde das Kloster aufgehoben, 1631 die nunmehr wieder katholische gewordene Frauenkommunität durch Nonnen des Klosters Urspring besiedelt. Im 17. und 18. Jahrhundert erlebte das "freiadlige Frauenstift" Frauenalb noch einmal eine Blütezeit (Barockisierung der Klostergebäude). In den Jahren 1802/03 wurde die Frauengemeinschaft aufgehoben, der Besitz säkularisiert (Herwig John, Frauenalb - die ergänzende Klostergründung). [Buhlmann, 02.2018]

Rüeggisberg, Benediktinerpriorat: Am Anfang der Rüeggisberger Geschichte stehen der Cluniazensermönch Ulrich von Zell (†1093) und der Adlige Liutold von Rümlingen. Nach einer allerdings gefälschten "Gründungsurkunde" König Heinrichs IV. (1056-1106) vom 27. März 1076 war es der vir illustris Liutold, der unter Zustimmung seiner Brüder und Neffen im südlich von Bern gelegenen Rüeggisberg eine Mönchsgemeinschaft stiftete, die als Priorat dem Kloster Cluny unterstellt wurde. Beteiligt an der Stiftung war auch der von Cluny neben einem Kuno entsandte Mönch Ulrich von Zell, der Liutold bei der Gründung des Priorats unter die Arme greifen sollte. Ulrich und Kuno wählten als Ort der Klostergründung also Rüeggisberg, den mons Rotgeri, aus. Kuno blieb zurück, vielleicht als erster Prior der Mönchsgemeinschaft, Ulrich kehrte nach Cluny zurück. Die Klostergründung selbst ist gegen das Jahr 1075 (1071/72?, 1074?) anzusetzen, jedenfalls vor dem 9. Dezember 1075. Denn auf diesen Tag datiert eine Urkunde Papst Gregors VII. (1073-1085) für das Kloster Cluny, die u.a. die cella quae dicitur mons Richeri ("Zelle, die Rüeggisberg genannt wird"), als Besitz des Mutterklosters aufführt. Ein Diplom Kaiser Heinrichs V. (1106-1125) vom 13. Dezember 1115 bestätigte schließlich Rüeggisberg sowie Cluny und dessen Abt Pontius (1109-1122) die gefälschte Rüeggisberger Urkunde von angeblich 1076. Damit war das Priorat von Papst und Kaiser als von Cluny abhängiges Kloster anerkannt. Es war zudem das erste Cluniazenserpriorat im deutschsprachigen Raum. In den ersten vierzig Jahren der Gründungsphase erfolgte der auch wirtschaftliche Aufbau des Priorats, Liutold von Rümlingen hatte die Mönchsgemeinschaft mit Besitz in Rüeggisberg und Umgebung ausgestattet, in das letzte Viertel des 11. Jahrhunderts fiel der Bau der romanischen Klosterkirche (und der Klostergebäude), die Klosterkirche war den cluniazensischen Hauptheiligen Peter und Paul geweiht. Liutold hatte der Mönchsgemeinschaft noch die Pfarrkirche des Ortes Rüeggisberg übertragen. Daneben lässt eine für das Priorat ausgestellte Schutz- und Bestätigungsurkunde Papst Eugens III. (1145-1153) vom 27. Mai 1148 erkennen, dass zur Anfangsausstattung der Mönchsgemeinschaft neben Rüeggisberg und Guggisberg wohl noch Besitz in Alterswil, Galteren, Hettiswil, Hötschingen, Iffwil, Kaufdorf, Konolfingen, Maggenberg, Oberwill, Plaffeien, Ried Röthenbach, Urselen, Wiler, Würzbrunnen usw. gehörte. In Alterswil und Röthenbach entstanden von Rüeggisberg abhängige Mönchszellen, in Plaffeien war ebenfalls eine Außenstation der Rüeggisberger Mönchsgemeinschaft vorhanden. Bevogtet wurden Kloster und Klosterbesitz durch die Familie des Klosterstifters, durch die Herren von Rümlingen. Im staufisch-zähringischen Gegensatz auch im nordöstlichen Burgund kam dem Kloster Rüeggisberg, gelegen zwischen den "Zähringerstädten" Freiburg im Üchtland und Bern, eine besondere Rolle in der zähringischen Machtpolitik und Kirchenherrschaft zu. Die politische Lage änderte sich nach dem Aussterben der Zähringer (1218). 1224 stellte sich das Priorat unter den Schutz Kaiser Friedrichs II. (1212-1250) und König Heinrichs (VII.) (1220-1235). Mit dem Schutz war die Klostervogtei des staufischen Königs als Hochvogtei verbunden. 1244 übertrug König Konrad IV. (1237-1254) die Vogtei an die Stadt Bern, nach dem Interregnum (1256-1273) gelangte die Hochvogtei wieder an Königtum und Reich (1275). Die Herren von Rümlingen waren weiterhin die Vögte vor Ort. Das Auf und Ab in den Beziehungen zu den Vögten zeigt weiterhin ein Kompromiss von 1325 betreffend die vogteiliche Hochgerichtsbarkeit und die Rechte des Priors und dessen Ammans. Vor 1330 verkaufte Rudolf von Rümlingen die Vogtei an den Berner Bürger Niklaus von Eschi. Die klösterliche Schutzherrschaft blieb in der Folge bei Berner Bürgern, sie wurde teilweise verpfändet. Das 13. Jahrhundert sah den Niedergang des Priorats Rüeggisberg. In den völlig zerfallenen Klostergebäuden (1259) lebte zeitweise nur ein Mönch (1273). Erst Peter von Cronay (1275, 1288/90) vermehrte zunächst als Prokurator, dann als Prior die Zahl der Mönche auf drei bis vier und ordnete die bis dahin desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse (Güterverluste und -entfremdungen) neu. Die Fehde König Rudolfs von Habsburg (1273-1291) mit der Stadt Bern (1289) schädigte das Priorat weiter, eine Visitation von 1300 enthüllte die Missstände an der Kommunität. Unter Prior Simon von Nyon (1338, 1348/49) kam es immerhin zur Instandsetzung der Klostergebäude, doch blieb die wirtschaftliche Lage angespannt, wie Verpfändungen unter Prior Peter von Treyvaux (1350, 1358/61) zeigen. Letzterer wurde wegen offenkundiger Misswirtschaft abgesetzt, sogar verhaftet und in Cluny eingekerkert. Erst unter Prior Peter von Bussy (1377, -1399) besserte sich der Zustand des Priorats; Peter stieg auf Grund seiner Verdienste zum Visitator des Mutter-klosters Cluny und der Cluniazenserprovinz "Alemannien und Lothringen" auf. Die Prioren Otto von St-Martin-du-Chene (1400-1404) und Anton (1404), die aus dem Nachbarpriorat Münchenwiler kamen, sowie insbesondere Wilhelm von Mont (1411-1440) vollendeten die Reform in Rüeggisberg, die Grundherrschaft war wiederhergestellt. Ausfluss der erfolgreichen wirtschaftlichen Sanierung war auch das Rüeggisberger Kartular von 1425, das zudem ein Zinsbuch des Priorats enthielt. Die 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts sah wiederum den wirtschaftlich-geistlichen Zerfall Rüeggisbergs. Anlässlich der Gründung des Kollegiatstifts St. Vinzenz durch die Stadt Bern konnte mit Genehmigung Papst Innozenz' VIII. (1484-1492) vom 14. Dezember 1484 indes auch das Rüeggisberger Priorat der neu konstituierten Kommunität inkorporiert werden. Das Priorat war nun St. Vinzenz unterstellt, zwischen 1484 und 1528 besaß es aber im Verband dieser Kommunität als Schaffnerei eine gewisse Selbstständigkeit. Reformation und Säkularisation brachten schließlich das Vinzenzstift und damit die Schaffnerei Rüeggisberg zu ihrem Ende (1528). Die Rüeggisberger Güter wurden nun von der Schaffnerei des Vinzenzstifts aus verwaltet, die Kirche des ehemaligen Priorats 1541 geschlossen und teilweise in eine Scheune verwandelt, die Klostergebäude abgerissen bzw. als Steinbruch genutzt.
An Literatur zu Rüeggisberg sei genannt: Buhlmann, Michael (2010), Eine Urkundenfälschung für das Benediktinerpriorat Rüeggisberg auf Grund der Vorlage eines Diploms König Heinrichs V. für die Mönchsgemeinschaft St. Georgen im Schwarzwald vom 28. Januar 1108 (= VA 51), Essen 2010, 60 S., € 4,-; Drinkwelder, Otto (1916), Das Rüeggisberger Chartular aus dem Jahr 1425, in: SMGB 37 (1916), S.64-82. [Buhlmann, 07.2010]

