www.michael-
buhlmann.de

Geschichte
> Rezensionen

Start > Geschichte > Rezensionen > S

Rezensionen (Geschichte)
S

Intro A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z

Sachs, Hans, Meistergesänge, Fasnachtsspiele, Schwänke, ausgew. u. erl. v. Eugen Geiger (= RUB 7627), Stuttgart o.J., 80 S. Der Nürnberger Bürger Hans Sachs (*1494-†1576) steht für den Wandel der deutschen Dichtung vom Mittelalter zur frühen Neuzeit (bürgerliche statt ritterlich-höfische Dichtung). Vom Leben des Hans Sachs berichtet dessen Summa all meiner gedicht (1567), vom Meistersänger sind um die 4200 Meisterlieder überliefert (Meisterlied als Bar mit drei Gesätzen aus im Allgemeinen zwei Stollen und dem Abgesang, Ton mit Versen als Worten und der Melodie als Weise). Daneben hat Hans Sachs zahlreiche Spruchgedichte verfasst (Fabeln, Schwänke, dramatische Dichtungen), z.B. über die Trinität Gottes oder die Schöpfung (v.1520); im Rahmen der Reformation schrieb der Meistersänger von der Wittembergisch Nachtigall (1523) und die Sieben Dialoge. Als Humanist bot sich dem Dichter ebenfalls die antike Literatur (in Form und Inhalt) oder Boccaccios Decamerone an. Wichtig sind auch seine Fastnachtsspiele (Das heiß Eysen, Der farends Schuler), daneben die Fabeln und Schwänke (Das Schlauraffen Landt, Das kelberprüten, Der fuchs mit dem han). [Buhlmann, 11.2014]

Sachsenspiegel, mittelalterliches Rechtsbuch: I. Der Sachsenspiegel ist ein mittelalterliches mittelniederdeutsches Rechtsbuch, das Gewohnheitsrecht einer Region bzw. Landschaft auf systematische Weise durch Verschriftlichung erfasste. Er entstand um 1220/35 mit einer lateinischen Urfassung (?) und wurde im Auftrag des Grafen Hoyer II. von Falkenstein (1211-1250) niedergeschrieben von Eike von Repgow (*ca.1180-†n.1233; urkundlich bezeugt zwischen 1209 und 1233) vielleicht an den Dom-/Stiftsschulen von Halberstadt und Quedlinburg oder am Zisterzienserkloster Altzella. Von den 470 Textzeugen des Sachsenspiegels (Handschriften, Lagen, Bätter, Fragmente) stammen zwei vollständige Handschriften noch vom Ende des 13. Jahrhunderts, die vier herausragenden (Dresdner, Heidelberger, Oldenburger, Wolfenbütteler) Bilderhandschriften aus dem 14. Jahrhundert gehen wohl auf eine Stammhandschrift ebenfalls vom endenden 13. Jahrhundert zurück. Der Sachsenspiegel behandelt (wohl überwiegend elbostfälisches) Land- und Lehnrecht und mithin Verfassungs-, Lehn-, Privat-, Straf- und Prozessrecht. Eike von Repgow stellt in seiner Vorrede zum Sachsenspiegel diesen in einen Zusammenhang mit Gott (Gott als Recht) und Kaisertum (Konstantins des Großen, Karls des Großen); wenige Passagen des Rechtsbuchs nehmen auch kanonisches Recht (Kirchenrecht) und römisches Recht (Kaiserrecht) auf (kaiserliche Herkunft von Recht, Zweischwerterlehre, Lehre von den Weltreichen). Der Sachsenspiegel bildet die ländliche Gesellschaft des späteren Mittelalters ab. Dieser übergeordnet sind die verfassungsmäßigen Elemente des deutschen Reiches (Kurfürsten und Wahl des deutschen Königs; Regalien [Münzregal]; Heerschildordnung im Lehnswesen [Fahnenlehen]). Daneben spielen Herrschaft, Recht und Gericht eine wichtige Rolle; Akkusations-, aber auch Inquisitionsverfahren zielen ab auf Strafe und Sühne. Familienrechtliche Bestimmungen gruppieren sich um die Ehe als Rechtsinstitut und die Verwandtschaft (Mann und Frau [Munt und Gehorsam]; Erbrecht). Das Lehnsrecht (ius feodale) regelt die Beziehungen zwischen Lehnsherrn und Lehnsmann (Vasall) (Rechte und Pflichten; Lehen, Burglehen, Fahnenlehen; Heerschildordnung). Im Einzelnen lässt der Sachsenspiegel folgende Lebensbereiche der vom Rechtsystem Betroffenen erkennen: Freiheit und Unfreiheit (Leibeigenschaft), Mensch und Natur (Tierschaden und Schadenersatz; Jagd; Gewässer; Diebstahl bei Tag und bei Nacht; Mensch und Verwandtschaft, Erbe), Kirche (Rechtsstatus, Kirche als befriedeter Ort; Rechtshandlungen [Kirchenlehen u.a.]), Burg (als Herrschaftsmittelpunkt adliger Herren als Burgherren; Eigentum-, Nutzungsrechte; Beherbergung von Friedbrechern), Zehnt und Abgaben (an Kirche oder Grundherrn; Zehntarten [Getreide-, Vieh-, Gänsezehnt u.a.]), Alltag (rechtliche Regelungen [z.B. für das Dampfbad]). II. Der Sachsenspiegel (als Landrecht) sollte sich im Spätmittelalter zusammen mit dem Magdeburger (Stadt-) Recht im osteuropäischen Raum verbreiten (Rechtstransfer von West- nach Osteuropa). Er unterlag aber dabei auch Transformationen und Modernisierungen (Anpassungen an das gelehrte Recht; Glossierungen [u.a. des Johann von Buch]; Sachsenspiegelbuchdrucke [u.a. des Christoph Zobel]) (nach: Lück, Heiner (2017), Der Sachsenspiegel. Das berühmteste deutsche Rechtsbuch des Mittelalters, Darmstadt 2017 > L Lück, Sachsenspiegel). Zum Sachsenspiegel s.: Eike von Repgow, Der Sachsenspiegel, hg. v. Clausdieter Schott (1984) (= Manesse Bibliothek), Zürich 1984, 416 S., Abbildungen, DM 16,80. [Buhlmann, 08.2019]

Sagan, Carl, Agel, Jerome (1973), Nachbarn im Kosmos. Leben und Lebensmöglichkeiten im Universum (= dtv 1397), München 1978 > U Universum

Säkularisationen im Großherzogtum Baden: I. Säkularisation nennt man bezogen auf das christliche (Mittel-) Europa die Enteignung geistlich-religiöser Gemeinschaften (Kirchen, Kööster, Stift) durch eine weltliche Herrschaft (Landesherrschaft, Staat). Die Enteignung konnte Gotteshäuser und Gebäude, Ländereien und Wirtschaftsgüter, Bibliotheken und Schulen betreffen. Mit der Französischen Revolution (1789) und der Säkularisation halten die "Moderne" und der "Fortschritt" Einzug in Deutschland (Reichsdeputationshauptschluss 1802/03 u.a.). Säkularisation, Mediatisierung und das Ende des Alten Reiches (1806) schufen diesbezüglich die politischen und rechtlichen Grundlagen. Dies betraf auch die zum Großherzogtum erhobene und erweiterte Landesherrschaft Baden, die neben dem neuen Königreich Württemberg zu den territorialen Gewinnern im deutschen Südwesten gehörte. II. Beispielhaft sei hier die Säkularisation des Villinger Benediktinerklosters St. Georgen in den Jahren 1805/06. Danach war es zunächst eine württembergische Kommission, die auf Grund des Preßburger Friedens vom 26. Oktober 1805 den Besitz des Klosters in Villingen inventarisierte. Es folgte am 25. Juli 1806 die förmliche Aufhebung der Mönchsgemeinschaft, die damals aus dem Abt, 24 Priestermönchen und einem Laienbruder bestand. Vermögen im Wert von über 150000 Gulden gelangte nach dem Beschluss zur Säkularisation ins württembergische Königreich: Klosterinventar, Mobiliar, Bücher und Vieh wurden nach Württemberg verbracht, vieles auch an Ort und Stelle verkauft. Dies geschah alles in großer Eile bis zum 5. August, da schon zuvor, am 12. Juli, gemäß dem Rheinbundvertrag die Stadt Villingen an das Großherzogtum Baden gefallen war. Mit der Übergabe Villingens an Baden am 12. September kamen somit fast nur leere Klostergebäude an den neuen Besitzer, d.h.: Kirche, alte Prälatur, Gymnasium, Amthaus, Fruchtkasten, sowie die an dem Kloster hängenden Rechte an Zehnten und Zinsen. Übrig geblieben waren auch die Bücher der Klosterbibliothek einschließlich einer Reihe von mittelalterlichen Handschriften, eine Uhr mit Glockenspiel und die Silbermannorgel. Bei der Säkularisation des Georgsklosters kamen die gedruckten Bücher zum großen Teil an die Universität Freiburg, die 111 (Pergament- und Papier-) Handschriften gingen an die großherzoglich-badische Hof- und Landesbibliothek, die heutige badische Landesbibliothek in Karlsruhe, wo sie einen umfangreichen und geschlossenen Teilbestand des dort gelagerten Schrifttums bilden. Doch ging auch manches der ursprünglich wohl 20.000 Werke zählenden Klosterbibliothek verloren, bei der Säkularisation, in den darauf folgenden Jahren, aber auch durch Kriegseinwirkungen im 20. Jahrhundert. Was 1806 und 1807 an die badischen Großherzöge kam, waren von 2900 ausgewählten schließlich 1340 gedruckte Bücher der St. Georgener Bibliothek. Die Handschriften aus dem Georgskloster, nummeriert von I bis CXI, unterteilt in Pergament- und Papiercodizes, nochmals unterteilt in lateinische und deutsche Manuskripte, waren unterdessen vom Bibliothekar Coelestin Spegele katalogisiert worden; Spegele schloss den Katalog am 30. März 1807 ab. Die St. Georgener Bücher in der heutigen Badischen Landesbibliothek Karlsruhe sind zu ca. 45 Prozent lateinisch, zu 55 Prozent deutschsprachig, 38 Prozent sind Pergamentcodizes, 62 Prozent Handschriften aus Papier.
Zu den Ergebnissen der Auflösung von Kloster- und Stiftsbibliotheken s. Die Handschriften der großherzoglich badischen Hof- und Landesbibliothek Karlsruhe: Beil.II (1894): Längin, Theodor, Deutsche Handschriften der großherzoglich badischen Hof- und Landesbibliothek, Karlsruhe 1894, XIX, 231 S., RM N.N.; Beil.III (1901): Ettlinger, Emil, Die ursprüngliche Herkunft der Handschriften, die aus Kloster-, bischöflichen und Ritterschaftsbibliotheken nach Karlsruhe gelangt sind, Heidelberg 1901, Nachdruck Wiesbaden 1974, 109 S., DM 60,-. [Buhlmann, 01.2007, 01.2022]

Safranski, Rüdiger (2015), Zeit. Was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen, München 22015 > Z Zeit

The Saga of the People of Laxardal and Bolli Bolason's Tale, übers. v. Keneva Kunz (1997) (= Penguin Classics), London 2008, XLVI, 223 S., Stammtafeln, Karte, ISK 2350,-; I. Isländische Sagas beschäftigen sich mit isländischen Frühzeit von Besiedlung und Machtauseinandersetzungen (9. Jahrhundert, Mitte - 11. Jahrhundert, Mitte), sind aber erst ab dem 13. bis 15. Jahrhundert schriftlich auf Isländisch überliefert. Sagas sind breiter angelegt als Erzählungen, Sagas und Erzählungen berichten unter dem Blickwinkel der späteren Zeiten (verklärend) von der Vergangenheit. Die "Saga der Leute aus Laxardal" und die "Erzählung von Bolli Bollason" sind nur im Modruvellir-Buch aus dem 15. Jahrhundert überliefert. Die Sagas geben indirekt etwas über die Gesellschaft im früh(er)en Island preis, die sich um Patriarchat, Familie und Clan, auch um die Rolle von Mann und Frau drehte (Gesellschaftsstruktur). II. Im Mittelpunkt der "Saga der Leute aus Laxardal" (Laxardal im Nordwesten Islands) stehen Ketil Flachnase, der vor König Harald Schönhaar (ca.860/70-933) aus Norwegen nach Schottland bzw. Island floh, Ketils Tochter Unn, die Mutter des schottischen Königs Thorstein, die nach dessen Tod ebenfalls nach Island, nach Hvamm übersiedelte, und Ketils Nachkommen auf Island, insbesondere Björn Ketilsson und Gudrun Osvifsdottir. Gudruns Sohn war Bolli Bollason, mit dem sich die isländische Überlieferung auch in einer eigenen "Erzählung von Bolli Bollason" beschäftigte. [Buhlmann, 03.2016]

Sagan, Carl (1980), Unser Kosmos. Eine Reise durch das Weltall, München-Zürich 1982 > U Universum

Sagan, Carl, Agel, Jerome (1973), Nachbarn im Kosmos. Leben und Lebensmöglichkeiten im Universum (= dtv 1397), München 1978 > U Universum

Sagen als Geschichtsquellen: Jenseits der "Sagensammelei" des 19. Jahrhunderts erkennt die heutige Geschichtsschreibung Sagen als Ausdruck von Mentalität und (heidnischer) Kultur (im christlichen Umfeld) gerade des europäischen Mittelalters (und darüber hinaus) an. Das Nibelungenlied, die Sagen um Frau Holle geben vorchristliches Gedankengut, vorchristliche Mythologie wieder, "Heiligenberge" u.a. verweisen auf heidnische Kultplätze (Menhir in Düsseldorf-Kaiserswerth?) usw. Vgl. dazu: Kollmann, Karl (2000), Sagen als Quellen der Regionalgeschichte, in: ZHG 105 (2000), S.201-210; [Sagen], 10 Bde., hg. v. Petra Gallmeister (1988), Rastatt 21988, zus. DM 29,50, u.a. mit: Deutsche Volkssagen, 128 S., Europäische Volkssagen, 127 S., Germanische Göttersagen, 126 S., Griechische Göttersagen, 128 S., Griechische Heldensagen, 127 S., Jüdische Sagen, 128 S. [Buhlmann, 11.2020]

Sakralarchitektur des christlichen Europa: I. Christliche Sakralarchitektur ist die Architektur christlicher Gotteshäuser (Kirchengebäude). (Sakral-) Architektur (etwa des Mittelalters) kann kunst- und stilgeschichtlich interpretiert und gedeutet werden (voruniversitäre und universitäre Kunstgeschichte), die Deutung (Stilkritik) beruht auf Architekturbeispielen (Kunstwerk [Urheber, Entstehungsort, Entstehungszeit]) und deren stilgeschichtliche Beziehungen zu allgemeinen, einer Zeitepoche verhafteten Architekturentwicklungen. II. Sakralarchitektur muss aus der Zeit ihrer Entstehung heraus gedeutet werden. Für das Mittelalter etwa ist davon auszugehen, dass Sakralarchitektur als Bedeutungsträger fungierte. Wenn auch eine mittelalterliche Architekturtheorie fehlt, so erklären sich dennoch die Kirchengebäude in ihrer Symbolik, Ikonografie und Ikonologie als Ausfluss mittelalterlich-biblischer Hermeneutik. Dies gilt für gotische Kathedralen (Abbild des Himmels, himmlisches Jerusalem [Lichtsymbolik], mathematisches Modell [Gott als Baumeister], Beziehungen zu Scholastik und Philosophie [Architektur als manifestatio]; Abt Suger von St. Denis) ebenso wie für Architekturkopien (Aachener Pfalzkapelle als Vorbild und ihre Nachahmungen, Kopien architektonischer Formen als Bedeutungsträger). Kirchengebäude, zumal Großbauten, entstehen aus gesellschaftlichen Zielvorstellungen (Gott) heraus, übersteigen daher das Zweckhafte in der Architektur und drücken dies in besonderen, nicht alltäglichen Formen der Baukunst aus. Dazu gehört eine durch den Kirchenbau medial vermittelte und inszenierte politische Ikonografie, die eine ranggestufte Sakralarchitektur zum Instrument politischer Repräsentation macht (Zitattheorie: Essener Münster, Magdeburger Dom), dazu gehört auch die mittelalterliche memoria ("Gedächtnis-Kultur", "kulturelles Gedächtnis"), die Kirchen und Kathedralen zu einem heilsgeschichtlichen "Zeitenraum" und einer Gedächtnisstiftung machte bzw. institutionelle Vergangenheit gedächtnishaft inszenierte (Sieneser Dom, St. Denis [Tympanon, Spolien]). (Mittelalterliche) Gotteshäuser gaben mit ihrer Architektur als "räumlich-organisiertes Medienensemble" (Prager Veitsdom) nicht zuletzt den Rahmen für kirchlich-christliche Rituale (Gottesdienst, Prozessionen). Insgesamt erscheint somit (mittelalterliche) Sakralarchitektur befrachtet mit unterschiedlichen Deutungen moderner Geschichtsschreibung ("gedeutete Geschichte"). > Kompendium Mittelalter > Architektur
Mit Sakralarchitektur beschäftigen sich: Nille, Christian (2013), Mittelalterliche Sakralarchitektur interpretieren (= Einführungen. Kunst und Architektur), Darmstadt 2013, 157 S., € 9,90; Lange, Peter (1957), Dorfkirchen (= Unsere schöne Heimat), Dresden 1957, 15 S., 48 Schwarzweißtafeln, DM 2,40. [Buhlmann, 05.2018]

Salem, Zisterzienserkloster: Die 1134 entstandene Zisterze Salem war vom elsässischen Lützel aus eingerichtet worden. Sie war eines der ersten Zisterzienserklöster in Deutschland und entstand unter staufischer Beteiligung. In einem Diplom König Konrads III. (1138-1152) von 1142 erhielt das Kloster Königsschutz und, damit verbunden, die Vogtei der deutschen Herrscher. Die daraus resultierende Königs- bzw. Reichsunmittelbarkeit der Zisterze prägte auch die enge Anlehnung des Klosters an die staufischen Herrscher während der Amtszeit Abt Eberhards von Rohrdorf (1191-1240). Gegen landesherrschaftliche Konkurrenz und auf der Grundlage einer umfangreichen geschlossenen Grundherrschaft zwischen oberer Donau und Bodensee (Grangien- und Rentenwirtschaft) sowie eines straff organisierten Klosterstaates für mitunter (1310) mehr als 300 Mönche konnte das Kloster auch im späten Mittelalter seine reichsunmittelbare Stellung erhalten, die nochmals 1521 auf dem Wormser Reichstag Kaiser Karls V. (1519-1558) bestätigt wurde. In der frühen Neuzeit war Salem auf den Reichstagen vertreten und Mitglied der Prälatenbank des schwäbischen Reichskreises. Durch die Reformation ging Besitz in Nürtingen an das Herzogtum Württemberg verloren, eine versuchte Eingliederung Salems durch den Konstanzer Bischof scheiterte spätestens 1562. Nach der Brandkatastrophe von 1697 begann man mit dem barocken Neubau der Klosteranlage (Kaisersaal von 1708, Speisesaal mit Kachelofen von 1733, Ostflügel des Kreuzgangs mit Bilderzyklus zu Bernhard von Clairvaux von um 1766), die gotische Abteikirche, die vom Brand verschont geblieben war, wurde zwischen 1774 und 1784 klassizistisch umgestaltet. Hinzu kamen der Bau der Birnauer Wallfahrtskirche (am Bodensee, 1746-1750) und der Innenausbau des abteilichen Schlosses Kirchberg (bei Immenstadt). Der umfangreiche Grundbesitz des Klosters war in der frühen Neuzeit schon längst in Form einer Rentengrundherrschaft organisiert, in der die Mönchsgemeinschaft die niedere und hohe Gerichtsbarkeit besaß. Der Klosterbesitz war nach Ämtern gegliedert (z.B. das Oberamt in Salem für das "unterbergische Land" mit 22 Orten und 3800 Untertanen, das Oberamt in Ostrach mit 14 Orten und 1300 Einwohnern usw.). Die Reichsabtei Salem wurde 1802 aufgehoben, der Mönchskonvent 1804. Das Kloster selbst und der Großteil seines Besitzes kam an die Markgrafen von Baden, die die Klostergebäude als Wohnsitz für die nicht regierenden Familienmitglieder nutzten ("Familienfideikomiss"). 1920 wurde in Salem eine Reformschule gegründet, 2008/09 ist das Salemer Schloss Hauptverhandlungsmasse im Kompromiss zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Haus Baden.
Geschichtsquellen zum Kloster Salem sind: Codex Diplomaticus Salemitanus. Urkundenbuch der Cistercienserabtei Salem, hg. v. Friedrich von Weech: Tl.I: Urkunden 1134-1266 (= ZGO 35), Karlsruhe 1883, 548 S., Siegeltafeln; Tl.II: Urkunden 1267-1300, Karlsruhe 1886, 684 S., Siegeltafeln. Mit dem Kloster Salem beschäftigen sich: Knapp, Ulrich (2003), Salem. Münster (= Schnell (& Steiner), (Kleine) Kunstführer, Nr.875), Regensburg 22003, 27 S., € 3,-; Knapp, Ulrich (2009), Auf den Spuren der Mönche. Bauliche Zeugen der Zisterzienserabtei Salem zwischen Neckar und Bodensee, Regensburg 2009, 336 S., € 19,95 (mit den Salemer "Erinnerungsorten": Salem [Kloster, Kirche, Schloss, Wirtschaftsgebäude]; Bachhaupten, Bermatingen, Lausheim, Ostrach, Seefelden, Tiefenhülen [Kirchen]; Bermatingen, Leutkirch, Schemmerberg [Pfarrhöfe]; Biberach, Esslingen, Hagnau, Konstanz, Nürtingen, Pfullendorf, Pfullingen, Reutlingen, Sipplingen, Ulm [Pfleghöfe]; Birnau (und Neubirnau), Frauenberg [bei Bodman] [Wallfahrtsorte]; Adelsreute, Buggensegel, Killenberg, Kirchberg, Maurach, Mimmenhausen, Neufrach, Nußdorf, Oberuhldingen, Owingen, Seefelden, Tüfingen, Urnau, Weildorf [Oberamt Salem]; Bolstern, Burgweiler, Einhart, Kalkreute, Levertsweiler, Magenbuch, Ostrach, Tafertsweiler, Wangen [Oberamt Ostrach]; Altheim, Auhofen, Ingerkingen, Langenschemmern, Schemmerberg [Oberamt Schemmerberg]; Dornsberg, Mainwangen [Obervogteiamt Münchhöf]; Neidingen, Stetten, Storzingen [Obervogteiamt Stetten am kalten Markt]; Ehingen, Frankenhofen, Griesingen, Stetten, Unterelchingen [Pflegamt Ehingen]); Knapp, Ulrich (2015), Birnau am Bodensee. Basilika Unsere Liebe Frau (= Schnell & Steiner, Große Kunstführer, Nr.10), Regensburg 62015, 48 S., Farbabbildungen, Pläne, Karten, € 9,95 (mit der wahrscheinlichen Bauabfolge: Kapelle in Altbirnau [bei Nußdorf; Salemer Gütererwerb 1220, v.1241, teilweiser Verkauf an die Stadt Überlingen 1241] als Zentrum einer bedeutenden Marienwallfahrt [Inkorporation der Kapelle nach Salem 1384, Ablassbriefe 1318, 1419, ... 1495], Birnauer Gnadenbild [15. Jahrhundert, Anfang], Umbau bzw. Erweiterung der Gnadenkapelle [15. Jahrhundert, Ende; Altarweihen 1495], weitere Umbauten [1513, 1592], Modernisierung und Erweiterung [1614], Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg [1643] und Wiederaufbau [1655; Ausstattung] bei Erneuerung der Wallfahrt [1720er-Jahre], Verlegung von Kapelle und Wallfahrt [1746], Neubau einer barocken Basilika in Birnau [Architekt Peter Thumb, Grundsteinlegung 1747, Kirchweihe 1750, Innenausstattung: Malerei, Plastik, Altäre, Kanzel, Galerie, Kreuzweg, Orgel, Mond-, Sonnenzeituhr], Aufklärung und Kirchenreform [1783], Erneuerung der Wallfahrt [20. Jahrhundert], Birnau und Zisterzienserabtei Wettingen-Mehrerau); Rösener, Werner (1974), Reichsabtei Salem. Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des Zisterzienserklosters von der Gründung bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (= VuF, Sonderband 13), Sigmaringen 1974, 260 S., DM 48,-; Schneider, Reinhard (Hg.) (1984), Salem. 850 Jahre Reichsabtei und Schloss, Konstanz 1984, 376 S., Schwarzweißabbildungen, Schwarzweiß-, Farbtafeln, Pläne, Karten, € 8,-. [Buhlmann, 03.2009, 09.2011, 06.2020]

Salentin, Ursula (1984), Fünf Wege in die Villa Hammerschmidt. Elly Heuss-Knapp, Wilhelmine Lübke, Hilda Heinemann, Mildred Scheel, Veronica Carstens (= Herder Tb 1134), Freiburg i.Br.-Basel-Wien 101987 > D Deutsche Geschichte, 1949-heute

Salier, deutsche Königsdynastie des Mittelalters: Die Anfänge der Salier, wie dieses Königsgeschlecht seit dem 12. Jahrhundert genannt wird, reichen in das Lothringen des 10. Jahrhunderts zurück. Konrad der Rote (944-953/54) verlor beim Liudolf-Aufstand gegen König Otto den Großen (936-973) sein Herzogtum. Sein Sohn Otto tritt uns um die Jahrtausendwende als Herzog von Kärnten (978-985, 995-1004) entgegen. Zur Zeit Kaiser Heinrichs II. (1002-1024) waren die Salier, vor allem Konrad der Ältere, Gegner des Königs. Nach dem Aussterben der Ottonen (1024) waren die Salier Konrad der Ältere und Konrad der Jüngere als Ururenkel Ottos des Großen offensichtlich die einzigen für die Königswahl in Betracht kommenden Kandidaten. Die Fürsten und die Geist-lichkeit des Reiches entschieden sich in Kamba (bei Oppenheim) am 4. September 1024 für Konrad den Älteren als König. Mit ihm begann die Königsdynastie der Salier, die im "salischen Jahrhundert" (1024-1125) die Herrscher Konrad II. (1024-1039), Heinrich III. (1039-1056), Heinrich IV. (1056-1106) und Heinrich V. (1106-1125) umfasste. Mit dem Tod des söhnelosen Heinrich V. erlosch das salische Königtum.
Mit der Königsdynastie der salischen Herrscher beschäftigen sich: Boshof, Egon (1987), Die Salier (= Urban Tb 387), Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1987, 341 S., DM 24,-; Laudage, Johannes (2006), Die Salier. Das erste deutsche Königshaus (= BSR 2397), München 2006, 128 S., € 7,95. Publikationen zur großen Salier-Ausstellung in Speyer 1992 sind: Böhme, Horst-Wolfgang (Hg.) (1991), Burgen der Salierzeit, 2 Bde., Sigmaringen 1991, Bd.1: In den nördlichen Landschaften des Reiches (= Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Monographien, Bd. 25), 342 S., Bd.2: In den südlichen Landschaften des Reiches (= Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Monographien, Bd. 26), 388 S., zus. DM 108,-; Böhme, Horst-Wolfgang (Hg.) (1991), Siedlungen und Landesausbau zur Salierzeit, 2 Bde., Sigmaringen 1991, Bd.1: In den nördlichen Landschaften des Reiches (= Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Monographien, Bd. 27), 298 S., Bd.2: In den südlichen Landschaften des Reiches (= Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Monographien, Bd. 28), 215 S., zus. DM 96,-; Das Reich der Salier 1024-1125 (1992) (= Ausstellungskatalog), Sigmaringen 1992, XXX, 503 S., DM 58,-; Schulze-Dörrlamm, Mechthild (1991), Der Mainzer Schatz der Kaiserin Agnes. Neue Untersuchungen zum sogenannten "Gisela-Schmuck", Sigmaringen 21992, 134 S., DM 10,-; Schwarzmaier, Hans-Martin (1991), Von Speyer nach Rom. Wegstationen und Lebensspuren der Salier, Sigmaringen 21992, 198 S., DM 48,-; Weinfurter, Stefan (Hg.) (1991), Die Salier und das Reich, Sigmaringen 1991, Bd.1: Salier, Adel und Reichsverfassung, VIII, 577 S., Bd.2: Die Reichskirche in der Salierzeit, VIII, 569 S., Bd.3: Gesellschaftlicher und ideengeschichtlicher Wandel im Reich der Salier, VIII, 616 S., zus. DM 140,-. [Buhlmann, 06.1992, 06.2006, 08.2012]

Salinger, J.D., US-amerikanischer Schriftsteller: Jerome David Salinger (*1919 in New York; †2010 in Cornish) war ein insbesondere in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) bekannter Schriftsteller innerhalb und außerhalb der USA. Er schrieb Kurzgeschichten und Romane, u.a. den weltberühmten Roman The Catcher in the Rye ("Der Fänger im Roggen", 1951). Salinger nahm als Soldat im Weltkrieg (1943/45) an Operationen der US-Armee in Westeuropa und Deutschland teil und hielt sich auch für einige Jahre im Nachkriegsdeutschland auf; er war mehrfach verheiratet. Der Roman The Catcher in the Rye, ein "moderner Klassiker", wohl teilweise in Deutschland entstanden, spiegelte das Lebensgefühl der Nachkriegszeit wider, war und bleibt wegen seiner Gesellschaftskritik aber umstritten: Salinger, J.D. (1951), Der Fänger im Roggen (= rororo 851), 1966, Nachdruck Reinbek b.H. 1972, 155 S., DM 2,80; Salinger, J.D. (1951), The Catcher in the Rye, 1958, Nachdruck Harmondsworth 1981, 219 S., £ 1,25; Salinger, J.D. (1951), The Catcher in the Rye, 1951, Nachdruck New York 2014, 214 S., € 7,06. [Buhlmann, 12.2014, 08.2023]

Salisbury, Joyce E. (1990), Medieval Sexuality. A Research Guide, New York-London 1990 > L Liebe und Sexualität

Sallaberger, Walther (2008), Das Gilgamesch-Epos (= BSR 2443), München 2008 > G Gilgameschepos

Sallust, römisch-antiker Politiker und Historiker: Gaius Sallustius Crispus (*86-†35/34 v.Chr.) gehörte einer italischen Ritterfamilie aus dem sabinischen Amiternum (?) an. Schon früh ging er nach Rom, um dort als homo novus politisch Karriere zu machen (Quästur 54, Aufnahme in den Senat, Volkstribunat 52, Entfernung aus dem Senat 50, Rehabilitation 47, designierter Prätor und Statthalter der Provinz Africa nova 46 v.Chr.). Als Statthalter bereicherte sich Sallust stark, wurde aber im anschließenden Repetundenprozess frei gesprochen; der Reichtum Sallusts floss u.a. in die "Sallustischen Gärten" in Rom. Nach der Ermordung Caesars (44. v.Chr.), dessen Protektion Sallust genoss, zog sich Letzterer aus der Politik zurück, um historiografische Schriften, u.a. den Bellum Catilinae, den Bellum Iugurthinum, die Historiae, zu verfassen, in denen er die Bereicherung und die Korruption der römischen Nobilität, von denen er ebenfalls profitiert hatte, anprangerte. Wohl auch von Sallust stammen eine Invektive gegen Cicero (54 v.Chr.) und zwei Briefe an Caesar (51/50/46 v.Chr.).
Als historiografische Werke des Sallust sind zu nennen: C. Sallustii Crispi De Bello Iugurtino Liber, erl. v. Rudolf Jacobs (1875), Berlin 111922, VIII, 187 S., RM N.N.; Sallust, Historische Schriften. Catilina, Iugurtha, Auswahl aus den Historien, übers. v. André Lambert (1978) (= dtv 6129), München 1983, 249 S., DM 9,80; Sallust, Der Jugurthinische Krieg, übers. v. Ludwig Rumpel ([1927]) (= RUB 948), Stuttgart o.J. [1927], 120 S., RM 0,40; Sallust, Der Jugurthinische Krieg, übers. v. Ludwig Rumpel ([1927]) (= RUB 948/49), Nachdruck Stuttgart 1968 [1927], 138 S., DM 1,80; Sallust, Die Verschwörung des Catilina, übers. v. Karl Büchner ([1967]) (= RUB 869), Nachdruck Stuttgart 1976, 79 S., DM 1,60; Sallust, Zwei politische Briefe an Caesar, übers. v. Karl Büchner (1974) (= RUB 7436), Nachdruck Stuttgart 1980, 95 S., DM 1,80; Sallust, Werke und Schriften. Lateinisch - Deutsch, hg. u. übers. v. Wilhelm Schöne (1940), München 51975, 560 S., € 5,-; Sallust, Zeitgeschichte. Lateinisch-Deutsch, übers. v. Otto Leggewie (1975) (= RUB 9796), Nachdruck Stuttgart 1980, 87 S., DM 1,80 > Lateinische Literatur > S Sallust. Wissenschaftliche Literatur über Sallust ist: Pöschl, Viktor (Hg.) (1970), Sallust (= WdF 94), Darmstadt 1970, XII, 397 S., € 5,- (mit den Beiträgen: Viktor Pöschl, Einleitung; Friedrich Klingner, Über die Einleitung der Historien Sallusts; Hans Drexler, Sallust; Eiliv Skard, Sallust als Politiker; Karl Vretska, Der Aufbau des "Bellum Catilinae"; Harald Patzer, Sallust und Thukydides; Paola Zancan, Prolegomena zu Sallusts "Bellum Jugurthinum"; Kurt von Fritz, Sallust und das Verhalten der römischen Nobilität zur Zeit der Kriege gegen Jugurtha (112-105 v.Chr.); Hugh Last, Sallust und Caesar im "Bellum Catilinae"; Karl Vretska, Studien zu Sallusts "Bellum Jugurthinum"; Antonio La Penna, Die Bedeutung der Proömien Sallusts; Karl Büchner, Sallust; Viktor Pöschl, Die Reden Caesars und Catos in Sallusts "Catilina"). [Buhlmann, 07.2019]

Salvador Dalí. Retrospektive 1920-1980. Gemälde, Zeichnungen, Grafiken, Objekte, Filme, Schriften, hg. v. Museé National d'Art Moderne [Paris] (1979) (= [Ausstellungskatalog]), Augsburg 1995, 484 S., DM 58,-. I. Salvador ( Felipe Jacinto) Dalí i Domènech (*1904-†1989), aus Figueres in Katalonien stammend, war ein bedeutender spanischer Künstler der Moderne (Maler, Grafiker, Illustrator, Bildhauer, Bühnenbildner) und zur Erläuterung und Herausstellung seiner Kunst und Person auch Schriftsteller von kunsttheoretischen und autobiografischen Werken. Inspiriert von Luis Bunuel, Pablo Picasso, Man Ray u.a., durchlebte Dalí verschiedene Phasen seines künstlerischen Schaffens (frühe Periode 1917/28, surrealistische Periode 1929/40, klassische Periode 1941/83), finanziell erfolgreich vermarktet durch seine Ehefrau Gala (Heirat 1934). Politisch blieb der Künstler "Dalí und nur Dalí" (Spanischer Bürgerkrieg 1936/39, Exil in den USA 1939/48, Rückkehr nach Spanien 1948 und Franco-Dikatur 1939/76). Krankheit (1981) und Galas Tod (1984) schränkten das künstlerische Schaffen Dalís in den 1980er-Jahren zunehmend ein. Rezeptionsgeschichtlich gesehen wird Dalí durchaus ambivalent gesehen. II. Werke Dalís sind u.a.: "Sitzendes junges Mädchen" (Gemälde, 1925), "Bildnis des Vaters" (Gemälde, 1925), Senicitas (Gemälde, 1926/27), "Apparat und Hand" (Gemälde, 1927), "Der Eselskadaver" (Gemälde, 1928), "Das Rätsel der Begierde" (Gemälde, 1929), "Der andalusische Hund" (Kunst-Film, 1929), "Die ersten Tage des Frühlings" (Gemälde, 1929), "Der große Masturbator" (Gemälde, 1929), "Das finstere Spiel" (Gemälde, 1929), "Das goldene Zeitalter" (Film, 1930), "Turm der Lüste oder: Schwindel" (Gemälde, 1930), "Die Unsichtbaren" (Gemälde, 1930), "Andromeda" (Skizze, 1930), "Bahnhof, vorzeitig verknöchert" (Gemälde, 1930), "Der Traum" (Gemälde, 1931), "Gradiva findet die anthropomorphen Ruinen wieder" (Gemälde, 1931), "Die Beständigkeit der Erinnerung oder: Die zerrinnende Zeit oder: Die weichen Uhren" (Gemälde, 1931), "Uhren-Figur" (Skizze, 1931), "Wilhelm Tell, Gradiva und durchschnittlicher Bürokrat" (Gemälde, 1932), "Dreieckige Stunde" (Gemälde, 1933), "Angelus" von Millet (Objekte, Gemälde, 1933/35), "Gesänge von Madoror" (Illustrationen, 1933/34), "Landschaft mit rätselhaften Elementen" (Gemälde, 1934), "Augenblick der Verwandlung" (Gemälde, 1934), "Aphrodisische Smokingweste" (Objekt, 1936), "Anthropomorphe Kommode" (Gemälde, 1936), "Der vergessene Horizont" (Gemälde, 1936), "Weiche Konstruktion mit gekochten Bohnen. Vorahnung des Bürgerkrieges" (Gemälde, 1936), "Venus von Milo mit Schubladen" (Objekt, 1936/64), "Brennende Giraffe" (Gemälde, 1936/37), "Metamorphose des Narziss" (Gemälde, 1937), "Der Schlaf" (Gemälde, 1937), "Strand mit Telefon" (Gemälde, 1938), "Weiches Selbstbildnis mit gebratenem Speck" (Gemälde, 1941), "Traum, verursacht durch den Flug einer Biene um einen Granatapfel" (Gemälde, 1944), "Meine Frau, nackt, beim Betrachten ihres eigenen Fleisches" (Gemälde, 1945), "Die Versuchung des heiligen Antonius" (Gemälde, 1946), Mystisches Manifest (Text, Paris 1951), "Explodierender Raffaelskopf" (Gemälde, 1951), "Kreuzigung" (Gemälde, 1954), "Jugendliche Jungfrau, von der eigenen Keuschheit beschwult" (Gemälde, 1954), Dalí on Modern Art (Buch, Paris 1956), "Rhinozeros" (Skulptur, 1956), "Der Traum des Christoph Columnus" (Gemälde, 1958/59), Oui (Buch, Paris 1971), "Holos!Holos!" (Hologramm, 1973/73), "Der Schäfer und die Sirene" (Hologramm, 1974), Journal d'un génie (Buch, Paris 1974), Unabhängigkeitserklärung der Phantasie und Erklärung des Menschen auf seine Verrücktheit (Buch, München 1974), "Kosmischer Elefant" (Skulptur, 1974), "Der Stuhl" (Gemälde, 1975), "Dalis Hand zieht ein Goldenes Vlies in Wolkenform hinweg, um Gala die vollkommen nackte Morgenröte zu zeigen" (Gemälde, 1977), "Dali lüftet die Haut des Mittelmeeres, um Gala die Geburt der Venus zu zeigen" (Gemälde, 1977), "Galas Christus" (Gemälde, 1978), "Kybernetische Odaliske" (Gemälde, 1978), "Auf der Suche nach der vierten Dimension" (Gemälde, 1979), "Schwalbenschwanz" (Gemälde, 1983) u.a. [Buhlmann, 09.2019]

Samotta, Iris (2010), Demosthenes (= UTB Profile = UTB 3407), Tübingen 2010, 137 S., Karten, Zeittafel, Glossar, € 9,90. Demosthenes (*384-†322 v.Chr.), Redner und Politiker der athenischen Demokratie des 4. Jahrhunderts v.Chr., ist bekannt durch seine Vielzahl von Gerichts- und politischen Reden vor (Teilen) der athenischen Volksversammlung (Corpus Demosthenicum aus bis zu 61 Reden nebst Prologen und Briefen). Die überlieferten Reden machen Person und Politik des Demosthenes (neben Cicero) intensiv erfahrbar vor dem Hintergrund von athenischer Demokratie des 4. Jahrhunderts (Peleponnesischer Krieg [431-404] und Kapitulation Athens 404, Oligarchie 404/03, Korinthischer Krieg 395/86 v.Chr.), Antalkidas-/Königsfrieden (387/86 v.Chr.), Zweitem Attischen Seebund (377 v.Chr., Bundesgenossenkrieg [357-355]), thebanischer Hegemonie (unter Epameinondas, Schlachten bei Leuktra [371] und Mantinea [362 v.Chr.]) und dem Aufstieg Makedoniens unter König Philipp II. (359-336) zur beherrschenden Macht in Griechenland. Nach dem Tod seines reichen Vaters (377 v.Chr.) standen Demosthenes und seine Familie unter der Vormundschaft von Verwandten, nach dem Ephebendienst (366/64 v.Chr.) klagte Demosthenes erfolgreich um Wiederherstellung seines Vernmögens (364/62 v.Chr.). Als Redenschreiber (Logograf) machte sich Demosthenes bald einen Namen (ab 364 v.Chr.), seine ersten Prozessreden datieren auf die Jahre 355/54 v.Chr. (Gegen Androtion, Gegen Leptines, Gegen Timokrates), die vier Reden gegen Philipp (351, 344, 341 v.Chr.) hatten die makedonische Machtausdehnung in Nordgriechenland zum Inhalt, ebenso Demosthenes' drei Olynthische Reden (349/48 v.Chr.) (makedonische Eroberung von Amphipolis [357], Pydna, Poteideia [356] und Methone [355], Dritter Heiliger Krieg gegen die Phoker [356-346], Krieg gegen und Eroberung von Olynth [349/48], Frieden des Philokrates [346 v.Chr.]). Die antimakendonische politische Haltung des Demosthenes musste der Politiker dabei in Einklang bringen mit der athenischen Finanzpolitik eines Euboulus (354/53-343 v.Chr.) oder später eines Lykourgos (338-322 v.Chr.). Antimakedonisch ausgerichtet waren auch der Euböische und Hellenenbund von 340 v.Chr. (Demosthenes als Verwalter der athenischen Flotte, Kranzehrung), doch endete der Vierte Heilige Krieg um Amphissa (340-338 v.Chr.) mit der athenisch-thebanischen Niederlage bei Chaironeia gegen Philipp II. (338 v.Chr.). An die Stelle des nun aufgelösten Hellenenbundes (und Zweitem Attischen Seebundes) trat der Korinthische Bund (338/37 v.Chr.) unter der Führung des Makedonenkönigs (Demosthenes als Verwalter der theorikon-Kasse, Kranzehrung [337/36 v.Chr.]). Philipp II. wurde 336 v.Chr. ermordet, sein Sohn Alexander III. (336-323 v.Chr.) sicherte sich die Nachfolge und begann die Eroberung des Perserreiches (ab 334; Zerstörung Thebens 335 v.Chr.). Im Jahr 330 v.Chr. verteidigte sich Demosthenes im berühmten Kranzprozess. Innenpolitische Verwicklungen infolge der Harpalos-Affäre führten zur Verbannung des Demosthenes (324 v.Chr.), der Tod Alexanders (323 v.Chr.) zu Aufstand und Lamischem Krieg (323/22 v.Chr.), der mit der Niederlage des neu entstandenen Hellenenbundes in den Schlachten bei Amorgos und Krannon endete (322 v.Chr.). Athen erhielt eine oligarchisch-timokratische Verfassung; Demosthenes kehrte zeitweise in seine Heimatpolis zurück, um alsbald zu fliehen und Asyl im Poseidontempel von Kalaureia zu finden. Dort von makedonischen Schergen aufgespürt, endete das Leben des bedeutenden athenischen Politikers durch Selbstmord (322 v.Chr.). Das Nachleben des Demosthenes spiegelte sich wieder in athenischen Ehrungen für den Verstorbenen (n.287/86 v.Chr.), in der Demosthenes-Biografie des Plutarch sowie in der Wertschätzung des Corpus Demosthenicum ab dem Renaissance-Zeitalter. [Buhlmann, 05.2014]

San Lazzaro, G. di (1957), Paul Klee. Leben und Werk, München-Zürich 1958 > K Klee, Paul

Sanader, Mirjana (Hg.) (2007), Kroatien in der Antike, Mainz 2007, 143 S., zahlreiche Farbabbildungen, Karten, € 14,95. Das antike Kroatien zwischen Drau und Adria, Istrien und Donau (ostadriatische Küste als Teil der Mittelmeerwelt, kontinental geprägtes Hinterland) war in der Zeit vor und neben den Griechen bzw. Römern geprägt von illyrischen Bevölkerungsgruppen (Histrier, Liburner, Dalmater, Japoden) und den Pannoniern, Kolapianen und Segestanen. Bekannt ist das Illyrerreich der 2. Hälfte des 3. bzw. der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts v.Chr. unter der Illyrerkönigin Teuta (1. Illyrerkrieg gegen die Römer 229 v.Chr.); unter dem Illyrerherrscher Genthios ging das Reich unter (3. Illyrerkrieg 168/67 v.Chr.). Seit dem letzten Drittel des 8. Jahrhunderts v.Chr. waren die Griechen in der Adria präsent (korinthische Kolonie Korkyra 735/33 v.Chr.), ab dem 6. Jahrhundert v.Chr. entstanden die ostadriatischen Kolonien Korkyra Melaina (Korcula, als knidische Siedlung), Herakleia (Insel Hvar), Tragourion (Trogir), Epetion (bei Split), Issa (Insel Vis; Gründung des Tyrannen Dionysos I. von Syrakus 385 v.Chr., Kontakte zu Rom 229 v.Chr., Verlust der Unabhängigkeit 46 v.Chr.) und - als wichtigste - Pharos (Insel Hvar, Gründung 385/84 v.Chr., Demetrios Pharios und die Zerstörung von Pharos 219 v.Chr., 35/33 v.Chr. römisches Pharos). Das Vordringen der römischen Republik in den illyrischen Raum begann nach dem 1. Punischen Krieg (264-241 v.Chr.) im Zusammenhang mit den Illyrer- und makedonischen Kriegen (1. Makedonischer Krieg 215-205, 2. Makedonischer Krieg 200-197, 3. Makedonischer Krieg 171-168 v.Chr.) und führte zur Errichtung der römischen Küstenprovinz Illyricum. Römische Kriege gegen Delmaten, Ardiäer (Piraterie) und Japoden (156, 135, 129, 119 v.Chr.) verstärkten den Einfluss Roms im illyrischen Raum noch. Der Feldherr Gaius Julius Caesar (†44 v.Chr.) kämpfte gegen Piruster und Delmaten (54, 51 v.Chr.), im römischen Bürgerkrieg stand der ostadriatische Raum zeitweise unter dem Einfluss der Pompejaner (49-44 v.Chr.); unter Oktavian-Augustus (†14 n.Chr.) wurde die römische Herrschaft - u.a. mit der völligen Unterwerfung der Delmaten - entlang der Adria - und im Landesinnern - wieder hergestellt (35-33 v.Chr.); als Dalmatia wurde das Illyricum eine senatorische Provinz im römischen Reich (Aufstände 16, 12 v.Chr.; Istrien als Teil Italiens); der große illyrisch-panonische Aufstand (6-9 n.Chr.) änderte daran nichts. Römische Kolonien wie Issa, Zadar, Salona, Narona, Epidaurum, Pula oder Parentium, Militärstützpunkte und Straßen förderten in der Folgezeit die Romanisierung des illyrisch-pannonischen Raums vom Mittelmeer bis zur Donau, aber auch Gewerbe, Handel und Verkehr. Es entstanden befestige Städte mit Tempeln (Tempel des Augustus in Pula, Götterkulte, Kaiserkult), Foren (Zadar), Amphitheatern (Pula, Salona) und Nekropolen. Auf dem Land waren u.a. die villae rusticae Produktionszentren für agrarische Erzeugnisse (Ackerbau [Weizen, Wein, Oliven], Viehzucht [Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde, Schweine]). Der Altersruhesitz Kaiser Diokletians (284-305) war dessen Palast (villa) in Split. Nach Anfängen im 2. und 3. Jahrhundert n.Chr. (Salona) erfasste das Christentum im spätantiken römischen Reich der "Völkerwanderungszeit" auch das Illyricum (frühchristliche Basiliken [Salona-Manastirne, Doppelkirche bei Zadar, Kirche der heiligen Maria bei Pula, Basilika Euphrasiana in Porec, Coemeterialbasiliken], Nekropolen [Sarkophage], Kunst [Mosaike]). Das Ende antiker Kultur im illyrisch-pannonischen Raum kam nach langen Veränderungen endgültig mit dem Verlust der für das oströmische Reich wichtigen Stadt Sirmium. [Buhlmann, 06.2013]

Sand, George, französische Schriftstellerin: George Sand, ursprünglich Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil (*1804 in Paris; †1876 in Nohant), unehelich geboren, begann 1831 ihre schriftstellerische Karriere, für die sie sich ein männliches Pseudonym gab. Sie war unglücklich verheiratet (1822/36) - aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor - und unterhielt u.a. zum Komponisten Frédéric Chopin eine Liebesbeziehung (1838/47), weitere Beziehungen folgten. George Sand engagierte sich zudem politisch (1840er-Jahre; politische Schriften, Februarrevolution, Kaiser Napoleon III.). Das schriftstellerische Werk der George Sand ist vielfältig: Indiana (1832, Roman); Lélia (1833/39, Roman); Mauprat (1837, Roman); Ein Winter auf Mallorca (1841/42, Reisebericht); Consuelo (1842/43, Roman); Jeanne (1844, Roman); Le dernier amour (1866, Roman); Nanon (1872, Roman) u.a. als: Sand, George (1841/42), Ein Winter auf Mallorca, hg. v. Ulrich C.A. Krebs (1985) (= dtv klassik 2157), München 101995, 272 S., Schwarzweißabbildungen, Karte, DM 12,90; Sand, George (1841/42), Ein Winter auf Mallorca, übers. v. Caroline Tietze (1998) (= Classic Collection Carolina), Meudt 172006, 276 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, € N.N. [Buhlmann, 07.2023, 10.2023]

Sander, Margarete (1996), Textherstellungsverfahren bei Elfriede Jelinek. Das Beispiel Totenauberg (= Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft, Bd.179), Würzburg 1996 > D Deutsche Literaturgeschichte

Sanders, Ed P. (1999), Paulus. Eine Einführung (= RUB 9365), Stuttgart 1999 > S Schnelle, Die ersten 100 Jahre des Christentums

Sanders, Willy (1992), Sprachkritikastereien (und was der "Sprachler" dazu sagt) (= Billige Wissenschaftliche Reihe 1992), Darmstadt 1992, IX, 177 S., DM 12,40. Sprach- oder besser Stilkritik begleitet seit den Anfängen im 19. Jahrhundert die Entwicklung der (modernen) neuhochdeutschen Literatur- und Alltagssprache (Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, Karl Kraus). Dabei ging und geht eine formale Kritik der Sprache auch immer mit einer Kritik an Inhalten einher, erkennbar u.a. an der "Geisterstunde" der Sprachkritik nach dem Ende des Nationalsozialismus in Deutschland (1945). Sprach- und Stilkritiker (-kritikaster) bewerten also - auf der Grundlage so schwammiger Kriterien wie "Richtigkeit, Schönheit, Reinheit, Angemessenheit, Denkrichtigkeit" von Sprache - (in Sprachglossen) sprachliche Äußerungen z.B. hinsichtlich einer Sprachlogik, die es so in einer zum Teil unlogisch angelegten Sprache Deutsch nicht gibt. Stillehrer (Eduard Engel, Ludwig Reiners u.a.) lehrten und lehren (in populären Stillehren) den "richtigen" Umgang mit der deutschen Sprache: Sprache soll danach "elegant" und "schön" (Sprachästhetik) sein, allgemein und leicht verständlich (Sprachlogik), Doppelungen (Pleonasmen, Gebrauch von Adjektiven), "Unwörter" (zusammengesetzte Substantive, "Baukastenprinzip" der Wortbildung im Deutschen), Leerformeln, vermeintliche Modewörter vermeidend usw., letztlich Sprachgebrauch und Sprachgrammatik unterliegen. Hinter der Sprach- und Stilkritik steht auch das Bild eines "Abstiegs" der deutschen Sprache (seit dem "Turmbau zu Babel"), das den Sprachwandel als "Verhunzdeutschung" des Deutschen ansieht und an einer "Reinsterhaltung" der Sprache festhalten will (Sprachpurismus). Dies betrifft dann u.a. das "Wissenschaftsdeutsch", den Gebrauch von Fremdwörtern (Lehnwörter, Anglizismen) oder Präfixen, falsche etymologische Herleitungen von Wörtern, die Lexikalisierung von Begriffen (die nur noch eingeschränkte Bedeutung haben) usw. Sprachkritik, in Glossen, Feuilletons und Sprachlehren als Sprach- und Stilbücher gegossen, wird heutzutage meist auf populäre, dem heutigen Sprachgebrauch angepasste Weise und fast immer abseits der Sprachwissenschaft (Linguistik) dem Leser vermittelt; dabei ist die Wirkung von Sprach- und Stilkritik eher gering zu veranschlagen, doch kann eine unbewusste Einflussnahme auf das "Sprachgewissen" des die deutsche Sprache Sprechenden nicht ausgeschlossen werden.
Dieselbe Richtung hinsichtlich Sprachstil und Verstößen dagegen verfolgt: Schneider, Wolf (1994), Deutsch fürs Leben. Was die Schule zu lehren vergaß (= rororo 19695), Reinbek b.H. 172007, 223 S., € 8,95. [Buhlmann, 10.2020, 07.2021]

St. Blasien, Benediktinerkloster: Über die Frühgeschichte des Klosters St. Blasien im Schwarzwald besteht Unklarheit. Die cella alba des Hochrheinklosters Rheinau soll im 9. Jahrhundert am Anfang einer Entwicklung hin zum Kloster St. Blasien des 11. Jahrhunderts gestanden haben. Demnach muss sich die Zelle im Südschwarzwald (in einem längeren Prozess) von Rheinau gelöst haben. Vielleicht spielte der in der Überlieferung als "Stifter" bezeichnete (sanctus) Reginbertus (10. Jahrhundert?) eine Rolle, jedenfalls ist mit Werner I. (1045?-1069) erstmals ein Abt von St. Blasien bezeugt. Am 8. Juni 1065 erhielt das Schwarzwaldkloster, das im Übrigen mit der Adelsfamilie um Herzog Rudolf von Rheinfelden (1057-1079) verbunden war, von König Heinrich IV. (1056-1106) ein Immunitätsprivileg, zwischen 1070 und 1073 sind Kontakte zum cluniazensischen Reformkloster Fruttuaria in Oberitalien anzunehmen. Folge dieser Kontakte waren der Anschluss St. Blasiens an die fruttuarische Reformrichtung, die Einführung des Instituts der Laienbrüder (Konversen) und wohl die Gestaltung St. Blasiens als Doppelkloster von Mönchen und Nonnen; die Nonnen sollten dann vor 1117 das Kloster Berau besiedeln. Der Historiograf Bernold von Konstanz (*ca.1050-†1100) stellt St. Blasien neben Hirsau und Allerheiligen als führendes schwäbisches Reformkloster dar. Von St. Blasien sollten u.a. reformiert oder (als Priorat, Propstei) gegründet werden: Muri (1082), Göttweig (1094, Göttweiger Reform), Ochsenhausen (1099), Stein am Rhein (v.1123), Prüm (1132) oder Maursmünster (v.1166). An Kommunitäten im Schwarzwald beeinflusste St. Blasien die Klöster Alpirsbach (1099), Ettenheimmünster (1124) und Sulzburg (ca.1125) sowie seine Propsteien Weitenau (ca.1100), Bürgeln (v.1130) und Sitzenkirch (ca.1130). Eine Liste von Gebetsverbrüderungen, um 1150 erstellt, zeigt die Weitläufigkeit der Beziehungen zwischen St. Blasien und anderen Frauen- und Männerklöstern. Im Verlauf des 12. Jahrhunderts erlahmte indes der Eifer der Schwarzwälder Mönche, die Aktivitäten wurden vom Ausbau einer umfangreichen Grundherrschaft dominiert. Im 14. und 15. Jahrhundert erreichte die Grundherrschaft ihre größte Ausdehnung und erstreckte sich über weite Gebiete des Südschwarzwaldes, unter Einbeziehung der genannten Propsteien sowie des Nonnenklosters Gutnau und der Niederkirchen in Niederrotweil, Schluchsee, Wettelbrunn, Achdorf, Hochemmingen, Todtnau, Efringen, Schönau, Wangen, Plochingen, Nassenbeuren usw. Die Schutzvogtei der Bischöfe von Basel konnte abgeschüttelt werden, wie ein Diplom Kaiser Heinrichs V. (1106-1125) vom 8. Januar 1125 beweist, das dem Kloster Königsschutz und freie Vogtwahl zugestand. In der Folge etablierten sich die Zähringer als Klostervögte, nach deren Aussterben (1218) wurde die Vogtei unter Kaiser Friedrich II. (1212-1250) Reichslehen, so dass immerhin eine gewisse Anbindung St. Blasiens an das Reich bestand, ohne dass hier von einem Reichskloster oder von Reichsunmittelbarkeit geredet werden kann. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts sind die Habsburger als Schutz- und Kastvögte der Mönchsgemeinschaft bezeugt. St. Blasien wurde damit zu einem Bestandteil des vorderösterreichischen Herrschaftsverbands der habsburgischen Herzöge und in der frühen Neuzeit als Landstand vorderösterreichisches Prälatenkloster. Trotzdem gab es auch Beziehungen zum Reich, die damit zusammenhingen, dass das Kloster zwischen 1422 und 1521 in den Reichsmatrikeln geführt wurde und der schwäbische Reichskreis 1549 vergeblich versuchte, St. Blasien als Reichsprälatenkloster einzubinden. Immerhin waren die vier seit dem Ende des 13. Jahrhunderts von St. Blasien erworbenen "Reichsherrschaften" Blumegg, Bettmaringen, Gutenburg und Berauer Berg Ausgangspunkt für die 1609 konstituierte reichsunmittelbare Herrschaft Bonndorf. St. Blasien, das von der Reformation verschont blieb, ist dann 1806 säkularisiert worden. Von der alten Klosteranlage, die im 18. Jahrhundert barock überbaut wurde, ist nichts vorhanden.
Quellen zur Klostergeschichte bieten: Braun, Johann Wilhelm (Bearb.) (2003), Urkundenbuch des Klosters Sankt Blasien im Schwarzwald. Von den Anfängen bis zum Jahr 1299: Tl.I: Edition, Stuttgart 2003, IX, 987 S., Tl.II: Einführung, Verzeichnisse, Register, Stuttgart 2003, V, 385 S., CD-ROM, zus. € 79,-; Schmale, Franz Josef (Hg.) (1998), Die Chronik Ottos von St. Blasien und die Marbacher Annalen (= FSGA A 18a), Darmstadt 1998, 275 S., DM 98,-. Einen Überblick über das Kloster St. Blasien gibt: Das tausendjährige St. Blasien. 200jähriges Domjubiläum, hg. v. Christel Rödel (1983) (= Ausstellungskatalog): Bd.I: Katalog, Karlsruhe 1983, 403 S., Bd.II: Aufsätze, Karlsruhe 1983, 368 S., zus. DM 68,-. Spezielle Fragestellungen zur Geschichte St. Blasiens behandeln: Baum, Christoph (1995), Der Klosterwald von St. Blasien. Eine forstgeschichtliche Untersuchung über die Waldverhältnisse im Stiftsbann der ehemaligen Benediktinerabtei St. Blasien im südlichen Schwarzwald bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts (= Hochschulsammlung Wirtschaftswissenschaft. Forstwissenschaft, Bd.8), Freiburg i.Br. 1995, 314 S., DM 63,50; Büttner, Heinrich (1939), St. Blasien und das Elsaß (= Veröffentlichungen aus dem Fürstlich-Fürstenbergischen Archiv, H.4), Donaueschingen 1939, 33 S., RM 1,20; Büttner, Heinrich (1950), St. Blasien und das Bistum Basel im 11./12. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte des Investiturstreits, in: ZSK 44 (1950), S.138-148; Gut, Johannes (1995/96), Zu den reichsrechtlichen Bestrebungen des Klosters St. Blasien vom 16. bis 18. Jahrhundert. Erwerb der Reichsherrschaft Bondorf, in: AlemJb 1995/96, S.49-68; Jakobs, Hermann (1968), Der Adel in der Klosterreform von St. Blasien (= KHA 16), Köln-Graz 1968, XVI, 336 S., DM 48,-; Jakobs, Hermann (1995/96), Die rechtliche Stellung St. Blasiens bis zur Berufung der Zähringer in die Vogtei (1125), in: AlemJb 1995/96, S.9-38; Naumann, Helmut (1967), Die Schenkung des Gutes Schluchsee an St. Blasien. Ein Beitrag zur Geschichte des Investiturstreites, in: DA 23 (1967), S.358-404; Ott, Hugo (1963), Studien zur Geschichte des Klosters St. Blasien im hohen und späten Mittelalter (= VKGLBW B 27), Stuttgart 1963, XIX, 136 S., DM 15,-; Ott, Hugo (1964), Das Immunitätsprivileg Heinrichs IV. für St. Blasien vom Jahr 1065, in: ZGO 112 (1964), S.413-430; Ott, Hugo (1965), Die Vogtei über das Kloster St. Blasien seit dem Aussterben der Zähringer bis zum Übergang an das Haus Habsburg, in: ZGO 113 (1965), S.29-44; Ott, Hugo (1969), Die Klostergrundherrschaft St. Blasien im Mittelalter. Beiträge zur Besitzgeschichte (= Arbeiten zum Historischen Atlas von Südwestdeutschland, Bd.4), Stuttgart 1969, 51 S., Karten, DM 14,20; Ott, Hugo (1972), Vorläufige Bemerkungen zur Geschichte des St. Blasianischen Registratur- bzw. Archivwesens, in: Schau-ins-Land 90 (1972), S.23-36; Ott, Hugo (1995/96), Die rechtliche Stellung St. Blasiens nach dem Aussterben der Zähringer bis zum Ende der Regierung Rudolfs von Habsburg, in: AlemJb 1995/96, S.39-48; Vogel, Jürgen (1984), Rudolf von Rheinfelden, die Fürstenopposition gegen Heinrich IV. im Jahr 1072 und die Reform des Klosters St. Blasien, in: ZGO 132 (1984), S.1-30; Wollasch, Joachim (1961), Muri und St. Blasien. Perspektiven schwäbischen Mönchtums in der Reform, in: DA 17 (1961), S.420-446. [Buhlmann, 03.2006, 07.2011]

St. Gallen, Benediktinerkloster: Die Benediktinergemeinschaft St. Gallen im Schweizer Hügelland südlich des Bodensees führte sich auf den irofränkischen Mönch und Priester Gallus (*ca.550-†v. 650) und auf seinen ersten Abt Otmar (719-759) zurück. Nähe zum vorkarolingisch-alemannischen Herzogtum bei Abgrenzung vom Konstanzer Bistum prägten in der Folgezeit die klösterliche Existenz, die St. Gallen im 9. und beginnenden 10. Jahrhundert nunmehr als Reichskloster zu einer kulturellen Hochblüte führte. Ein hervorragendes Skriptorium und eine Klosterschule gehören ebenso hierher wie der berühmte St. Galler Klosterplan (ca.820). Im "ehernen Zeitalter" des Investiturstreits und des späteren Mittelalters geriet die Abtei zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten und feudal-kriegerische Auseinandersetzungen. Benediktinische Reformen im 15. Jahrhundert überwanden die inneren Schwierigkeiten, St. Gallen wurde in die Schweizerische Eidgenossenschaft einbezogen. Nach einem kurzen reformatorischen Zwischenspiel (1531) stabilisierten sich die Zustände des Klosters weiter, erkennbar an der barocken Stiftskirche und der berühmten Bibliothek. 1805 wurde die Abtei aufgehoben. Schon früh erwarb St. Gallen Besitz in der unmittelbaren Umgebung und südlich des Bodensees, weiter in der Oberrheinebene, auch im Kirchzartener Becken. St. Galler Güter gab es auf der Baar und im daran angrenzenden südöstlichen Schwarzwald, doch lässt das hohe und späte Mittelalter eine Besitzausdehnung und -entwicklung vermissen.
Verwiesen sei zuerst auf: Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen, hg. v. Historischen Verein des Kantons St. Gallen (1863-1917): Tl.I: 700-840, bearb. v. Hermann Wartmann, Zürich 1863, Tl.II: 840-920, bearb. v. Hermann Wartmann, Zürich 1866, Tl.III: 920-1360, bearb. v. Hermann Wartmann, St. Gallen 1882, Tl.IV: 1360-1412, bearb. v. Hermann Wartmann, St. Gallen 1892, Tl.V: 1412-1442, bearb. v. Pl. Bütler, Traugott Schiess, St. Gallen 1904, Tl.VI: 1442-1463, bearb. v. Traugott Schiess, St. Gallen 1917; Chartularium Sangallense, hg. v.d. Herausgeber- und Verlagsgemeinschaft Chartularium Sangallense (1983-1988): Bd.III: 1000-1265, bearb. v. Otto P. Clavadetscher, St. Gallen 1983, XXVIII, 619 S., DM 245,-, Bd.IV: 1266-1299, bearb. v. Otto P. Clavadetscher, St. Gallen 1985, XXIII, 666 S., DM 245,-, Bd.V: 1300-1326, bearb. v. Otto P. Clavadetscher, St. Gallen 1988, XXI, 630 S., DM 245,-. An Darstellungen zur St. Galler Geschichte werden erwähnt: Bikel, Hermann (1914), Die Wirtschaftsverhältnisse des Klosters St. Gallen (von der Gründung bis zum Ende des XIII. Jahrhunderts). Eine Studie, Freiburg i.Br. 1914, XIV, 351 S.; Dohrmann, Wolfgang (1985), Die Vögte des Klosters St. Gallen in der Karolingerzeit (= Bochumer historische Studien. Mittelalterliche Geschichte, Nr.4), Bochum 1985, III, 440 S., DM 49,80; Eggenberger, Christoph (2001/02), Der Goldene Psalter und die Buchmalerei des Klosters St. Gallen, in: AlemJb 2001/02, S.63-83; Eggler-Perler, Philipp Emanuel (1992), Namenschichtung und Besiedlungschronologie zwischen Konstanz und St. Gallen. Ein kontinuitätskritischer Beitrag der Toponomastik zur Siedlungsgeschichte des Frühmittelalters, Frauenfeld 1992; Geuenich, Dieter (2001/02), Mönche und Konvent von St. Gallen in der Karolingerzeit, in: AlemJb 2001/02, S.39-62; Müller, Walter (1961), Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen. Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte des sanktgallischen Klosterstaates (= Rechtshistorische Arbeiten, Bd.1), Köln-Graz 1961, VII, 111 S., DM 9,80; Ochsenbein, Peter (Hg.) (1999), Das Kloster St. Gallen im Mittelalter. Die kulturelle Blüte vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, Darmstadt 1999, 288 S., DM 58,-; Zettler, Alfons (2001/02), St. Gallen als Bischofs- und Königskloster, in: AlemJb 2001/02, S.23-38; Zotz, Thomas (2001/02), St. Gallen im Breisgau. Die Beziehungen zu einer Fernzone seiner Herrschaft, in: AlemJb 2001/02, S.9-22. > S St. Galler Kultur und Geschichte [Buhlmann, 11.2004, 09.2005, 07.2011]

St. Galler Historiografie (der Vormoderne): I. Breviarium Erchanberti: Unter den wenigen zusammenhängend erzählenden frühmittelalterlichen Geschichtsquellen zum Frankenreich der Merowinger und Karolinger ist das Brevarium Erchanberti zu zählen, das eine "kurze Geschichte der Könige der Franken" vom legendenhaften Herrscher Faramund bis zu Kaiser Ludwig dem Frommen (814-840; 826) wiedergibt, ergänzt um eine nach 881/82 entstandene Fortsetzung des St. Galler Mönches Notker Balbulus (†912) von Ludwig dem Frommen (826) bis Kaiser Karl III. (876-887/88; 881). Als Erstes entstanden ist im Brevarium Erchanberti die Textpassage, die von 584 bzw. 613 bis 826 reicht, womit die in der Quelle angezeigten 242 (= 232+10) Jahre mit der Ermordung des Merowingerkönigs Chilperich I. (561-584) bzw. der Alleinherrschaft des Chilperichsohns Chlothar II. (584/613-629) beginnen. Diese Textpassage zerfällt - in ihrer zeitlichen Entstehung und ihrer inhaltlichen Aufbereitung - in zwei Teile. Teil 1 ist wohl entstanden nach 790 auf der Grundlage des Liber historiae Francorum und der Reichsannalen und enthält die Geschichte der Merowingerkönige und den machtpolitischen Aufstieg der (nicht nur karolingischen) Hausmeier der Zeit von 613-726/27 u.a. mit Seitenblick auf die Verhältnisse in den vom Frankenreich nur teilweise abhängigen Herzogtümern rechts des Rheins. Teil 2, später, d.h. nach 826 verfasst, berichtet über die Zeit von 741-826; der Übergang der Königsherrschaft von den Merowingern zu den Karolingern (751) wird falsch dargestellt, steht aber im Zentrum der Betrachtung des zweiten Autors des Brevarium Erchanberti. Der Textpassage, die die Jahre 584 bis 826 darstellt, vorgeschaltet wurde - wiederum später, nur ungefähr auf die Jahre zwischen 826 und 881/82 zu datieren - eine das 5. Jahrhundert bis 584 umfassende, teilweise legendarische Geschichte der merowingischen Frankenkönige mit einem Schwerpunkt auf der Bekehrung König Chlodwigs I. (482-511) zum Christentum, alles ebenfalls auf der Grundlage des Liber historiae Francorum. Die (anonymen) drei Autoren und Notker Balbulus konnten dabei auf die im Kloster St. Gallen vorhandene Historiografie zur Merowinger- und Karolingerzeit zurückgreifen. Das Brevarium Erchanberti kann damit als erste (erhaltene) Geschichtsschreibung aus dem Kloster St. Gallen eingeordnet werden und verweist somit auf das Bemühen St. Galler Mönche ab der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert, geschichtliche Vorgänge zu strukturieren und aufzuarbeiten. Überliefert ist das Breviarium Erchanberti vollständig, d.h. auch mit den Ergänzungen, in der Handschrift Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. iur. 4° 134 (10. Jahrhundert, Mitte; übernommen aus dem Prämonstratenserkloster Weißenau), unvollständig in der Handschrift Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Reg. Lat. 713 (9. Jahrhundert) und im Codex St. Gallen, Stiftsbibliothek 547 (12./13. Jahrhundert). Alle drei Handschriften verweisen in ihrer (früh-) mittelalterlichen Entstehung auf das Kloster St. Gallen. Hier muss es um die Mitte des 10. Jahrhunderts eine heute verlorene, ursprüngliche Handschrift des Erchanbert-Breviar gegeben haben, aus der abgeschrieben wurde (nach: Zingg, Roland (2022), Das 'Breviarium Erchanberti' - der Beginn der St. Galler Historiographie? Analyse, Edition und Übersetzung, in: FMSt 56 (2022), S.109-149). II. St. Galler Annalistik des frühen Mittelalters: In der Bibliothek des Benediktinerklosters St. Gallen ist aus dem 8. bis 11. Jahrhundert eine Reihe von Annalenwerken unterschiedlichen Umfangs überliefert, aufgefunden in St. Galler Handschriften und benamt durch Gelehrte im 17. bis 19. Jahrhundert. Es handelt sich dabei um: Annales Sangallenes maiores, Annales Sangallenes brevissimi I, Annales Sangallenes brevissimi II, Annales Sangallenes brevissimi III, Annales Sangallenes Baluzii, Annales Alamannici, Annales Weingartenses sive Constantienses, "Vademecum" Grimalds. Aus ihren jeweiligen komplexen frühmittelalterlich-karolingerzeitlichen Entstehungssituationen heraus haben die einzelnen Annalenwerke unterschiedliche Beziehungen zum St. Galler Kloster. Im 8. Jahrhundert hatte es im Kloster noch keine eigene Annalistik gegeben. Impulse kamen diesbezüglich vom Nachbarkloster Reichenau (ca.800) und vom Musterkloster Gorze vermittelst der Annales Alamannici, die Grundlage waren für die Annales Weingartenses und deren Variante, die sog. Annales Sangallenes breves; Letztere erreichten das Kloster St. Gallen wohl kurz nach 815/17. Auch dieser Zeit zuzuordnen ist wohl die Ankunft der aus Nordfrankreich stammenden Annales Sangallenes Baluzii in St. Gallen, das im Übrigen in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts über eine reichhaltige historiografische Bibliothek verfügte (christliche Universalchroniken, Geschichtswerke Bedas, Breviarium Erchanberti, Langobardengeschichte des Paulus Diaconus). Wohl um die Mitte des 9. Jahrhunderts bzw. vor den 870er-Jahren gelangten die Annales Sangallenes brevissimi I nach St. Gallen, ebenfalls als Materialkonvolut das "Vademecum" Grimalds. Ab den späten 870er-Jahren standen den St. Galler Mönchen die Reichenauer Annales Alamannici zur Verfügung, die im Galluskloster zwischen 878 und 888 unter dem Bibliothekar und Abt Hartmut (872-883) eine Fortsetzung (bis 926) fanden. Damals wurde auch durch den Bibliothekar Notker Balbulus das sog. Breviarium Erchanberti fortgesetzt, und es entstand die St. Galler Klostergeschichte (Casus s. Galli) des Mönchs Ratpert. In das späte 9. Jahrhundert (oder doch etwas früher) gehören die in St. Gallen verfassten Annales Sangallenes brevissimi II und Annales Sangallenes brevissimi III, Letztere mit Einträgen aus der Zeit um 960. Die Annales Sangallenes maiores, angelegt in St. Gallen im Jahr 955, beenden die Zeit der (auch im Kloster niedergeschriebenen) St. Galler Annalistik. Die "größeren St. Galler Annalen" zeichnen sich durch eine chaotische Annalenführung aus, aktuelle und nachgetragene Einträge wechseln, die Einträge selbst erreichen das 11. Jahrhundert (nach: Zingg, Roland (Hg., Übers.) (2019), Die St. Galler Annalistik, Ostfildern 2019). > Z Zingg, Die St. Galler Annalistik. III. Hochmittelalter: Die sogenannten St. Galler Annalen. Eine anonyme Fortsetzung der Chronik Hermanns des Lahmen (1054-1102), hg. u. übers. v. Benedikt Marxreiter (2022) (= MGH. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separitim editi, Bd.79), Wiesbaden 2022, 321 S., Farbtafeln, Karte, € 60,-, abschriftlich überliefert in einer Handschrift (Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek 2° Cod 254) des Augsburger Humanisten Konrad Peutinger (†1547), umfassen die annalistische Fortsetzung der Chronik des Reichenauer Mönchs Hermann des Lahmen (†1054) zu den Jahren 1054 bis 1102, niedergeschrieben von einem anonym gebliebenen St. Galler Mönch, vorzugsweise die Geschehnisse im Bodenseeraum und in Schwaben während des Investiturstreits (1075-1122) beschreibend, aber auch politische Ereignisse in Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich, Osteuropa und Byzanz sowie im Zusammenhang mit dem 1. Kreuzzug (1096/99) aufführend. > Lateinische Literatur > A Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek 2° Cod 254, S (Sog.) St. Galler Annalen. IV. Reformationszeit: Zu erwähnen ist: Joachim von Watt, Kleinere Chronik der Äbte, bearb. v. Bernhard Stettler (2013) (= St. Galler Kultur und Geschichte, Bd.37), Zürich 2013, 535 S., € 55,50, verfasst von Joachim Vadian (*1483/84-†1551) 1545/48 im politischen Umfeld der Erneuerung der Schweizer Eidgenossenschaft (1543/47), im Druck teilweise und verändert erschienen 1548 als Teil von Johannes Stumpfs "Schweizer Chronik", behandelt zur "Erforschung der Wahrheit" nach "Erfahrungsschatz und Augenschein" im Ostschweizer Dialekt und für ein größeres Lesepublikum St. Galler Geschichte von den Anfängen bis in die Reformationszeit des 16. Jahrhunderts (ca.720-1532) unter Verwendung mündlicher und schriftlicher Geschichtsquellen, darunter früh- und hochmittelalterliche Urkunden des Klosters, chronikalische Quellen, spätmittelalterliche städtische Quellen. Die St. Galler Kloster- und Stadtgeschichte ist eingebunden in die Reichs- und Papstgeschichte und geordnet nach den St. Galler Klostervorstehern: Otmar (ca.720-759), Johannes (760-782), Ratpert (782), Waldo (782-784), Werdo (784-812), Wolfleoz (812-816), Gozbert (816-837), Bernwig (837-840/41), Engilbert (I.) (840/41), Grimald (841-872), Hartmut (872-883), Bernhard (883-890), Salomon (890-919), Hartmann (922-925), Engilbert (II.) (925-933), Thieto (933-942), Craloh (942-958), Purchart I. (958-971), Notker (971-975), Ymmo (976-984), Ulrich I. (984-990), Gerhard (990-1001), Purchart II. (1001-1022), Thietpold (1022-1034), Nortpert (1034-1072), Ulrich II. (1072-1076), Lutold (1077-ca.1083), Ulrich III. v. Eppenstein (1077-1121), Werinher (1083-1086), Heinrich I. v. Twiel (1121-n.1122), Manegold v. Mammern (1121-1133), Werinher (1133-1167), Ulrich IV. v. Tegerfeld (1167-1199), Ulrich V. v. Veringen (1199-1200), Heinrich II. v. Klingen (1200-1204), Ulrich VI. v. Sax (1204-1220), Rudolf I. v. Güttingen (1220-1226), Konrad I. v. Bussnang (1226-1239), Walther v. Trauchburg (1239-1244), Berchtold v. Falkenstein (1244-1272), Heinrich III. v. Wartenberg (1272-1274), Ulrich VII. v. Güttingen (1272-1277), Rumo v. Ramstein (1274-1281), Wilhelm v. Montfort (1281-1301), Konrad v. Gundelfingen (1288-1291), Heinrich IV. v. Ramstein (1301-1318), Hiltbold v. Werstein (1318-1329), Rudolf III. v. Montfort (Administrator) (1330-1333), Hermann v. Bonstetten (1333-1360), Georg v. Wildenstein (1360-1379), Kuno v. Stoffeln (1379-1411), Heinrich V. v. Gundelfingen (1412-1418), Konrad III. v. Pegau (1418-1419), Heinrich VI. v. Mansdorf (1419-1426), Eglolf Blarer (1426/27-1442), Kaspar v. Breitenlandenberg (1442-1463), Ulrich Rösch (1463-1491), Gotthard Giel (1491-1504), Franz v. Gaisberg (1504-1529), Kilian Germann (1529-1530), Diethelm Blarer (1530-1564). > S St. Gallen [Buhlmann, 03.2023, 09.2023]