Rühl, Franz (1897), Chronologie des Mittelalters und der Neuzeit, Berlin 1897 > C Chronologie

Rüffer, Jens (2009), Mittelalterliche Klöster. Deutschland, Österreich, Schweiz, Darmstadt 2009, 160 S., Farbfotos, Karte, Pläne, € 19,95. Christliches Klosterleben entfaltete sich - von der christlichen Antike übernommen - auch und gerade innerhalb der mittelalterlichen Kirche (6.-15. Jahrhundert). Das Frühmittelalter schuf mit der Ausbreitung des Mönchtums im Frankenreich der Merowinger und Karolinger dazu die Voraussetzungen (Anfänge abnedländischen Mönchtums, karolingische Klosterreform und benediktinisches Mönchtum), das Hochmittelalter sah die Entstehung neuer Mönchsorden (Reformen der Cluniazenser und Hirsauer; Kartäuser, Zisterzienser, Augustinerchorherren, Prämonstratenser; Franziskaner, Dominikaner als Bettelorden). Die Orden standen für spezifische architektonische Formen im Kloster- und Kirchenbau, angefangen beim St. Galler Klosterplan benediktinischer Mönche und zuordbar der Architekturepochen der Vorromanik, Romanik und Gotik. Für das benediktinsche Mönchtum wird verwiesen auf: die Klosterinsel Reichenau (Mittelzell, Niederzell, Oberzell) und die hochmittelalterlichen Reformklöster Allerheiligen (in Schaffhausen), Alpirsbach, Hirsau, Paulinzella, Stein am Rhein, Wagenhausen (Hirsauer "Bauschule"), für den Zisterzienserorden auf: Altenberg, Chorin, Doberan, Eberbach, Heiligenkreuz, Heilsbronn, Lilienfeld, Ossegg, Riddagshausen (Liber usuum, forma ordinis, "Bernhardinischer Klosterplan"), für die Augustinerchorherren auf: Hamersleben, Lauterberg, Wechselburg, für die Prämonstratenser auf: Brandenburg, Havelberg, Jerichow, Magdeburg, Ratzeburg (Liber consuetudinum, uniformitas), für die Bettelorden auf: Esslingen, Erfurt, Königsfelden, Regensburg (Ordensvorschriften). Das am Eremitentum orientierte Gemeinschaftsleben der Kartäuser offenbart sich an den Kartäuserklöstern in Astheim, Buxheim, Nürnberg. [Buhlmann, 12.2022]

Rühl, Lothar (1990), Zeitenwende in Europa. Der Wandel der Staatenwelt und der Bündnisse, Stuttgart 1990 > K Kalter Krieg

Ruempler, Götz (2017), Tiere in der plastischen Kunst des Mittelalters, Münster 2017, 296 S., Farbfotos, € 55,-. I. Die romanische Baukunst des europäischen Mittelalters (11.-13. Jahrhundert) gestaltete ihre Kirchenbauten in Anlehnung an den Bautyp der römischen Basilika. Die Gotteshäuser erlangten dabei Gestalt und Gliederung durch Außenbauten wie Westwerk und Westtürme, Chor, Vierung und Querschiff, nach innen durch ihre Dreischiffigkeit, wobei der Innenraum durch Säulen und Pfeiler zergliedert wurde. Die im Vergleich zu den Fenstern übergroßen Mauerflächen schufen Platz für Bemalung und Verzierungen. Plastische Elemente romanischer Baukunst finden sich besonders an Türen und Portalen (Türsturz, Portalgewände, Tympanon), also am Eingangsbereich zwischen außen und innen, Profanem und Heiligem, an Kapitellen, in Krpyten und Kreuzgängen. Die mittelalterliche Plastik ist ausdrucksstark und betrifft Pflanzen, Tiere, Menschen, Misch- und Fabelwesen, weiter geometrische Symbole. Die Vielfalt der Tierplastik erstreckt sich auf die einheimisch-europäische Tierwelt, aber auch die exotische Fauna Afrikas und Asiens sowie auf Fabeltiere . Die Tiere werden dabei auch szenisch - z.B. in biblisch-christlichen Zusammenhängen - dargestellt. Dies entspricht der Tiersymbolik im spätantik-vormittelalterlichen Physiologus und in den mittelalterlichen Bestiarien. II. An Tieren finden sich in mittelalterlichen Kirchen abgebildet: Adler, Affe, Antilope, Bär, Biber, Biene, Delfin, Eichhörnchen, Eidechse und Salamander, Elefant, Esel, Eule, Falke, Fische, Flamingo, Fledermaus, Flusspferd (als Behemoth), Frosch und Kröte, Fuchs, Gans und Schwan, Geier, Hase, Hirsch, Huhn, Hund, Hyäne, Igel, Insekten, Kamel, Katze, Kranich und Storch, Krebs und Skorpion, Krokodil, Löwe, Maus und Ratte, Muschel, Nashorn, Panther, Pelikan, Pfau, Pferd, Rind, Schaf und Widder, Schildkröte, Schlange, Schnecke, Schwein (auch als "Judensau"), Specht, Strauß, Tragopa(n), Vögel, Vogelei, Wal, Wiesel und Hermelin, Wolf, Ziege und Ziegenbock, an Fabeltieren: Basislisk, Chimäre, Drache, Einhorn, Greif, Kentaur, Sirene. [Buhlmann, 08.2021]

Rüpke, Jörg (2012), Relgiöse Erinnerungskulturen. Formen der Geschichtsschreibung in der römischen Antike, Darmstadt 2012, 238 S., € 19,95. I. Erinnerung macht Geschichte. Das gilt auch dem Feld der Religion, wo die römische Antike religiöse Erinnerungskulturen stiftete. Geschichtsschreibung ist "literarische Kommunikation" ("Sitz im Leben"), entstanden nach dem Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit in der römischen Gesellschaft (3./2. Jahrhundert v.Chr.; römische Republik, Verschriftlichungs- und Professionalisierungsprozesse [Drama, Epos, Historiografie]) als Teil der römischen Literatur. II. Zu nennen sind hinsichtlich der Anfänge römischer Geschichtsschreibung und dem damit verbundenen Medien- und Kommunikationswechsel zur Schriftlichkeit die frühen römischen Epiker Naevius ("Punischer Krieg") und Livius Andronicus (Odussia) (historische Epen). Der Historiograf Titus Livius verwertete in seinen Annales, die auch die römische Geschichte des 3/2. Jahrhunderts v.Chr. betreffen, auch Informationen zu den römischen Priesterkollegien (Rex sacrorum, Flamines maiores, Pontifex maximus, Decemviri sacris faciundis, Virgines Vestales, Luperci, Fratres Arvales, Sodales Titii, Auguren, Epulonen, Salier, Fetialen usw.), die wiederum auf historiografischen Texten eines Valerius Antias (Annalen) oder Licinius Macer beruhen (könnten), auch auf Augurenlisten und pontifikalen Quellen (Annales [pontificis] maximi, Commentarii pontificum [als zeitliche Auflistung religiösen Tuns; tabula dealbata des pontifex maximus]). Gerade die Annales maximi vermittelten dabei durch P. Mucius Scaevola eine apokryph-verfälschende Sicht auf die römische Vor- und Frühgeschichte; erst ab der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts v.Chr. wurden in den Commentarii pontificum verlässliche, weil zeitgenössische Nachrichten überliefert. Zu den historiografischen Gattungen der (späten) römischen Republik gehören auch die commentarii des C. Julius Caesar, die u.a. als (parteiische) Memoirenliteratur eines römischen Politiker gelten können (Corpus Caesarianum, d.h.: Bellum Gallicum, Bellum civile, Bellum Alexandrinum, Bellum Africanum, Bellum Hispaniense). III. An Chroniken und Kalendern der entfalteten römischen Geschichtsschreibung sind dann zu nennen: die fasti als Kalender im engeren Sinn bzw. als Listen von Amtsträgern und Beamten (Konsulnlisten Fasti Antiates maiores, Fasti Capitolini [Eponymität und Eponymendatierung]; fasti im 179/73 v.Chr. erweiterten Herkulestempel von Rom), die "Geschichtsschreibung in Listenform" (Konsulnlisten ergänzt um die Namen der Zensoren, fasti mit Kriegs- und historischen Notizen [Fasti Cuprenses, Fasti Ostienses], Munizipalfasten [mit Listen auch lokaler Beamter als Magistratslisten, Fasti Arvalium, Fast Pompeiani], inschriftlich überlieferte fasti, ab urbe condita-Zeitrechnung) - daraus resultierend die spätantiken Konsulnlisten ("Consularia" in Buchform, Fasti Filocali als frühester christlicher Kalender) - die spätantiken fasti, feriale und sanctorale (römische Zeitrechnung [Augustus], Chronograph von 354, Fasti Polemii Silvii, Kalendarium marmoreum in Neapel). IV. Im Bereich der römischen Religion verband sich die Historiografie vielfach mit der rituellen römischen Götterverehrung (Varro, "Altertümer der menschlichen und göttlichen Dinge"; Tempel[stiftung] [constitutio, locatio, dies natalis templi, dedicatio, consecratio], Daten und Kalender ["Historisierung" des Kalenders; Iulius Obsequens, Liber prodigiorum], Rituale], wurde Religion seit der späten römischen Republik historisiert und in die historische Erinnerung der Römer eingebunden (Bücher des Numa; Ennius, Fasten; Varro, "Altertümer der menschlichen und göttlichen Dinge"). Aus der augusteischen Zeit überliefert ist die Rolle des rex sacrorum als "Opferkönig" und in Bezug auf den römischen Kalender ("Regifugium", Schalttag). V. Vermittelt nicht zuletzt über die Spätantike (Chronograph von 354, Kalender des Polemius Silivius 449 u.a.) entfaltete die historisch-religiös-römische Erinnerung auch in den nachfolgenden Jahrhunderten im christlichen Europa ihre Wirkung (solemnitas als Festkultur [Kalenderfeste, dies natalis als "Geburtstag"]; politische Feste, Ären und Epochen, Kirchenjahr [Gedenktage]). [Buhlmann, 11.2017]

Rüpke, Jörg (2014), Römische Religion in republikanischer Zeit. Rationalisierung und ritueller Wandel, Darmstadt 2014, 284 S., grafisches Modell, € 39,95. Die römische Religion der archaischen und frührepublikanischen Zeit lässt sich festmachen an Kultstätten, Ritualen und Priesterschaften; sie war die Religion einer einzelnen Stadt. Als Rom im Gefolge der mittleren und späten Republik zur den Mittelmeerraum beherrschenden Macht wurde (römische nobilitas und Senat), änderte sich auch die römische Religion. Veränderungen gab es vielfach bei den Ritualen und Festen (Prozessionen, Triumphzüge, ludi), die im während des 3. und 2. Jahrhunderts v.Chr. sich ausgestaltenden Raum literarischer Kommunikation (Eindringen von Schriftlichkeit, Drama, Epos) verschriftlicht und systematisiert wurden. Zudem änderte sich das römische Kalendersystem (Pontifikalkalender), in dem Religion und Recht gleichermaßen eingebunden wurden. Gerade in der Zeit der späten römischen Republik des ausgehenden 2. und 1. Jahrhunderts v.Chr. stellte sich in der römischen Religion im Zuge der Hellensierung Roms griechische Rationalität neben römische Tradition. Dabei kam der antiquarischen Betrachtung römischer Religion (Varro, Antiquitates rerum divinarum und sein System der "dreifachen Theologie") und dem Eindringen griechischer Philosophie (Cicero, De legibus, De divinatione u.a. und Religion als Teil systematischer Philosophie) eine besondere Rolle zu. Römische Religion in der späten Republik ist dann nicht von den Auseinandersetzungen innerhalb der römischen Aristokratie zu trennen (Selbstdarstellung und öffentlicher Raum, Selbstreflexion, Professionalisierung im Bereich der Schriftlichkeit). [Buhlmann, 05.2015]

Rüpke, Jörg (2016), Pantheon. Geschichte der antiken Religionen (= HB), München 2016, 559 S., Schwarzweißabbildungen, € 34,-. Religion ist jegliche Kommunikation des Menschen mit übernatürlichen Mächten (Göttern), u.a. erfassbar an der Entwicklung der römischen Religion von der frühen Eisenzeit (10. Jahrhundert v.Chr.) in Italien bis zur Spätantike des den Mittelmeerraum umfassenden römischen Weltreiches (4. Jahrhundert n.Chr.). Allgemein ist dabei zu beobachten ein Wandel von religiösem Handeln einzelner Personen hin zu institutionalisiertem religiösen Wissen, mit dem Einzelne (Priester, Gläubige u.a.) hervortraten. Religion verwandelte sich in Rituale und Wissen, dokumentierte sich in Grabanlagen, (Haus-) Altären und Tempelbauten. Die römische Religion zeichnete sich dabei immer wieder durch die Aufnahme neuer Götter aus; im römischen Kaiserreich spielte der Kaiserkult eine wichtige verbindende Rolle. Allgemein lässt sich in der Religion immer das Individuelle beachten, was sich im religiösen Handeln, in der religiösen Kommunikation und in der religiösen Identität von Personen oder Personengruppen (Glaubensgruppen) äußert. Ausfluss der genannten Aspekte sind dann etwa: die Deponierungen und Bestattungen im eisenzeitlichen Italien (9.-7. Jahrhundert v.Chr.), die Entstehung einer religiösen Infrastruktur (7.-5. Jahrhundert v.Chr.; Tempel, Altäre), religiöse Praktiken (6.-3. Jahrhundert v.Chr.; Kommunikation, Gelübde, Rituale, Kalender), Institutionalisierungen (5.-1. Jahrhundert v.Chr.; Priester[gruppen], Massenkommunikation [Spiele, Kriege], herausgehobene Kommunikation [Auspizien, Polisreligion]), die Reflexion von Religion (3.-1. Jahrhundert v.Chr.; Verschriftlichung von Ritualen, Selbst- und Fremdbeobachtung [Mythos], religiöse Systematisierung [Cicero, Geschichtsschreibung, religiöses Wissen, Autoritäten]), die Aufnahme neuer Götter (2. Jahrhundert v.Chr.-1. Jahrhundert n.Chr.; Isis, Serapis), die "Verdoppelung" von Religion (1. Jahrhundert v.Chr.-1. Jahrhundert n.Chr. als Sattelzeit; Kaiser Augustus, Restauration als Innovation [Tempel, Münzen, Kalender], religiöses Handeln und Leben [Familie, Haus, Hausgötter]), die Religion der römischen Kaiserzeit zwischen Experten und Anbietern (1.-3. Jahrhundert n.Chr.; Propheten, Religionsstifter) als imaginäre und reale Religionsgemeinschaften, als kollektive Identitäten (1.-3. Jahrhundert n.Chr.; Religionen auf der Grundlage von Texten, Erzählungen und Historisierungen [Judentum, "Erfindung" des Christentums]), das Aufkommen des Christentums (3.-4. Jahrhundert n.Chr.; Konkurrenz des Christentums zu anderen antiken Religioen [Wissen und Werbung, Ab- und Ausgrenzung, Religion und Politik]). [Buhlmann, 10.2017]