St. Galler Kultur und Geschichte, hg. v. Staatsarchiv und Stiftsarchiv St. Gallen, beinhaltet als Buchreihe zur Geschichte u.a.: Bd.16 (1986): Borgolte, Michael, Geuenich, Dieter, Schmid, Karl (Hg.), Subsidia Sangallensia I. Materialien und Untersuchungen zu den Verbrüderungsbüchern und zu den älteren Urkunden des Stiftsarchivs St. Gallen, St. Gallen 1986, 756 S.; Bd.37 (2013): Joachim von Watt, Kleinere Chronik der Äbte, bearb. v. Bernhard Stettler, Zürich 2013 > S St. Galler Historiografie (der Vormoderne). > S St. Gallen [Buhlmann, 07.2011]

St. Georgen im Schwarzwald, Benediktinerkloster: I. In den Anfang des Investiturstreits fällt die Gründung eines Benediktinerklosters auf dem "Scheitel Alemanniens" im Schwarzwald: Die Mönchsgemeinschaft in St. Georgen, an der Quelle der Brigach gelegen, war ein Resultat des Zusammengehens von schwäbischem Adel und kirchlicher Reformpartei, eindrucksvoll repräsentiert durch die Klostergründer Hezelo (†1088) und Hesso (†1113/14) und den Abt und Klosterreformer Wilhelm von Hirsau (1069-1091). Statt des zunächst in Aussicht genommenen oberschwäbischen Königseggwald wurde auf Betreiben Wilhelms St. Georgen als Ort der Klostergründung ausgewählt. Mit der Besiedlung St. Georgens durch Hirsauer Mönche im Frühjahr und Sommer 1084 und der Weihe der Klosterkapelle am 24. Juni 1085 nahm die Geschichte des Schwarzwaldklosters ihren Anfang. II. Zunächst hirsauisches Priorat, dann selbstständige Abtei (1086), begann in der Zeit Abt Theogers (1088-1119) der Aufstieg St. Georgens zu einem der bedeutendsten Klöster Süd(west)deutschlands Hirsauer Prägung. Bis um die Mitte des 12. Jahrhunderts vergrößerten Schenkung, Kauf und Tausch von Land und Rechten den Besitz des Klosters beträchtlich und schufen damit die materielle Basis klösterlicher Existenz. Die über Schwaben und das Elsass reichende, im Raum zwischen Neckar und Donau sich verdichtende Grundherrschaft aus Gütern, Besitzkomplexen, abhängigen Bauern, Einkünften und Rechten, auch über Pfarrkirchen und Klöstern, sicherte die Versorgung der Mönche, die u.a. in Liturgie und Gebet dem Seelenheil der klösterlichen Wohltäter gedachten. Kloster und Klosterbesitz waren dabei (theoretisch) geschützt durch den Vogt. Die Vogtei übten zunächst der Klostergründer Hezelo und dessen Sohn Hermann (†1094) aus, spätestens ab 1114 die Zähringerherzöge. Nach deren Aussterben (1218) fiel die Vogtei an den staufischen König Friedrich II. (1212/15-1250), dann an die Herren von Falkenstein, schließlich (1444/49) an die Grafen bzw. Herzöge von Württemberg. III. Die Privilegien vom 8. März 1095 und vom 2. November 1105, die die Abtei von den Päpsten Urban II. (1088-1099) und Paschalis II. (1099-1118) erlangte, dienten der gleichsam verfassungsrechtlichen Absicherung des Klosters: Die libertas Romana, die "römische Freiheit" beinhaltete dabei die Unterstellung des Klosters unter das Papsttum bei päpstlichem Schutz, freier Abtswahl und Verfügung des Klosters über die Vogtei. Sie bedingte die Einordnung der monastischen Einzelgemeinschaft in die katholische Kirche bei Zurückdrängung von adligem Eigenkirchenrecht und Vogtei sowie bei Sicherung der klösterlichen Existenz gegenüber bischöflichen Ansprüchen. Eines dieser hochmittelalterlichen Papstprvilegien war die Urkunde Papst Alexanders III. (1159-1181) für St. Georgen mit Datum vom 26. März 1179. An ihr kann die Bedeutung des Schwarzwaldklosters als Reformmittelpunkt des Benediktinertums während des 12. Jahrhunderts in Elsass, Lothringen, Schwaben und Bayern abgelesen werden. Die Urkunde nennt eine Vielzahl von Kommunitäten, die damals in engeren Beziehungen zum Schwarzwaldkloster standen, d.h.: sich St. Georgen in der Seelsorge oder im Rahmen der Klosterreform unterstellten oder von St. Georgen aus errichtet wurden (Amtenhausen, Friedenweiler, Urspring, Rippoldsau u.a.), während z.B. das Benediktinerkloster Ottobeuren, das Stift Admont (1115, Admonter Reform), die Klöster Hugshofen (vor 1110), Gengenbach (vor 1117) und Prüfening (1121) von St. Georgen aus Äbte und/oder Reformimpulse empfingen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass das St. Georgener Kloster unter Hirsauer Einfluss entstanden ist, selbst also Teil der Hirsauer Reform war. Die Reformwirkung St. Georgens muss im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts, in der Zeit der Äbte Theoger und Werner I. (1119-1134) beträchtlich gewesen sein, während in der zweiten Jahrhunderthälfte eine Phase der Stagnation eintrat. IV. Parallel zu den mehr oder weniger engen Beziehungen zum Papsttum gewann das Verhältnis zu den deutschen Königen im 12. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung. Erinnert sei an die Hinwendung St. Georgens zum Königtum, zu König Heinrich V. (1106-1125) (1108, 1112), Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) (1163) oder Kaiser Friedrich II., der in einer Urkunde vom Dezember 1245 der Mönchsgemeinschaft ihre Privilegien bestätigte, nicht ohne auf die staufische Vogtei und auf die daraus abgeleiteten herrscherlichen Rechte zu verweisen. V. Die späte Stauferzeit leitete den wirtschaftlichen und geistig-religiösen Niedergang St. Georgens ein. Aspekte dieser Entwicklung waren: die Brandkatastrophe von 1224, die das Kloster zerstörte - der Neubau wurde 1255 geweiht; der Verfall der klösterlichen Disziplin und der mönchischen Bildung; Verluste an Gütern und Rechten durch Entfremdung, Verkauf und Misswirtschaft; innere Unruhen im Klosterkonvent. Erst die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert brachte unter dem reformerischen Abt Johann III. Kern (1392-1427) eine Neuorientierung monastischen Lebens und damit einen Wandel zum Besseren. Hinter dem Zugehen auf das Königtum stand die Abgrenzung gegenüber den Klostervögten, deren Einfluss auf Kloster und Klostergebiet (d.h.: St. Georgen und Umgebung mit Brigach, Kirnach, Peterzell) sich im Rahmen der spätmittelalterlichen Territorialisierung noch verstärkte, während die Mönchsgemeinschaft selbst bei immerhin noch bedeutendem Grundbesitz an Wichtigkeit einbüßte. Gerade in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts geriet die Mönchsgemeinschaft im Zuge von Landsässigkeit und Landstandschaft in den Sog der württembergischen Landesherrschaft. Das Jahr 1536 brachte dann mit der Begründung der württembergischen Landeshoheit über St. Georgen und mit der Einführung der Reformation eine Zäsur, die die Existenz des Klosters ganz wesentlich in Frage stellte. Das katholische Kloster und seine Mönche fanden eine neue Heimat im österreichisch-habsburgischen Villingen, während sich in St. Georgen eine Gemeinschaft mit evangelischer Klosterordnung unter evangelischen Äbten etablierte (1566). Im Dreißigjährigen Krieg konnten sich die katholischen Mönche unter Abt Georg Gaisser (1627-1655) noch einmal für einige Jahre (1629-1632) in St. Georgen behaupten, doch führte der Krieg zur Zerstörung von Klosterkirche und -gebäuden am 13. Oktober 1633 durch Brand. Das Kloster ist danach nicht wieder aufgebaut worden, die katholische Mönchsgemeinschaft blieb auf Villingen beschränkt. Villingen schließlich wurde im Rahmen der napoleonischen Neuordnung auch Südwestdeutschlands im Jahr 1805 württembergisch, ein Jahr später badisch. Nun ereilte das Kloster das Schicksal von Säkularisation und Aufhebung (1806).
Zum Benediktinerkloster St. Georgen im Schwarzwald gibt es umfangreiche Literatur: Buhlmann, Michael (2006), Das Benediktinerkloster St. Georgen. Geschichte und Kultur (= VA 21), St. Georgen 2006, 60 S., € 4,-; Buhlmann, Michael (2007), Bildung im mittelalterlichen Kloster - Mönchsgemeinschaft St. Georgen im Schwarzwald (= VA 32), St. Georgen 2007, 60 S., € 4,-; Buhlmann, Michael (2009), Hezelo und Hesso, die St. Georgener Klostergründer. 925 Jahre St. Georgener Klostergründung 1084-2009 (= VA 42/1), St. Georgen 2009, 52 S., € 6,-; Buhlmann, Michael (2010), Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung. 925 Jahre St. Georgener Klostergründung 1084-2009 (= VA 42/2), St. Georgen 2010 > W Wilhelm von Hirsau; Buhlmann, Michael (2009), Theoger von St. Georgen - Abt und Bischof. 925 Jahre St. Georgener Klostergründung 1084-2009 (= Vertex Alemanniae, H.42/3), St. Georgen 2009 > T Theoger von St. Georgen; Buhlmann, Michael (2011), Anfänge des Klosters St. Georgen - Regesten zur Klostergeschichte. 925 Jahre St. Georgener Klostergründung 1084-2009 (= VA 42/4), St. Georgen 2011, Register (= VA 42/4), St. Georgen 2011 > W Wollasch, St. Georgen im Schwarzwald; Buhlmann, Michael (2009), Benediktinerkloster St. Georgen im Schwarzwald. 925 Jahre St. Georgener Klostergründung 1084-2009 (= VA 42/5), St. Georgen 2009, 56 S., € 6,-; Hofmeister, Adolf (1918), Die Annalen von St. Georgen auf dem Schwarzwald, in: ZGO 72 (1918), S.31-57; Kalchschmidt, Karl Theodor (1895), Geschichte des Klosters, der Stadt und des Kirchspiels St. Georgen auf dem badischen Schwarzwald, Heidelberg 1895, Nachdruck Villingen-Schwenningen 1988 > K Kalchschmidt, St. Georgen; Klepper, Dieter (1985), Die "translatio monasterii Sancti Georgii". Bemerkungen zur Bedeutung der Politik des Hauses Zähringen für die "Verlegung des Klosters St. Georgen" zur Zeit des Investiturstreits, St. Georgen-Villingen-Schwenningen 1985, 164 S., Abbildungen, Karten, DM 8,-; Klepper, Dieter (1987), Nur ein wüster Steinhaufen?, St. Georgen 1987, 84 S., Abbildungen, Karten, Pläne, DM 6,-; Untermann, Matthias (Hg.) (2005), Spuren des Klosters St. Georgen im Schwarzwald, hg. v. Verein für Heimatgeschichte St. Georgen (= Sonderdruck = Südwestdeutsche Beiträge zur historischen Bauforschung, Bd.6), Hertingen 2005, 213 S., € 22,-; Wollasch, Hans-Josef (1964), Die Anfänge des Klosters St. Georgen im Schwarzwald. Zur Ausbildung der geschichtlichen Eigenart eines Klosters innerhalb der Hirsauer Reform (= FOLG 14), Freiburg i.Br. 1964 > Wollasch, St. Georgen im Schwarzwald. > Q Quellen zur mittelalterlichen Geschichte St. Georgens [Buhlmann, 02.2002, 03.2006, 06.2007, 02.2009, 05.2009, 12.2014]

St. Georgen im Schwarzwald, Ort, Stadt: I. Im Schatten des 1083/85 gegründeten St. Georgener Benediktinerklosters wird es schon früh eine dörfliche Siedlung gegeben haben mit lokalem Markt, Handwerk und Kaufleuten; die Siedlung half bei der Versorgung der Mönchsgemeinschaft mit und genoss umgekehrt deren Schutz (Abt, Vogt; "topografischer Dualismus"). Das Kloster erhielt 1507 für den Ort St. Georgen von Kaiser Maximilian I. (1493-1519) Marktrecht (Wochenmarkt, zwei Jahrmärkte), was die damalige Wichtigkeit der Klostersiedlung unterstreicht. II. Der Ort machte die württembergische Reformation mit (1536) und wurde Teil des lutherisch-württembergischen Klosteramts St. Georgen mit seinen Untergliederungen St. Georgen, Langenschiltach, Peterzell und Mönchweiler; damit bestimmte das Herzogtum Württemberg über 270 Jahre - von einigen Unterbrechungen (1548-1556, 1630-1648) abgesehen - die Geschichte St. Georgens. Der Ort war über Klosteramt und Klosterschule eingebunden in das lutherische Herzogtum Württemberg, wie die Bürgerordnung von 1664 oder die regelmäßige Besteuerung der Bevölkerung als Untertanen des Herzogs zeigen. Die Franzosenkriege des endenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts (Pfälzerkrieg, 1688-1697; Spanischer Erbfolgekrieg, 1701-1714) schädigten Württemberg, St. Georgen und das Klosteramt schwer. Erst im 18. Jahrhundert kam in einer langen Friedensperiode auch eine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung zustande. Eine Ortsbeschreibung (1795) gibt Einblicke in die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse in St. Georgen als Teil des württembergischen Oberamts Hornberg. Spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Rentengrundherrschaft mit Hofleihe und Leibeigenschaft bestimmten dabei weitgehend das Wirtschaftsgeschehen. Bäuerliche Lehen-, Tausch- und Leibgedingurkunden sind vor dem 19. Jahrhundert vielfältig aus St. Georgen überliefert. In die frühe Neuzeit gehört dann die Ausbildung von Zünften; fassbar werden die Handwerkerzünfte in St. Georgen erstmals 1687, für die Folgezeit werden die Weber- und Seiler-, Schuhmacher- und Sattler-, Schneider-, Bäcker- und Müller-, Schmied-, Wagner-, Schlosser-, Schreiner- und Küferzunft erwähnt. Bedeutung erlangte im Verlauf des 18. Jahrhunderts auch das Uhrmacherwesen. III. Im Zuge der napoleonisch-französischen Neuordnung Deutschlands (Rheinbund, Ende des Alten Reichs 1806) bzw. der Gründung des Deutschen Bundes auf dem Wiener Kongress (1814/15) gelangte St. Georgen letztendlich an das Großherzogtum Baden (1810/15). In badischer Zeit sollte sich St. Georgen zur Stadt entwickeln. Die Uhrmacherei und das hieraus entstehende feinmechanische Gewerbe sowie der sich im Zuge der Industrialisierung etablierende Maschinenbau prägten das nunmehr industrialisierte St. Georgen ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert; die Uhrenfabrik von Philipp Haas und Söhnen mag hierfür ebenso ein Beispiel sein wie die im Jahr 1884 in St. Georgen stattfindende Gewerbeausstellung oder die 1841 gegründete Emailfabrik der Gebrüder Schultheiß. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes waren zudem gerade die Verkehrswege von großer Wichtigkeit; der Bau der Chaussee im Brigachtal im Jahr 1835 änderte die Vekehrsverhältnisse zu Gunsten eines Verkehrsmittelpunkts St. Georgen entscheidend. Ab 1839 gab es Postverkehr nach St. Georgen, in den 1860er-Jahren entstand die Straße nach Schramberg. Zwischen 1863/67 und 1873 schließlich wurde die Schwarzwaldbahn erbaut. Wirtschaftliches Gewicht, eine gemessen an der damaligen Bevölkerungszahl hohe Anzahl von Einwohnern und die verkehrsgünstige Lage an der neuen Schwarzwaldbahn werden dann die Stadterhebung St. Georgens am 17. Dezember 1891 mit begünstigt haben. Mit der Erhebung zur Stadt gab sich die Gemeinde St. Georgen auch ein etwas anderes Stadtsiegel und -wappen (heiliger Georg mit Drachen). Auch setzte im 19. Jahrhundert die Zuwanderung von Katholiken ins protestantinische St. Georgen ein, was sich letztlich in der Gründung der katholischen Kuratie (1894) und Pfarrgemeinde St. Georg (1907) niederschlug. IV. Bei fortschreitender Industrialisierung und gesellschaftlichem Wandel machte St. Georgen die Geschichte von deutschem Kaiserreich (1870/71-1918), Weimarer Republik (1919-1933), nationalsozialistischem Deutschland (1933-1945) und Bundesrepublik Deutschland (ab 1949) mit. Im 20. Jahrhundert war die Stadt somit geprägt von Erstem Weltkrieg (1914-1918), Inflation (1923) und Weltwirtschaftskrise (1929), von Zweitem Weltkrieg (1939-1945), von bundesrepublikanischem Wirtschaftswunder (ca.1948/70) und einem wirtschaftlichen Strukturwandel (1970/80er-Jahre). An Industrieunternehmen waren/sind bedeutsam: Dual Gebrüder Steidinger, Papst-Motoren, Heinemann AG, Dieter Grässlin, IG Weisser u.a. Heute verfügt St. Georgen über wichtige Bildungseinrichtigen wie Schulen (Haupt-, Realschulen, Gymnasium), Jugendmusikschulen und Volkshochschule (1921 als Volksbildungswerk). Eine Vielzahl von Vereinen sind in der Stadt tätig: Turnverein (1863), Stadtmusik (1874), Männerchor (1881), Männergesangverein (1887), Schwarzwaldverein (1888), Evangelischer Krankenhaus- und Hilfsverein (1891), Geflügelzuchtverein (1891), Kraftsportverein (1898), Radverein (1898), Trachtenverein (1907), Naturheilverein (1908), Kaninchenzuchtverein (1909), Naturfreundeverein (1911), Skiverein (1911), Vogelfreunde (1912), Brieftaubenzuchtverein (1913), Fußballverein (1913), Schachclub (1920), Obst- und Gartenbauverein (1921), Tennisclub (1923), Schützengilde (1926, 1958), Briefmarkensammlerverein (1931), Arbeiterwohlfahrt (1947), VdK (1948), Alpenverein (1950), Sudetendeutsche Landsmannschaft (1958), Landsmannschaft der Donauschwaben (1959), Tierschutzverein (1960), Narrenzunft (1967), Foto-Film-Phono-Club (1970), Reitclub (1971), Verein für Heimatgeschichte (1972), Judoverein (1975), Jugoslawischer Verein (1976), Italienischer Verein (1977), Angelsportverein (1977), Skatclub (1979), BUND (1980), Motorradclub (1981). Die Vereine spiegeln das vielfältige kulturelle Leben in St. Georgen wider. Auf kommunaler Ebene spielten der 1858 entstandene und 1934 aufgelöste Gewerbeverein eine Rolle sowie die 1921 gegründete gemeinnützige Baugenossenschaft St. Georgen. Zu erwähnen sind noch die evangelische, katholische und evangelisch-methodistische Kirchengemeinde von St. Georgen. Weitgehend im Bereich des kulturellen Austauschs bewegen sich die Städtepartnerschaften St. Georgens mit St. Raphael in Frankreich (1972) und Scandale in Italien (1989).
Zu Ort und Stadt St. Georgen im Schwarzwald s.: Arbeitsgemeinschaft "Sitte und Brauchtum" St. Georgen (Hg.) ([o.J.]), Sitte und Brauchtum um die Jahrhundertwende in St. Georgen, [o.O. o.J.], 72 S., Schwarzweißabbildungen, DM N.N.; Böcking, Jörg (1991), Die Entwicklung der politischen Verhältnisse in St. Georgen von 1891 bis 1932 (= Beiträge zur Geschichte der Stadt St. Georgen im Schwarzwald, Bd.1), St. Georgen 1991, 108, XXI S., DM 1,-; 100 Jahre Stadterhebung St. Georgen im Schwarzwald 1891-1991. Festschrift, hg. v.d. Stadt St. Georgen (1991), St. Georgen 1991, 344 S., Schwarzweißabbildungen, Pläne, DM N.N. (u.a. mit den Beiträgen: Willi A. Boelcke, 100 Jahre St. Georgen. Über ein Jahrhundert Dynamik des Industriezeitalters; Wolfdieter Gramlich, St. Georgen vor 200 Jahren; Wolfdieter Gramlich, Städtebauliche Entwicklung St. Georgens im 19. Jahrhundert; Hans-Martin Müller, Das alte Rathaus; Horst Kugel, Geschichte von Bürgermeisterhänden geschrieben in den Jahren 1859-1903; Hans-Martin Müller, Aus der Amtszeit des Bürgermeisters K. Franz (1903-1920); Siegbert Hils, Geschichte der Industrie in St. Georgen und Umgebung von 1800 bis 1930 unter besonderer Berücksichtigung der Uhrenindustrie; Emil Riemensperger, Erlebtes seit der Beendigung des 1. Weltkrieges 1914-1918; Adolf Ströble, St. Georgen im Dritten Reich; Carl H. Ciz, St. Georgen nach 1945; Carl H. Ciz, Die Bürgermeister der Stadt St. Georgen seit 1945; Günter Lauffer, Die Sanierung "Stadtmitte I" St. Georgen im Schwarzwald; Werner Alze, Evangelische Kirchengemeinde St. Georgen 1891-1991 ein Rückblick; Gunter Storz, Die katholische Kirchengemeinde St. Georgen; Helmut Haas, Brigach; Otto Fleig, Aus der Langenschiltacher Geschichte; Gerhard Mengesdorf, Josef Stockburger, Oberkirnach; Christian Storz, Peterzell; Roland Zimmermann, Stockburg); Hakenjos, Wilhelm (1993), Brigach. Hofchronik und Ortsgeschichte, St. Georgen 1993, 400 S., Schwarzweißfotos, Karten, DM 38,-; Hakenjos, Wilhelm (1997), Langenschiltach. Familien- und Hofchronik (mit Ortsgeschichte), St. Georgen 1997, 447 S., Schwarzweißfotos, Karten, € 21,-; Heinemann, Bartholomäus (1939), Geschichte der Stadt St. Georgen im Schwarzwald, Ndr St. Georgen o.J., 55 S., Plan, DM 5,-; Jäckle, Reinhard (2008), Pendelschläge. Über die Geschichte des Schwarzwälder Unternehemns Gebr. Staiger in St. Georgen und die dort stattgefundene Entwicklung der Quarz-Uhr in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Erinnerungen, St. Georgen [im Schwarzwald] 2008, 150 S., Schwarzweißabbildungen, € N.N.; 900 Jahre Stadt St. Georgen im Schwarzwald 1084-1984, Festschrift hg. v.d. Stadt St. Georgen (1984), Villingen-Schwenningen 1984, 265 S., Schwarzweißabbildungen, Schwarzweißtafeln, Karten, DM 5,-; Schultheiß, Jochen u.a. (2007), Chronik der Pfarrei St. Georg (St. Georgen im Schwarzwald), hg. v.d. katholischen Kirchengemeinde St. Georg, St. Georgen, Horb a.N. 2007, 208 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Pläne, € 15,-; Schwarzwaldverein St. Georgen im Schwarzwald (Hg.) (1998), 100 Jahre Schwarzwaldverein St. Georgen im Schwarzwald, [o.O.] 1998, 60 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, DM N.N.; Schwarzwaldverein St. Georgen im Schwarzwald (Hg.) (2013), 125 Jahre Schwarzwaldverein St. Georgen im Schwarzwald, [o.O.] 2013, 76 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, € N.N.; Stockburger, Erich (1972), St. Georgen. Chronik des Klosters und der Stadt, bearb. v. Josef Fuchs, St. Georgen 1972, 182 S., Schwarzweißtafeln, DM 2,-. Fotos als Geschichtsquellen sind zusammengestellt u.a. in: St. Georgen im Schwarzwald. Wie es früher war. Historische Bilddokumente aus alten Tagen, hg. vom Foto-Film-Phono-Club St. Georgen (1985), Horb a.N. 21996, 96 S., Schwarzweißfotos, DM N.N.; St. Georgen im Spiegel der Zeit, hg. v. Jürgen Lehmann, Willi Meder u. Wolfgang Winkler (2003), Horb a.N. 2003, 156 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, € 18,-; Turnverein 1863 St. Georgen e.V. (Hg.), 150 Jahre Turnverein 1863 St. Georgen e.V. Vereinslexikon, [St. Georgen] 2013, 177 S., Schwarzweiß-, Rotweißabbildungen, € N.N. [Buhlmann, 11.2003, 12.2005, 10.2017, 05.2019, 11.2019, 03.2021, 02.-03.2023, 02.2024]

St. Georgen im Schwarzwald: 100 Jahre Stadterhebung St. Georgen im Schwarzwald 1891-1991. Festschrift, hg. v.d. Stadt St. Georgen (1991), St. Georgen 1991 > S St. Georgen im Schwarzwald

St. Georgen in Villingen, Benediktinerkloster, Georgskloster in Villingen: Das Georgskloster in Villingen war die Nachfolge der benediktinischen Mönchsgemeinschaft St. Georgen im Schwarzwald. Das Jahr 1536 brachte nämlich mit der Begründung der württembergischen Landeshoheit über St. Georgen und mit der Einführung der Reformation eine Zäsur, die die Existenz des Klosters ganz wesentlich in Frage stellte. Das katholische Kloster und seine Mönche fanden eine neue Heimat im österreichisch-habsburgischen Villingen, während sich in St. Georgen eine Gemeinschaft mit evangelischer Klosterordnung unter evangelischen Äbten etablierte (1566). Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) konnten sich die katholischen Mönche unter Abt Georg Gaisser (1627-1655) noch einmal für einige Jahre (1629-1632) in St. Georgen behaupten, doch führte der Krieg zur Zerstörung von Klosterkirche und -gebäuden am 13. Oktober 1633 durch Brand. Das Kloster ist danach nicht wieder aufgebaut worden, die katholische Mönchsgemeinschaft blieb auf Villingen beschränkt. Schon längst hatte sich die geistliche Kommunität in Villingen eingerichtet, der Pfleghof ("Alte Prälatur", Abt-Gaisser-Haus) war ausgebaut worden, ein viergeschossiges Konventshaus mit Sakristei, Kapitelsaal, Refektorium und Bibliothek war bis 1666 entstanden, zwischen 1688 und 1725 bzw. 1756 erbaute man die barocke Klosterkirche, ab 1650 war mit dem Kloster ein Gymnasium verbunden. Die bis zur Säkularisation letzten Äbte des Klosters St. Georgen sollten also in der barocken Klosteranlage in Villingen residieren. Probleme mit der Stadt, in der die katholischen Mönche solcherart Unterschlupf gefunden hatten, gab es immer, z.B. 1774/75 um den Erhalt des Benediktinergymnasiums, aber im Großen und Ganzen kam man miteinander aus. Streitigkeiten gab es auch mit der österreichischen Regierung, die Äbte Hieronymus Schuh (1733-1757) und Cölestin Wahl (1757-1778) führten den Titel eines Reichsprälaten, was 1757/58 auf Widerstand stieß, da das Kloster sich ja unter österreichischer Landeshoheit befand und österreichischem Schutz und Schirm unterstand. Doch wurde die Angelegenheit in der Folgezeit auf sich ruhen gelassen, ein neu gewählter Abt sollte aber seine Wahl dem Landesherrn anzeigen und dessen Schirmherrschaft förmlich anerkennen. Nur noch einmal ist danach mit Anselm Schababerle (1778-1806) ein Abt des Georgsklosters gewählt worden. Seine Amtszeit stand unter den Zeichen von Französischer Revolution (1789) und Säkularisation (1806). Villingen wurde im Rahmen der napoleonischen Neuordnung auch Südwestdeutschlands im Jahr 1805 württembergisch, ein Jahr später badisch. Nun ereilte das Kloster das Schicksal von Säkularisation und Aufhebung (1806).
Zum Georgskloster in Villingen s.: Tocha, Michael, Tritschler, Edgar H. (Hg.) (2020), Die Benediktiner in Villingen. Forschungen aus drei Jahrzehnten. Sonderband als Sammlung von Veröffentlichungen in den Jahresheften des Geschichts- und Heimatvereins Villingen e.V., Villingen-Schwenningen 2020, 161 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, € 15,- (mit den Beiträgen: Josef Fuchs, Die Geschichte des Benediktinerklosters St. Georgen und Villingen; Michael Tocha, Besinnung und Aufbruch. Die Villinger Benediktiner und die Universität Dillingen; Hermann Preiser, Die Geschichte der Benediktinerkirche; Dieter Ehnes, Die Benediktinerkirche in Villingen und die Studienkirche in Dillingen. Gemeinsame baugeschichtliche Wurzeln und konstruktiv-architektonische Zusammenhänge; Stephan Rommelspacher, Die Silbermann-Orgel der Benediktinerkirche zu Villingen. Rückblick und Vision; Ute Schultze, Die Benediktiner von St. Georgen zu Villingen. Das Schicksal der Mönche vom letzten Drittel des 17. Jahrhunderts bis 1807; Michael Tocha, Nachrichten aus dem Gymnasium der Benediktiner zu Villingen; Michael Buhlmann, Mittelalterliche Handschriften aus der Bibliothek des Benediktinerklosters St. Georgen in Villingen; Kurt Müller, Ein Epitaph in der Benediktinerkirche; Hermann Preiser, Das Schicksal der Villinger Benediktinerkirche (nach der Säkularisation bis zum Verkauf durch die Stadt an die katholische Kirchengemeinde im Jahre 1912); Burghard Lohrum, Theatersaal im ehemaligen Benediktinerkloster. Entdeckung mithilfe der Bauforschung; Josef Fuchs, Die Restaurierung der Villinger "Benediktinerkirche" St. Georg, der Sakristei und "Praelatur" zum "Tausendjährigen" 1999). [Buhlmann, 03.2006, 09.2020]

St. Georgener Klosterbibliothek in Villingen: I. Über die mittelalterliche Bibliothek des Klosters St. Georgen im Schwarzwald ist kaum etwas bekannt. Es finden sich seit dem 17. Jahrhundert erste Informationen zu Handschriften und Büchern aus dem Georgskloster in Villingen: über eine Bibliothek auf Wanderschaft, zum Teil eingelagert in anderen Klöstern, über die (teilweise?) Vernichtung des Villinger Buchbestandes durch Brand (1637), über den Erwerb und Aufbau einer neuen Bibliothek durch Abt Georg II. Gaisser (1627-1655) durch Kauf, über die Katalogisierung der Bücher und Handschriften. Auch Abt Gaissers Nachfolger bemühten sich um Sicherung und Ausweitung des Buchbestandes, zumal in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts die erweiterten Villinger Klostergebäude einschließlich der Räumlichkeiten für die Bibliothek bezogen werden konnten. Im 18. Jahrhundert vergrößerte sich der Buchbestand - trotz mancher Rückschläge wie dem erzwungenen Verkauf der Musica Theogeri an das Kloster St. Blasien (1743) - weiter. Bei der Säkularisation des Georgsklosters (1806) kamen dann die gedruckten Bücher zum großen Teil an die Universität Freiburg, die 111 (Pergament- und Papier-) Handschriften gingen an die großherzoglich-badische Hofbibliothek, die heutige badische Landesbibliothek in Karlsruhe, wo sie einen umfangreichen und geschlossenen Teilbestand des dort gelagerten Schrifttums bilden. Doch ging auch manches der ursprünglich wohl 20000 Werke zählenden Klosterbibliothek verloren, bei der Säkularisation, in den darauf folgenden Jahren, aber auch durch Kriegseinwirkungen im 20. Jahrhundert. II. Bei den sog. St. Georgener Handschriften hauptsächlich des 15. Jahrhunderts handelt es sich zumeist um liturgische Texte - Psalter, Antiphonare, Breviare, Stunden- und Gebetbücher u.a. -; Heiligenlegenden, Geschichtsschreibung wie das Werk Ulrich Richentals (*ca.1360-†1437) über das Konstanzer Konzil (1414/18), das "Gedicht von Christus und der minnenden Seele" sind darunter, ebenso die Handschriften "Christus und die sieben Laden" und "Die vierundzwanzig Alten" Ottos von Passau; eine Handschrift enthält Artes liberales-Texte, es gibt medizinisch-naturwissenschaftliche Sammelhandschriften. Die berühmte St. Georgener Predigtsamm-lung, der sog. St. Georgener Prediger aus dem endenden 13. Jahrhundert, beinhaltet 39 Predigten und Traktate auf Deutsch.
Zur Klosterbibliothek s. die Publikationen: Buhlmann, Michael (2007), Die mittelalterlichen Handschriften des Villinger Klosters St. Georgen. Handschriften in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe (= Vertex Alemanniae, H.27), St. Georgen 2007, 60 S., Schwarzweißabbildungen, € 4,-; Buhlmann, Michael (2008), Mittelalterliche Handschriften aus der Bibliothek des Benediktinerklosters St. Georgen in Villingen, in: GHV 31 (2008), S.65-71; Werner, Joachim (2003), Die Bücher der Benediktiner von Villingen. Kostbarste Bücher durch das Großherzogtum verschleudert und verstreut, in: Almanach. Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 26 (2003), S.170-176. > C Christus und die minnende Seele, > C Christus und die sieben Laden, > O Otto von Passau, > S St. Georgener Prediger [Buhlmann, 01.2007, 12.2007]

St. Georgener Prediger, mittelalterliche Handschriften: Die berühmte St. Georgener Predigtsammlung vom Georgskloster in Villingen, der so genannte St. Georgener Prediger aus dem endenden 13. Jahrhundert, beinhaltet 39 Predigten und Traktate auf Alemannisch. Zielgruppe der Predigten waren Nonnen, wohl Benediktinerinnen, die geistlich-erbaulichen Texte enthalten kurze Predigten, religiöse Traktate, Erbauungstexte ohne Predigtform oder haben theologisch anspruchsvolle Themen zum Inhalt wie Trinität, Christologie, Mariologie, Abendmahl und mystische Erfahrungen. Wie alle damaligen deutschen Predigten basieren auch die Texte im St. Georgener Predigers auf lateinischen Unterweisungen. Gepredigt wird das Wort Gottes, es ist dem Neuen oder Alten Testament entnommen. Fassbar ist die St. Georgener Predigtsammlung in einer breiten Überlieferung von 28 Handschriften. Zwei alemannische Handschriften stammen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, bei der Freiburger Handschrift der Schwarzwälder Predigten handelt es sich um eine Sammlung, die um sog. Schweizer Predigten erweitert wurde. Weitere Handschriften finden sich im Bereich des Bayerischen, West- und Ostmitteldeutschen sowie Niederländischen. Nach 1500 wurden keine weiteren Handschriften der Predigtsammlung angefertigt. Der St. Georgener Prediger gelangte auch nicht in den Buchdruck. Der St. Georgener Prediger gehört zu einer der drei großen Predigtsammlungen aus dem 13. und beginnenden 14. Jahrhundert. Am Ende des 13. Jahrhunderts waren die Schwarzwälder Predigten entstanden, die umfangreichste Sammlung von Musterpredigten des späten Mittelalters und vermutlich franziskanischen Ursprungs. Die deutschen Predigten schließlich, die dem Franziskaner Berthold von Regensburg (*ca.1210-†1272) zugeschrieben wurden, wollten die Bedeutung dieses Volkspredigers herausstellen. Die drei Predigtsammlungen stehen damit am Anfang deutschsprachiger Predigttexte des Mittelalters.
Ediert ist der St. Georgener Prediger in: Der sog. St. Georgener Prediger (aus der Freiburger und Karlsruher Handschrift), hg. v. Karl Rieder (1908) (= Deutsche Texte des Mittelalters, Bd.10), Berlin 1908, XXIV, 382 S. Mit dem St. Georgener Prediger beschäftigt sich: Seidel, Kurt Otto (2003), Die St. Georgener Predigten. Untersuchungen zur Überlieferungs- und Textgeschichte (= MTU 121), Tübingen 2003, X, 369 S., € 46,-. [Buhlmann, 01.2007]

St. Märgen, ehemaliges Augustinerchorherrenstift, Gemeinde im Schwarzwald: 1115/18 wurde mitten im Schwarzwald das Augustinerchorherrenstift St. Märgen gegründet, das nach mühsamen Anfängen und der Gefahr, vom benachbarten Benediktinerkloster St. Peter einverleibt zu werden, seine Existenz in der Folge festigen konnte, wenn es auch im 14./15. Jahrhundert wiederum zu inneren Streitigkeiten (diesmal um das persönliche Eigentum der Chorherren) kam. Im Spanischen Erbfolgekrieg (1700-1713/14) wurde das Stift 1704 von französischen Soldaten zerstört, dem barocken Wiederaufbau des 18. Jahrhunderts (Kirche mit Doppelturmanlage) folgte die Säkularisation von 1806. Im 18. Jahrhundert wurde St. Märgen zu einem wichtigen Produktionsort für Schwarzwälder Uhren, heute ist die kleine Gemeinde mit den Gebäuden des ehemaligen Stifts ein Anziehungspunkt für Touristen.
Zu St. Märgen s.: Hockenjos, Fritz (1985), St. Märgener Welt, Freiburg i.Br. 1985, 98 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, DM 24,-; [O.A.] (2017), St. Märgen feiert Geburtstag. Der kleine Schwarzwaldort auf der Höh wird 900 Jahre alt, in: Lahrer Hinkender Bote. Der badische Kalender für das Jahr 2018, o.O., o.J. [2017], S.52ff. [Buhlmann, 05.2019, 07.2020]

St. Peter im Schwarzwald, Benediktinerkloster: I. Die Mönchsgemeinschaft in St. Peter war Hauskloster und Grablege der Zähringer. Die Ursprünge der Kommunität liegen in Weilheim, in einem 1073 oder davor gegründeten Eigenkloster oder -stift, das nach 1078 - erzwungen durch kriegerische Ereignisse, von denen besonders Schwaben in den Jahrzehnten des Investiturstreits betroffen war - an das Kloster Hirsau, frühestens 1085 an Herzog Berthold II. von Zähringen (1078-1111) gelangte. Dieser ließ dort ein Hauskloster errichten, änderte aber gegen 1090 seine Pläne und ließ bis 1093 die geistliche Kommunität eben nach St. Peter im Schwarzwald verlegen. Hier entwickelte sich in kurzer Zeit ein benediktinisches Reformkloster, das mit dem Privileg Papst Urbans II. (1088-1099) vom 10. März 1095 der römischen Kirche unterstellt wurde. Ausfluss des zunehmenden Wohlstands der Mönchgemeinschaft, die mit Schenkungen der Zähringerherzöge und von deren Ministerialen begabt wurde, war der hauptsächlich im 12. Jahrhundert angelegte Rotulus Sanpetrinus, eine Pergamentrolle u.a. mit Traditionsnotizen, die einen guten Einblick in die sich entwickelnde klösterliche Grundherrschaft gibt. Das Kloster wurde dabei von den Zähringerherzögen bevogtet, wobei der Rechtsakt vom 27. Dezember 1111, in dem der zähringische Verzicht auf erbrechtliche Ansprüche an Kloster und Klostergüter geregelt wurde, die auch herzogliche Vogtei über St. Peter mitbegründen half. Bis 1218 blieb dann die zähringische Kloster- und Stiftervogtei unbestritten, die Auseinandersetzungen nach dem Tod des söhnelosen Herzogs Berthold V. (1186-1218) endeten mit der Übernahme der Vogtei durch Bertholds Neffen Graf Egino V. dem Jüngeren von Urach und Freiburg (†1236/37) (1221/26), der nun advocatus ac defensor ("Vogt und Verteidiger") der Mönchsgemeinschaft wurde. Die Vogtei verblieb bei den Freiburger Grafen, die manchmal recht eigenmächtig über klösterliche Güter und Rechte verfügten (1284, 1314). Die Bedrückung durch die Vögte wurde so groß, dass sich das Kloster an Kaiser Karl IV. (1347-1378) wandte und - vielleicht im Rückgriff auf eventuell vorhanden gewesene Beziehungen zu Kaiser Friedrich II. (1212-1250) - den Schirm des Reiches erlangte (1361). Das Privileg wurde 1443 bestätigt, 1498 sprach Kaiser Maximilian I. (1493-1519) von der Zugehörigkeit des Klosters zum Reich. Unterdessen war die Vogtei auf dem Weg der Verpfändung (ab 1371) endlich an Markgraf Wilhelm von Hachberg-Sausenberg (1428-1441) gelangt (1441). 1526 übernahmen die Habsburger die Klostervogtei. II. Im 11. und 12. Jahrhundert erwarb die Mönchsgemeinschaft in St. Peter - nicht zuletzt durch die Zuwendungen der Stifterfamilie - bedeutenden Besitz im Nahbereich, im Breisgau, auf der Baar, bei Weilheim, in der Mittelschweiz. Kloster und Klosterort lagen auf dem Seelgut (Salland) im engeren Immunitätsbezirk des Klosters, in den Tälern der Umgebung bildete sich ein kompaktes Klostergebiet aus. Im Breisgau gab es Villikationen, fronhofmäßig organisierten Besitz, im Schwarzwald existierten auf Rodungsland bäuerliche Erblehen (feoda), wobei durch Teilung und Verkauf eine ausgeprägte Besitzzersplitterung auftrat (13./14. Jahrhundert). Infolge der Bevölkerungsverluste im 14. Jahrhundert kam es zu Wüstungsprozessen und zum Rückgang der grundherrschaftlichen Einnahmen. Die Dingrodel von 1416 und 1456 benennen die daraus resultierenden Schwierigkeiten zwischen Kloster und Vogt. Sie zeigen zudem die Art der Güter auf: Ding- und Meierhöfe, eigenbewirtschaftete Güter des Seelguts, bäuerliche Lehengüter. III. 1238 und 1437 ist das Kloster St. Peter Opfer einer Brandkatastrophe geworden, 1436 wurden dem Abt Johannes Tüffer (1427-1439) die Pontifikalien verliehen. Das Kloster verlor im späten Mittelalter an Bedeutung, die Klosterreformen des 15. Jahrhunderts fanden keinen Eingang, der Besitz blieb aber weitgehend erhalten, auch im Zeitalter der Reformation. Abt Peter Gremmelsbach (1496-1512) erneuerte Zähringertradition und Stiftermemoria, die Klostergebäude sind im 17. und 18. Jahrhundert barock neu erbaut worden. Die Mönchsgemeinschaft wurde 1806 aufgehoben.
Die wichtigste Geschichtsquelle aus der Anfangszeit des Klosters ist der Rotulus Sanpetrinus: Fleig, Edgar (1908), Handschriftliche, wirtschafts- und verfassungsgeschichtliche Studien zur Geschichte des Klosters St. Peter auf dem Schwarzwald, Diss. Freiburg i.Br. 1908, 128 S., Karte; Krimm-Beumann, Jutta (Bearb.) (2011), Die ältesten Güterverzeichnisse des Klosters St. Peter im Schwarzwald (= VKGLBW A 54), Stuttgart 2011, XCVII, 179 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, CD-ROM, € 38,-; Weech, Friedrich von (1882), Der Rotulus Sanpetrinus nach dem Original im Großh. General-Landesarchiv zu Karlsruhe, in: FDA 15 (1882), S.133-184. Zur Geschichte des Klosters s. weiter: Mühleisen, Hans-Otto, Ott, Hugo, Zotz, Thomas (Hg.), Das Kloster St. Peter auf dem Schwarzwald. Studien zu seiner Geschichte von der Gründung im 11. Jahrhundert bis zur frühen Neuzeit (= VAI 68), Waldkirch 2001 > M Mühleisen u.a., Kloster St. Peter. [Buhlmann, 02.2002, 11.2005, 11.2011]

  St. Trudpert, Benediktinerkloster im Schwarzwald: I. Das Kloster St. Trudpert geht mittelalterlicher Überlieferung zufolge auf den heiligen Trudpert, einen im Südschwarzwald missionierenden Iren und Märtyrer (7. Jahrhundert, 1. Hälfte), zurück. Er errichtete im Münstertal des Schwarzwaldes eine Einsiedelei, die wohl erst im (beginnenden?) 9. Jahrhundert zu einem Kloster umgestaltet wurde. Die Mönchsgemeinschaft ist spätestens um 900 von der oberelsässischen Adelsfamilie der Liutfride unterstützt worden, für 901 und kurz nach 965 sind Translationen von Trudpertreliquien bezeugt. Wohl in dieser Zeit vorhandene eigenkirchliche Bindungen an das Straßburger Bistum spiegeln sich noch im 13. Jahrhundert. in Patronatsrechten der Bischöfe wider. Kirchenreform und Investiturstreit scheinen in St. Trudpert keine Spuren hinterlassen zu haben, die Grundherrschaft dehnte sich hauptsächlich im Münstertal, im Breisgau, in der Ortenau und im Elsass aus, wobei im späten Mittelalter eine gewisse Besitzkonzentration eintrat und so das Kloster z.B. in Tunsel, am Ausgang des Münstertals, die Ortsherrschaft erlangte. Hinzu kamen als Kirchenbesitz die Pfarreien in Münstertal, Grunern, Krozingen, Tunsel, Laufen, Biengen u.a. Auch der im Hochmittelalter aufkommende Silberbergbau konnte von der geistlichen Ge-meinschaft genutzt werden. Es entwickelte sich auf Grund des Bergbaus das Städtchen Münster unterhalb der Abtei, das 1346 zusammen mit der Burg Scharfenstein der Herren von Staufen von Freiburger Bewaffneten zerstört wurde und infolge dieses Angriffs einging. Den wirtschaftlichen Niedergang in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts überwand das Kloster augenscheinlich während des Abbatiats Pauls I. (1435-1455). 1525 wurde beim Bauernkrieg St. Trudpert durch Plünderungen in Mitleidenschaft gezogen. II. Gegen 1200 gewannen die Herren von Staufen, Ministeriale der Herzöge von Zähringen, Vogtrechte über St. Trudpert. Klösterliche Urkundenfälschungen waren die Folge, eine Obervogtei der Grafen (bzw. Herzöge) von Habsburg ist zu 1277 erstmals belegt, so dass die Herren von Staufen bis zu ihrem Aussterben (1602) als habsburgische Untervögte fungierten. Die habsburgische Obervogtei bedeutete auch, dass das Kloster Teil der vorderösterreichischen Landesherrschaft wurde und somit habsburgisches Prälatenkloster. Als solches machte es die Säkularisation des Jahres 1806 mit und gelangte damals an das Großherzogtum Baden. III. Mehrere mittelalterliche Klosteranlagen/-kirchen sind bezeugt, so eine Erneuerung des Klosters 902 und dann wieder - nach einem Ungarneinfall im beginnenden 10. Jahrhundert? - vor 962. Die dreischiffige Basilika wurde um 1100 um ein Westwerk erweitert, im 15. Jahrhundert entstanden neue Klausurgebäude und ein gotischer Langchor. Der Zerstörung der Klostergebäude durch die Schweden im Jahr 1632 folgte ein zunächst provisorischer Wiederaufbau, der 1712/16 dem barocken Kirchenneubau weichen musste. Zwei Kreuze in Niellotechnik aus dem 13. Jahrhundert sind erhalten geblieben. Aus der Klosterbibliothek stammt eine Handschrift der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts, die das "St. Trudperter Hohelied", das "erste Buch der deutschen Mystik", einen niederalemannischen Text des 12. Jahrhunderts, enthält.
Hinsichtlich des St. Trudperter Benediktinerklosters in Mittelalter und früher Neuzeit sei verwiesen auf: Kurrus, Theodor (1976), St. Trudpert/Münstertal (= Schnell & Steiner Nr.1081), Regensburg 152006, 27 S., Farbabbildungen, Pläne, € 3,-; Schiffer, Rudolf (2014), Beliebte Wallfahrtskirche im Südschwarzwald. Sankt Trudpert im Münstertal, in Schwarzwälder Hausschatz 2014, S.167-170. [Buhlmann, 06.2016, 01.2019]

Sante, Georg Wilhelm (1924), Die kurpfälzische Politik des Kurfürsten Johann Wilhelm vorbehmlich im spanischen Erbfolgekrieg (1690-1716), in: HJb 44 (1924), S.19-64 > S Spanischer Erbfolgekrieg am Niederrhein

Santifaller, Leo (1949), Die Preces primariae Maximilians I. Auf Grund der maximilianischen Registerbücher des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchives, in: Santifaller, Leo (Hg.), Festschrift zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs (= Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Ergbd. 2,1), Wien 1949, S.578-661 > E Erste Bitten

Santon, Kate, McKay, Liz ([2006]), Der große Atlas der Weltgeschichte, [Köln] [2006] > A Atlas, historischer Atlas

Sapp, Franz (1992), Gefangen in Stalingrad (1943-1946), Augsburg 1998 > Z Zweiter Weltkrieg

Sapper, Nico (1965), Die Schwäbisch-Österreichischen Landstände und Landtage (im 16. Jahrhundert) (= SSWLK 6), Stuttgart 1965, XXIII, 144 S., Abbildung, Karten, € 8,-. I. Die deutschen Landesherrschaften des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit waren u.a. geprägt vom politischen "Dualismus", von politischer "Interdependenz" zwischen Landesherr und Ständen. Der Landesherr benötigte die Stände zur Bewilligung von Geldern (Befugnisse im Steuerwesen), die Stände organisierten sich als integraler Bestandteil der Landesherrschaft mit angestammten Rechten. Landesherr und Landstände definierten dann die landständische Verfassung der Landesherrschaft; Ausfluss dieser Verfassung waren u.a. die Landtage. II. Innerhalb der Konglomeration der vorderösterreichischen Territorien (habsburgische Landesherrschaften: Unter-/Niederösterreich [Österreich unter und ob der Enns], Innerösterreich [Kärnten, Krain, Steiermark, Triest], Oberösterreich [Tirol], Vorderösterreich [westlich des Arl und Fern]) bestand Schwäbisch-Österreich aus den Kameralherrschaften: Grafschaft Hohenberg, Landgrafschaft Nellenburg, Landvogtei Schwaben und Markgrafschaft Burgau, den (mittelbar habsburgischen) Dominien: Grafschaft Kirchberg, Herrschaften Berg, Tengen, Veringen, Wald, Weissenhorn, Werenwag u.a., Stadt Schelklingen, den Städten (auch "Donaustädten") Burgau, Ehingen, Günzburg, Horb, Mengen, Raldofzell, Riedlingen, Rottenburg, Saulgau u.a., den Klosterherrschaften Heiligkreuztal, Urspring u.a., verschiedenen Standes- und Ritterherrschaften wie Dotternhausen oder Hirrlingen. Schwäbisch-Österreich war demgemäß uneinheitlich organisiert (Landvogt und Hauptmann an der Spitze der Verwaltung, Schultheiß, Ammann, Rat an der Spitze der Städte u.ä.; Landesbehörden der Vorlande und Tirols [bis 1587], Verwaltungsreformen Kaiser Maximilians I. [1493-1519] mit den zentralen Hofbehörden [Hofrat, Hofkammer] und den [Innsbrucker] Landesbehörden [Regiment, Raitkammer]), dem Ziel einer Wiederherstellung des schwäbischen Herzogtums kamen die Habsburger organisatorisch und politisch daher nicht näher. Schwäbisch-Österreich war seit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert zudem eingebunden in österreichischen Reichskreis. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts (mit Vorläufen im 14. Jahrhundert) bildeten sich Ober- und Vorderösterreich allenthalben Landstände der einzelnen Landschaften heraus, teilweise auch gefördert vom Landesherrn. Dabei spielten die Landtage eine wichtige Rolle, sowohl die habsburgischen General- und Ausschusslandtage (Landtag zu Hall/Tirol 1487, Generallandtag zu Meran 1487, Innsbrucker Landtage 1489, 1490, 1518, Generallandtag zu Augsburg 1525/26, Innsbrucker Landtag 1529) als auch lokale Ständeversammlungen, und - aus beiden Landtagstypen resultierend - die nur auf Schwäbisch-Österreichisch bezogenen Landtage des 16. Jahrhunderts (Landtag von Altdorf 1536, Landtag von Riedlingen und Mengen 1541, Landtag zu Riedlingen 1545, Ehinger Landtage 1549, 1552, 1556, 1557, 1559, Konstanzer Landtag 1563, Ehinger Landtage 1565, 1566, Konstanzer Landtage 1567, 1573, Ehinger Landtage 1580, 1586, Riedlinger Landtag 1588, Ehinger Landtag 1589, Radolfzeller Landtag 1594, Konstanzer Landtag 1596, Riedlinger Landtag 1597). Die Organisation der Landtage beruhte dabei auf ihrer Einberufung, der Zusammenkunft der Deputierten (Vollmacht, Beglaubigungsschreiben) unter einem landesfürstlichen Kommissar als Verhandlungsführer an einem Tagungsort, wobei der Gang der Verhandlungen u.a. von einem "Hintersichbringen" der Landstände geprägt war, die Abstimmung über das zu Beschließende nach dem einfachen Majoritätsprinzip vonstatten ging und die Beschlüsse des Landtages (Landtagsabschied, Schadlosbrief) von den Landständen umzusetzen waren (ständische Verwaltung in den einzelnen Landesherrschaften). Nicht zuletzt beförderten Landtage und lokale Landstände ein "Landesbewusstsein", eher die einzelnen Herrschaften im habsburgischen Territorialkomplex als Schwäbisch-Österreich betreffend. [Buhlmann, 01.2015]

Sarnowsky, Jürgen (2007), Der Deutsche Orden (= BSR 2428), München 2007 > D Deutscher Orden

Sarnowsky, Jürgen (2011), Die Johanniter. Ein geistlicher Ritterorden in Mittelalter und Neuzeit (= BSR 2737), München 2011, 128 S., Abbildungen, 3 Karten, € 8,95. Legendenhafter mittelalterlicher Überlieferung zufolge soll das Jerusalemer Hospital des Johanniterordens auf eine Stiftung eines jüdischen Priesters Melchior und den aufständischen Juda Makkabäus (†160 v.Chr.) zurückgehen. Der Johanniterorden war allerdings ursprünglich eine Gründung von wahrscheinlich amalfitanischen Kaufleuten, die irgendwann zwischen 1048 und 1071 ein Pilgerhospital in Jerusalem stifteten. In der Folge des 1. Kreuzzugs (1096-1099) wurde aus der Hospitalbruderschaft ein Mönchs- und überregional agierender, vom Papsttum anerkannter und geförderter geistlicher Ritterorden (Ordensregel vor 1153, päpstlicher Schutz, kirchliche Exemtion). Neben den Templern bildeten die Johanniter das militärische Rückgrat der Kreuzfahrerstaaten, ausgestattet mit umfangreichem Besitz (Land, Einkünfte, Burgen) im Heiligen Land, aber auch in Europa, zudem ab 1312 mit dem den Johannitern überlassenen Besitzungen des aufgelösten Templerordens. Die Erträge aus dem Grundbesitz in Europa und dem Orient, Handelsaktivitäten, die Organisation von Pilgerreisen und (ab dem späten Mittelalter bis nach der Mitte des 18. Jahrhunderts) ein organisiertes Korsarentum finanzierten die Unternehmungen des Ordens in Krieg und Krankenpflege. Lokal war der Besitz organisiert in Kommenden und Präzeptoreien unter der Leitung von Komturen und Präzeptoren. Der Orden war seit dem 13. bzw. 14. Jahrhundert in nationes ("Zungen"), Großpriorate und Balleien untergliedert; an der Ordensspitze stand der Großmeister (weitere zentrale Ämter: Großkommendator, Großhospitalier, Marschall, Großadmiral, Drapier, Großkanzler). Die Ordensmitglieder teilten sich auf in Ritterbrüder, dienende Brüder und Kapläne. Nach der Eroberung Akkons und dem Ende der Kreuzfahrerstaaten (1291) war Zypern der Hauptsitz des Ordens, nach der Eroberung der zum Byzantinischen Reich gehörenden Insel Rhodos (1306-1309) entstand auf Rhodos und den umliegenden Inseln der Dodekanes der johannitische Ordensstaat, der auch auf das kleinasiatisch-osmanische Festland übergriff (Smyrna 1344, Bodrum 1400/02). Im 14. Jahrhundert ging der Ordensstaat durchaus offensiv vor (Besitz von Delos 1333, Eroberung Alexandrias 1365, Versuch der Ausweitung der Johanniterherrschaft auf die Peleponnes 1399, Akrokorinth als Stützpunkt der Johanniter 1400/04-1458, Johanniter auf Ikaria 1362/1481-1523?), im 15. Jahrhundert gerieten Orden und Ordensstaat gegenüber den osmanischen Türken und den ägyptischen Mamluken in die Defensive (osmanische Belagerung 1480). All dies wurde mit der (zweiten) osmanischen Belagerung von Rhodos (1522) hinfällig, als die Kreuzritter schließlich kapitulieren mussten und die Insel mit einem Großteil der eingesessenen griechischen Bevölkerung verließen. 1530 erhielten die Johanniter von Kaiser Karl V. Malta mit den Nebeninseln als Lehen. Aus den Johannitern wurden damit Malteser. Das Ende des maltesischen Ordensstaats kam dann 1798. Heute ist der Orden in Rom beheimatet, karitativ tätig und eingeschränkt ein Staat mit Hoheitsrechten. [Buhlmann, 10.2011]

Sartre, Jean-Paul, französischer Philosoph der Moderne: Jean-Paul Sartre (*1905-†1980) war ein französischer Schriftsteller und Literat, Intellektueller und Philosoph. Gerade seine selbstständigen philosophischen Erkenntnisse haben zu Nachdenken und Widerspruch angeregt. Sie betreffen variantenreich Phänomenologie, Hermeneutik, Existenzphilosophie, Marxismus, Psychoanalyse, Strukturalismus und Dekonstruktivismus, ohne dass Sartre eine philsophische Schule begründet hätte.
An Literatur von und zu Jean-Paul Sartre sind zu nennen: Bardt, Ulrike (Hg.) (2008), Jean-Paul Sartre. Ein Philosoph des 21. Jahrhunderts?, Darmstadt 2008 > B Bardt, Sartre; Sartre, Jean-Paul (1938/72), Den Menschen erfinden. Ein Lesebuch, hg. v. Traugott König (1975), Gütersloh [1986], 256 S., DM N.N.; Sartre, Jean-Paul (1943, 1948), Die Fliegen. Die schmutzigen Hände. Zwei Dramen (= rororo 418), Nachdruck Reinbek b.H. 1988, 188 S., DM 6,80; Sartre, Jean-Paul (1947), Das Spiel ist aus (= rororo 59), Nachdruck Reinbek b.H. 1974, 121 S., DM 2,80, Nachdruck Reinbek b.H. 1988, 122 S., DM 6,80; Sartre, Jean-Paul (1964), Die Wörter (= rororo 1080), Reinbek b.H. 1968, 153 S., DM 3,40. [Buhlmann, 05.2018, 05.2021, 05.2022, 02.2024]

Sasse, Barbara (2001), Ein frühmittelalterliches Reihengräberfeld bei Eichstätten am Kaiserstuhl (= FBVFGBW 75), Stuttgart 2001, 650 S., Abbildungen, Pläne, Karten, € 9,-. Nördlich von Eichstätten am Kaiserstuhl findet sich ein aus 272 Gräbern bestehender, merowingerzeitlicher Reihengräberfriedhof, von dem 281 menschliche Skelette geborgen werden konnten. Der Friedhof auf und am Wannenberg hat ein Größe von 80 m x 50 m, der ältere, östliche Teil des Friedhofs mit einer Größe von 40 m x 20 m zeichnet sich durch eine höhere Bestattungsdichte aus. Die Gräber sind West-Ost-orientiert mit (beträchtlichen) Abweichungen nach Norden und Süden. Bei hoher Beraubungsquote und durch die Existenz von zwei den Friedhof querenden Hohlwegen sind viele Bestattungen gestört. Die ältesten Gräber finden sich im Nordosten des Friedhofs, gefolgt von Gräbern der Südostgruppe und von Gräbern im westlichen Bereich des Friedhofs (Phasen: I.1: Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert [Belegungsbeginn]; I.2: v.530-6. Jahrhundert, 2. Hälfte; I.3: 6. Jahrhundert, letzte Jahrzehnte-um 600; II.1: ca.600-640; II.2: ca.630/40-670; II.3: Wende vom 7. Jahrhundert zum 8. Jahrhundert [Belegungsende]). Gräber mit Waffen als Grabbeigaben sind aus dem 7. Jahrhundert bezeugt; Kammergräber reichen bis in die 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts zurück, stammmen aber überwiegend aus der 1. Hälfte und der Mitte des 7. Jahrhunderts. Unter den Sargbestattungen ragen drei in Baumsärgen hervor. Einige Kriegergräber waren von einem Kreisgraben mit Erdbrücke umgeben (Ende 6./Anfang 7. Jahrhundert). An Beigabenfunden treten in Erscheinung: Schmuck (farbige Perlen, Nadeln, Ohrringe, Armring, Fingerringe), Schnallen und Beschläge (Frauengürtel, Männergürtel, Sax- und Spathagarnituren, Schuhgarnituren), Waffen (Spathen, Saxe, Äxte, Lanzen, Pfeile, Schilde), Reitzubehör, Taschen, Werkzeuge (Messer, Feuersteine, Nägel, Kämme, Wirteln), Amulette und Münzen, Gefäße (Wölbtöpfe, Kugeltöpfe, Gläser), Tierbeigaben. Die Beigaben verteilen sich nach Alter und Geschlecht der/des Bestatteten. Das alemannische Gräberfeld lässt auch Einblicke in die damalige Demografie und Gesellschaftsstruktur zu. Danach werden in der zum Friedhof gehörenden Siedlung (mit unbekannter Lage des Siedlungsplatzes) um die 60 Erwachsene gleichzeitig gelebt haben, was 10 bis 15 agrarisch orientierten Wirtschaftseinheiten (Herrenhöfe von Kriegern mit Abhängigen) entsprechen dürfte. Mit der Aufgabe des alemannenzeitlichen Friedhofes zog wahrscheinlich die 200 m vom Friedhof entfernte Kirche, deren Vorläufer vielleicht schon ins 8. Jahrhundert zurückreichte, die Bestattungen an sich. Kirche und Ortsname "Eichstetten" werden indes erst zum Jahr 1052 erwähnt, als ein Hesso von Üsenberg über Besitz in Eichstetten verfügte und dort eine Peterskirche weihen ließ. [Buhlmann, 07.2022]

Satz, Helmut (2016), Kosmische Dämmerung. Die Welt vor dem Urknall, München 2016 > U Universum

Satzger, Alfons, Wallfahrtskirche Wies (bei Steingaden), Tübingen o.J., 28 S., Farbfotos, Pläne, DM N.N. Ideell-geistiger Ausgangspunkt für die südöstlich des Prämonstratenserklosters Steingaden gelegene Wallfahrtskirche Wies war ein im Jahr 1730 im Prämonstratenserkloster Steingaden gefertigtes Holzbildnis des "gegeißelten Heilands", das 1738 auf dem Wieshof der Bäuerin Maria Lory für ein "Tränenwunder" sorgte. Es entstand daraufin schnell eine Wallfahrtsbewegung, eine 1740 erbaute Feldkapelle mit hölzernem Langhaus wurde unter dem Steingadener Abt Marianus II. Mayr (1745-1772) durch eine barocke Bußkirche ersetzt, die Wieskirche (Baumeister: Dominikus Zimmermann [*1865-†1766]; Grundsteinlegung 1746, Weihe des Chors und Überführung des Gnadenbildes 1749, Chorumgang, ovales Langhaus mit Seitenschiffen 1750, Deckengewölbe und -fresken, Kanzel, Seitenaltäre, Beicht- und Betstühle, Turm und Vorhalle, Vollendung des Kirchenbaus 1757). [Buhlmann, 11.2023]

Sauckel, Anita (2014), Die literarische Funktion von Kleidung in den Íslendigasogur und Íslendingapþættir (= RGA Ergbd.83), Berlin-Boston 2014 > E Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde

Sauer, Paul (1991), Kleine Geschichte Stuttgarts. Von der Reichsgründung bis heute, Stuttgart-Berlin-Köln 1991 > S Stuttgart

Sauer, Paul (2008), Musen, Machtspiel und Mätressen. Eberhard Ludwig - württembergischer Herzog und Gründer Ludwigsburgs, Tübingen 2008 > W Württemberg

Saur, Markus (2012), Einführung in die alttestamentliche Weisheitsliteratur (= Einführung Theologie), Darmstadt 2012, 168 S., € 2,20. I. Weisheit ist menschliches Erfahrungswissen. Innerhalb der hebräischen Bibel des (antiken) Judentums gelten als Weisheitsliteratur die drei Texte "Sprüche Salomos", "Buch Hiob" und "Predigerbuch/Kohelet" im dritten und letzten Teil "Schriften" (ketubim). Dabei sind die jüdischen Weisheitsbücher Teil der antiken Weisheitsliteratur des Alten Orients und des Hellenismus (ägyptische "Lehren"; sumerische, akkadische, babylonische Weisheitsüberlieferung; syro-palästinische Weisheitstradition; griechische Philosophie [Vorsokratiker, Platon, Aristoteles, Epikur, Stoa]). II. Das Buch der Sprüche Salomos (Liber proverbiorum Salomonis) wurde dem weisen König Salomo zugeschrieben (angeblich 10. Jahrhundert v.Chr.), ist aber mit seinen unterschiedlichen Sprüchen (Gleichspruch [masal]: Aussagewort, Zahlenspruch, Bild-/Vergleichswort, Besser-als-Spruch, Mahnwort, Mahn-/Lehrrede) das Produkt eines Schreibprozesses, der im endenden 8. Jahrhundert v.Chr. ("Salomonische Sammlung", "Hiskianische Sammlung") begann und mit der Endredaktion im 4./3. Jahrhundert v.Chr. abgeschlossen wurde ("Ägyptisierende Lehre", "Worte von Waisen", Worte Agurs, Worte Lemurels, Prolog). Theologische gesehen, beruhen die Sprüche Salomos auf der Bildungsfähigkeit des Menschen und der Gerechtigkeit Gottes (Tun-Ergehen-Zusammenhang; Furcht Jahwes, Gottesfurcht); die personifizierte Weisheit (als prophetische und Herrschaftsgestalt), eng mit der Weltschöpfung verbunden, tritt vielstimmig neben Gott (Weisheitsreden). III. Das Buch Hiob über den gläubigen und reichen, leidenden und duldenden Hiob aus dem Land Uz ist entstanden vor um 180 v.Chr., die Anfänge der Hioberzählung reichen aber bis ins 5. Jahrhundert v.Chr. oder noch früher zurück. Thema des Weisheitsbuchs ist das menschliche Leid, das unter kausalem, modalem und finalem Gesichtspunkt dargelegt wird. Eine Rahmenerzählung (Hiobs Gottesfurcht, Jahwe und Satan) umgreift dabei die drei Redegänge zwischen Hiob und seinen Freunden und den Appell Hiobs an Gott mit der Theophanie und der Antwort Gottes. Spätere Einschübe sind die Reden Elihus und ein Weisheitsgedicht. IV. Das Predigerbuch oder Kohelet (benannt angeblich nach einem Sohn König Davids, benannt nach dem Amt des "Versammlers/Versammlungsleiters") ist wohl in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts v.Chr. entstanden. Um den Kerntext am Anfang des Predigerbuchs gruppieren sich kommentierende Passagen, die theologisch auf Grund der Unergründlichkeit Gottes im Rahmen einer Schöpfungstheologie die Vergänglichkeit der Welt ("Alles ist haebael.") bei gleichzeitiger Betonung der (gegenwärtigen) Lebensfreude propagieren; die Möglichkeiten und Grenzen des Menschen innerhalb der göttlichen Schöpfung werden somit ausgelotet und gedeutet. V. Innerhalb der hebräischen Bibel findet sich weisheitliches Denken etwa in weisheitlichen Psalmen und in Erzählungen (Josephs-, Ester-, Danielerzählung). Gewisse Zusammenhänge bestehen auch zwischen Prophetie und Weisheit. VI. Schließlich ist noch auf die deuterokanonischen Weisheitsschriften hinzuweisen: "Jesus Sirach", entstanden gegen Ende des 2. Jahrhunderts v.Chr., kreist um Glaube und Bildung, um die Weisheit als Werk der Schöpfung. Die "Weisheit Salomos" (Sapientia Salomonis) - als Entstehungszeitraum werden das 1. vor- und nachchristliche Jahrhundert angenommen - knüpft an die "Sprüche Salomos" an (Tun-Ergehen-Zusammenhang über den Tod des gläubigen Menschen hinaus) und wartet mit apokalyptischen Vorstellungen auf. Das "Buch Tobit" vielleicht aus dem 2. Jahrhundert v.Chr. zielt auf die Gerechtigkeit und Unergründlichkeit Gottes ab. Weisheitlich-apokalyptische Passagen finden sich in den Texten aus Qumram. VII. Alles in allem zeichnet sich die biblisch-hebräische Weisheitsliteratur aus durch die Eingebundenheit ihrer Texte in die Literatur des Alten Orients und des Hellenismus, durch ihren Erfahrungsbezug, durch eine ergänzende Betrachtung des jüdischen heilsgeschichtlichen Denkens. Die Weisheitsliteratur bildet damit menschliches Denken über Gott und die Welt rational-dialektisch ab, wobei sie in ihrer Vielschichtigkeit an Grenzen stößt. [Buhlmann, 07.2022]

Sautoy, Marcus du (2003), Die Musik der Primzahlen. Auf den Spuren des größten Rätsels der Mathematik (= dtv 34299), München 2006, 399 S., Schwarzweißabbildungen, € 12,50. Primzahlen, also natürliche Zahlen, die nur durch 1 und sich selbst teilbar sind, sind eine mathematische Realität, "absolut und zeitlos", ein "Periodensystem" der Mathematik. Die menschliche Kenntnis der Primzahlen reicht vielleicht bis in die Jungsteinzeit zurück (Ishango-Knochen von ca. 6500 v.Chr.), im chinesischen Kulturkreis finden sich Primzahlen um das Jahr 1000 v.Chr., in der griechisch-hellenistischen Welt wurde die Primfaktorzerlegung natürlicher Zahlen entdeckt (4. Jahrhundert v.Chr.), der alexandrinische Bibliothekar Eratosthenes (*276/73-†ca.194) bewies durch sein "Sieb des Eratosthenes", dass es unendlich viele Primzahlen gibt, der Mathematiker und "Vater der Beweiskunst" Euklid (3. Jahrhundert v.Chr.?) beschrieb diese in seinem Lehrbuch "Elemente". Spätestens ab da versuchte man, in den errechneten und aufgefundenen Primzahlen mathematische Strukturen und Muster zu erkennen. Dazu gehörte die "Jagd" nach immer größeren Primzahlen, wie sie im frühneuzeitlichen Europa betrieben wurde, etwa durch Marin Mersenne (*1588-†1648) oder Pierre de Fermat (*1607-†1665) (Mersenne-, Fermat-Zahlen auch als Primzahlen). Leonhard Euler (*1707-†1783), auch Topologe und Zahlentheoretiker, war auf der Suche nach der (expliziten) Primzahlformel (Formeln vom Typ x2+x+q mit x=0, ... q-2 und Primzahl q), Carl Friedrich Gauß (*1777-†1855; Göttingen) schätzte die Anzahl der auftretenden Primzahlen bis zu einer gewissen natürlichen Zahl N auf den Integrallogarithmus als Funktion Li(N) = 1/ln(2) + 1/ln(3) + ... + 1/ln(N). Schließlich war es Bernhard Riemann (*1826-†1866; Göttingen), der durch Betrachtung der komplexen Zetafunktion ζ(z) = 1/1z + 1/2z + 1/3z + ... + 1/nz + ... mit komplexen Zahlen z die nichttrivialen Nullstellen dieser Funktion mit den Primzahlen in Verbindung brachte; triviale Nullstellen liegen bei den reellen z=-2, -4, -6, ... vor. Es ist z.B. ζ(2) = 1+1/4+1/9+... = π2/6 als von Euler bewiesene Formel, es gilt das auf der Primzahlzerlegung natürlicher Zahlen beruhende Eulerprodukt ζ(z) = (1+1/2z + 1/4z+...)·(1+1/3z + 1/9z+...)·...·((1+1/pz + 1/p2z+...)·... mit ζ(1) = +∞ aufgrund der unendlich vielen vorhandenen Primzahlen. Die berühmte Riemannsche Vermutung (1859), wonach die die Primzahlen repräsentierenden bzw. (dual-) spiegelnden Nullstellen der Zetafunktion alle auf einer Geraden mit Realteil 1/2 in der komplexen Zahlenebene liegen, ist dabei gleich bedeutend mit einer gegenüber Li(N) besseren Annäherung der Riemannschen Funktion R(N) an die Anzahl der Primzahlen bis zur natürlichen Zahl N. Die Riemannsche Vermutung ist bis heute unbewiesen und gehörte zu den mathematischen Problemen, die David Hilbert (*1862-†1943; Göttingen) auf dem Pariser Mathematikerkongress von 1900 für das kommende Jahrhundert als zu lösen anmahnte. In der Folge arbeiteten bedeutende Zahlentheoretiker wie Edmund Landau (*1877-†1938; Göttingen), Godfrey Harold Hardy (*1877-†1947; Oxford, Cambridge), John Edensor Littlewood (*1885-†1977; Cambridge) oder der "Mystiker" Srinivasa Ramanujan (*1887-†1920; Cambridge) an der Riemannschen Vermutung (geordnete Nullstellen als zufällige Primzahlen). Gemäß Kurt Gödel (*1906-†1978; Princeton) und dessen Unvollständigkeitstheorem hinsichtlich der mathematischen Axiomatik wurde zudem unklar, ob die Riemannsche Vermutung im Rahmen von Begrenzungen der mathematischen Methodik beweisbar ist. Mit dem Ende Göttingens als "Mekka der Mathematik" durch den Nationalsozialismus (1933) verlagerte sich das mathematische Geschehen (nicht nur) um die Primzahlen in die angelsächsischen Länder. Hierfür stehen Alan Turing (*1912-†1954; Cambridge) mit seinen Gedanken- und Rechenmaschinen, Julia Robinson (*1919-†1985; Berkeley), Atle Selberg (*1917-†2007; Princeton) oder Paul Erdös (*1913-†1996; Princeton); eine explizite Formel für Primzahlen wurde 1971/76 entdeckt. Im anbrechenden Computerzeitalter kamen die großen Zahlen zunehmend in den Blickwinkel der Mathematiker und auch in Hinblick auf die Riemannsche Vermutung (Skewes-Zahl des Mathematikers Stanley Skewes [*1899-†1988; Cambridge], Abschätzungen von Don Zagier [*1951; Bonn]). Sehr große Primzahlen spielen heute bei digitalen Verschlüsselungen eine wichtige Rolle (xp mod p = x [Modulo-Rechnung von Gauß, Beobachtungen von Fermat und Euler]; [Ron] R[ivest]-[Adi] S[hamir]-[Leonard] A[dleman]-Verschlüsselung; Cambridge [Mass.]). Weiter wurden in der Verteilung der nichttrivialen Nullstellen der komplexen Zetafunktion Ähnlichkeiten zu quantentheoretischen Aussagen aus der Physik festgestellt (Quantenchaos, Quantentrommeln), und auch elliptische Funktionen und Wahrscheinlichkeitsrechnung fanden Eingang in die Primzahlproblematik. Zuletzt versuchte Alain Connes (*1947; Paris, Nashville) der Riemannschen Vermutung über die p-adischen Zahlen näher zu kommen. [Buhlmann, 01.2023]