Rüschen, Johannes (1966), Hildigrim und das Kloster Werden, in: MaH 19 (1966), S.85-94 > W Werden

Rüschen, Johannes (1967), Das Kloster Werden und das Emsland, in: MaH 20 (1967), S.19-24 > W Werden

Rüschen, Johannes (1969), Das Kloster Werden im 13. Jahrhundert, in: MaH 22 (1969), S.89-94 > W Werden

Rüschen, Johannes (1969), Die Werdener Äbte des Mittelalters, in: MaH 22 (1969), S.94f > W Werden

Rüschen, Johannes (1969), Das Kloster Werden im 14. Jahrhundert, in: MaH 22 (1969), S.182-186 > W Werden

Rüschen, Johannes (1970), Das Kloster Werden vom ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges, in: MaH 23 (1970), S.121-128 > W Werden

Rüth, Bernhard, Zekorn, Andreas (Hg.) (2001), Graf Albrecht II. und die Grafschaft Hohenberg, Tübingen 2001 > H Hohenberg

Rüttgers, Julia (2020), Jesus Christus (= stark Abitur-Wissen: Religion), o.O. 2020 > J Jesus Christus

Ruffié, Jacques, Lieben und Sterben. Zur Evolution von Sexualität und Tod, Reinbek 1990 > L Liebe und Sexualität

Ruge, Gerd (1991), Der Putsch. Vier Tage, die die Welt veränderten (= Fischer Tb 11271), Frankfurt a.M. 1991 > S Sowjetische Geschichte

Runciman, Steven (1965), Die Eroberung von Konstantinopel 1453 (= BS), München 1969 > K Konstantinopel: Eroberung (1453)

Rupert von Deutz, Benediktinermönch im Kloster St. Laurentius in Lüttich, Abt des Benediktinerklosters Deutz (1120/21-1129): Rupert, geboren wohl 1076 bei Lüttich, puer oblatus, Novize und Mönch im Lütticher Benediktinerkloster St. Laurentius unter Abt Berengar (1077-1116), stand im Investiturstreit (1075-1122) auf Seiten der Kirchenreformer gegen den Lütticher Ortsbischof Otbert (1091-1119), wie seine polemischen Carmina de sancto Laurentio, verfasst im Exil (1095), zeigen. Zweifel und Depressionen prägten die Persönlichkeit Ruperts am Anfang des 12. Jahrhunderts, bis mystische Erfahrungen vor dem Hintergrund der Einführung der cluniazensischen Klosterreform in St. Laurentius (1106) Rupert nun doch zum Priester werden ließen (1108) und damit die literarisch produktivste Zeit des Mönchs einleiteten. So entstanden De divinis officiis (1108/12), De sancta Trinitate et operibus suis, De victoria Verbi Dei u.a. Ab 1120/21 war Rupert Abt des Benediktinerklosters St. Maria und Heribert in Deutz. Der Klosterleiter starb am 4. März 1129.
An Quellen und Literatur zu Rupert von Deutz seien erwähnt: Rupert von Deutz, De divinis officiis. Der Gottesdienst der Kirche. Lateinisch-Deutsch, hg. v. Helmut u. Ilse Deutz (1999), 4 Tlbde. (= Fontes Christiani, Bd.33,1-4), Freiburg-Basel-Wien 1999 > F Fontes Christiani; Rupert von Deutz, Lesungen über Johannes. Der geistige Sinn seines Evangeliums, übers. v. Ferdinand Edmunds u. Raban Haacke (1977) (= Occidens, Bd.1), 2 Tle., Trier 1977, 952 S., DM 49,80; Rupertus abbas Tuitiensis, De victoria verbi Dei, hg. v. Rhaban Haacke (1970) (= MGH. Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters, Bd.5), Weimar 1970, LIX, 474 S., DM 36,- > Lateinische Literatur > R Rupert von Deutz; Arduini, Maria Lodovica (1987), Rupert von Deutz (1076-1129) und der "Status christianitatis" seiner Zeit. Symbolisch-prophetische Deutung der Geschichte (= AKG, Beih.25), Köln-Wien 1987, XI, 504 S., DM 64,-; Grundmann, Herbert (1966), Der Brand von Deutz 1128 in der Darstellung Abt Ruperts von Deutz. Interpretation und Textausgabe, in: DA 22 (1966), S.385-471. [Buhlmann, 07.2015]

Rupert von Ottobeuren, Benediktinermönch und Abt: Rupert von Ottobeuren (†1145) war Prior im Kloster St. Georgen im Schwarzwald, ab 1102 Abt von Ottobeuren, wo der bedeutende Klosterreformer nach seinem Tod als Heiliger verehrt wurde. Mittelalterlicher Überlieferung zufolge soll Rupert 120 Jahre alt geworden sein, der Ottobeurer Abt starb am 15. August 1145 wohl im hohen Alter und wurde vielleicht um die Mitte des 11. Jahrhunderts geboren wurde. Wo Ruperts geistliche Laufbahn begann - ob er als Oblate einem Benediktinerkloster "übergeben" wurde oder ob er zur Erziehung an ein Kanonikerstift gelangte -, kann nicht ermittelt werden; eine Rupertsvita, die es gegeben haben muss, ist nicht überliefert. Hinsichtlich der Herkunft Ruperts stellt die historische Forschung den Ottobeurer Abt zur schwäbischen Adelsfamilie der Herren von Ursin bzw. Irsee (bei Kaufbeuren), den späteren Grafen von Ursin-Ronsberg. Seit Anfang des 11. Jahrhunderts waren die Herren von Ursin Vögte des Klosters Ottobeuren, der Name "Rupert" kommt hier als Leitname vor. Die Herren von Ursin hatten im Übrigen nicht nur Verbindungen zu den Welfen, sondern auch nach Hirsau und St. Georgen. Auch von daher kann die Einordnung des Ottobeurer Abts Rupert in die Ursiner Adelsfamilie Bestätigung finden. Der Gründungsbericht des St. Georgener Klosters erwähnt anlässlich des Eingreifens Abt Wilhelms von Hirsau (1069-1091) im Vorfeld der St. Georgener Klostergründung bzw. der Verlegung der zu stiftenden Mönchsgemeinschaft von Königseggwald nach St. Georgen (1084) einen Hirsauer Mönch Rupert, der vielleicht mit dem späteren Abt identisch ist. Denkbar ist in der Tat, dass Rupert gemeinsam mit dem St. Georgener Abt Theoger (1088-1119) in Hirsau gelebt hat, was das spätere intensive Vertrauensverhältnis zwischen den beiden erklärt. Theoger, zuvor Prior im Hirsauer Priorat (Kloster-) Reichenbach, wurde dann im Jahr 1088 Abt von St. Georgen, Rupert könnte mit Theoger nach St. Georgen gekommen sein, gehörte jedenfalls vor 1102 dem dortigen Mönchskonvent an. Als Mönch des Schwarzwaldklosters hat Rupert dann die mitunter schwierige Aufbauphase erlebt, die die Mönchsgemeinschaft in St. Georgen zu meistern hatte, als Prior, als Zweiter nach dem Abt und dessen Stellvertreter, unterstützte er Theoger in jeder erdenklichen Weise bei den inneren und äußeren Angelegenheiten des Klosters. Der Wechsel Ruperts von St. Georgen nach Ottobeuren wurde von dem Ottobeurer Vogt Rupert (von Ursin) initiiert und erfolgte mit Einwilligung Theogers im Jahr 1102. Rupert war der erste St. Georgener Mönch, der Abt in einem anderen Kloster wurde, um dort die "monastische Ordnung wiederherzustellen", eine Ordnung im Sinne der damaligen Partei der Kirchenreformer im Investiturstreit (St. Georgener Klosterreform). Ottobeuren war - so will es die Überlieferung aus der Sicht der Kirchenreformer - vor der Ankunft Ruperts ein zerrissener Konvent, sein Abt Heinrich I. (1100-1102) ohne Durchsetzungsvermögen. Mit der erfolgten Wahl des St. Georgener Mönchs zum Ottobeurer Abt, mit der Zustimmung des Konvents zu Rupert aus St. Georgen begann die über 40-jährige Regierungszeit eines Abtes, der sein Kloster im Sinne der St. Georgener Reform umformte und - so scheint es - die Mönchsgemeinschaft dadurch auf eine neue Grundlage stellte. Rupert organisierte das monastische Leben in Ottobeuren neu, füllte den Konvent mit Mönchen aus anderen (Reform-) Klöstern auf, stellte neben die Vollmönche die Laienbrüder und gründete in Ottobeuren eine Frauengemeinschaft. Ottobeurer Skriptorium und Malschule nahmen sicher mit den Reformen einen neuen Anfang. Eine Folge der neuen klösterlichen Disziplin war die wirtschaftliche Gesundung der Ottobeurer Mönchsgemeinschaft, die durch Schenkungen hauptsächlich von Seiten Adliger ihren Grundbesitz massiv erweitern konnte. Eine Folge der erweiterten wirtschaftlichen Grundlagen war auch die Vollendung des Klosterneubaus in Ottobeuren. Begonnen hatte der Um- bzw. Neubau der Klosteranlage zur Zeit Abt Adalhelms (1082-1094), zu Allerheiligen 1121 erfolgte die Weihe durch die Bischöfe Ulrich I. von Konstanz (1110-1127) und Hermann von Augsburg (1096-1133). Offensichtlich erwies sich das Zusammengehen von Abt und Vogt als tragfähige Grundlage für die Reform des Klosters Ottobeuren. Rupert war damit keiner der Kirchenreformer, die jeglichen weltlichen Einfluss auf eine geistliche Institution ausschließen wollten, vielmehr handhabte er die Reform seines Klosters eher pragmatisch und hatte damit offensichtlich Erfolg. Die vermuteten Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Abt und Vogt spielten dabei sicher eine herausragende Rolle und führten dazu, dass sich der Einfluss der Vögtefamilie auf Ottobeuren festigte bzw. noch steigerte. Unklar bleibt weitgehend, wie sich Abt Rupert im Kräftedreieck zwischen Abtei, Bistum und Königtum verhalten hat, verhalten konnte. Das Kloster Ottobeuren war eine königliche Abtei, doch ist eine verstärkte Einflussnahme des Augsburger Bischofs seit dem [[10. Jahrhundert]] nachweisbar. Das Königtum schied wegen des Investiturstreits weitgehend hinsichtlich einer eventuellen Einflussnahme auf die Mönchsgemeinschaft aus, doch stand das Bistum Augsburg unter der Leitung des königstreuen Bischofs Hermann. Offenbar hat es Abt Rupert aber weitgehend verstanden, das Kloster vor gegenreformerischen Kräften zu schützen und die St. Georgener Reform durchzuführen, sich nicht zuletzt stützend auf die Vögtefamilie der Herren von Ursin. Die "Ottobeurer Chronik" (Chronicon Ottenburanum) vermittelt noch etwas von der Heiligmäßigkeit Abt Ruperts. Sie erwähnt seine nicht auf uns gekommene Lebensbeschreibung, die wiederum die von Rupert bewirkten Wunder aufgeschrieben hatte. Sie erwähnt das Charisma Ruperts, der Ottobeuren zum Anziehungspunkt von "viel Volk" machte. Der Tod des charismatischen Abtes im Jahr 1145 blieb daher in den Kreisen des Mönchtums nicht unbeachtet. Den Ottobeurer Mönchen galt Rupert als "außergewöhnlicher Vater des ganzen Ortes, ein ausgezeichneter Verursacher von Wundern", wie ein Eintrag im Nekrolog des Klosters zum 15. August formuliert. Die Verehrung Ruperts als Heiliger setzte im Kloster Ottobeuren unter dem nachfolgenden Abt Isingrim (1145-1180) ein. Unter Isingrim wurde mit der Ottobeurer Chronik begonnen, wohl auch die verloren gegangene Rupertsvita aufgeschrieben. Das Ottobeurer Graduale (12. Jahrhundert) enthält Miniaturen der Äbte Rupert und Isingrim. Im Jahr 1270 wurden die Gebeine Ruperts in die Abteikirche überführt. Rupert prägte nicht nur durch seine lange Amtszeit als Abt also intensiv die Geschichte Ottobeurens im 12. Jahrhundert und darüber hinaus.
Zu Rupert von Ottobeuren s.: Buhlmann, Michael (2006), Rupert, Mönch aus St. Georgen, Abt von Ottobeuren (†1145), in: Der Heimatbote 17 (2006), S.4-14; Schwarzmaier, Hansmartin (1996), Abt Rupert von Ottobeuren (1102-1145) und seine Zeit, in: SMGB 107 (1996), S.299-317. [Buhlmann, 06.2006, 09.2015]

Rupf, Philipp E. (2004), Das Zisterzienserkloster Tennenbach im mittelalterlichen Breisgau. Besitzgeschichte und Außenbeziehungen (= FOLG 48), Freiburg i.Br.-München 2004 > T Tennenbach

Russell, Bertrand, britischer Philosoph und Mathematiker: Bertrand Russell (*1872 in Chepstow, †1970 in Penrhyndendraeth) lehrte nach dem Studium der Mathematik und Sozialwissenschaften als Professor in Harvard, Oxford, Lonbdon, Peking, Chicago und Los Angeles. Er erhielt 1950 den Nobelpreis für Literatur. Schon im Ersten Weltkrieg (1914-1918) sprach er sich für die Kriegsdienstverweigerung aus, nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) gegen die atomare Aufrüstung und den Vietnamktrieg. Bekannt wurde er nicht zuletzt durch seine breit gefächerten Publikationen: Principia mathematica (1910/13, zusammen mit Alfred North Whitehead), Einführung in die mathematische Philosophie (1919), Analyse des Geistes (1921), Das naturwissenschaftliche Zeitalter (1931), Philosophie des Abendlandes (1946), Gesunder Menschenverstand und Atomkrieg (1954) usw.
An Publikationen Russells sei genannt: Russell, Bertrand (1930), Eroberung des Glücks. Neue Wege zu einer besseren Lebensgestaltung (= st 389), Frankfurt a.M. 142004, 174 S., Zeittafel, € 7,- (unter Betrachtung der Ursachen des Unglücks und des Glücks). [Buhlmann, 11.2022]