Sautter, Udo (1976), Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika (= KTA 443), Stuttgart 21980 > U US-amerikanische Geschichte

Sayn-Wittgenstein, Franz Prinz zu (1972), Schwarzwald. Vom Neckar zum Hochrhein, München 21975 > S Schwarzwald

Sb = Sachbuch

SB = Spolia Berolinensia. Berliner Beiträge zur Geistes- und Kulturgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit

SBB = Suhrkamp Basis-Bibliothek

SBBG = Studien zur Bamberger Bistumsgeschichte

SBLG = Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte

Sbd. = Sonderband

Sch

Schaber, Johannes (Hg.) (2001), Christus in Kunst, Kultur und neuen Medien (= Ottobeurer Konzerte, H.1), Leutesdorf 2001 > J Jesus Christus

Schaden, Christoph (2006), St. Severin (Köln) (= Schnell & Steiner, Kleine Kunstführer, Nr.2623), Regensburg 2006 > K Köln: Romanische Kirchen

Schäfer, Alfons (1961), Zur Besitzgeschichte des Klosters Hirsau vom 11. bis 16. Jahrhundert, in: ZWLG 20 (1961), S.1-50 > H Hirsau

Schäfer, [Karl] H[einrich] (1907), Zur Rechtsgeschichte und Topographie des Werdener Münsters, in: WB 12 (1907), S.3-12 > W Werden

Schäfer, Thomas (1998), Visionen. Leben, Werk und Musik der Hildegard von Bingen (= Knaur Tb 77398), München 1998 > H Hildegard von Bingen

Schaefer, Ursula (Hg.) (1999), Artes im Mittelalter (= Akten des Symposiums des Mediävistenverbandes, Bd.7), Berlin 1999 > A Artes liberales

Schäfer, Volker (1969), Die Grafen von Sulz, Diss. Tübingen 1969, XVIII, 55 S. Die Grafen von Sulz treten gegen Ende des 11. Jahrhunderts in Erscheinung; sie hatten Anteil an der Gründung des Klosters Alpirsbach (1095). Die Grafen waren im 12. Jahrhundert Gefolgsleute der Zähringerherzöge gewesen. Sulzer Machtzentren lagen im mittleren Schwarzwald, bei Dornhan, Sulz und Haigerloch; sie sicherten den "Staat den Zähringer" nach Osten hin ab. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts sind Kontakte zu den staufischen Königen und Kaisern erkennbar. Noch um die Mitte des 13. Jahrhunderts stand die Sulzer Grafenfamilie auf der Seite der Staufer. Die Sulzer verfügten über die Baargrafschaft, auf die sie 1282/83 auf Wunsch König Rudolfs I. (1273-1291) zu Gunsten der Fürstenberger verzichteten und dafür mit dem Amt eines Reichshofrichters am Rottweiler Hofgericht belohnt wurden. Die Herrschaft Sulz ging - wahrscheinlich auf dem Erbweg - zwischen 1222 und 1267 an die Herren von Geroldseck über, im 15. Jahrhundert waren Herrschaftszentren der Sulzer Grafen die Klettgauer Landgrafschaft, Blumenegg oder Vaduz. [Buhlmann, 02.2018]

Schäfer, Volker (2005), Aus dem "Brunnen des Lebens". Gesammelte Beiträge zur Geschichte der Universität Tübingen, hg. v. Sönke Lorenz u. Wilfried Setzler (= TBLG 5), Ostfildern 2005, 414 S., € 29,90. I. 1476/77 wurde in Tübingen ein studium generale (Theologie, Jura, Medizin, Philosophie) eingerichtet. Für die frühe Neuzeit (16.-18. Jahrhundert) und die Moderne (19.-21. Jahrhundert) offenbaren sich vielfältige Aspekte von Tubingensia, u.a.: Geburt einer Universität: Zur Gründungsgeschichte der Alma Mater von 1477; Johannes Vergenhans war doch ein Sindelfinger Chorherr!; "Zu Beförderung der Ehre Gottes und Fortpflanzung der Studien": Bürgerliche Studienstiftungen an der Universität Tübingen vor 1750; Die Tübinger Burse im Kaleidoskop: Ein historischer Streifzug durch fünf Jahrhunderte; Universität und Stadt Tübingen zur Zeit Nicodemus Frischlins; Tübinger Teufelspakte; Die Universität Tübingen zur Zeit Wilhelm Schickards; Die Umbenennung der Universität Tübingen von 1769 in "Eberhardina Carolina"; "Symbolon: Alle neun!" Kegelspuren in Tübinger Studentenstammbüchern; Silhouetten im Stammbuch des Jurastudenten Christian Heinrich Schmid; Georges Cuvier und die Universität Tübingen; Friedrich List als Tübinger Professor; Der Tübinger "Ausschuß der Studierenden" von 1821 bis 1825 - der erste AStA in Deutschland; Historische Impressionen aus dem Festsaal in Tübingens Neuer Aula; Tübinger Hochschulhistoriographie anno 1937: Der gescheiterte Plan einer Fortsetzung von Hallers Universitätsgeschichte; Die Eberhard-Karls-Universität im Jahr 1945; Pulsschlag im Takt der Semester: Splitter zu einer Nachkriegsgeschichte der Universität. II. Zu den deutschen Dichtern Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling und Friedrich Hölderlin ist u.a. zu verweisen auf: Der Schüler Hegel im Landexamen; Ein Stammbuchblatt des jungen Hegel; Schellings Schulzeit in Nürtingen; Neue Stammbuchblätter von Höderlin und Hegel; Hölderlin als Stipendiat einer Esslinger Familienstiftung; Nachrichten zu Höderlins Freunden Magenau, Neuffer und Rosine Stäudlin; Hölderlins Aufenthalt im Tübinger Klinikum 1806-1807; Tübinger Studenten in Hölderlins späterem Umfeld; Zu Hölderlins Krankheit: Ein psychiatrisches Dokument aus dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart; Zur Geschichte des Hölderlinschen Nachlasses. [Buhlmann, 08.2018]

Schäferdiek, Knut (1995), Suidberht von Kaiserswerth, in: DJb 66 (1995), S.1-21 > S Suitbert

Schäferdiek, Knut (1996), Der Schwarze und der Weiße Hewald. Der erste Versuch einer Sachsenmission, in: WZ 146 (1996), S.9-24. Östlich im Lipperaum wurden die beiden Hewalde (†690/95 oder 691/92?), Priestermönche vielleicht aus Northumbrien, beim Versuch der Sachsenmissionierung aktiv. Die Hewalde - nach ihrer Haarfarbe spricht Beda Venerabilis (†735) in einem nach einer passio gestalteten Abschnitt seiner Kirchengeschichte vom Schwarzen und vom Weißen Hewald - begaben sich vom Boden des Frankenreichs zum Stamm der Altsachsen, um das Christentum zu predigen. Die Hewalde reisten also zunächst an der Spitze einer größeren Missionarsgruppe, die wahrscheinlich gemeinsam ausgesandt war von einer angelsächsischen Klostergemeinschaft. Dann trennten sie sich von ihren Gefährten und werden das sächsische Gebiet nördlich der Lippe - südlich davon siedelten ja (noch) die fränkischen Boruktuarier - erreicht haben. Der Untergliederung des sächsischen Stammes in pagi (Gaue) entsprach es, dass sich die Hewalde, als sie in ein sächsisches Dorf gelangten, an den Dorfvorsteher wandten, um mit dem "Gaufürsten" in Kontakt zu kommen. Ihre Missionierungsabsicht verrieten sie dabei nicht, wohl müssen sie sich aber verraten haben durch die Ausübung christlicher Gebräuche. Unter Missachtung der Gastfreundschaft wurden die Mönche von den Dorfbewohnern aus Angst vor der neuen Religion getötet - der Weiße Hewald dabei durch Schwertstreich, der Schwarze (mit seiner höheren geistlichen Qualifikation) auf eine qualvolle Weise durch Folter und Verstümmelung; ihre Leichen wurden in den Rhein geworfen und später von den Gefährten der Hewalde geborgen und begraben. Den Todestag für das Jahrgedächtnis der Märtyrer gibt Beda - ganz im Sinne seiner passio - als 3. Oktober an. Die Dorfbewohner aber erhielten die verdiente Strafe durch den "Gaufürsten", der sich missachtet sah, alle töten und das Dorf niederbrennen ließ. [Buhlmann, 04.1999]

Schaeffler, Richard (1979), Was dürfen wir hoffen? Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre, Darmstadt 1979, 333 S., DM N.N. Die Mitte des 20. Jahrhunderts sah die katholische Theologie bemüht um eine Ortsbestimmung von Kirche und katholischer Lehre in der modernen Gesellschaft. Diese Ortsbestimmung muss im Mit- und Gegeneinander zur Philosophie erfolgen, etwa zum "Phänomenalismus" eines Immanuel Kant oder zum utopischen Denken Ernst Blochs. Dies gilt insbesondere für eine katholische Theologie des Hoffens, die einen eigenen Weg beschreiten will und im Sinne des Glaubens als Hoffen wirken soll. [Buhlmann, 02.2020]

Schäfke, Werner (1981), Die Normandie. Vom Seine-Tal zum Mont-Saint-Michel (= DuMont Kunst-Reiseführer), Köln 71990 > N Normandie

Schäpers, Maria (2018), Lothar I. (795-855) und das Frankenreich (= RA 159), Köln 2018, 801 S., € 70,-. Lothar, geboren im Jahr 795 wohl in Aquitanien, war der älteste Sohn von König Ludwig dem Frommen (†840) und dessen Ehefrau Irmingard (†818), die spes imperii ("Hoffnung des Reiches"). In Aquitanien hielt sich Lothar weitgehend in seinen ersten Lebensjahren der infantia und pueritia auch auf; hier wurde ihm eine auf das Königtum hinzielende Erziehung und Ausbildung zuteil, u.a. in den artes liberales und in den körperlichen Fähigkeiten des Reitens, des Umgangs mit Waffen, des Jagens. Nach dem Tod von Lothars Großvater Karl den Großen (768-814) herrschte Ludwig der Fromme (ab 813 Kaiser) über das Frankenreich (814-840). Lothar erhielt 815 Bayern als Unterkönigreich, wo er auf Grund des ihm beigegebenen Beraterstabs und der dortigen regionalen Herrschaftsträger nur geringe politische Wirksamkeit entfalten konnte (repräsentative Aufgaben Lothars, gerichtet gegen König Bernhard von Italien, einen Neffen Ludwigs). Die Ordinatio imperii Kaiser Ludwigs regelte u.a. die Nachfolge im Frankenreich und machte aus Lothar den Mitkaiser Ludwigs, der nach Ludwigs Tod im Sinne einer Reichseinheit dank des Kaisertums eine politisch-"monokratische" Vorrangstellung über seine jüngeren Brüder Pippin und Ludwig (den Deutschen) ausüben sollte. Die nächsten Jahre verbrachte Lothar an der Seite seines Vaters, der nach dem Tod Irmingards die Welfin Judith (†843) heiratete (819). Lothar wurde 822 nach Italien entsandt, wo er sich schon ab 820 zeitweise aufgehalten hatte. Hier nutzte er seinen gewonnenen Handlungsspielraum, um nach dem Tod des aufständischen Bernhard (†818) die Herrschaft Ludwigs über Italien zu festigen. Dies gelang durch Lothars Urkundentätigkeit und Kapitulariengesetzgebung, auch die Kaiserkrönung Lothars durch den Papst spielt hier eine Rolle (823); die Constitutio Romana Lothars (824) machte nochmals den Einfluss und die Kontrolle der Kaiser in Rom deutlich. Unterstützt wurde Lothar in Italien durch eine Reihe von Ratgebern, darunter Wala, dem Abt von Corbie (826-831) und Mitglied der karolingischen Familie. Ab 825 befand sich Lothar wieder bei seinem Vater als diesem untergeordneten Mitregent und daher weitgehend ohne eigenen politischen Einfluss (Admonitio ad omnes ordines 825). Die von Ludwig dem Frommen gewünschte Beteiligung seines jüngsten Sohns Karl (den Kahlen, aus der Ehe mit Judith) an der Herrschaft im Frankenreich führte zu einer Entfremdung zwischen Vater und Sohn. Lothar sah sich in seinen politischen Möglichkeiten zunehmend beschränkt, zumal nach der Absetzung seines Schwiegervaters Hugo und von dessen Schwager Matfrid; der Mitkaiser war im Übrigen seit 821 mit Irmingard verheiratet. Im Jahr 829 wurde Lothar nach Italien gesandt, die Unzufriedenheit der alten Elite im Frankenreich mit der neuen um Kaiser Ludwig entlud sich in einem 1. Aufstand, an dessen Spitze sich Lothar setzte. Letztlich gelang es Ludwig, seine Gefolgsleute hinter sich zu bringen (Reichsversammlung in Nimwegen 830), während Lothar, der zunächst faktisch die Herrschaft ausübte, ins Hintertreffen geriet, auch auf Grund des Widerstands seiner Brüder Pippin und Ludwig (830). Lothar überließ als "gehorsamer Sohn" dem Vater die Macht, die Rebellen wurden bestraft, er selbst wieder nach Italien geschickt (831). Etwas später kam es zu einer Annäherung zwischen Ludwig dem Frommen und Lothar (Reichsteilungsplan 831), während dessen Brüder Ludwig und Pippin nun gegen den Vater rebellierten, um sich mit Lothar zu verbünden. Der 2. Aufstand gegen Ludwig den Frommen, der auf dem Rotfeld verlassen wurde (833) und abgesetzt war, ging ebenfalls zu Ungunsten Lothars aus (Unterwerfung in Blois 834), der mit seinen Anhängern nach Italien auswich und dort eine von seinem Vater weitgehend unabhängige Karolingerherrschaft ausübte. Ludwig der Fromme versuchte in der Folge vergeblich, seine Machtstellung auch in Italien wieder aufzurichten (geplanter Romzug). Spätestens nach dem Tod Pippins (838) kam es zu einer erneuten Annäherung zwischen Ludwig und Lothar, der zum Garant für das Erbe seines Halbbruders Karl wurde (Reichsteilungsplan 839). Beim Tod Ludwigs des Frommen (840) hoffte Lothar, gegenüber seinen Brüdern eine auf sein Kaisertum beruhende Oberherrschaft gemäß der Ordinatio imperii von 817 ausüben zu können. Doch die ausbrechenden Kämpfe zwischen den Brüdern machten solche Ansprüche bald zunichte (Niederlage Lothars in der Schlacht bei Fontenoy 841), Verhandlungen mündeten in den Vertrag von Verdun (843) und in eine Dreiteilung des Frankenreichs unter die Brüder Lothar (Mittelreich), Ludwig (Ostreich) und Karl (Westreich) bei Behauptung einer starken politisch-repräsentativen Machtstellung durch Lothar. So festigte in den folgenden Jahren Lothar - u.a. von seiner Hauptresidenz Aachen aus - seine Herrschaft im Mittelreich (Romzug des Lotharsohns Ludwig 844, Niederschlagung eines Aufstands in der Provence 845, Entführung einer Lothartochter 846, Sarazenenangriff auf St. Peter in Rom 846). Spannungen zwischen den Brüdern (wegen der Anhänger des einen Bruders im Reich des anderen, wegen der Kämpfe Karls des Kahlen und Pippins II. um Aquitanien, auch wegen der Entführung der Lothartochter u.a.) gefährdeten die Brüdergemeinschaft und konnten immerhin zu großen Teilen auf den Brudertreffen in Diedenhofen (844), Meerssen (847, 851), Koblenz (848), Péronne (849), Köln (850), Valenciennes (853), Lüttich (854) ausgeräumt werden. Dabei blieb die kaiserliche Einflussnahme Lothars auf die Reiche Ludwigs und Karls (unter Einschaltung der Anhänger Lothars in den Teilreichen) gering und auf wenige Initiativen beschränkt (Vikariat Drogos, Hinkmar von Reims, Hrabanus Maurus). Eine wichtige Stütze der Herrschaft Lothars im Mittelreich war dessen Sohn Ludwig (†875), der ab 839 eine königgleiche Stellung in Italien einnahm und Mitkaiser wurde (850). Auch der zweitälteste Sohn Lothar (II., †869) nahm Herrschaftsaufgaben in Friesland wahr, und dies wohl schon in den Jahren des Bruderkriegs (840/43). Überhaupt waren die Söhne und Töchter Lothars sowie dessen Ehefrau Irmingard wichtige Bezugspunkte im Leben des Kaisers über die Politik hinaus (Irmingard als consors regni, Erziehung der Kinder). Lothar und sein Hof waren der Mittelpunkt der Versammlungen weltlicher und geistlicher Großer (Herrschaft und Konsens) und bündelten zudem die Interessen von Gelehrten und Geistlichen (gelehrter Austausch, Dichtkunst, Widmung von Handschriften an den Kaiser). Lothar verfolgte einen pragmatischen Regierungsstil (Kaiserresidenz Aachen und ambulante Herrschaftsausübung; Beratung und Beschlüsse zur Problemlösung; Kaiser, Amtsträger und Große im Mittelreich). Gegen die Sarazenen im Süden und die Normannen im Norden seines Reichs war Lothar nur teilweise erfolgreich, zumal eine diesbezügliche Unterstützung aus den anderen Teilreichen fehlte. Auf Druck seiner Großen willigte der Kaiser in die Teilung seines Reiches unter seine Söhne nach seinem Tod ein. Lothar war schließlich auch ein religiöser Mensch, der als Mönch in das Eifelkloster Prüm eintrat und wenige Tage später dort verstarb (855). In Erinnerung bleibt Lothar als auch machtbewusster König, der als Mitkaiser um die Reichseinheit und die Oberherrschaft im Frankenreich kämpfte (und verlor), als Teil der Brüdergemeinschaft indes die politischen Realitäten anerkannte und in die Teilung des Reiches schließlich einwilligte. Lothars pragmatischer Regierungsstil gründete in der Verlässlichkeit seiner Person, die in Familie und christlichem Glauben verankert war. > L Lothar I. [Buhlmann, 01.2024]

Schaffran, Emerich (1953), Taschenlexikon der Kunst (= HT 13), Stuttgart-Wien 1953 > K Kunst

Schaller, Hans-Martin (1974), Der heilige Tag als Termin mittelalterlicher Staatsakte, in: DA 30 (1974), S.1-24 > Z Zeit

Schallmayer, Egon (2006), Der Limes. Geschichte einer Grenze (= BSR 2318), München 2006, 136 S., € 7,90. Behandelt werden: der Begriff "Limes", die Geschichte der Erforschung des obergermanisch-rätischen Limes, die Geschichte des Limes in seinen Ausbauphasen (ab 74/75 unter den flavischen Kaisern, 2. Jahrhundert unter den Adoptivkaisern), die Limesanlagen (Patrouillenweg, Wachttürme, Kastelle, Palisade, Wall und Graben, Mauer), der Limes als Kontaktzone bei Wirtschaftsaustausch und Grenzverkehr, die Limestruppen (Legionen, Hilfstruppen), das Limeshinterland der agri decumates. > L (Obergermanisch-rätischer) Limes [Buhlmann, 11.2006]

Schanetzky, Tim (1998), Endstation Größenwahn. Die Geschichte der Stadtsanierung in Essen-Steele, Essen 1998 > S Steele

Schattenberg, Susanne (2022), Geschichte der Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution bis zum Untergang (= BSR 2935), München 2022, 128 S., Karten, € 9,95. I. Entstehung: Die Sowjetunion ist entstanden aus dem russischen Zarenreich, einem "Regime der Selbstherrschaft", das während des Ersten Weltkriegs (1914-1918, als "Katalysator des Zerfalls") gerade auch an seinen inneren Widersprüchen (autokratische Herrschaft des Zaren über ein "europäisches Imperium" von der Ostsee bis Sibirien, vom Schwarzen Meer bis zur Arktis; Modernisierungen und Rückständigkeit; Ständegesellschaft [Bauern, Bürger, Intellektuelle]; Versorgungslage während des Kriegs) zerbrach. Die Februarrevolution von 1917 und die Abdankung des Zaren Nikolaus II. (1881-1917; März 1917) führten zur Bildung eines "Provisorischen Komitees" und zu insgesamt vier bürgerlichen Regierungen unter Georgi Lwow (†1925) und Alexander Kerenski (†1970) bis zur Oktoberrevolution von 1917 (provisorische Regierung in St. Petersburg, Petrograder Arbeitersowjet der Sozialrevolutionäre, Menschewiki und Bolschewiki, "Russländische Föderation" bei Abspaltung der Ukraine [Juni 1917]). Mit der Ankunft (Wladimir Uljanow) Lenins (*1870-†1924) in Russland (April 1917) begann die Radikalisierung der Bolschewiki, die sich gegen die bürgerliche Regierung wandten; diese hatte sich mit Misserfolgen im Krieg und einem versuchten Militärputsch (September 1917) auseinanderzusetzen. Die Oktoberrevolution vom 7. November (= 25. Oktober) 1917 als Putsch der Bolschewiki unter der weitgehenden Regie von Leo Trotzki (*1879-†1940) führte zur Entmachtung der "Provisorischen Regierung", wobei der 2. Kongress der Sowjets vom selben Tag als Regierung einen Rat der Volkskommissare beschloss. Lenin löste mit seinen Bolschewiki die am 8. Dezember gewählte verfassungsgebende Versammlung durch (Januar 1918), die Volkskommissare gründeten als Geheimpolizei die Tscheka (Dezember 1917), führten die gregorianische Kalenderrechnung ein (Februar 1918) und verboten die nichtbolschewistischen Parteien (bis Mitte 1918); mit dem Frieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) schied Russland aus dem Weltkrieg aus, Finnland, die baltischen Staaten, Polen, Weißrussland, die Ukraine, die transkaukasischen Staaten, Turkestan, Kasachstan verselbstständigten sich, teilweise unter deutscher Besetzung. Ab der 2. Hälfte 1918 herrschte in Russland der Bürgerkrieg zwischen den "Weißen", unterstützt von Großbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika, und den "Roten" (1918-1920), u.a. ein Attentat auf Lenin (Dezember 1918) war der Anlass für den "Roten Terror" der Bolschewiki gegen Andersdenkende im Sinne eines ideologischen Marxismus-Leninismus. Im Bürgerkrieg war zunächst das Wolgagebiet umkämpft (1918), dann gerieten die Bolschewiki in Bedrängnis (1919), schließlich gelang den "Roten" die Rückeroberung vieler ehemals zum Zarenreich gehörender Territorien wie der Ukraine, Weißrussland, der Kaukasusregion und Zentralasiens (1920); Finnland und die baltischen Staaten blieben unabhängig, Polen erzwang gegen Sowjetrussland die Abtretung von Teilen Weißrusslands und der Ukraine (1920/21). Im jeweiligen Machtbereich der Bolschewiki kam es während des Bürgerkriegs zur Ausbildung eines "Kriegskommunismus", der die russischen Bauern massiv benachteiligte und die Revolution der Städte auch auf dem Lande verbreitete; Bauernaufstände (in der Ukraine, im Wolgagebiet und Westsibirien), aber auch der Kronstädter Arbeiteraufstand (Anfang 1921) waren die Folge. Mit der "Neuen Ökonomischen Politik" (1921/27; Beendigung des "Kriegskommunismus, freier Handel, Städte und benachteiligtes Land) bei teilweiser Abkehr von der marxistisch-leninistischen Ideologie sollte sich die Sowjetunion wirtschaftlich und politisch stabilisieren. Im Staat der Räte (Sowjets) bildeten Partei - die "Allunions-Kommunistische Partei der Bolschewiki" (VKP(b); 1925) - und Staat eine Einheit, d.h. in diesem Parteienstaat ergänzten sich staatliche Organisationen und Parteistrukturen, und das auf lokal-regionaler Ebene, auf der Ebene der (autonomen) Republiken (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik [RSFSR], Karelische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik [ASSR], {ab 1945: Estnische Sozialistische Sowjetrepublik [SSR], Litauische SSR, Lettische SSR}, Weißrussische SSR, Ukrainische SSR, Moldauische SSR, Kalmückische ASSR, Kabardino-Balkarische ASSR, Nordossetische ASSR, Tschetscheno-Inguschische ASSR, Dagestanische ASSR, Abchasische ASSR, Adscharische ASSR, {als Transkaukasische SFSR 1922-1936: Georgische SSR, Armenische SSR, Nachilschewane ASSR, Aserbaidschanische SSR}, Komi-ASSR, Mordwinische ASSR, Tschuwaschische ASSR, Mari-ASSR, Udmurtische ASSR, Tatarische ASSR, Baschkiruische ASSR, Kasachische SSR, Karakalpakische ASSR, Turkmenische SSR, Usbekische SSR, Kirgisische SSR, Tadschikische SSR, Tuwinische ASSR, Burjatische ASSR, Jakutische ASSR), auf der Ebene der Sowjetunion als (föderale) Union. Die (Sowjet-) Union wurde am 29. Dezember 1922 formal ins Leben gerufen und vereinigte die bis dahin von den Bolschewiki eroberten Territorien (Eroberung Georgiens 1921/24, Verselbstständigung der Turkmenischen SSR und Usbekischen SSR 1924, Moldauische SSR 1924, Verselbstständigung der Tadschikischen SSR 1929, Verselbstständigung der Kasachischen SSR und Turkmenischen SSR 1936). Der politische Vorrang der Sowjetunion gegenüber den Teilrepubliken blieb wegen der alles verbindenden Allunionspartei VKP(b) gewahrt, die 127 Nationalitäten innerhalb der Sowjetunion wurden in ihrer kulturellen Eigenständigkeit gefördert (Bildungspolitik, Sprache, Schulen, Sesshaftmachung, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau). Im Mittelpunkt des sowjetischen Kommunismus standen dabei der wirtschaftliche Fortschritt als Resultat von Elektrifizierung, Industrialisierung und Rationalisierung und ein propagandistisches Idealbild der dem Sozialismus entsprechenden Menschentypen des Arbeiters im Arbeiterstaat und der Frau in der neuen Gesellschaft (Arbeiterkult und Fabrik, Kunst und sozialistische Avantgarde [Dichtung, Literatur, Theater, Malerei, Fotografie, Kino], Atheismus [Ausschaltung der kirchlichen "Konkurrenz", Vermögensbeschlagnahme, Verbote]). Außenpolitisch setzte die entstehende Sowjetunion zunächst auf die "Weltrevolution" (Bedeutung Deutschlands), musste sich aber nach dem Ausbleiben dieser mit den Mitteln der herkömmlichen Diplomatie behaupten (Vertrag von Rapallo 1922, diplomatische Anerkennung ab 1924). Der Tod Lenins als unbestrittenem Führer des sowjetischen Marxismus-Leninismus (1924; "Fraktionsverbot" innerhalb der VKP(b) 1921, "Testament" Lenins, Lenin-Mausoleum in Moskau, Leningrad statt Petrograd) ließ indes innenpolitischen Streit um die Macht aufkommen, bei dem Trotzki ins politische Abseits geriet (Ermordung Trotzkis in Mexiko 1940). Profiteur der Entwicklung war Josef Stalin (*1878-†1953), der zudem die Parteigrößen Grigori Sinowjew (*1883-†1936; hingerichtet) und Lew Kamenew (*1883-†1936; hingerichtet) sowie Nikolai Bucharin (*1888-†1938) ausschalten konnte (1926/27/29). II. Stalin: Stalin vereinigte als Generalsekretär de VKP(b) unter Ausschaltung jeglicher Parteikonkurrenz alle Macht bei sich. Ab 1928 kann von der Ära des Stalinismus gesprochen werden; in diesem Jahr gelang es Stalin das Politbüro der kommunistischen Partei nach seinen Wünschen umzugestalten, weiter das endgültige Aus der NÖP durchzusetzen und in einem 1. Fünfjahresplan (1928-1932) die Schwerindustrialisierung der Sowjetunion ([chaotische] Planwirtschaft, weitere Ideologisierung der Arbeiterschaft) bei Kollektivierung und "Entkulakisierung" der Landwirtschaft (Zwangskollektivierungen und Enteignungen [Sowchosen, Kolchosen], Deportationen und Ermordungen) durchzusetzen. Gegner innerhalb und außerhalb der Partei wurden in Schauprozessen verurteilt, "Systemfeinde" getötet, deportiert oder zu Zwangsarbeit gezwungen; die Geheimpolizei GPU (1922) bzw. NKWD (1934) beherrschte den "Archipel GULag". Folgen der Maßnahmen Stalins waren eine "Entfesselung von Gewalt" und "bürgerkriegsähnliche Zustände", die neben einer allgemeinen Desorganisation u.a. zur Hungersnot von 1932/33 mit ihren fünf bis zehn Millionen Opfern besonders in der Ukraine führten. Die Flucht der Landbevölkerung in die Städte unterband dabei (theoretisch) ein Passsystem (1932; <-> "Verbäuerlichung" der Städte). Ideologisch stand im Stalinismus der "Neue Mensch" im Vordergrund, wie ihn die Modernität verheißende städtebauliche Umgestaltung Moskaus (Metro und Magistralen) propagierte, das Ideal des mit "bolschwistischem Bewusstsein" ausgestatteten Menschen (Männer, Frauen, Ingenieure) oder die Kunst des "Sozialistischen Realismus". Der von Stalin initiierten sozialistischen Verfassung der Sowjetunion (1936) folgte im 2. Fünfjahresplan (1933-1937) der "Große Terror" von 1937/38, der nicht nur die (Partei-, Planwirtschafts-) Elite, sondern alle Schichten der Gesellschaft betraf (Stachanow-Kampagne und "Mobilisierungsdiktatur" 1935, Entmachtung des Politbüros 1935, "Säuberungen" innerhalb der Partei 1937, Moskauer Schauprozesse 1936/38, Massenterror und Massenverhaftungen gegen "Asoziale, Kriminelle, Kulaken" 1937/38, Ausbau des GULag-Systems 1937/41) und die Beziehungen zwischen den Menschen nachhaltig zerstörte. Stalin wirkte über die Komintern ("Kommunistische Internationale") auch auf die kommunistischen Parteien im Ausland ein, wenn auch die direkten diplomatischen Beziehungen zu den auswärtigen Staaten eine immer größere Rolle spielten (Mitgliedschaft der Sowjetunion im Völkerbund 1934, sowjetischer Außenminister Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow [†1986], Auflösung der Komintern 1943). Der Hitler-Stalin-Pakt (1939) mit seiner Preisgabe der baltischen Staaten und Ostpolens an die Sowjetunion war eine Voraussetzung für den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und den deutschen Überfall auf die Sowjetunion (Unternehmen "Barbarossa" 1941, deutscher Vernichtungskrieg in Osteuropa, Holocaust). Im "Großen Vaterländischen Krieg" (1941-1945) reagierte Stalin auf den deutschen Angriff mit Zwangsmaßnahmen (Kontrolle von Soldaten und Arbeitern, Deportation ethnischer Gruppen [Wolgadeutsche, Krimtataren u.a.], Verfolgung von Kollaborateuren), aber auch mit der Gewährung von Freiheiten (Sowjetunion als "Leidensgemeinschaft", kulturelle und kirchliche Freiheiten). Die Schlacht bei Stalingrad (September 1942-Januar 1943) bildete den Wendepunkt des Krieges; danach rückte die sowjetische Rote Armee - unterstützt von den westlichen Aliierten - bis nach Mitteleuropa vor (1945). Noch nach Ende des Krieges behauptete sich die Ukrainische Aufstandsarmee (UPA) als antikommunistische Gruppierung in weiten Teilen der Westukraine (bis 1956), während Baltikum und Westgebiete fest in die erweiterte Sowjetunion eingebunden wurden (Deportationen, Verstaatlichungen, Kollektivierung, russische Amtssprache). Im sich entwickelnden Ost-West-Konflikt u.a. zwischen einem kommunistischen Osteuropa hinter dem "Eisernen Vorhang" (Warschauer Pakt) und den westlichen Demokratien in Nordamerika und Europa (NATO) konnte die Sowjetunion auf die auch von ihr entwickelte Atombombe (1949) verweisen; der "Kalte Krieg" zwischen Kapitalismus und Kommunismus wurde ideologische geführt, ging konkret gerade auch um den sowjetischen Einfluss in Osteuropa und Deutschland (West-Berlin 1948/49, Gründung von Bundesrepublik Deutschland [BRD] und Deutscher Demokratischer Republik [DDR] 1949, "Stalin-Note" 1952). Innenpolitisch standen die Jahre nach dem Krieg im Zeichen des industriellen Wiederaufbaus der durch den Krieg massiv in Mitleidenschaft gezogenen westlichen Teile der Sowjetunion (25 bis 30 Millionen Weltkriegstote, Fünfjahresplan für die Ukraine 1946-1950). Gleichzeitig wurden vor dem Hintergrund eines geradezu schizophrenen Freund-Feind-Denkens (Schdanowschtschina, Antikosmopolitismus, Antisemitismus, Feindhysterie) Freiheiten (z.B. in der Kunst) wieder eingeschränkt, die "Angstherrschaft" Stalins und eine beginnende neue Terrorwelle (gegen Juden) wurden nur durch den Tod des Diktators (1953) beendet. III. Chruschtschow: Was folgte, war eine liberalere Ära unter dem Ersten Parteisekretär der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU, 1952) Nikita Chruschtschow (*1894-†1971), der die "kollektive Führung" nach Stalins Tod erfolgreich ablöste (1957). Zuvor war noch der Aufstand in der DDR niedergeschlagen worden (1953; Hinrichtung des NWKD/MGB-Chefs Lawrenti Berija [†1953, Geheimdienst KGB 1954]); zur "Entstalinisierung" der Sowjetunion (ab 1953) gehörte das Abrücken von Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Unterbringung im GULag, die Öffnung der Lager bedingte die Freilassung von ungefähr vier Millionen (politischer) Gefangener, die nur schlecht in die sowjetische Gesellschaft zu integrieren waren. In einer Geheimrede rechnete Chruschtschow (teilweise) mit dem Terror der Stalinzeit ab (1956), was innen- und außenpolitische Verwerfungen mit sich brachte (Unruhen in Polen und Ungarn 1956). Der "Entstalinisierung" folgte eine Periode des "Tauwetters", innenpolitisch der Jahre 1955/57, auch in der Literatur (Schriftstellerkongress 1954); doch wandte sich die sowjetische Gesellschaft mit seiner Sozialkontrolle auch gegen "Asoziale" und "Sozialschmarotzer", gegen Religion und Kirche (orthodoxes Christentum, Islam) bei Propagierung "nationaler" Einheit. Der Reformstau der Stalinjahre sollte durch Reformen innerhalb der Landwirtschaft (Maisanbau, staatliche Erleichterungen für Bauern[Steuern, Rente], Neuland-Kampagne, Überforderung der Kolchosen), durch Reformen hin zu einem Wohlfahrtstaat (Mindestlohn, Mindestrente, Wohnungsbau, Konsum), durch eine dezentrale Organisation der Industrie bei weiterem Ausbau von Großindustrie und Energieversorgung gelöst werden. Das sowjetische Raumfahrtprogramm war zivil (Satellit "Sputnik" 1957) und militärisch (Trägerraketen für Atomwaffen) erfolgreich. Die sowjetische Außenpolitik war gekennzeichnet durch Chruschtschows Reisediplomatie (Gipfeltreffen in Genf [1955], Paris [1960] und London [1961], Chruschtschows USA-Reise 1959) und durch Annäherung an den und Distanzierung vom Westen (Entlassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen 1955, Deutschland- und Berlin-Frage [Mauerbau 1961]). In der Kubakrise (1962) zogen Chruschtschow und die Sowjetunion den Kürzeren. Der außenpolitische Misserfolg sowie Versorgungskrisen im Innern führten schließlich zur Absetzung Chruschtschows durch das Zentralkomitee der KPdSU (1964). IV. Breschnew: Auf Chruschtschow sollte Leonid Breschnew (*1906-†1982) als mächtigster Mann der Sowjetunion folgen, freilich mit Aleksei Kossygin (*1904-†1980) als Vorsitzendem des Ministerrats und Nikolai Podgorny (*1903-†1983) als Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets - "kollektive Führung" also. Breschnew zeichnete sich durch einen auf Ausgleich bedachten Führungsstil aus, er setzte auf Kontinuität im Kader der KPdSU bei Vorrang der Partei gegenüber der Regierung. Reformen Chruschtschows wurden zurückgenommen, die neue Verfassung der Sowjetunion (1977) stand in Teilen den kommunistischen ("nationalen") Eliten in den Teilrepubliken entgegen; (Kolchos-) Bauern sollten rechtlich und sozial der städtischen Bevölkerung gleichgestellt werden (Angleichung der Löhne 1965, Freizügigkeit 1975), die "Kossyginschen Reformen" (1965) setzten auch auf Eigenverantwortung in der Industrie, scheiterten aber im Wesentlichen; im Rahmen des "Kleinen Deal" (Wohlverhalten gegen materielle Versorgung, Anhebung des Lebensstandards) eines "entwickelten Sozialismus" konnte die sowjetische Bevölkerung auch mehr Konsumgüter wie Haushaltsgeräte (Fernsehgerät, Kühlschrank, Waschmaschine) nachfragen, die Anzahl privater Automobile blieb indes gering (Lada-Autowerk in Togliatti 1970). Dringende Devisen erhielt die Sowjetunion durch den Export von Gas und Öl (aus Sibirien) auch ins westliche Ausland (Österreich 1968, BRD 1973, Pipeline zur Yamal-Halbinsel 1983). Unter den Infrastrukturmaßnahmen ragte - neben den Investitionen im ländichen Bereich - auch unter ideologischen Aspekten der Bau der Baikal-Amur-Magistrale (ab 1974) hervor. Ebenfalls ideologisch untermauert war die Verfolgung Andersdenkender, was etwa den Schriftsteller Alexander Solschenizyn (*1918-†2008, Literaturnobelpreis 1970) oder den Wissenschaftler Andrei Sacharow (*1921-†1989, Friedensnobelpreis 1975) betraf. Außenpolitisch trat die Sowjetunion als Weltmacht auf, gegenüber den Staaten des Warschauer Paktes (Prager Frühling 1968), gegenüber dem China der Kulturrevolution, gegenüber der NATO und den USA (Vietnamkrieg 1955-1975, Entspannungsprozess und SALT-Abkommen 1972, KSZE-Prozess und Helsinki-Schlussakte 1973/75), gegenüber Westdeutschland im Zeichen der neuen Ostpolitik des Bundeskanzler Willy Brandt (1969-1974) (Moskauer Vertrag 1970). Der Entspannung zwischen Ost und West folgte nach 1975 eine neue "Eiszeit" (trotz SALT II-Abkommens 1979; Kommunismus in Angola (1974/75/2002), NATO-Doppelbeschluss 1979); auch der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan (1979) gehört hierher (Afghanistankrieg 1979-1989), Unruhen in Polen (freie Gewerkschaft Solidarnosc) wurden unterdrück (1980/81). Am Ende hinterließ Breschnew ein von Nahrungsimporten abhängiges Land, das infolge eines Preiszerfalls nur ungenügend Devisen aus dem Öl- und Gasexport generieren konnte, und innerhalb der politisch maßgeblichen Parteikader der KPdSU eine Gerontokratie. Letztere stellte nach Breschnews Tod (1982) die Generalsekretäre Juri Wladimirowitsch Andropow (*1914-†1984) und Konstantin Tschernenko (*1911-†1985), die aufgrund ihren kurzen Amtszeiten kaum politisch zur Entfaltung kamen (1982-1984 bzw. 1984-1985). V. Auf- und Zusammenbruch: Mit Michail Gorbatschow (*1931-†2022) kam ein Generalsekretär einer jüngeren Generation an die Macht (1985), der das durch Korruption und Stagnation ausgehöhlte Partei- und Staatssystem der Breschnewzeit verändern und modernisieren wollte. Perestroika ("Umgestaltung" ) und Glasnost ("Transparenz/Öffnung") waren die Schlagworte, mit denen Gorbatschow seine neue Politik verband. Sie bedeutete eine entstehende Meinungsvielfalt und Verfassungsreformen (Demokratisierung 1987, Reform der Sowjets, Kongress der Volksdeputierten 1988, Präsidialsystem 1990) unter der Alleinherrschaft der KPdSU sowie einen massiven Umbau der Wirtschaft, die nun marktwirtschaftliche Elemente (Handwerk, Landwirtschaft) aufnahm, die Planung auf die Ebene der Unternehmen (Industrie) verlagerte. Der wirtschaftliche Umbau führte zu massivem Mangel an vielem, zumal eine Kampagne gegen Alkoholismus (1985) sich ebenfalls negativ auswirkte. Die Reaktorexplosion in Tschernobyl (1986) brachte das Ende der Technikgläubigkeit, Abruüstungsverhandlungen in Reykjavik (INF-Vertrag 1987) das Ende des Kalten Krieges zwischen Ost und West. Auch in den Staaten des Warschauer Paktes sollten Perestroika und Glasnost Einzug halten, das Ende der kommunistischen DDR (Mauerfall 1989) und deren Beitritt zur BRD (Wiedervereinigung 1990) liefen parallel zu Zerfall und Auflösung des Warschauer Paktes (1991) bei Rückzug der sowjetischen Truppen ausd Osteuropa (bis 1994). Auch die Sowjetunion sollte in ihre Einzelrepubliken zerbrechen; in Kasachstan setzten 1986 Unruhen ein, ebenso in Usbekistan 1988/89, es folgten Streitigkeiten um die Region Bergkarabach (1988) zwischen Armenien und Aserbaidschan und Massenproteste in Georgien (Abchasien, Südossetien) (1989/90). Autonomiebestrebungen gab es in den baltischen Republiken seit 1988, Litauen erlangte 1990/91 als erste dieser Republiken die faktische Unabhängigkeit. Das Jahr 1991 war auch das Jahr des Endes der Sowjetunion, die Gorbatschow mittels eines neuen Unionsvertrages zwischen neun Republiken auf eine neue Grundlage stellen wollte (April/August 1991). Der Unionsvertrag war der Anlass zu einem kommunistischen Putsch gegen den Generalsekretär (18./21. August 1991), der unter maßgeblicher Beteiligung des Präsidenten der russischen Teilrepublik Boris Jelzin (*1931-†2007) abgewehrt werden konnte. Der Unionsvertrag war indes hinfällig; die Republiken Russland, Weißrussland und Ukraine verhandelten hinter Gorbatschows Rücken das neue Staatensystem der "Gemeinschaft unabhängiger Staaten" (GUS), das am 21. Dezember 1991 von elf Republiken gebildet wurde. Gorbatschow trat daraufhin am 25. Dezember als sowjetischer Präsident zurück, am Tag darauf verfügte der Oberste Sowjet die Auflösung der Sowjetunion als "Union der sozialistischen Sowjetrepubliken" (UdSSR). Die kommunistische Sowjetunion war damit Geschichte. VI. Nachleben: Aus der Sowjetunion entstanden infolge des politischen Umbruchs der Jahre 1989/91 fünfzehn neue Staaten, die unterschiedliche Entwicklungen nahmen. Die baltischen Staaten Estland, Livland, Litauen orientierten sich rasch nach dem Westen und wurden schließlich Mitglieder der NATO und der Europäischen Union (EU). Andere Staaten waren Teil der GUS, hatten sich mit der machtpolitischen Vormachtstellung des "neuen" Russland auseinanderzusetzen oder kämpften mit Nationalitätenprobleme. Russland als Kerngebiet der ehemaligen Sowjetunion wurde unter der Präsidentschaft von Waldimir Putin (*1952) wieder zu einer Diktatur, die die Wiederherstellung des Sowjetimperiums anstrebt. [Buhlmann, 11.2022]

Schatz, Klaus (1997), Allgemeine Konzilien - Brennpunkte der Kirchengeschichte (= UTB 1976), Paderborn 1997, 360 S., DM 32,-. I. Konzilien (Synoden) sind Versammlungen von Bischöfen der christlichen (katholischen) Kirche. Das Konzilsinstitut bildete sich zusammen mit einer sich verdichtenden kirchlichen Organisationsstruktur im antiken römischen Reich aus; Konzilien als Regionalsynoden sind seit dem Ende des 2. Jahrhunderts n.Chr. nachweisbar und hatten komplexe kirchenrechtliche Fragestellungen zum Inhalt (Synoden zum Osterfeststreit, ca.195). (Bis zu jährlich stattfindende) Regionalsynoden (Karthago) gab es relativ durchgängig schon im 3. Jahrhundert in den Kernräumen des sich ausbreitenden Christentums (Italien, Nordafrika, Ägypten, Syrien/Palästina, Kleinasien), es wurden damals u.a. Fragen in Bezug auf die lapsi der Christenverfolgungen, den "Ketzertaufstreit" oder christliche Häresien behandelt. Konzilien dienten - anschließend an Bibel und apostolische Überlieferung (apodosis) - der Selbstvergewisserung von christlichem Glauben und Kirche. Sie erhielten damit eine im Christentum verbindliche, die christliche Großkirche verbindende Autorität. Von daher war es ein kleiner Schritt hin zu überregionalen und allgemeinen, ökumenischen Konzilien; das Westkirchenkonzil von Arles (314) ist dafür ein Beispiel. Auch nach dem Aufkommen der allgemeinen Konzilien blieben die Provinzsynoden der Kirchenprovinzen weiterhin wichtig, was Glaubensentscheidungen, kirchliche Gesetzgebung oder die Kontrolle der Bischofswahlen anbetraf. Der Aufstieg des Papsttums erhöhte zudem die (überregionale) Wichtigkeit der in Rom stattfindenden Synoden. II. Die Konstantinische Wende bewirkte die Einbeziehung der christlichen Kirche in den römischen Staat durch Kaiser Konstantin I. den Großen (306-337). Einheitsstiftend für die christliche Großkirche und das römische Reich waren fortan die von den nunmehr christlichen Kaisern einberufenen allgemeinen Kirchenkonzilien. Für die Spätantike sind im Rahmen des Ringens um ein einheitliches Glaubensbekenntnis (Trinität, Christus-Logos, Heiliger Geist) zu nennen: Nikaia (325; arianische Häresie [Wesensähnlichkeit von Gott und Jesus], nizänisches Glaubensbekenntnis [Wesensgleichheit von Gott und Jesus Christus; göttliche und menschliche Natur Christi], Kirchenorganisation, Klerus, Bußdisziplin, Osterfesttermin); Konstantinopel I (381; nizäno-konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis); Ephesos I (431; Nestorianismus und Rolle Marias als "Gottesmutter", Patriarch Kyrill von Alexandrien und dessen Absetzung auf einem "Gegenkonzil"); Ephesos II (449; "Räubersynode"; Streit um die zwei Naturen Christi zwischen Abt Eutyches von Konstantinopel und Patriarch Dioskoros von Alexandrien); Chalkedon (451; chalkedonisches Glaubensbekenntnis [zwei Naturen Christi ungeteilt und unvermischt; Natur, Person als Begriffe], päpstliche Lehrautorität). Das chalkedonische Glaubensbekenntnis wurde dann verteidigt auf den allgemeinen Konzilien: Konstantinopel II (553; Monophysitismus und Interpretation des Chalcedonense, "Dreikapitelstreit") und - nach dem Eindringen des Islam in den Mittelmeerraum - Konstantinopel III (680/81; Absage an den Monotheletismus [ein göttlicher Willen in Christus] zu Gunsten des Dyotheletismus]); Trullanum (Konstantinopel 692; Fragen kirchlicher Disziplin, kaiserliche Kontrolle der Ostkirche). Das Auseinandertreten von West und Ost in der christlichen Welt (östliche Reichskirche, westliche Landeskirchen) ließ nur noch bedingt allgemeine Konzilien zu: [Hiereia/Konstantinopel 754 (Ikonoklasmus);] Nikaia II (787; Bilderstreit im byzantinischen Reich, Absage an den Ikonoklasmus); Konstantinopel (861; Streit um die Besetzung des Konstantinopler Patriarchats, Patriarch Photios), Konstantinopel IV (869/70; Sturz des Photios, Patriarch Ignatios, päpstlicher Primat, Libellus satisfactionis der Photios-Anhänger), Konstantinopel (879/80; Patriarch Photios, Annullierung der Beschlüsse von Konstantinopel IV). III. Nur in einem gewissen Sinne als Fortsetzung der allgemeinen Konzilien des 4. bis 9. Jahrhunderts können innerhalb der mittelalterlichen Westkirche die 45 Reichssynoden des ostfränkisch-deutschen Reiches (916-1056; u.a.: Rom 963 [Absetzung Papst Johannes' XII.], Rom 1014 [filioque-Formel], Sutri-Rom 1046 [Papstabsetzung, Papsterhebung Suitgers von Bamberg]), die päpstlichen Synoden der gregorianischen Kirchenreform (päpstliche Synoden als "Universalkonzilien", u.a. als "Fastensynoden": Rom 1074 [Beschlüsse gegen Simonie und Priesterehe], Rom 1076 und 1080 [Absetzung König Heinrichs IV.], Piacenza 1095, Clermont 1095 [Kreuzzugsaufruf]) sowie die päsptlichen "Generalkonzilien" ab dem 12. Jahrhundert (Lateranum I 1123 [Abschluss des Investiturstreits], Lateranum II 1139 [Beendigung des Papstschismas 1130/38], Lateranum III 1179 [Beendigung des Papstschismas 1159/77], Lateranum IV 1215 [Kirchenreform, Bekämpfung von Häresien etwa der Katharer bzw. Albigenser, Kirchenbeichte, Juden, Transsubstantiation], Lyon I 1245 [Absetzung Kaiser Friedrichs II.], Lyon II 1274 [Kirchenunion zwischen West und Ost], Vienne 1311 [Templerorden, Kreuzzug, Kirchenreform]) gelten. Eine andere Qualität erreichten die allgemeinen Konzilien des 15. Jahrhunderts (Konziliarismus [Konzil über dem Papst?]), in denen es um die Einheit und die Reform der Kirche ging (Papsttum in Avignon 1309/78, Großes Papstschisma 1378/1417): Pisa (1409; Kircheneinheit bei letztlich drei Päpsten); Konstanz [1414/18; Konzilsverständnis [Dekrete Haec sancta 1415, Frequens 1417], causa fidei [Verbrennung des Jan Hus 1415], Kircheneinheit [Papstwahl 1417], Kirchenreform); Pavia/Siena (1423/24; Papst Martin V., Winkelschisma); Basel (1431/49; Kirchenreform, Konzil gegen Papst, Kirchenunion, Prager Kompaktaten 1433, Dekret Sacrosancta 1439, Papstschisma 1439/49); Ferrara/Florenz/Rom (1437/39/43; Konzil Papst Eugens IV., Kirchenunion [Dekret Laetantur coeli 1439]); Pisa (1511/12; Konzil von Papstgegnern); Lateranum V (1512/17; als päpstliches Gegenkonzil zu Pisa, Kirchenreform). IV. Reformation und Konfessionalisierung im abendländischen Europa machten in der beginnenden frühen Neuzeit letztlich ein Konzil der "katholischen Konfessionskirche" unabwendbar: Tridentinum (Trient, Bologna, Rom 1545/63; Kirchenreform, katholische Lehre und Positionen [Erbsünde, Rechtfertigung, Sakramente und Ehesakrament, Messopfer, Transsubstantiation, Weihepriestertum], Auseinandersetzung mit Protestanten und Protestantismus [Kirchenunion], katholische Gegenreformation). Der Anpassung an die Moderne und die Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts dienten die katholischen Konzilien: Vatikanum I (Rom 1869/70; Glaubensschemata, Unfehlbarkeit des Papstes); Vatikanum II (Rom 1962/65; Glaubensschemata, Kirchenschema, Bischofsschema, kirchliche Ökumene, Liturgiekonstitution, Religionsfreiheit [Erklärung Dignitatis humanae] und nichtchristliche Religionen [Judentum]). Vgl. Jedin, Hubert (1959), Kleine Konziliengeschichte. Die zwanzig Ökumenischen Konzilien im Rahmen der Kirchengeschichte (= Herder Tb 51), Freiburg i.Br.-Basel-Wien 1959, 141 S., DM 2,20. > K Konziliengeschichte [Buhlmann, 05.2004]

Schauer, Markus (2016), Der Gallische Krieg. Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk, München 2016 > C Caesar, > Lateinische Literatur > C Caesar

Schaumburg, E. von (1878/79), König Friedrich I. und der Niederrhein. Die Erwerbung von Moers und Geldern, in: ZPrGLK 15 (1878), S.303-367, 16 (1879), S.176-292 > S Spanischer Erbfolgekrieg am Niederrhein

Schaumburg, E. von (1879), Zur Geschichte des Stiftes Gerresheim, in: ZBGV 15 (1879), S.29-69 > G Gerresheim

Schauwecker, Heinz (1990), Zweckverbände in Baden-Württemberg. Kommunale Zusammenarbeit in zwei Jahrhunderten, Stuttgart 1990 > B Baden-Württemberg

Schecher, Otto (1963), Die Grafen von Rieneck. Studien zur Geschichte eines mittelalterlichen Hochadelsgeschlechtes in Franken, 224 S., Diss. Würzburg 1963, DM 10,-. Die Grafen von Rieneck entstammten - nachweisbar auf Grund von Personennamen als Leitnamen, des Besitzes zwischen Mittelrhein und Spessart und der Funktionen als Amtsträger der Mainzer Erzbischöfe bzw. des Klosters Fulda - frühmittelalterlichen kognatischen Familienverbänden wie den Hattonen (Hattonen als Grafen im Worms-/Rheingau, Main-Spessartraum, Königssundragau; Hatto als Graf und Mainzer Kirchenvogt 863/71; Erzbischof Hatto I. von Mainz [891-913]?), einer Gruppe um Amtsträger mit Leitnamen Sigeboto, Regenhard und Gerhard (Sigeboto-Regen-Gerhard-Gruppe, 8./9. Jahrhundert) und vielleicht auch den Konradinern. Das 11. Jahrhundert sah Mitglieder einer Sippe um Männer mit Leitnamen Regenhard und Gebeno/Gerhard (Sig-Regen-Sippe, 11. Jahrhundert), die als Burg- und Stadtgrafen von Mainz sowie als Vögte der Mainzer Erzbischofskirche fungierten. Parallel dazu treten im 11. Jahrhundert die Grafen von Loon/Looz (bei Limburg, Lüttich) in Erscheinung (Graf Gislebert von Loon [v.1031-1044/66]). Arnold von Loon, der Sohn Graf Emmos (1046, 1078), heiratete um 1100 die namentlich unbekannte Tochter des Mainzer Burg- und Stadtgrafen Gerhard (ca.1085, 1106) und wurde in dessen Nachfolge als Graf Arnold von Rieneck (wohl Rheingau, 1115) Mainzer prefectus und Kirchenvogt (1108, 1135). Von Arnold stammen die bis zu ihrem Aussterben (1559) nachweisbaren Grafen von Rieneck ab, Arnolds Sohn Ludwig (I) von Loon-Rieneck (1139, 1162) war ebenfalls Mainzer Stadtgraf und Kirchenvogt des Erzbistums, Ludwigs Sohn Gerhard (I, 1159, 1189) zudem Vogt des Aschaffenburger Stifts St. Peter und Alexander. Gerhard (I) verfolgte im Mainzischen und Mainfränkischen eine ausgedehnte Besitzpolitik, unter ihm begannen sich die Linien der Grafen von Rieneck und die der von Loon zu trennen. Burg- und Rienecker Graf Gerhard (II, 1192, †v.1216) war zudem Vogt des Klosters Fulda. Der Rienecker Graf Ludwig (II, 1216, †v.1243) verlor das Amt des Mainzer Stadt- und Burggrafen (n.1221), während der territoriale Besitzausbau im nordlichen Spessartraum zunächst weiter voranschritt (Burg Rieneck [12. Jahrhundert], Rodungen, Burgenbau, Stiftung des Zisterzienserinnenklosters Himmelthal 1232). Indes stießen die Rienecker Grafen Ludwig (III), Gerhard (III), Sigiboto und Heinrich, die Söhne Ludwigs (II), mit ihren territorialen Ambitionen auf den entschiedenen Widerstand des Mainzer Erzbischofs Werner von Eppenstein (1259-1284) (Kampf und Niederlage gegen die Mainzer Kirche 1260-1271). Die Rienecker Grafen des späten Mittelalters blieben somit in Besitz und Territorium beschränkt und mussten zudem die Lehnshoheit des Mainzer Erzbischofs anerkennen (1336). An Rechten und Besitzungen der Rienecker Grafen können dann ausgemacht werden: Mainzer Erzkämmereramt; Aschaffenburger Vizedomamt; Vogtei über die "freien Leute" im und am Spessart; Zoll- und Geleitsrechte an der Fernhandelsstraße Frankfurt a.M.-Leipzig; Zoll bei Hofstetten; Zehnt, Markt und Münze in der Stadt Lohr a. Main; Lehen der Mainzer und Würzburger Kirche; Lehen des Klosters Fulda; Lehen der rheinischen Pfalzgrafschaft u.a. Im 14. Jahrhundert gab es zeitweise zwei Linien Rienecker Grafen, mit Philipp von Rieneck (1504, †1559) starben die zuletzt in Besitz und Herrschaft stark eingeschränkten Grafen von Rieneck aus, der Rienecker Besitz fiel das Mainzer Erzstift. Dasselbe Schicksal hatte die Grafen von Loon - nach einem Zwischenspiel unter Arnold von Rieneck (Arnulf III., 1223-1272/73) - schon im Jahr 1336 mit dem Tod Ludwigs (V., 1323-1336) ereilt. Die Looner Grafschaft kam an Dietrich von Heinsberg (1336-1361) und nach dessen Tod an das Bistum Lüttich. [Buhlmann, 01.2013]

Scheffel, Joseph Viktor von, deutscher Dichter: Joseph Viktor von Scheffel, 1826 in Karlsruhe geboren, 1886 dort auch gestorben, studierte Recht und germanische Philologie, wurde 1849 als Jurist promoviert, brach aber die juristische Laufbahn ab, um schließlich seinen künstlerischen Neigungen (Malerei, Schriftstellerei) nachzugehen. Nach seiner Romreise (1852) entschied er sich für die Schriftstellerei und war mit seinen historischen (und historisch gut recherchierten) Werken Der Trompeter von Säkkingen (1854), Ekkehard (1855), Frau Aventiure, Lieder aus Heinrich von Ofterdingens Zeit (1863) alsbald erfolgreich; die Werke bedienten dabei auch ein deutsches Nationalgefühl. Parallel zu seinem literarischen Schaffen arbeitete Scheffel als Bibliothekar in der fürstenbergischen Bibliothek in Donaueschingen (1858/59). Scheffel lebte in seinen letzten Jahren überwiegend in seinem Haus bei Radolfzell. An Werken (Romane, Versnovellen, Liedtexte) sind u.a. zu nennen: Scheffel, Joseph Viktor von (1855), Ekkehard (= detebe 21292), Zürich 1985 > H Hadwig; Scheffel, Joseph Viktor von, Ausgewählte Werke (= Diovis Klassiker): Bd.1 (Ekkehard, Roman, [1.Tl.]), 295 S., Bd.2 (Ekkehard, Roman, [2.Tl.], Hugideo, Juniperus, Bergpsalmen), 280 S., Bd.3 (Der Trompeter von Säckingen, Waldeinsamkeit, Gedichte), 288 S., Bd.4 (Frau Aventiure, Gaudeamus), 288 S., Leipzig 1925, RM N.N.; Der unbekannte Scheffel. Zu seinem 150. Geburtstag, hg. v. Friedrich Bentmann (1976) (= Literarische Gesellschaft/Scheffelbund, 51. Gabe), Karlsruhe 1976, 152 S., Schwarzweißtafeln, DM N.N. [Buhlmann, 08.2019, 11.2020, 07.2022]

Scheibelreiter, Georg (1983), Der Bischof in merowingischer Zeit (= Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Bd.27), Wien-Köln-Graz 1983, 312 S., DM 48,-. I. Adlige (mitunter auch nichtadlige) Herkunft (Vorfahren) und ein christlicher Glauben bilden den Hintergrund von Askese und Adelsethik, von einer zur christlichen sanctitas gesteigerte nobilitas der Bischöfe als vires sacerdotales im merowingischen Frankenreich. Die bischöfliche Karriere begann mit christlicher Erziehung und antik-klassischer Bildung (auch Gegnerschaft zum antiken Bildungskanon [Papst Gregor I.]) in kirchlichen (Presbyteral-, Episkopal-) und Klosterschulen. Es folgte eine kirchliche Ämterlaufbahn über die Ämter des Priesters, Archidiakons oder Diakons; Mönche und Asketen konnten Bischöfe werden, ebenso weltliche Machthaber und Laien wie duces, comites oder Hofbeamte das Bischofsamt (als Verwaltungsamt) bekleiden (conversio des Laien). Der Einsetzung eines Bischofs gingen dabei Aktivitäten adliger (galloromanischer) Personengruppen voraus (Adelslandschaft); der Kandidat fand Unterstützung bei anderen Bischöfen; der fränkische König beförderte mit oder ohne Geistlichkeit und "Volk" die Bischofserhebung. Die sozialen und Verwaltungsaufgaben eines Bischofs als Vorsteher einer civitas umfassten: Rechtsprechung, Diplomatie, Kontakte zum König, caritas (soziale Fürsorge), Bauten, Reliquienerwerb. Reisen des Bischofs standen im Zusammenhang mit: Diplomatie und Reichsverwaltung, praesentatio und occursus regis (bei Zusammentreffen von Herrscher und Bischof), Hof- und Heerfahrt, Visitationen, Weihen, Synodaltätigkeit, Pilgerfahrten, Reliquienerwerb. Der Tod des Bischofs war dann vor dem aristokratischen Hintergrund des Kirchenleiters alles andere als "gewöhnlich", zu den Vorbereitungen diesbezüglich gehörte die bischöfliche Grablege, Todestag und Todesstunde fanden in den Bischofsviten eine entsprechende Ausschmückung (Inszenierung); Bischöfe kamen aber auch gewaltsam ums Leben (Hinrichtung, Ermordung, Tod bei Jagd und im Kampf). II. Beispiele galloromanischer, merowingischer bzw. fränkischer Bischöfe sind: Agde: Fronimius (1, 567/68-580); Albi: Salvius (574-584); Angers: Maurilius (n.420-453), Albinus (v.538-n.549), Domitian (ca.550-568); Angoulême: Marachar (n.549-v.560), Frontonius (ca.560), Heraclius (2, ca.562-580); Arles: Honoratus (427-429), Hilarius (429-449), Caesarius (502/03-542/43), Licerius (586-588), Virgilius (588-n.601); Arras: Vedastus (ca.500-ca.540); Autun: Simplicius (v.418-v.452), Syagrius (ca.561-599/601), Leodegar (659/63-677/80), Bobo (2, 677), Hermenar (675/77-684/93); Auxerre: Amator (388-418), Germanus (418-448), Auna(cha)rius (567-n.605), Desiderius (n.605-614/27), Savarich (ca.710-ca.715/16), Ainmar (ca.716-731), Theodramn (ca.720/30), Quintilian (n.730), Maurinus (760/70-v.800); Avignon: Eucherius (?, v.524-n.533); Bayeux: Leudoald (n.573-n.614), Hugo (3, ca.723-730); Beja: Apringius (ca.550); Bordeaux: Leontius I. (ca.520-541/52), Leontius II. (541/52-ca.570), Berthramn (ca.570-585/86), Gundegisil (586-v.614); Bourges: Felix (n.565-v.581), Remigius (581-584), Sulpicius I. (584-591), Austrigisil (ca.612-624), Sulpicius II. (624/27-647), Vulfleod (647-660/72); Büraburg: Witta (742-n.760); Cahors: Maurilius (n.549-ca.580), Ursicinus (580-n.585), Rusticus (621-ca.629), Desiderius (630-655); Cambrai: Gaugerich (584/90-624/27), Viditianus (n.667-n.683); Chalon-sur-Saône: Flavius (581-n.591), Desideratus (ca.666-n.677); Chartres: Arbogast (comes, ca.480/90), Sollemnis (ca.490-v.511), Pappolus (ca.573-ca.595), Betharius (n.595-v.614); Chur: Tello (758-773); Clermont: Apollinaris Sidonius I. (469/70-ca.487), Aprunculus (2, ca.490), Eufrasius (ca.490-515), Apollinaris Sidonius II. (515), Cautinus (551-571), Avitus I. (571/72-n.592), Genesius (655/60), Felix (ca.660-663), Gariwald (663/64), Praeiectus (663/64-676), Avitus II. (676-691), Bonitus (691-706), Nordbert (n.706); Dax: Faustinianus (585), Nicetius (n.585); Die: Marcellus (463-n.474); Eauze: Salonius (v.570-579/85), Desiderius (n.585-v.614); Embrun: Chramlin (ca.680); Freising: Arbeo (764/65-783); Gap: Sagittarius (v.570-579/85), Aredius (579/85-ca.604); Genf: Maximus (513-n.523); Köln: Carentinus (ca.565), Ebergisil (ca.590), Kunibert (ca.627-n.648), Hildegar (n.748-753); Konstanz: Audoin (708-736), Arnfrid (736-746), Sidonius (746-760); Langres: Aprunculus (1, ca.470), Armentarius (n.490), Gregor (506/07-539/40), Tetricus (539/40-572), Pappolus (572/75-579/81), Mummolus (579/81-n.585); Laon: Chagnoald (614/27-v.548), Liutwin (?, 3, ca.705-717/22); Le Mans: Principius (n.496-v.533), Domnulus (559-581), Badegisil (581-586), Berthramn (586-n.616), Berachar (ca.653-670), Aiglibert (ca.670-697), Herlemund (698-721); Limoges: Rusticius I. (v.484-n.506), Rusticius II. (v.533-n.549), Exocius (n.549-565/75), Lupus (v.614-n.632); Lüttich: Hugbert (706-727); Lyon: Rusticus (v.494-501), Viventiolus (ca.514-524), Sacerdos (v.549-552), Nicetius (552-573), Priscus (573-ca.586), Aredius (602/03-n.614), Aunemund (ca.654-657/64), Genesius (657/64-678), Lantbert (678-v.688), Godwin (v.688-n.706); Maastricht: Amandus (647-649), Landbert (669-675, 682-706), Faramund (675-682); Mainz: Sidonius (ca.550-n.567), Sigimund (ca.589), Leudegasius (ca.612), Lupoald (ca.627), Gerold (ca.730/40), Gewilib (ca.740-745), Bonifatius (745-754), Hatto (891-913); Marseille: Theodor (v.566-n.591); Meaux: Burgundofaro (627/37-n.669), Ebergisil (n.680); Metz: Arnold (ca.601-607), Pappolus (ca.607-613/14), Arnulf (614-629), Abbo (629-v.645), Chlodulf (645/50-v.667), Felix (ca.700), Sigebald (n.700-740/41), Chrodegang (742-766); Münster: Liudger (805-809); Nantes: Eumerius (v.533-549), Nonnichius (582-v.608); Narbonne: Argebaud (v.673-683); Nîmes: Ranimir (673-680); Noyon: Medardus (v.533-ca.560), Eligius (641-660), Mummolinus (660-674/75); Orange: Eutropius (463-n.475); Orleans: Savarich (ca.695), Eucherius (719-732/33); Paris: Germanus (555-576), Ragnemod (576-591), Eusebius (591-v.604), Faramod (n.594-601), Hugo (2, ca.723-730); Poitiers: Hilarius (350-367), Pientius (n.541-ca.561), Pascentius (n.561-ca.584), Marowech (ca.584-n.590), Venantius Fortunatus (ca.600), Dido (628/29-669/76); Regensburg: Gawibald (739-761); Reims: Remigius (v.475-533), Egidius (n.555-590), Romulf (590-v.613), Somnatius (v.613-n.627), Lando (ca.650), Nivard (v.657-673), Reolus (673-n.688/89), Rigibert (ca.689-ca.720), Liutwin (?, 2, ca.705-717/22), Milo (2, ca.720-743), Ebo (816-835, 840-841), Hinkmar (845-882); Rennes: Melanius (v.511-v.549), Victorius (v.567-n.573), Desiderius (?, ca.670/80); Riez: Maximus (433-462), Faustus (461/62-n.485), Contumeliosus (v.524-533/35); Rodez: Dalmatius (524-580), Theodosius (580-584), Innozenz (584-v.610); Rouen: Quintinian (v.506-ca.511), Praetextatus (556/57-580/81), Melantius (580/81-584/85, 586-n.601), Audoin (641-684), Ansbert (684-688/95), Hugo (1, ca.723-730), Grimo (744/45), Raginfrid (745/48-v.760); Saintes: Heraclius (1, 561/62), Palladius (v.573-n.596); Salzburg: Rupert (2, 696-ca.716), Virgil (745-784); Sens: Medegisil (ca.613), Lupus (v.613-623), Emmo (654/60-v.680), Vulframn (n.683-v.696), Ebbo (v.711-ca.725); Soissons: Bettolen(us) (ca.650), Drausius (ca.660-680); Speyer: Hilderich (ca.614); Straßburg: Arbogast (v.600), Ansoald (ca.614), Heddo (v.734-n.775); Thérouanne: Audomar (639-ca.670), Erkenbod (n.708-n.723), Folkwin (816-855); Tongern: Falco (ca.498-v.535); Toul: Auspicius (ca.470), Leudinus (ca.660/70), Dodo (ca.700), Godo (ca.750-v.757); Toulouse: Magnulf (ca.585), Erembert (657-671/77); Tours: Martin (371-397), Perpetuus (v.461-491), Licinius (ca.507-519), Proculus (n.519-v.533), Theodor (n.519-v.533), Iniuriosus (v.533-v.546), Baudin (ca.546-552), Gunther (552-555), Eufronius (555-572), Gregor (573-594), Sigilaich (n.616-v.627), Chrodbert (v.668-v.680); Trier: Nicetius (525-n.561), Magnarich (n.561-n.587), Modoald (v.627-645/50), Numerianus (ca.650-ca.675), Liutwin (1, ca.705-717/22), Milo (1, ca.720-n.751), Weomad (751/62-791), Wazzo (804-v.811), Hetti (ca.816-847); Troyes: Lupus (ca.426-478), Walmar (dux, 676/80?); Utrecht: Willibrord (695-739), Alberich (774/77-784); Uzès: Firminus (v.541-552), Ferreolus (n.552-581), Marcellus (581-v.614), Aurelian (ca.650); Valence: Apollinaris (ca.490-n.523), Bobo (1, ca.660/75); Vence: Fronimius (2, n.588); Verdun: Desideratus (v.534-ca.550), Charimer (588-n.614), Peppo (716/19-722/24); Vienne: Avitus (490-518), Pantagathus (v.538-v.549), Namatius (n.552-559), Desiderius (586/96-603, 606/07), Domnulus (603/06, 607-n.614); Worms: Bertulf (ca.614), Rupert (1, v.696). [Buhlmann, 07.2013]

Scheibelreiter, Georg (Hg.) (2004), Höhepunkte des Mittelalters, Darmstadt 2004, 256 S., € 24,90. Das Mittelalter ist die historische Epoche ungefähr zwischen 500 und 1500 n.Chr. Es wird unterteilt in ein frühes, hohes und spätes Mittelalter. Für das frühe Mittelalter stehen Georg Scheibelreiter, Die Bekehrung des Merowingerkönigs Chlodwig 496, die Rolle von Chlodwigs Ehefrau Chrodhild und die Alemannenschlacht bei Zülpich (?, 496/97?), Georg Jenal, Von Benedikt von Nursia zu den Benediktinern ca.530-816, mit Benedikt von Nursia (†547), der regula Benedicti, den Mischregeln des 7. und 8. Jahrhunderts und der benediktinischen Klosterreform unter Benedikt von Aniane (†821), weiter Ulrich Nonn , Die Schlacht bei Tours und Poitiers 732 mit dem Sieg des fränkischen Hausmeiers Karl Martell (714-741) über die nach Gallien eingedrungenen Araber, Anton Scharer, Die Kaiserkrönung Karls des Großen 800 mit Zusammengehen von römischem Papsttum und fränkischem Königtum, gleichfalls Gerd Althoff, Die Kaiserkrönung Ottos des Großen 962 im Umfeld des ostfränkischen Ungarnsiegs auf dem Lechfeld (955), dem "imperialen" Ausgreifen des ostfränkischen Königs nach Italien (951, 962) und der Erneuerung des westlichen Kaisertums. Vor dem Hintergrund des Investiturstreits (1075-1122) ist zu sehen Hans-Henning Kortüm, König Heinrich IV. in Canossa 1077. Mit dem Ersten Kreuzzug (1096-1099) beschäftigt sich Marie-Luise Favreau-Lilie, Die Eroberung Jerusalems auf dem Ersten Kreuzzug 1099. Hochmittelalterlich ist weiter Ferdinand OpllDas Werden der mittelalterlichen Stadt (antike Grundlagen, Bischofsstädte, Handelsplätze, Märkte und Städte, hochmittelalterliche Städtegründungen). Mit dem Mainzer Hoftag Kaiser Friedrichs II. (1212-1250) beschäftigt sich Andrea Sommerlechner, Der Hoftag von Mainz 1235 (Festkrönung, Zeltstadt, Mainzer Reichslandfrieden). Ins Spätmittelalter gehören Karl-Friedrich Krieger, Die Schlacht bei Dürnkrut 1276, also der Sieg König Rudolfs I. von Habsburg (1273-1291) über den Böhmenkönig Ottokar (1253-1278) und die Grundlegung der habsburgischen Macht in Österreich, weiter Klaus Bergdolt, Die Pest in Europa 1347-1349 mit ihren katastrophalen Auswirkungen (Bevölkerungsrückgang, Judenverfolgungen). Karl Ubl, Die Entstehung der deutschen Universitäten im 14. Jahrhundert ist dann vor einem "Bildungsrückstand" und vor der Entwicklung der Papstkirche (Großes Schisma 1378-1417) zu sehen. Armin Wolf, Die Goldene Bulle von 1356 beschäftigt sich dann mit dem bedeutenden Reichsgesetz Kaiser Karls IV. (1346-1378) (Königswahl, Kurfürstenkolleg) und dessen Folgen. Zum Konzil zu Konstanz (1414-1418) ist zu stellen Karel Hruza, Die Verbrennung von Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil 1415. Schließlich ist als mediale Revolution des ausgehenden Mittelalters Stephan Füssel, Die Erfindung des Buchdrucks um 1450 durch Johannes Gutenberg (†1468) zu nennen. [Buhlmann, 07.2005]