Russische Geschichte als Teil der sowjetischen Geschichte, 1917-1991: I. Entstehung: Die Sowjetunion ist entstanden aus dem russischen Zarenreich, einem "Regime der Selbstherrschaft", das während des Ersten Weltkriegs (1914-1918, als "Katalysator des Zerfalls") gerade auch an seinen inneren Widersprüchen (autokratische Herrschaft des Zaren über ein "europäisches Imperium" von der Ostsee bis Sibirien, vom Schwarzen Meer bis zur Arktis; Modernisierungen und Rückständigkeit; Ständegesellschaft [Bauern, Bürger, Intellektuelle]; Versorgungslage während des Kriegs) zerbrach. Die Februarrevolution von 1917 und die Abdankung des Zaren Nikolaus II. (1881-1917; März 1917) führten zur Bildung eines "Provisorischen Komitees" und zu insgesamt vier bürgerlichen Regierungen unter Georgi Lwow (†1925) und Alexander Kerenski (†1970) bis zur Oktoberrevolution von 1917 (provisorische Regierung in St. Petersburg, Petrograder Arbeitersowjet der Sozialrevolutionäre, Menschewiki und Bolschewiki, "Russländische Föderation" bei Abspaltung der Ukraine [Juni 1917]). Mit der Ankunft (Wladimir Uljanow) Lenins (*1870-†1924) in Russland (April 1917) begann die Radikalisierung der Bolschewiki, die sich gegen die bürgerliche Regierung wandten; diese hatte sich mit Misserfolgen im Krieg und einem versuchten Militärputsch (September 1917) auseinanderzusetzen. Die Oktoberrevolution vom 7. November (= 25. Oktober) 1917 als Putsch der Bolschewiki unter der weitgehenden Regie von Leo Trotzki (*1879-†1940) führte zur Entmachtung der "Provisorischen Regierung", wobei der 2. Kongress der Sowjets vom selben Tag als Regierung einen Rat der Volkskommissare beschloss. Lenin löste mit seinen Bolschewiki die am 8. Dezember gewählte verfassungsgebende Versammlung durch (Januar 1918), die Volkskommissare gründeten als Geheimpolizei die Tscheka (Dezember 1917), führten die gregorianische Kalenderrechnung ein (Februar 1918) und verboten die nichtbolschewistischen Parteien (bis Mitte 1918); mit dem Frieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) schied Russland aus dem Weltkrieg aus, Finnland, die baltischen Staaten, Polen, Weißrussland, die Ukraine, die transkaukasischen Staaten, Turkestan, Kasachstan verselbstständigten sich, teilweise unter deutscher Besetzung. Ab der 2. Hälfte 1918 herrschte in Russland der Bürgerkrieg zwischen den "Weißen", unterstützt von Großbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika, und den "Roten" (1918-1920), u.a. ein Attentat auf Lenin (Dezember 1918) war der Anlass für den "Roten Terror" der Bolschewiki gegen Andersdenkende im Sinne eines ideologischen Marxismus-Leninismus. Im Bürgerkrieg war zunächst das Wolgagebiet umkämpft (1918), dann gerieten die Bolschewiki in Bedrängnis (1919), schließlich gelang den "Roten" die Rückeroberung vieler ehemals zum Zarenreich gehörender Territorien wie der Ukraine, Weißrussland, der Kaukasusregion und Zentralasiens (1920); Finnland und die baltischen Staaten blieben unabhängig, Polen erzwang gegen Sowjetrussland die Abtretung von Teilen Weißrusslands und der Ukraine (1920/21). Im jeweiligen Machtbereich der Bolschewiki kam es während des Bürgerkriegs zur Ausbildung eines "Kriegskommunismus", der die russischen Bauern massiv benachteiligte und die Revolution der Städte auch auf dem Lande verbreitete; Bauernaufstände (in der Ukraine, im Wolgagebiet und Westsibirien), aber auch der Kronstädter Arbeiteraufstand (Anfang 1921) waren die Folge. Mit der "Neuen Ökonomischen Politik" (1921/27; Beendigung des "Kriegskommunismus, freier Handel, Städte und benachteiligtes Land) bei teilweiser Abkehr von der marxistisch-leninistischen Ideologie sollte sich die Sowjetunion wirtschaftlich und politisch stabilisieren. Im Staat der Räte (Sowjets) bildeten Partei - die "Allunions-Kommunistische Partei der Bolschewiki" (VKP(b); 1925) - und Staat eine Einheit, d.h. in diesem Parteienstaat ergänzten sich staatliche Organisationen und Parteistrukturen, und das auf lokal-regionaler Ebene, auf der Ebene der (autonomen) Republiken (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik [RSFSR], Karelische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik [ASSR], {ab 1945: Estnische Sozialistische Sowjetrepublik [SSR], Litauische SSR, Lettische SSR}, Weißrussische SSR, Ukrainische SSR, Moldauische SSR, Kalmückische ASSR, Kabardino-Balkarische ASSR, Nordossetische ASSR, Tschetscheno-Inguschische ASSR, Dagestanische ASSR, Abchasische ASSR, Adscharische ASSR, {als Transkaukasische SFSR 1922-1936: Georgische SSR, Armenische SSR, Nachilschewane ASSR, Aserbaidschanische SSR}, Komi-ASSR, Mordwinische ASSR, Tschuwaschische ASSR, Mari-ASSR, Udmurtische ASSR, Tatarische ASSR, Baschkiruische ASSR, Kasachische SSR, Karakalpakische ASSR, Turkmenische SSR, Usbekische SSR, Kirgisische SSR, Tadschikische SSR, Tuwinische ASSR, Burjatische ASSR, Jakutische ASSR), auf der Ebene der Sowjetunion als (föderale) Union. Die (Sowjet-) Union wurde am 29. Dezember 1922 formal ins Leben gerufen und vereinigte die bis dahin von den Bolschewiki eroberten Territorien (Eroberung Georgiens 1921/24, Verselbstständigung der Turkmenischen SSR und Usbekischen SSR 1924, Moldauische SSR 1924, Verselbstständigung der Tadschikischen SSR 1929, Verselbstständigung der Kasachischen SSR und Turkmenischen SSR 1936). Der politische Vorrang der Sowjetunion gegenüber den Teilrepubliken blieb wegen der alles verbindenden Allunionspartei VKP(b) gewahrt, die 127 Nationalitäten innerhalb der Sowjetunion wurden in ihrer kulturellen Eigenständigkeit gefördert (Bildungspolitik, Sprache, Schulen, Sesshaftmachung, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau). Im Mittelpunkt des sowjetischen Kommunismus standen dabei der wirtschaftliche Fortschritt als Resultat von Elektrifizierung, Industrialisierung und Rationalisierung und ein propagandistisches Idealbild der dem Sozialismus entsprechenden Menschentypen des Arbeiters im Arbeiterstaat und der Frau in der neuen Gesellschaft (Arbeiterkult und Fabrik, Kunst und sozialistische Avantgarde [Dichtung, Literatur, Theater, Malerei, Fotografie, Kino], Atheismus [Ausschaltung der kirchlichen "Konkurrenz", Vermögensbeschlagnahme, Verbote]). Außenpolitisch setzte die entstehende Sowjetunion zunächst auf die "Weltrevolution" (Bedeutung Deutschlands), musste sich aber nach dem Ausbleiben dieser mit den Mitteln der herkömmlichen Diplomatie behaupten (Vertrag von Rapallo 1922, diplomatische Anerkennung ab 1924). Der Tod Lenins als unbestrittenem Führer des sowjetischen Marxismus-Leninismus (1924; "Fraktionsverbot" innerhalb der VKP(b) 1921, "Testament" Lenins, Lenin-Mausoleum in Moskau, Leningrad statt Petrograd) ließ indes innenpolitischen Streit um die Macht aufkommen, bei dem Trotzki ins politische Abseits geriet (Ermordung Trotzkis in Mexiko 1940). Profiteur der Entwicklung war Josef Stalin (*1878-†1953), der zudem die Parteigrößen Grigori Sinowjew (*1883-†1936; hingerichtet) und Lew Kamenew (*1883-†1936; hingerichtet) sowie Nikolai Bucharin (*1888-†1938) ausschalten konnte (1926/27/29). II. Stalin: Stalin vereinigte als Generalsekretär de VKP(b) unter Ausschaltung jeglicher Parteikonkurrenz alle Macht bei sich. Ab 1928 kann von der Ära des Stalinismus gesprochen werden; in diesem Jahr gelang es Stalin das Politbüro der kommunistischen Partei nach seinen Wünschen umzugestalten, weiter das endgültige Aus der NÖP durchzusetzen und in einem 1. Fünfjahresplan (1928-1932) die Schwerindustrialisierung der Sowjetunion ([chaotische] Planwirtschaft, weitere Ideologisierung der Arbeiterschaft) bei Kollektivierung und "Entkulakisierung" der Landwirtschaft (Zwangskollektivierungen und Enteignungen [Sowchosen, Kolchosen], Deportationen und Ermordungen) durchzusetzen. Gegner innerhalb und außerhalb der Partei wurden in Schauprozessen verurteilt, "Systemfeinde" getötet, deportiert oder zu Zwangsarbeit gezwungen; die Geheimpolizei GPU (1922) bzw. NKWD (1934) beherrschte den "Archipel GULag". Folgen der Maßnahmen Stalins waren eine "Entfesselung von Gewalt" und "bürgerkriegsähnliche Zustände", die neben einer allgemeinen Desorganisation u.a. zur Hungersnot von 1932/33 mit ihren fünf bis zehn Millionen Opfern besonders in der Ukraine führten. Die Flucht der Landbevölkerung in die Städte unterband dabei (theoretisch) ein Passsystem (1932; <-> "Verbäuerlichung" der Städte). Ideologisch stand im Stalinismus der "Neue Mensch" im Vordergrund, wie ihn die Modernität verheißende städtebauliche Umgestaltung Moskaus (Metro und Magistralen) propagierte, das Ideal des mit "bolschwistischem Bewusstsein" ausgestatteten Menschen (Männer, Frauen, Ingenieure) oder die Kunst des "Sozialistischen Realismus". Der von Stalin initiierten sozialistischen Verfassung der Sowjetunion (1936) folgte im 2. Fünfjahresplan (1933-1937) der "Große Terror" von 1937/38, der nicht nur die (Partei-, Planwirtschafts-) Elite, sondern alle Schichten der Gesellschaft betraf (Stachanow-Kampagne und "Mobilisierungsdiktatur" 1935, Entmachtung des Politbüros 1935, "Säuberungen" innerhalb der Partei 1937, Moskauer Schauprozesse 1936/38, Massenterror und Massenverhaftungen gegen "Asoziale, Kriminelle, Kulaken" 1937/38, Ausbau des GULag-Systems 1937/41) und die Beziehungen zwischen den Menschen nachhaltig zerstörte. Stalin wirkte über die Komintern ("Kommunistische Internationale") auch auf die kommunistischen Parteien im Ausland ein, wenn auch die direkten diplomatischen Beziehungen zu den auswärtigen Staaten eine immer größere Rolle spielten (Mitgliedschaft der Sowjetunion im Völkerbund 1934, sowjetischer Außenminister Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow [†1986], Auflösung der Komintern 1943). Der Hitler-Stalin-Pakt (1939) mit seiner Preisgabe der baltischen Staaten und Ostpolens an die Sowjetunion war eine Voraussetzung für den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und den deutschen Überfall auf die Sowjetunion (Unternehmen "Barbarossa" 1941, deutscher Vernichtungskrieg in Osteuropa, Holocaust). Im "Großen Vaterländischen Krieg" (1941-1945) reagierte Stalin auf den deutschen Angriff mit Zwangsmaßnahmen (Kontrolle von Soldaten und Arbeitern, Deportation ethnischer Gruppen [Wolgadeutsche, Krimtataren u.a.], Verfolgung von Kollaborateuren), aber auch mit der Gewährung von Freiheiten (Sowjetunion als "Leidensgemeinschaft", kulturelle und kirchliche Freiheiten). Die Schlacht bei Stalingrad (September 1942-Januar 1943) bildete den Wendepunkt des Krieges; danach rückte die sowjetische Rote Armee - unterstützt von den westlichen Aliierten - bis nach Mitteleuropa vor (1945). Noch nach Ende des Krieges behauptete sich die Ukrainische Aufstandsarmee (UPA) als antikommunistische Gruppierung in weiten Teilen der Westukraine (bis 1956), während Baltikum und Westgebiete fest in die erweiterte Sowjetunion eingebunden wurden (Deportationen, Verstaatlichungen, Kollektivierung, russische Amtssprache). Im sich entwickelnden Ost-West-Konflikt u.a. zwischen einem kommunistischen Osteuropa hinter dem "Eisernen Vorhang" (Warschauer Pakt) und den westlichen Demokratien in Nordamerika und Europa (NATO) konnte die Sowjetunion auf die auch von ihr entwickelte Atombombe (1949) verweisen; der "Kalte Krieg" zwischen Kapitalismus und Kommunismus wurde ideologische geführt, ging konkret gerade auch um den sowjetischen Einfluss in Osteuropa und Deutschland (West-Berlin 1948/49, Gründung von Bundesrepublik Deutschland [BRD] und Deutscher Demokratischer Republik [DDR] 1949, "Stalin-Note" 1952). Innenpolitisch standen die Jahre nach dem Krieg im Zeichen des industriellen Wiederaufbaus der durch den Krieg massiv in Mitleidenschaft gezogenen westlichen Teile der Sowjetunion (25 bis 30 Millionen Weltkriegstote, Fünfjahresplan für die Ukraine 1946-1950). Gleichzeitig wurden vor dem Hintergrund eines geradezu schizophrenen Freund-Feind-Denkens (Schdanowschtschina, Antikosmopolitismus, Antisemitismus, Feindhysterie) Freiheiten (z.B. in der Kunst) wieder eingeschränkt, die "Angstherrschaft" Stalins und eine beginnende neue Terrorwelle (gegen Juden) wurden nur durch den Tod des Diktators (1953) beendet. III. Chruschtschow: Was folgte, war eine liberalere Ära unter dem Ersten Parteisekretär der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU, 1952) Nikita Chruschtschow (*1894-†1971), der die "kollektive Führung" nach Stalins Tod erfolgreich ablöste (1957). Zuvor war noch der Aufstand in der DDR niedergeschlagen worden (1953; Hinrichtung des NWKD/MGB-Chefs Lawrenti Berija [†1953, Geheimdienst KGB 1954]); zur "Entstalinisierung" der Sowjetunion (ab 1953) gehörte das Abrücken von Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Unterbringung im GULag, die Öffnung der Lager bedingte die Freilassung von ungefähr vier Millionen (politischer) Gefangener, die nur schlecht in die sowjetische Gesellschaft zu integrieren waren. In einer Geheimrede rechnete Chruschtschow (teilweise) mit dem Terror der Stalinzeit ab (1956), was innen- und außenpolitische Verwerfungen mit sich brachte (Unruhen in Polen und Ungarn 1956). Der "Entstalinisierung" folgte eine Periode des "Tauwetters", innenpolitisch der Jahre 1955/57, auch in der Literatur (Schriftstellerkongress 1954); doch wandte sich die sowjetische Gesellschaft mit seiner Sozialkontrolle auch gegen "Asoziale" und "Sozialschmarotzer", gegen Religion und Kirche (orthodoxes Christentum, Islam) bei Propagierung "nationaler" Einheit. Der Reformstau der Stalinjahre sollte durch Reformen innerhalb der Landwirtschaft (Maisanbau, staatliche Erleichterungen für Bauern[Steuern, Rente], Neuland-Kampagne, Überforderung der Kolchosen), durch Reformen hin zu einem Wohlfahrtstaat (Mindestlohn, Mindestrente, Wohnungsbau, Konsum), durch eine dezentrale Organisation der Industrie bei weiterem Ausbau von Großindustrie und Energieversorgung gelöst werden. Das sowjetische Raumfahrtprogramm war zivil (Satellit "Sputnik" 1957) und militärisch (Trägerraketen für Atomwaffen) erfolgreich. Die sowjetische Außenpolitik war gekennzeichnet durch Chruschtschows Reisediplomatie (Gipfeltreffen in Genf [1955], Paris [1960] und London [1961], Chruschtschows