Scheibelreiter, Georg (2014), Wappen im Mittelalter, Darmstadt 2014, 192 S., Farbabbildungen, € 39,-. I. Der gesellschaftlicher Wandel im christlich-katholischen Europa des 11. Jahrhunderts - erkennbar am Aufkommen adlig-agnatischer Identitäten und an den Veränderungen im Namensystem - brachte letztlich das mittelalterliche Wappenwesen hervor. Banner und Feldzeichen hatten im Krieg Bedeutung, großflächige Schilde als Bestandteil der Ausrüstung der Krieger wiesen in agnatischer Überlieferung Identität stiftende Symbole auf (Bronzewimpel von Källunge [ca.1000], Teppich von Bayeux [ca.1070/80]), wobei vorheraldische Übergangsformen noch bis ins 12. Jahrhundert hinein zu beobachten sind (illustrierte Weltchronik des Otto von Freising [n.1170], Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg [ca.1180/90]). Das heraldische Zeitalter begann in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts. Wappenträger waren indes noch unsicher in Gebrauch und Gestaltung des Wappens, ablesbar an den Wappen darstellenden Reitersiegeln aus der damaligen Zeit (Reitersiegel Herzog Heinrichs des Löwen). Generell zeigen aber die Reitersiegel mit dem Wappenschild den Beginn der (adligen) Heraldik im 12. Jahrhundert an. Auch Grabmäler aus dieser Zeit stellen Wappenschilde dar (Grabplatte Wiprechts II. von Groitzsch [†1124], Grabplatte Gottfrieds von Anjou [†1151]). In der ritterlich-höfischen Kultur des 13./14. Jahrhunderts fand dann der Wappenschild allgemeine Verbreitung (Schildformen: [Normannenschild [12. Jahrhundert],] Dreieckschild [13. Jahrhundert], Halbrundschild [13. Jahrhundert, Ende], Tartsche [ca.1400], Rosstirnschild [spätes Mittelalter], Rautenschild [spätes Mittelalter]). Wappen wurden jetzt auch angebracht auf dem Waffenrock und der Rossdecke, (Topf-, Kübel-, Stech-, Rost-, Visier-) Helme konnten mit einer (apotropäischen, ästhetischen) Helmzier (Zimier) versehen werden (Helm des Schwarzen Prinzen Eduard [†1376]; Kriegs- und Turnierhelme). Damit wurde der Helm neben den Schild zu einem Bestandteil des mittelalterlichen Wappens. Das Wappen wurde schon teilweise im 15. Jahrhundert ergänzt zu einem heraldischen Komplex u.a. mit Schildhalter, Devise, Amtszeichen, Orden (Bild als Devise, Wortdevise [Motto], Ordensbänder und -ketten, Amtszeichen im Wappenschild, Tiere als Schildhalter). Damals hatte der Wappenschild durch das Aufkommen neuer Waffentechniken vielfach an militärischer Bedeutung eingebüßt. II. Das mittelalterliche Schild- und Wappenbild war dann geprägt von bildlichen Darstellungen, geometrischen Figuren und Teilungsstrichen (Heroldsstücke als geometrische [Teilungs-] Formen [Pfahl, Balken, Stab/Leiste, Faden -> Schildhaupt, Sparren, Göpel/Deichsel, Keil/Spitze] zur genealogischen Einordnung des Wappentragenden; gemeine Figuren [Menschen, Tiere, Pflanzen, Naturphänomene, Gegenstände] zur Übermittlung von Symbolik). Wappen vermittelten damit eine höfisch-ritterliche Sinngebung auf der Grundlage von Identität (Genealogie) und Symbolik (redende, anpsielende Wappen, Wappensagen, politische Symbolik, allgemeine Symbolik). Unter den gemeinen, symbolisch zu verstehenden Figuren finden sich: Gesichter, Arme, Beine von Menschen (Mohren, Heilige) auf dem Wappenschild oder als Helmzier (Mohrenkopf); Tiere (Löwe, Leopard, Adler, Krafttiere Bär, Eber, Wolf, Merlette [Amselweibchen], Pferd, Hund, Fische, Fabeltiere (Ungeheuer, Einhorn, Greif); Beizeichen bzw. Brisuren (Pflanzen [Blätter, Lilie, Rose], Sterne, Schindeln, Kreuzchen, Flämmchen [Tränen, Tropfen]). Fabelwappen wurden Personen aus vorheraldischer Zeit beigegeben wie Chlodwig I. oder Karl den Großen. Diese Personen konnten auch fiktiv sein wie der Tod, der Teufel, Jesus Christus oder die heilige Maria. Wappenschilderungen traten auch in Werken der höfischen Epik auf; (heraldische) Ideal- und Vorbildfunktion besaßen dabei die Neuf Preux ("Neun Helden"; ab 14. Jahrhundert, Anfang). III. Innerhalb der adlig-mittelalterlich-höfischen Kultur bildete sich das Amt des Herolds als Diener, Bote und Vermittler (<- lateinisch praeco, germanisch hari(o)wald) heraus. Der Herold war ein Helfer im adligen Turnier (garzûne, crogieraere; 13. Jahrhundert), der Knappe eines Ritters ("Knappen von den Wappen" und die heraldischen Regeln im Turnier), schließlich auch Inhaber eines Amtes am Hof eines Adligen (Berater, Gesandter, Hofbeamter, Zeremonienmeister). Die spätmittelalterliche Entwicklung hin zum Amt des Herolds erklärt sich aus dessen Fachwissen über heraldische Zusammenhänge (heraldisches Wissen, gesellschaftlich wichtige Zusammenhänge), das in der "Zeit der Herolde" (15. Jahrhundert) über eine längjährige (siebenjährige) Lehrzeit erworben werden konnte; am Ende der Ausbildung stand die Ernennung zum Herold (Annahme eines Heroldnamens). Zu den Aufgaben des wappenkundigen Herolds gehörte neben den Funktionen bei Krieg und Turnier auch die fachsprachliche Beschreibung von Wappen (Blasonierung [<- französisch blason für "Wappenschild"; französische heraldische Sprache) und die Wappendeutung auf der Grundlage der "strengen Terminologie" des Wappenwesens (umfangreiche Kenntnisse der Heraldik). Bei der Blasonierung spielten die Farben (Tinkturen or, argent, gueules, azur, sable, sinople als Weiß, Gelb, Grün, Rot, Blau, Schwarz, daneben als Pelzwerk Feh, Hermelin, Kürsch; Tinktur als Farbgebung des Wappens; heraldische Farben in ihrer Wertigkeit [Rangfolge, Symbolik: Gold > Rot > Blau]) und Form und Stilisierung des Wappeninhalts (Positionierung und Wappenstilisierung der gemeinen Figuren in ihrer Charakteristik [etwa Wappenlöwe, Wappenadler]) eine Rolle. Herolde schrieben auch Wappenbücher, -rollen und -gedichte. Unter den deutschen Herolden des 14. und 15. Jahrhunderts, die in der späten höfischen Ritterkultur erkennbar werden, finden sich (Peter Suchenwirt (†1395/1407) als Dichter,) der Flame Claes Heynenzoon als Gelre bzw. Beieren (†ca.1414; im Dienst des Herzogs von Geldern und des wittelbachischen Herzogs von Bayern-Holland) als Autor von Liedern, Lobpreisungen und Wappengedichten, Wigand von Marburg (ca.1400; als Herold des Deutschen Ordens) als Autor von Turnierprosa und Hochmeisterbiografien sowie als Diplomat, Niclaus Holland (Mitte des 15. Jahrhunderts; im Dienst des wittelbachischen Herzogs von Bayern-Ingolstadt) als Autor des "bayerischen Turnierreims", die Wappenkönige (kung der wapen) Sidoni und Romreich Kaiser Friedrichs III. (1440-1493) usw. [Buhlmann, 01.2021]

Schenk zu Schweinsberg, Guntram Freiherr (1971), Reims in merowingischer Zeit. Stadt, Civitas, Bistum (Anhang: Die Geschichte der Reimser Bischöfe in karolingischer Zeit bis zur Bischofserhebung Hinkmars ca.845), Diss. Bonn 1971, 193 S., DM 20,-. Die folgenden Ausführungen sind auf die merowingische Zeit beschränkt: I. Die Quellen: a) Gregor von Tours, Fränkische Geschichte, b) Sidonius Apollinaris, Briefe, c) Fortunatus, Carmina, d) Chronik Fredegars und Fortsetzer, e) Liber Historiae Francorum, f) Flodoard, Historia Remensis Ecclesiae (!), g) zwei Viten des Remigius, h) Vita des Nivardus, i) Vita Rigoberti, j) zwei Viten des Abtes Theodulf, k) zwei Viten des t. Theoderich, l) Viat s. Basoli, m) weitere Viten und Acta, n) Remi iustestamentei o) Urkunden, p) vier Briefe des Remigius. II. Stadt und Civitas in römischer Zeit: 1. Die Grenzen der Civitas der Remer: zwischen Marne und Ardennen, zwischen Tardenois und den Argonnen. 4. Jahrhundert, 1. Hälfte: Abtrennung der Poststation Catelaunum; 511 Abtrennung des pagus Laon. Grenze gegenüber Soissons. Danach blieb die Ausdehnung des Reimser Gebiets konstant. 2. Oberflächengestalt und Bodenbeschaffenheit. 3. Römische Straßen: Verbindungen nach Italien, Boulogne, Verdun, Toul, Metz, Trier, Soissons, Köln, Chalons, Bavai und Troyes. 4. Besiedlung: Römische vici; das Maastal als zusammenhängendes Siedlungsgebiet in römischer Zeit, ebenso wie die Abhänge der Montagne, im Umkreis von Epernay und im Aisnetal. Römische villae bis zum 3.Jahrhundert. Die Germaneneinfälle verursachten eine erhebliche Abnahme der Bevoelkerung. Nicht-römische Ortsnamem und ihre Herkunft von Laeten, Franken oder Burgundern (?). 5. Die Stadt Reims: Lage. Bis zum 3. Jahrhundert lockere Siedlungsweise auf einer Fläche von über 100 ha. Im 3./4. Jahrhundert Bau einer Stadtmauer, die ca. 20-30 ha umfasste. 4. Jahrhundert: Kaiserpalast. Reimser Einwohnerschaft, Militär, Verwaltung im 4. Jahrhundert. 6. Handel, Industrie und Landwirtschaft in spätrömischer Zeit: Rolle der Landwirtschaft, Getreide, Schafzucht. Industrien des 4. Jahrhunderts., auch auf dem Land. Glasindustrie. 7. Das Christentum in Reims bis in die Mitte des 5. Jahrhunderts: Christentum sicher seit der 3. Jahrhundert, 2. Hälfte. Bischofsliste seit um 300. Im 4. und 5. Jahrhundert fortschreitende Christianisierung, was sich in Kirchenbauten niederschlägt. III. Die Übergangszeit (Remigius von Reims): 1. Bischof Remigius. Bischof 459/460-ca. 530. 496 Taufe Chlodwigs in Reims. Remigius-Testament. 2. Die fränkische Eroberung. Reims wird fränkisch irgendwann zwischen 486 und 496, feststellbar an den mehr als 100 Ortsnamen (kein archäologisches Material wird untersucht!), die fränkischen Ursprunqs sind und einen Anteil von 25 % am gesamten Ortsnamenbestand ausmachen. Der Norden des Reimser Gebiets wurde von der fränkischen Landnahme erfasst. Umfang und Streuung des merowingischen Königsguts: Attigny, Blanzy; Königegut ist insgesamt wenig vorhanden. 3. Die Stadt Reims zur Zeit des Remigius. Kirchenbauten, Klöster. Suburbane Siedlungen (?). 4. Die Civitas Reims zur Zeit des Remigius. Landkirchen und pagi: Die vier Landkirchen als Vororte von pagi, deren Anzahl in der Diözese Reims 7 bis 8 betrug. IV. Die merowingische Zeit: A. Das 6. Jahrhundert: 1. Die Bischöfe Romanus, Flavius und Mappnius. Romanus (ca.530-v.535), Flavius (ca. 535-v.549), Mappinius (v.549-v.573). Handelsbeziehungen zu Nordgallien. 2. Bischof Egidius. Seine Rolle in den Teilreichsauseinandersetzungen (Absetzung des Egidius 590). 3. Bischof Romulf (590-weit v.613). 4. Handel und Wirtschaft im 6. Jahrhundert. Rege Handelstätigkeit in Reims, u.a. mit dem Mittelmeer. Reimser Münzproduktion. Etwas Keramikindustrie. Strassen um Reims und ihre Bedeutung für den Handel. Im 7. Jahrhundert ist indes eine Handelstaetigkeit in Reims nicht feststellbar. 5. Reims als austrasische Residenz. Sedes Reims bei der Teilung von 511. In der Folgezeit blieb Reims aber im Großen und Ganzen trotz seiner peripheren Lage Residenzstadt bis in das letzte Jahrzehnt des 6. Jahrhunderts. Neue Residenz wurde damals Metz. 6. Ducatus Campaniae. Nach 575 Bildung eines Champagnedukats, das - wohl mit Unterbrechnungen im 7. Jahrhundert fortbestand und insbesondere Grenzdukat in den Streitigkeiten zwischen Austrasien und Neustrien gewesen ist. Auch für die karolingischen Hausmeier des 7. Jahrhunderts war das Dukat als Brücke zwischen arnulfingischen Machtzentrum und Königsgut in Neustrien wichtig. Umfasst hat das Dukat Reims, Chalons, Laon, Troyes. Residenz war möglicherweise Reims. B. Das 7. Jahrhundert: 1. Bischof Somnatius (v.613-n.626). 2. Die Bischöfe Leudegisel, Anglebert, Lando (bis ca.655). 3. Bischof Nivardus (v.657-673?). 4. Bischof Reolus (673-688/93). 5. Bischof Rigobert (688/693-v.743). Immunitätsverleihung durch König Dagobert II. (629-639) an die Reimser Kirche. 6. Die Stadt Reims in merowingischer Zeit. Handel. Besitzstreuung der Reimser Kirche. Handwerker in Reims. Kirchen und andere geistliche Gebäude. V. Anhang. [Buhlmann, 04.1988]

Schenkel, Elmar (2005), Die elektrische Himmelsleiter. Exzentriker in den Wissenschaften (= BSR 1617), München 2005 > W Wissenschaft

Scherer, Peter (1969), Reichsstift und Gotteshaus Weingarten im 18. Jahrhundert (= VKGLBW B 57), Stuttgart 1969, 82 S., Tabellenanhang, Schwarzweißtafeln, Karten, € 5,-. I. Mit dem Welfen Heinrich "mit dem goldenen Pflug" (†n.934) und dessen Ehefrau Ata hatte das 934 gestiftete Benediktinerinnenkloster Altdorf (Weingarten) prominente Gründer. Herzog Welf IV. von Bayern (†1101) siedelte aber 1056 in Altdorf Benediktinermönche an, das Kloster wurde 1094 dem Papsttum übergeben, die Mönchsgemeinschaft war damals hirsauisch beeinflusst. Mit der Übergabe von 1094 verzichteten die Welfen zwar auf ihr Eigentumsrecht an ihrem Hauskloster und Begräbnisort, blieben aber bis 1191, bis zum Tod Welfs VI., Klostervögte. Grundausstattung und Grundherrschaft der Mönchsgemeinschaft waren durch die Zuwendungen der welfischen Herzöge beträchtlich; die Mönchsgemeinschaft hatte insbesondere um Weingarten Besitz, daneben Streubesitz von Vorarlberg bis Ravensburg. 1191 übernahmen die Staufer die Klostervogtei, eine kulturelle Blütezeit ist für das beginnende 13. Jahrhundert auszumachen. Im späten Mittelalter konnte Weingarten trotz habsburgisch-vorderösterreichischen Drucks (Landvogtei Oberschwaben) seine (reichsunmittelbare) Unabhängigkeit behaupten. Zu Beginn der frühen Neuzeit griffen die wirtschaftlichen und inneren Reformen unter den Äbten Gerwig Blarer (1520-1567) und Georg Wegelin (1586-1627). Das von der Reformation verschonte Kloster entwickelte sich auf Grund seiner benediktinischen Regeltreue zu einem wichtigen katholischen Stützpunkt in Oberschwaben und darüber hinaus. Dem entsprach es, dass die oberschwäbischen Benediktinerklöster sich 1603 unter Führung Weingartens zu einer Kongregation zusammenschlossen. Rückhalt fanden die Weingartener Mönche damals zudem in der Benediktineruniversität Salzburg. Der wirtschaftliche Aufstieg der Abtei ermöglichte nicht zuletzt die Barockisierung der Klostergebäude im Verlauf des 18. Jahrhunderts. Die damals errichteten Gebäude prägen das Bild des Klosters Weingarten auch heute noch. II. Unter Abt Sebastian Hyller (1697-1730) wurde zwischen 1715 und 1724 die barocke Klosterkirche erbaut, die die alte romanische Basilika von 1182 ersetzte. Es entstand nach dem Vorbild der römischen Peterskirche die heute bestehende Doppelturmanlage mit dreischiffigem Langhaus, das im östlichen Teil von einer mächtigen Vierungskuppel bekrönt ist. Langhaus und Kuppel werden durch die großen Fenster erhellt, das von außen einfallende Licht beleuchtet die von Cosmas Damian Asam geschaffenen Fresken vorzüglich, der weiße Stuck mit den Stuckaturen Franz Xaver Schmuzers bildet dazu einen künstlerischen Kontrast, drei Hauptaltäre und die Orgel des Joseph Gabler (erbaut zwischen 1737 und 1750) stehen im Innenraum der Kirche. Zwischen 1727 und 1750/60 entstanden zudem an der Kirchennordseite die neuen Klostergebäude der Prälatur, während auf der Südseite die alten Konventsgebäude erhalten blieben. III. In der frühen Neuzeit wurde bedeutsam die Heilig-Blut-Wallfahrt von Reitern, entstanden aus der Verehrung einer Blutreliquie Jesu Christi, die Herzog Welf IV. nach dem Tod seiner Frau Judith dem Kloster Altdorf-Weingarten überließ. IV. Die Barockisierung des Klosters im 18. Jahrhundert hatte in der aufstrebenden wirtschaftlichen Entwicklung der Weingartner Mönchsgemeinschaft seine Entsprechung (steigender Getreidepreis, konstante Bevölkerungszahlen in Oberschwaben), wobei der politische Status der Kommunität im Gefüge von Reichskreis und Reich mitunter große Ausgaben bedingte (Erwerb der Hochgerichtsbarkeit auf dem Klosterberg bzw. pfandweise im Weingartner Niedergericht und dessen Ämtern 1740, Erwerb des Blutbanns in der Herrschaft Liebenau bzw. in der Vogtei Hagnau 1772). Die Weingartner Untertanen waren dabei innerhalb des Systems von Grundherrschaft und Leibeigenschaft Abgaben unterworfen (Falllehen, faktisch als Erblehen [Erdschatz, Zehnt, Getreidezins, Kleinzehnt, Küchengefälle, weitere grundherrschaftliche Abgaben]; Leibeigenschaft [ungemessene Fron, Besthaupt und Bestkleid, Manumission, "Drittteiligkeit", Abzugsgeld]); sie bewirtschafteten kleine, mittlere und große Güter (Selde, Gut, Hof [mehr als 16 ha]; durchschnittliche Betriebsgröße 20 ha) mit hauptsächlich Äckern (Getreide: Dinkel, Hafer, Roggen, Gerste; Faserpflanzen: Flachs, Hanf; Ölfrucht, Rüben, Kraut, Bohnen; Kartoffeln), dann Wiesen und Weiden (Viehzucht: Pferde, Rinder, Schweine), schließlich Gartenland (Bedeutung der Egartenwirtschaft). Daneben gab es am Bodensee ausgedehnten Weinanbau, eine Vielzahl von Fischteichen sowie eine (zurücktretende) Forstwirtschaft. Wenig begüterte Klosteruntertanen wichen zudem auf Nebenerwerb aus (Garnspinnerei, Kleinhandel); umgekehrt arbeiteten Auswärtige im Weingartner Niedergericht ("Schwabenkinder"). Neben den ausgeliehenen Gütern verfügte das Kloster auch über Eigenwirtschaft; eine klösterliche Abgabenverwaltung (in Naturalien und Geld) war die Grundlage für Verkauf (Getreide) bzw. Veredelung (Brot, Wein) des Erwirtschafteten durch die Mönchsgemeinschaft. [Buhlmann, 07.2014]

Scherff, Klaus (1976), Luftbrücke Berlin. Die Dokumentation des größten Lufttransportunternehmens aller Zeiten, Stuttgart 1976 > D Deutsche Geschichte, 1945-1949

Scherliess, Volker (1975), Alban Berg (= rm 225), Reinbek b.H. 1975, 158 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, (DM 6,80). Alban Berg (*1885-†1935), Sohn des Buchhändlers Conrad Berg, verlebte seine Jugend in Wien, beschäftigte sich schon früh mit Musik (Kompositionsversuche 1900), um nach bestandener Matura (1904) eine (1906 abgebrochene) Bematenlaufbahn anzustreben und bei Arnold Schönberg Musik zu studieren (ab 1904). Erste Kompositionen Bergs waren: 1. Storm-Lied (1907), Zwölf Klaviervariationen (op.1, 1907/08), Vier Lieder (op.2, 1909/10), Streichquartett (op.3, 1910), Fünf Orchesterlieder (1912), Vier Stücke für Klarinette und Klavier (op.5, 1913), Drei Orchesterstücke (op.6, 1914). Unterbrochen vom Militärdienst in Ungarn und im Wiener Kriegsministerium (1915/18) während des Ersten Weltkriegs (1914-1918), konnte Berg seine Arbeit an seiner ersten Oper "Wozzeck" April 1921 beenden (Klavierauszug 1922, Uraufführung 1925). Es folgten ein Kammerkonzert (1923/25) und eine Lyrische Suite (1925/26) sowie das 2. Storm-Lied als Zwölftonkomposition (1925, Vermittlung der Zwölftonmusik durch Schönberg 1923). Seit 1930 war Berg Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus (1933-1945) wurde Bergs (fragmentarisch gebliebene) Oper "Lulu" in Berlin uraufgeführt (1934, Lied der Lulu 1933). Es folgten noch eine Bearbeitung des Kammerkonzerts sowie ein Violinkonzert (1935, Uraufführung 1936). 1935 starb Berg an einer Blutvergiftung, 1955 gründete Bergs Ehefrau und Witwe Helene Berg die Alban-Berg-Stiftung, im selben Jahr folgte die International Alban Berg Society Igor Strawinskys. Der Nachwelt gilt Alban Berg als ein "Klassiker der modernen Musik", seine anfänglich als "revolutionäre Barbarei" betitelten Musikwerke haben Eingang gefunden in die Musik der Moderne. [Buhlmann, 03.2016]

Scheyern, Kloster und Ort in Oberbayern: Um 1075 wurde von Haziga, der Ehefrau des Pfalzgrafen Otto I. von Scheyern (†1078), in Margareten-/Bayerischzell ein Benediktinerkloster gestiftet. Durch Umsiedlung der Mönchsgemeinschaft nach Fischbachau (1095), nach Eisenhofen (1104) und schließlich nach Scheyern entstand am oberbayerischen Ort das Benediktinerkloster Scheyern (ca.1119) in der aufgelassenen Scheyerner Burg des (wittelsbachischen) Pfalzgrafen Otto V. von Scheyern (†1156). Nach einem Klosterbrand ließ Abt Waldemar von Scheyern (1171-1203) eine dreischiffige romanische Basilika als Klosterkirche errichten (Weihe 1215), unter Abt Konrad von Scheyern (1206-1225) entwickelte sich die von den wittelsbachischen Herzögen bevogtete Kommunität zu einem geistlich-religiösen Zentrum im damaligen Bayern (Klosterchronik, Buchmalerei u.a.). Scheyern war zudem Wallfahrtsort (Kreuzpartikelreliquie). An die kulturelle Blüte im Hochmittelalter knüpfte Abt Wilhelm Kienberger (1449-1467) durch Einführung der Melker Reform an, unter Abt Johannes Turbeyt (1503-1535) stand das Kloster auch mit dem Humanismus in Verbindung. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Klosterkirche spätgotisch eingewölbt, im 3. Viertel des 18. Jahrhunderts im Stil des Spätrokkoko verändert; auch die Klostergebäude unterlagen der Barockisierung. Unter Abt Joachim Herpfer (1757-1771) war die Mönchsgemeinschaft Zentrum von Naturwissenschaft und Geschichtsschreibung. Das wittelsbachische Hauskloster wurde 1803 säkularisiert, entstand 1831 als Benediktinerpriorat, 1843 als Abtei neu. Heute ist Scheyern eine Gemeinde im bayerischen Landkreis Pfaffenhofen mit Benediktinerkloster und vielen Teilgemeinden (Gebietsreformen 1971/75).
Zu Scheyern s.: Buhlmann, Michael (2007), Wolfhold, Mönch in St. Georgen, Abt von Eisenhofen-Scheyern und Admont, in: Der Heimatbote 18 (2007), S.15-22 > W Wolfhold von St. Georgen, Eisenhofen-Scheyern, Admont; Reichhold, Anselm (1988), Die Entwicklung der Ortschaft Großenhag/Scheyern, in: SMGB 99 (1988), S.27-76; Reichhold, Anselm (1998), Chronik von Scheyern. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. v.d. Abtei Scheyern, Weißenhorn 1998, 504 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Stammtafeln, Zeittafeln, Pläne, Karten, € 10,-. [Buhlmann, 12.2007, 10.2023]

Schieder, Wolfgang (2014), Benito Mussolini (= BSR 2835), München 2014, 128 S., Zeittafel, € 8,95. Benito Mussolini wurde als Sohn des Schmieds und Caféinhabers Alessandro Mussolini am 29. Juli 1883 in der mittelitalienischen Gemeinde Predappio geboren. Der rebellische Junge beendete seine Schulzeit im Jahr 1901 und war daraufhin als Volksschullehrer tätig, unterbrochen durch seine Flucht vor dem Militärdienst (1902/05), einer erfolgten Amnestie und der Ableistung des Dienstes (1905). Mussolinis gewalttätiges Verhalten bereitete aber trotz eines Diploms als Französischlehrer (1908) seiner Lehrerkarriere ein Ende. 1909 war Mussolini als Redakteur bei einer sozialistischen Zeitung angestellt, 1910 Chefredakteur einer eigenen sozialistischen Wochenzeitung in Forli, 1912 Chefredakteur der sozialistischen Tageszeitung "Avanti" in Mailand, 1914 gründete er die Zeitung "Populo d'Italia". Während des Ersten Weltkriegs (1914-1918) leistete Mussolini seinen Kriegsdienst an der italienisch-österreichischen Front ab, bevor er auf Grund einer Verwundung aus dem Kriegsdienst ausschied (1915/17). In der Nachkriegszeit profilierte sich Mussolini in der sich entwickelnden faschistischen Bewegung ("Erfindung des Faschismus" 1914/19, Mailänder Fascio di Combattimento 1919). Der "Marsch auf Rom" (28. Oktober 1922) brachte ihm die Ernennung zum italienischen Ministerpräsidenten ein, dem am 3. Januar 1925 ein Staatsstreich und die "persönliche Diktatur" Mussolinis folgte (Diktator als duce). Diktaturgesetze (1925/26), die "Charta der Arbeit" (1927) und die Lateranverträge (1927) festigten die Position Mussolinis im italienischen Königreich (König Viktor Emanuel III.). Der außenpolitischen Stärkung Italiens (mit erwünschter Rückwirkung auf die Innenpolitik, Radikalisierung der faschistischen Diktatur Mussolinis, Partito Nazionale Fascista und "faschistischer Stil") sollten die sich herausbildende "Achse Berlin - Rom" (Zusammentreffen mit Adolf Hitler in Venedig 1934, Staatsbesuch in Deutschland 1937 usw.), der Abessinienkrieg (1935/36), das Eingreifen im Spanischen Bürgerkrieg (1936), das italienische Einwirken beim "Münchner Abkommen" (1938) und der "Stahlpakt" zwischen Italien und Deutschland (1939) dienen. In den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) trat Italien nach einer Phase der "Nichtkriegführung" erst im Juni 1940 ein ("Parallelkrieg" Italiens); es folgten der Abschluss des "Dreimächtepaktes" zwischen Deutschland, Italien und Japan (1940) und der Angriff auf Griechenland (1940). An den Kämpfen sowohl in Nordafrika (Niederlage bei El-Alamein 1942) als auch gegen die Sowjetunion waren italienische Truppen beteiligt. Die Niederlagen der Achsenmächte, insbesondere der Angriff alliierter Truppen auf Sizilien (1943) führten zur Absetzung des nunmehr verstärkt zu Depressionen neigenden und politisch nicht mehr durchsetzungsfähigen Mussolini am 25. Juli 1943 durch das Gran Consiglio der Partito Nazionale Fascista. Mussolini kam in Haft und wurde von einem deutschen SS-Kommando daraus befreit. Als "Vasall" Adolf Hitlers stand Mussolini nun der Repubblica Sociale Italiana in Nord- und Mittelitalien vor (1943/45, Residenz in Gargagno); deutsche Truppen befanden hier im Kampf gegen die nach Norden vorrückenden Alliierten (Anzioschlacht, "Gotenlinie"). Am 20. Juli 1944 kam es nach dem Attentat auf Adolf Hitler noch einmal zu einem, dem letzten Zusammentreffen zwischen Mussolini und Hitler. Kurz vor Kriegsende wurden der fliehende Mussolini und dessen Geliebte Clara Petacci von kommunistischen Widerstandskämpfern bei Dongo am Comer See erschossen (28. April 1945), die Leiche des Diktators an einer Tankstelle kopfunter aufgehängt. Die italienische Erinnerungskultur der Nachkriegszeit bewertete Mussolini unterschiedlich, die italienische Geschichtsschreibung blieb lange Zeit eine konzise Biografie des "unheilvollen" Diktators schuldig. Vgl. noch: Hibbert, Christopher (1963), Mussolini. Das Leben des Duce (= Moewig Dokumentation 4337), München 1983, 160 S., Abbildungen, DM 2,-; Wichterich, Richard (1952), Benito Mussolini. Aufstieg, Größe, Niedergang, Stuttgart 1952, 366 S., DM 15,80. [Buhlmann, 02.2015]

Schieder, Wolfgang (2023), Ein faschistischer Diktator. Adolf Hitler - Biografie (= wbg edition), Darmstadt 2023 > H Hitler, Adolf

Schieffer, Rudolf (1985), Die Besuche mittelalterlicher Herrscher in Bonn, in: BGbll 37 (1985), S.7-40. I. Das mittelalterliche Bonn hat auf Grund seiner Lage am Rhein einige Besuche fränkischer, westfränkischer, ostfränkischer und deutscher Herrscher erfahren, war doch der Rhein nicht nur eine wichtige Verkehrsader, sondern auch ein bevorzugter Weg von Königen und Kaisern gerade im Rahmen früh- und hochmittelalterlicher ambulanter Herrschaftsausübung (Königsitinerare). Bonn kann auf römische Ursprünge zurückblicken (römische Brücken- und Flottenstation, Legionslager), das Bonner castrum war als Stützpunkt königlicher Herrschaft auch im fränkischen Frühmittelalter von Bedeutung. Zwischen 911 und 925 befand sich Bonn in Grenzlage zwischen dem westfränkischen regnum Lothringen und dem Ostfrankenreich (Bonner Vertrag 921), in der Zeit der ottonischen Könige und Kaiser war der Ort Schauplatz einer Reichssynode (942). In der Folgezeit konnte der Kölner Erzbischof seine Machtstellung in Bonn auf Kosten der deutschen Könige ausbauen, doch sind in salischer und staufischer Zeit noch Herrscheraufenthalte in Bonn bezeugt. Im späten Mittelalter waren Bonner Aufenthalte von Königen und Kaisern vollends vom Wohlwollen des Kölner Erzbischofs als Bonner Stadt- und Landesherrn abhängig. II. Im Einzelnen sind an Herrscherbesuchen festzuhalten: Pippin (753); Karl der Einfältige, Heinrich I. (921, Bonner Vertrag); Otto I. (942, Schenkungen an das Kloster Vilich); Otto II. (975); Heinrich II. (1015, 1021, Schenkungen an das Bonner Petruskloster); Heinrich III. (1054, Gerichtstag); Heinrich IV. (1063, Schenkungen an St. Simon und Juda in Goslar); Heinrich V. (1106, Osterfest; 1114, Angriff auf Bonn); Konrad III. (1151, Tag von Schwarzrheindorf); Philipp von Schwaben (1198, Niederbrennung Bonns); Otto IV. (1205, Kriegshandlungen bei Bonn); Philipp von Schwaben (1205, Kriegshandlungen bei Bonn); Philipp von Schwaben, Otto IV. (1206, Gespräche zur Beendigung des Thronstreits); Otto IV. (1208, Weihnachten; 1212, Privilegienvergabe, Weihnachten); Richard von Cornwall (1257); Adolf von Nassau (1292, mehrwöchiger Aufenthalt, Privilegienbestätigungen für das Kloster Vilich); Albrecht I. (1302, Kriegshandlungen bei Bonn); Friedrich (III.) der Schöne (1314, Königskrönung); [Eduard III. von England (1338);] Karl IV. (1346, Königskrönung; 1349, zwei mehrtägige Aufenthalte; 1376, Privilegienvergabe an den Jülicher Herzog); Ruprecht von dcer Pfalz (1401, Privilegienvergabe an Juden); Sigismund (1414, zwei mehrtägige Aufenthalte); Friedrich III. (1442, zwei mehrtägige Aufenthalte; 1475, Neusser Krieg; 1486, Privileg für das Stift Rebdorf; 1488); Maximilian I. (1495). [Buhlmann, 09.2018]

Schieffer, Rudolf (1992), Die Karolinger (= Urban Tb 411), Stuttgart-Berlin 1992 > K Karolinger

Schieffer, Rudolf (1993), Karl III. und Arnolf, in: Schnith, Karl Rudolf, Pauler, Roland (Hg.), Festschrift für Eduard Hlawitschka zum 65. Geburtstag (= Münchener historische Studien, Abteilung Mittelalterliche Geschichte, Bd.5), Kallmünz 1993, S.133-149. König und Kaiser Karl III. (876-888), letzter Gesamtherrscher über das Frankenreich, und Arnulf, illegitimer Sohn von Karls Bruder König Karlmann (876-880), Herzog von Kärnten, standen seit jeher in einen politischem Gegensatz zueinander, der im Sturz Karls III. und der Königserhebung Arnulfs (887-888) im November/Dezember 887 kulminierte. Schon zuvor hatte zwischen diesen beiden Mitgliedern der karolingischen Königsfamilie politische Konkurrenz bestanden, etwa bei der Frage des "Eintritts-" oder "Anwachsungs"rechts beim Übergang Bayerns, des Herrschaftsgebiets Karlmanns, an Karl (879/80; Huldigung Arnulfs 882), in der fränkischen Südostpolitik (Friedensschluss mit den Mährern 884) oder bei den Nachfolgeregelungen Karls (Bernhard als illegitimer Sohn Karls; Adoption Ludwigs, des Sohns König Bosos von Vienne [879-887], durch Karl III. [887]). Der Gegensatz zwischen Karl und Arnulf spielte auch nach Karls Tod (888) noch eine Rolle, als es in Alemannien unter dem illegitimen Karlssohn Bernhard zu einem Aufstand kam (890; Beteiligung von Abt Bernhard von St. Gallen und von Graf Udalrich am Aufstand; Ermordung Bernhards 891) oder Arnulf gegen die Babenberger, die ehemaligen Unterstützer Karls III., in Mainfranken und Thüringen vorging (890er-Jahre; Bevorzugung der Konradiner). [Buhlmann, 11.2013]

Schieffer, Rudolf (2010), Papst Gregor VII. Kirchenreform und Investiturstreit (= BSR 2492), München 2010 > G Gregor VII.

Schieffer, Rudolf (2015), Königswinter, die Grafen von Weimar und die Ezzonen. Zum Verständnis von DH II 333, in: AHVN 218 (2015), S.7-14. Das Diplom Kaiser Heinrichs II. (1002-1024) vom 25. Februar 1015 nennt als Winetre den Ort (Königs-) Winter im frühmittelalterlichen Auelgau (beiderseits der Sieg), nach der nur abschriftlich aus dem 16. Jahrhundert überlieferten Nennung von Winteren, die wohl in den Anfang des 10. Jahrhunderts (n.911) gehört. Der Herrscher verfügte bei einem Aufenthalt in Bonn gemäß dem Diplom die Schenkung eines predium (Gut, Landgut) in Königswinter an das Bonner Nonnenkloster Dietkirchen. Das predium gehörte den Grafenbrüdern Wilhelm (III.) und Poppo von Weimar; Wilhelm steht am dynastischen Anfang der Markgrafen von Meißen, Poppo an dem der Markgrafen von Krain und Istrien. Offensichtlich überließen die Brüder das predium als ihren Fernbesitz dem Kaiser, sicher nicht ohne Gegenleistung, von der nicht bekannt ist. Dass Heinrich II. das Kloster Dietkirchen begünstigte, erkärt sich schließlich aus der Tatsache des damals stattgefundenen Ausgleichs zwischen dem Herrscher und dem rheinischen Pfalzgrafen Erenfrid-Ezzo (†1034), gehörte doch die Nonnengemeinschaft mit der Ezzo-Tochter Mathilde als Vorsteherin sicher zum Einflussbereich der mächtigen pfalzgräflichen Familie. [Buhlmann, 05.2016]

Schiffer, Rudolf (2014), Beliebte Wallfahrtskirche im Südschwarzwald. Sankt Trudpert im Münstertal, in Schwarzwälder Hausschatz 2014, S.167-170 > S St. Trudpert

Schiller, Friedrich, deutscher Dichter, Historiker und Philosoph: I. Geboren am 10. November 1759 in Marbach a.N., erhielt Friedrich Schiller, Sohn eines Militärarztes im Herzogtum Württemberg, seine Ausbildung an der Ludwigsburger Lateinschule und an der (Hohen) Karlsschule in Stuttgart, wo er Jura und Medizin studierte (1773/80). Das Medizinstudium beendete Schiller (nach einer misslungenen Dissertation 1779) mit der Promotionsarbeit Versuch über den Zusammenhang der thierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen; Letztere war stark beeinflusst von seinem akademischen Lehrer Jakob Friedrich Abel im Sinne von "Medizin und Aufklärung". Nach erfolgter Promotion wurde Schiller Militärarzt in einem württembergischen Regiment, war aber mit der Stelle als Truppenarzt u.a. wegen der fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten unzufrieden. II. Parallel dazu begann Schillers Karriere als Dichter. Sein Theaterstück Der Student von Nassau (1775) ist nicht mehr überliefert, wohl aber das 1776 gedruckte Gedicht Der Abend (Dichter Klopstock als Vorbild). Der Durchbruch als Dichter erfolgte mit dem Drama Die Räuber (1781), 1782 in Mannheim erfolgreich uraufgeführt und Ausfluss der 1778 einsetzenden aufklärerischen Studien Schillers über Geist und Körper beim Menschen. Im (am Aufbau eines Shakespeare-Dramas orientierten) Schauspiel geht es um die zwei Brüder Karl und Franz Moor, wobei der jüngere Franz den älteren Karl von der Erbfolge des kranken Vaters ("Erosion der patriarchalischen Ordnung") verdrängt; Karl wird Anführer einer Räuberbande, beide Brüder "arbeiten" sich im Verlauf des Dramas am Gegensatz zwischen gesetzmäßiger Ordnung und Gewalt "ab" und scheitern letztlich daran, wie der Selbstmord von Franz und die Selbstübereignung Karls an die Justiz zeigen. III. Schiller beteiligte sich an der Gedichtsammlung Anthologie auf das Jahr 1782 mit wohl 48 ([hymnischen] Natur-, [als Oden konzipierten, an eine Laura adressierten] Liebes-) Gedichten. Es folgte u.a. die (mehrfach vertonte [Ludwig van Beethoven]) Ode an die Freude (1785; Theosophie und weltbeherrschende Sympathie, Pathos und Sozialutopie). Damals war Schiller schon aus Stuttgart und vor dem württembergischen Herzog geflohen (1782); er hielt sich im Thüringischen und in Mannheim (1783/85) auf, wo er zeitweise als Theaterdichter sein Auskommen fand, indes auch an Malaria erkrankte (1784). IV. Der unsicheren persönlichen und wirtschaftlichen Situation, in der sich Schiller befand (1783/89; Gefahr der Auslieferung des Fahnenflüchtigen an den Württemberger Herzog, wirtschaftliche Notlagen), entsprach Misserfolg von Schillers Geschichtsdrama Die Verschwörung des Fiesko zu Genua (1783/84) um den auf Verstellung, (machiavellistische) Manipulation und Maskerade beruhenden Aufstand des Freiheit liebenden Fiesco von Lavagna gegen den genuesischen Alleinherrscher Andrea(s) Doria (1547) und der nur mäßige Erfolg des bürgerlichen Trauerspiels Kabale und Liebe (vordem: Louise Millerin; 1784), in dem ein bürgerlich-adliger Ständekonflikt, Intrige, Missverständnis und Giftmord emotional dargeboten werden und das Anleihen bei Shakespeares Romeo und Julia und Lessings Miss Sara Samson machte. V. Es folgte - in der Zeit als "freier Autor" - Schillers Geschichts-, Betrugs- und politische Drama Don Carlos (1784/87), das der Dichter auf der Grundlage genauer historischer Analyse, aber auch des aufklärerischen Gedankenguts eines Montesquieu und eines Rousseau konzipierte. Das Drama behandelt den Familienkonflikt zwischen dem spanischen König Philipp II. (1555/56-1598) und dem Infanten Karl (†1568), in dem es um Tyrannei und Aufklärung geht, wobei der von Schiller erdachten Figur des Posa die Rolle des "Gedankenfreiheit" fordernden Aufklärers zukommt. VI. Schiller musste sich als Autor auf dem damaligen Literaturmarkt behaupten, wenn er seine Einnahmenseite verbessern wollte. So ist eine reichhaltige Publikationstätigkeit feststellbar, die die Herausgabe einer eigenen literarischen Zeitschrift, der Rheinischen Thalia (Don Karlos, Erzählungen, historische Darstellungen), umfasste (1785/91/95) oder auch das neue literarische Genre des Kriminalromans mit dem Verbrecher aus Infamie (1786) bzw. mit dem Verbrecher aus verlorener Ehre (1792) bediente. Zeitkritik verarbeitete Schiller in seinem phantastischen "negativen Bildungsroman" Der Geisterseher (1787/89), der (vor der Französischen Revolution 1789) eine Abrechnung mit dem Ancien régime darstellte. In eine ähnliche Richtung gehen die historiografischen Schriften Schillers: Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung (1788), Geschichte des Dreyßigjährigen Kriegs (1790), daneben Vorlesungsausarbeitungen, Ausfluss u.a. der außerordentlichen philosophischen Professur, die Johann Wolfgang Goethe ihm in Jena vermittelte (1788). Froh wurde Schiller im Universitätsbetrieb nicht, so dass er die Professur 1791 faktisch aufgab, bedingt auch durch die schwere lebensbedrohende Erkrankung, wahrscheinlich Tuberkulose, mit der er fortan leben musste. Die Jahre des historischen und philosophischen Theoretisierens endeten mit den Briefen Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen (1795), veröffentlicht in Schillers neuer Zeitschrift Die Horen (1795/97), und mit dem Essay Ueber naive und sentimentale Dichtung (1796; moderne und antike Dichtung). VII. 1789 begann die Weimarer Zeit Schillers, während der der Dichter über regelmäßige und größere Einnahmen verfügen konnte. Auch entwickelte sich aus dem eher distanzierten Verhältnis zwischen Schiller und Goethe nach dem berühmten Jenaer Zusammentreffen (1794) eine literarische Freundschaft. Publizistisch stand u.a. die "virtuose Kunst" der Schillerschen Lyrik im Vordergrund (1795/99): Elegien (Die Ideale, Die Macht des Gesanges, Der Tanz, Klage der Ceres, Das Glück, Lehrgedichte (Das Reich der Schatten), Lieder (Würde der Frauen, Das Mädchen aus der Fremde, Der Besuch, Das Geheimniss, Bürgerlied, Des Mädchens Klage); besonders das Gedicht Elegie (1795) als auf geschichtsphilosophischen Voraussetzungen beruhende Landschaftsbeschreibung erschien Schiller als Höhepunkt seine lyrischen Schaffen. Zu nennen sind weiter die Balladen Die Kraniche des Ibykus, Der Ring des Polykrates, Der Handschuh, der Taucher, Ritter Toggenburg, Der Gang nach dem Eisenhammer, Der Graf von Hapsburg, Der Alpenjäger (1797), ausgestaltet als Kriminal- oder Schauergeschichten, als Legenden oder Novellen. Mit Goethe verfasste Schiller die Xenien (1796/97; mit Martials Epigrammen als Vorbild). VIII. Schiller wandte sich auch wieder dem Schauspiel und Drama zu, seiner eigentlichen Bestimmungen. Die Wallenstein-Trilogie Wallensteins Lager, Die Piccolomini, Wallensteins Tod (1799) stand - auch auf der Grundlage seiner Geschichte des Dreyßigjährigen Kriegs - nun im Vordergrund seiner literarischen Tätigkeit. Die drei (auf der Dramenkonzeption des Aristoteles beruhenden) im Winter 1633/34 im Pilsener Lager des kaiserlichen Feldherrn Wallenstein (†1634) spielenden Tragödien behandeln mit dem Vorlauf Wallensteins Lager das Kriegsgeschehen aus der Sicht der einfachen Soldaten ("Realität des Krieges"), mit den Hauptteilen Die Piccolomini und Wallensteins Tod Macht und Gewalt, Politik und Herrschaft, die in der Ermordung Wallensteins enden. Auf historischer Grundlage beruht auch Schillers Trauerspiel Maria Stuart (1800), das die letzten Tage im Leben der schottischen Königin Maria Stuart (1542-1567, †1587) beschreibt, bevor es zur Hinrichtung der von der englischen Königin Elisabeth I. in Fotheringhay Castle gefangen gehaltenen Maria kommt; Schiller stellt in seinem Drama das erotische Gegeneinander der (von ihm verjüngten) Königinnen heraus und hebt auf das "tragische, würdige Opfer" der Maria als Königin ab. IX. Das Drama Die Jungfrau von Orléans (1801) "überwindet das Historische" (Schiller) und bietet (unter programmatischer Fragestellung) eine "romantische Tragödie" um Jeanne d'Arc (†1431), die ihre jungfräuliche Unschuld in der Liebe zum englischen Ritter Lionel verliert und am Schluss des Dramas als Heldin in den Himmel gehoben wird (Apotheose Johannas). Das den antiken Dramen (Aischylos) nachempfundene Schauspiel Die Braut von Messina (1803) (mit Protagonisten und Chor) stellt eine sich selbst erfüllende Prophezeiung an den Anfang, wonach Cesare, Sohn der Fürstin Isabella, aus Liebe zu der Nonne Beatrix (letztlich seiner Schwester; Inzest) den Bruder Manuel ermordet (Eifersucht, "mechanisches Konkurrenzdenken") und sich schließlich selbst umbringt (Abkehr von einer "idealistischen Anthroplogie"). Das Drama Die Braut von Messina erläuternd, verfasste Schiller noch die Abhandlung Ueber den Gebrauch des Chors in der Tragödie (1803). X. Zu den revolutionären Anfängen der Räuber kehrte Schiller mit seinem Drama Wilhelm Tell (1803/04) zurück. Gleichsam als "Revolution im Naturzustand" führt der Dichter den Gegensatz zwischen den Schweizern (Rütlibund) und ihren habsburgischen Beherrschern aus und stellt die Legende um den Freiheitskämpfer Wilhelm Tell in den Mittelpunkt des Dramas, durchaus mit aktuellen Bezug auf die Niederwerfung der Helvetischen Republik durch Napoleon (1803) und in Zusammenhang mit Überlegungen zur Unfreiheit der Beherrschten und deren Recht auf revolutionäre Befreiung. XI. Eine letzte Reise führte Schiller im Jahr 1804 nach Berlin; damals befand er sich - wie die Berliner Aufführungen seiner Dramen Die Braut von Messina, Die Jungfrau von Orléans, Wallensteins Tod zeigen - auf dem Höhepunkt seiner Bekanntheit als Dichter. Trotz eines verlockenden finanziellen Angebots des preußischen Königs blieb Schiller in Weimar, wo er mit dem ihm eigenen "Fleiß als Mittel und Wert des (Dichter-) Lebens" (Schiller) und trotz seiner sich verschärfenden Krankheit in seinem letzten Lebensjahr u.a. am unvollendet gebliebenen Drama Demetrius um den (angeblichen?) Sohn des Zaren Iwan IV. (1533-1584) arbeitete. Friedrich Schiller starb viel zu früh am 9. Mai 1805 in Weimar. Er hinterließ seine Frau Charlotte (von Lengefeld, †1826), die er 1790 geheiratet hatte (Dreieckbeziehung zwischen Schiller, Charlotte und deren Schwester Caroline von Wolzogen 1787/90), und vier Kinder in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen; Autorentantiemen flossen der Familie auch nach seinem Tod noch in reichlichem Maße zu. Schiller selbst hat in seinen Dichtungen den Menschen in den Mittelpunkt gestellt; dieser ist veränderbar, strebt im Idealfall nach (Selbst-) Vervollkommnung, kann (als Publikum) durch das ästhetisch Schöne der Literatur als Gattung der Kunst zu Bildung und Erziehung geführt werden. Freiheit, als letztendlicher Ausfluss der Aufklärung verstanden, wird somit zu einem zentralen Begriff in den Dichtungen Schillers; ihr steht die mangelhafte politische Ordnung der damaligen Zeit entgegen, die Schiller mit dem "ästhetischen Idealismus" seiner Dichtungen hin zu "gesellschaftlicher Autonomie" überwinden will. Die Nachwelt, die Schiller und seine Werke rezipierte, ist ihm darin meist nur unzulänglich gefolgt, hat hingegen eine (von Schiller so nicht gewollte) Kanonisierung und Monolithisierung des Dichters und von dessen Dichtungen vorgenommen (nach: Alt, Schiller).
Zu Friedrich Schiller als Autor s. die Einzelwerke: Schiller, Friedrich (1769-1805), Sämtliche Gedichte, hg. v. Jochen Golz (1991), Frankfurt a.M.-Leipzig 41996, 606 S., DM 24,80; Schiller, Friedrich (1781), Die Räuber (= RUB 15), Stuttgart 1941, 134 S., RM N.N., Stuttgart 1973, 143 S., DM 1,20, Nachdruck Stuttgart 2005, 176 S., € 3,10; Schiller, Friedrich (1781), Die Räuber (= Texte-Medien), Braunschweig 2008, 255 S., € 6,95; Schiller, Friedrich (1782/89), Sämtliche Erzählungen (= Bibliothek des 18. Jahrhunderts), Leipzig 1985, 216 S., M 8,50; Schiller, Friedrich (1782/1800/03), Gedichte. Eine Auswahl, hg. v. Georg Fricke (1952) (= RUB 7714), Nachdruck Stuttgart 1988, 192 S., DM 5,20; Schiller, Friedrich (1784), Kabale und Liebe. Ein bürgerliches Trauerspiel (= RUB 33), Nachdruck Stuttgart 1958, 112 S., DM 0,80, Nachdruck Stuttgart 2001, 142 S., € 2,60; Schiller, Friedrich (1784), Kabale und Liebe. Ein bürgerliches Trauerspiel. Text und Materialien, bearb. v. Erdmute Pickerodt-Uthleb (1984) (= Klassische Schullektüre), Berlin 71999, 128 S., Schwarzweißabbildungen, DM N.N.; Schiller, Friedrich (1784), Kabale und Liebe. Ein bürgerliches Trauerspiel (= Hamburger Leseheft 61), Husum o.J. [2012], 120 S., € 1,90, Nachdruck Husum 2017, 120 S., € 1,90; Schiller, Friedrich (1787), Don Carlos, Infant von Spanien. Ein dramatisches Gedicht (= RUB 38), Nachdruck Stuttgart 1984, 192 S., DM 4,60; Schiller, Friedrich (1787), Don Carlos, Infant von Spanien. Ein dramatisches Gedicht (= SBB 88), Frankfurt a.M. 2007, 382 S., € 7,50; Schiller, Friedrich (1799), Wallensteins Lager (= Die bunten Hefte für unsere Soldaten 95), Stuttgart 1943, 40 S., RM 2,40; Schiller, Friedrich (1799), Wallenstein I: Wallensteins Lager. Die Piccolomini (= RUB 41), Nachdruck Stuttgart 1975, 128 S., DM 2,-; Schiller, Friedrich (1799), Wallenstein II: Wallensteins Tod (= RUB 42), Nachdruck Stuttgart 1974, 128 S., DM 2,- Schiller, Friedrich (1800), Maria Stuart. Trauerspiel in fünf Aufzügen (= RUB 64), Nachdruck Stuttgart 1972, 144 S., DM 1,20, Nachdruck Stuttgart 1982, 144 S., DM 2,20, Nachdruck Stuttgart 2003, 168 S., € 3,10; Schiller, Friedrich (1800), Maria Stuart. Ein Trauerspiel (= RUB 64), Nachdruck Stuttgart 2018, 160 S., € 0,50; Schiller, Friedrich von (1800), Maria Stuart. Ein Trauerspiel (= Hamburger Leseheft 12), Husum 2009, 128 S., € 1,90; Schiller, Friedrich (1800), Maria Stuart, bearb. v. Gerhard Friedl (2002) (= EinFach Deutsch), Braunschwig-Paderborn-Darmstadt 62007, 206 S., Schwarzweißabbildungen, € 14,80; Schiller, Friedrich von (1803/04), Wilhelm Tell. Schauspiel in fünf Aufzügen (= Schöninghs Textausgaben alter und neuer Schriftsteller 21), Paderborn o.J. [1925], 116 S., RM N.N.; Schiller, Friedrich (1803/04), Wilhelm Tell. Schauspiel (= RUB 12), Stuttgart o.J. [1924/25], 104 S., RM 0,40, Nachdruck Stuttgart 1970, 112 S., DM 1,-, Nachdruck Stuttgart 2002, 143 S., € 3,10; Schiller, Friedrich von (1803/04), Wilhelm Tell. Ein Schauspiel (= Hamburger Leseheft 7), Nachdruck Husum 2010, 112 S., Zeittafel, € N.N., Nachdruck Husum 2015, 112 S., Zeittafel, € N.N.; Schiller, Friedrich von (1803/04), Wilhelm Tell. Drama, bearb. v. Diethard Lübke (2003) (= ... einfach klassisch), Berlin 2003, 128 S., Schwarzweißabbbildungen, € 3,20, die Ausgaben mit mehreren bzw. sämtlichen Werken: Schiller, Dramen und Gedichte, hg. v.d. Deutschen Schillergesellschaft (1955), Stuttgart 1955, 1128 S., Abbildung, Worterklärungen, DM 7,50; Schiller. Ein Lesebuch für unsere Zeit, hg. v. Paul Friedländer (1953), eingel. v. Hans-Dietrich Dahnke (1986) (= Lesebücher unserer Zeit), Berlin-Weimar 271986, LXX, 455 S., Schwarzweißabbildungen, M 6,50; Schillers sämtliche Werke (in zwölf Bänden [in vier Bänden]), hg. v. Gustav Karpeles ([1922)], Bd.1: Gedichte; Semele, Leipzig [1922], Bd.2: Die Räuber; Fiesko; Kabale und Liebe, Leipzig [1922], Bd.3: Don Karlos, Infant von Spanien; Der Menschenfeind, Leipzig [1922], zus. 324+285+191 S., Bd.4: Wallensteins Lager; Die Piccolomini; Wallensteins Tod, Leipzig [1922], Bd.5: Maria Stuart; Die Jungfrau von Orleans, Leipzig [1922], Bd.6: Die Braut von Messina; Die Huldigung der Künste; Wilhelm Tell; Nachlaß, Leipzig [1922], zus. 284+286+258 S., Bd.7: Turandot, Prinzessin von China; Der Parasit; Der Neffe als Onkel; Phädra, Leipzig [1922], Bd.8: Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung, Leipzig [1922], Bd.9: Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, Leipzig [1922], zus. 219+284+319 S., Bd.10: Prosaische Schriften, Leipzig [1922], Bd.11: Kleine Schriften vermischten Inhalts, Leipzig [1922], Bd.12: Kleine Schriften vermischten Inhalts, Leipzig [1922], zus. 307+255+254 S., zus. RM N.N.; zu Schillers Werken s. die Interpretationen: Müller, Hans Georg (1987), Friedrich Schiller: Kabale und Liebe (= Klett Lektürehilfen), Stuttgart-Düsseldorf-Leipzig 152004, 96 S., € N.N.; Ludwig, Martin H. ([v.1988]), Friedrich Schiller: Kabale und Liebe (= Königs Erläuterungen und Materialien, Bd.31), Hollfeld 81997, 100 S., DM 10,50; Rischbieter, Henning (1969), Friedrich Schiller, Bd.2: Vom "Wallenstein" bis zum "Tell" (= Friedrichs Dramatiker des Welttheaters, Bd.53), Velber 1969, 141 S., Schwarzweißtafeln, DM N.N.; Völkl, Bernd (2003), Friedrich Schiller: Kabale und Liebe (= Reclam Lektüreschlüssel = RUB 15335), Stuttgart 2003, 69 S., € 2,60, über die Person des Friedrich Schiller s. noch: Abusch, Alexander (1955), Schiller. Größe und Tragik eines deutschen Genius, Berlin 81984, 375 S., Schwarzweißabbildungen, M 7,50; Alt, Peter-André (2004), Friedrich Schiller (= BSR 2357), München 22009, 128 S., € 8,95; Didier, Christina, Golz, Jochen (1982), Das Schillerhaus in Weimar (= Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar), Weimar 41982, 48 S., Schwarzweißabbildungen, -tafeln, Zeittafel, M2,-. [Buhlmann, 1973, 12.2018, 04.2019, 05.2019, 11.2019, 03.2021, 05.2021, 12.2021-02.2022, 12.2022, 02.2023, 05.2023, 08.2023, 10.-11.2023]

Schilling, Beate (2018), Ein unbekanntes Deperditum der Königin Irmingard von Burgund, in: AfD 64 (2018), S.19-26. Für das wohl um das Jahr 500 gegründete Frauenkloster Saint-André-le-Haut bei Vienne, das wohl im 8. Jahrhundert nicht mehr bestand, aber in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts sowie unter König Rudolf III. von Burgund (993-1032) erneuert wurde (Diplom Rudolfs III. vom 25. August 1031), liegt ein Inventar vom 16. Oktober 1565, also aus der Regierungszeit der Äbtissin Claude d'Apchon (1548-1594), vor, das als Registereintrag den Verweis auf eine bisher unbekannte Schenkungsurkunde der Königin Irmingard (†1058?), der Ehefrau Rudolfs III. für das Frauenkloster enthält. Die Schenkung, ein Teil eines Weinbergs und mansiones in Vienne, traf Irmingard kurz vor ihrem Tod um ihr Seelenheil willen; ähnliche Urkunden erhielten die Grenobler Bischofskirche und das Kloster Saint-Pierre in Vienne (1057). Die nicht erhaltene Urkunde für Saint-André-le-Haut ist wahrscheinlich die letzte, laut Inventar im Übrigen nicht vollzogene Urkunde Irmingards gewesen. Bekanntlich hatte die Königin in Vienne ihren Witwensitz und wurde hier begraben. [Buhlmann, 09.2020]

Schilling, Heinz (2012), Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs, München 2012 > L Luther, Martin

Schilling, Lothar (2010), Das Jahrhundert Ludwigs XIV. Frankreich im Grand Siècle 1598-1715 (= Geschichte kompakt Frühe Neuzeit), Darmstadt 2010, 152 S., € 5,-. Das frühneuzeitliche Frankreich entwickelte sich aus der Renaissancemonarchie des 16. Jahrhunderts zur "absolutistischen" Monarchie König Ludwigs XIV. (1643-1715), zum Ancien Régime. Nach Beendigung der Hugenottenkriege der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts (Edikt von Nantes 1598) formten die französischen Herrscher der Bourbonendynastie, König Heinrich IV. (1589-1610), Ludwig XIII. (1610-1643), Ludwig XIV., und die Regenten bzw. Kardinalminister Richelieu (1630-1642) und Mazarin (1642-1661) das französische Königtum nach innen und außen. Frankreich - das war im "langen" 17. Jahrhundert (1589-1715) das Territorium, der vormoderne Staat seiner Könige (in seinen "natürlichen Grenzen") mit einer Bevölkerung von rund 20 Millionen Menschen (Hungersnöte 1693/94, 1709/10; Pestepidemien 1600/70), geprägt von einer ständischen Gesellschaft (Klerus, Adel, Dritter Stand; Generalstände, Notabelnversammlungen, Provinzialstände), gesamtwirtschaftlich überwiegend bestimmt durch Agrarproduktion (Land, Feudalrechte) und Gewerbe (Stadt, Verlagssystem, Manufakturen) bei Warenhandel (Transportwesen, Binnenmarkt, Außenhandel) und wenig entwickeltem Bank- und Kreditwesen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung Frankreichs war katholisch, eingebunden in die gallikanische Amtskirche (Jesuiten, Jansenismus, Bildungswesen); das 17. Jahrhundert sah die (weitere) Ausgrenzung der protestantischen Hugenotten (Hugenottenkrieg 1621-1628; Belagerung von La Rochelle 1627/28), der diesbezügliche Schlusspunkt war die Aufhebung des Edikts von Nantes durch das Edikt Ludwigs XIV. von Fontainebleau (1685; Flucht der Hugenotten aus Frankreich). Innenpolitisch ging das 17. Jahrhundert in Frankreich mit einer institutionellen Verdichtung einher, das Königtum (Sakralität, Absolutsheitsanspruch/Souveränität, kulturelle Hegemonie, Propaganda) setzte sich politisch endgültig gegen Herrschaftskonkurrenten durch (privilegierter Hochadel, Fronde 1648/53, Kompromiss zwischen Königtum und politischer Elite), die Rolle des Königshofs als Herrschaftszentrum (Versailles, Hofadel) und zentrale Institutionen (königlicher Rat, engerer Rat, Kardinalminister, Kronämter, Staatssekretäre) bei Amtsadel, gouvernements (Provinzen) und parlaments (Verwaltungsorgane, Obergerichte), waren prägend für die politische Entwicklung von der Monarchie zum französischen Staat ("Staatsräson"). Dem solcherart erweiterten institutionellen Rahmen in Politik und Verwaltung folgte ein sich immer mehr verstärkender Zugriff des Königtums auf die finzanziellen Ressourcen der ausgeplünderten Landbevölkerung (Feudalabgaben, Kirchenzehnt); der Steuerdruck (intendants des provinces gerade in der Fiskalverwaltung, Steuerpacht) nahm entscheidend zu, etwaige Reformen von (Justiz und) Finanzen, die in den ersten Jahren der persönlichen Regierung Ludwigs XIV. vom Minister Jean-Baptiste Colbert durchgeführt wurden ("Merkantilismus", "Colbertismus" und aktive Wirtschaftspolitik), wurden alsbald konterkariert durch die kriegerische Außenpolitik des Herrschers. Das sich vergrößernde stehende Heer Frankreichs und die kostspieligen Kriege belasteten die Finanzen des Königreichs bei rapider Steigerung der Schuldenlast schwer (Schieflage des Staatshaushalts). Die Kriege wurden dabei unter König Ludwig XIV. zum Ausdruck eines "absolut"-souveränen Königtums, Frankreich trug seit seinem Eintritt in den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) unter dem Kardinalminister Richelieu (1630) stark zur "Bellizität des frühneuzeitlichen Europa" bei; im Zuge eines "Primats der Außenpolitik" kam bei einer "Professionalisierung der Diplomatie" (diplomatische Vetretungen, Repräsentation und Diplomatie) der Kriegführung aus "symbolischen" (Ruhm des Kriegsherrn), territorialpolitischen (Gebietserweiterungen), handelspolitischen (Kolonienerwerb und -verteidigung) oder auch dynastischen Gründen eine große Rolle zu. Und so führte nach der Friedenszeit von Westfälischem (1648) und Pyrenäenfrieden (1659) nach der erfolgreichen Erprobung diplomatischer Mittel (Erster Rheinbund 1658, englisch-holländischer Krieg 1665/67, Frieden von Breda 1667) alsbald König Ludwig XIV. insbesondere (Eroberungs-) Kriege zur territorialen Expansion Frankreichs (in dessen "natürlichen Grenzen") und um die Lösung der "habsburgischen Frage" (spanische, österreichische Habsburger; Rivalität zu Spanien): Devolutionskrieg (1667/68; Kämpfe in den Spanischen Niederlanden, Besetzung der Franche-Comté, Frieden von Aachen 1668), Holländischer Krieg (1672/79; Kämpfe in den Vereinigten Niederlanden, Reichskrieg gegen Frankreich 1674, Frieden von Nimwegen 1678/79), Besetzungen von Reichsgebiet und "Reunionen" (Okkupation Lothringens 1661/70, Besetzung der elsässischen Reichsstädte [Dekapolis] 1673, Besetzung Mömpelgards [Pays de Montbéliard] 1676, Besetzung Straßburgs 1681; Regensburger Stillstand 1684). Zwischen 1685 und 1689 formierte sich indes gegen die französische Expansionspolitik eine europäische Koalition aus römisch-deutschem Reich, Kaiser und Reichsständen (Augsburger Allianz 1686), sowie den "Seemächten" Holland und England; (große) französische Erfolge blieben im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688/87; von französischen Truppen verursachte Zerstörung im deutschen Südwesten, Zerstörung des Heidelberger Schlosses 1689/93, Frieden von Rijswijk 1697) und im Spanischen Erbfolgekrieg (1701/14; Kämpfe im Reich, in Italien, in Spanien; Frieden von Utrecht 1713, Frieden von Rastatt/Baden 1714) damit aus. Geschützt wurde das französische Territorium durch den Vaubanschen Festungsgürtel, der umgekehrt kriegerische Invasionen nach Frankreich im Großen und Ganzen verhinderte. Beim Tod Ludwigs XIV. (1715) lieferte Frankreich jedenfalls ein zwiespältiges Bild: einerseits die massive Schieflage des Staatshaushalts und eine Finanzkrise, die auch im 18. Jahrhundert anhalten sollte und verbunden mit dem Elend bäuerlicher und städtischer (Unter-) Schichten blieb; andererseits die territoriale Ausdehnung Frankreichs - allerdings in der Folge einer kriegerischen Expansionspolitik - und die Erlangung einer militärischen Hegemonialstellung als Landmacht in Europa, der Friede innerhalb Frankreichs, eine differenzierte Verwaltung und Militärverwaltung, das Justizwesen und der Fiskalbereich, die kulturelle Ausstrahlung Frankreichs in andere Länder Europas sowie moderne Entwicklungen etwa in den Bereichen von Wirtschaft und Philosophie (beginnende Aufklärung). [Buhlmann, 08.2017]

Schilp, Thomas (1998), Norm und Wirklichkeit religiöser Frauengemeinschaften im Frühmittelalter (= MPIG 137 = SGS 21), Göttingen 1998, 242 S., DM 54,-. Die Institutio sanctimonialium, beschlossen auf der Aachener Reformsynode von 816 als Teil des kirchlichen Reformprozesses im karolingischen Frankenreich, ordnete das reale frühmittelalterliche Sanktimonialentum allgemein religiös-spiritueller Frauengemeinschaften (Klöster und Kommunitäten) Normen und Regeln unter und erreichte als Regelwerk seit dem 9. Jahrhundert selbst zunehmend Bedeutung, ohne allerdings alleinige Geltung zu erlangen. Neben der z.B. am benediktischen Mönchtum orientierten Lebensweise von Frauen trat eine durch die Institutio definierte kanonikale Form des Zusammenlebens von Sanktimonialen, die für die Organisation und die gesellschaftlich-politische Vernetzung von Frauenkommunitäten die Grundlagen schuf. Die karolingerzeitliche Entwicklung wurde von daher prägend für die adligen Frauengemeinschaften und Frauenstifte der späteren Jahrhunderte des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Das früh(er)mittelalterliche, kanonikale Sanktimonialentum kann dabei charakterisiert werden als vita communis ("Gemeinschaftsleben", Gleichheit, Aufnahme in die Gemeinschaft, Tagesablauf, Klausur) in hierarchischen Strukturen (Äbtissin, andere Ämter) bei persönlichem Besitz. [Buhlmann, 04.2011]

Schilp, Thomas (2000), Gründung und Anfänge der Frauengemeinschaft Essen, in: EB 112 (2000), S.30-63 > E Essener Frauenstift

Schimmel, Annemarie (1990), Der Islam. Eine Einführung (= RUB 8639), Stuttgart 1990 > I Islam

Schimmel, Annemarie (2001), Das islamische Jahr. Zeiten und Feste (= BSR 1441), München 2001 > Z Zeit, soziale Zeit

Schindler, Dietmar (2014), Konzil beendet Kirchenspaltung. Einziges Konklave nördlich der Alpen vor 600 Jahren, in: Schwarzwälder Hausschatz 2014, S.127-134 > K Konstanz: Konzil von Konstanz

Schindler, Dietmar (2016), Das Gnadenbild von Heiligenbronn. Die Stiftung St. Franziskus besteht seit 25 Jahren, in: Schwarzwälder Hausschatz 2016, S.119-122. Am Anfang der Geschichte des zum Jahr 1385 erstmals erwähnten Ortes (Schramberg-) Heiligenbronn steht die Legende von einer geheiligten Quelle und eine um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandene Pietà als Mariengnadenbild, das für christliche Gläubige im Laufe der Jahrhunderte zum Ziel einer Wallfahrt wurde. Das 1857 durch David Fuchs gegründete franziskanische Tertiarerinnenkloster von Heiligenbronn war/ist ein Waisenhaus und eine Einrichtung für behinderte und benachteiligte Menschen. Das katholische Kloster verfügte bis 1957 über 15 Filialen im südwestdeutschen Raum und ist seit 1991 innerhalb des Bistums Rottenburg-Stuttgart als Stiftung St. Franziskus organisiert. Spiritueller Mittelpunkt des Klosters ist die 1873 eingeweihte Galluskirche mit Gnadenkapelle und Pietà. [Buhlmann, 01.2019]

Schindler, Jan (2016), Konzilsstadt begeht "Jahr der Gerechtigkeit". Vor 600 Jahren wird der böhmische Reformator Jan Hus in Konstanz verbrannt, in: Schwarzwälder Hausschatz 2016, S.145-149 > K Konstanz: Konzil von Konstanz

Schindling, Anton (1981), Humanismus und evangelische Theologie in Straßburg im konfessionellen Zeitalter. Bildungsangebot und Bekenntnistradition am Studienort des Liborius Wagner, in: WürzDbll 43 (1981), S.119-149, Sonderdruck. I. Die humanistische Hochschule in der elsässischen Reichsstadt Straßburg wurde im Jahr 1513 gegründet, war zunächst ein mehrklassiges Gymnasium, dann Akademie und "Semiuniversität" (Privileg Kaiser Maximilians II. 1566), schließlich Volluniversität (Privileg Kaiser Friedrichs II. 1621), immer unter der Leitung von Scholarchen. Die Hochschule war ein wichtiger evangelisch-reformatorischer Lernort, ein humanistisches, reformatorisches Bildungszentrum. Demgemäß gaben im Rahmen eines vom rector perpetuus Johannes Sturm (1538-1581) entwickelten Lehrplans (Artes, Theologie u.a.) im Theologiestudium (Vorlesungen über biblische Bücher, Bibelexegese, loci communes) zunächst lutherische Reformatoren den Ton an: Martin Bucer, Wolfgang Capito, Kaspar Hedio, daneben aber auch: Franz Lambert, Johannes Calvin, Petrus Martyr Vermigli, Paul Fagius. Eine Neuorientierung im Bereich der Theologie ergab sich unter den Professoren Johann Marbach, Girolamo Zanchi, Johann Pappus, Johann Picator vor dem Hintergrund des Bekenntnisstreits innerhalb des Protestantismus an der Hochschule (Luthertum gegen oberdeutsch-schweizerische Theologie). Unter Johann Pappus (†1610), der als professor primarius das Fach Theologie maßgebend bestimmte, setzte sich an der Hochschule das Luthertum durch. Nach Pappus verlor die theologische Ausbildung in Straßburg an Renommee (weitgehende Negierung der theologischen Neuscholastik und der aristotelischen Metaphysik); die Lehrerschaft war nur mehr regional verankert. Ein Aufstieg der theologischen Lehre ist dann für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) feststellbar. II. In Straßburg studierte zwischen 1614 und 1619 die Artes und wohl auch Theologie der zunächst lutherisch gesinnte Humanist Liborius Wagner (*1593-†1631) aus dem thüringischen Mühlhausen, bevor er sich nach Würzburg begab (1622/23) und sich dem katholischen Glauben zuwandte [Wagner als katholischer Priester 1625, Tod als Märtyrer 1631, Seligsprechung 1974]. [Buhlmann, 05.2015]

Schindling, Anton (2006), Scarabaeus aquilam quarit. Humanismus und die Legitimation von Krieg und Frieden, in: Maissen, Thomas, Walther, Gerrit (Hg.), Funktionen des Humanismus. Studien zum Nutzen des Neuen in der humanistischen Kultur, Göttingen 2006, S.343-361, Sonderdruck. Der Humanismus als geistige Strömung am Ende des Mittelalters verhielt sich ambivalent der Frage nach Legitimität oder Nicht-Legitimität von Kriegen gegenüber: auf der einen Seite steht die Verherrlichung antik-biblischer Kriegsgeschichte und antiker Feldherren, die u.a. in der kriegerisch-humanistischen Repräsentation spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Herrscher und Fürsten als Machtpolitiker (Machiavelli) gipfelte und den Krieg als Fortsetzung der (Macht-) Politik betrachtete, auf der anderen Humanisten wie Erasmus von Rotterdam (*1466/67&79-†1536), der pazifistische Themen verfolgte und sogar dem im Mittelalter propagierten "gerechten Krieg" (bellum iustum) kritisch gegenüberstand. Pazifistisches Gedankengut findet sich bei Erasmus in dessen Schriften: Adagia (1508), "Lob der Torheit" (1511), "Papst Julius vor der verschlossenen Himmelstür" (1513), Institutio Principis Christiani (1516), "Klage des Friedens" (1517). Hierin lieferte Erasmus Denkansätze, wie sie in der frühen Neuzeit z.B. von den Mennoniten, dem Neustoizismus, Justus Lipsius, Hugo Grotius oder der Herrnhuter Brüdergemeine in Hinblick auf Frieden und Gewaltlosigkeit aufgenommen wurden. Insgesamt erscheint aber der Humanismus, was Krieg und Frieden anbetrifft, beide Positionen vertreten zu haben, die eines Erasmus von Rotterdam und die eines Machiavelli, d.h.: denb kriegerischen aquila und den (fast) friedlichen scarabaeus. > Lateinische Literatur > E Erasmus von Rotterdam [Buhlmann, 06.2019]

Schipper, Bernd U. (2018), Geschichte Israels in der Antike (= BSR 2887), München 2018, 128 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 9,95. I. Die alttestamentlichen Bücher der jüdisch-christlichen Bibel können nur sehr eingeschränkt als Geschichtsquelle für die historische Entwicklung Israels bwz. der Juden in der Epoche der altorientalischen Reiche verwendet werden. Entstanden als Geschichtsentwurf seit dem 7. Jahrhundert v.Chr., definiert die sog. deuteronomistische Geschichtsschreibung des Königreiches Juda mit seinen heilsgeschichtlichen Geschichtserzählungen um ein in mythischer Vorzeit entstandenes (Exodus, Landnahme), sich dann im Niedergang befindendes Israel die biblischen Bücher Josua, Richter, 1./2. Samuel, 1./2. Könige im Anschluss an die fünf Bücher Mose. Die chronistische Geschichtsschreibung ab 1. und 2. Buch Chronik datiert als Geschichtsentwurf in die hellenistische Zeit. Die alttestamentlichen Bücher der Bibel sind also religiös-ideologisch überformt im Sinne eines (in der realen Entwicklung sich nur langsam ausformenden) Monotheismus um den Gott Jahwe (z.B. mit dem Jerusalemer Tempel als einziger Verehrungsstätte des Gottes) und eines (sich ebenso in langer Entwicklung definierenden) jüdischen (Gottes-) Volkes. Der auch theologische Begriff "Israel" ist mithin alles andere als klar definiert; er bezeichnet sowohl den altorientalischen Staat Israel als auch das jüdische "Gottesvolk" der Verehrer des Gottes Jahwe. II. Die Frühgeschichte "Israels" kann daher nur mit archäologischen und außerbiblischen Quellen erfasst werden. Eine Siegesstele des ägyptischen Pharao Merenptah (1213-1204; 1208 v.Chr.) nennt "Israel" zum ersten Mal und berichtet für die Spätbronzezeit vom Ausscheren (Exodus?) eines Personenverbands, der sich Israel nannte, aus der die "kanaanitischen" Stadtstaaten der südlichen Levante kontrollierenden ägyptischen Herrschaft (u.a. über Beth Schean) bei Besiedlung des samarischen Berglandes ("Landnahme", Gegensatz Israel-Kanaan?). Dieser Vorgang ist symptomatisch für den Niedergang der Stadtkultur am Ende der Bronzezeit und der Intensivierung der Besiedlung des Berglandes in der beginnenden Eisenzeit (12./11. Jahrhundert v.Chr.); im Bergland kamen den spätbronzezeitlichen Sichem und Jerusalem eine beondere Rolle zu. Das frühe israelische Königtum eines Saul, David und Salomo (11./10. Jahrhundert v.Chr.) kann dann nur im Zusammenhang mit dem Rückgang der ägyptischen Machtstellung in der Levante (ab 12. Jahrhundert v.Chr., Mitte), dem Auftreten der Phönizier und der "Seevölker" (Philister) in "Palästina" (12./11. Jahrhundert v.Chr.) und dem Ausgreifen der Aramäer in den Norden Palästinas (10./9. Jahrhundert v.Chr.). Dabei scheint sich das Königtum der von der Bibel postulierten Herrscher Saul, David und Salomo (11./10. Jahrhundert v.Chr.) auf den Süden des Berglandes - einschließlich auch Jerusalems - beschränkt zu haben; dem "Stammeskönigtum" Sauls folgte dabei das Jerusalemer Stadtkönigtum des David und Salomo, die kaum außerhalb ihres Machtbereichs, dem späteren Juda, Wirkung entfalteten und nur über einen eingeschränkten Anschluss am damaligen Handel verfügten. So passt der von der Bibel erwähnte (angebliche) Tempelbau Salomos in Jerusalem auf Grund der geringen wirtschaftlichen Potenz des Königreichs nicht in die Zeit, vielleicht aber in das endende 9. oder 8. Jahrhundert v.Chr. Auch der wohl 926/25 v.Chr. erfolgte Palästinafeldzug des Pharao Scheschonq I. (943-923 v.Chr.) nahm von den Herrschaftsbildungen, die als Israel (nördliches Bergland) und Juda (südliches Bergland) im 9. Jahrhundert in Erscheinung traten, keine Notiz. III. Die Königreiche Israel und Juda haben nebeneinander existiert, ein gemeinsames Königreich als Vorlauf der beiden altorientalischen Staaten hat es nicht gegeben. In Juda herrschten Könige (weiter) aus dem "Haus David"; die Urbanisierung des nördlichen Berglandes (um das zerstörte Sichem) beschleunigte die Herrschaftsbildungen Israels unter den Königen der Omridendynastie. König Omri (882-871) betrieb eine erfolgreiche Politik nach innen und außen (Ortausbau zu Festungen und Palaststädten, Samaria als Hauptstadt Israels, ostjordanische Gebiete, Fernhandel, wirtschaftlicher Aufschwung). Nach Omri hatte sich Israel gegen den Aramäerkönig Hasael (ca.843-803 v.Chr.) zu behaupten; König Jehu (845-818 v.Chr.) begründete die Nimschidendynastie im Nordreich, während das Königreich Juda in loser bis starker Abhängigkeit von den Königen von Israel stand (9. Jahrhundert v.Chr., Mitte-8. Jahrhundert v.Chr., Mitte; Tel-Dan-Stele 830 v.Chr.), ja soger unter König Joasch (801-786 v.Chr.) in Personalunion mit Israel vebunden sein könnte. Dabei hinkte Juda in seiner politischen und wirtschaftlichen Entwicklung Israel um Jahrzehnte hinterher, eine Entwicklung weg vom Jerusalemer Stadtkönigtum ist für Juda erst für das 8. Jahrhundert v.Chr. auszumachen, ein "König von Juda" ist in außerbiblischen Geschichtsquellen erst zum Jahr 738 v.Chr. bezeugt. Im Zuge der im 9. Jahrhundert v.Chr. einsetzenden Westexpansion des neuassyrischen Reiches gerieten Israel und die Levante allgemein in die machtpolitische Abhängigkeit von den neuassyrischen Königen (Unterwerfung König Jehus von Israel [845-818 v.Chr.] durch den Assyrerkönig Salmanassar III. [858-824 v.Chr.]; Schwarzer Obelisk 841 v.Chr.). Der zeitweilige Wegfall der neuassyrischen bzw. aramäischen Expansion in die Levante verursachte allerdings bis um die Mitte des 8. Jahrhunderts v.Chr. einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung der beiden Königreiche im Bergland (Ausbau von Staatlichkeit, wirtschaftliche Benachteiligung der Unterschichten in Israel und Juda). Juda machte sich von Israel zunehmend auch handelspolitisch selbstständig, ablesbar an der Erweiterung des Jerusalemer Stadtgebiets. Der weiteren Ausdehnung des neuassyrischen Reiches unter König Tiglatpileser III. (745-727 v.Chr.) hatte dann das schnell (738 v.Chr.) in Abhängigkeit von den Assyrern geratene Königreich Israel nur wenig entgegenzusetzen. Der Abfall des letzten Königs von Israel Hoschea (731-723 v.Chr.) von Assyrien führte schließlich zur Belagerung und Eroberung Samarias durch die neuassyrischen Herrscher Salmanassar V. (727-722 v.Chr.) und Sargon II. (722-705 v.Chr.) (722/20 v.Chr.); Teile der Bevölkerung Israels wurden deportiert, außerdem setzte eine Fluchtbewegung ins Königreich Juda ein (brain drain von Schreibern). Israel wurde zu einer Provinz, Samaria zu einem Verwaltungszentrum des Assyrerreiches. Religionspolitisch überlebte der Kult um den Gott "Jahwe von Samaria" den Untergang des Königreiches Israel, vielleicht sogar in Samaria selbst. IV. Das von Israel im Verlauf des 8. Jahrhunderts v.Chr. unabhängig gewordene Königreich Juda blieb vom Ende des Königreichs Israel weitgehend unberührt. Vielmehr ist (auch durch Zuzug aus dem Norden) zunächst von einer positiven politischen und wirtschaftlichen Entwicklung Judas unter König Hiskia (725-697 v.Chr.) auszugehen, der, anfangs Vasall Assyriens, Teil antiassyrischer Koalitionen (713, 705 v.Chr.) wurde und nach einem Vorstoß des assyrischen Königs Sanherib (705-681 v.Chr.) auf Jerusalem eine erhebliche Beschneidung seines Herrschaftsgebiets Juda hinnehmen musste (701 v.Chr.). Hiskia muss zudem den in seinem Königreich vorherrschenden Jahwe-Kult auf den Tempel in Jerusalem zentriert haben (Aufgabe der anderen Heiligtümer der Jahwe-Verehrung). Hiskias Nachfolger Manasse (696-642) setzte auf Kooperation mit dem neuassyrischen Reich; er unterstützte die assyrischen Herrscher Asarhaddon (681-669 v.Chr.) und Assurbanipal (668-630 v.Chr.) bei der Eroberung Ägyptens (674/63 v.Chr.) und wird in assyrischen Quellen als Lieferant von Bauholz für Ninive genannt. Unter Manasse erfolgte der weitere siedlungstechnische Ausbau Jerusalems (broad wall, Wasserversorgung; geschätzte Einwohnerzahl zwischen 8000 und 25000). Auf den Jerusalmer Jahwe- und Tempel-Kult ist nun mesopotamisch-assyrischer Einfluss zu beobachten, der unter Manasses Nachfolger Josia (639-609 v.Chr.) durch eine "Kultreform" zu Gunsten einer monotheistischen Jahwe-Verehrung zurückgedrängt wurde, die wiederum die deuteronomistisch-historiografische Sichtweise der damals und später entstandenen biblischen Bücher bestimmte. Unter Josia und dessen nur noch lokal bedeutsamem Königtum geriet Juda an den Rand der politischen Entwicklungen (Untergang des neuassyrischen Reiches, ägyptischer Einfluss in der südlichen Levante, neubabylonisches Reich). In den Auseinandersetzungen mit dem neubabylonischen Reich Nebukadnezars II. (605-562 v.Chr.) ging dann das Königreich Juda unter (Unterwerfung Judas 598/97, Belagerung und Zerstörung Jerusalems 587/86 v.Chr.). Juda wurde unter dem Verwaltungssitz Mizpa neubabylonisch, Teile der judäischen Bevölkerung nach Babylonien deportiert ("babylonisches Exil"), wo sich die Exulanten großteils rasch mit den dortigen Verhältnissen arrangierten (judäische "Solidargemeinschaften" wie in Bit-Abirâm oder Al-Yahudu, wirtschaftliche [Landwirtschaft, Handwerk, Handel] und soziale Integration der Exulanten, Jahwe- und andere Kulte). V. Die politische Einigung des Alten Orients erfolgte unter den persischen Königen im Perserreich (Eroberung des neubabylonischen Reiches 539 v.Chr.). Die persischen Herrscher ermöglichten die Rückkehr der babylonischen Exulanten nach Juda, nun die persische Provinz Yehud innerhalb der Satrapie Babylonien-Transeuphratene mit Verwaltungssitz Ramat Rahel; doch machten nur wenige Judäer von der Rückkehrmöglichkeit Gebrauch. Synkretistisch (im Umfeld mehrerer sich überlappender religiöser Kulte) und multikulturell integriert lebten die meisten judäischen Jahwe-Anhänger indes in Babylonien weiter. Auch gab es auf der südägyptischen Nilinsel Elephantine im dortigen multikulturellen Umfeld einen Jahwe (Jahu)-Tempel der dort lebenden Judäar-Aramäer, der 410/09 v.Chr. zerstört, bald danach mit Unterstützung aus Samaria und Jerusalem wiederaufgebaut wurde. Schließlich entstand (um 480 v.Chr.) im Gebiet des ehemaligen Königreichs Israel das Jahwe-Heiligtum der Samaritaner auf dem Garizim (bei Sichem); die Samaritaner bildeten dabei die zahlenmäßig größte Anhängerschaft des Gottes Jahwe. Jerusalem schließlich stellt sich im 5. Jahrhundert v.Chr. als eine kleine Tempelstadt (mit 200 bis 500 Einwohnern) dar, der 587/86 v.Chr. wohl nur teilzerstörte Jahwe-Tempel wurde (als sog. Zweiter Tempel) wiederaufgebaut, religionspolitische Maßnahmen schufen eine Priesterschaft am Tempel mit dem Hohenpriester, eingebunden in die lokale judäische Oberschicht Jerusalems. Wann dies in Jerusalem geschah, ist unklar: im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts v.Chr. (Tempelneubau 418/17 v.Chr.), als die Provinz Jehud in den politisch-wirtschaftlichen Fokus des Perserreich rückte, oder schon ab dem endenden 6. Jahrhundert v.Chr. (Tempelneubau 515 v.Chr.), wobei die religionspolitischen Maßnahmen (Nehemia, Esra) erst ab der Mitte des 5. Jahrhunderts v.Chr. griffen. Auf jeden Fall gab es in persischer Zeit eine Anzahl von Zentren der Jahwe-Verehrung (Garizim, Jerusalem, Elephantine, Lachisch, Idumäa, Zypern), die miteinander konkurrierten und so unterschiedliche geschichtstheologische Strömungen in den Büchern des jüdischen Alten Testaments entstehen ließen. VI. Mit der Eroberung Syrien-Palästinas (Koilesyrien) durch den makedonischen König Alexander den Großen (336-323 v.Chr.) trat der judäische Tempelstaat in die Epoche des Hellenismus ein (332 v.Chr.; niedergeschlagener Aufstand in Samaria). Verfassung und Verwaltung des Tempelstaats blieben im Wesentlichen unverändert, nach den Diadochenkriegen (323/01 v.Chr.) kam Judäa unter ägyptisch-ptolemäischer Herrschaft, die aber in der Folge der fünf Syrischen Kriege gegen das Seleukidenreich (274-271, 260-253, 246-242, 221/19-217, 202-198/94 v.Chr.) immer wieder gefährdet war (proptolemäische, proseleukidische Strömungen im Tempelstaat [Tobiadenclan, Oniaden]; Hellenisierung Judäas; seleukidische Eroberung im Fünften Syrischen Krieg). Unter dem Seleukidenherrscher Antiochios III. dem Großen (223-187 v.Chr.) blieb der Tempelstaat als solcher zunächst erhalten (Teilautonomie, Hohepriester als Ethnarch). Unter König Antiochos IV. Epiphanes (175-164 v.Chr.) eskalierten im Zusammenhang mit dem Scheitern der Eroberung Ägyptens durch den Herrscher (Sieg bei Pelusium 170 v.Chr., römisches Eingreifen 169 v.Chr.) innerjudäische Spannungen (Hellenisierung, Reformer <-> Tempelstaat, Traditionalisten), die die Selekeudenherrschaft in Frage stellten und zur Unterwerfung des Tempelstaats durch den seleukidischen General Apollonios führten (167 v.Chr.; "Religionsverfolgung" und Zwangshellenisierung Judäas?). Letzteres provozierte im (durch Thronkämpfe geschwächten) Seleukidenreich den Makkabäeraufstand (167-139/38 v.Chr.) unter Judas, Jonathan und Simon Makkabäus; Simons Sohn Johannes Hyrkanos I. (135-104 v.Chr.) gelang die Begründung der Hasmonäerdynastie und -herrschaft über Judäa, die in der Folgezeit erweitert und ausgestaltet werden konnte (politische Eigenständigkeit Judäas, hasmonäische Expansion [Samaria, Galiläa, Kontrolle von Städten am Mittelmeer, Einbeziehung von Landschäften östlich des Jordan]; Königstitel des Alexander Jannaios [103-76 v.Chr.]). Dabei beeinträchtigten innere und dynastische Spannungen die Hasmonäerherrschaft (Sadduzäer, Pharisäer, Essener als aufkommende religiös-politische Gruppen; Regentin Salome Alexandra [76-67 v.Chr.], Aristobulos II. [67-63 v.Chr.]). VII. Die römische Neuordnung des östlichen Mittelmeerraums unter Pompeius (63 v.Chr.) beseitigte das hasmonäische Königtum und das erbliche Hohepriestertum bei nur loser Angliederung des auf Judäa reduzierten Tempelstaats als römisches Klientelfürstentum (Aufstände von Hasmonäern gegen Rom [57, 56 v.Chr.], Partherinvasion [40/37 v.Chr.]). Unter römischer Kontrolle konnte sich der Idumäer Herodes der Große (40/37-4 v.Chr.) bei Beseitigung letzter hasmonäischer Herrschaftsansprüche als Tetrarch und König in Judäa durchsetzen. Als römischer Klientelkönig betrieb Herodes unter erfolgreicher Ausschaltung seiner politischen Gegner (Schreckensherrschaft) eine Politik der Romanisierung bei Einschränkung jüdischer Kultur und der Macht des Hohepriesters (Kaiserverehrung, Bautätigkeiten [Caesarea Maritima, Jerusalemer Tempel und Tempelbezirk]). Die Herodessöhne Archelaos (4 v.Chr-6 n.Chr.), Philippos (4 v.Chr.-34 n.Chr.) und Herodes Antipas (4 v.Chr.-39 n.Chr.) herrschten nur noch über Teile des Reiches ihres Vaters (römische Provinz mit Judäa, Samaria und Idumäa unter Statthaltern [Volkszählung 6 n.Chr., Pontius Pilatus 26-26 n.Chr.], Tetrarchie des Antipas [Galiläa, Peräa], Tetrarchie des Philippus [Gebiete östlich des Jordan]). Gravierende wirtschaftliche Fehlentwicklungen riefen damals politische Widerstands- und religiöse Erneuerungsbewegungen hervor (Jesus Christus, Christen u.a.). Der römische Kaiser Caligula (37-41 n.Chr.) griff mehrfach in die labilen politisch-religiösen Zustände in Palästina ein (Einsetzung des Herodesenkels Herodes Agrippa I. [37/39-44 n.Chr.], Absetzung des Herodes Antipas 39 n.Chr., Caligulakrise 39/41 n.Chr.). Herodes Agrippa II. (50-70 n.Chr.) regierte in Teilgebieten Palästinas, während sich in der römischen Provinz die wirtschaftlichen und religiösen Spannungen in innerjüdischen Konflikten (Zeloten) und im jüdischen Aufstand gegen die römische Herrschaft (66-70/73 n.Chr.) entluden (römische Belagerung und Eroberung Jerusalems 69/70 n.Chr. [Zerstörung des Jahwe-Tempels], Eroberung der Bergfestung Masada 73 n.Chr.; römischer Titusbogen). Nach dem Aufstand wurde eine kaiserliche Provinz Judäa gegründet, eine römische Legion erhielt Jerusalem als Standplatz. [Buhlmann, 12.2018]

Schipperges, Heinrich (1995), Hildegard von Bingen (= BSR 2008), München 21995 > H Hildegard von Bingen

Schipperges, Heinrich (1997), Die Welt der Hildegard von Bingen. Panorama eines außergewöhnlichen Lebens, Darmstadt 1997 > H Hildegard von Bingen

Schipperges, Heinrich (2007), Die Welt der Hildegard von Bingen. Leben, Wirken, Botschaft, Erftstadt 2007 > H Hildegard von Bingen

Schippmann, Klaus (1980), Grundzüge der parthischen Geschichte (= Grundzüge 39), Darmstadt 1980 > E Ellerbrock u.a., Parther

Schirrmacher, Wilhelm (1859/65), Kaiser Friedrich der Zweite, 4 Bde., Göttingen 1859-1865 > F Friedrich II. (von Hohenstaufen)

Schlatter, Adolf, Kleinere Schriften zu Flavius Josephus, hg. v. Karl Heinrich Rengstorf (1970), Gütersloh N.N., Nachdruck Darmstadt 1970 > J Josephus

Schlecht, Cornelia (2008), Neudingen - an der jungen Donau. 700 Einwohner, drei Kirchen - eine lebendige Dorfgemeinschaft mit großer Geschichte, in: Almanach 2008 (2008), S.28-37 > N Neudingen

Schlechter, Armin (1993), Die althochdeutschen Aratorglossen der Handschrift Rom Biblioteca Apostolica Vaticana Pal. Lat. 1716 und verwandte Glossierungen (= StAhd 20), Göttingen 1993 > S Studien zum Althochdeutschen

Schleinert, Dirk (2005), Die Geschichte der Insel Usedom, Rostock 2005, 192 S., € 12,90. Geografie und Geologie der Ostseeinsel Usedom sind geprägt von der Eiszeit, die Insel als solche ist entstanden durch die Meerestransgression der Zeit um 6000 v.Chr. Für Usedom sind dann mittel- und jungsteinzeitliche Funde feststellbar (8000-3000 v.Chr.; Trichterbecherkultur, indoeuropäische Schnurbandkeramiker). In die späten Jahrhunderte der Bronzezeit (1800-500 v.Chr.; Urnenfelderkultur) datiert der Burgwall auf dem Golm (Lausitzer Kultur), daneben gab es bronzezeitlichen Siedlungen auf der Insel. Ab der vorrömischen Kaiserzeit (500 v.Chr.-Zeitenwende) ist dann von einer germanischen Bevölkerung auszugehen (Usedom-Wolliner Gruppe), in der römischen Kaiserzeit (Zeitenwende-5. Jahrhundert n.Chr.) gab es ein Bevölkerungs- und Siedlungsrückgang, erkennbar u.a. an der germanischen Siedlung von Bahn (Siedlungsende im 3. Jahrhundert). Im 5. und 6. Jahrhundert war Usedom wenig besiedelt, ab dem 8. Jahrhundert setzte hier die altslawische Besiedlung ein (Burganlage von Mellenthin), die sich in der mittelslawischen Epoche (10. Jahrhundert) verdichtete und noch in der spätslawischen Zeit (10./11.-12. Jahrhundert) stark zunahm (Burgen, Burgbezirke, Siedlungen). Der Ort Usedom wurde zu einem wichtigen Handelsplatz und einer slawischen Frühstadt, die auf der Insel siedelnden Slawen gehörten wahrscheinlich den Lutizen oder Wilzen an. Politisch war die Insel Usedom an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert vielleicht Teil der Herrschaft "Selencia" (?), ab den 1120er-Jahren war sie in das frühpommersche Herzogtum Herzog Wartislaws I. (v.1107-1147/48) einbezogen. Parallel dazu wurde auf Usedom das Christentum eingeführt (2. Missionsreise des Bischofs Otto I. von Bamberg [1102-1139], Landtag von Usedom 1128); es folgten die Gründung des Bistums Wollin (-Usedom-Kammin; 1140) und die Errichtung des Prämonstratenserklosters Grobe (1153). Im Rahmen des Herzogtums Pommern (-Wolgast; Landesteilung von 1295) kam es im Verlauf des 13. Jahrhunderts zum deutschrechtlichen Landesausbau, zur Ansiedlung deutscher Bauern und Adliger auch auf Usedom ("deutsche Ostkolonisation", Dreifelderwirtschaft und Getreideanbau, Hufensystem), zur Verlegung des Klosters Grobe nach Pudagla (1307/09) sowie zur Gründung des Zisterzienserinnenklosters Krummin (14. Jahrhundert, Anfang). Der slawische Ort Usedom wurde 1298 von Herzog Bogislaw IV. (1295-1309) zur Stadt erhoben, erlebte aber schon im 15. Jahrhundert einen wirtschaftlichen Niedergang (Stadtbrand von 1475/76). Unter Herzog Bogislaw X. (1478-1523) wurde Pommern zu einem frühneuzeitlichen Territorium umgestaltet (Vogtei Usedom 1495), die Einführung der Reformation (1534) unter Herzog Philipp I. von Pommern (-Wolgast, 1532-1560; Landesteilungen von 1532 und 1541) führte zur Ausgestaltung einer protestantischen Landeskirche und zur Aufhebung der Klöster Pudagla (1535) und Krummin (1563). Wirtschaftliche Veränderungen begünstigten gerade im 16. und frühen 17. Jahrhundert die Entstehung von Gutsbetrieben mit einer ausgeprägten Eigenwirtschaft bei einer Verschärfung der Abhängigkeitsverhältnisse (Leibeigenschaft, Bauern und Kossaten); weiterhin spielte die Fischerei (u.a. in Haff und Achterwasser) eine wichtige Rolle. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) war Pommern seit 1627 (Einquartierung kaiserlicher Truppen, Quartier Usedom, Truppendurchzüge) in die Kampfhandlungen einbezogen (dänischer Angriff auf Wolgast 1628). Die schwedische Besetzung Usedoms und Pommerns (1630/31) und die mit den Pommern abgeschlossene Stettiner Allianz (1630) machte aus dem Herzogtum nach dem Tod des Herzogs Bogislaw XIV. (1625-1637), des Letzten der pommerschen Herzöge, ein Streitobjekt zwischen Schweden und den erbberechtigten Kurfürsten von Brandenburg. Mit dem Westfälischen Frieden (1648) gelang diesbezüglich insofern ein Ausgleich, als dass Schweden Vorpommern mit Usedom und die Odermündung behaupten konnte. Die schwedische Zeit der Ostseeinsel (1638/48-1713/20) war weitgehend geprägt von wirtschaftlicher Stagnation infolge der Bevolkerungsverluste, Verwüstungen und Verpfändungen im Dreißigjährigen Krieg, während ein absolutistisches schwedisches Königtum die Einlösung der Pfandschaften bewerkstelligte, die Landvermessungen von 1693 und 1704 durchsetzte sowie das Hufensteuerverzeichnis von 1708 (Lagerströmsche Matrikel) erstellen ließ. Schweden als Großmacht an der Ostsee führte aber auch den schwedisch-polnischen Krieg (1655-1660) und den schwedisch-brandenburgischen Krieg (1674-1679), von denen auch Usedom betroffen war (brandenburgische Eroberung Usedoms 1675, Einnahme der Peenemünder Schanze 1676, Frieden von St. Germain 1679). Im Großen Nordischen Krieg (1700-1720) wurde Usedom (mit Vorpommern) faktisch preußisch (1713), nochmals von Schweden besetzt (1715; schwedischer Seesieg über Dänemark vor Usedom 1715) und von Preußen zurückerobert (1715). Im Frieden von Stockholm (1720) behielt Preußen Usedom und Vorpommern. Das 18. Jahrhundert als frühe Preußenzeit auf Usedom brachte mit dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) eine zwischenzeitliche Besetzung Usedoms durch die Schweden (1757-1761), während die wirtschaftlich-gesellschaftlichen Verhältnisse auf der Insel weiterhin kaum vorankamen und erst am Ende des 18. Jahrhunderts Änderungen eintraten (Erbrecht und Vererbpachtung bei den abhängigen Bauern). Französische Revolution (1789) und napoleonische Kriege beschleunigten indes nach 1806 (Besetzung [Preußens und] Usedoms durch französisch-badische Truppen, Kontinentalsperre, nochmalige schwedische Besetzung Usedoms 1807) die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen im preußischen Königreich (Stein-Hardenbergische Reformen, preußische Agrarreform von 1807 und "Bauernbefreiung", Provinzialordnung und preußische Provinz Pommern 1815, Landkreis Usedom-Wollin 1818, Gutsbezirke und Landgemeinden). Usedom machte im 19. Jahrhundert die Revolution von 1848 mit, weiter verbesserten sich die landwirtschaftlichen Anbaumethoden (Einführung der Kartoffel als Grundnahrungsmittel, chemische Düngung); Infrastrukturmaßnahmen betrafen Häfen, Swine und Oder, die Landstraßen (Chausseen) und die Eisenbahn (Strecke Ducherow-Karmin-Swinemünde 1874/76), doch fehlte eine durchgreifende Industrialisierung. Hingegen enstand an der Ostseeküste ein ausgedehnter Bäderbetrieb (Swinemünde und Heringsdorf ab 1824, Zinnowitz ab 1851, Ahlbeck ab 1852, Koserow ab 1858). Als Teil Preußens und des Deutschen Bundes war Usedom von den beiden deutsch-dänischen Kriegen (1848-1850, 1864/65) betroffen (dänische Flotten vor Usedom und Pommern; Flottenstützpunkt Swinemünde), als Teil Preußens und des Deutschen Kaiserreichs vom Ersten Weltkrieg (1914-1918), im "Dritten Reich" der nationalsozialistischen Diktatur vom Zweiten Weltkrieg (1939-1945; U-Boot-Hafen Kaseburg, Raketenversuchsanlage Peenemünde). Der sowjetischen Besetzung Usedoms im April 1945 folgten die Nackriegszeit des Kreises Usedom (1945-1952), die verwaltungstechnische Eingliederung der Ostseeinsel in den Bezirk Rostock der jungen Deutschen Demokratischen Republik (1952) und die Etablierung der neuen gesellschaftlichen Ordnung des Kommunismus (Staats- und Parteiorganisation, Enteignungen und Vergesellschaftung der Wirtschaft [LPGs], Industrialisierung [Peenewerft], staatliches Erholungswesen und Bäderbetrieb). Durch die 1945 beschlossene neue Westgrenze Polens ist die Insel seit Ende des Zweiten Weltkriegs geteilt; zu Polen gehört der östliche Teil Usedoms mit Swinemünde. Seit der "Wende" von 1989/90 ist das deutsche Usedom Teil der Bundesrepublik Deutschland, die wirtschaftliche Entwicklung der Insel steht bei neuer Verwaltungseinteilung (Landkreise Wolgast bzw. Ostvorpomnern, Zusammenschlüsse von Landgemeinden als Ämter) seitdem im Schatten von Tourismus, Arbeitslosigkeit, Kapitalismus und Globalisierung. [Buhlmann, 10.2011]

  Schleswig, Stadt in Schleswig-Holstein: Die wikingische Siedlung Haithabu a.d. Schlei war bis zum 11. Jahrhundert ein wichtiger Handelsort (Zerstörung Haithabus durch die slawischen Wenden 1066); hier gab es um 850 eine Kirche als Stiftung des Hamburger Erzbischofs Ansgar (834-865), Haithabu war 947 Bischofssitz. Die unmittelbar benachbarte Siedlung Schleswig a.d. Schlei wird erstmals zum Jahr 804 als Sliasthorp (Sliaswic) in den frühmittelalterlichen Geschichtsquellen genannt. Sie übernahm als Nachfolgesiedlung nach der Zerstörung Haithabus dessen Rolle (Schleswiger Bischofskirche des 11. Jahrhunderts?). Schleswig wurde zum Vorort eines gleichnamigen dänischen Herzogtums (Herzog Knut Laward [1115-1131]); der Schleswiger St. Petri-Dom wird erstmals zum Jahr 1134 unter Bischof Adalbert (1120-1135) erwähnt. Bis etwa zur Mitte des 12. Jahrhunderts war Schleswig ein bedeutender Handelsplatz, geriet aber - auch wegen der schlechteren Befahrbarkeit der Schlei durch die neuen Schiffstypen (Plünderung norwegischer Handelsschiffe auf der Schleswiger Reede 1155) - gegenüber dem neu gegründeten Lübeck alsbald ins Hintertreffen. Die Einbeziehung der Siedlungen Lollfuß und Friedrichsberg (1171) begründete das hochmittelalterliche Schleswig, mit dem ältesten (lateinischen) Stadtrecht (ca.1250) und dem niederdeutschen (14. Jahrhundert) begabt. Im späten Mittelalter stellte sich Schleswig als Bischofs- und Ackerbürgerstadt dar, versehen - neben dem Dom - u.a. mit Johanniskloster und Franziskanerniederlasung (Graukloster). Die schleswigschen Herzöge residierten seit 1268 auf der ehemaligen Bischofsburg Gottorp; 1459 gelangte die Burg in die Hand des oldenburgisch-dänischen Königs Christian I. (1448-1481), in der frühen Neuzeit wurde aus Gottorp eine repräsentative Residenz der Herzöge von Schleswig. Die Reformation machte aus Schlweswig den Sitz des evangelischen Bischofs Tilemann von Hussen (1542-1551). Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurde die Stadt mehrfach besetzt, ebenfalls mit dänisch-schwedischen Krieg (1658-1660). Nach dem Großen Nordischen Krieg (1700-1721) gelangte Schleswig an die dänischen Könige als Herzöge von Schleswig. Im 19. Jahrhundert erlebte Schleswig einen wirtschaftlichen Niedergang, nach dem deutsch-dänischen Krieg (1864) und dem deutschen Krieg (1866) waren die Herzogtümer Schleswig und Holstein preußisch. Im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert machte die Stadt die politisch-wirtschaftlich-gesellschaftlichen Entwicklungen im Deutschen Kaiserreich (Schleswiger Domturm 1890/94), in der Weimarer Republik, im nationalsozialistischen Deustchalnd und in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesland Schleswig-Holstein, dänische Minderheit, Weltkriegsvertriebene) mit.
Zu Schleswig s. u.a.: Pfeifer, Johannes (2014), Der St. Petri-Dom zu Schleswig (= DKV-Kunstführer 161), München 182014, 48 S., Farbabbildungen, Plan, € 3,-. [Buhlmann, 03.2017]

Schlieben, Barbara, Verspielte Macht. Politik und Wissen am Hof Alfons' X. (1252-1284) (= Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, Bd.32), Berlin 2009 > A Alfons X. von Kastilien

Schliemann, Heinrich, Geschäftsmann und Archäologe: Heinrich Schliemann (*1822 in Neubukow, †1890 in Neapel) betrieb nach einer kaufmännischen Ausbildung (Handelslehre in Fürstenberg und Hamburg 1836/41, Lehrling und Buchhalter in Amsterdam 1842/46) ein eigenes Handelshaus im russischen St. Petersburg (1847/64). Reisen führten Schliemann in die Vereinigten Staaten (1850/52), in den Vorderen Orient (1858/59) und rund um die Welt (1864/66). Nach Auflösung seines Handelshauses (1864) studierte Schliemann in Paris Sprachen, Literatur und Philosophie (1864/66), um schließlich an der Rostocker Universität zu promovieren (1869; Promotionsarbeiten: La Chine et le Japon au temps présent 1867, Ithaka, der Peleponnes und Troja 1869). Bei einer Reise durch Griechenland und Kleinasien (1868) identifizierte er den Hügel Hissarlik als Troja und verfolgte von da an das Ziel, dort archäologische Ausgrabungen durchzuführen. Dies gelang mit mehreren Grabungskampagnen (Probegrabung 1871, 1.-3. Grabungskampagne 1871/73, 4.-5. Grabungskampagne 1878-1879, 6. Grabungskampagne 1882, 1. Trojakonferenz 1889, 7. Grabungskampagne 1890, 2. Trojakonferenz 1890), die aufsehende Funde ("Schatz des Priamos") zutage förderten. Parallel dazu unternahm Schliemann kleinere Grabungen in Italien und Sizilien (1875) und grub auch im griechischen Mykenae (1876; Schachtgräber, "Goldmaske des Agamemnon"), Tiryns (1884) und Orchomenos (1886) sowie im ägyptischen Alexandria (1888; davor: Ägyptenreise 1886). Vortragsreisen machten den Archäologen bekannt, ebenso seine Bücher Trojanische Altertümer (1874), Mykenae (1878), Ilios, Orchomenos, Reise in der Troas (1880/81), Troja (1884), Tiryns (1886). Ein Prozess Schliemanns mit dem Osmanischen Reich wegen der ergrabenen Funde aus Troja endete in einem Vergleich (1875). Schliemann war verheiratet mit der Russin Jekaterina Petrowna Lyschina (1852-1864; Kinder: Sergej, Natalja, Nadescha) und der Griechin Sophia Engastromenos (ab 1869; Kinder: Andromache, Agamemnon; Wohnsitz in Athen ab 1871). Zu Heinrich Schliemann s.: Cobet, Justus (Hg.) (1991), Schliemanns Troja, hg. vom Ruhrlandmuseum Essen (= Austellungskatalog), Essen 1991, 143 S., Zeittafeln, Abbildungen, Karten, DM 28,-; Schliemann, Heinrich (1869), Ithaka, der Peleponnes und Troja. Archäologische Forschungen, Darmstadt 1963, XXVIII, 218 S., Abbildungen, Karten, DM 15,-; Schliemann, Heinrich (1878), Mykenae. Bericht über meine Forschungen und Entdeckungen in Mykenae und Tiryns, Darmstadt 1964, XXX, 447, XXI S., Abbildungen, DM 24,-; Vandenberg, Philipp (1995), Der Schatz des Priamos. Wie Heinrich Schliemann sein Troja fand, Köln 1997, 472 S., Schwarzweißabbildungen, -tafeln, Karten, DM 11,80. [Buhlmann, 01.2023]

Schlögl, Hermann A. (1986), Echnaton (= rm 350), Reinbek 1986, 144 S., Abbildungen, DM 9,80; Schlögl, Hermann A. (2008), Echnaton (= BSR 2441), München 2008, 128 S., € 7,90; Schlögl, Hermann A. (2012), Nofretete. Die Wahrheit über die schöne Königin (= BSR 2763), München 2012, 128 S., 1 Stammtafel, 1 Zeittafel, 2 Pläne, € 8,95. Neuägyptisches Reich, 18. Dynastie: Nofretete, Tochter der Bürgerlichen Aja und Teje-Tjj, heiratete 1353/52 v.Chr. den Kronprinzen Amenophis (IV.), Sohn und Nachfolger des Pharao Amenophis III. (1388-1352/51 v.Chr.); die Familien Amenophis' III. und Ajas sind untereinander verwandt; Aja ist über seine Schwester Teje, die Ehefrau Amenophis' III. und Mutter Amenophis' IV., ein Schwager des Königs. Nach Amenophis' III. Tod (1352/51 v.Chr.) übernahm Amenophis IV. (nach Richtungskämpfen am ägyptischen Hof?) die Herrschaft über das neuägyptische Reich (1352/51-1335/34 v.Chr.). Unter maßgeblicher Beteiligung Nofretetes sowie des Aja-Bruders Aanen sollte Amenophis IV. in seinen ersten Regierungsjahren den Kult bzw. die monotheistische Religion um Aton ("Sonne(nscheibe)") entwickeln; dabei entsprachen den massiven religiösen Veränderungen, die einen Bruch (Revolution) mit der ägyptischen Vergangenheit darstellten, auch neuen künstlerischen Entwicklungen ("Großer Sonnengesang", "Kleiner Sonnengesang" [Hymnen entstanden um 1345 v.Chr. aus gemeinsamen Versatzstücken ägyptischer Dichtung; Sonnengott Aton (Lichtmetaphorik), Schöpfung und Königspaar Echnaton und Nofretete; Nähe zum 104. Psalm des Alten Testaments], Malerei, Relief). Amenophis IV., der sich alsbald Echnaton nannte (1347/46 v.Chr.), und Nofretete, die "Große Königsgemahlin", bildeten zusammen mit Aton eine Göttertriade, König und Königin waren die gleichrangigen Vermittler zu Aton. Der neuen Religion folgte die neue, aufwändig erbaute Haupt- und Residenzstadt Achetaton mit Königspalästen, Atontempeln und im Osten gelegener Nekropole (Tell el-Amarna; Umzug nach Achetaton ca.1345 v.Chr.). Ca.1342 v.Chr. wurden die bisherigen ägyptischen Götterkulte verboten (Tempelschließungen), ein Aufstand in Nubien konnte niedergeschlagen werden, ausländische Gesandte wurden in Achetaton aufwändig empfangen, von den sechs Töchtern des Echnaton und der Nofretete sterben drei (1340/39 v.Chr.). Ihnen folgte 1337/36 v.Chr. ihre Mutter, die einem tödlichen Unfall (Verletzungen an Brust und Gesicht; Mumie der Nofretete) zum Opfer fiel. Nachfolgerin als "Große Königsgemahlin" Echnatons wurde Kija. Echnaton selbst starb 1335/34 v.Chr., Kija bemühte sich um die Übernahme der Herrschaft (geplante Heirat mit dem hethitischen Königssohn Zannanza). Doch setzte sich letztlich Meritaton, die älteste Tochter Echnatons und Nofretetes, durch; sie heiratete Semenchkare, den Sohn des Aja (1335/34-1332 v.Chr.). Außenpolitisch standen seit den letzten Regierungsjahren Echnatons die Auseinandersetzungen mit den Hethitern in Syrien im Vordergrund. Auch von daher mussten sich Meritaton und Semenchkare wieder der alten Religion (Amunpriesterschaft in Theben) annähern. Nach dem Tod Meritatons und Semenchkares wurde Tutanchaton (Tutanchamun), der einzige Sohn Echnatons und der Nofretete, Pharao (1332-1323 v.Chr.), nach diesem Tutanchamuns Großvater Aja (1323/22-1319 v.Chr.). General Haremhab, zunächst Verbündeter, dann Feind Ajas, übernahm nach Ajas Tod die Königsherrschaft (1319-1292 v.Chr.), die Pharaonen der Armanazeit (Amenophis IV., Semenchkare, Tutanchamun, Aja) verfielen der damnatio memoriae. Vgl. Aldred, Cyril (1968), Echnaton. Gott und Pharao Ägyptens, Herrsching o.J., 309 S., DM N.N.; Echnaton, Sonnenhymnen. Ägyptisch/Deutsch, übers. v. Christian Bayer (2007) (= RUB 18492), Stuttgart 2012, 126 S., Schwarzweißabbildungen, 2 Karten, € 4,-; Vandenberg, Philipp (1975), Nofretete. Das Leben der schönsten Frau der Weltgeschichte (= Bastei-Lübbe Tb 61033), Bergisch Gladbach 31983, 336 S., Schwarzweißabbildungen, DM 6,80; Vandenberg, Philipp (1978), Nofretete, Echnaton und ihre Zeit. Die glanzvollste Epoche Ägyptens in Bildern, Berichten und Dokumenten (= Knaur Tb 545), München-Zürich 1978, 271 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, DM 1,-. [Buhlmann, 03.2008, 12.2012, 06.2013, 05.2019]

Schlögl, Hermann A. (2003), Das alte Ägypten (= BSR 2305), München 2003 > A Ägyptische Geschichte, 3. Jahrtausend-4./1. Jahrhundert v.Chr.

Schmale, Franz-Josef (1974), Die Anfänge der Grafen von Berg, in: Geschichte in der Gesellschaft. Festschrift Karl Bosl, hg. v. Friedrich Prinz, Franz-Josef Schmale, Ferdinand Seibt, Stuttgart 1974, S.370-392 > B Berg, Grafen von

Schmeidler, Bernhard (1935), Studien zur Geschichtsschreibung des Klosters Tegernsee (vom 11. bis zum 16. Jahrhundert) (= SBLG 20), 1935, Nachdruck Aalen 1974 > T Tegernsee

Schmelz, Bernd (2013), Die Inka. Geschichte und Kultur (= Urban Tb 740), Stuttgart 2013 > I Inka

Schmenk, Nicole (2010), Spätmittelalterliche Memorialpraxis im Kloster Brauweiler, in: AHVN 213 (2010), S.103-112. Im Zuge der Bursfelder Reform und der Aktivitäten Adam Meyers (†1499), des Abtes von Groß St. Martin in Köln (ab 1454), Generalvikars (ab 1458) und Provinzialpräses des Provinzialverbandes Köln-Trier der Benediktinerklöster (ab 1467), wurde auch das Kloster Brauweiler von dieser benediktinischen Klosterreformbewegung erfasst (Aufnahme Brauweilers in die Bursfelder Reform 1469). Folge der eingeleiteten Reformmaßnahmen waren eine wirtschaftliche Gesundung der Abtei und ein Wiederaufleben der Memorialpraxis. Letztere verband sich mit der Anlage eines Kapiteloffiziumsbuchs (1476), das in seinem nekrologischen Teil wohl ein älteres Nekrolog (teilweise) aufnahm. Memorialpraxis und Kapiteloffiziumsbuch blieben bis zur Aufhebung des Klosters Brauweiler (1802) in Gebrauch. [Buhlmann, 03.2012]

Schmenk, Nicole (2012), Totengedenken in der Abtei Brauweiler. Untersuchung und Edition des Necrologs von 1476 (= VHVN NF 2), Köln-Weimar-Wien 2012, 458 S., € 57,90. I. Im Zuge der Bursfelder Reform und der Aktivitäten Adam Meyers (†1499), des Abtes von Groß St. Martin in Köln (ab 1454), Generalvikars (ab 1458) und Provinzialpräses des Provinzialverbandes Köln-Trier der Benediktinerklöster (ab 1467), wurde auch das Kloster Brauweiler von dieser benediktinischen Klosterreformbewegung erfasst (Aufnahme Brauweilers in die Bursfelder Reform 1469). Folge der eingeleiteten Reformmaßnahmen waren eine wirtschaftliche Gesundung der Abtei und ein Wiederaufleben der Memorialpraxis. Letztere verband sich mit der Anlage eines Kapiteloffiziumsbuchs (1476), das in seinem nekrologischen Teil wohl ein älteres Nekrolog (teilweise) aufnahm. Memorialpraxis und Kapiteloffiziumsbuch blieben bis zur Aufhebung des Klosters Brauweiler (1802) in Gebrauch. II. Das Kapiteloffiziumsbuch von 1476 besteht aus 128 Folioseiten, ein Rest von wohl 16 Seiten fehlt. Nach der Abschrift einleitender Briefe (Hieronymus, Usuard) folgt das Martyrologium, die Benediktregel und das Nekrolog sowie ein Verbrüderungsvertrag mit dem Mönchengladbacher Kloster Neuwerk von 1566. Die Handschrift enthält damit die Informationen, die den Brauweiler Mönchen auch im Rahmen der Lesungen im Kapitel im Verlauf eines (Kirchen-) Jahres mitgeteilt wurden. Das Nekrolog enthält über 1000 Personeneinträge, zurückreichend bis zur Gründung des Klosters (1024); Mönche und Geistliche, Stifter und Laien werden genannt und stehen damit dem Totengedenken der Brauweiler Mönche offen. Anlegende Hand des Nekrologs war der Schreiber und Mönch Heinrich Zonsbeck, weitere Einträge und die Fortführung des Nekrologs lassen sich bis zum Jahr 1779 verfolgen. III. Das Nekrolog steht damit für die christliche Memorialpraxis in Mittelalter und früher Neuzeit. Memoria als Totengedenken, die Vergegenwärtigung und Gegenwart der Toten als Auseinandersetzung Einzelner und gesellschaftlicher Gruppen mit dem im Mittelalter allgegenwärtigen Tod, gründet dabei in Entwicklungen der christlichen Antike und des Frühmittelalters (heidnisch-antiker Totenkult [Totenmahl], dessen christliche Umdeuteutung [letztes Abendmahl, Christusmemoria, christliches Totenmahl]). Das Totengedenken wurde in geistlichen Kommunitäten etwa des frühen Mittelalters liturgisch überformt; dauerhafte memoria benötigte dabei eine schriftliche Verankerung (Totenbünde, Verbrüderungsverträge, libri vitae, libri memoriales als Gedenkbücher, Visionsliteratur). Im hohen und späten Mittelalter gestalteten sich auf frühmitelalterlicher Grundlage Formen von memoria weiter aus. Seit dem (10. bzw.) 11. Jahrhundert treten Nekrologien als Totenbücher verstärkt in Erscheinung; weltliche Bruderschaften und (Gesellen-) Gilden verbanden ihre memoria mit Altären an den Stadtkirchen, im Zusammenhang damit enstand im 12. Jahrhundert die Quellengattung der Anniversarien als Bücher von (Laien-) Stiftern und Schenkern (spätermittelalterlich-städtische Kultur der Totenerinnerung, Wandel im Stiftungsverhalten bürgerlicher Schichten gegenüber Kirchen und Kommunitäten, "Verbürgerlichung" von Klosterkonventen). Das Auftreten von Pest und Seuchenzügen ab der Mitte des 14. Jahrhunderts veränderte die christliche Memorialpraxis entscheidend, eine Folge der "Ausbürgerung" der Toten und einer zunehmenden mentalen Trennung der Lebenden von den Toten (Verlegung der Friedhöfe außerhalb der Orte [gesundheitspolitische Maßnahmen]). Das Totengedenken bzw. die Angst vor dem Vergessenwerden wurden individualisiert, der Einzelne musste selbst für seine memoria sorgen (Testament, Adelsmemoria, Ablass). Diese Entwicklung verstärkte sich in der frühen Neuzeit vor dem Hintergrund von Humanismus und Renaissance sowie insbesondere der Reformation. Die adlige Gedenkpraxis blieb innerhalb des katholischen Christentums weitgehend erhalten, wandelte sich aber vom Gedenken zur Repräsentation. Es verbreitete sich im Gegenteil die Vorstellung von der Gleichheit der Toten bei weiterer Entfremdung von den Toten (Toter als Leichnam, Aufklärung und "nichtreligöser Tod"). Von der frühneuzeitlichen Entwicklung weitgehend ausgespart blieben die katholischen Klöster. IV. Anhand des Brauweiler Nekrologs - letztendlich als Resultat spätmittelalterlich-mönchischer Reformbewegungen - lässt sich eine durch die Bursfelder Reform initiierte Rückbesinnung in der Brauweiler Gedenkpraxis ablesen; diese betraf das (wechselseitige) Gebetsgedenken (mit anderen [Bursfelder] Kommunitäten) und - damit verbunden - der Blick der Brauweiler Mönche des ausgehenden 15. Jahrhunderts auf die (ihre) Geschichte des Klosters. Diese nahm ihren Anfang in der 1024 erfolgten Stiftung der Mönchsgemeinschaft durch Pfalzgraf Ezzo (†1034) und dessen Familie (Fundatio monasterii Brunwilarensis, Chronicon Brunwylrense). Das (geistliche, insbesondere wirtschaftliche) Auf und Ab der mittelalterlichen Klostergeschichte mündete ein in den Vorgang der Bursfelder Reform Brauweilers, die das Kloster als integraler Bestandteil der Bursfelder Kongregation aufwertete und im Rahmen der Neubesinnung auf das Gebetsgedenken (memoriale) Verbindungen zu anderen (Reform-) Klöstern schuf. Brauweiler überstand dadurch die Reformation bei dennoch großen wirtschaftlichen Verlusten und hielt - nachweislich des Nekrologs - an seiner Memorialpraxis bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert fest. Die Abtei ist dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgehoben worden. > B Brauweiler; > Lateinische Literatur > B Brauweiler Kapiteloffiziumsbuch [Buhlmann, 09.2017]

Schmid, Alois, Weigand, Katharina (Hg.) (2007), Bayern nach Jahr und Tag. 24 Tage aus der bayerischen Geschichte, München 2007, 480 S., € 7,95. Vor dem Hintergrund des Jubiläums "200 Jahre Königreich Bayern" entstanden zu "Stichtagen" bayerischer Geschichte folgende Beiträge: I. Winfried Müller, "Nach Jahr und Tag". Zahl und Zeit der Geschichte: Die Zeitrechnung (der Antike und) des Mittelalters und der frühen Neuzeit mit der sich ausformenden modernen Zeitrechnung (julianisch-gregorianischer Kalender, Inkarnationsrechnung, Jahreswechsel am 1. Januar) benötigte "elementare Kulturtechniken" wie Lesen, Schreiben, Rechnen, aber auch die Berücksichtigung von Traditionen innerhalb des Systems der sozialen Zeit. Schon im Spätmittelalter war damit der Weg gelegt zu Jubiläumsjahren, die in Jahrhunderte gehende Zeiträume überbrücken halfen (Anniversarium als Jahrestag, Heilige Jahre der katholischen Kirche im Abstand von 25, 50 und 100 Jahren, Reformationsjubiläen ab 1617). Ein gestiegenes historisches Interesse an Erinnerung in einer sich schnell wandelnden Zeit zeigt sich in der Jubiläumskultur des 19. Jahrhunderts. Und so dienen noch heute Jubiläen als "Hilfskonstruktion" für ein historisches Erinnern. II. Knut Görich, 9. November 777 - Die Weihe des Klosters Kremsmünster: Wahrscheinlich am 9. November 777 erfolgte nach Ausweis einer Gründungsurkunde die Stiftung eines Klosters am nördlichen Ufer der Krems durch den bayerisch-agilolfingischen Herzog Tassilo III. (†788). Die Urkunde schildert ausführlich den Rechtsakt der Stiftung unter Verweis auf die christliche Heilsgeschichte (Predigtarenga), die Motivation für die Gründung (religiöse Motive, Seelenheil) und die Person des Stifters (Tassilo als rangbewusster Herzog in königsgleicher Herrschaft); das Schriftstück enthält die Zuweisung von Gütern an das schon zuvor eingerichtete Kloster (eventuell kurz nach dem Sieg des Herzogs über die Karantanen 772) und die Einbeziehung der Stiftung in die bayerische Herzogskirche (agilolfingische Kirchenherrschaft). Die Urkunde selbst ist nicht als Original erhalten geblieben, sondern abschriftlich als "Sammelurkunde" im Kremsmünsterer Codex Fridericianus (1302). Original ist hingegen der in Kremsmünster aufbewahrte Tassilokelch irischer Kunsttradition (Bischof Virgil von Salzburg) mit Inschriftenverweis auf Tassilo und dessen Gattin Liutpirc. Aus Gründungsurkunde und Gründungsdatum sowie einer Legende um den Tod eines angeblichen Herzogssohnes Gunther entwickelte sich für Spätmittelalter und frühe Neuzeit die Kremsmünsterer Gründungstradition. III. Roman Deutinger, 28. August 876 - Bayern wird zum zweiten Mal Königreich: Bayern erscheint als (Unter-) "Königreich" nach dem Tod Kaiser Karls des Großen (768-814), als dessen Nachfolger Kaiser Ludwig der Fromme (814-840) seinen ältesten Sohn Lothar (I., 814/17-855) Bayern als karolingisches regnum zuwies, gefolgt von seinem Sohn Ludwig dem Deutschen (817-876). Im politischen Auf und Ab der Herrschaft Ludwigs des Frommen blieb Ludwig der Deutsche bayerischer König, um nach Bruderkrieg (840/43) und Vertrag von Verdun (843) den östlichen Teil des Frankenreichs unter seiner Herrschaft zu vereinigen. Ludwig der Deutsche starb am 28. August 876 (Beerdigung im Kloster Lorsch, angeblicher [?] Sarkophag Ludwis, Totengedenken in Niederaltaich, St. Emmeram und Weltenburg), und sein Reich wurde geteilt unter seine drei Söhne; der älteste Sohn Karlmann (876-879) erhielt Bayern und entfaltete von dort und der Pfalz (Alt-) Ötting aus eine Politik, die ihm auch das regnum Italien einbrachte (877). Ein Schlaganfall beendete die Regierungsfähigkeit Karlmanns (879); Karlmanns Brüder setzten sich in den Besitz von Bayern und Italien. IV. Peter Schmid, 8. Dezember 899 - Der Tod Kaiser Arnulfs von Kärnten: Arnulf von Kärnten war der uneheliche Sohn König Karlmanns (876-879); erst mit der Absetzung Kaiser Karls III. (876-887/88) kam er an die Macht, die er über Ostfranken und Italien behaupten konnte (Kaiserkrönung 896, Oberhoheit über die anderen fränkischen Könige). Unklarheiten (von der mittelalterlichen Überlieferung her) bestehen nun bzgl. der Art des Todes (Krankheiten), des Todesdatums (29. November oder 8. Dezember?), des Sterbe- (Regensburg?) und Begräbnisortes (St. Emmeram in Regensburg oder Ötting?). V. Ludwig Holzfurtner, 14. Juli 937 - Der Tod Herzog Arnulfs von Bayern: Arnulfs Vater Liutpold (†907) hatte neben König Ludwig dem Kind (900-911) Bayern als eine Art Vizekönig regiert, als er in der Schlacht bei Preßburg gegen die Ungarn umkam (907). Arnulf gelang die Wiederherstellung des regnum Bavariae nach innen und außen, indem er nach seinem Ungarnsieg am Inn (913) ein Waffenstillstand mit den Angreifern aushandelte. Arnulf nahm also in Bayern eine herzogsgleiche Stellung ein (dux-Titel, Münze, Kanzlei, Siegelführung, Kirchenherrschaft), was ihn in (zeitweisen) Konflikt mit den ostfränkischen Königen Konrad I. (911-918) und Heinrich I. (919-936) brachte (Kämpfe 916, 918, 920, 921). Der Regensburger Vertrag (921) stand für einen Ausgleich zwischen Arnulf und Heinrich; Bayern wurde zu einem wichtigen Bestandteil des ostfränkischen Reiches, Arnulf unterstützte Heinrich in der Schlacht bei Riade gegen die Ungarn (933), wie er auch seinen Sohn Eberhard bei der vergeblichen Erlangung des langobardischen Königtums unterstützte (933/34). Eberhard scheiterte nach Arnulfs Tod (937), Nachfolger seines Vaters in Bayern zu werden; König Otto I. (936-973) setzte nach der Niederlage Eberhards dessen Bruder Berthold als Herzog ein. Nicht zuletzt durch Verwechslung mit anderen Arnulfen geriet Herzog Arnulf schon im Mittelalter in den Ruf, Böses getan und Kirchen und Klöster geschädigt zu haben (angebliche Gütersäkularisierungen, Historiographie Ottos von Freising, Pseudo-Metellus vom Kloster Tegernsee). VI. Alois Schmid, 14. Juni 1158 - Die Gründung Münchens als Beginn der landesherrlichen Städtepolitik in Bayern: Streitigkeiten zwischen dem Bischof Otto I. von Freising (1138-1158) dem bayerischen Herzog Heinrich den Löwen (1155-1180) führten am 14. Juni 1158 zum Augsburger Schied Kaiser Friedrichs I. Barbarossa (1152-1190), der für Heinrich den Weg zur Gründung der Stadt München an der Isar frei machte (mittelalterliche Geografie Münchens: stark besiedelte Münchener Schotterebene, Besitz bayerischer Urklöster Schäftlarn, Wessobrunn, Tegernsee, Weihenstephan, ost-westliche Alt-/Salzstraße, Isarübergang; mittelalterliche Geschichte Münchens: landesherrliche Städtepolitik im bayerischen Herzogtum [Kelheim, Cham, Straubing usw.], civitas München [1221], München wittelsbachisch [ca.1240, hinter dem Vorort Landshut], wittelsbachischs Herrschaftsteilung 1255 und Aufstieg Münchens zum Vorort Oberbayerns). VII. Rudolf Schieffer, 16. September 1180 - Die Belehnung des Pfalzgrafen Otto mit dem Herzogtum Bayern: Nach dem Sturz Herzog Heinrichs des Löwen (1180) fand im thüringischen Altenberg (angeblich?) am 16. September 1180 die Belehnung des wittelbachischen Pfalzgrafen Otto (I., 1180-1183) mit dem bayerischen Herzogtum. Voraufgegangen war der Rangerhöhung der politische Aufstieg der Wittelsbacher von Graf Otto I. von Scheyern (ca.1045) über Otto II. (1070er-ca.1110; Gründung des Hausklosters Eisenhofen), Otto IV. (bayerischer Pfalzgraf ca.1120) bis hin zu Otto V. (als getreuer Parteigänger Kaiser Friedrichs I.; Herzog 1180). Bayern verblieb in der Folge bei den Wittelsbachern (Erblichkeit des Herzogtums 1208, Ansippung der Wittelsbacher an die bayerischen Liutpoldinger, bayerische Wittelsbacher bis 1918). VIII. Volker Rödel, 6. Oktober 1214 - Die Belehnung Herzog Ludwigs I. mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein: Unter dem Sohn Herzog Ottos I., Ludwig I. (1183-1231), gelang den Wittelsbachern ein politisches Ausgreifen nach Westen durch die Belehnung Ludwigs mit der rheinischen Pfalzgrafschaft im Herbst 1214 durch den Stauferkönig Friedrich II. (1198/1212-1250) während der staufisch-welfischen Auseinandersetzungen (1212/15). Im 10. und 11. Jahrhundert waren Hezzonen und Hezeliniden Pfalzgrafen am Nieder- und Mittelrhein gewesen, das 12. und beginnende 13. Jahrhundert sah Hermann III. von Stahleck (1142-1156), Konrad von Staufen (1156-1195) und Heinrich I. von Braunschweig (1195-1214) als Pfalzgrafen im südlichen Mittelrheingebiet (pfalzgräfliche Funktionen innerhalb der Reichsverfassung: Richter in Stellvertretung des Königs, Reichsverweserschaft und Reichsvikariat, Truchsess des Königs, Königswahl). Im Fahrwasser der staufischen Herrscher gelang den Wittelsbachern im Verlauf des 13. Jahrhunderts der weitere zukunftsträchtige Ausbau ihrer Machtstellung in Süddeutschland. IX. Manfred Heim, 28. April 1330 - Die Gründung des Klosters Ettal: Avignonesisches Papsttum (1309-1378) und der damalige Streit zwischen Papsttum und Kaisertum (franziskanisches Mönchtum, Marsilius von Padua) bilden den Hintergrund der Gründung des Klosters Ettal durch Kaiser Ludwig den Bayern (1314-1347) als Gelöbnisstiftung des Herrschers zu Ehren der heiligen Jungfrau (und Klosterstifterin) Maria, konzipiert als Mönchskloster und Ritterstift. Die mit reichem Grundbesitz und Blutbann ausgestattete geistliche Gemeinschaft war territorial u.a. gegen das Bistum Freising gerichtet; das Ritterstift ging nach dem Tod Ludwigs ein. X. Eva Schlotheuber, 14. August 1431 - Die Hussitenschlacht von Taus: Die Verbrennung des Ketzers Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil (1414-1418) im Jahr 1415 führte in Böhmen zur Ausbildung von hussitischen Reformbewegungen gegen Papsttum und katholische Kirche (Kritik Prager Professoren an Papsttum und Konzil 1417, Prager Fenstersturz, Tod des Böhmenkönigs Wenzel 1419, "Vier Prager Artikel" 1420) und in die Hussitenkriege von deutschem König Sigismund (1411-1437) und Papst als Kreuzzug/Kreuzzüge gegen die Hussiten (1420-1431). Der letzte dieser Kreuzzüge kam mit der katastrophalen Niederlage der Kreuzfahrer in der Schlacht bei Taus zu seinem Ende. XI. Hans-Georg Hermann, 8. Juli 1506 - Das Primogeniturgesetz Albrechts IV.: Das wittelbachische Bayern war als Herzogtum im Spätmittelalter immer wieder Teilungen zwischen Geschwistern unterworfen gewesen. Der Teilungspraxis sollte - nach vorausgegangenen Versuchen etwa Kaiser Ludwigs des Bayern - das Primogeniturgesetz Herzog Albrechts IV. (1465/67-1508) ein Ende bereiten. Das "Gesetz" stellte einen zunächst nicht unumstrittenen, auch die bayerischen Landstände einbeziehenden Haus- und Familienvertrag dar, der im 16. Jahrhundert durch die Gemeinschaftsregierung der Albrecht-Söhne Wilhelm IV. (1508-1550) und Ludwig X. (1508-1545) eine Relativierung erfuhr, aber durch damalige faktische Entwicklungen (Albrecht V. [1550-1579] als alleiniger Sohn Wilhelms IV., Primogenituranordnung im Testament Albrechts V. 1578) auch seine Stärkung. XII. Silvia Codreanu-Windauer, 21. Februar 1519 - Die Vertreibung der Juden aus Regensburg: Die im Spätmittelalter in Deutschland stattfindenden Pogrome gingen an den schon seit dem frühen Mittelalter in Regensburg lebenden Juden im Großen und Ganzen vorbei, das Verhältnis zwischen christlicher Obrigkeit (Kaiser, Bischof, bayerischer Herzog) und Judengemeinde ist als gut zu bezeichnen. Dies änderte sich im Verlauf des 15. Jahrhunderts mit dem wirtschaftlichen Niedergang Regensburgs und einer zunehmenden antijüdischen Stimmung in der Stadt. 1519 - beim Tod Kaiser Maximilians I. (1493-1519) - kam es zur Vertreibung der (500 ansässigen) Juden (und 80 Talmudstudenten) aus Regensburg, zur schnell durchgeführten Zerstörung von Synagoge und Judenfriedhof, wobei sich ein Marienwunder ereignet haben soll; dieses war Anlass für den Bau einer Marienkirche und für eine Marienwallfahrt, die allerdings schnell wieder einging, zumal 1542 Regensburg von der protestantischen Reformation erfasst wurde. - Für die frühe Neuzeit die moderne bayerische Geschichte erwähnen wir nur noch: Johannes Burkhardt, 24. April 1523 - Ein "merkwürdiger" Brief Jakob Fuggers an Kaiser Karl V.; Winfried Schulze, 13./14. Oktober 1579 - Die Münchner Konferenz als Auftakt zur Gegenreformation; Maximilian Lanzinner, 25. Februar 1623 - Der Regensburger Deputationstag. Bayern wird Kurfürstentum; Marcus Junkelmann, 25. Dezember 1705 - Die Sendlinger Mordweihnacht; Frank Büttner, 22. Mai 1720 - Die Grundsteinlegung der Würzburger Residenz; Hartmut Schick, 29. Januar 1781 - Die Uraufführung von Mozarts "Idomeneo" in München; Reinhold Baumstark, 7. April 1826 - Die Grundsteinlegung der Alten Pinakothek im München; Katharina Weigand, 1. Juli 1899 - Die Enthüllung des Bismarck-Denkmals am Starnberger See; Hermann Rumschöttel, 1. August 1914 - Der Mobilmachungsbefehl für das bayerische Heer; Dietmar Süß, 16. März 1945 - Die Bombardierung Würzburgs; Ferdinand Kramer, 5. September 1972 - Das Attentat von München; Hans-Michael Körner, 1. Januar 1806 - Bayern und das königliche Jubiläumsjahr 2006. [Buhlmann, 01.2022]

Schmid, Elmar D. (1977), Nördlingen - die Georgskirche (und St. Salvator), Stuttgart-Aalen 1977 > N Nördlingen

Schmid, Karl (1954), Graf Rudolf von Pfullendorf und Kaiser Friedrich I. (= FOLG 1), Freiburg i.Br. 1954, 315 S., DM 8,-. Die Grafen von Pfullendorf lassen sich auf die frühmittelalterlichen Udalrichinger zurückführen, ihre Grafenrechte resultierten aus denen der Grafschaft im Hegau. Ein Graf Ludwig von Stoffeln ist 1100/16 belegt, ein Graf Gero von Pfullendorf 1086/1116. Rudolf von Pfullendorf ist zuerst bei der Gründung des Zisterzienserklosters Salem (1134) nachweisbar, seit 1152 war er ein der wichtigsten Parteigänger Friedrich Barbarossas und konnte den Herrschaftsraum seiner Familie entscheidend ausdehnen (Bregenz, Lindau, Rheineck, Vogtei über das Bistum Chur und das Kloster St. Gallen). Nach dem Tod seines Sohnes Berthold (1167) setzte Rudolf den Kaiser als Erben ein. Der Erbfall trat ein, als der Pfullendorfer bei einer Pilgerreise im Heiligen Land verstarb. Pfullendorf, d.h. die Grafenburg, der Markt und das Dorf waren nun staufisch und wurden 1198 im Gefolge des deutschen Thronstreits verpfändet. [Buhlmann, 10.2006]

Schmid, Karl (1959), Kloster Hirsau und seine Stifter (= FOLG 9), Freiburg i.Br. 1959 > H Hirsau

Schmid, Konrad (2021), Die Bibel. Entstehung, Geschichte, Auslegung (= BSR 2928), München 2021, 128 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, Karten, € 9,95; Schmid, Konrad, Schröter, Jens (2020), Die Entstehung der Bibel. Von den ersten Texten zu den heiligen Schriften, München 2020, 504 S., Abbildungen, € 32,-. I. Definitionen: Zu unterscheiden ist die hebräische Bibel des Judentums vom christlichen Alten Testament, das zusammen mit dem Neuen Testament wiederum Teil der Bibel(n) des Christentums ist. Altes und Neues Testament sind von ihrer Anlage her insofern verschieden, als die hebräische Bibel Abbild der Religion des jüdischen Volkes ist, das Neue Testament hingegen die Religion einer religiösen Gruppe (Sekte) im römischen Reich darstellt. II. Entstehung, Inhalte (Altes Testament): Die Entstehung der hebräischen Bibel setzt eine gewisse Staat- und Schriftlichkeit in den hebräischen Gemeinwesen Israel und Juda als Königreiche voraus, die in gewisser Weise ab dem 9./8. Jahrhundert v.Chr. gegeben waren. Die Produktion biblischer Texte hielt dann in der Zeit des babylonischen (und ägyptischen) Exils der Juden, in der persischen und hellenistischen Zeit an, wobei es immer wieder zur Überarbeitung von biblischen Stoffen kam. Im Einzelnen sind die Anfänge hebräischer Schriftkultur ablesbar an Inschriftenfunden (Bileam [9. Jahrhundert v.Chr.], Siloah [8. Jahrhundert v.Chr.]), die ersten biblischen Literaturen (frühe Psalmen, Weisheitssprüche) standen im Zusammenhang mit dem jüdischen Tempelkult in Jerusalem und der jüdischen Kultreligion vor der babylonischen Exilszeit. Auch die prophetische Überlieferung (Prophetenerzählungen, Vordere Propheten) als Prophezeiungen und Warnungen (etwa vor dem Hintergrund des Untergangs des Reiches Israel [722 v.Chr.]) gehört hierher, ebenso die Aktualität von Ursprungsmythen (Abraham, Jakob usw. als Erzeltern Israels; Mose und der Exodus aus Ägypten). Rechtstexte datieren bis in die persische Zeit, das Deuteronomium als Gottesrecht ("Rechtssätze göttlicher Autorität", Auslegung des Rechts) ist hierfür zentral. Die babylonische Zerstörung des Ersten Jerusalemer Tempels (587 v.Chr.) und die jüdische Exilszeit spiegeln sich in den Klageliedern der hebräischen Bibel wider, die Erzählungen der Tora sind als Zeugnisse des frühen Judentums Erzählungen unter dem rückprojizierenden Eindruck des babylonischen Exils (und spielen somit vielfach "exilisch" außerhalb des "Gelobten Landes" Israel) und sind weitgehend in der nachexilischen Zeit des sog. Zweiten Tempels (ab ca.515 v.Chr.) unter dem Einfluss von "Theokratie und Eschatologie" (Priesterschaft, Gerichtsprophetie) entstanden. In die Perserzeit fiel also die Formierung der Tora, deren Religions- und Rechtsnormen sich in der Folgezeit nach und nach durchsetzten. Nachexilisch-persisch sind wesentlich auch die Chronikbücher (Könige David, Salomo nachgebildet den persischen Großkönigen Kyros, Dareios I.), weiter die eschatologischen Texte der Hinteren Propheten (Jeremia, Ezechiel) mit ihren Offenbarungen (Apokalypsen) und Toraerläuterungen oder das Buch Hiob, prototypisch für eine neue Sicht auf den Menschen, der als Mann und Frau, als Individuum eigenverantwortlich Gott gegenübertritt. Das Zeitalter des Hellenismus war gekennzeichnet von griechischen Einflüssen auf das Judentum, wie sie sich etwa in der griechischsprachigen Septuaginta niederschlugen oder im Zusammengehen von jüdischer Tradition und griechischem Denken (Weisheitsschriften, Tora als "schriftgewordene Weisheit"). Darüber hinaus war die hellenistische Epoche geprägt durch das Aufkommen einer jüdischen Apokalyptik als besonderer Art von Geschichtsbetrachtung und -theologie (Henochbücher, Daniel, 4. Esra, Kohelet). Die Epoche des Zweiten Tempels kam mit dessen Zerstörung zu ihrem Ende (70 n.Chr.). III. Entstehung, Inhalte (Neues Testament): Neben der hebräischen Bibel, die nur im Großen und Ganzen als christliches Altes Testament begriffen werden kann, entstand auf Griechisch im 1./2. Jahrhundert n.Chr. das christliche Neue Testament; das Alte Testament diente dem Christentum dabei als Hindeutung auf das Neue. Die Heilsgeschichte um Jesus Christus wurde im Rahmen der entstehenden christlichen Kirche (überregionale Kirchenorganisation) ab den 50er-Jahren verschriftlicht, angefangen bei den Briefen des Apostels Paulus (christlicher Glauben und Gerechtigkeit); im sich ausformenden Neuen Testament sollten die Evangelien (Logienquelle Q, Jungfrauengeburt, Tod und Auferstehung, Christus als Logos; Evangelien der verschiedenen Perspektiven) und die Apostelgeschichte eine zentrale Stellung einnehmen, hinzu traten weitere Briefe und die Offenbarung des Johannes. Die Kanonisierung des Neuen Testaments bei Aussonderung von apokryphen Schriften (2./3. Jahrhundert) bildete dann den Abschluss der christlich-griechischen "Vollbibeln", denen im Bereich des Alten Testaments eine ebensolche Kanonisierung der hebräischen Bibel voraufging (1./2. Jahrhundert). IV. Entwicklungen: Auch die Entstehung eines einheitlichen Bibelkanons trug dazu bei, dass sich Judentum und Christentum (schließlich) als Buchreligionen verstanden. Dazu gehört, dass sich der Begriff "heilige Schrift" mit dem Alten und Neuen Testament als eine durch Gott als "Theographen" inspirierte Schriftensammlung verband. Im Christentum traten zum Hebräischen und Griechischen als Sprachen der Bibel noch in der Antike Latein (Vulgata), Syrisch (Peschitta), Georgisch, Armenisch oder Gotisch hinzu; die christliche Bibel sollte auch in Mittelalter und früher Neuzeit in die Volkssprachen übersetzt werden (Bibelübersetzung Martin Luthers). Die Übersetzungen beförderten zweifelsohne die Auslegungsmöglichkeiten der Bibel, die zumindest im europäischen Mittelalter in Übereinstimmung mit der christlich-kirchlichen Lehre zu erfolgen hatte (Literalsinn, Allegorie, moralischer Sinn, eschatologisch-anagogische Dimension der Bibelinterpretation). Reformation, Aufklärung und Bibelkritik lieferten in der europäischen Neuzeit neue Zugänge zu Altem und Neuem Testament. Auch im Judentum erlangten Bibelauslegungen und -erweiterungen (als angeblich von Mose begründete mündliche Tora) in der Form von Mischna, Gemara oder Talmud eine wichtige Rolle. Über die engeren religiösen Bereiche von Christentum und Judentum hinaus entfaltete und entfaltet die (christliche, hebräische) Bibel (u.a. bei der Propagierung monotheistischer Gottesvorstellungen bei Trennung von Gott und Welt) Wirkungen auf den Gebieten von Kunst und Kultur, von (Wohlfahrts-) Staat und Gesellschaft (Ethik, Recht, Normen). Nicht zuletzt spielen Judentum, Christentum und Islam als (biblische) Buchreligionen im globalen Religionswettbewerb noch heute eine überragende Rolle. [Buhlmann, 06.2021, 03.2022]