USA-Reise 1959) und durch Annäherung an den und Distanzierung vom Westen (Entlassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen 1955, Deutschland- und Berlin-Frage [Mauerbau 1961]). In der Kubakrise (1962) zogen Chruschtschow und die Sowjetunion den Kürzeren. Der außenpolitische Misserfolg sowie Versorgungskrisen im Innern führten schließlich zur Absetzung Chruschtschows durch das Zentralkomitee der KPdSU (1964). IV. Breschnew: Auf Chruschtschow sollte Leonid Breschnew (*1906-†1982) als mächtigster Mann der Sowjetunion folgen, freilich mit Aleksei Kossygin (*1904-†1980) als Vorsitzendem des Ministerrats und Nikolai Podgorny (*1903-†1983) als Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets - "kollektive Führung" also. Breschnew zeichnete sich durch einen auf Ausgleich bedachten Führungsstil aus, er setzte auf Kontinuität im Kader der KPdSU bei Vorrang der Partei gegenüber der Regierung. Reformen Chruschtschows wurden zurückgenommen, die neue Verfassung der Sowjetunion (1977) stand in Teilen den kommunistischen ("nationalen") Eliten in den Teilrepubliken entgegen; (Kolchos-) Bauern sollten rechtlich und sozial der städtischen Bevölkerung gleichgestellt werden (Angleichung der Löhne 1965, Freizügigkeit 1975), die "Kossyginschen Reformen" (1965) setzten auch auf Eigenverantwortung in der Industrie, scheiterten aber im Wesentlichen; im Rahmen des "Kleinen Deal" (Wohlverhalten gegen materielle Versorgung, Anhebung des Lebensstandards) eines "entwickelten Sozialismus" konnte die sowjetische Bevölkerung auch mehr Konsumgüter wie Haushaltsgeräte (Fernsehgerät, Kühlschrank, Waschmaschine) nachfragen, die Anzahl privater Automobile blieb indes gering (Lada-Autowerk in Togliatti 1970). Dringende Devisen erhielt die Sowjetunion durch den Export von Gas und Öl (aus Sibirien) auch ins westliche Ausland (Österreich 1968, BRD 1973, Pipeline zur Yamal-Halbinsel 1983). Unter den Infrastrukturmaßnahmen ragte - neben den Investitionen im ländichen Bereich - auch unter ideologischen Aspekten der Bau der Baikal-Amur-Magistrale (ab 1974) hervor. Ebenfalls ideologisch untermauert war die Verfolgung Andersdenkender, was etwa den Schriftsteller Alexander Solschenizyn (*1918-†2008, Literaturnobelpreis 1970) oder den Wissenschaftler Andrei Sacharow (*1921-†1989, Friedensnobelpreis 1975) betraf. Außenpolitisch trat die Sowjetunion als Weltmacht auf, gegenüber den Staaten des Warschauer Paktes (Prager Frühling 1968), gegenüber dem China der Kulturrevolution, gegenüber der NATO und den USA (Vietnamkrieg 1955-1975, Entspannungsprozess und SALT-Abkommen 1972, KSZE-Prozess und Helsinki-Schlussakte 1973/75), gegenüber Westdeutschland im Zeichen der neuen Ostpolitik des Bundeskanzler Willy Brandt (1969-1974) (Moskauer Vertrag 1970). Der Entspannung zwischen Ost und West folgte nach 1975 eine neue "Eiszeit" (trotz SALT II-Abkommens 1979; Kommunismus in Angola (1974/75/2002), NATO-Doppelbeschluss 1979); auch der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan (1979) gehört hierher (Afghanistankrieg 1979-1989), Unruhen in Polen (freie Gewerkschaft Solidarnosc) wurden unterdrück (1980/81). Am Ende hinterließ Breschnew ein von Nahrungsimporten abhängiges Land, das infolge eines Preiszerfalls nur ungenügend Devisen aus dem Öl- und Gasexport generieren konnte, und innerhalb der politisch maßgeblichen Parteikader der KPdSU eine Gerontokratie. Letztere stellte nach Breschnews Tod (1982) die Generalsekretäre Juri Wladimirowitsch Andropow (*1914-†1984) und Konstantin Tschernenko (*1911-†1985), die aufgrund ihren kurzen Amtszeiten kaum politisch zur Entfaltung kamen (1982-1984 bzw. 1984-1985). V. Auf- und Zusammenbruch: Mit Michail Gorbatschow (*1931-†2022) kam ein Generalsekretär einer jüngeren Generation an die Macht (1985), der das durch Korruption und Stagnation ausgehöhlte Partei- und Staatssystem der Breschnewzeit verändern und modernisieren wollte. Perestroika ("Umgestaltung" ) und Glasnost ("Transparenz/Öffnung") waren die Schlagworte, mit denen Gorbatschow seine neue Politik verband. Sie bedeutete eine entstehende Meinungsvielfalt und Verfassungsreformen (Demokratisierung 1987, Reform der Sowjets, Kongress der Volksdeputierten 1988, Präsidialsystem 1990) unter der Alleinherrschaft der KPdSU sowie einen massiven Umbau der Wirtschaft, die nun marktwirtschaftliche Elemente (Handwerk, Landwirtschaft) aufnahm, die Planung auf die Ebene der Unternehmen (Industrie) verlagerte. Der wirtschaftliche Umbau führte zu massivem Mangel an vielem, zumal eine Kampagne gegen Alkoholismus (1985) sich ebenfalls negativ auswirkte. Die Reaktorexplosion in Tschernobyl (1986) brachte das Ende der Technikgläubigkeit, Abruüstungsverhandlungen in Reykjavik (INF-Vertrag 1987) das Ende des Kalten Krieges zwischen Ost und West. Auch in den Staaten des Warschauer Paktes sollten Perestroika und Glasnost Einzug halten, das Ende der kommunistischen DDR (Mauerfall 1989) und deren Beitritt zur BRD (Wiedervereinigung 1990) liefen parallel zu Zerfall und Auflösung des Warschauer Paktes (1991) bei Rückzug der sowjetischen Truppen ausd Osteuropa (bis 1994). Auch die Sowjetunion sollte in ihre Einzelrepubliken zerbrechen; in Kasachstan setzten 1986 Unruhen ein, ebenso in Usbekistan 1988/89, es folgten Streitigkeiten um die Region Bergkarabach (1988) zwischen Armenien und Aserbaidschan und Massenproteste in Georgien (Abchasien, Südossetien) (1989/90). Autonomiebestrebungen gab es in den baltischen Republiken seit 1988, Litauen erlangte 1990/91 als erste dieser Republiken die faktische Unabhängigkeit. Das Jahr 1991 war auch das Jahr des Endes der Sowjetunion, die Gorbatschow mittels eines neuen Unionsvertrages zwischen neun Republiken auf eine neue Grundlage stellen wollte (April/August 1991). Der Unionsvertrag war der Anlass zu einem kommunistischen Putsch gegen den Generalsekretär (18./21. August 1991), der unter maßgeblicher Beteiligung des Präsidenten der russischen Teilrepublik Boris Jelzin (*1931-†2007) abgwehrt werden konnte. Der Unionsvertrag war indes hinfällig; die Republiken Russland, Weißrussland und Ukraine verhandelten hinter Gorbatschows Rücken das neue Staatensystem der "Gemeinschaft unabhängiger Staaten" (GUS), das am 21. Dezember 1991 von elf Republiken gebildet wurde. Gorbatschow trat daraufhin am 25. Dezember als sowjetischer Präsident zurück, am Tag darauf verfügte der Oberste Sowjet die Auflösung der Sowjetunion als "Union der sozialistischen Sowjetrepubliken" (UdSSR). Die kommunistische Sowjetunion war damit Geschichte (nach: Schattenberg, Sowjetunion).
Zur Sowjetunion s.: Schattenberg, Susanne (2022), Geschichte der Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution bis zum Untergang (= BSR 2935), München 2022 > S Schattenberg, Sowjetunion. > S Sowjetische Geschichte [Buhlmann, 11.2022]

Ruthven, Malise (2000), Der Islam. Eine kurze Einführung (= RUB 18057), Stuttgart 2000 > I Islam

Ryle, Gilbert (1953), Begriffskonflikte (= KVR 314), Göttingen 1970 > P Philosophie

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