Schmid, Peter (1989), Der Gemeine Pfennig von 1495. Vorgeschichte und Entstehung, verfassungsgeschichtliche, politische und finanzielle Bedeutung (= SHKBAW 34), Göttingen 1989, 626 S., € 9,-. Im Rahmen der Reformbestrebungen im römisch-deutschen Reich am Ende des Mittelalters unter König Maximilian I. (1493-1519) spielte der Gemeine Pfennig als allgemeine Steuer der Reichsbewohner eine Rolle. Doch scheiterte dieses hauptsächlich vom Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg (1484-1504) betriebene Projekt letztlich an der Durchführbarkeit der Steuererhebung und am zu geringen Ertrag. Die Reichssteuer war eine Steuer auf Personen (Kopfsteuer), nicht auf Vermögen, sie sollte Kriegssteuer sein und innenpolitischen Zwecken bei Recht und Frieden (Reichskammergericht) dienen, der Steuersatz war niedrig gehalten. Beschlossen wurde der Gemeine Pfennig auf dem Wormser Reichstag von 1495, doch stellten sich alsbald die eben erwähnten Unzulänglichkeiten heraus, die auch König Maximilian von dieser Art der Steuer abrücken ließen. Dabei verbanden sich die Unzulänglichkeiten gerade mit der territorialen Gliederung des deutschen Reiches. Das Einsammeln der Reichssteuer oblag den Landesherren und Reichsständen; in einigen Territorien bestanden Spannungen zwischen Landesherrn und Landständen, der Adel pochte auf seine Steuerprivilegien, es gab Gebiete, wo sich territoriale Herrschaftsrechte überschnitten. Auch die von Maximilian gewünschte alleinige Verfügung über die eingenommene Reichssteuer führte zu Widerständen (Reichsschatzmeister, Rolle des Reichskanzlers), wie die Reichstage von Lindau (1496/97), Worms (1497) und Freiburg (1497/98) zeigen. Für Berthold von Henneberg besaß der Gemeine Pfennig zudem eine verfassungspolitische Dimension im Zusammenhang mit einem ständisch-zentralistischen Reichsregiment. Doch drang er mit solchen Vorstellungen insbesondere bei den Reichsfürsten nicht durch. Die Reichssteuer scheiterte an deren Widerstand, Nichtinteresse und Eigeninteresse. Der Augsburger Reichstag von 1500 ersetzte im Wesentlichen den Gemeinen Pfennig durch eine Reichshilfe, die Truppengestellung und Geldleistungen kombinierte. [Buhlmann, 09.2016]

Schmid, Ulrich (2015), Technologien der Seele. Vom Verfertigen der Wahrheit in der russischen Gegenwartskultur (= es 2702), Berlin 22016 > S Sowjetische Geschichte

Schmidbauer, Wolfgang (1991), Psychologie. Lexikon der Grundbegriffe (= rororo Handbuch 16335), Reinbek b.H. ?1998 > P Psychohistorie

Schmidt, Georg (1995), Der Dreißigjährige Krieg (= BSR 2005), München 21996 > D Dreißigjähriger Krieg

Schmidt, Georg (2018), Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, München 2018, 810 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 32,-. I. Voraussetzungen: Der Dreißigjährige Krieg in Mitteleuropa (1618-1648) wurde aus vielen frühneuzeitlichen Entwicklungen gespeist: Humanismus und Reformation erzeugten Ungewissheiten, Ängste und Freiheiten ("Deutsche Freiheit" und "Reichs-Staat"; Türkenkriege, Türkenangst und "deutsche Nation"; "Vaterland"); die Konfessionalisierung (lutherischer Protestantismus, reformierter Glauben [und "Zweite Reformation"]) verband einheitlichen (katholischen, lutherischen, reformierten) Glauben mit Territorialisierung und Staatlichkeit (allerdings bei Glaubenssynkretismus und unzureichender Glaubensbegrifflichkeit), verband sich aber auch mit Unabhängigkeitsbestrebungen (Achtzigjähriger Krieg zwischen den niederländischen Provinzen und Spanien) und staatlicher Krise (französische Religions- und Bürgerkriege), um auch im Reich im letzten Fünftel des 16. Jahrhunderts einen brüchigen Religionsfrieden entstehen zu lassen (Truchsessischer Krieg 1582/88, Straßburger Krieg 1592/93). Hinzu kamen: der Klimaumschwung hin zur Kleinen Eiszeit (ca.1560), eine wachsende gesellschaftliche Ungleichheit (Krisen als Umverteilungskonflikte), Judenausgrenzung, Hexenwahn und -verfolgung. Kumulieren sollte diese vielgestaltige Entwicklung u.a. in der politischen Formierung von protestantischer Union (1608) und katholischer Liga (1609) als konfessionelle Bündnisse im "Reichs-Staat". II. Vorgeschichte: Konfliktzonen taten sich u.a. auf im Fall der 1608 durch bayerische Truppen besetzten Reichsstadt Donauwörth, im Streben des bayerischen Herzogs Maximilian I. (1597-1651) nach der Kurwürde, im allerdings durch den Vertrag von Xanten (1614) beigelegten Jülich-Klevischen Erbschaftsstreit (1609), in den vielfach in konfessioneller Gemengelage verharrenden habsburgischen Stammländern (Österreich, Ungarn, Böhmen) zwischen Kaiser Rudolf II. (1576-1612) und (protestantischen) Ständen, zwischen "Langem Türkenkrieg" (1593-1606) und innerhabsburgischen Auseinandersetzungen. Die politischen Akteure traten dabei für den Frieden nicht aktiv ein, beharrten auf ihren politischen Positionen bei unübersichtlichen, nicht ausschließlich konfessionell bedingten politischen Bruchzonen (politisches Miteinander von Kursachsen und Habsburger, politisches Gegeneinander zwischen Bayern und Habsburg, Reformationsjubiläum 1617 bei protestantischer Uneinigkeit). Krieg wurde daher zunehmend als Möglichkeit der Konfliktlösung betrachtet, das politisch zersplitterte Heilige Römische Reich lud zudem auswärtige Mächte (Frankreich, Spanien; französisch-habsburgischer Gegensatz) zu kriegerischer Intervention ein, während am Anfang des 17. Jahrhunderts Kriege und Aufstände Europa insgesamt erschütterten (Spanien-Frankreich, Habsburg-Venedig, Schweden-Dänemark, Savoyen-Spanien; Theatrum Europaeum). Dabei spielten konfessionelle Interessen gegenüber den Machtinteressen von Dynastien und Staaten eine untergeordnete Rolle und wurden propagandistisch vorgeschoben. Dem entsprach der Rückgriff auf ein konfessionelles bipolares Deutungsschema anlässlich der politischen Krise im Königreich Böhmen, die am Anfang des Dreißigjährigen Krieges stand. III. Auftakt: Die Schwäche der habsburgischen Herrschaft Kaiser Matthias' (1612-1619) und König Ferdinands II. (ab 1617, Kaiser 1619-1637) in Böhmen gegenüber den meist protestantischen Ständen entlud sich in einer Vielzahl von Konflikten, schließlich im Überfall böhmischer Magnaten auf zwei habsburgische Statthalter im Prager Hradschin (Prager Fenstersturz, 23. Mai 1618). Der böhmische Aufstand gegen die Habsburger unter konfessionellen Vorzeichen war die Folge, begleitet vom Erscheinen eines Kometen, der in der damaligen Publizistik (Kometenschriften) vielfach als Bote eines Krieges oder der Apokalypse gedeutet wurde. Der Krieg war zunächst auf Böhmen und umliegende Länder beschränkt (böhmische Belagerung Wiens), u.a. Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz (1610-1623) fungierte als Reichsvikar, um den Krieg einzudämmen und um schließlich doch durch Wahl der böhmischen Stände böhmischer König zu werden (August 1619). Da zur selben Zeit der Habsburger Ferdinand II. im Kurkolleg zum römisch-deutschen König gewählt wurde, standen die Zeichen auf eine Böhmen überschreitende kriegerische Konfrontation (Münchner Abkommen zwischen Ferdinand II. und Bayernherzog Maximilian I., Oktober 1619), während die Machtstellung Friedrichs in Böhmen bei fehlender Hilfe durch die protestantische Union und Vorrücken spanischer Truppen in Deutschland zerfiel. Der Sieg der kaiserlichen Truppen unter dem Grafen Johann Tserclaes von Tilly in der Schlacht am Weißen Berg (bei Prag, 8. November 1620) beendete den böhmischen Aufstand und die Herrschaft des "Winterkönigs" Friedrich über Böhmen; Böhmen wurde dem habsburgischen Länderkonglomerat wieder eingegliedert, Rekatholisierungsmaßnahmen schufen unter Ausschaltung der Stände die Grundlage für die "frühabsolutistische" Herrschaft des habsburgisch-böhmischen Königs Ferdinand ("verneuerte Landesordung" 1627). IV. Krieg: Die Niederschlagung des böhmischen Aufstands sollte indes auch außerhalb Böhmens zu massiven Kampfhandlungen führen, die auch nach Wiedereingliederung Böhmens ins Habsburgerreich nicht aufhören sollten, zumal unter den wirtschaftlichen Bedingungen der Kipper- und Wipperzeit (Anfang 1620er-Jahre) und den politischen der Ächtung Friedrichs, der im Exil lebte, und der Übertragung von dessen Kurwürde auf den bayerischen Herzog (Kurbelehnung 1623). Die linksrheinische Kurpfalz war spanisch besetzt, protestantische Bündnisse auch außerhalb der Reichsgrenzen (England, Dänemark, Schweden) scheiterten im Wesentlichen, politische Kompromisse waren vor dem Hintergrund des konfessionellen Gegeneinanders bei Festschreibung der bisherigen Reichs- und Religionsverfassung nicht möglich. Mit der Besetzung der rechtsrheinischen Kurpfalz durch spanische Truppen sowie der Oberpfalz durch bayerische kam die Kurpfalz zu ihrem Ende (1621/23), wobei protestantische Armeen unter Graf Ernst von Mansfeld, Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach oder Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel u.a. gegen die kaiserlichen Truppen unter Tilly zeitweise anhaltenden Widerstand zu leisten vermochten (spanische Besetzung des Herzogtums Jülich, Schlachten bei Mingolsheim und Wimpfen 1622, Belagerung Heidelbergs 1622, Abtransport der Bibliotheca Palatina nach Rom 1623). Unterdessen setzte sich Kaiser Ferdinand II. zunehmend in seinen Erblanden, auch in Ungarn gegen den Fürsten von Siebenbürgen, durch, während die protestantische Union zu ihrem Ende gekommen war und die protestantischen Reichsterritorien in Mittel- und Norddeutschland in den Sog des Krieges gerieten. Die Landgrafschaft Moritz' von Hessen-Kassel (1592-1627) wurde von einer Armee der katholischen Liga besetzt (1623/25), der Krieg verlagerte sich in den Norden des Reiches, wo die aufständischen Niederlande, der dänische König und die potestantischen Stände im Reich um eine einheitliche militärische Linie gegen die vordringenden Ligatruppen unter Tilly rangen. König Christian IV. von Dänemark (1588-1648) als Reichsstand sah sich so zunehmend in der Rolle eines Verteidiger der Protestanten. Unterstützt wurde Christian, der auch Kreisoberst des niedersächsischen Reichskreises war, durch die protestantischen Kreisstände, die Niederlande und England (Haager Allianz 1625), doch endete sein Vordringen nach Süden in einem Misserfolg (Schlacht bei Lutter 1626), während Truppen unter dem kaiserlichen Feldherrn Albrecht von Wallenstein, der als Herzog von Friedland (1625-1635) und Kriegsunternehmer den Krieg kommerzialisierte (Salpeter- und Waffenherstellung, Logistik und Heeresversorgung, Armeefinanzierung, Werbung und Söldnertum, Armeeumfang), das dänische Jütland besetzten (1627). Der (Separat-) Frieden von Lübeck (1629) beendete das militärische Eingreifen des Dänenkönigs, während Wallenstein zudem (pfandweise) Herzog von Mecklenburg geworden war (1628). Das Jahr 1629 sah sich Kaiser Ferdinand II. auf dem Höhepunkt seiner Macht und seiner (gegen die Reichsstände gerichteten) monarchischen Ambitionen (Eingreifen kaiserlicher Truppen in Polen [Waffenstillstand von Altmark], Oberitalien [Herzogtum Mailand] und den Niederlanden [Herzogenbusch]); der Herrscher verfügte im Restitutionsedikt (1629) die Wiederherstellung der nicht reichsunmittelbaren Kirchengüter gemäß dem Stand des ("Normal"-) Jahres 1552 bei Aushebelung des Augsburger Religionsfriedens (1555), musste aber unter dem Druck u.a. der Kurfürsten bald einlenken (1630). Zudem waren es die ausländischen Mächte Schweden und Frankreich, die nun auf Seiten der protestantischen Partei im Reich und der "deutschen Libertät" gegen den Kaiser eingriffen. Den großräumigen schwedischen Eroberungen unter König Gustav Adolf (1611-1632; Zerstörung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen 1631, Vertrag von Bärwalde 1631, schwedischer Sieg bei Breitenfeld 1631, Schlachten von Rain am Lech 1632, an der Alten Veste 1632, bei Lützen 1632 [Tod Gustav Adolfs]) folgten die Eindämmung der schwedischen Macht (Schlacht bei Nördlingen 1634) und der Prager Frieden zwischen Kaiser und sächsischem Kurfürsten (1635). Letzterer schuf zwar einen Ausgleich zwischen dem Kaiser und Ständen bei Rücknahme des Restitutionsedikts ("Normaljahr" 1627), doch verblieben die ausländischen Truppen weiterhin im Reich, der Dreißigjährige Krieg sollte sich durch den Eintritt Frankreichs in den Krieg gegen (Spanien [Französisch-Spanischer Krieg 1635-1659] und) den Kaiser (und das Reich) (1635/36) zu einem europäischen Konflikt im Reich ausweiten. Gegen die verbündeten Mächte Schweden und Frankreich (Bündniserneuerung 1641), die das Reich verheerten, war dabei schwer anzukommen, zumal auch Dänemark und Siebenbürgen sich wieder am Krieg beteiligten. Das Zustandekommen des Regensburger Reichstags (1640) und Verhandlungen zur Reichsverfassung wurden endlich (ab 1643) durch Friedensverhandlungen ergänzt, während einzelne Reichsstände aus dem Krieg ausschieden (Separatfrieden mit Brandenburg 1641, Braunschweig 1642, Kursachsen 1645, Bayern 1647) und die Habsburgermonarchie unter Kaiser Ferdinand III. (1637-1657) und das mit den Habsburgern verbündete Kurbayern politisch-militärisch ins Hintertreffen gerieten (Schlachten von Breitenfeld 1642, Tuttlingen 1643, Herbsthausen 1645, Nördlingen 1645, Zusmarshausen 1648). V. Die Friedensverhandlungen im katholischen Münster und protestantischen Osnabrück endeten schließlich mit dem Westfälischen Frieden (1648; Instrumentum Pacis Monasteriense, Instrumentum Pacis Osnabrugense), der völkerrechtlich (und über das Reich hinaus, d.h. in europäischem Rahmen ["Westfälisches System"]) das Verhältnis zwischen Kaiser und Reichsständen definierte auf der Grundlage von Landeshoheit (ius territoriale), Bündnisfreiheit der Territorialherren und Fortschreibung des Ausgburger Religionsfriedens bei Anerkennung der drei (katholischen, lutherischen, reformierten) Konfessionen und eingeschränkten konfessionellen Freiheit der Untertanen in den Territorien ("Normaljahr" 1624, "geistlicher Vorbehalt", bikonfessionelle Reichsstädte und Territorien); aus dem Reichsverband schieden damals (rechtlich, faktisch) aus die Vereinigten Niederlande (Achtzigjähriger Spanisch-Niederländischer Krieg 1568-1648) und die Schweizer Eidgenossenschaft. VI. Im kulturellen Gedächtnis der Bevölkerung in Deutschland blieb der Dreißigjährige Krieg mit seinen Toten und seiner Verrohung (Soldaten gegen Bauern, Bauern gegen Herrschaft, Plünderungen, Folter, Exekutionen) als "irdische Apokalypse" präsent, als Erfahrung, die verarbeitet werden musste. So wirkte der Krieg auf Schule und Wissenschaft (Schulwesen, Universitäten, Wissenschaft und Pragmatismus), auf Architektur und Kunst (Barock), auf Literatur und Musik (Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Simplicius Simplicissimus; Heinrich Schütz). Die Bewältigung des Krieges fand statt mit der Akzeptanz der im Westfälischen Frieden vereinbarten Regelungen zu den Konfessionen, wobei sich die Lutheraner mit den Reformierten schwertaten, die Katholiken mit ihren hohen Erwartungen und konfessionelle Freiheiten gegen die Obrigkeiten standen. Zumeist obrigkeitliche Friedensfeiern zum alsbald publizierten Westfälischen Frieden betonten die Pflichten der Untertanen in den deutschen Territorien zu Gehorsam, Disziplin und Bußfertigkeit; die Vorteile des Friedens wurden in Abgrenzung zum Krieg betont (Gothaer Friedensfest 1650, bildliche Darstellungen des Triumphwagens des Friedens, Friedensfeuerwerke usw.). Auf Dauer sollte sich der Westfälische Frieden als neues Reichsgrundgesetz verfestigen, der Dreißigjährige Krieg geriet indes in Vergessenheit, bis die Französische Revolution (1789) und die Koalitionskriege der napoleonischen Ära bzw. das Ende des Alten Reiches (1806) diesen Krieg wieder in den Vordergrund rückten (Friedrich Schiller, Geschichte des Dreißijährigen Krieges [als Freiheitskampf], Wallenstein-Trilogie; Dreißijähriger Krieg und napoleonisches Zeitalter als Leidenszeit; Befreiungskriege). In der Moderne des 19. bis 21. Jahrhunderts stilisierten Geschichtsschreiber den Dreißigjährigen Krieg zur "Urkatastrophe", verwendeten ihn im Gegeneinander protestantischer und katholischer Geschichtsschreibung oder als Argument für eine preußisch-kleindeutsche Lösung eines deutschen Nationalstaats (1848er-Revolution, deutsches Kaiserreich). Auch die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts beeinflussten die je eigene Sicht auf den Mythos "Dreißigjähriger Krieg". Zusammenfassend bedeutet der Westfälische Frieden als Ende des Dreißigjährigen Krieges jenseits von Heilsgeschichte oder Freiheit ein Plädoyer für politische Komplexität und gesellschaftlich-religiöse Vielfalt in einer "akzeptierten Verfassungsordnung", die Freiheit und auch die spätere deutsche Nation in sich barg. > D Dreißigjähriger Krieg [Buhlmann, 04.2018]

Schmidt, H.D. (1952), The Nazi Party in Palestine and the Levant 1932-1939, in: International Affairs 28 (1952), S.460-469 > P Palästina, 1933-1939

Schmidt, Heinrich, Schmidt, Margarethe (1981), Die vergessene Bildersprache christlicher Kunst (= BSR 1741), München 22018, 336 S., Schwarzweißabbildungen, € 16,95. I. Tierdarstellungen: Die Beziehungen zwischen Mensch und Tier reichen weit in die ur- und frühgeschichlichte Zeit zurück. Das Tier war eine wichtige Lebensgrundlage der Jäger- und Sammlerkulturen des Homo sapiens in der Alt- und Mittelsteinzeit, es wurde vor dem Hintergrund, dass Tiere größer und kräftiger waren oder über andere besondere Eigenschaften verfügten, gefürchtet, bewundert und getötet. Die Macht der Tiere wurde durch Bildmagie und Tierkult gebannt oder vergött-licht, Götter wurden mit Tierattributen versehen. Auch im Judentum und in dessen Gefolge im Christentum hat das Tier seine Bedeutung, angefangen von der göttlichen Erschaffung von Mensch und Tier sowie der die Überlegenheit des Menschen demonstrierende Benennung der Tiere durch Adam im biblisch-alttestamentlichen Buch Genesis, während die Bibel den Tierkult um das Goldene Kalb im Buch Exodus selbstverständich ablehnt. Das Alte Testament enthält noch mehr "Tiergeschichten": die Geschichte um die Arche Noah und die Sintflut, den Kampf zwischen Samson und dem Löwe, das Geschehen um Jona und den Wal, die Geschichte von Daniel in der Löwengrube, die heilsgeschichtliche Deutung von Jesus Christus als (Passah-, Opfer-) "Lamm Gottes" oder "Christuslamm". Vielfach werden im Alten und Neuen Testament biblische Tiere im Heiligen Land verortet. Schon im frühen Christentum wurden auf der Grundlage der allegorischen Deutung, der Bilderwelt der Bibel auch die darin vorkommenden Tiere und Tierverweise symbolisch gedeutet. Das Tier stand mit seinen Attributen als Sinnbild und Symbol für Christus, für bestimmte, von Christen zu erstrebende Eigenschaften usw. Ein Tier konnte in einem religios-christlichen Zusammenhang positiv besetzt sein, in einem anderen negativ. Außerdem unterlagen Äußerungen über bestimmte Tiere und Tierdarstellungen in den Jahrhunderten des Mittelalters durchaus wechselnden Ansichten und Moden. Zur Bibel traten der aus dem Antike stammende Physiologus, mittelalterliche Bestiarien und Tierfabeln hinzu. (Symbolisch zu deutende) Darstellungen finden sich so zu realen Tieren und zu Fabelwesen: Adler, Drache, Einhorn, Fisch, Greif, Hirsch, Kentaur, Lamm, Löwe, Ochse und Esel, Pelikan, Pfau, Phönix, Schlange, Sirene, Taube u.a.m. II. Engeldarstellungen: Gemäß antik-mittelalterlichem Glauben kam auch den Engeln im Christentun eine besondere, durchaus einem zeitlichem Wandel unterworfene Rolle zu. U.a. das mittelalterliche Christentum ging von der Existenz von Engeln von der Schöpfung (Engelschöpfung und -sturz [Luzifer, Hölle]) bis zum Jüngsten Gericht aus; organisiert waren die Engel im Himmel in Engelchören (Engelhierarchie: 1. Triade: Cherubim, Seraphim, Throne; 2. Triade: Herrschaften, Mächte, Gewalten; 3. Triade: Fürstentümer, Erzengel [Gabriel, Michael, Raphael, Uriel], Engel; [10. Chor: Heilige, Selige]). Cherubim und Sepharim werden als geflügelte Wesen dargestellt; die Erzengel sind mit Attributen versehen, etwa Michael als Schutzherr des Christentums und Kämpfer gegen das Böse, als Seelengeleiter oder Seelenwäger. Dargestellungen finden sich auch vom Engeldienst (Gottesdienst, Schutzengel). III. Mariendarstellungen: Die heilige Jungfrau und Gottesmutter Maria spielte im mittelalterlichen Christentum eine große Rolle, ablesbar an der Vielfalt der Marienverehrung, die unterschiedliche Aspekte um die Person der Mutter Jesu betraf: Von der thronenden Himmelskönigin zur barmherzigen Mutter, von der schönen Madonna zur Schmerzensmutter, von der Himmelskönigin zur Bürgersfrau erstreckte sich das Spektrum der Mariendarstellungen zumindest in der westlich-katholischen Christenheit. Im östlich-orthodoxen Christentum genoß Maria als thronende Gottesmutter, Siegbringerin und sich erbarmende Gottesmutter hohes Ansehen. Aus diesen Ansichten über Maria resultierten die Mariendarstellungen in den Marienleben, mit Maria als Teil der heiligen Familie, mit Maria als Schmerzensfrau und -mutter, als (Schutzmantel-) Madonna und Himmelskönigin, mit Maria im Tod und bei der Himmelfahrt usw. [Buhlmann, 09.2021]

Schmidt, Helmut (1987), Menschen und Mächte, Gütersloh 1987, 478 S., Schwarzweißtafeln, DM 48,-, schildert - gerade auch unter Einbeziehung persönlicher politischer Begegnungen z.B. während der deutschen Kanzlerschaft Schmidts (1974-1982) - die politischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Weltmächten Sowjetunion (von der Ostpolitik bis zum NATO-Doppelbeschluss), Vereinigte Staaten von Amerika (wirtschaftliche und politische Probleme, Außenpolitik der USA u.a. im Nahen Osten) und Volksrepublik China (kommunistische Weltmächte China und Sowjetunion, Japan und der pazifische Raum) hauptsächlich in den 1970er- bis 1980er-Jahren. [Buhlmann, 04.2019]

Schmidt, Helmut (1996), Weggefährten. Erinnerungen und Reflexionen (= Siedler Tb 75515), Berlin 51998, 575 S., Schwarzweißabbildungen, € 2,99. Autobiografisch werden von Helmut Schmidt Personen geschildert, die sein Leben begleitet und beeinflusst haben. Sie stammten aus unterschiedlichen Weltregionen und Bereichen der (deutschen) Gesellschaft: Kunst, Literatur, Musik, Kultur: Heinrich Böll, Marion Gräfin Dönhoff, Ida Ehre, Herbert von Karajan, Siegfried Lenz, Inge Meysel, Henry Moore, Lilli Palmer, Karl Popper, Axel Cäsar Springer; Wirtschaft: Hermann Josef Abs, Arthur Burns, Karl Klasen, Hermann Rappe, Hanns-Martin Schleyer, Max Warburg; Politik: Rainer Barzel, Willy Berkhan, Willy Brandt, James Callaghan, Fritz Erler, Valéry Giscard d'Estaing, Gerald Ford, Takeo Fukada, Erich Honecker, Henry Kissinger, Teddy Kollek, John McCloy, Alex Möller, Jean Monnet, Anwar as Sadat, Karl Schiller, Manfred Schüler, George Shultz, Franz Josef Strauß, Hans-Jochen Vogel, Herbert Wehner, Richard von Weizsäcker, Deng Xiaoping, Lee Kuan Yew; Kirche: Johannes Paul II., Eduard Lohse, Oswald von Nell-Breuning, Hans-Otto Wölber. [Buhlmann, 11.2020]

Schmidt, Helmut (2004), Die Mächte der Zukunft. Gewinner und Verlierer in der Welt von morgen, München 2004, 239 S., € 19,-. Vor dem Hintergrund von Globalisierung und sich immer weiter verzahnender Weltwirtschaft gibt es globale Gefährdungen: Bevölkerungsentwicklung, soziale Auswirkungen der Globalisierung und des freien Handels, Anfälligkeit der Finanzmärkte, Waffenhandel [, Raubbau an der Erde , Klimaerwärmung, Umwelt]. Einer Überdehnung des "amerikanischen Imperialismus" der Vereinigten Staaten von Amerika stehen als eher bescheidene politische Gegenoptionen die Osterweiterung der Europäischen Union, die wirtschaftlich angeschlagene Nuklearmacht Russland und das wirtschaftlich prosperierende China gegenüber. U.a. ist für Deutschland eine stabile Europäische Union unabdingbar, die EU wird allein auf Grund der Euro-Währung zu einer "ökonomischen Weltmacht" neben den USA und China, ohne militärisch etwa mit den USA gleichziehen zu können und zu wollen. Umso mehr ist erforderlich, dass die Mitgliedsstaaten der EU Einigkeit zeigen und nationalen Egoismen abschwören bei zunehmender Integration der Nationalstaaten in die EU. Dazu gehört auch eine gemeinsame kulturelle Grundlage und Ausprägung der EU (Frieden in Europa, Demokratieverständnis, Staat und Religion, religiöse Toleranz, Bezugnahme auf Völkerrecht und Vereinte Nationen). Gewiss ist jedenfalls, dass die wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen den Nationalökonomien in der Folge der Globalisierung weiter zunehmen werden. [Buhlmann, 01.2019]

Schmidt, Helmut (2008), Außer Dienst. Eine Bilanz, München 72008, 350 S., € 22,95. Der Autor, ehemaliger Kanzler der Bundesrepublik Deutschland (1974-1982), reflektiert sein Leben nach der Kanzlerschaft in persönlich-politischer Ansicht als "politisches Vermächtnis eines großen Staatsmannes" (Erfahrungen mit Freunden, Instititutionen, Netzwerken; Geschichte als Erfahrungshorizont für die Politik; persönliche Erfahrungen; die politische Welt im Wandel [Großmächte, Globalisierung, Rolle des Westens, Rolle Deutschlands]; Gewissen als christlich-ethische Instanz, politische Ethik). [Buhlmann, 10.2022]

Schmidt, Jakob (1962), Hinkmars "De ordine palatii" und seine Quellen, Diss. Frankfurt a.M. 1962 > H Hinkmar von Reims

Schmidt, Ludwig (1942), Geschichte der Wandalen, 21942, Nachdruck München 1970 > V Vandalen

Schmidt, Wieland (1938), Die vierundzwanzig Alten Ottos von Passau (= Palaestra 212), Leipzig 1938 > O Otto von Passau

Schmidt, Wieland (1950), Christus und die sieben Laden. Betrachtungen zur spätmittelalterlichen Literaturgeschichte, in: Redenbacher, Fritz (Hg.) (1950), Festschrift Eugen Stollreither (zum 75. Geburtstage), Erlangen 1950, S.261-284 > C Christus und die sieben Laden

Schmidt-Glintzer, Helwig (1995), Das alte China. Von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert (= BSR 2015), München 1995 > C Chinesische Geschichte

Schmidt-Hofner, Sebastian (2016), Das klassische Griechenland. Der Krieg und die Freiheit (= C.H. Beck Geschichte der Antike, Bd.2 = BSR 6152), München 2016 > G Griechische Geschichte, 5.-4. Jahrhundert v.Chr.

Schmitt, Hans-Jürgen (1991), Mexiko (= dtv merian reiseführer = dtv 3753), München 1991 > M Mexikanische Geschichte

Schmitt, Jean-Claude (2006), Die Bekehrung Hermanns des Juden. Autobiographie, Geschichte und Fiktion, Stuttgart 2006, 398 S., € 28,90 > Lateinische Literatur > H Hermannus quondam Judaeus

Schmitt, Gunter (1992), Burgen der Schwäbischen Alb: Burgruine Hohenhundersingen, in: Schönes Schwaben 1 (1992), S.54f. Die Ortsadelsfamilie von Hundersingen tritt zu Beginn des 12. Jahrhunderts erstmals in Erscheinung (Schenkungen Theobolds und Eberhards von Hundersingen an das Kloster Zwiefalten 1116). Die Hundersinger sind im Gefolge des Stauferkaisers Friedrich II. (1212-1250) nachweisbar (1237), Kontakte mit dem Zisterzienserkloster Salem sind ab der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts bezeugt (1263, 1273, 1302). Die Burg Hohenhundersingen (im Großen Lautertal) reicht wohl bis ins 13. Jahrhundert zurück, 1314 bekam der württembergischen Graf Eberhard I. (1279-1325) hier ein Öffnungsrecht zugestanden, 1352 verkaufte Rudolf von Hundersingen Burg und Besitz (u.a. das Dorf) an Graf Eberhard II. von Württemberg (1344-1392). Das Dorf Hundersingen gelangte 1409 an die Grafen von Kirchberg, die Burg blieb württembergisch und wurde um das Jahr 1530 zerstört, u.a. 1624 als Burgstall bezeichnet. Die erhalten gebliebene Ruine weist Reste einer Vorburg mit Umfassungsmauer und Osttor, dahinter die Kernburg mit Palas und Bergfried (aus Buckelquadern, höchste Stelle der Burg). [Buhlmann, 12.2016]

Schmitz, Christine (2019), Juvenal, Hildesheim-Darmstadt 2019, 248 S., € 17,60. Von dem römischen Satiriker Juvenal (*ca.40-†ca.160 n.Chr.) ist wenig bekannt, selbst seine zeitliche Verortung - außer in der frühen römischen Kaiserzeit - bleibt unklar. Auch erscheint es unzulässig, aus seinen erhalten gebliebenen Satiren Rückschlüsse auf sein Leben zu ziehen (persona-Theorie und Kritik daran). Juvenals überlieferte Stücke gehören zur Gattung der römischen Verssatire (satura) und sind in generischer Polyphonie (Ablehnung, Parodie, Gattungstransformation) in satirischen Sprache (Stil: Oxymoron, Satzabschluss, Hyperbole, Deminutiv; Verstechnik: Hexameter, Wortstellung, Alliteration, Spondiacus, Elision, Hiat) gehalten. 16 Satiren mit ca. 3800 Hexametern und in fünf Büchern (Buch I: Satire 1-5, Buch II: Satire 6, Buch III: Satire 7-9, Buch IV: Satire 10-12, Buch V: Satire 13-16; Satire 16 unvollständig) haben überlebt; deren Inhalte sind: 1: Programmsatire; 2: Verhalten von Mitgliedern der römischen Aristokratie gegen die Norm; 3: Satire auf die Stadt Rom; 4: Fischsatire; 5: Gastmahl; 6: gegen die gesellschaftliche Norm verstoßene Frauen der Oberschicht; 7: Intellektuelle; 8: römische virtus und Geburtsadel; 9: Klagen eines Gigolos; 10: verkehrte Wünsche; 11: Gastmahl bei einem Satiriker; 12: Erbschleicherei; 13: consolatio in einer "verkehrten Welt"; 14: avaritia; 15: Kannibalismus und Dekadenz; 16: Soldatenprivilegien. Die Satireninhalte betreffen gesellschaftliche Probleme (Oberschicht-Unterschicht, Patron-Klient; Luxus; Abweichung von der gesellschaftlichen Norm; Verrohung der Gesellschaft). Die Rezeption der Satiren Juvenals schlägt sich nieder in wenigen Zitaten christlicher Autoren, in Juvenal als Modeautor der Spätantike, in Juvenal als Gesellschafts- und Sittenkritiker in Mittelalter, Renaissance und Reformation, in (früh-) neuzeitlichen Adaptionen von Juvenals Satiren in England und Frankreich (John Oldham, John Dryden, Samuel Johnson; Victor Hugo). > Lateinische Literatur > J Juvenal [Buhlmann, 01.2021]

Schmitz, Walter (Hg.) (1976), Über Max Frisch II (= es 852), Frankfurt a.M. 1976 > F Frisch, Max

Schmitz-Emans, Monika (2004), Einführung in die Literatur der Romantik (= Einführung Germanistik), Darmstadt 2004, 167 S., € 1,-. I. "Romantik" war als Programmbegriff (<- romanz, romantick = "romanhaft, malerisch") das Gegenteil zur "Klassik", akzentuierte die historische Dimension von Kunst, Literatur und Religion (Mittelalterbild, Christentum) unter Bezugnahme auf das Zukünftige und Ewige; der Philosoph Georg Friedrich Wilhelm Hegel verstand unter Romantik "subjektivierte, vergeistigte" Kunst. II. Eingebunden ist Romantik als Stilepoche (nicht nur) deutscher (sondern auch englischer, französischer, spanischer, italienischer, skandinavischer, russischer, nordamerikanischer) Literatur ("Sattelzeit" 1790-1830) historisch zwischen (Französischer) Revolution (Aufklärung, [englische] Vorromantik]) und Restauration. Sie verband sich mit der Philosophie des Idealismus (Johann Gottlieb Fichte, Immanuel Kant) und der Romantik (Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Friedrich Wilhelm Joseph Schilling, Arthur Schopenhauer), mit romantischer Naturwissenschaft und Psychologie (Naturphilosophie, Naturspekulation). Sie war ein Diskurs über Zeit und Zeitlichkeit sowie über Geschichte ("triadische" Geschichte, romantische "Ereignisse"), entwickelte sprachkonzeptuale Vorstellungen (Sprachmagie, Sprachbilder, Sprachtheorie, Übersetzung). III. Romantische Literatur und Kunst setzt sich auseinander mit: Bildern, Landschaften, Musikbetrachtung, Mythen, Poesie, Ironie, Enzyklopädie. Romantische Literatur erscheint als: Roman(form), fiktiv, Lyrik (Lyriktheorie; Clemens Brentano, Heinrich Heine), Lied, Märchen und Märchenkomödien (Ludwig Tieck), Tragödie (Drama; August Wilhelm Schlegel, Friedrich Schlegel, Friedrich Wilhelm Joseph Schilling), Geschichts- bzw. Mythendrama, Welt- und Naturbuch (Naturlehre), Welttheater, Rollenspiel, Gegenbild von Welt und menschlicher Seele (Unterirdisches und Höhlen, Teufel und Dämone, Androiden und Kunstmenschen, Doppelgänger, Prometheus, Narziss, Ewiger Jude [Ahasver], Solipsismus, Nihilismus, radikalisierter Idealismus). IV. An Werken der deutschsprachigen romantischen Literatur sind zu nennen: a) Vor-/Frühromantik: Tieck, Die Sommernacht (1789); Karl von Berneck, Ryno (1791); Tieck, Der gestiefelte Kater (1797); Tieck, Franz Sternbalds Wanderungen (1798); Tieck, Die verkehrte Welt (1798); Jenaer Zirkel um die Gebrüder Schlegel (vor 1800); Heidelberger Romantikerkreis um Achim von Arnim, Bettina von Arnim, Brentano u.a. (1805); Berliner Seraphinenbund (1814); Berliner Serapionsbund um E.T.A. Hoffmann u.a. (1818); b) Mittlere Romantik: Arnim/Brentano, Des Knaben Wunderhorn (1805/06/08); Arnim, Der Wintergarten (1809); Adelbert von Chamisso, Peter Schlemihl's wundersame Geschichte (1814); Joseph von Eichendorff, Ahnung und Gegenwart (1815); Brentano, Die Gründung Prags (1815); Brentano, Geschichte vom braven Kasperl und vom schönen Annerl (1817); Tübinger Schwäbischer Dichterkreis um Justinus Kerner, Ludwig Uhland u.a.; Kerner, Seherin von Prevorst (1829); Wilhelm Hauff, Novellen (-1827); c) Spätromantik: Eduard Mörike, Maler Nolten (1832); Brentano, Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi (1832/33); Tieck, Vittoria Accorombona (1840). Besonders erwähnenswert für das literarische Genre der Romantik sind dann: Tieck, Heinrich Wackenroder, Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (1796/97); Novalis, Heinrich von Ofterdingen (1802); August Klingemann (als Bonaventura), Nachtwachen (1804); Hoffmann, Der Sandmann (1816/17); Eichendorff, Das Marmorbild (1818).
An Literatur der Romantik als Geschichtsquellen seien genannt: Brentano, Clemens (1823), Gockel und Hinkel. Märchen (= RUB 450), 1965, Nachdruck Stuttgart 1982 > B Brentano, Clemens; Eichendorff, Joseph von (1826), Aus dem Leben eines Taugenichts. Novelle (= RUB 2354), Stuttgart 2001 > E Eichendorff, Joseph von; Tieck, Ludwig (1812), Der blonde Eckbert. Der Runenberg (= RUB 7732), Stuttgart 2004, 57 S., € 1,60. > H Hoffmann, E.T.A. [Buhlmann, 11.2017, 06.2018]

Schmökel, Hartmut (1961), Kulturgeschichte des Alten Orient (= KTA 298), Stuttgart 1961 > A Alter Orient

Schmölders, Claudia (Hg.) (1997), Deutsche Kinder. Siebzehn biographische Porträts (= rororo 60779), Reinbek b.H. 1999, 378 S., Schwarzweißabbildungen, DM 16,90, enthält Beiträge zu den Lebensverhältnissen von Kindern im Deutschland vom Mittelalter bis zur Moderne. Im Einzelnen werden beschrieben: Dieter Richter, Welche Sprache sprechen sie? Die wilden Kinder von Kaiser Friedrich II.; Hartwig Weber, Bartlin, Hans Ulrich, Elisabeth. Über Hexenprozesse gegen Kinder; Paul Raabe, Johann Heinrich Schulze. Wunderkind aus Colbitz, Waisenhauskind aus Halle; Martin Blankenburg, Mamsell Dorothea Schlözer. Doktorin der Philosophie anno 1787; Horst Günther, Karl Philipp Moritz oder: Die Erfindung der Kindheit; Irene Hardach-Pinke, Wilhelm von Kügelgen. Jugenderinnerungen eines alten Mannes; Beatrix Borchard, Clara Wieck. Noch ein Kind und schon ein Wunder; Dieter Richter, Minna Meincke oder: Heinrich Schliemanns erste Liebe; John Röhl, "Es lebt und ist ein Prinz!" Die Geburt von Kaiser Wilhelm II.; Rainer Marwedel, Ludwig Klages und Theodor Lessing. (K)eine Knabenfreundschaft; Lorenz Wilkens, Robert Fliess, Sohn von Wilhelm. Das arme Kind der Psychoanalyse; Wolfgang Martynkewicz, Maximin, die Lichtgestalt. Stefan George und sein Abgott; Otto A. Böhmer, Otto Braun, der Frühvollendete. Eine Legende; Ulla Lachauer, Hildchen und Lisbethchen in Sibirien (1914-1920); Elisabeth Pfister, Das gebrannte Kind. Die Tragödie Langgässer-Edvardson; Elmar Kraushaar, Cornelia Froboess - kleiner Start ganz groß. Ein Wirtschaftswunderkind; Marion Titze, Aber ich glaubte aufs Wort. Kindheit in der DDR; Claudia Schmölders, Nachwort: "Das Jahrhundert des Kindes". Über einen Bestseller von Ellen Key aus dem Jahr 1900.
Vgl. dazu noch die pädagogische Literatur zur Erziehung von Kindern und Jugendlichen, u.a.: Piaget, Jean (1972), Theorien und Methoden der modernen Erziehung (= Fischer Tb 6263), Frankfurt a.M. 1974, 278 S., DM 6,80. [Buhlmann, 11.-12.2019]

Schneemelcher, Wilhelm (1981), Das Urchristentum (= Urban Tb 336), Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1981 > S Schnelle, Die ersten 100 Jahre des Christentums

Schneider, Fr. (1884), Arnold II., Erzbischof von Cöln 1151-1156, Diss. Halle 1884 > A Arnold II. von Wied

Schneider, Jean (1951), Note sur l'organisation des mêtiers á Toul, au moyen age, in: Melanges d'histoire du Moyen Age dedies a la memoire de Loius Halphen, Paris 1951, S.659-664. Das mittelalterliche Toul erwuchs aus dem spätantiken castrum (v.310), aus frühmittelalterlichem Bischofssitz und suburbium. Die Stadt nahm im 11. Jahrhundert einen wirtschaftlichen Aufschwung (lokaler Markt, Händler); Stadtherren waren die Bischöfe, u.a. Bruno (1026-1051, Papst Leo IX.) und Poppo (1070-1107), der Graf blieb von der Stadt ausgeschlossen. Für das endende 12. Jahrhundert belegen die Geschichtsquellen die wichtige Rolle von Markt und Kaufleuten (Ministeriale) in Toul. Die Schicht der Kaufleute, Händler und Handwerker sollte im späten Mittelalter wirtschaftlich und politisch gegen Bischof und Geistlichkeit zumindest mitbestimmend in der Stadt werden (Rolle der magisteria [Zünfte, Ämter] in Toul). [Buhlmann, 08.2013]

Schneider, Reinhard (1982), Das Frankenreich (= OGG 5), München 1982 > F > Frankenreich

Schneider, Reinhard (Hg.) (1984), Salem. 850 Jahre Reichsabtei und Schloss, Konstanz 1984 > S Salem

Schneider, Wolf (1994), Deutsch fürs Leben. Was die Schule zu lehren vergaß (= rororo 19695), Reinbek b.H. 172007 > S Sanders, Sprachkritikastereien

Schneider-Ferber, Karin (2014), Aufstand der Pfeffersäcke. Bürgerkämpfe im Mittelalter, Darmstadt 2014, 240 S., Schwarzweißabbildungen, € 19,95. I. Augsburg: Die schwäbische Römer- und Bischofsstadt entwickelte sich im frühen und hohen Mittelalter zu einer wichtigen Handels- und Gewerbestadt, die entstandene Bürgergemeinde emanzipierte sich vom Bischof als Stadtherrn (Stadtrechtsbuch von 1276), Patriziat, "Kleiner" und "Großer Rat" bestimmten die städtische Politik. Fehden der Geschlechter im Ausgburger Umland waren der Anlass zu einem unblutigen Aufstand der Handwerker (1368), dessen Ergebnis der "Erste" und der "Zweite Zunftbrief" und somit die Beteiligung der 17 Handwerkerzünfte bzw. deren Zunftmeister am "Kleinen" und "Großen Rat" (1368; daneben "Gesellschaft der Herren"). In der Folge behauptete sich die neu verfasste Stadtgemeinde gegen auswärtige Fürsten (bayerische Herzöge), wirtschaftlich (Barchentweberei, Fernhandel) und reichspolitisch (Bestätigungsurkunde Kaiser Karls IV. 1374). II. Braunschweig: Das spätmittelalterliche Braunschweig war aus den fünf Weichbilden Altstadt, Hagen, Neustadt, Sack und Altewiek entstanden ("Gemeiner Rat" von 1325). Als Handelsstadt gehörte Braunschweig der Hanse an und war zudem Residenzstadt der welfischen Herzöge. Die unzureichende Partizipation des Großteils der städtischen Bevölkerung an Herrschaft und Politik bei zunehmender Verschuldung Braunschweigs führte wiederholt zu Unruhen, nicht zuletzt in der "Großen Schicht" von 1374. Folge der damaligen Absetzung der Ratsgeschlechter war u.a. der Ausschluss Braunschweigs aus der Hanse, die wirtschaftlichen Einbußen waren schließlich so schwer, dass erst ein Bußritual des neuen Rates in Lübeck (1380) den Ausschluss beendete und eine neue Ratsverfassung unter Beteiligung von Patriziat, Handwerkern und Kaufleuten (1386) die städtische Verfassung auf eine neue Grundlage stellte. III. Erfurt: Die zahlreichen Fehden Erfurts mit dem Umland, die Belagerung der Stadt durch den Wettiner Landgrafen Friedrich den Friedigen (1309) führten 1310 zur Einrichtung des Kontrollgremiums der Vierherren (1310) sowie zur Bildung eines neuen Rates unter Beteiligung der Zünfte. IV. Köln: Köln, die größte Stadt im mittelalterlichen Deutschland, erlebte als Vorort der Niederrheinlande und sancta Colonia unter den Kölner Erzbischöfen im 9. bis 12. Jahrhundert auch einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufstieg. Gegen den Stadtherrn und Erzbischof Anno II. von Köln (1056-1075) entlud sich 1074 ein Bürgeraufstand, der zwar niedergeschlagen werden konnte, den weiteren Aufstieg der Kölner kommunalen Bewegung gerade im 12. Jahrhundert nicht aufhalten konnte (Schwureinung von 1114, Schöffenkolleg, domus civium von 1135, Pfarrgemeinden und Amtleutekollegien [Schreinskarten und -bücher], Stadtmauer von 1179/80, Richerzeche von 1180). Im späten Mittelalter regierten - nicht konkurrenzlos miteinander - Rat ("Enger Rat", "Weiter Rat"), Richerzeche und Schöffenkolleg die Kölner Stadtgemeinde, wobei sich insbesondere der Rat in den Auseinandersetzungen mit dem Erzbischof als Stadtherrn profilierte. Die politisch Mächtigen der Stadtgemeinde gehörten dabei den Geschlechtern an, während die Kölner Handwerker seit dem 12. Jahrhundert zunehmend in Zünften, die Kölner Kaufleuten in Gaffeln organisiert waren. Die Forderungen der Handwerker und Kaufleute nach politischer Mitsprache kumulierten dann in Aufstand und Herrschaft der Kölner Wollweber (1370/71) und in deren Niederlage in der "Weberschlacht" (1371). Es folgten die Restauration der Geschlechterherrschaft bei Machtkämpfen zwischen den Patriziern ("Greifen" gegen "Freunde"; Auflösung der Richerzeche 1392) und der Kölner Aufstand von 1396, der in den "Verbundbrief" von 1396 und der politischen Mitsprache von 22 Handwerker- und Kaufleute-Gaffeln einmündete (Neuorganisation des Rates u.a.). Der "Verbundbrief" blieb als "Kölner Grundgesetz" bis zum Jahr 1794 in Kraft. V. Leipzig: Die Stadtentwicklung des günstig an Handelsstraßen gelegenen Leipzig vollzog sich unter Einflussnahme der Markgrafen von Meißen insbesondere im 12. und 13. Jahrhundert. Die Gründung des Leipziger Augustinerchorherrenstifts St. Thomas (1212/13) durch Markgraf Dietrich dem Bedrängten (1197-1221) führte indes zu massiven Auseinandersetzungen mit der sich formierenden Bürgergemeinde; der Markgraf konnte sich mit Unterstützung König Friedrichs II. (1212-1250) zunächst behaupten (1216). Im Verlauf des 13. Jahrhunderts gelang es den Leipziger cives jedoch, immer mehr Rechte in ihrer Hand zu vereinigen (Aufstand von 1224, Rat, Erwerb der Münzstätte 1273, Herausdrängung des Schultheißen [1301]). VI. Münster: Die Geschicke der westfälischen Bischofs- und Hansestadt wurden gegen Ende des Mittelalters bestimmt vom über Wahlmänner gewählten 24er-Rat, der aus 17 Kaufleute- und Handwerkergilden (1410) vereinigten Gesamtgilde und der "Gemeinheit" der ärmeren Schichten der Bevölkerung. Im Zuge von Reformation, Bauernkrieg und schwieriger wirtschaftlicher Lage drang zunehmend reformatorisches Gedankengut in die katholische Bischofsstadt ein; 1532 installierten die Gilden in den städtischen Pfarreien Münsters evangelische Prediger, 1533 wurde im Vertrag von Dülmen die lutherische Lehre neben der der Altgläubigen anerkannt. Ein evangelisch dominierter Stadtrat und eine Radikalisierung der Reformation in Münster führten dann unter dem Reformator Bernhard Rothmann, dem Bürgermeister Bernt Knipperdolling und dem "Täuferkönig" Jan van Leiden zum "Reich der Wiedertäufer" in Münster sowie zur Belagerung und Eroberung der Stadt durch Truppen des Bischofs Franz von Waldeck (1534/35). Ein Strafgericht, die Rekatholisierung der Stadt und eine bischöfliche Verfassungsordnung waren die Folge. VII. Ulm: Die Verpfändung der Reichsstadt Donauwörth durch Kaiser Karl IV. (1346-1378) im Jahr 1376 war für Ulm und andere süddeutsche Städte der Anlass, sich im Jahr 1376 zum Schwäbischen Städtebund (gegen die Fürsten und deren Landesherrschaften) zusammenzuschließen. Auch militärisches Gegenspiel des Kaisers (Reichsacht, Belagerung Ulms, württembergische Niederlage bei Reutlingen 1377) nutzte nicht viel; es folgten eine Einigung mit dem Herrscher (1377) und das Anwachsen des Städtebündnisses, das bis 1385 auf 40 beteiligte Städte anwuchs und auch mit dem 1381 gegründeten Rheinischen Städtebund politisch einig war. Erst die Niederlage des städtischen Heeres bei Döffingen (1388) im Großen Städtekrieg (1387-1389) leitete das Ende des Schwäbischen Städtebundes ein (Reichslandfrieden von Eger 1389). Spätere Städtebündnisse besaßen bei Weitem nicht mehr die politische Durchschlagskraft wie der Schwäbische Städtebund. VIII. Wismar: Die Hansestadt Wismar an der Ostsee erlebte im beginnenden 15. Jahrhundert unruhige Jahrzehnte. Unter Führung des Wollwebers Claus Jesup und durch zeitweise Unterstützung der Stadt Lübeck gelang zwischen 1409 und 1416 und nochmals zwischen 1427/28 und 1430 die Verdrängung des patrizischen Rates. Wismar geriet im Jahr 1430 indes militärisch und politisch unter Druck; eine Verfassungsänderung unter Beteiligung der mecklenburgischen Landesherrin schuf einen "Neuen Rat", an dem auch die Ämter (Zünfte) beteiligt waren. IX. Worms: Die Bischofsstadt am Rhein mit der großen Judengemeinde stand im Zeitalter des Investiturstreits (1075-1122) auf Seiten König Heinrichs IV. (1056-1106); die Herrscher Friedrich I. (1152-1190) und Otto IV. (1198-1218) privilegierten die Stadt (1184 [Befreiung vom Kopfzins], 1198 [Schultheißenamt]). Zur Zeit Kaiser Friedrichs II. (1212-1250) und König Heinrichs VII. (1220-1235) kam es 1231/33 zu Streitigkeiten zwischen Bischof Heinrich und der Stadtgemeinde (Stadtrat, Bürgermeister) u.a. um Heersteuer und städtische Selbstverwaltung (Zerstörung des Wormser Rathauses [1232], "Wormser Rachtung" [1233]). Cives und milites (1229) sollten auch danach die stauferfreundliche Politik der Stadt bestimmen. Mit dem Ende des staufischen Königtums (1254) nahm Worms eine prominente Stellung im Rheinischen Städtebund von 1254/57 ein. Ab der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts entwickelte sich der Ort zur "freien Stadt" (Unterstellung unter königlichen Schutz [1285], "Zweite Wormser Rachtung" [1293]). [Buhlmann, 01.2015]

Schneidmüller, Bernd (2006), Die Kaiser des Mittelalters. Von Karl dem Großen bis Maximilian I. (= BSR 2398), München 2006 > S Schneidmüller, Weinfurter, Deutsche Herrscher

Schneidmüller, Bernd (Hg.) (2019), König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter, Darmstadt 2019 > R Rudolf I. von Habsburg

Schneidmüller, Bernd, Weinfurter, Stefan (Hg.) (2003), Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I., München 2003, 624 S., € 39,90, enthält Kurzbiografien der (ostfränkisch-) deutschen Könige und Kaiser Heinrich I. (919-936), Otto I. (936-973), Otto II. (973-983), Otto III. (984-1002), Heinrich II. (1002-1024) (Ottonen), Konrad II. (1024-1039), Heinrich III. (1039-1056), Heinrich IV. (1056-1106), Heinrich V. (1106-1125) (Salier), Lothar von Supplinburg (1125-1137), Konrad III. (1138-1152), Friedrich I. (1152-1190), Heinrich VI. (1190-1197), Phlipp von Schwaben (1198-1208), Otto IV. (1198-1218), Friedrich II. (1212-1250), Konrad IV. (1237-1254) (Staufer u.a.), Rudolf I. (1273-1291), Adolf von Nassau (1292-1298), Albrecht I. (1298-1308), Heinrich VII. (1308-1313), Ludwig der Bayer (1314-1347), Karl IV. (1346-1378), Wenzel (1378-1400), Ruprecht von der Pfalz (1400-1410), Sigismund (1410-1437), Albrecht II. (1438-1440), Friedrich III. (1440-1493), Maximilian I. (1493-1519) (Habsburger, Luxemburger, Wittelsbacher u.a.). Ungefähr deckungsgleich mit den "deutschen Herrscher(n) des Mittelalters" ist: Schneidmüller, Bernd (2006), Die Kaiser des Mittelalters. Von Karl dem Großen bis Maximilian I. (= BSR 2398), München 2006, 128 S., Abbildungen, € 7,90. Früh- und hochmittelalterliche (ostfränkisch-) deutsche Herrscher betrifft: Fischer-Fabian, S[iegfried] (1977), Die deutschen Cäsaren. Ottonen, Salier, Staufer. Ihr Leben und ihre Welt in Text und Bild, Stuttgart-Hamburg-München 1978, 272 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Stammtafeln, Pläne, Zeittafel, Karten, DM N.N. Über das Mittelalter hinausgehend, frühe Neuzeit und Moderne umfassend, porträtiert fränkisch-ostfränkisch-deutsche und österreichische Kaiser: Jaeckel, Gerhard ([1980]), Die deutschen Kaiser. Eine illustrierte Geschichte der deutschen Herrscher von Karl dem Großen bis Wilhelm II. und Karl I. von Österreich-Ungarn, Augsburg [1980], 191 S., Herrscherabbildungen, DM N.N. [Buhlmann, 11.2004, 05.2006, 09.2022]

Schnell, Hugo (1934), Katholische Pfarrkirche Rottenbuch (= Schnell & Steiner, Kleine Kunstführer, Nr.8), München-Zürich 321987 > R Rottenbuch

Schnell, Hugo (1935), Wallfahrtskirche Unsere Liebe Frau auf dem Schönenberg (Ellwangen/Württemberg) (= Schnell & Steiner, Kleine Kunstführer, Nr.115), München-Zürich 61984 > S Schönenberg (Württemberg)

Schnelle, Udo (2015), Die ersten 100 Jahre des Christentums (30-130 n.Chr.). Die Entwicklungsgeschichte einer Weltreligion (= UTB 4411), Göttingen 2015, 589 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 29,99. I. Methodik: (Religions-) Geschichte basiert auf dem deutenden Blick des Historikers auf die überlieferten (Geschichts-) Quellen. Frühes Christentum ("Urchristentum") meint das erste Jahrhundert christlicher Religion als "Bewegung der an Jesus Christus Glaubenden" (Kreuzigung Jesu Christi am 7. April 30 n.Chr.?). Das erste christliche Jahrhundert ist u.a. geprägt von der Einbeziehung der Heidenchristen (Apostelkonzil 48 n.Chr., Missionsreisen des Apostels Paulus), der Zerstörung des Jerusalemer Tempels (70) und der beginnenden Auseinandersetzung des Christentums mit der römisch-griechischen Antike (christliche Apologetik, 120er-Jahre). II. Geschichte: Vor dem Hintergrund von Hellenismus und der hellenistischen Einflüsse auf das Judentum (in Palästina und der Diaspora) stellt sich das frühe Christentum dar als Teil des hellenistischen Judentums (Septuaginta), aber in Abgrenzung zu der griechischen und römischen Religion und zu den Mysterienreligionen (Isis, Magna Mater, Mithras). (Mittelbare, längerfristige) Einflüsse auf das Christentum ergaben sich aus der antiken Philosophie (Stoa, Skeptizismus, Mittelplatonismus, Epikuräertum) sowie insbesondere aus Judentum (Exilszeit [598/87-539 v.Chr.; Diaspora] und Judentum [ab 539 v.Chr.], persische und hellenistische Zeit, Makkabäeraufstand [167 v.Chr.; Hohepriester und Jerusalemer Priesterschaft] und jüdische Gruppierungen ["Segmentierung des Judentums"; Hasidäer, Pharisäer, Zeloten, Essener, Sadduzäer], Caligula-Krise [38/39 n.Chr.], Jüdischer Krieg [66-70/73], Bar-Kochba-Aufstand [132-135]) und jüdischer Religion (Monotheismus, Bund Gottes mit dem Volk Israel, Gesetz und Tora, Tempel und Lebensweise, jüdische Apokalyptik [2. Jahrhundert v.Chr.-1. Jahrhundert n.Chr.; Henoch, Baruch, Qumramschriften], jüdische Weisheitsliteratur [Sirach, Hiob, Kohelet]). Frühchristentum fand dann statt im politischen und Wirtschaftsraum des römischen Reiches (Übergang zur Kaiserzeit, frühe Prinzipatszeit; Wirtschaft [Landwirtschaft, Handel, Gewerbe] und Gesellschaft [Oberschicht, Mittelschicht, Unterschicht, Sklaven]). Jüdische und griechische Einflüsse, aber auch ein "neues Denken" lassen sich insbesondere an der Person und Rolle von Jesus Christus festmachen (Osterereignisse [Kreuzigung, Auferstehung, leeres Grab, Erscheinung des Auferstandenen], monotheistische Lehre Jesu, Jesus als Inkarnation Gottes, Jesus als Messias); das frühe Christentum hatte damit eine sich ausbildende Christologie als Grundlage (Jesus Christus als Kyrios, Sohn Gottes, Sohn Davids, Menschensohn [Präexistenz der Weisheit]; Passionsgeschichte; Taufe, Herrenmahl, letztes Abendmahl als Erinnerungszeichen, tägliche Gottesdienste; Verschriftlichung des Geschehenen [Ostergeschehen, Logienquelle, Protoevangelien]). Jesus Christus war die Bezugsperson der Jerusalemer Urgemeinde der Christusgläubigen (u.a. aus Galiläa, u.a. die Apostel bzw. der Zwölferkreis [bzw. Teile davon]) als Teil des Judentums (Erscheinung des Auferstandenen, Geisterfahrungen, Jerusalem als Ort der Osterereignisse; erste Organisationsformen, Untergemeinden, Mahlgemeinschaften, wirtschaftliche Probleme und Unterstützung der Bedürftigen [Besitzverkauf, antikes Ideal der gemeinsamen Besitznutzung); herausragende Exponenten der Urgemeinde waren der Christusjünger Petrus, Kephas und der Herrenbruder Jakobus als Leiter der Urgemeinde, daneben traten weitere Mitglieder der Familie Jesu, die Brüder Jakobus und Johannes sowie Barnabas in Erscheinung. Zu den Gegnern der Urgemeinde zählten Sadduzäer (Steinigung des Herrenbruders Jakobus 62 n.Chr.) und Pharisäer (Paulus als Christenverfolger), zu ihren Konkurrenten bei der Mission die Jesusbewegung mit ihrer radikalen Ethik (Logienquelle) und zunehmend die Missionare der nicht dem Judentum zugehörigen "Heidenchristen" (Paulus, Barnabas, Apollos von Alexandrien [Weisheitslehre], Prisca und Aquila). Spannungen innerhalb der Jerusalemer Urgemeinde taten sich alsbald zwischen "Hebräern" (Judenchristen) und "Hellenisten" (nichtjüdische Christusanhänger) auf (Steinigung des Stephanus 32/33 n.Chr., Vertreibung der Hellenisten). Paulus betrieb von Antiochia aus seine Mission, die gerade Nichtjuden bekehren sollten, in Zypern, Kleinasien und Griechenland (1. Missionsreise ca.45/47, 2. Missionsreise 48/52, 3. Missionsreise 52/56). Das Jerusalemer Apostelkonzil (Aposteldekret 48 n.Chr.) bejahte nur einschränkend die Frage nach der Torafreiheit (bei rituellen Mindestanforderungen) und der Nichtbeschneidung nichtjüdischer Christusgläubiger sowie der (paulinischen) Völkermission (aber auch: judenchristliche Urgemeinde, antipaulinische Mission in Kleinasien und Griechenland). Das frühe Christentum, das sich aus mehreren Wurzeln speiste, geriet indes durch die Missionserfolge in die Rolle einer eigenständigen Religion zwischen Judentum und römischem Staat (Christenverfolgung im Reich Agrippas I. ca.43/44 n.Chr. [Flucht des Petrus], Edikt des Kaisers Claudius 49, Paulusbriefe [paulinische Theologie des Universalismus, der Abwendung vom Judentum, einer neuen Begrifflichkeit wie Evangelium und ecclesia]). Das Martyrium der Apostel Petrus und Paulus in Rom (64 n.Chr., neronische Christenverfolgung) und der Jüdische Krieg mit der Eroberung Jerusalems und Zerstörung des jüdischen Tempels (70) bewirkten u.a. mit dem wohl damals eingetretenen Ende der Jerusalemer judenchristlichen Gemeinde eine Krise des frühen Christentums. Ergebnis und Chance der Krise war die Entstehung der Evangelien als neuer literarischer Gattung, des völkerchristlichen Markusevangeliums (ca.70 n.Chr.), des judenchristliches Matthäusevangelium (ca.90), der Apostelgeschichte (u.a. als Paulusbiografie) und des Evangeliums des "Historiografen" Lukas (ca.90/100); diesen Evangelien schlossen sich die Deuteropaulinen in der Tradition der Paulusbriefe (ca.70/100 n.Chr.) sowie die Briefe und das (in Christentum und Christusgeschehen [logos] einführende) Evangelium des Presbyters Johannes (1. Jahrhundert, Ende; johanneische Gemeinden, Doketismus) an. Auch das Judenchristentum bestand weiter (Matthäusevangelium, Jakobusbrief, Hebräerbrief?, Johannesoffenbarung, Didache). Das frühe Christentum insgesamt blieb weiterhin inneren und äußeren Gefährdungen ausgesetzt (Ausbleiben der Parusie und Parusieerwartung, innere Konflikte [soziale Unterschiede], Orthodoxie und Häresie, Abgrenzung vom Judentum, Kaiserkult und [lokale] Christenverfolgungen [unter Nero 64 n.Chr., Domitian [96], Trajan [110/12, Pliniusbriefe]). An der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert n.Chr. wurde das Christentum vollends zu einer eigenständigen Religion mit seinen zum neutestamentlichen Kanon gehörenden Schriften zu Christologie und Kreuzestheologie, zu Glauben und Gott (Monotheismus, Christus als Inkarnation Gottes, frühes Christentum als "binitarische" Religion), zu (Nächsten-, Gottes-) Liebe (Dienen) und Eschatologie. Die Christengemeinden als Basis einer stark anwachsenden christlichen Religion (vornehmlich in Kleinasien, weiter in Syrien [Antiochia], Griechenland [Korinth], Italien [Rom], vielleicht in Ägypten [Alexandria] und Spanien) strukturierten sich weiter (ecclesia als Kirche; episcopos, Diakone als Ämter, Presbyter), christliche Gemeinden gab es vorwiegend in den Städten des römischen Reiches (Stadtreligion), das Christentum wurde auch auf Grund des Verschriftlichungsprozesses zu einer Bildungsreligion. Die Vernetzung innerhalb des Christentums und der Christengemeinden fand über Mission und neutestamentliche Schriften statt, theologische Richtungen innerhalb des Christentums standen in Zusammenhang mit den Schriften des Paulus, den synoptischen [Markus-, Matthäus-, Lukas-] Evangelien, dem Johannesevangelium (als Synthese von paulinischer Lehre und Markusevangelium), der Johannesoffenbarung. Gegen Ende des 1. Jahrhunderts und im 1. Drittel des 2. Jahrhunderts n.Chr. verfestigte sich das Christentum zunehmend zum System der Alten Kirche mit ihren festen Strukturen (Bischof und Gemeinde, Ignatius von Antiochien). Es ist aber auch die Zeit der Herausbildung der Gnosis aus christlichem Umfeld (Menander, Satornil, Kerinth).
Zum Frühchristentum vgl. noch: Berger, Klaus (2002), Paulus (= BSR 2197), München 2002, 128 S., € 7,90; Bornkamm, Günther (1969), Paulus (= Urban Tb 119), Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1969, 260 S., Karte, DM 7,20; Bultmann, Rudolf (1962), Das Urchristentum (im Rahmen der antiken Religionen), München-Zürich 41976, 261 S., DM N.N.; Bultmann, Rudolf (1962), Das Urchristentum (im Rahmen der antiken Religionen), München-Zürich 51986, 261 S., DM 19,80; Klauck, Hans-Josef (1995/96), Die religiöse Umwelt des Urchristentums, 2 Bde., Bd.I: Stadt- und Hausreligion, Mysterienkulte, Volksglaube (= Studienbücher Theologie, Bd.9,1), Stuttgart-Berlin-Köln 1995, 207 S., DM 17,-, Bd.II: Herrscher- und Kaiserkult, Philosophie, Gnosis (= Studienbücher Theologie, Bd.9,2), Stuttgart-Berlin-Köln 1996, 206 S., DM 17,-; Leipoldt, Johannes, Grundmann, Walter (Hg.) (1976), Umwelt des Urchristentums, 3 Bde., Bd.I: Darstellung des neutestamentlichen Zeitalters, Berlin 61982, 568 S., Bd.II: Texte zum neutestamentlichen Zeitalter, Berlin 61982, 426 S., Karte, Bd.III: Bilder zum neutestamentlichen Zeitalter, Berlin 51982, 274 S., Abbildungen, zus. DM 60,-; Sanders, Ed P. (1999), Paulus. Eine Einführung (= RUB 9365), Stuttgart 1999, 179 S., DM 9,-; Schneemelcher, Wilhelm (1981), Das Urchristentum (= Urban Tb 336), Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1981, 220 S., DM 18,-; Theißen, Gerd (2002), Das Neue Testament (= BSR 2192), München 2002, 128 S., € 7,90. [Buhlmann, 06.2000, 03.2002, 03.2009, 09.2009, 09.2015]

Schnerring, Walter (1984), Der Maler Friedrich Eckenfelder. Ein Münchner Impressionist malt seine schwäbische Heimat, Stuttgart 1984, 320 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Stammtafel, Zeittafel, DM 128,-. Friedrich Eckenfelder (*1861 in Bern, †1938 in Balingen), aufgewachsen in Bern und Balingen, erhielt ab 1875 eine Ausbildung als Maler in Rottweil und studierte ab 1878 an der Münchner Kunstakademie. Der talentierte, gleichwohl introvertierte Maler schuf ab den 1880er-Jahren sein umfangreiches impressionistisches Œuvre, das "Tiermalerei" ([pflügende] Pferde), "Heimatmalerei" (Landschaften), aber auch Portraits umfasst. Künstlerisch verankert blieb Eckenfelder - u.a. als einer der Gründungsmitglieder der "Münchener Secession" - lange Jahre in der bayerischen Landeshauptstadt, wo er auch Förderung durch den Prinzregenten Luitpold erfuhr. Die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche nach dem Ende des Ersten Weltkriegs (1918/19; Münchner Räterepublik) ließen Eckenfelder 1922 endgültig in das schwäbische Balingen zurückkehren, wo er als Balinger Heimatmaler (Balinger Stadtansichten) künstlerisch späte Impulse setzte. Eckenfelder wurde Ehrenbürger der Stadt Balingen (1928; Eckenfelder-Straße 1931), darüber hinaus bestand in den 1930er-Jahren eine gewisse Nähe zum Nationalsozialismus ("Blut und Boden"-Ideologie, Auftragsarbeiten, poilitisches Engagement). [Buhlmann, 03.2023]

Schnettger, Matthias (2014), Der Spanische Erbfolgekrieg 1701-1713/14 (= BSR 2826), München 2014, 128 S., Stammtafel, Zeittafel, Karte, € 8,95. I. Seit (König) Kaiser Karl (I.) V. (1515/16/19-1556/58) herrschten die Habsburger in Spanien als Könige und nicht nur in Spanien, d.h. in den ehemaligen Königreichen Kastilien und Aragón, sondern auch in Sizilien und Süditalien und in den entstehenden spanischen Kolonien hauptsächlich in Mittel- und Südamerika. Der berühmte Wormser Reichstag von 1521, bei dem auch der Reformator Martin Luther in Erscheinung trat, machte u.a. den Weg für eine Teilung der zusammengesetzten Habsburgermonarchie, die zudem über das römisch-deutsche Reich und die habsburgischen Besitzungen von Österreich bis zu den Niederlanden herrschte, in eine österreichische (unter Karls Bruder Ferdinand) und eine spanische Linie (unter Karl selbst) frei. Karls Sohn Philipp II. (1556-1598) vereinigte Portugal mit Spanien (1580), verlor aber die nördlichen Niederlande und die Große Armada (1588). Unter seinen Nachfolgern, den Austrias Menores Philipp III. (1598-1621) und Philipp IV. (1621-1665) zerfiel die Machtstellung Spaniens, von dem sich Portugal (1640) und die Vereinigten Niederlande (1648) abspalteten (Westfälischer Frieden 1648, Frieden von Lissabon 1668). Auch der spanisch-französische Krieg (1635-1659) endete mit dem Pyrenäenfrieden (1659) und (geringen) territorialen Verlusten. Die politische und wirtschaftlich-gesellschaftliche Krise in Spanien vertiefte sich noch in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Bevölkerungsrückgang (durch Vertreibung der Morisken, Auswanderung in die Kolonien, prekäre Ernährungssituation, Pest von 1647/52 und weitere Seuchenzüge), wirtschaftliche Verelendung der Bevölkerung, eine außen- und innenpolitische Schwäche des Königtums und dessen zunehmender Leigitimationsverlust, habsburgische Könige mit geringem körperlichen und geistigen Potenzial infolge von Verwandtenehen prägten die spanische Monarchie in dieser Zeit. Das galt besonders für die Zeit des letzten Habsburgers auf dem spanischen Thron, für König Karl II. (1665-1700), den Sohn Philipps IV. Königliche Nachkommen Karls gab es nicht, und somit musste sich die Regierung in Madrid einschließlich der Königin und der Königsmutter Maria Anna von Österreich (†1696) nach Alternativen umschauen. Es galt, dynastische Erbansprüche und Erbfolgeregelungen abzuwägen. Die Infantin Maria Theresia war als Halbschwester Karls II. seit 1660 mit dem französischen König Ludwig XIV. (1643-1715) verheiratet; sie starb 1683, der gemeinsame Sohn und französische Thronfolger war der Grand Dauphin Ludwig (†1711), auf dem sich die französisch-bourbonischen Ansprüche auf den spanischen Thron konzentrierten, wiewohl Ludwig XIV. auch der Sohn der spanischen Prinzessin Anna von Österreich war. Die Schwester Karls II. war Margarethe Theresia, die mit dem habsburgisch-römisch-deutschen Kaiser Leopold I. (1658-1705) verheiratet war, 1673 starb und über ihre Tochter Maria Antonia (†1692) Großmutter von Joseph Ferdinand (†1699), dem Sohn des bayerisch-wittelsbachischen Kurfürsten Maximilian II. Emanuel (1679-1726), war. Trotz eines Erbverzichts Maria Antonias wurde Joseph Ferdinand als Urenkel des spanischen Königs Philipp IV. von spanischer Seite für die Nachfolge Karls II. in Erwägung gezogen. Nicht zuletzt besaßen natürlich auch die österreichischen Habsburger, mit den spanischen vielfach verwandtschaftlich verflochten, Erbansprüche auf das Königreich Spanien. Hinzu kam als Außenseiter Herzog Viktor Amadeus II. von Savoyen (1675-1730), der über seine Urgroßmutter Katharina Michaela vom spanischen Königshaus abstammte. Alles in allem ergab sich eine unübersichtliche Gemengelage von Interessen und Ansprüchen hinsichtlich des spanischen Erbes, das immerhin das Königreich Spanien, das Königreich Neapel, das Herzogtum Mailand, die Spanische Niederlande, die Freigrafschaft Burgund, die Grafschaft Charolais und die Kolonien in Mittel- und Südamerika umfasste. Fast ganz Europa wartete auf den Erbfall. Um einem mit dem Erbfall verbundenen Krieg zu vermeiden, starteten nach dem Ende des Pfälzischen Erbfolgekriegs (1688-1697) und mit dem Frieden von Rijswijk (1697) die Seemächte England und Niederlande eine diplomatische Initiative, an deren Ende ein nicht lange geheim gebliebenes Abkommen zur Teilung des spanischen Besitzes hauptsächlich zwischen dem Haus Wittelsbach und den Bourbonen stand (1698). Dagegen protestierten Kaiser Leopold I. und auch die habsburgischen Anhänger in Spanien; doch Leopolds Plan, den spanischen Herrschaftsbereich ungeteilt dem Wittelsbacher Joseph Ferdinand zukommen zu lassen, scheiterte mit dem Tod des Kurprinzen (1699). Ein weiterer Geheimvertrag als Zweiter Teilungsvertrag zwischen den Seemächten und Frankreich (1700) sah daraufhin den österreichischen Erzherzog Karl, den Sohn des Kaisers, als Erben der zuvor dem Wittelsbacher zugesprochenen Teile der spanischen Krone. Jenseits solcher Erbfolgeregelungen und -planungen war es der spanische König Karl II., der in seinem Testament vom 2. Oktober 1700 auf Druck des spanischen Hofes und mit Empfehlung des Papstes den Sohn Philipp von Anjou des französischen Grand Dauphin (neben den Ersatzerben) zu seinem Universalerben bestimmte. Karl verstarb am 1. November. Das Rennen um die spanische Krone war somit eröffnet und sollte neben fürstlicher Diplomatie und "Öffentlichkeitsarbeit" (Publizistik, Propaganda) der europäischen Mächte auch in einen Krieg münden: den Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1713/14). II. Zunächst war König Ludwig XIV. von Frankreich am Zug. Seinen Enkel Philipp von Anjou konnte er gemäß dem Testament Karls II. als König Philipp V. von Spanien (1701-1746) in der Nachbarmonarchie erfolgreich installieren (Einzug nach Madrid 1701, Huldigung der Stände in den spanischen Landesteilen 1701/02). Dabei hatte der französische Monarch durchaus im Blick, dass die Bestimmungen des Zweiten Teilungsvertrags (1700) gegen Philipp als Universalerben der spanischen Erbmasse sprachen. Doch Philipp V. wurde allgemein anerkannt, auch in den Spanischen Niederlanden oder im Königreich Neapel, das der Herrscher alsbald besuchte (1702). Unterdessen formierte sich der Widerstand gegen die französische Politik. Nach Ansicht der österreichischen Habsburger durfte Philipp V. nicht über das norditalienische Herzogtum Mailand verfügen, das erledigtes und heimgefallenes Reichslehen war, was der König im Übrigen zum Teil auch anerkannte. Das Haus Habsburg war jedoch nicht bereit, vor seinen Türen französische Truppen zu dulden; die hatte Ludwig XIV. nach Italien geschickt, während eine österreichische Armee unter dem Befehl des Prinzen Eugen von Savoyen (†1736) die in Norditalien gelegenen heimgefallenen Reichslehen bis zu einer Neuvergabe sichern sollte (1701). Auch die Seemächte England und Niederlande rückten von Frankreich ab, nachdem durch politische Entscheidungen Ludwigs XIV. und des Pariser Parlaments nicht mehr gewährleistet war, dass Frankreich und Spanien für die Zukunft voneinander getrennte Monarchien sein würden. Hinzu kamen kriegerische Handlungen des französischen Königs gegen die Vereinigten Niederlande in der Spanischen Niederlande (Besetzung von den Niederländern 1698 überlassenen Grenzfestungen) sowie französisch-spanische Handelsbeschränkungen für Kaufleute aus England und den Niederlanden (1701). Dies und eine passende Propaganda ließen die Öffentlichkeit der Seemächte auf den Kriegskurs ihrer Regierungen einschwenken. Und so wurde nach gescheiterten Ausgleichsverhandlungen mit Frankreich (1701) in Den Haag die Große Allianz der französischen Kriegsgegner vereinbart (Allianzvertrag vom 7. September 1701); der Allianz gehörten an: England (Großbritannien), Vereinigte Niederlande und der römisch-deutsche Kaiser aus dem Haus Habsburg. Die Kriegsziele der Alliierten waren unterschiedlich und größtenteils durch die Seemächte bestimmt. Es sollten sich der Allianz in der Folgezeit noch anschließen: Portugal, Savoyen, Brandenburg-Preußen, Reichsstände, Reichskreise (preußischer Krontraktat, 15. November 1700; Anschluss der Nördlinger Assoziation des Schwäbischen, Fränkischen, Kurrheinischen, Oberrheinischen, Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreises [Vordere Reichskreise] an die Große Allianz, 24. März 1702; Vertrag von Lissabon, 16. Mai 1702), die Kriegsziele sich ebenfalls teilweise ändern (habsburgischer Haus- und Geheimvertrag von Favoriten vom 5. September 1703). Mit Frankreich waren nur wenige Reichsstände, u.a. Kurköln und Kurbayern, verbündet, so dass das Königreich (zusammen mit Spanien) während des Krieges weitgehend isoliert dastand. III. Unter den Bedingungen einer sich im 17. Jahrhundert entwickelten "Verstaatlichung" des Krieges (Heer als fürstliches "Macht- und Repräsentationsinstrument", waffentechnische Entwicklungen, Versorgung der Truppen und Soldaten, Verrechtlichung des Krieges, Kriegspropaganda und Öffentlichkeit) und auf dem Weg zu den "Kabinettskriegen" des 18. Jahrhunderts entfaltete sich der Spanische Erbfolgekrieg nach den gegenseitigen Kriegserklärungen der an ihm beteiligten Mächte (Mai-Juli 1702) rasch. Daran änderte auch der Tod des englischen Königs und niederländischen Statthalters Wilhelm (III.) von Oranien (1672/89-1702) nichts, dem Anne Stuart als Königin folgte (1702-1714), nach ihr übrigens die englischen Herrscher aus dem welfischen Haus Hannover. In der Anfangsphase des Kriegs gelang es dem Kaiser, den Großteil der Reichsstände hinter sich zu bringen. Die Alliierten drängten noch im Jahr 1702 am Niederrhein die französischen Truppen und die des kölnischen Kurfürsten und Erzbischofs Joseph Clemens zurück; hierbei spielte die Belagerung und Einnahme Kaiserswerths durch englische, niederländische, preußische und Reichstruppen unter dem Kommando John Churchills (†1722), (nachmalig) des Herzogs von Marlborough, eine wichtige Rolle (Mai-Juni 1702). Der bayerische Herzog und Kurfürst Max(imilian) II. Emanuel (1679-1726), der Bruder von Joseph Clemens, konnte nicht so schnell geschlagen werden. Bayerische Truppen besetzten u.a. die Reichsstädte Ulm und Regensburg, auch das Hochstift Augsburg (1702/03), eine bayerisch-französische Armee siegte in der ersten Schlacht bei Höchstädt (20. September 1703). Doch wendete sich nach dem alliierten Durchbruchssieg bei Donauwörth (2. Juli 1704) mit der für beide Seiten sehr verlustreichen zweiten Schlacht von Höchstädt (Battle of Blenheim, 13. August 1704) und einem weiteren Sieg englischer, niederländischer, kaiserlicher und Reichstruppen gegen Bayern und Franzosen das Blatt. Die Zusammenarbeit der beiden erfolgreichen Feldherrn Marlborough und Prinz Eugen eröffnete der Allianz Bayern; Max Emanuel musste nach Frankreich fliehen, Bayern wurde besetzt (Vertrag von Ilbesheim, 7. November 1704); Leopolds I. Nachfolger, Kaiser Joseph I. (1705-1711), übertrug nach der Achterklärung gegen Max Emanuel die bayerische Kur an den Kurfürsten Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg (Jan Wellem, 1690-1716) (1705/08); eine neunte, die hannoversche Kurwürde wurde geschaffen (1708). Entlang des Rheins, vom Ober- bis zum Niederrhein, blieb die französische Bedrohung bestehen; die Festung Landau konnte nur kurz (1702), dann fürs Erste endgültig (1704) durch alliierte Truppen erobert werden, das Trierer Oberstift blieb französisch besetzt, ebenso Kehl und Breisach; ein französische Offensive scheiterte (1707), auch alliierte Angriffe zur Schaffung eines Südwestdeutschland sichernden Festungsgürtels (Reichsbarriere) waren nicht durchführbar. Der Krieg im römisch-deutschen Reich war damit auf die westlichen Randregionen beschränkt (1709), zumal sich Schweden, das im Nordischen Krieg (1700-1721) um die Vorherrschaft an der Ostsee kämpfte, nicht am Spanischen Erbfolgekrieg beteiligte. Währenddessen gelang den Kaisern nach dem Großem Türkenkrieg (1683-1699) und dem Frieden von Karlowitz (1699) die Einbeziehung Ungarns und Siebenbürgens in die Habsburgermonarchie (1705, Frieden von Szatmár 1711). IV. Auf dem italienischen Kriegsschauplatz entwickelte sich aus der begrenzten Reichsexekution gegen Philipp V. von Spanien (habsburgische Schlachtensiege bei Carpi und Chiari; 9. Juli, 1. August 1701) ein Krieg gegen die eingedrungenen französisch-spanischen Truppen. Philipp konnte sich im Königreich Neapel nach der Niederschlagung eines antibourbonischen Aufstands (1701) zunächst durchsetzen und behaupten (Schlacht bei Luzzara, 15. August 1702). Die Situation der habsburgisch-österreichischen Armee in Norditalien blieb angespannt (1703), auch das Bündnis Savoyens unter Herzog Viktor Amadeus II. (1675-1732) mit der Großen Allianz (Turiner Vertrag, 8. November 1703) änderte an der Besetzung und Eroberung großer Teile der Apeninhalbinsel (einschließlich Savoyens) durch französisch-spanische Truppen erst einmal nichts (1704/05). Ein kaiserlicher Sieg bei Cassano (16. August 1705) zeitigte keine Wirkung, erst der Entsatz des belagerten Turin, der Hauptstadt Savoyens, und der kaiserliche Sieg in der Schlacht bei Turin (7. September 1706) brachte die Wende. In der Folge kapitulierte Mailand (13. März 1707), es kam zu einem kaiserlich-französischen Waffenstillstand für Italien (13. März 1707) und zum Rückzug der französischen Truppen, das Königreich Neapel wurde von kaiserlichen Truppen erobert (1707), ebenso Sardinien von englischen (1708). Der spanische König behauptete sich noch an einigen Küstenplätzen der Toskana und auf Sizilien, während das nunmehr unter habsburgischer Herrschaft stehende Reichsitalien Kriegskontributionen zu entrichten hatte und auch Papst Clemens XI. (1700-1721) sich der kaiserlichen Macht beugen musste (kaiserlich-päpstlicher Friede, 15. Januar 1709). V. In den Spanischen Niederlanden, unmittelbar südlich der Vereinigten Niederlande der Generalstaaten gelegen, schien die bourbonische Herrschaft des spanischen Königs Philipp V. zunächst gefestigt (1701/02). Dies änderte sich mit der alliierten Eroberung der Provinzen Obergeldern und Limburg (1702/03). Für die restlichen Spanischen Niederlande war Max Emanuel von Bayern als Statthalter (wieder) zuständig. Er führte ergebnislos Geheimverhandlungen mit den Vereinigten Niederlanden über den Status der spanischen Besitzungen (Aufteilung?, unabhängiger Staat Belgien?) (1705). Eine französische Offensive endete mit der verheerenden Niederlage in der Schlacht bei Ramillies (26. April 1706) und der alliierten Eroberung der flandrischen Städte Antwerpen, Brügge, Gent und Ostende sowie der Hauptstadt Brüssel (1706). Max Emanuel musste sich ins hennegauische Mons zurückziehen, eine erneute französische Offensive (1708) führte zwar zu einigen Rückeroberungen, doch auch zum alliierten Sieg in der Schlacht bei Oudenaarde (11. Juli 1708) wieder unter dem Kommando der beiden erfahrensten Feldherren im Spanischen Erbfolgekrieg, dem Herzog von Marlborough und dem Prinzen von Savoyen. Eine Folge des Sieges war die Einnahme der französischen Festungsstadt Lille und die Abwehr eines Angriffs Max Emanuels auf Brüssel (Bombardement der Stadt) (1708). Im folgenden Jahr drangen alliierte Truppen weiter vor, die verlustreiche Schlacht bei Malplaquet (11. September 1709) erwies sich indes als Pyrrhussieg trotz der erfolgreichen Eroberung von Mons (Oktober 1709). Der Krieg in den Spanischen Niederlanden wurde nun zu einem Belagerungs- und Abnutzungskrieg (1710/11), der - nach dem Waffenstillstand zwischen Frankreich und Großbritannien (17. Juli 1712) - auf ein militärisches Patt zwischen den kaiserlich-niederländischen und den französischen Truppen hinauslief. Daran sollte auch der französische Sieg in der Schlacht bei Denain (24. Juli 1712) nichts ändern. VI. In Spanien war der Enkel des französischen Königs Ludwig XIV., Philipp von Anjou, als Philipp V. zunächst unangefochten spanischer König. Unterstützt durch Frankreich und die französische Diplomatie, setzte Philipp auf Reformen im spanischen Königtum (Zentralisierung der Verwaltung, Militärdienstpflicht, Steuern), was zunehmend aber auch auf Widerstände (z.B. der Ostprovinzen) stieß. Politische Veränderungen in Spanien gehörten anfänglich nicht zu den Kriegszielen der alliierten Mächte. Doch rückte Spanien in den Mittelpunkt alliierter Überlegungen, als die Große Allianz sich mit Portugal verbünden konnte (Vertrag von Lissabon, 16. Mai 1703; englisch-portugiesischer Handelsvertrag [Methuen-Vertrag], 27. Dezember 1703), das doch zuvor einen Allianzvertrag mit Frankreich und Spanien abgeschlossen hatte (18. Juni 1701). Erst das Bündnis mit Portugal eröffnete den Alliierten Spanien als Kriegsschauplatz. Hier ging es insbesondere um die nun beschlossene Einsetzung des Habsburgers Karl (III.), eines Sohnes Kaiser Leopolds I., als spanischen König (1703). Im Vorfeld hatte es allerdings schon Übergriffe der Flotte der Seemächte gegeben (Zerstörung einer spanischen Silberflotte bei Vigo, 12. Oktober 1702; englische Eroberung Gibraltars, 4. August 1704; Niederlage einer französischen Flotte bei Malaga, 24. August 1704). Karl landete nach Besuchen in den Spanischen Niederlanden und in England mit einer Flotte der Seemächte in Lissabon (1704), musste aber zunächst untätig bleiben (1704/05). Nach der Belagerung und Einnahme Barcelonas (9. Oktober 1705) konnten sich Karl und die Alliierten in Katalonien behaupten, weitere alliierte Offensiven im folgenden Jahr, dem annus mirabilis des Spanischen Erbfolgekriegs (1706), erbrachten die Einnahme von Mallorca (Balearen), Zaragoza (Aragón) und Madrid, wenn auch alsbald Madrid wegen des feindlichen kastilischen Umfelds wieder aufgegeben wurde (Juli-August 1706). Spätestens der bourbonische Sieg in der Schlacht bei Almansa (25. April 1707) steht dann für die Wende auf dem spanischen Kriegsschauplatz. Karl (III.) konnte sich alsbald nur noch in Katalonien behaupten (1707/09; Hof Karls in Barcelona), während den Engländern immerhin die Eroberung Menorcas gelang (1708). Doch nochmals wendete sich das Kriegsglück; die zwei alliierten Siege in den Schlachten von Alemenara (27. Juli 1710) und Zaragoza (20. August 1710) führten zur Wiedergewinnung Aragóns und Madrids, wo Karl (III.) Einzug hielt (28. September 1710). Es folgte indes der alliierte Rückzug nach Katalonien (Dezember 1710). Karl selbst musste, zum römisch-deutschen Kaiser (Karl VI., 1711-1740) in der Nachfolge seines Bruders Joseph I. gewählt, ins Reich zurückkehren (1711). Ihm folgten zuletzt auch die habsburgischen Truppen (Mai 1713), der Widerstand der Katalanen gegen den bourbonischen König Philipp V. hielt jedoch bis zur Belagerung und Übergabe Barcelonas an (13. September 1714). VII. Maritime Unternehmungen (mit bewaffneten Linienschiffen und Fregatten) waren ebenso Teil des Spanischen Erbfolgekriegs, wenn auch die Kämpfe zu Land und in Europa eine wesentlich größere Bedeutung besaßen. Überfälle auf Hafenstädte und Geleitzüge gehören hierher (Belagerung des französischen Kriegshafens Toulon, Juli-August 1707), genauso ein ausgedehnter und weltweit geführter Kaperkrieg (Kaperfahrt des Woodes Rogers 1708/11 [Auffinden des Alexander Selkirk als "Robinson Crusoe"]). Der globale Spanische Erbfolgekrieg erfasste daher auch die europäischen Kolonien in Amerika, die britischen nördlich des spanischen Florida, die französischen am St.-Lorenz-Strom und in Louisiana, die spanischen in Mittel- und Südamerika, die portugiesische Kolonie Brasilien. So unternahmen britische Truppen einen vergeblichen Angriff auf das spanische St. Augustine in Nordflorida (1702), hatten sich die englischen Kolonien der auf Seiten Frankreichs stehenden indianischen Wabanaki-Konföderation zu erwehren (1703) und griffen ihrerseits Indianerstämme an (Apalachee Massacre 1704), während umgekehrt britische Angriffe auf Québec scheiterten (1709/11). In Südamerika spielte der Handel mit schwarzafrikanischen Sklaven eine große Rolle, der Asiento de Negros war ein spanisches Monopol auf den Handel mit Sklaven, das an die französische Guineakompanie gelangte (1701). Jenseits dieser oder ähnlicher Handelsbeziehungen zwischen Verbündeten gab es auch den inoffiziellen Handel zwischen den Gegnern im Spanischen Erbfolgekrieg, meist als Schmuggel oder über neutrale Dritte wie den deutschen Hansestädten. Während in Nord- und Südamerika die Auswirkungen des Krieges zu spüren waren, lief der Ostindienhandel im Großen und Ganzen reibungslos ab. VIII. In der zweiten Hälfte des Krieges kamen alle daran beteiligten Mächte zu der Einsicht, dass die gesteckten Kriegsziele nicht zu erreichen waren. Trotzdem war es "ein langer Weg zum Frieden", der nun vor den Kriegsparteien lag. Frankreich machte nach den Niederlagen des Jahres 1706 und auf Grund zunehmender innenpolitischer Probleme (Camisardenaufstand 1704/05; Konflikte mit der katholischen Reformbewegung des Jansenismus; hohes Staatsdefizit und Steuererhöhungen bei ausstehender Steuerreform) den Anfang bei den Friedensbemühungen; Verhandlungen mit den Vereinigten Niederlanden bzw. über den bayerischen Kurfürsten Max Emanuel scheiterten indes (1706/07). Auch vor dem Hintergrund eines "Jahrhundertwinters" (1708/09; mit geschätzten 1,5 Millionen Hungertoten allein in Frankreich) versuchten König Ludwig XIV. und die französische Regierung durch weitreichende Zugeständnisse gegenüber der Großen Allianz, den Frieden zu erlangen; Dissenz gab es aber hinsichtlich der Vertreibung des Bourbonen Philipp V. aus Spanien, an der sich auch dessen Großvater, der französische König, beteiligen sollte (1709/10; Friedensgespräche in Geertruidenberg 1710). Die angedachten Friedenspräliminarien gerade in Bezug auf Spanien wurden zu Makalatur, als Kaiser Joseph I. starb und sein Bruder als Karl VI. ihm nachfolgte (1711). In England-Großbritannien befürchtete man die Errichtung einer habsburgischen Universalmonarchie mit dem Kaiser an der Spitze im römisch-deutschen Reich und im Königreich Spanien; zudem waren bei den Wahlen zum Parlament mit den Tories die Befürworter eines baldigen Friedens (gegen die Whigs) an die Regierung gekommen. Hinzu kam eine allgemeine Kriegsmüdigkeit, resultierend aus der wirtschaftlich-finanziellen Erschöpfung der Kriegsparteien. Die französische Diplomatie sah mithin die Möglichkeit, durch Separatfrieden die Große Allianz zu spalten. In der Tat gelang es, mit Großbritannien einen Präliminarfrieden in London auszuhandeln (8. Oktober 1711), der - neben zwei Geheimabkommen - u.a. die Anerkennung der protestantisch-britischen Thronfolge durch Frankreich enthielt, die Zusage von Festungsbarrieren für die Vereinigten Niederlande und das Reich und die Zusage, dass die Königreiche Frankreich und Spanien nicht vereinigt würden. Frankreich sollte zudem auf einem allgemeinen Friedenkongress in diplomatische Verhandlungen mit den Alliierten eintreten. Diese Versammlung wurde ins niederländische Utrecht einberufen; hier fand der Utrechter Friedenskongress statt (Januar 1712-Juli 1713). Die Versammlung offenbarte zunehmend politische Unterschiede auf Seiten der alliierten Mächte, besonders nach der Vereinbarung eines Waffenstillstands zwischen Frankreich und Großbritannien (17. Juli 1712). Die kaiserliche Diplomatie war isoliert, als sich die Vereinigten Niederlande und Großbritannien im Zweiten Barrierevertrag (20. Januar 1713) auf das weitere Vorgehen einigten. So kamen in Utrecht die Friedensverträge zwischen Frankreich und jeweils Großbritannien, Vereinigte Niederlande, Portugal, Preußen und Savoyen zustande (11./12. April 1713), weiter der britisch-spanische und savoyisch-spanische Frieden (13. Juli 1713). Handelsverträge wie der Vertrag von Madrid (23. März 1713) über den spanischen Asiento de Negros, der an Großbritannien kam, oder der Madrider Handelsvertrag zwischen Spanien und den Niederlanden (26. Juni 1714) ergänzten die Utrechter Friedensordnung; es sollte noch der Madrider Friedensvertrag zwischen Portugal und Spanien folgen (6. Februar 1715). Dabei hatte Großbritannien alle seine sicherheits- und handelspolitischen Kriegsziele erreicht, Gibraltar und Menorca blieben britisch. Die Vereinigten Niederlande konnten auf der Habenseite insbesondere den Dritten Barrierevertrag (11. November 1715) verbuchen, der die Kontrolle einer Festungsbarriere (Furnes, Tournai, Ypern u.a.) im Süden der nunmehr Österreichischen Niederlande durch die Generalstaaten vorsah. Für die Mittelmacht Brandenburg-Preußen war die Anerkennung des 1701 erlangten preußischen Königtums bei Gebietsgewinnen am Niederrhein (Lingen, Moers, Obergeldern) bedeutsam. Der Herzog von Savoyen erhielt mit dem Königreich Sizilien ebenfalls den Königstitel; Portugal ging im Wesentlichen leer aus. In Spanien und in den Kolonien konnte sich der Bourbone Philipp V. weiterhin als König behaupten; allerdings gingen die spanischen Nebenländer in Europa verloren. Der französische König musste einige kleinere Gebietsverluste im Nordosten seines Königreichs hinnehmen; dafür war jetzt Spanien bourbonisch. IX. Es stand noch der Frieden zwischen Kaiser und Reich auf der einen und Frankreich auf der anderen Seite aus. Der Krieg konnte jedenfalls nicht weitergeführt werden, zumal französische Vorstöße unter Marschall Villars (†1734) zur Rückeroberung Landaus und der Übergabe Freiburgs führten (1713). Die u.a. vom pfälzischen Kurfürsten Johann Wilhelm eingeleiteten Friedensverhandlungen von Rastatt (November 1713-März 1714) wurden von Prinz Eugen und dem Marschall geführt. Der ausgehandelte, auf Französisch verfasste Friedensvertrag (7. März 1714) war ein Vorfrieden, der im schweizerischen Baden auf einer Reichsfriedenskonferenz (Juni-September 1714) ohne eine Reichsfriedensdeputation, d.h. ohne Beteiligung der Reichsstände, im Wesentlichen bekräftigt wurde (auf Latein verfasster Frieden von Baden; 7. September 1714). Der Frieden von Rastatt bzw. der Badener Friedensvertrag war ein Interessenausgleich zwischen der Habsburgermonarchie und Frankreich. Kaiser Karl VI. erhielt infolgedessen die Spanischen Niederlande und die spanischen Besitzungen in Italien (Mailand, Toskana, Königreich Neapel) einschließlich Sardiniens, Frankreich zog sich aus den rechtsrheinischen Städten Breisach, Freiburg und Kehl zurück, behielt aber Landau. Eine Barriere von Festungen, die den Südwesten Deutschlands gegen Frankreich schützen sollte, gab es daher nicht. Darüber hinaus wurden Kurköln und Kurbayern völlig restituiert; die Restitution Bayerns erforderte allerdings die Rückgabe der Oberpfalz und der zweiten Kurstimme an den bayerischen Kurfürsten Max Emanuel durch Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg. Die Pfalz ging also bei den Friedensverhandlungen leer aus, wie überhaupt zu beobachten ist, dass die Frieden von Utrecht und Baden durch die europäischen Großmächte und deren Interessenausgleich bei einem angestrebten Mächtegleichgewicht bestimmt waren. Die Machtstrategien der Großmächte mussten auch die Herrscher kleinerer Fürstentümer in Norditalien erfahren (Herzogtum Guastalla, Fürstentum Castiglione). X. Nach dem Frieden von Baden hielt der Kriegszustand zwischen der Habsburgermonarchie und dem Königreich Spanien (formal) noch an. König Philipp V. nutzte dies aus, als er während des Ersten Türkenkriegs Kaiser Karls VI. (1714-1718) Sardinien und Neapel besetzen ließ (1718). Die mit einem britischen Sieg und einer spanischen Niederlage endende Seeschlacht bei Kap Passaro (Sizilien; 11. August 1718) führte dazu, dass der spanische Herrscher seine italienischen Pläne aufgeben musste; Sardinien gelangte nun an Savoyen, Sizilien an Habsburg (1720). Erst einige Jahre später gab es aber infolge von Polnischem Thronfolgekrieg (1733-1735/38) und Österreichischem Erbfolgekrieg (1740-1748) die spanischen Sekundogenituren Neapel, Sizilien, Parma, Piacenza und Guastalla in Italien (Wiener Frieden 1735/38, Aachener Frieden 1748). XI. Der Spanische Erbfolgekrieg als Erinnerungsort wird heute unterschiedlich bewertet: in Spanien als Beginn der Dynastie der bourbonischen Könige und als Bürgerkrieg zwischen Kastilien und Katalonien; in Italien mit Bezug auf Belagerung und Schlacht von Turin; in Bayern mit Bezug auf die Schlacht bei Höchstädt und die "Sendlinger Mordweihnacht" (1705) [; am Niederrhein mit Bezug auf die zerstörte Kaiserswerther Pfalzanlage]. > S Smid, Spanischer Erbfolgekrieg; > S Spanischer Erbfolgekrieg; > S Spanischer Erbfolgekrieg am Niederrhein [Buhlmann, 12.2014]

Schoell, Konrad (1970), Das französische Drama seit dem Zweiten Weltkrieg, Tl.I: Konventionelle Formen von Sartre bis Sagan (= KVR 315/16/17), Göttingen 1970 > F Französische Sprache

Schoemann, G[eorg] F[riedrich] (1855), Griechische Alterthümer, 2 Bde., Berlin 21861-1863 > G Griechische Geschichte

Schönenberg (Württemberg): Auf einer Anhöhe des Jagsttals und letztendlich auf Initiative von zwei Jesuitenpatres (1638/39) stiftete der Ellwanger Fürstpropst Johann Christoph (IV.) Adelmann von Adelmannsfelden (1674-1587) eine Barockkirche als Wallfahrtskirche, die zwischen 1682 und 1685 erbaut wurde, während die Stuckarbeiten im Kircheninnern kriegsbedingt bis 1695 andauerten. Ein durch Blitzeinschlag verursachter Brand (1709) nötigte zum Wiederaufbau des Gotteshauses (1709/15), das letztendlich mit seinen zehn Altären im Jahr 1729 geweiht wurde. Die Kirche blieb seitdem unverändert: zwei Westtürme, Westempore, Langhaus mit Seitenschiffen, Querhaus, Choranlage mit runder Apsis, Ausstattung (gotisches Vesperbild 1420/30, Statue der Maria Lauretana v.1640, Kanzel 1706, Hochaltar, Nebenaltäre, Gnaden-, Ignatiuskapelle, lauretanische Kapelle u.a.).
Zu Schönenberg s.: Schnell, Hugo (1935), Wallfahrtskirche Unsere Liebe Frau auf dem Schönenberg (Ellwangen/Württemberg) (= Schnell & Steiner, Kleine Kunstführer, Nr.115), München-Zürich 61984, 19 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Plan, DM N.N. [Buhlmann, 10.2021]

Schönstedt, Eduard, Breyer-Mayländer, Thomas (1990), Der Buchverlag. Geschichte, Aufbau, Wirtschaftsprinzipien, Kalkulation und Marketing, Stuttgart-Weimar 32010 > G Geschichtsmedien

Schoeps, Hans-Joachim (1970), Der Weg ins deutsche Kaiserreich (= Ullstein 34026), Frankfurt a.M.-Berlin-Wien 1980 > D Deutsche Geschichte, 1870/71-1918

Schöttle, Hugo (1978), DuMont's Lexikon der Fotografie. Foto-Technik, Foto-Kunst, Foto-Design (= DuMont Tb 58), Köln 1978 > K Fotografie

Scholkmann, Barbara (1981), Die Grabungen in der evangelischen Mauritiuskirche zu Aldingen, Landkreis Tuttlingen, in: FBVFGBW 7, Stuttgart 1981, S.223-302. Für die Geschichte Aldingens, eines Ortes auf der Baar, bedeutsam sind die von der Archäologie ermittelten Fundschichten an bzw. unter der heutigen evangelischen Mauritiuskirche. Danach lassen (frühalemannische) Keramikfunde und Hinweise auf Bebauung (Grubenhaus, Pfostengruben, Feuerstelle) an eine alemannische Besiedlung Aldingens (Einzelgehöft oder Gehöftgruppe) noch im 4., vielleicht auch im beginnenden 5. Jahrhundert denken, während für den Zeitraum bis zum endenden 7. Jahrhundert keine Befunde vorliegen. Dies entspricht dem Fehlen von Reihengräberfriedhöfen in und um Aldingen. Für die Zeit um oder kurz nach 700 konnte die Existenz eines dreischiffigen Holzbaus als christliches Gotteshaus nachgewiesen werden. Zu dieser Holzpfostenkirche gehörten acht geostete Gräber ohne Beigaben; ein gemauertes Ewachsenengrab beträchtlicher Größe mit Kalksteinplatten als Abdeckung kann als Stiftergrab interpretiert werden. Die Gräber beherbergten wohl die verstorbenen Angehörigen einer am Ort ansässigen Familie, die eine sozial herausgehobene Stellung besaß. Somit stellt der früheste Aldinger Kirchenbau wahrscheinlich eine Eigenkirche dar, erbaut im Ort oder sogar innerhalb der Hofanlage dieser Familie. In der 2. Hälfte des 11. oder am Beginn des 12. Jahrhunderts entstand eine steinerne Saalkirche wohl mit Rechteckchor, die im 14./15. Jahrhundert um einen Westturm erweitert wurde. Ein dritter Kirchenbau aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts und der vierte, heutige von 1719/20 sind dann frühneuzeitlich. Das Mauritiuspatrozinium der Aldinger Kirche, erstmals 1541 genannt, könnte in das frühe Mittelalter zurückreichen und mit dem Mauritiuskult der Klöster St. Gallen und Reichenau zusammenhängen. Die Abfolge der vier Kirchenbauten verweist schließlich auf die Siedlungskontinuität Aldingens von der Zeit um 700 bis heute; ob es solch eine Kontinuität zwischen der Siedlung des 4./5. Jahrhunderts und der um 700 gegeben hat, lässt sich nicht ermitteln. [Buhlmann, 07.2013]

Scholkmann, Barbara, Lorenz, Sönke (Hg.) (2000), Von Citeaux nach Bebenhausen. Welt und Wirken der Zisterzienser, Tübingen 2000 > Z Zisterzienser

Scholkmann, Barbara, Lorenz, Sönke (Hg.) (2002), Schwaben vor tausend Jahren, Filderstadt 2002 > S Schwaben

Scholl, Inge (1955), Die Weiße Rose, Stuttgart o.J. > D Deutsche Geschichte, 1933-1945

Scholl, Inge (1955), Die Weiße Rose (= Fischer Tb 88), Nachdruck Frankfurt a.M. 1984 > D Deutsche Geschichte, 1933-1945

Scholl-Latour, Peter (1993), Eine Welt in Auflösung. Vor den Trümmern der Neuen Friedensordnung, Berlin 1993 > K Kalter Krieg

Scholl-Latour, Peter (1994), Im Fadenkreuz der Mächte. Gespenster am Balkan, München 1994 > J Jugoslawische Geschichte

Scholl-Latour, Peter (1996), Das Schlachtfeld der Zukunft. Zwischen Kaukasus und Pamir, Berlin 1996 > K Kalter Krieg

Scholl-Latour, Peter (2002), Kampf dem Terror - Kampf dem Islam? Chronik eines unbegrenzten Krieges, München 22003, 42003 > I Islamismus

Scholl-Latour, Peter (2005), Koloß auf tönernen Füßen. Amerikas Spagat zwischen Nordkorea und Irak, Berlin 2005 > U US-amerikanische Geschichte

Scholl-Latour, Peter (2006), Russland im Zangengriff. Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam, Berlin 2006 > S Sowjetische Geschichte

Scholl-Latour, Peter (2008), Der Weg in den neuen Kalten Krieg, Augsburg 2009 > K Kalter Krieg

Schollmeyer, Patrick (2005), Römische Plastik. Eine Einführung, Darmstadt 2005 > R Römische Kunst

Schollmeyer, Patrick (2008), Römische Tempel. Kult und Architektur im Imperium Romanum, Darmstadt 2008 > R Römische Kunst

Schollmeyer, Patrick (2012), Einführung in die antike Ikonographie (= Einführung. Archäologie), Darmstadt 2012, 144 S., Schwarzweißabbildungen, € 5,-. I. Ikonografie ist die Lehre von Bildbeschreibung (Ekphrasis, descriptio) und -interpretation (Deutung, Entschlüsselung, Hermeneutik); Gegenstand der antiken Ikonographie sind die in der griechisch-römischen Kunst auftretenden Bilder jeglichen Ursprungs und Zusammenhangs als zwei- oder dreidimensionale Kunstwerke mit figürlicher Thematik. Die Ikonologie interpretiert die Bilder als Vermittler von (antiken) Botschaften, die Semiotik als Zeichentheorie ordnet die Bilder einem Zeichensystem zu. II. Die antike Bilderwelt steht in vielfältigen Zusammenhängen ("Sitz im Leben"). Sie kann sich auf Götter und Mythen beziehen (Nutzung von Mythen durch politische Eliten [Herrscherrepräsentation, Mythenbilder im Privaten], Mythen und Jenseitshoffnungen; Darstellungen von Göttern [olympische, römische, ägyptische, vorderasiatische Götter] und götterähnlichen Gestalten [Eroten, Musen, Kentauren, Greif, Medusa, Heroen], Personifizierung/Allegorisierung von gesellschaftlichen Leitbegriffen [Recht, Ordnung usw.]). Im Mittelpunkt antiker Bildnisse steht auch der Mensch (Körperbilder [Alter, Gestik, Kleidung, Frisur, Attribute, Insignien]; Mann [Kouros], Frau [Kore, Erotik], Kind) in seiner gesellschaftlichen Rolle (Bürger/innen [Ehrenstatuen u.a. vom Pudicitia-Typus bei Frauen], Priester/innen [Arktoi], Sportler [Athletik, hippische Agone], Jäger, Krieger [Reiterstatuen, Gewaltbilder], Herrscher/innen [spezifische Herrscherikonografie u.a. in Hellenismus und römischer Antike wie die der römischen Aristokraten oder Kaiser], Philosophen, Redner, Schriftsteller, Handwerker, Bauern, Diener, Sklaven, Fremde, Feinde), mit seinen Ritualen (Pompe, Theater, Gelage, Begräbnis) mit seinen Träumen (Bukolik, Erotik [Bordelle]). Daneben gab es vielfältige Darstellungen von Tieren, Landschaften und Gebäuden (Architektur). III. Bildnisse erfüllen verschiedene Funktionen, etwa die der Eliten- und Herrscherdarstellung und -repräsentation (Statussymbolik), als Traumbilder, Bilder der Magie, Trost-/Trauerbilder, im Zusammenhang mit (historischer) Erinnerung und Memoria (historische Reliefs, Triumphbögen), als Teil von Gebäuden, Plätzen u.a. Durch Bildkomposition (kompositorische Gestaltung) erzählen Bilder Geschichten, sind eingebunden in Kontexte (Tempel und Heiligtum [Kultbilder, Votivgegenstände, Tempelarchitektur], Agora und Forum [Statuen, Statuenaufstellung], öffentliche Bauten, Häuser [Palast, Wohnhaus, Villa], Gräber [Beigaben, Grabbezirke]). IV. Dabei wurden Bildnisse auf Geheiß von Auftraggebern von Künstlern hergestellt (Kunsttheorie des Polyklet) und waren für ein Publikum bestimmt (Respräsentation, Kunstmarkt). [Buhlmann, 05.2017]

Schollmeyer, Patrick (2013), Handbuch der antiken Architektur, Darmstadt 22022, 256 S., Abbildungen, Epochentafel, Pläne, Karten, € 32,-. Im Mittelpunkt der umfang- und detaillreichen Betrachtung der Baukunst in der griechisch-römischen Antike (1. Jahrtausend v.Chr.-4. Jahrhundert n.Chr.) stehen auf der Grundlage der archäologischen, kunstgeschichtlichen und literarischen Überlieferung zunächst Überlegungen zum antiken Baubetrieb (7. Jahrhundert v.Chr., Griechenland: Übergang zur Steinbauweise unter Einfluss des ägyptischen Monumentalbaus [-> Steinbrüche, Marmorhandel der Antike], 3. Jahrhundert v.Chr.: opus caementitium; Werkzeuge: Hämmer, Sägen, Meißel, Lastkarren, Kräne, Hebevorrichtungen, Flaschenzüge; menschliche Arbeitskraft: Architekten, Handwerker [Steinmetze, Bildhauer, Zimmerleute, organisiert in Bauhütten; Steinmetzzeichen], Sklaven, Soldaten; öffentliche und private Bauten [Prestigebauten etwa von römischen Kaisern, Senatoren, Mitgliedern der städtischen Oberschichten). An Baugliedern fanden in der griechisch-römischen Antike Verwendung: Fundamente (Voll, Teilfunfdamentierung mit Quadersteinlagen, Bruchsteinen, Spolien u.a.), Mauern (Mauertechniken als Holz-Flechtwerk, mit Lehmziegeln, mit Quadersteinen, als Polygonalmauer, als opus incertum/[quasi] reticulatum/latericium [testaceum]), Stützelemente (Pfeiler, Säulen, Halbsäulen, Pilaster; Säulenordnungen [mit Basis, Säule, Kapitell, Gebälk): dorisch, ionisch [-attisch, -kleinasiatisch], korinthisch), Bögen und Gewölbe (Krag-, Tonnengewölbe), Fenster und Türen (mit Fenster- und Türrahmen; dorische, ionische Tür), Fassaden (zur Gliederung von Mauerflächen, als Prunkfassaden: Bögen, Fenster, Nischen, [Halb-] Säulen, Pilaster, Reliefs, Statuen), Dächer (u.a. als hölzerne Dachkonstruktion oder als Konstruktion aus Stein: Giebeldächer, Flach- und Deckziegel); dabei wurden die Architekturelemente im griechischen Kulturraum in direkter Steinbauweise (Elementverzahnung durch Metallklammern), im römischen Kulturraum über Zement- und Ziegelbaukonstruktionen miteinander verbunden. Das Baudekor betraf die ornamentale Einrichtung der (äölischen, dorischen, ionischen, korinthischen, Rosstten-, tuskanischen) Kapitelle und (alexandrinischen, attischen, ephesischen, samischen) Basen, die Bauornamentik (Anthemion, Bukranien-Girlanden-Fries, Flechtband, Kamation, Mäanderband, Perlstab, Rankenornament, Zahnschnitt), die Konsolen, die Bauplastik (Antefix [als Stirnziegel], Akrotere [als schmückende Aufsätze], columnae caelatae, Figurenreliefs [antepagmanta, Campanareliefs], [Cella-] Friese, Giebel [syrisch; Tympanon], Metopen und Triglyphen, Stützfiguren [Atlanten, Karyatiden], Wasserspeier), die Fußböden (Mosaike, opus sectile), das (polychrone) Wanddekor (Wandmalerei [pompeianische Stile]), das Deckendekor (Kassettendecke). Gemäß den Bauaufgaben können die in der griechisch-römischen Antike (griechische Archaik, griechische Klassik, Hellenismus, römische Republik, römische Kaiserzeit) entstanden Bauten wie folgt unterteilt werden: Sakralbauten: Altäre (Blockalter, Triglypenaltar, Altar innerhalb eines Heiligtums), Bankett- und Gästehäuser (für gemeinschaftliche Opferfeiern), Schatzhäuser (an den Heiligtümern; Schatzhausterrasse), Propylon (als Tor und Eingang zum Heiligtum), Tempel (Antentempel, Dipteros, Monopteros [Rundtempel], [Pseudo-] Peripteros, Prostylos, Tholos [Rundtempel] [Zeustempel von Athen, Tempel von Paestum]; römische Tempelvarianten [Apollo-, Minervatempel, Pantheon, Tempel am Largo Argentina, templum pacis, Tiberrundtempel in Rom]), Heiligtümer (als architektonische Großanlagen [Akropolis von Athen, Asklepion von Kos, Asklepion von Messene, Delos, Olympia, Palestrina]); Memorialbauten (Säulen-, Pfeiler-/Rund-, Bogen-, choregische Monumente [Jupiter-Giganten-Säulen, Siegesmonumente], Wasser-/Sonnenuhren [Turm der Winde], Sonnenuhr des Augustus); Hallen- und Versammlungsbauten (Palast, Stoa/Porticus, Bouleuterion/Prytaneion, comitium/saepta, curia, Basilika [Maxentiusbasilika, Trier], Vereinsbauten); Unterhaltungs-, Sport- und Bildungsstätten (Theater/Odeion/Amphitheater [Athen, Epidauros, Rom, Taormina], Stadion/Hippodrom/Circus [Rom], Gymnasium [Priene], Palästra [Olympia], Bibliotheken [Ephesos]); Wasserversorgung (Abwasseranlagen/Toiletten, Brunnenhäuser/Nymphäen [Kyrene, Milet], Badeanlagen/Bäder/Thermen [Karthago, Pompeji, Rom, Trier]); Wohnbauten (vom Pastas-, Prostas-Typ, als Herdraumhaus, als Atriumhaus und als Haus mit Peristylhof; insula, villa [Kaiservillen; Capri, Otrang, Tibur], villa rustica; Palast [domus [aurea, Tiberiana, Paläste der Kaiser Domitian, Diokletian, Konstantin], Megaron, praetorium; Knossos, Rom, Split, Trier, Tiryns]); Infrastruktur, Militär- und Nutzbauten (Stadtmauern/-tore/Bastionen/Türme [Mauerwerk, Axial-/Tangential-/Dipylontore, Torturm, porta, Eingangsbogen] [Servianische/Aurelianische Stadtmauer Roms], Festungen/Kastelle [Akropolis, arx, römische Auxilar-/Legionslager mit Mauer, Toren, Türmen, principium], Brücken/Aquädukte [Holz-/Steinbrücken], Straßen [Gräberstraßen, Plätze, Prachtstraßen mit Bogengängen, Prozessionswege; Hauptstraßen, Wege, Pfade, römisches Straßennetz; Pflasterung, Geleise, Hermen, Meilensteine], Häfen und Leuchttürme [Hafenbecken, Kräne, Schiffshäuser], Bauernhöfe, Werkstätten, Bordelle, Läden und Märkte [Agora, forum; Athen, Rom], Speicher [horreum; Ostia], Grabbauten [Rhomaios-/Tholosgrab, Maussoleen u.a. der Kaiser Augustus und Hadrian, Turmgräber, Hypogäum, Katakombe]). Dörfer und Städte als durch Wege und Plätze verbundene Ansammlung von Gebäuden und mithin von Architektur spiegeln sich zuletzt wider in der antiken Stadtplanung und Stadtentwicklung (öffentliche und private Gebäude; Agora, Forum, Tempel, Straßennetz [Athen, Delos, Emporiae, Leptis Magna, Ostia, Pergamon, Pompeji, Priene, Rom, Smyrna, Trier]). [Buhlmann, 11.2023]

Scholtz, Harald (1957), Evangelischer Utopismus bei Johann Valentin Andreä. Ein geistiges Vorspiel zum Pietismus (= DWG 42), Stuttgart 1957, VIII, 103 S., DM 6,30. Der protestantische Theologe [und Mathematiker] Johann Valentin Andreä (*1586-†1654; aus Herrenberg, Sohn eines Pfarrers) gilt mit seinen Schriften als Vordenker des württembergischen Protestantismus und Pietismus. Gerade seine Traktate aus den Jahren 1614 bis 1620 - allesamt in Latein verfasst - richteten sich an gebildete Protestanten und sollte ihnen einen "evangelischen Utopismus" (als Leitbild einer Sozialordnung) nahebringen, eine durch das Evangelium bestimmte christliche Gesellschaftsordnung, die auch vorbildhaft auf den einzelnen Gläubigen als christlichen Menschen wirken sollte. Die Schriften stehen auf evangelisch-lutherischer Grundlage (Seelenfrieden und -heil, irdische Wohlfahrt) und gehören im Schnittpunkt von protestantischer Orthodoxie und Mystik, von Humanismus und Spiritualismus ins Vorfeld des Pietismus. > Lateinische Literatur > A Andreä, Johann Valentin [Buhlmann, 05.2015]

Scholz, Peter (2015), Der Hellenismus. Der Hof und die Welt (= C.H. Beck Geschichte der Antike, Bd.3 = BSR 6153), München 2015 > G Griechische Geschichte, 4.-1. Jahrhundert v.Chr.

Scholz, Sebastian (2015), Die Merowinger (= Urban TB 748), Stuttgart 2015 > M Merowinger

Scholz, Julia (2013), "Kuckucksuhr, mon amour". Faszination Kuckucksuhr. Deutsches Uhrenmuseum, [Stuttgart] 2003 > U Uhren

Schomaekers, Günter (1983), Daten zur Geschichte der USA (= dtv 3249), München 1983 > U US-amerikanische Geschichte

Schopenhauer, Arthur, deutscher Philosoph: Arthur Schopenhauer, geboren am 22. Februar 1788 in Danzig, einer Kaufmannsfamilie entstammend, genoss eine kaufmännische Ausbildung, die ihn als Kind und Jugendlicher u.a. nach Belgien, Frankreich, Großbritannien oder die Schweiz brachte. In Abkehr vom Kaufmannsberuf studierte Schopenhauer Naturwissenschaften, Geschichte und Philosophie in Göttingen (1809/11), Philosophie in Berlin und Rudolstadt (1811/13); mit der Schrift "Über die vierfache Wurzel vom zureichenden Grunde" wurde er promoviert (1813). Seine philosophischen Studien setzte Schopenhauer in Weimar (1813/14) und Dresden (1814/19) fort, unterbrochen von einer ausgedehnten Italienreise (1818/19). Ausfluss seiner Erkenntnisse waren die Schriften "Über das Sehen und die Farben" (1816) und "Die Welt als Wille und Vorstellung" (1818). Schopenhauers Aufenthalt in Berlin (1820/22) brachte diesen in Gegensatz zu den dort lehrenden Philosophen Hegel und Schleiermacher; eine weitere Italienreise folgte (1822). Schopenhauer kehrte nach Berlin zurück (1825/31), wo er Gracians "Handorakel und Kunst der Weltklugheit" aus dem Spanischen übersetzte. Ab 1831 lebte er bis zu seinem Tod in Frankfurt a.M. als (ver)einsam(t)er Privatgelehrter. Hier entstanden: "Über den Willen in der Natur" (1836), "Über die Freiheit des Willens" (1839, preisgekrönt von der Königlich Norwegischen Sozietät der Wissenschaften), "Über die Grundlage der Moral" (1839), "Die beiden Grundprobleme der Ethik" (1841, als Vereinigung der zuvor genannten zwei Schriften von 1839), "Welt als Wille und Vorstellung" (2. Teil, 1843), "Aphorismen zur Lebensweisheit" (1851, als "Erfahrungsbericht" seines Lebens). Ab den 1850er-Jahren fanden Schopenhauers philosophische Ansichten im In- und Ausland zunehmend Anerkennung. Der Philosoph starb am 21. September 1860.
Werke des Philosophen sind: Schopenhauer, Arthur (1950), Aphorismen zur Lebensweisheit, hg. v. Rudolf Marx (= KTA 16), Stuttgart 151990, XXXII, 283 S., DM 11,-. Biografisch vermittelt Schopenhauers Philosophie: Fleischer, Margot ([2001]), Schopenhauer (= Herder / Spektrum Meisterdenker = Herder Tb 4931), Freiburg i.Br. o.J. [2001], 190 S., DM 16,90. [Buhlmann, 09.2017, 07.2020]

Schorn-Schütte, Luise (2000), Karl V. Kaiser zwischen Mittelalter und Neuzeit (= BSR 2130), München 2000, 110 S., Schwarzweißabbildungen, Stammtafel, Karte, DM 14,80. I. Geboren wurde Karl, der Enkel Kaiser Maximilians I. und Sohn des burgundischen Herzogs Philipp des Schönen (†1506) und der spanischen Prinzessin Johanna von Aragon und Kastilien (†1555), am 24. Februar 1500 im flandrischen Gent. Schon früh zeichnete sich ab, dass Karl Nachfolger seines habsburgischen Großvaters im römisch-deutschen Reich und Nachfolger seiner spanisch-kastilisch-aragonesischen Vorfahren werden würde. Dementsprechend wurde Karl auf seine zukünftigen Aufgaben vorbereitet (politisch-religiöse Erziehung) und übernahm schon im Jahr 1515 in den von den Habsburgern ererbten burgundischen Territorien die Herrschaft. Er fand darin Unterstützung bei seiner Tante, der Erzherzogin Margaretha von Österreich-Savoyen (†1564) und zeitweisen Regentin des burgundischen Herzogtums. Beim Tod seines spanischen Großvaters Ferdinand II. (von Aragon, 1479-1516) folgte Karl (I., 1516-1556) im iberischen Königtum mit seinen umfangreichen überseeischen Kolonialbesitzungen nach, während Absprachen mit seinem jüngeren Bruder Ferdinand (†1564) die Erbfolge Karls sichern halfen (Brüsseler Verträge 1521). Das Königreich Spanien war am Ende des Mittelalters aus den Königreichen Kastilien und Aragon bzw. den Ländern (Teilreichen) der kastilischen und aragonesischen Krone entstanden. Die "Entdeckung" der "Neuen Welt" und die gerade unter König Karl I. stattfindende Eroberung und Kolonisierung Mittel- und Südamerikas (Unterwerfung des Aztekenreiches 1519/22, Eroberung des Inkareichs 1532/39) bildeten die Grundlagen des spanischen Weltreiches und Spaniens als Hegemonialmacht im Europa des 16. Jahrhunderts. Aus der 1522 geschlossenen Ehe mit Isabella von Portugal (†1539) gingen der spanische Thronfolger Philipp (II., 1556-1580) und die älteste Tochter Maria (*1528) hervor. Nach dem Tod Isabellas heiratete Karl nicht noch einmal. Er hatte indes zwei uneheliche Kinder: Margarethe von Parma (†1586), spätere Statthalterin der spanischen Niederlande, und Juan de Austria (†1578), Befehlshaber der kaiserlichen Flotte in der Schlacht bei Lepanto gegen die osmanischen Türken (1571). Karls Persönlichkeit wird beschrieben als verschlossen und unnahbar, maßvoll, gerecht und fromm, Eigenschaften, die sich mit zunehmendem Alter teilweise noch verstärken sollten. Höfische Repräsentation, Selbstdarstellung und der Erwerb von Ruhm spielten (dennoch) im Leben Karls eine wichtige Rolle. II. Nach dem Tod seines Großvaters Maximilian I. (1519) wurde Karl zum römisch-deutschen König und Kaiser (Karl V., 1519-1556) gegen seinen Mitbewerber, den französischen König Franz I., gewählt. Der habsburgisch-französische Gegensatz zwischen den beiden mächtigen europäischen Königsdynastien war geboren und sollte bald zu Konflikten in Oberitalien führen, wobei hier der kaiserliche Sieg bei Pavia (1525) zu Gunsten Karls entschied. Der Madrider Frieden (1526) und der "Damenfrieden von Cambrai" (1529) beendeten nur zwischenzeitlich die europaweiten politischen und militärischen Auseinandersetzungen, zumal mit der Schlacht von Mohacs (1526) und der 1. Belagerung Wiens (1529) die osmanischen Türken unter Sultan Süleyman (1520-1566) große Teile des habsburgisch-ungarischen Königreichs erobern konnten. Bei Türkenkrieg und Türkenabwehr spielte Karls Bruder Ferdinand, seit 1526 König von Böhmen und Ungarn, eine zunehmend wichtiger werdende Rolle, was wiederum zu innerhabsburgischen Konflikten führte. Dem Friedensvertrag von Großwardein zwischen Habsburg und osmanischem Reich (1538) gingen dabei die Eroberung von Tunis durch kaiserliche Truppen (1535) und die Wiederherstellung der kaiserlichen Seeherrschaft im (westlichen) Mittelmeer (Johanniterorden auf Malta) voraus. Zwei von den Habsburgern erfolgreich geführte Kriege gegen Franz I. (1536/38, 1542/44) führten dann noch zum endgültigen Friedensschluss von Crépy (1544) mit dem französischen König. Europaweite Wirkung entfaltete auch das anfangs schwierige Verhältnis zwischen Karl V. und den Päpsten; die Kaiserkrönung Karls durch Papst Clemens VII. (1523-1534) in Bologna (1530) oder die in Rom vor Papst Paul III. (1534-1549) gehaltene Grundsatzrede Karls zu allgemeinem Konzil und Türkenkrieg (1536) gehören hierher. Karls V. politische Wirksamkeit in Deutschland war insbesondere abhängig von seinem Verhältnis zu den Reichsfürsten und Reichsständen (Kaiser und Reich) und von seiner Handhabung der durch Martin Luther (†1546) aufgeworfenen reformatorischen Religionsfrage. Reformation bedeutete - bezogen auf Deutschland - die Ablösung der altkirchlichen (katholischen) Ordnung durch ein lutherisch-protestantisches Kirchensystem besonders in den spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Landesherrschaften im römisch-deutschen Reich. Sie ist der Zeitabschnitt vom Wittenberger Thesenanschlag Luthers im Jahr 1517 bis zum Augsburger Religionsfrieden von 1555. In diesem Zeitraum verschränkten sich die monarchische Stellung Karls als Reichsoberhaupt, die Mitbestimmung der Stände im Reich und die Reformation auf vielfältige, politische, religiöse und militärische Konflikte hervorrufende Art und Weise. Als Ausgangspunkt aller dieser Entwicklungen kann der Wormser Reichstag von 1521 gelten, der bei aller dort erfolgten verfassungspolitischer "Verdichtung" des Reiches (Reichsreform: Reichskreise, Reichskammergericht, Reichsmatrikel, Reichsregiment bei Abwesenheit des Kaisers, [Strafgesetzbuch Carolina 1532]) mit dem Wormser Edikt Martin Luther als Ketzer verurteilte und letztlich die langwierige Auseinandersetzung zwischen den protestantischen Reichsständen und dem Kaiser in Gang setzte. Während der Abwesenheit Karls V. von Deutschland (1522/30) formierte sich nämlich der Widerstand von Landesfürsten und Reichsstädten gegen das Edikt, ein Widerstand der in der "Protestation" der evangelischen Stände auf dem Speyrer Reichstag von 1529 einen ersten Höhepunkt sah. Das eingespielte Verhältnis zwischen Kaiser, Reichstag und Reichsständen wurde dadurch in Frage gestellt, ging es doch um den Einfluss von Kaiser und Reichstag in Glaubensfragen bzw. um die Glaubensfreiheit der Reichsstände. Die protestantischen Stände hatten die Macht des Kaisers herausgefordert und bangten nun um ihre Sicherheit. Auf dem Augsburger Reichstag von 1530 legten sie - bei zwischenzeitlicher Außerkraftsetzung des Wormser Edikts - Karl V. die Confessio Augustana als protestantisches Glaubensbekenntnis vor, das aber auf Ablehnung stieß und die von Karl gewünschte Schiedsrichter- und Vermittlerrolle des Kaisers in Fragen der Religion und Reformation beschädigte. Danach galt das Wormser Edikt wieder, und die protestantischen Stände schlossen sich im Schmalkaldischen Bund zusammen, während Ferdinand (I.), der Bruder Karls, zum römisch-deutschen König gewählt und gekrönt wurde (1531). Doch gingen Kaiser und Protestanten trotz-dem noch aufeinander zu, benötigte Karl auch von den protestantischen Ständen (finanzielle) Hilfe für den Türkenkrieg. Der "Nürnberger Anstand" (1532) vereinbarte demgemäß ein Stillhalten in der Religionsfrage bei Einbeziehung der Protestanten in die Friedensgemeinschaft des Reiches. Die Verwirklichung der kaiserlichen Konzilspläne - ein allgemeines Konzil sollte die durch die Reformation zerrissene Christenheit wieder zusammenführen - führte schließlich einerseits zur Einberufung des Konzils von Trient (1545-1563), andererseits auf dem Wormser Reichstag von 1545 zur Ablehnung des Konzils durch die protestantischen Stände, deren Positionen sich in den konziliaren Zielsetzungen nicht wiederfanden (theologische Grundsatzfragen: Kirchenbegriff, Papsttum, Papst und Konzil, kirchliche Reformen). Die Friedenschlüsse mit Frankreich und dem osmanischen Reich eröffneten dem Kaiser nun aber die Möglichkeit eines Religionskriegs gegen die Protestanten und den Schmalkaldischen Bund. Der Schmalkaldische Krieg (1546/47), eingeleitet mit Achterklärungen an das Kurfürstentum Sachsen und die Landgrafschaft Hessen, endete denn auch mit einem Sieg Karls (Schlacht bei Mühlberg 1547), offenbarte aber auch den sich verschärfenden Gegensatz zwischen ständischer libertät und kaiserlicher monarchia als "Universalmonarchie". Der "geharnischte" Augsburger Reichstag von 1547/48 ließ indes die religiösen Verhältnisse in Deutschland in der Schwebe und mündete im sog. Augsburger Interim (1548), das ohne und gegen die Protestanten zustande kam und das als eine zwangsverordnete Übergangslösung bis zu einem Beschluss auf dem allgemeinen Konzil gelten sollte. Kaiser Karl V. befand sich damals auf dem Höhepunkt seiner Machtstellung. Bald formierte sich indes der Widerstand gegen die kaiserlichen Verfügungen in Form einer protestantischen Fürstenopposition im Reich, die sich wirkungsvoll mit dem französischen König Heinrich II. (1547-1559) verband (1552). Folge dieses Bündnisses waren der Krieg gegen Frankreich um Lothringen und in Norditalien (1552/54) und schließlich die in den Passauer Vertrag (1552) einmündenden Verhandlungen mit dem römisch-deutschen König Ferdinand I. Der Passauer Vertrag ebnete den Weg zum berühmten Augsburger Reichstag von 1555 unter der Leitung Ferdinands und zum dort erzielten Kompromiss besonders in den Fragen von Religion und Konfession bei Anerkennung von Reformation und Protestantismus der Reichsstände (Augsburger Religionsfrieden). III. Zum Zeitpunkt des den Religionsfrieden vollziehenden Reichsabschieds (25. September 1555) hatte Kaiser Karl V. schon resigniert; die Abdankung des Herrschers vollzog sich in Etappen, beginnend mit der Überga-be der Niederlande an seinen Sohn Philipp (Oktober 1555), der bald die Übergabe des spanischen Königreiches folgte (Januar 1556). Karl V. selbst zog sich nach Spanien zurück, zu seinem Landsitz beim Hieronymitenkloster Yuste, wo er zurückgezogen die Zeit bis zu seinem krankheitsbedingten Tod am 21. September 1558 verbrachte. Unterdessen vollzog sich auch im römisch-deutschen Reich nach langwierigen Verhandlungen der Übergang des Kaisertums an Karls Bruder Ferdinand I. (Februar 1558). Die weltumfassende Herrschaft Karls V. war zu Ende. Vgl. noch: Lahnstein, Peter (1982), Auf den Spuren von Karl V. (= Bastei-Lübbe Tb 64059), Bergisch Gladbach 1982, 383 S., Abbildungen, DM 2,-. [Buhlmann, 11.2000, 05.2018, 05.2019]

Schote, Lothar (Hg.), Die Bahn. Was sie ist und wie sie funktioniert, Heidelberg 21990 > E Eisenbahn(en) in Mitteleuropa

Schottmann, Jochen (2003), Der Prozess um Kaiserswerth und den dortigen Rheinzoll vor dem Reichskammergericht 1596-1767. Eine Auswertung der Prozessakten, in: DJb 74 (2003), S.105-178 > K Kaiserswerth

Schrader, Franz (1977), Ringen, Untergang und Überleben der katholischen Klöster in den Hochstiften Magdeburg und Halberstadt von der Reformation bis zum Westfälischen Frieden (= KLK 37), Münster 1977, 104 S., DM 18,-. I. Reformation (1517) und Bauernkrieg (1524/25) gefährdeten die Existenz von 51 katholischen geistlichen Männer- und Frauenkommunitäten verschiedener Orden (Augustiner, Benediktiner, Celliten, Dominikaner, Franziskaner, Karmeliter, Karthäuser, Prämonstratenser, Reuerinnen, Serviten, Zisterzienser) in den Bistümern Magdeburg und Halberstadt. Martin Luther stand den klösterlichen Einrichtungen zumindest kritisch gegenüber, andere Reformatoren plädierten für deren Auflösung. Der Bauernkrieg betraf insbesondere das Bistum Halberstadt, aber auch die Städte Halle und Magdeburg; Klöster wurden von Bauern und Bürgern gestürmt, ohne dass es zu deren Auflösung kam; lediglich das Ausgutinerkloster in Magdeburg lösts sich selbst auf (1524). Unter Kardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Magdeburg, Administrator von Halberstadt (1513-1545) und Erzbischof von Mainz (1514-1545), blieben die beiden Bistümer katholisch, das Vordringen der Reformation brachte dennoch Veränderungen (Stifte St. Moritz und Neuwerk in Halle -> Neues Stift 1520/31; Ende der Franziskanerklöster in Aschersleben [1533] und Magdeburg [1526]); offensichtlich konnte sich der geistliche Fürst nicht gegen die Entwicklungen in den Städten der beiden Hochstifte durchsetzen. Dies galt auch für den Nachfolger Albrechts, Erzbischof Johann Albrecht von Brandenburg (1545-1550). Der Schmalkaldische Krieg (1546/47) brachte die zeitweilige Aufhebung und Wiederherstellung von Klöstern Halberstadt, Halle und Magdeburg. Indes endete um 1550 das Benediktinerkloster Gröningen und 1551/52 das Prämonstratenserstift Jerichow. Unter dem der evangelischen Konfession zuneigenden Erzbischof Sigismund von Brandenburg (1552-1566) wurden die meisten Klöster aufgehoben (Zisterzienserkloster Zinna [ca.1553], Zisterzienserinnenkloster Abbenrode [1554], Benediktinerinnenkloster Stötterlingenburg [1540/55], Zisterzienserinnenkloster St. Georg in Hall [1557], Augustinerchorrherrenstift Aken [1558], Augustinerchorrherrenstift Alsleben [1561] -> erzbischöfliche Visitationskommission 1561/62, Landtag zu Calbe 1564 -> Franziskanerkloster in Halle [1564], Lorenzkloster in Magdeburg [1566, und dessen vorübergehende Wiederherstellung], Dominikanerkloster in Halberstadt [1566]). II. Beim Tod Sigismunds war in den beiden Hochstiften, die nun unter verschiedenen Herrschern verschiedene Wege gingen, die Reformation sehr weit fortgeschritten. Unter dem dem Erzbistum Magdeburg voranstehenden Administrator Joachim Friedrich von Brandenburg (1566-1598) gingen Reformen und Reformation weiter (evangelischer Gottesdienst im Magdeburger Dom [1567], Landtag von Calbe [1570], Klostervisitationen und katholischer Widerstand [1570, 1571, 1573, 1577], Aufhebung des Lorenzklosters in Magdeburg [1577], evangelisches Kloster Hillersleben [1577], Visitationsordnung [1583], Wahl des Magdeburger Dompropstes und Umwandlung des Magdeburger Klosters Unserer Lieben Frau in eine evangelische Anstalt [1597]). Auch unter dem zunächst unmündigen Sohn Joachim Friedrichs, Christian Wilhelm von Brandenburg (1598-1631) als Magdeburger Administrator reduzierte sich die Zahl der katholischen Gemeinschaften im Hochstift noch, so dass nur noch fünf katholische Kommunitäten übrig gebleiben waren (Groß Ammensleben, Althaldensleben, Egeln, St. Agnes in Magdeburg, Meyendorf). III. Im Hochstift Halberstadt regierte zunächst (bis 1578) das katholisch gebliebene Domkapitel für den unmündigen postulierten Bischof Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (1566-1613). Doch blieb die Lage im Bistum für die verbliebenen katholischen Kommunitäten schwierig, zumal der Bischof zum evangelischen Glauben übertrat (1584) und der Landtag des Hochstifts eine Kirchenvisitation beschloss (1587). Heinrich Julius erzwang die Annahme der evangelischen Konfession durch das Domkapitel (1591), die Widerstände von Seiten der noch immer katholischen Kommunitäten (Franziskanerkloster in Halberstadt; Nonnenklöster Adersleben, St. Burchard, Hadmersleben, Hedersleben [Bitte um kaiserliche Schutzbriefe, ca.1300]) blieben aber bestehen, so dass am Beginn der Gegenreformation auch im Hochstift Halberstadt einige katholisch gebliebene Institute vorhanden waren, die durch die gegenreformatorische Bewegung (ab 1612) und einen erstarkenden Katholizismus Stärkung erfuhren (kaiserliche Schutzbrieferteilung, Mandate für die Franziskaner in Halberstadt 1617). Die Halberstädter Administratoren Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel (1616-1624) und Christian Wilhelm von Brandenburg (1624-1627) hatten also gegenüber dem "Restkatholizismus" im Hochstift einen schweren Stand, zumal sich - im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) - der kaiserliche General Wallenstein mit seinen Truppen zeitweise in Halberstadt aufhielt (1626/27) und nach der Absetzung Christian Wilhelms der Habsburger Leopold Wilhelm (1628-1648) Bischof wurde. Das Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. (1629) stellte den katholischen Gottesdienst in den Halberstädter Kirchen St. Maria, St. Moritz, St. Paul sowie dem Dom wieder her; Jesuiten residierten zudem in der Bischofsstadt (1630). Es folgte indes das Eindringen der Schweden ins Hochstift (1631), die katholischen Mönche und Nonnen mussten fliehen, kehrten aber im Gefolge des Prager Friedens (1635) wieder an ihre Kommunitäten zurück, zumal auch das Hochstift nochmals kaiserlich wurde (1637/38). Die Eroberung Halberstadts durch schwedische Truppen (1643), die noch verbliebenen zwölf katholischen Klöster konnten ihre Existenz auch im Vertragswerk des Westfälischen Friedens (1648) sichern. IV. Im Hochstift Magdeburg fasste die Gegenreformation mit zeitlicher Verspätung Fuß. Im Dreißigjährigen Krieg musste der Administrator Christian Wilhelm von Brandenburg (1608-1631) vor den kaiserlichen Truppen zurückweichen (1625; Übergang des Magdeburger Klosters Unserer Lieben Frau an die Katholiken [1628], katholisches Kloster Hillerslaben [1628], Visitationskommission des Zisterzienserorden [1629]). Es folgten die Eroberung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen (1631), die schwedische Besetzung des Magdeburger Hochstifts (1631) sowie die Behauptung der katholischen Klöster dort bis zum und im Westfälischen Frieden. Aus dem Hochstift Magdeburg wurde ein brandenburgisches Herzogtum, aus dem Hochstift Halberstadt ein brandenburgisches Fürstentum. Die zwölf (Halberstadt) bzw. fünf (Magdeburg) katholischen geistlichen Einrichtungen, die am Ende des Dreißigjährigen Krieges bestanden, blieben erhalten und damit 17 von ursprünglich 51 Kommunitäten. Nicht zuletzt überlebten die Klöster auf Grund erfolgreicher katholischer Reformmaßnahmen innerhalb der Orden im 15. Jahrhundert, ihrer wirtschaftlichen Stärke, der Glaubensstärke der katholischen Mönche und Nonnen sowie ihrer Konsolidierheit in einem reformatorischen Umfeld. [Buhlmann, 02.2021]

Schramberg, Ort im Mittelschwarzwald: I. Der Ort Schramberg taucht erst spät, zum Jahr 1251 in den historischen Quellen auf als Shrannenberc. Im hohen und späten Mittelalter sind zahlreiche Adelsfamilien in und Schramberg nachweisbar: Herren von Ramstein, Herren von Falkenstein (Burgen Ramstein, Falkenstein), Ritter von Schilteck, Herren von Wartenberg-Wildenstein, von Ow, von Neuneck auf Schilteck, von Emershofen (Burg Schilteck), Herren von Rechberg (Burg Schilteck, Hohenschramberg). Die Herrschaft Schramberg wurde von Hans von Rechberg (†1464) begründet, der aus den ehemaligen Herrschaftsgebieten der Falkensteiner, Ramsteiner und Schiltecker ein reichsunmittelbares Territorium formte. Letzteres hatte auch nach 1464 Bestand, als Hans' Sohn Ludwig von Rechberg (†1503/04) und seine Brüder dieses uneinheitliche Herrschaftsgebiet behaupteten und erweiterten, etwa im Gebiet der ehemaligen Ritterherrschaft Schilteck (1496) oder mit dem Ausbau der Burg Hohenschramberg. Ludwigs Sohn Hans (II.) (1504-1526) bemühte sich nach Auseinandersetzungen mit der Reichsstadt Rottweil (1512/13) seit 1514 indes um den Verkauf der Herrschaft, die schließlich im Jahr 1526 an seinen Schwager Hans von Landenberg (1526-1540) für 11000 Goldgulden veräußert wurde. Die sog. Landenbergische Fehde der Landenberger mit der Reichsstadt Rottweil (1538-1541) leitete das Ende der landenbergischen Herrschaft über Schramberg ein, das an Rochus Merz von Staffelfelden (†1563) gelangte (1547; Merzsches Urbar 1547/49). Zwischen 1571 und 1583 war die Herrschaft Schramberg im Besitz von Sebastian und Gottfried Zott von Berneck, im Jahr 1583 erfolgte der Übergang Schrambergs an das Haus Habsburg-Österreich; Graf Wilhelm von Zimmern (1583-1594) wurde mit der nun vorderösterreichischen Herrschaft belehnt. Politisches Zentrum der Herrschaft Schramberg war die Burg Hohenschramberg. Daneben gab es die Streusiedlungen der Talschaften, die sich im Verlauf des 15. Jahrhunderts zunehmend als Gemeinden organisierten. Lauterbach und Sulzbach sind hier zu nennen (1497). Aichhalden und Mariazell - Letzteres Lehen des Klosters Reichenau - waren zur Herrschaft Schramberg gehörende Gemeinden mit (zeitweise klein-) städtischem Charakter. Die innere Gliederung des Territoriums in fünf bzw. sechs "Ämter und Vogteien" wurde von Rochus Merz grundgelegt, das Merzsche Urbar zum "Grundgesetz" der Landesherrschaft, die sich als "ritterschaftlicher Miniaturstaat" in Organisation und Verwaltung den anderen Territorien anpasste. II. Die Herrschaft Schramberg war zunächst Teil des habsburgisch-vorderösterreichischen Länderkonglomerats im deutschen Südwesten, 1648 gelangte sie an die Herren (später Reichsgrafen) von Bissingen-Nippenburg. In den Kriegen des 17. Jahrhunderts wurden Schramberg und Burg Hohenschramberg in Mitleidenschaft gezogen (1633, 1689). Im Jahr 1806 wurde der Ort württembergisch (Oberamt Oberndorf im Königreich Württemberg), die Industrialisierung des 19. und 20. Jahrhunderts (Uhrenindustrie, Firma Junghans) machte aus Schramberg eine Stadt (Stadtrechte 1867) in deutschem Kaiserreich, Weimarer Republik, "Drittem Reich" und der Bundesrepublik Deutschland (Bundesland Baden-Württemberg).
Schramberger Geschichte vermitteln: Buhlmann, Michael (2007), Schramberg im Mittelalter. Ein Lexikon. Vortrag "Mittelalterliche Klöster im Schwarzwald - Mönchtum, Siedlung und Herrschaft im Schramberger Raum" beim Museums- und Geschichtsverein Schramberg e.V., Schramberg, 21. Juni 2007, Essen 2007, 60 S., Karten, € 6,-; Buhlmann, Michael (2011), Beiträge zur Geschichte Schrambergs im Mittelalter (= VA 55), Essen 2011, 44 S., € 4,- (mit den Beiträgen: Schramberg im Mittelalter; Das Kloster St. Georgen im Schwarzwald und die Herren von Falkenstein; Eine Urkunde des Gegenpapstes Calixt III. für das Kloster St. Georgen im Schwarzwald; Die Herren von Ramstein und Falkenstein in ihren Beziehungen zu Benediktinerklöstern im Schwarzwald und am Bodensee; Hans von Rechberg und die Herren von Klingenberg); Dambach, Oskar (1904), Schramberg. Ort und Herrschaft. Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Schramberg 1904, 187 S., Bildtafeln; Topographische Karte 1:25.000, hg. vom Landesvermessungsamt Baden-Württemberg: TK 25: 7716 Schramberg, Stuttgart 21997, Karte, € 5,40. [Buhlmann, 06.2007, 09.2011, 11.2015]

Schramm, Hilde (2012), Meine Lehrerin, Dr. Dora Lux. 1882-1959. Nachforschungen, Reinbek b.H. 22012, 432 S., Schwarzweißtafeln, Bibliografie, € 19,95. Dora Bieber (*1882 in Bismarckshöhe bei Hammer, †1959 in Hamburg), jüdischer Abstammung, verheiratet als Dora Lux, war eine der ersten Abiturientinnen im deutschen Kaiserreich (1901) und studierte in Berlin, Heidelberg und München, wo sie als Altphilologin promoviert wurde (1906). In Berlin war sie danach als eine der ersten Gymnasiallehrerinnen (1909) und Studienrätinnen (1922) in den Fächern Latein, Griechisch und Geschichte tätig. Aus ihrer Ehe mit Heinrich Lux (1915) stammten zwei Töchter. Im Nationalsozialismus mit einem Berufsverbot belegt (1933), schrieb sie dennoch weiter für die Zeitschrift "Ethische Kultur" kritische Beiträge (1928/36). Als Atheistin verband Dora Lux wenig mit dem Judentum in Deutschland, ließ sich auch nicht als Jüdin registrieren (1935), was ihr wahrscheinlich das Leben rettete. Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) war Dora Lux befristet an der Universität Heidelberg als Dozentin in Deutsch und Latein tätig (1945/47), später (1947/56) überzeugte als Geschichtslehrerin an der Elisabeth von Thadden-Schule in Heidelberg durch Humanität und Aufklärung als Gegenbild zur menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus und gegen den vom Nationalsozialismus gefärbten Zeitgeist. Insgesamt hatte Dora Lux das Leben einer "mutigen und unangepassten Frau" geführt. [Buhlmann, 03.2023]

Schreiner, Klaus (1987), Hirsau, Urban II. und Johannes Trithemius. Ein gefälschtes Papstprivileg als Quelle für das Geschichts-, Reform- und Rechtsbewusstsein des Klosters Hirsau im 12. Jahrhundert, in: DA 43 (1987), S.369-430 > H Hirsau

Schreiner, Klaus (Bearb.) (1991), Hirsau. St. Peter und Paul, 2 Tle. (= Forschungen und Berichte der Archäologie in Baden-Württemberg, Bd.10,1-2), Stuttgart 1991 > H Hirsau

Schreiner, Klaus (1988), Benediktiner in Brauweiler. Geschichte der Benediktinerabtei St. Nikolaus 1024-1802 (= PBGH Sonderveröffentlichung 4), Pulheim 1988 > B Brauweiler

Schreiner, Klaus (1996), Maria - Jungfrau, Mutter, Herrscherin (= dtv 4707), München 1996 > M Maria (Heilige)

Schreiner, Klaus (2001), Die Geschichte der Abtei Brauweiler 1024-1802 (= PBGH Sonderveröffentlichung 21), Pulheim 2001 > B Brauweiler

Schreiner, Klaus (2003), Maria. Leben, Legenden, Symbole (= BSR 2313), München 2003 > M Maria (Heilige)

Schreiner, Klaus, Meier, Ulrich (Hg.) (1994), Stadtregiment und Bürgerfreiheit. Handlungsspielräume in deutschen und italienischen Städten des Späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit (= Bürgertum, Bd.7), Göttingen 1994, 321 S., DM 76,-. Freiheit (libertas) ist die Freiheit der Stadt, der Kommune, der Bürgergemeinde von auswärtiger Herrschaft, es ist die Freiheit des Bürgers bei seinen wirtschaftlichen Aktivitäten, nicht so sehr bei der Mitgestaltung des politischen Umfelds innerhalb der Stadt (Konsens und Partizipation in einer Ständegesellschaft [Wahlen; Rat, Obrigkeit und Bürgerschaft]) (Klaus Schreiner, Ulrich Meier, Regimen civitatis. Zum Spannungsverhältnis von Freiheit und Ordnung in alteuropäischen Stadtgesellschaften). Bürgerliche Freiheitsvorstellungen, der konsensuale Charakter von städtischer Herrschaft von Bürgern für Bürger, die stadt- und ständespezifisch unterschiedliche Beteiligung der Bürger an der Herrschaft (Patriziat, Zünfte) werden offensichtlich im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Florenz (Ulrich Meier, Der falsche und richtige Name der Freiheit. Zur Neuinterpretation eines Grundwertes der Florentiner Stadtgesellschaft (13.-16. Jahrhundert); Ulrich Meier, Konsens und Kontrolle. Der Zusammenhang von Bürgerrecht und politischer Partizipation im spätmittelalterlichen Florenz), Köln (Gerd Schwerhoff, Die goldene Freiheit der Bürger: Zu den Bedeutungsebenen eines Grundwertes in der stadtkölnischen Geschichte (13.-17. Jahrhundert); Gerd Schwerhoff, Apud populum potestas? Ratsherrschaft und korporative Partizipation im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Köln), Augsburg (Uwe Heckert, "Im Zweifel für die Freiheit". Ein Mustergutachten Conrad Peutingers zu Bürgerrecht und Bürgeraufnahme im spätmittelalterlichen Augsburg; Jörg Rogge, Ir freye wale zu haben. Möglichkeiten, Probleme und Grenzen der politischen Partizipation in Augsburg zur Zeit der Zunftverfassung (1368-1548)) und Nürnberg (Valentin Groebner, Ratsinteressen, Familieninteressen. Patrizische Konflikte in Nürnberg um 1500). [Buhlmann, 12.2012]

Schrenk, Friedemann (1997), Die Frühzeit des Menschen. Der Weg zum Homo sapiens (= BSR 2059), München 1997 > M Menschwerdung

Schrenk, Friedemann, Müller, Stephanie (2005), Die Neandertaler (= BSR 2373), München 2005 > N Neandertaler

Schriften des Limesmuseums Aalen, hg. v. Limesmuseum Aalen, ist eine Schriftenreihe, die sich mit dem obergermanisch-rätischen Limes im engeren und römischer Kultur und Geschichte im weiteren Sinne beschäftigt. U.a. sind bisher erschienen: Nr.39 (1987): Matthäus, Hartmut, Der Arzt in römischer Zeit: [Tl.1:] Literarische Nachrichten - archäologische Denkmäler, Aalen 1987, 104 S., Abbildungen; Nr.43 (1989): Matthäus, Hartmut, Der Arzt in römischer Zeit: [Tl.2:] Medizinische Instrumente und Arzneien - Archäologische Hinterlassenschaften in Siedlungen und Gräbern, Aalen 1989, 108 S., Abbildungen. > L Limes [Buhlmann, 01.2018]

Die Schriften zur Geschichte Essens, hg. v. Michael Buhlmann, beleuchten verschiedene Aspekte der Geschichte von Stift und Stadt Essen vorzugsweise im Mittelalter. Bisher sind erschienen: SGE 1 (2015): Buhlmann, Michael, Essen und Werden - Anfänge, Geschichte und Beziehungen zweier geistlicher Gemeinschaften im Mittelalter, Essen 2015 > B Buhlmann, Werden und Essen; SGE 2 (2015): Buhlmann, Michael, Essen und Gerresheim - Äbtissinnen und Stiftsfrauen an zwei Frauengemeinschaften des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Essen 2015 > B Buhlmann, Essen und Gerresheim; SGE 3 (2016): Buhlmann, Michael (2016), Frauengemeinschaft Rellinghausen in Mittelalter und früher Neuzeit, Essen 2016 > R Rellinghausen; SGE 4 (2016): Buhlmann, Michael (2016), Frauengemeinschaft Essen im Mittelalter - Geschichte und Genealogie, Essen 2016 > B Buhlmann, Frauengemeinschaft Essen; SGE 5 (2016): Buhlmann, Michael (2016), Heisingen im Mittelalter, Essen 2016 > H Heisingen; SGE 6 (2016): Buhlmann, Michael (2016), Hof- und Gerichtstag König Ottos I. in Steele (938) - Herrscheraufenthalte fränkisch-deutscher Könige an Rhein und Ruhr im früheren Mittelalter, Essen 2016 > B Buhlmann, Hof- und Gerichtstag in Steele. [Buhlmann, 11.2015, 06.2016, 10.2016, 12.2016]

Die Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs, hg. v.d. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, klären auf über geschichtliche, politische, verfassungsrechtliche Entwicklungen in Südwestdeutschland überwiegend ab dem 19. Jahrhundert auf. U.a. ist erschienen: Bd.33 (2005): Weber, Reinhard, Mayer, Ines (Hg.), Politische Köpfe aus Südwestdeutschland, Stuttgart 2005, 336 S., Schwarzweißfotos, € 30,-, umfassend die Zeit vom Deutschen Kaiserreich bis zur Bundesrepublik Deutschland (1871-heute), beschreibend in Kurzbiografien die Persönlichkeiten: Friedrich Payer (*1847-†1931), Ernst Bassermann (*1854-†1917), Adolf Gröber (*1854-†1919), Conrad Haußmann (*1857-†1922), Ludwig Frank (*1874-†1914), Prinz Max von Baden (*1867-†1929), Anna Blos (*1866-†1933), Wilhelm Blos (*1849-†1927), Matthias Erzberger (*1875-†1921), Friedrich Ebert (*1871-†1925), Constantin Fehrenbach (*1852-†1926), Joseph Wirth (*1879-†1956), Hermann Müller (*1876-†1931), Paul Levi (*1883-†1930), Ludwig Marum (*1882-†1934), Eugen Bolz (*1881-†1945), Georg Elser (*1903-†1945), Robert Bosch (*1861-†1942), Hans Scholl (*1918-†1943), Sophie Scholl (*1921-†1943), Claus Schenk Graf von Stauffenberg (*1907-†1944), Wilhelm Keil (*1870-†1968), Heinrich Köhler (*1878-†1949), Theodor Heuss (*1884-†1963), Carlo Schmid (*1896-†1979), Eberhard Wildermuth (*1890-†1952), Reinhold Maier (*1889-†1971), Gebhard Müller (*1900-†1990), Eugen Gerstenmaier (*1906-†1986), Kurt Georg Kiesinger (*1904-†1988), Fritz Erler (*1913-†1967), Alex Möller (*1903-†1985). [Buhlmann, 03.2021]

Schriftlichkeit als Ausdruck menschlicher Kulturen und Gesellschaften in deren geschichlicher Entwicklung: I. Die Erfindung der Schrift in menschlichen Kulturen liegt 5000 bis 6000 Jahre zurück, doch gab (und gibt) es auch (zuvor) Kulturen ohne Schriftlichkeit, als Gedächtniskulturen basierend auf Oralität und Tradition. Schriftlichkeit ist Ausdruck von (gesprochener) Sprache, Schriftsprachlichkeit erweitert das kulturelle Gedächtnis einer Gesellschaft (auch in dessen zeitlicher Ausdehnung), sie wird zum Zentrum von Kultur und bewirkt (eine Form von) Rationalität. In Schriftkulturen war indes Schriftlichkeit (Schriftkultur) unterschiedlich gesellschaftlich ausgeprägt und z.B. abhängig vom jeweiligen politisch-ökonomisch-technischen Entwicklungsstand (Schriftsysteme und Schriftlichkeit, elitäre Schriftkulturen, Schriftlichkeit als Teil von Medien- und Massenkultur, Phasen der Schriftkultur [Aliteralität, Proto-/Hypoliteralität, Literalität]). Dies bedingt alles andere als eine einheitliche Entwicklung von Schriftlichkeit innerhalb einer Kultur bzw. Gesellschaft, wie umgekehrt Schriftlichkeit Gesellschaften prägte und zusammenführte. Der Geschichtsforschung stehen literale Kulturen mit ihrer Schriftsprachlichkeit offener als orale; schriftliche Geschichtsquellen treten hier neben die archäologischen Sachüberreste, Traditionen usw. Dabei werden folgende historische Entwicklungen erkennbar: II. Als Vorläufer von (linear angeordneter) Schrift gelten in der Ur- und Frühgeschichte der Menschheit der nichtlineare Graphismus etwa altsteinzeitlicher Höhlenmalerei, Piktogramme, Steinritzungen oder Strichlisten. Der (wohl fließende) Übergang zur (anordnenden) Linearität (linearer Graphismus) war dann eine Voraussetzung für die Entstehung von Schrift, ebenso der Übergang menschlicher Gesellschaften hin zu Ackerbau und Viehzucht (neolithische Revolution) bei Arbeitsteilung und sich in den Siedlungen verdichtender Kommunikation (ca.10000-3000 v.Chr.). Archaische Schriften sind dann für Mesopotamien (ca.3500 v.Chr.), Ägypten (ca.3200 v.Chr.) und vielleicht für die altbalkanische Vinca-Kultur (5300/3500 v.Chr.) bezeugt. Wirtschaftlich-politische Maßgaben (Buchführung) haben dabei zweifelsohne die Entstehung von Schrift befördert (Tempelwirtschaft in Mesopotamien, ägyptisches Pharaonenreich). Aus den archaischen Schriften des Vorderen Orients entwickelten sich die sumerische, babylonische oder assyrische Keilschrift (auf Ton) bzw. die ägyptische Hieroglyphenschrift (auf Papyrus). Zu nennen sind weiter: Schrift der Induskultur (2600/1900 v.Chr.), Byblosschrift (2. Jahrtausend v.Chr.), hethische Hieroglyphenschrift (1600/700 v.Chr.), alkretische Hieroglyphenschrift, Linear A, Linear B (2. Jahrtausend v.Chr.). In Ostasien setzte die Schriftentwicklung erst später ein (China 17. Jahrhundert v.Chr., Japan 6./9. Jahrhundert n.Chr.). Aus Mittelamerika sind die Schriftsysteme der Olmeken (5. Jahrhundert v.Chr.), der Maja (250/900 n.Chr.) und der Azteken (14./16. Jahrhundert n.Chr.) bekannt. III. Nur auf wenige Lautzeichen beruhende Alphabetschriften bildeten sich im palästinensisch-syrischen Raum im Verlauf des 2. und 1. vorchristlichen Jahrtausends (als Konsonantenschriften) aus (Ugaritschrift 13./12. Jahrhundert v.Chr., phönizisches Alphabet, aramäisches Alphabet). Die Übernahme der Alphabetschrift durch die Griechen in der Nachfolge von mykenischer Linear B-Schrift und Schriftlosigkeit der "dunklen Jahrhunderte" erfolgte als Vollalphabet (unter Verwendung von Vokalzeichen) spätestens bis zum 8. Jahrhundert v.Chr. (homerische Epen, Hesiod, Nestorbecher, athenische Dipylonkanne; bustrophedon und Rechtsläufigkeit der Schriftaufzeichnung). Für das klassische Griechenland ist dann von einer "oral strukturierten Schriftkultur" auszugehen, wie sie der Philosoph Platon hinsichtlich Oralität und Literalität in seinen "Dialogen" diskutiert oder auch die griechisch-hellenistische Schriftkultur (trotz Bibliothelen und Elementarschulunterricht) beinhaltet. Griechische Sprache und Alphabetschrift überlebten im römischen Reich und in Byzanz u.a. als Kulturschrift; aus dem griechischen Alphabet entwickelte das etruskische, phrygische, lydische und lykische Schrift benutzen die griechische als Vorbild, ebenso Keltiberer, Kopten oder Nubier. IV. Die etruskische Kultur und Schriftkultur (Alphabetschrift) wirkte auf viele italische Völkerschaften ein, u.a. auf Latium und Rom. Das sich ausformende lateinische Alphabet war dann Grundlage der Vielfalt altlateinischer Schriftkultur in der Zeit der römischen Republik und der lateinischen Schrift im Imperium Romanum der römischen Kaiser. Hauptsächlich in der Spätantike ereignete sich der Umbruch im Beschreibmedium: die Papyrusrolle wich dem Codex aus Pergamentblättern. Das Umschreiben der Texte war im Übergang von der Antike zum Mittelalter mit großen literarischen Verlusten verbunden, lateinische Schrift und Sprache blieben indes u.a. als lingua franca von christlicher Kirche, Gelehrsamkeit und Wissenschaft erhalten. V. Gerade auch für die Zeit des europäischen Mittelalters ist vor dem Hintergrund der drei "Buchreligionen" Judentum (Thora), Christentum (Bibel) und Islam (Koran) ein Zusammenhang zwischen Ritus, Religion und Schrift bezeugt. Die Schriftreligionen beförderten die Literalität in den jeweiligen Kulturen und Gesellschaften. Neben der europäisch-frühmittelalterlichen Manuskriptkultur mit ihrer Vervielfältigung und Aufbewahrung von Texten (monastische Kultur; Interpunktion und Sinnzusammenhänge) fand die Überlieferung antiker und anderer Texte auch im Bereich des Islam in der arabischen Alphabetschrift, einer Konsonantenschrift, statt. Einen über das Medium Buch stattfindenden Wissenstransfer gab es zudem zwischen Islam bzw. Byzanz und Europa. Die "Renaissance" der europäischen Wissenskultur im 12. Jahrhundert beförderte die Literalität weiter (Verschriftlichungsschübe, Scholastik; Textillustration). Die (revolutionäre) Erfindung des Buchdrucks (15. Jahrhundert, Mitte) beförderte noch die "Veralltäglichung" des Buchs des "Manuskriptzeitalters" (ab1370/1400) auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Nutzung von Papier als Beschreibstoff. VI. Buchdruck und Typographie sowie ein sich ausdehnender Buchhandel beherrschten in der frühen Neuzeit die europäische Schriftkultur (europäische Expansion) mit, wie das Entstehen von (Verlags-) Buchhandlungen (17./18. Jahrhundert) oder eine Vielzahl von Bibliotheken zeigen ("Geburt der Wissensgesellschaft"); daneben entstand ein Zeitschriften- und Zeitungswesen (18. Jahrhundert). (Stummes, Vor-) Lesen war u.a. gelehrtes Lesen (Bildung) oder diente der Unterhaltung (Vielleserey). VII. In der Moderne (ab 19. Jahrhundert) führten Industrialisierung und Globalisierung bei hohen Alphabetisiertheitsraten zur Schriftkultur als Massenkultur; neue Schreibtechniken (Füller, Kugelschreiber, Schreibmaschine, Computer) und neue Herstellungstechniken bei Büchern (Papierherstellung, Setzmaschinen, Druckmaschinen) traten in Erscheinung, neben Lesen (Konsumenten) und Schreiben (Autoren) als Teile der Schriftkultur weitere Medien (Rundfunk, Fernsehen, Internet) mit einer daraus resultierenden Medienkonkurrenz (nach Stein, Schriftkultur).
Zu Schriftlichkeit und Schriftgeschichte seien genannt: Burke, Peter (2000), Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2014, 251 S., Schwarzweißabbildungen, € 19,90; Haarmann, Harald (2002), Geschichte der Schrift (= BSR 2198), München 2002, 128 S., Schwarzweißabbildungen, € 7,90; Kéki, Béla (1971), 5000 Jahre Schrift (= Akzent 23), Leipzig-Jena-Berlin 1976, 128 S., Farbabbildungen, M 4,50; Stein, Peter (2006), Schriftkultur. Eine Geschichte des Schreibens und Lesens, Darmstadt 2006, 349 S., Schwarzweißabbildungen, € 5,-. [Buhlmann, 09.2002, 07.2015, 06.2017]

Schröder, Heinrich (1963), Elektrische Nachrichtentechnik, 2 Bde., Nachdruck Berlin-Borsigwalde 1974 > T Technik

Schroer, Hans (1991), Rellinghausen und seine Geschichte, Essen 1991 > R Rellinghausen

Schrörs, Heinrich (1884), Hinkmar, Erzbischof von Reims. Sein Leben und seine Schriften, 1884, Nachdruck Hildesheim 1967 > H Hinkmar von Reims

Schröter, Jens (2020), Die apokryphen Evangelien. Jesusüberlieferungen außerhalb der Bibel (= BSR 2906), München 2020, 128 S., Schwarzweißabbildungen, € 9,95. I. Die apokryphen ("verborgenen") Evangelien im antiken Christentum stellen Überlieferungen zu Jesus Christus "außerhalb der Bibel" dar, die die Schriften im sich bis zum 4. Jahrhundert ausbildenden Kanon des biblischen Neuen Testaments Gesagte durch Berichte über das Leben und Wirken Jesu Christi zu ergänzen versuchten. Die überlieferten apokryphen Evangelien, die in Beziehung zum Neuen Testament stehen, sind somit zeitlich später als die vier kanonischen Evangelien entstanden; es gab im 2. und 3. Jahrhundert eine Vielzahl von apokryphen Schriften, die von Vertretern der christlichen Kirche zunehmend als "häretisch" oder "gefälscht" diffamiert wurden, dennoch in einzelen christlichen Gemeinden durchaus eine Rolle als Glaubensäußerung innerhalb des Christentums spielten. Der Amtskirche gelang es - auch mit Kanonisierung des Neuen Testaments -, die apokryphen Evangelien in die "Verborgenheit" abzudrängen und ihre kanonischen Vorgaben durchzusetzen. Mit den Apokryphen ging ein Teil früher christlicher Überlieferung verloren. II. Bei den apokryphen Evangelien sind zu unterscheiden: a) Kindheitsevangelien (über Geburt und Kindheit Jesu [Episoden, Wunder]): Protevangelium des Jakobus (späteres 2. Jahrhundert; griechisch), Kindheitserzählung des Thomas (2. Jahrhundert; griechisch), Leben Johannes des Täufers (4. Jahrhundert, Ende?; griechisch?, syrisch), Arabisches Kindheitsevangelium (6. Jahrhundert?; arabisch, syrisch), Lateinisches Kindheitsevangelium (6. Jahrhundert?; lateinisch), Pseudo-Matthäusevangelium (7. Jahrhundert, Mitte; lateinisch), Geschichte von Joseph (7. Jahrhundert?; koptisch), Geburt Marias (v. 11. Jahrhundert); b) Wirken Jesu Christi in "judenchristlichen" Evangelien: Hebräerevangelium (2. Jahrhundert; griechisch), Nazoräerevangelium (im Unterschied zum Hebräerevangelium; 2. Jahrhundert; griechisch), Ebionäerevangelium (2. Jahrhundert; griechisch); c) Wirken Jesu Christi in anderen Evangelien: Ägypterevangelium (2. Jahrhundert; griechisch), Jesuserzählungen im Papyrus Egerton 2 und Papyrus Köln 255 (2. Jahrhundert, Ende; griechisch), Jesuserzählungen im Papyrus Oxyrhynchus 840 (2. Jahrhundert?; griechisch), Fragmente auf Papyri, Zusätze zum kanonischen Lukas- und Johannes-Evangelium; d) Verhaftung, Gerichtsverfahren, Leiden und Tod Jesu Christi: Petrusevangelium (2. Jahrhundert; griechisch), Judasevangelium (gnostisch; 2. Jahrhundert; griechisch), Pilatusakten (2. Jahrhundert; griechisch), Nikodemusevangelium (2. Jahrhundert; griechisch), Unbekanntes Berliner Evangelium (2./3. Jahrhundert?; griechisch?, koptisch), christliche Pilatusakten (4./5. Jahrhundert; griechisch), Abschiedsszene im Straßburger koptischen Papyrus (?; koptisch), Abschiedsrede im Papyrus Vindobonensis Graecus 2325 (Faijumfragment; griechisch); e) Auferstehung und Erlösung als Zentrum des christlichen Glaubens: Zusätze zum kanonischen Markus- und Johannes-Evangelium, Epistula Apostolorum (2. Jahrhundert?; griechisch?, äthiopisch), Thomasevangelium (2. Jahrhundert?, griechisch?, koptisch), Mariaevangelium (betreffend die Jüngerin Maria Magdalena; 2./3. Jahrhundert?; griechisch?, koptisch), apokrypher Jakobusbrief (2. Jahrhundert?, koptisch), Johannes-Apokryphon (gnostisch; 2./3. Jahrhundert; griechisch?, koptisch), Dialog des Erlösers (2./3. Jahrhundert, koptisch), Weisheit Jesu Christi (gnostisch; v. 4. Jahrhundert?, koptisch); f) weitere apokryphe Evangelien: Philippusevangelium (gnostisch; 2./3. Jahrhundert?, griechisch, koptisch), Evangelium der Wahrheit (gnostisch; 2./3. Jahrhundert?, griechisch, koptisch). [Buhlmann, 08.2020]

Schröter, Jens (2020), Jesus. Leben und Wirkung (= BSR 2916), München 2020, 128 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 9,95. I. Folgende Geschichtsquellen erzählen die "Geschichte" von Jesus Christus oder Teile davon: Paulusbriefe´, (synoptische) Evangelien des biblischen Neuen Testaments; apokryphe Schriften; griechisch-jüdische Texte des Flavius Josephus; griechisch-lateinische Texte von Tacitus, Sueton, Plinius des Jüngeren und Lukian. Daneben beleuchten archäologische Zeugnisse (Magdala, Fischerboot) die Umwelt Palästinas in den ersten Jahrzehnten nach Christi Geburt. II. Die römische Neuordnung des östlichen Mittelmeerraums unter Pompeius (63 v.Chr.) beseitigte das hasmonäische Königtum und das erbliche Hohepriestertum bei nur loser Angliederung des auf Judäa reduzierten Tempelstaats als römisches Klientelfürstentum (Aufstände von Hasmonäern gegen Rom [57, 56 v.Chr.], Partherinvasion [40/37 v.Chr.]). Unter römischer Kontrolle konnte sich der Idumäer Herodes der Große (40/37-4 v.Chr.) bei Beseitigung letzter hasmonäischer Herrschaftsansprüche als Tetrarch und König in Judäa durchsetzen. Als römischer Klientelkönig betrieb Herodes unter erfolgreicher Ausschaltung seiner politischen Gegner (Schreckensherrschaft) eine Politik der Romanisierung bei Einschränkung jüdischer Kultur und der Macht des Hohepriesters (Kaiserverehrung, Bautätigkeiten [Caesarea Maritima, Jerusalemer Tempel und Tempelbezirk]). Die Herodessöhne Archelaos (4 v.Chr-6 n.Chr.), Philippos (4 v.Chr.-34 n.Chr.) und Herodes Antipas (4 v.Chr.-39 n.Chr.) herrschten nur noch über Teile des Reiches ihres Vaters (römische Provinz mit Judäa, Samaria und Idumäa unter Statthaltern [Volkszählung 6 n.Chr., Pontius Pilatus 26-36 n.Chr.], Tetrarchie des Antipas [Galiläa, Peräa], Tetrarchie des Philippus [Gebiete östlich des Jordan]). Gravierende wirtschaftliche Fehlentwicklungen riefen damals politische Widerstands- und religiöse Erneuerungsbewegungen hervor (Judas der Galiläer [4 v.Chr.], Johannes der Täufer [26/28 n.Chr.], Jesus Christus [30/33 n.Chr.], "Samariter" [36], Theudas [44], Jakobus und Simon [46], "Ägypter" [57]). Der römische Kaiser Caligula (37-41 n.Chr.) griff mehrfach in die labilen politisch-religiösen Zustände in Palästina ein (Einsetzung des Herodesenkels Herodes Agrippa I. [37/39-44 n.Chr.], Absetzung des Herodes Antipas 39 n.Chr., Caligulakrise 39/41 n.Chr.). Herodes Agrippa II. (50-70 n.Chr.) regierte in Teilgebieten Palästinas, während sich in der römischen Provinz die wirtschaftlichen und religiösen Spannungen in innerjüdischen Konflikten (Zeloten) und im jüdischen Aufstand gegen die römische Herrschaft (66-70/73 n.Chr.) entluden (römische Belagerung und Eroberung Jerusalems 69/70 n.Chr. [Zerstörung des Jhwh-Tempels], Eroberung der Bergfestung Masada 73 n.Chr.; römischer Titusbogen). Nach dem Aufstand wurde eine kaiserliche Provinz Judäa gegründet, eine römische Legion erhielt Jerusalem als Standplatz. Die durch die Tempelzerstörung stattfindende Aufwertung jüdischer Laiengelehrsamkeit führte zum Aufstieg der jüdischen Rabbiner (rabbinische "Lehrhäuser" in Jabne [70/135 n.Chr.] und Uscha [135/70 n.Chr.; Sanhedrin]; rabbinisches Patriarchat). Jüdische Unruhen gab es weiterhin zurzeit des Partherkrieges Kaiser Trajans (98-117) (Eingliederung des Nabatäerreiches und römische Provinz Arabia 106, römische Besetzung Armeniens und Mesopotamiens 114/17 n.Chr.), schließlich endete der aus sozialen und religiösen Verwerfungen entstandene Bar Kochba-Aufstand unter Simon ben Kosiba mit der Niederschlagung durch die römische Besetzungsmacht (132/35), einhergehend mit der Neugründung Jerusalems als römische Aelia Capitolina (mit Jupiterheiligtum) und der vereinigten Provinz Syria-Palestina. Die Juden waren nun vollständig der römischen Herrschaft unterworfen. III. Mit seiner Taufe durch Johannes den Täufer trat Jesus in die Öffentlichkeit als Wanderpräger (zunächst als Jünger des Johannes?) und predigte die Gottesherrschaft als (jüdische) Königsherrschaft Gottes, die Gegenwart als Zeit des Heils, die Zukunft als Heilsvollendung durch die Gottesherrschaft. Als Mittel seiner göttlichen Offenbarungen nutzte Jesus Gleichnisse, "Machttaten" (Krankenheilungen, Exorzismen) und (Diskussionen um die) Auslegungen der Thora (Reinheitsgebote, Sabbat, Bergpredigt); Ziel seines Predigens war eine Erneuerung Israels (Jünger, Gottesherrschft). Jesus als Menschensohn, sein Tod (Kreuzigung) und seine Auferstehung im Rahmen der neutestamentlichen Passionsgeschichte leiteten zusammen mit den Ostererfahrungen der Anhänger Jesu dann über zur Entstehung des Christentums, in dem Jesus als Christus und Sohn Gottes die zentrale Glaubensposition als Mittler zwischen Mensch und Gott einnimmt. > J Jesus Christus [Buhlmann, 09.2021]

Schröter, Klaus (1964), Thomas Mann (= rm 93), Reinbek b.H. 1964 > M Mann, Thomas

Schroth, Ingeborg, Keller, Theo (1956), Reichenau (= Thorbecke Bildbücher, Bd.20 [19]), Konstanz-Stuttgart o.J. [1963?] > R Reichenau

Schubert, Ernst (1996), Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter (= EdG 35), München 1996 > A Adel

Schubert, Ernst (2003), Dies diem docet. Ausgewählte Aufsätze zur mittelalterlichen Kunst und Geschichte in Mitteldeutschland, hg. v. Hans-Joachim Krause (= QFGSA 3), Köln-Weimar-Wien 2003, 505 S., 142 Abbildungen, € 9,90. I. Der Westchor im stauferzeitlichen Naumburger Dom entstand durch Beseitigung der benachbarten Marienstiftskirche und durch die Einbeziehung der dortigen Kanoniker, die den Westchor als Kirche erhielten; der nach 1249 entstandene Westchor mit seinen Stifterfiguren war auch Grablege der ekkehardinischen Markgrafen als hier bestattete primi fundatores (Naumburger Urkunde von 1249). Der frühgotische Westchor wurde in den 1260er-Jahren durch einen Lettner vom Rest des Doms abgetrennt; dieser trennte aber eher zwei Kirchen voneinander, als dass er die Funktion eines Lettners besaß (Ernst Schubert, Der Westchor des Naumburger Doms. Ein Beitrag zur Datierung und zum Verständnis der Standbilder; Ernst Schubert, Der Westlettner des Naumburger Doms; Ernst Schubert, Zum ikonographischen Programm der Farbverglasung im Westchor des Naumburger Doms). II. Ernst Schubert, Der Naumburger Dreikönigsaltar. Ein historisch-philologischer Beitrag, beschäftigt sich mit der Dreikönigskapelle des Naumburger Doms, entstanden unter Bischof Gerhard II. von Goch (1409-1422) im oberen Stock einer doppelstöckigen Kapelle an der Vorhalle des Gotteshauses (Gemälde, Inschriften). III. Memleben, erstmals unter König Karl den Großen (768-814) erwähnt, ottonische Pfalz unter den Königen Heinrich I. (919-936), Otto I. (936-973), Otto II. (973-983) und Ottos III. (983-1002), Sterbeort Kaiser Ottos I. (973), verfügte unter Otto I. über eine Kirche (erbaut ab 942?), die Otto II. zum Benediktinerkloster erweiterte (Privileg Papst Benedikts VII. von 981), das im Jahr 1015 aufgehoben wurde; um 1200 entstand in Memleben ein Kirchenneubau, der die zerfallene ottonische Kirche ersetzte (Ernst Schubert, Zur Datierung der ottonischen Kirche zu Memleben; Ernst Schubert, Magdeburg statt Memleben?). IV. Eine Kirchenfabrikrechnung von 1367 verweist auf die Existenz eines baufälligen Paradieses am Westteil des Halberstädter Doms im 14. Jahrhundert, das bis in das 13. Jahrhundert zurückreicht (Ernst Schubert, Besaß der Halberstädter Dom im 13. Jahrhundert eine Vorhalle?; Ernst Schubert, Zur Geschichte des Halberstädter Dombaus. Aus der Baurechnung vom Jahre 1367). V. Der Magdeburger Reiter, das 1238 errichtete Symbol bischöflicher Stadtherrschaft (im Auftrag des Königs), fußte vielleicht auf einem "Urbild" einer Statue Kaiser Ottos I., wurde zu einem Rechtsdenkmal der bürgerlichen Freiheiten (adventus regis), wurde wohl 1377 im Zuge des Magdeburger Besuchs Kaiser Karls IV. (1347-1378) "modernisiert" (Kaiser und Kurfürsten als Garanten der städtischen Privilegien) und im 16. Jahrhundert ein Denkmal des Gründers Magdeburgs (Ernst Schubert, Magdeburg und der Magdeburger Reiter). VI. Der 955 begonnene (die frühere Kirche des Klosters St. Mauritius ersetzende) Neubau der Magdeburger Kirche (Erhebung zum Erzbistum: Dom, 968) war Grablege für Edith (†946), Ottos des Großen erster Frau, und Otto selbst (†973; Krypta, Reliquiengrab). Den Umbauten im 11. Jahrhundert (Krypta) folgte nach dem Stadtbrand von 1207 der staufische Neubau des Doms (Grundsteinlegung 1209, Errichtung des Langhauses bis 1363) (Ernst Schubert, Der ottonische Dom in Magdeburg. Die Umbauten der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts nach literarischen Quellen; Ernst Schubert, Der ottonische Dom in Magdeburg. Die Baugeschichte und die Angaben der literarischen Quellen über die Bestattungen Kaiser Ottos I. und seiner Gemahlin Edith; Ernst Schubert, Der Magdeburger Dom. Ottonische Gründung und staufischer Neubau; Ernst Schubert, Thietmar von Merseburg über Kaiser Otto den Großen und Magdeburg; Ernst Schubert, Imperiale Spolien im Magdeburger Dom). VII. Nach Ernst Schubert, Der Westchor des Naumburger Doms, der Chor der Klosterkirche Schulpforta und der Meißener Domchor, sind aus stilistischen Gründen Naumburger Westchor und Chor des Zisterzienserkloster Pforta annähernd gleichzeitig entstanden, der Chor des Meißener Doms später. VIII. Ernst Schubert, Epigraphik und Kunstgeschichte - die Grabplatte König Rudolfs von Schwaben im Merseburger Dom, beschäftigt sich mit Grabplatte und Inschrift des (Gegen-) Königs Rudolf von Rheinfelden (1077-1080) (Bronzeguss der Grabplatte und des Werdener Kruzifix, Zusammengehen von Skulptur und Inschrift der Grabplatte, Ikonografie der Grabplatte). IX. Ernst Schubert, Drei Grabmäler des Thüringer Landgrafenhauses aus dem Kloster Reinhardsbrunn, behandelt die nach 1292, um 1300 ausgeführten Grabmäler der Landgrafen Ludwig des Springers (†1123; Klostergründer), Ludwigs III. (†1190), Ludwigs IV. des Heiligen (†1227), Adelheids (†1110), Ludwigs I. (†1140), Hermanns II. (†1241) und Ludwigs des Eisernen (†1172) (Grabmale als Hochreliefs, Grabinschriften, Gedächntisgrabmäler; Erneuerung der ursprünglichen Gräber nach dem Brand des Klosters 1292). X. Ernst Schubert, Inschrift und Darstellung auf Quedlinburger Äbtissinnengrabsteinen des 12. und 13. Jahrhunderts, führt an Grabmälern auf: Grabsteine der Äbtissinnen Adelheid I. (999-1043), Beatrix (1044-1062) und Adelheid II. (1062-1095) (12. Jahrhundert, Beginn), Grabstein und Inschriften der Äbtissin Agnes II. von Meißen (1184-1203) sowie der Gertrud von Amfurt (v.1233-1270). XI. Das inschriftlose Grabmal des Ritters (Hermann?) von Hagen (Stiftung von Grundbesitz an die Merseburger Kirche 1242) ist (daher?) auf die Jahre 1245/51 zu datieren (Ernst Schubert, Das Grabmal des Ritters von Hagen im Merseburger Dom). XII. Ernst Schubert, Memorialdenkmälern für Fundatoren in drei Naumburger Kirchen des Hochmittelalters, führt auf: die Stiftergrablege Markgraf Ekkehards I. (†1002) und seiner Ehefrau Swanhild im Naumburger Georgenkloster; den hochgotischen Memorialgrabstein des Naumburger Bischofs Richwin (†1125) im Naumburger Moritzkloster, das Richwin von einem Nonnenkloster zu einem Chorherrenstift umgestaltete; die Stifterstandbilder im Westchor des Naumburger Doms. XIII. Im 1137 gegründeten Zisterzienserkloster (Schul-) Pforta weist der Kirchenbau von 1251/68 zwei Inschriften auf: die Bauinschrift der Grundsteinlegung 1251, eine Inschrift an der Westfassade mit Verweis auf ein Kruzifix im Giebel und darin enthaltenen Reliquien (13. Jahrhundert, 3. Viertel) (Ernst Schubert, Zwei Inschriften an der Klosterkirche zu Schulpforta). XIV. Die Klosterkirche von Schulpforta weist als Nischen- (Arkosol-, Bogen-) Gräber auf: (wahrscheinlich?) das Grab des gräflichen Stifters Bruno vom Pleißengau und ein Kenotaph des Naumburger Bischofs Udo I. (†1148) (Ernst Schubert, Die Arkosolgräber im Sanktuarium der Zisterzienser-Klosterkirche in Schulpforta). XV. Nach Ernst Schubert, Die ältesten Personen-Denkmäler des Mittelalters in Sachsen, sind diesbezüglich vor dem Hintergrund mittelalterlicher memoria und Totenfürsorge zu nennen: das Grab- und Denkmal König Rudolfs von Rheinfelden (†1080), die drei Grabplatten der Quedlinburger Äbtissinnen Adelheid I., Beatrix, Adelheid II. (12. Jahrhundert, Anfang), das Grabmal des Magdeburger Erzbischofs Friedrich (1142-1152), der Goslarer Grabstein des Vogtes Giselbert (†1254/56). XVI. Ein kulturelles West-Ost-Gefälle ist konstatieren aus den gleichzeitigen Kirchenbaumaßnahmen in Köln (Gotik) und in Naumburg (Spätromanik mit Formen der Frühgotik) (Ernst Schubert, Individualität und Individualisierung in der Mitte des 13. Jahrhunderts: Die Naumburger Stifterstandbilder. Der Westchor des Naumburger und der Ostchor des Kölner Doms wurden gleichzeitig begonnen). [Buhlmann, 07.2013]

Schubert, Hannelore (1959), Die ersten Kirchen in Gerresheim, in: DJb 49 (1959), S.143-175 > G Gerresheim

Schubert, Hans (1912), Kleine Beiträge zur Geschichte der Stadt Gerresheim im Mittelalter, in: DJb 24 (1912), S.119-146 > G Gerresheim

Schuchardt, Karl (1928), Vorgeschichte von Deutschland, München-Berlin 21934 > V Vorgeschichte

Schübo, Werner, Uehlinger, Hans-Martin, Perlerth, Ch. u.a. (1986), SPSS. Handbuch der Programmversionen 4.0 und SPSS-X 3.0, Stuttgart-New York 1991 > S Statistik

Schütte, Albert (1923), Handbuch der deutschen Heiligen. Alphabetisches Verzeichnis der deutschen Heiligen, Seligen, Ehrwürdigen und Gottseligen, Köln 1941 > H Heilige des Christentums

Schütte, Bernd (2002), König Philipp von Schwaben. Itinerar - Urkundenvergabe - Hof (= MGH. Schriften, Bd.51), Hannover 2002 > P Philipp von Schwaben

Schütte, Leopold (1976), Wik. Eine Siedlungsbezeichnung in historischen und sprachlichen Bezügen (= Städteforschung A 2), Köln-Wien 1976, XLIX, 278 S., Liste von nordwesteuropäischen Wik-Namen, Karten, Beilagenkarten, DM 39,-. I. Orte mit Toponymen auf -wik sind weder auf (frühmittelalterliche) Kaufmannssiedlungen (Planitz u.a.), noch auf (hochmittelalterliche) "Weichbilder" (in Westfalen) (Kroeschell) zu beziehen. II. Ausgehend von der mittelalterlichen Bezeichung wik als Apellativum und Name, als Simplex, Bestimmungs- und Grundwort, ausgehend weiter von (vermeintlichen) sprachlichen Zusammenhängen (lat. vicus als "ländliche Gruppensiedlung", lat. villa als Einzelhofsiedlung; lat. vicus > wik ist falsch, -wik und [Lehnwort aus villa] -weiler entsprechen/ergänzen sich, wik als Femininum und Maskulinum), kann germ. wik, idg. *uiog, nhd. weich in den Zusammenhang von "eingehegter Raum, Ortschaft, Siedlung auf dem (Fest-) Land, schützender Ort, Umzäuntes, Abgegrenztes" gestellt werden. Der in der Karolingerzeit z.B. in Kapitularien auftretende Begriff vicus erklärt sich aus der Übertragung von wik ins Lateinische und hat die Bedeutung eines "(nicht-agrarische) Sonderrechts-, Immunitätsbezirks". Von daher sind Kaufleutesiedlungen, Handelsplätze mit wik-Toponym (Quentowik, Wijk bei Duurstede) nurmehr als Sonderrechtsbezirke, "Weichbilder" als grundherrschaftliche Immunitätsbezirke zu interpretieren. (Das wik in "Wikinger" führt auf die Interpretation der "Wikinger" als "Mannring".) [Buhlmann, 08.2006, 09.2014]

Schützeichel, Rudolf (1958), Ortsnamen aus den Urkunden Zwentibolds und Ludwigs des Kindes. Beiträge zu ihrer Identifizierung und ihrer namenkundlich-sprachgeschichtlichen Identifizierung, in: BNF 9 (1958), S.217-285 > L Ludwig das Kind, > Z Zwentibold

Schützeichel, Rudolf (Hg.) (1980), Erlanger Ortsnamen-Kolloquium. Ortsnamen als Ausdruck von Kultur und Herrschaft (= BNF NF Beih.18), Heidelberg 1980 > N Namenkunde

Schützeichel, Rudolf (Hg.) (1986), Ortsnamenwechsel (= BNF NF Beih.24), Heidelberg 1986 > N Namenkunde

Schützeichel, Rudolf (Hg.) (1988), Bibliographie der Ortsnamenbücher des deutschen Sprachgebietes in Mitteleuropa (= BNF NF Beih.26), Heidelberg 1988 > N Namenkunde

Schui, Herbert (1991), Ökonomische Grundprobleme des entwickelten Kapitalismus, Heilbronn 1991 > K Kapitalismus

Schukraft, Harald (2006), Kleine Geschichte des Hauses Württemberg, Tübingen 2006 > W Württemberg

Schulbücher zum Lehrfach Geschichte dienen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland der Vermittlung geschichtlicher Tatsachen und Methoden an Schulen vornehmlich der Sekundarstufe I und II. U.a. sind hier zu nennen: Altenberend, Johannes, Frielingsdorf, Volker, Scholz, Ulrich, Geschichte (= Schülerhilfe. Abitur-Box. Prüfungs- und Basiswissen der Oberstufe), Königswinter o.J., 224 S., € N.N.; Das waren Zeiten - Ausgabe Baden-Württemberg. Unterrichtswerk für Geschichte an Gymnasien. Sekundarstufe I, hg. v. Dieter Brückner u. Harald Focke: Bd.4 (2007): Das 20. Jahrhundert, Bamberg 2007, 270 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, € 20,90; Entdecken und Verstehen. Geschichtsbuch für Rheinland-Pfalz, hg. v. Thomas Berger, Karl-Heinz Müller, Hans-Gert Oomen: Bd.1 (1989): Von der Urgeschichte bis zum Zeitalter des Absolutismus, Berlin 21997, 192 S., Abbildungen, Karten, DM 34,-; Entdecken und Verstehen. Realschule Baden-Württemberg, hg. v. Thomas Berger-von der Heide, Hans-Gert Oomen: Bd.1 (2004): Von der Frühgeschichte bis zum Mittelalter, bearb. v. Ilse Lerch-Hennig, Martina Quill u.a., Berlin 2004, 224 S., Farbabbildungen, Karten, € 18,95; Geschichte für morgen. Ausgabe für Realschulen in Baden-Württemberg: Bd.1 (1988): Antike und Mittelalter, bearb. v. Hans-Gert Oomen u.a., Frankfurt a.M. 1988, 200 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, DM 25,90; Geschichte kurz & klar: Bd.2 (1994): Sellen, Albrecht, [Moderne], Donauwörth 72006, 226 S., Karten, Diagramme, € N.N.; Geschichte und Geschehen: Geschichte und Geschehen 8, Baden-Württemberg. Gymnasium, bearb. v. Giselher Birk, Thomas Gollhardt u.a. (1986), Stuttgart 21988, 241 S., Farbabbildungen, Zeittafeln, Karten, DM N.N., Geschichte und Geschehen. Geschichtliches Unterrichtswerk für die Sekundarstufe I. Ausgabe Baden-Württemberg B 1, bearb. v. Vera Bittner, Ferdinand Heinzberger u.a. (1995), Stuttgart 1995, 230 S., Farbabbildungen, Karten, DM N.N., Geschichte und Geschehen I. Oberstufe Ausgabe B, bearb. v. Ludwig Bernlochner, Giselher Birk u.a. (1995), Stuttgart 1995, 172 S., Farbabbildungen, Karten, DM N.N., Geschichte und Geschehen II. Oberstufe Ausgabe A/B, bearb. v. Hans-W. Ballhausen, Ludwig Bernlochner u.a. (1995), Stuttgart 1995, 552 S., Farbabbildungen, Karten, DM N.N.; Geschichte: Abitur 2010. Gymnasium. Sachsen (= Stark Prüfungsaufgaben mit Lösungen), o.O. 152009, IX, 46, 36, 37 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 9,95; Grundriß der Geschichte. Gekürzte, zweibändige Ausgabe B: Bd.II: Die moderne Welt. Von der bürgerlichen Revolution zur Gegenwart, bearb. v. J. Dittrich u. E[deltrud] Dittrich-Gallmeister (1970), Stuttgart 31973, Schwarzweißtafeln, Zeittafel, Karten, DM N.N.; Menschen in ihrer Zeit: Bd.1 (1972): Freyh, Richard, Volkmer, Joachim, Hug, Wolfgang, Rumpf, Erhard, Im Altertum und frühen Mittelalter, Stuttgart 1972, 169 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, DM N.N., Bd.5 (1975): Thiele, Gunter, Rumpf, Erhard, Grolle, Joist, Lucas, Friedrich J., Im vorigen Jahrhundert, Stuttgart 1975 , Stuttgart 1975, 176 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, DM N.N., Mosaik. Der Geschichte auf der Spur, hg. v. Joachim Cornelissen, Martin Ehrenfeuchter, Christoph Henzler, Michael Tocha, Helmut Winter: A 5 (2008), erarb. v. Joachim Cornelissen, Martin Ehrenfeuchter, Jan Koppmann, Michael Losch, Stefan Schipperges, Michael Tocha, Stefan Weih, Dabine Wierlemann, München 2008, 160 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, Zeittafeln, € 20,50; Zeiten und Menschen. Geschichtliches Unterrichtswerk, hg. u. bearb. v. B[ernhard] Deermann, H.M. Becker u.a.: (Ausgabe C:) Bd.2 (1969): Mittelalter und Neuzeit (bis 1648), bearb. v. A. Voelske u. B[ernhard] Deermann, Paderborn-Hannover 1969, 216 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, DM N.N.; Zeiten und Menschen. Geschichtliches Unterrichtswerk, hg. u. bearb. v. R.H. Tenbrock, K. Kluxen, H.E. Stier: (Oberstufe. Ausgabe G:) Bd.1 (1970): Der geschichtliche Weg unserer Welt (bis 1776), bearb. v. W. Grütter, H.E. Stier u. R.H. Tenbrock, Paderborn-Hannover 1970, VIII, 326 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, DM N.N.; Zeiten und Menschen. Taschenhandbuch zur Geschichte, bearb. v. E[rich] Goerlitz (1970), Paderborn 1970, 229 S., Tabellen, Zeittafeln, DM N.N.
Wenig von den Unterrichtswerken zur modernen Geschichte abzugrenzen sind Schulbücher zur Gemeinschaftskunde wie: Team: Bd.2 (2012): Gemeinschaftskunde/Wirtschaft - Gymnasium Baden-Württemberg: Arbeitsbuch, hg. v. Wolfgang Mattes, Paderborn 2012, 348 S., Farbabbildungen, Struktogramme, € 23,95; Terra. Erdkunde, Wirtschaftskunde, Gemeinschaftskunde. Realschulen Baden-Württemberg: EWG 5/6, hg. v. Michael Geiger, Herbert Paul (2006), Leipzig 2006, 306 S., Farbabbildungen, Struktogramme, € N.N.; Terra. Erdkunde. Gymnasium Nordrhein-Westfalen: Erdkunde 2, bearb. v. Egbert Brodengeier, Ulrich Bünstorf u.a., Stuttgart 2011, 234 S., Farbabbildungen, Struktogramme, Karten, CD-ROM, € N.N. Dasselbe gilt für Schulbücher zu Philosophie und Religion: Kunz, Christoph (Hg.) (2001), Ethik, Religion: Fachbegriffe und Personen, Freising 2001, 210 S., Schwarzweißabbildungen, DM N.N.; Dasselbe gilt für Schulbücher zur Politik und Wirtschaft wie: Buchners Kompendium Politik. Unterrichtswerk für die Oberstufe: Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, bearb. v. Fritz Blumöhr, Peter Brügel, Manfred Handwerger u.a. (2005), Bamberg 2005, 240 S., Schwarzweißabbildungen, € N.N., Politik und Wirtschaft, bearb. v. Max Bauer, Peter, Brügel, Hartwig Riedel, Martina Tschirner u.a. (2009), Bamberg 32011, 486 S., Farbabbildungen, Statistiken, Übersichten, Karten, € N.N.; Mensch und Politik. Demokratie gestalten und erhalten. Sekundarstufe II, bearb v. Angelika Doetsch, Anton Egner, Günter Misenta u.a. (2010), Braunschweig 2010, 192 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, € N.N.; Schlieper, Cornelia A. (1996), Betrifft Mensch und Umwelt. 9./10. Schuljahr, Hamburg 1996, Farbabbildungen, DM N.N. Dasselbe gilt für Schulbücher zur Geografie wie: Seydlitz Geographie GWG. Fächerverbund Geographie, Wirtschaft, Gemeinschaftskunde - Baden-Württemberg: Amtsfeld, Peter, Englert, Wolfgang u.a. (2007), Geographie 4, Braunschweig 2007, 136 S., Farbabbildungen, Karten, € N.N. [Buhlmann, 07.2019, 11.2019, 05.2020, 11.2020, 01.2021, 04.-05.2021, 09.2021, 01.-02.2022, 07.2022, 09.2022, 12.2023]

Schuller, Wolfgang (1980), Griechische Geschichte (= OGG 1), München 21982 > G Griechische Geschichte

Schulte, Aloys (1886), Studien zur ältesten und älteren Geschichte der Habsburger und ihrer Besitzungen, vor allem im Elsass, in: MIÖG 7 (1886), S.1-20, 513-554 > H Habsburger

Schulte, Aloys (1907), War Werden ein freiherrliches Kloster?, in: WB 12 (1907), S.165-180 > W Werden

Schulte, Aloys (1910), Zu der Frage über den freiherrlichen Charakter von Werden und über das Bestehen eines Kollegiatkapitels daselbst. Eine Replik, in: WB 14 (1910), S.107-109 > W Werden

Schulte, Aloys (1923), Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft (1380-1530), 3 Bde. (= Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit, Bd.I-III), 1923, Nachdruck Wiesbaden 1964, XXI, 518, VIII, 315, XI, 532 S., DM 78,-. Welfischer Vorort, staufische Königsstadt, Reichsstadt - das waren die Etappen zur spätmittelalterlichen Stadt Ravensburg. Der Ort war schon früh exportorientiert, Ravensburger Kaufleute sind zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Italien bezeugt. Diese Fernkaufleute bildeten als Patriziat auch nach der Entstehung der Zünfte (ca.1330) und der Einführung der Zunftverfassung das wirtschaftliche Rückgrat der Stadt (Patriziergesellschaft zum Esel 1396/97). Um 1380 schlossen sich unter Führung der Familie Humpis Fernhändler aus Ravensburg, dem Allgäu und dem Bodenseeraum zur Großen Ravensburger Handelsgesellschaft zusammen. Sitz der Gesellschaft war (seit 1420) Ravensburg, Filialen gab es in Memmingen und St. Gallen, Faktoreien (Kontore) waren im deutschen Reich, den Niederlanden, in der Schweiz, in Italien, Frankreich und Aragon vorhanden. Die Gesellschaft war besonders in Italien und auf den großen Messen (Champagnemessen, Brügge, Lyon, Frankfurt a.M., Nördlingen) vertreten. An der Spitze standen - zumindest zeitweise - drei Regierer aus einem Gremium von neun Gesellschaftern, die die bis zu 70 bis 80 an Handelsgeschäften beteiligten Personen repräsentierten. Ungefähr alle drei Jahre traf sich das Gremium zur Rechnungslegung, Gewinnermittlung und -verteilung. Gehandelt wurde mit einheimischem Leinen, Barchent, Textilien, Metallen und Spezereien. Die größte oberdeutsche Handelsgesellschaft geriet ab der Mitte des 15. Jahrhunderts auch wegen organisatorischer Mängel zunehmend in Schwierigkeiten, sie hatte noch bis 1530 Bestand. [Buhlmann, 10.2006, 06.2014]

Schulte, Wolfgang (1993), Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors des Großen (= StAhd 22), Göttingen 1993 > S Studien zum Althochdeutschen

Schulte Nordholt, Henk (2018), Südostasien (= Neue Fischer Weltgeschichte, Bd.12), Frankfurt a.M. 2018, 558 S., Abbildungen, Glossar, Karten, Tabellen, Zeittafel, € 32,-. 53 Jahre nach der Erstausgabe des Bandes "Südostasien vor der Kolonialzeit" in der Reihe Fischer Weltgeschichte, erschien 2018 das von Vielen lang ersehnte neue Werk zur Geschichte dieser Region im Verlag S. Fischer. Da die Herausgeber den renommierten niederländischen Historiker Henk Schulte Nordholt mit der Abfassung betraut haben, war schon lange vor Erscheinen klar, dass die indonesische Inselwelt im Zentrum dieses Buches stehen würde. Prinzipiell ist gegen einen solchen Schwerpunkt auch nichts einzuwenden, doch werden gerade am Südostasienband die erheblichen Mängel der Gesamtkonzeption dieser Reihe überdeutlich. Denn die auf insgesamt 21 Titel angelegte Neue Fischer Weltgeschichte "versteht sich", wie es in ihren Klappentexten heißt, "als Geschichte von Räumen und den Wechselwirkungen zwischen ihnen." Einen einzelnen Autor mit der Abfassung der langen Geschichte eines solch großen geografischen Raumes wie Südostasien zu beauftragen, war ein gewagtes Unterfangen, an dem das Buch, will man von der Darstellung der Geschichte Indonesiens absehen, auf weiten Strecken gescheitert ist. Der Band soll alle wichtigen Aspekte aus vielen Jahrhunderten südostasiatischer Geschichte behandeln. Aufgrund seines begrenzten Umfangs vermag er aber an keiner Stelle tiefer als an der Oberfläche zu schürfen, ein Tadel, über den die detaillierter gegliederte alte Fischer Weltgeschichte mit ihren in sich geschlossenen Ausgaben auch viele Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen noch immer erhaben ist. Zwar hat der Fischer Verlag weder mit seinen alten noch mit seinen neuen Bänden je den Anspruch auf die Herausgabe von Gesamtdarstellungen erhoben, doch war es ein unglücklicher Griff, das Buch, welches im niederländischen Original bereits 2016 erschienen ist, in diese Reihe aufzunehmen und mit dem Standardklappentext zu versehen. Mut zur Lücke und zur Vertiefung hätte ihm weitaus besser getan. Wären die einzelnen Kapitel von unterschiedlichen Autoren und ausgewiesenen Kennern verfasst worden, so wären auch Wiederholungen und Peinlichkeiten wie der ständige Verweis darauf, dass die Untergänge zahlreicher Städte und Reiche des südostasiatischen Festlandes einzig und allein dem Klimawandel geschuldet waren oder dass junge vietnamesische und aus Niederländisch Indien stammende Studenten in Europa Weiße nicht etwa nur als Herren, sondern auch als Kellner in Cafés erlebten (S.300) und so zu einem Motor der Entkolonisierung ihrer Heimat wurden, dem Buch erspart geblieben. Auch helfen Verweise wie etwa der auf das sogenannte Sakdina-System (S.147), bei dem jedem Bewohner soziale Punkte zugemessen wurden, Lesern nicht weiter, die über die Sozialstrukturen der Region nichts wissen und auch im Buch darüber nichts erfahren. Nach der Lektüre von 560 Seiten bleibt daher dem Rezensenten unklar, wen man mit dem zwölften Band der Neuen Fischer Weltgeschichte überhaupt ansprechen möchte. Fachleute werden in ihm nichts Neues entdecken. Für den Lehrbetrieb an höheren Schulen sowie im Grundstudium von orientalistischen und historischen Fächern an Universitäten ist er aufgrund seiner (langweiligen) Faktendichte völlig ungeeignet und könnte auch in keinem Curriculum untergebracht werden. Mit den beiden Vorgängerbänden "Südostasien vor der Kolonialzeit" (von John Villiers) und "Das moderne Asien" (herausgegeben von Lucien Bianco) der alten Fischer Weltgeschichte kann Henk Schulte Nordholt nicht konkurrieren, denn sie stammen aus einer ganz anderen Zeit und sprachen bei ihrem Erscheinen ein völlig anderes Lesepublikum an. War Südostasien Ende der 1960er Jahre noch ein Reiseraum, der den allermeisten Lesern der alten Bände verschlossen blieb, so scheitert eine Vermittlung südostasiatischer Geschichte und Kulturgeschichte heute zwar nicht mehr an der räumlichen und kulturellen Entfernung, dafür aber an der mangelhaften Bildung der die behandelten Staaten bereisenden Pauschal- und Rucksacktouristen. Dass die Konzeption der Neuen Fischer Weltgeschichte ihre Verfasser vor sehr schwierige Aufgaben stellt, versteht sich von selbst. Dass der Fischer Verlag mit dieser wichtigen Mammutaufgabe aber kein Expertenteam beauftragt hat, ist sträflich. Fazit: "Zu viel Wissen macht unglücklich"; man hätte sich an dieser alten laotischen Weisheit orientieren und nach dem Motto "weniger ist mehr" verfahren sollen. Zu viele nicht oder kaum erläuterte Aneinanderreihungen von Fakten, Zahlen und Kurzinformationen quittiert auch der interessierteste Leser irgendwann mit einem lang anhaltenden Gähnen. > N Neue Fischer Weltgeschichte [Bötefür, 10.2023]

Schultheiß, Jochen u.a. (2007), Chronik der Pfarrei St. Georg (St. Georgen im Schwarzwald), hg. v.d. katholischen Kirchengemeinde St. Georg, St. Georgen, Horb a.N. 2007 > S St. Georgen im Schwarzwald

Schultheiß, Jochen (2018), Die Kirchen und Kapellen der Seelsorgeeinheit St. Georgen-Tennenbronn, hg. v.d. katholischen Kirchengemeinde St. Georgen-Tennenbronn, o.O. 2018, 112 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Pläne, € N.N. Gegeben wird ein historischer Überblick über das katholische und evangelische Kloster St. Georgen (11.-19. Jahrhundert), die sich in der Moderne entwickelnde katholische Kirchengemeinde im protestantischen St. Georgen (katholische Pfarrkirche St. Georg 1889/96, Abriss der Kirche 1960, neue Kirche 1961/62), die Kapelle auf der Seebauernhöhe (innerhalb des ökumenischen Gemeindezentrums 1978), die vor 1179 zurückreichende Tennenbronner Pfarrkirche des Klosters St. Georgen (1453 erneuert, seit der Reformation evangelisch, 1901 durch Brand zerstört; bzw.: fortgeführt als katholische Pfarrkirche St. Johann Baptist 1847/48, deren Abriss 1967, Kirchenneubau 1970/71), die Kapellen Ramstein (1754), Eichbach (1883), Gersbach (1884), Schönstatt (1989). [Dem Autor hätte es gut angestanden, auch neuere Literatur z.B. zur St. Georgener Kloster- und Kirchengeschichte zu verwenden.] [Buhlmann, 12.2020]

Schulthess, Konstanze von (2008), Nina Schenk von Stauffenberg. Ein Porträt (= Piper Tb 5409), München 2009 > D Deutsche Geschichte, 1933-1945

Schultz, Rudolf (1948), Die Staatsphilosophie des Nikolaus von Kues, Meisenheim am Glan 1948 > N Nikolaus von Kues

Schultz, Uwe (Hg.) (1998), Große Verschwörungen. Staatsstreich und Tyrannensturz von der Antike bis zur Gegenwart, München 1998, 279 S., DM 48,-. I. Verschwörungen zwischen Menschen gehen einher mit dem "Griff nach der Macht" und gingen im Verlauf der menschlichen Geschichte oftmals tödlich aus für die Verschwörer und den Machthaber, der seine Macht in den Augen der Verschwörer missbräuchlich ausübte. Die Verschwörung als Machtkampf entstand aus politischen Erwägungen heraus ("legitimer" Tyrannenmord und "Freiheit", "illegitimer" Staatsstreich und Usurpation) oder aus religiösen Gründen (Prager Hussiten, Katholiken im anglikanischen England, Attentate und Aufstände). Immer stellten sich die Verschwörer als politische Alternative dar (andere Politikprogrammatik: Freiheit, Recht, Wiederherstellung einer alten Ordnung). Die Moderne sah allgemeine politische Versschwörungen (etwa des "Weltjudentums" [Nationalsozialismus] oder des Kapitalismus [Ost-West-Konflikt]). II. An Verschwörungen werden erörtert: Dietrich Wildung, Haremsverschwörung unter Ramses III. Die lange Tradition der Umsturzversuche vom Alten Reich bis zu den Ptolemäern in Ägypten; Klaus Bringmann, Alkibiades und der Sturz der athenischen Demokratie. Die dramatischen Ereignisse des Jahres 411 v.Chr.; Martin Jehne, Die Ermordung des Dictators Caesar und das Ende der römischen Republik; Michael Richter, Die "lange Machtergreifung" der Karolinger. Der Staatsstreich gegen die Merowinger in den Jahren 747-771; Theo Kölzer, Vater und Sohn im Konflikt. Die Absetzung Heinrichs IV.; Ferdinand Seibt, Der Hussitenkelch und die vier Prager Artikel von 1420. Eine Revolution aus dem Glauben; Helmut Winter, Richard III. usurpiert den Thron. Die Geschichte und Shakespeare bestimmen das Bild des königlichen Schurken; Achatz von Müller, Retter und Verderber der Republik. Die Revolte des Fiesco zu Genua 1547; Horst Lademacher, Wilhelm von Oranien löst die Niederland von Spanien. Der Aufstand gegen Philipp II.; Alexander Gauland, Die "Pulververschwörung" gegen Parlament und König. 1605 scheitert der katholische Aufstand in England; Karl Otmar von Aretin, Die Vollendung des Absolutismus. Der Fronde-Aufstand in Frankreich (1648-1653); Jochen Köhler, "Morgen muss zugeschlagen werden". Der Sturz Robespierres sowie der Kampf um Mehrheiten und Macht in der Französischen Revolution; Nikolaus Katzer, Der gescheiterte Staatsstreich des aufgeklärten Adels. Der Dekabristenaufstand von 1825 in Rußland; Hans E. Tütsch, Kugeln für Lincoln und Kennedy. Zwei tote Präsidenten der USA und ungezählte Konspirationen in den Köpfen; Wolfgang Benz, Diffamierung aus dem Dunkel. Die Legende von der Verschwörung des Judentums in den "Protokollen der Weisen von Zion"; Hans-Ulrich Thamer, Die Idee von einem anderen Deutschland. Das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944; Walter Haubrich, Mit der Waffe in der Hand. Militärputsch im hispanischen Raum. [Buhlmann, 03.2019]

Schultz, Wilhelm ([1902]), Die wirthschaftliche Entwicklung in Süd-Afrika. Vortrag, gehalten im "Deutschen Verein für Kunst und Wissenschaft" in London am 20. Februar 1902, London [1902], 40 S., RM 1,-. Südafrika, 1497 von den Portugiesen entdeckt, zwischen 1652 und 1815 unter holländischer Herrschaft, ab 1815 englische Kapkolonie, zeichnet sich durch große Vorkommen an Kupfererz, Edelmetallen (Gold) und Diamentenvorkommen aus. Dabei sind zwei Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung auszumachen: 1652-1870 - das Kapland um Kapstadt und Port Elisabeth als überwiegend Landwirtschafts- und (holländische) Strafkolonie (Buren, Malayen, Indigene, Engländer); 1870-1900 - die Entdeckung weiterer Rohstoffvorkommen und die Ausdehnung der Kolonie (Kimberley, Johannisburg) zwecks wirtschaftlicher Ausbeutung der Rohstoffe (Diamantenmonopol der Debeers Company, Goldminen des Witwatersrand, Steinkohlevorkommen) bei Intensivierung von Gewerbe und Landwirtschaft (Straußenzucht, Wollerzeugung) und bei Ausbau der Infrastruktur (Straßen, Brücken, Eisenbahn; Anschluss an den Welthandel durch Schifffahrt). Auch der Immigration von Deutschen nach Südafrika (ab dem 17. Jahrhundert, deutsche Mission 1794) kommt für die wirtschaftliche Entwicklung Südafrikas Bedeutung zu. [Buhlmann, 08.2023]

Schultz-Naumann, Joachim (1951), Die letzten dreißig Tage. Das Kriegstagebuch des OKW April bis Mai 1945 (= Moewig Dokumentation 4328), München 1982 > Z Zweiter Weltkrieg

Schulze, Peter H. (1976), Herrin beider Länder Hatschepsut. Frau, Gott und Pharao, Herrsching 1987 > A Ägyptische Geschichte, 3. Jahrtausend-4./1. Jahrhundert v.Chr.

Schulze, Peter H. (1983), Der Sturz des göttlichen Falken. Revolution im Alten Ägypten, Herrsching 1986 > A Ägyptische Geschichte, 3. Jahrtausend-4./1. Jahrhundert v.Chr.

Schulze, Ursula (1997), Das Nibelungenlied (= RUB 17604), Stuttgart 1997 > N Nibelungenlied

Schulze-Dörrlamm, Mechthild (1985), Germanische Kriegergräber mit Schwertbeigabe aus dem späten 3. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts n.Chr. Zur Entstehung der Waffenbeigabensitte in Gallien, in: BRGK 32 (1985), S.509-569. Vor dem Hintergrund von römischer Spätantike und römisch-germanischem Mit- und Gegeneinander (Germanen im römischen Heer, Germaneneinfälle ins römische Reich) entwickelte sich ab der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts die Sitte der Waffen- oder Schwertbeigabe in Kriegergräbern als Brand-, Brandgruben- und Körpergräbern. Diese Sitte wurde u.a. von ostgermanischen Söldnern im römischen Heer - teilweise über Soldaten aus dem mittleren Donaugebiet - in den gallischen Raum übertragen. Am Niederrhein und in Nordgallien wirkten dabei vandalische, im Rhein-Main-Gebiet burgundische Kultureinflüsse; die Waffenbeigabensitte kam in Gallien gegen Mitte des 4. Jahrhunderts auf. Die Gräberinventare von Krieger- und Frauengräbern zeichnen sich dabei durch bestimmte Trachtbestandteile, Waffen und Gerätschaften aus (Kriegergräber: Spatha, Axt, eventuell Pfeil und Bogen, Schild, Gefäße, Eimer; Frauengräber: Schmuck, Fibeln, Münzen als Schmuck). [Buhlmann, 06.1988]

Schumacher, Erich (1970), Ein germanischer Eisenverhüttungsplatz in Essen-Überruhr, in: EB 85 (1970), S.6-12 > J Janssen, Essen-Hinsel

Schumacher, Meinolf (2010), Einführung in die deutsche Literatur des Mittelalters (= Einführung Germanistik), Darmstadt 2010, 160 S., € 9,90. Mittelalterliche (althoch-, mittelhoch-, mittelnieder-, frühneuhoch-) deutsche Literatur ist nur im medialen Umfeld von (fingierter) Mündlichkeit (Vortrag) und Schrift (Wachstafel [Polyptychon], Buch [Papyrus, Pergament, Papier, Rotulus, Kodex; Handschriften, Handschriftenillumination]) im Rahmen eines mittelalterlich-hermeneutischen "Sprach-, Schrift- und Weltverständnis"ses (mehrfacher Schriftsinn [Buchstabensinn, Allegorie, Typologie], Naturallegorese) begreifbar. Dichtung und Schreiben folgten (theoretisch) rhetorisch-poetischen Regeln (artes liberales; Rhetorikprogramm [Inventio, Dispositio, Elocutio, Memoria, Actio]); der Autor, soweit als Person erkennbar ("Autorisierung" eines Textes), stellt sich demütig und/oder stolz dar (Autorenbilder). Deutsche Literatur des Mittelalters ordnet sich dann ein in die Textformen von gebundener (Poesie) und ungebundener Sprache (Prosa), in die Hauptgattungen Lyrik, Epik und Dramatik. Mit der Poesie wird u.a. das Emotionale beim Rezipienten angesprochen, die literarischen Texte erscheinen, besonders innerhalb der Rhythmik eines mündlichen Vortrags, aus dem Alltag herausgehoben (Reime [Stabreim, Endreim]). Prosa (Fachprosa) gründet vielfach auf das Prosa einer lateinischen Vorlage, verbindet sich aber auch - damit zusammenhängend - mit einem Anspruch auf "Wahrheit" (Prosaauflösungen z.B. epischer Werke [15. Jahrhundert]). Deutsche Literatur des Mittelalters unterteilt sich in: a) mittelalterliche Epik (Stoffkreise Antikenroman [Alexanderroman, Eneasroman, Trojanerkrieg], Artus- und Gralsroman [Erec, Iwein, Parzival, Tristan], Heldenepik [Sagenkreise um Siegfried und Dietrich, Hildebrandslied, Nibelungenlied, Rolandslied], Minne- und Aventiureroman [Apollonius], Geschichtsdichtung und Weltchronistik [Kaiserchronik, Weltchronik des Rudolf vom Ems], Bibel- und Legendenepik [Heliand, Marienleben, deutsche Legenda aurea], Kleinepik [Märe, Schwank, Bîspel, Tierepos, Schwankroman]); b) mittelalterliche Lyrik (mittelhochdeutsche Lieddichtung als: Minnegesang der "hohen", "niederen" Minne, (politische) Sangspruchdichtung und Meistergesang, geistliche Lyrik); c) "Theater" (geistliches Spiel [Innsbrucker Osterspiel], weltliches Spiel [Neidhartspiel, Fastnachtsspiele]); d) Fachliteratur und Lehrdichtung (Artes-Literatur, Scahsenspiegel, Basler Rezepte), geistliche Prosa (Katechismen [Weißenburger Katechismus], Predigtbücher [Predigtbuch des Priesters Konrad, St. Georgener Predigten, Schwarzwälder Predigten, Leipziger Predigten], Literatur der Mystik [Meister Eckhart, Johannes Tauler], Offenbarungsbücher [Mechthild von Magdeburg]). [Buhlmann, 09.2013]

Schuncken, Albert (1865), Geschichte der Reichsabtei Werden an der Ruhr, Köln-Neuss 1865 > W Werden

Schunka, Alexander (2019), Die Hugenotten. Geschichte, Religion, Kultur (= BSR 2892), München 2019, 128 S., € 9,95. I. Die Reformation breitete sich im 16. Jahrhundert auch im Königreich Frankreich aus, wo um 1550 die reformiert-protestantischen Hugenotten im katholischen Herrschaftsraum der französischen Könige eine große Minderheit bildeten. Stark beeinflusst waren die Hugenotten durch die Lehre des Genfer Reformators Jean Calvin (†1564; Confessio Gallicana [1559], hugenottische Nationalsynode von La Rochelle [1571]). Die Hugenotten bildeten Glaubensgemeinden unter der Lenkung von Konsistorien (Moralkontrolle) und Kolloquien (wirtschaftliche Angelegenheiten, Verwaltung, Sozialversorgung); auf lokaler Ebene gestaltete sich das Zusammenleben mit den Altgläubigen in Friedenszeiten meist als problemlos, die Bevölkerung verfügte über genügend gesellschaftlich-religiöse Spielräume, die auf der Ebene von katholischer Amtskirche und Politik auf Dauer so nicht gegeben waren. Dem gescheiterten Religionsgespräch von Poissy (1561) folgte, veranlasst durch die französische Regentin Katharina von Medici, das Edikt von St. Germain (17. Januar 1562), das die Hugenotten als religiöse Minderheit offiziell anerkannte (Adlige als Hugenottenführer; nouvelle religion in den Fürstentümern Béarn, Orange, Sedan). Trotzdem oder gerade deswegen kam es ab 1560er-Jahren zu massiven Auseinandersetzungen, den "Hugenottenkriegen" als Religionskriegen ("Bartholomäusnacht" 23./24. August 1572 [Ermordung des Gaspard de Coligny und vieler Protestanten]; katholische ligue, Internationalisierung der Kriege). Die konfliktreichen Spannungen beruhigten sich erst, als der zum Katholizismus übergetretente (1593) französische König Heinrich IV. (von Navarra, 1589-1610) mit dem (Friedens-, Toleranz-) Edikt von Nantes (3./30. April 1598) die Basis für die Duldung der französischen Protestanten schuf. Die Lage der Hugenotten während des 17. Jahrhunderts, nach der Ermordung König Heinrichs IV. (1610), kann dann als konsolidiert betrachtet werden (Hugenottensynoden und theologische Identität, Vielfalt der protestantischen Theologie, Liberalisierung theologischer Positionen; Saumur als intellektuelles Zentrum der Hugenotten neben Montanban und Sedan). Auch im Zuge gegenreformatorischer Tendenzen in Frankreich flammte unter dem französischen Regenten Kardinal Richelieu der Hugenottenkrieg (als Krieg des Adels gegen den König) wieder auf (1620/29), um in die Belagerung und Eroberung der Hugenottenhochburg La Rochelle 1628 und im Frieden von Alés 1629) zu münden. Die "absolutistische" Herrschaft des "Sonnenkönigs" Ludwig XIV. (1643-1715) erforderte in den Augen des Herrschers "einen Glauben, ein Gesetz, einen König". Mit dem Edikt von Fontainebleau (18. Oktober 1685) wurde das von Nantes aufgehoben, die Protestanten unterlagen auch schon zuvor sich verschärfenden Repressionen (zunehmende Schutzlosigkeit der Hugenotten, Einquartierungen von Soldaten [dragonnades], Konversionen zum Katholozismus [ab 1660er-Jahre]). Das Edikt von Fontainebleau trieb ca. 150000 bis 200000 Hugenotten nach 1685 aus dem Herrschaftsgebiet der französischen Monarchie; ca. 450000 bis 600000 blieben allerdings in Frankreich, um entweder im Untergrund ihren Glauben auszuüben ("Kirche in der Wüste"; Gesetze und Verordnungen des Königs dagegen) oder zur katholischen Religion zu konvertieren (Vorurteile gegen die Konvertierten, Praxis der Umerziehung). Hugenottischen Widerstand gab es trotzdem noch (Cevennenaufstand als "letzter französischer Religionskrieg" 1702/04). II. Die Hugenotten (und Waldenser) fanden als Glaubensflüchtlinge (refugiès) Zuflucht in protestantinischen Ländern außerhalb Frankreichs (refuge: Premier Refuge [ab 16. Jahrhundert, Ende], Grande Refuge [ab 1680er-Jahre]). Gerade die Schweizer Eidgenossenschaft spielte als Drehscheibe und Durchzugsland hierbei eine wichtige Rolle. Viele Hugenotten fanden in deutschen Territorien (Brandenburg-Preußen, Hessen, Baden-Durlach, Württemberg, Kurpfalz, Braunschweig-Lüneburg/-Wolfenbüttel, Mecklenburg, Hansestädte, Reichsstädte), in den Niederlanden, in England (und Irland), aber auch in Skandinavien (Dänemark, Schweden), Russland, oder in Übersee (Südafrika, South Carolina; globale Hugenottendiaspora [ab 1700]) Zuflucht. Z.B. in deutschen Territorien mit besonderen Privilegien ([freie] Religionsausübung [oder Duldung], Wirtschaft [Landwirtschaft, Handwerk]) ausgestattet, dienten Hugenottenkolonien der Wiederbesiedlung und "Peuplierung", wobei es u.U. zu Konflikten mit der alteingessesenen Bevölkerung kam. Schließlich überwogen Integration und Assimilation in den Zufluchtsländern, ein hugenottisches Bewusstsein blieb indes vielfach erhalten (hugenottischer Mythos [Geschichtsschreibung, Hugenottenmythos zum Großen Kurfürsten, Literatur, Hugenottenikonografie/-medaillen], hugenottisches Erbe [geistig-religiöse Traditionen, Deutsche Hugenotten-Zentrum, Deutsche Hugenotten-Gesellschaft in Bad Karlshafen, Hugenottenmuseen in Europa, Nordamerika, Südafrika]). [Buhlmann, 08.2019]

Schupp, Joh[ann] (1962), St. Jakob Pfullendorf, Stuttgart 1962 > P Pfullendorf

Schurr, Sibylle, Hülle, Dieter E. (1980), Sindelfingen, Sindelfingen 21983 > S Sindelfingen

Schuster, Hans-Joachim (1993), 1200 Jahre Reichenbach. Ein kurzer Streifzug durch die Geschichte der Heuberggemeinde, in: TutHbll NF 56 (1993), S.105-112. Am Anfang Reichenbacher Geschichte steht die keltische Besiedlung des Gebiets um das Bäratal (Heidentor der "Oberburg" als Kultplatz). Aus römischer Zeit stammen die Überreste eines Gutshofes (Gewann "Allmendsteige"). Zwei Friedhöfe bei Reichenbach (Gewanne "Scheibenbühl", "Angerwiesen") verweisen auf eine alemannische Besiedlung, die bis [mindestens] ins 7. Jahrhundert zurückreicht. Reichenbach wird als Rihinbah erstmals in Urkunde des Klosters St. Gallen vom 27. März 793 erwähnt (Schenkung und Leihe von Besitz in Reichenbach an das Kloster durch Graf Berthold, Ortsname "Reichenbach" als "wasserreicher Bach"; weitere St. Galler Urkunde zu 843). Ab dem 12. Jahrhundert beherrschten die Grafen von Hohenberg Reichenbach, mit dem Verkauf der Hohenberger Grafschaft (1381) wurde Reichenbach habsburgisch-vorderösterreichisch. Reichenbach gehörte nun zu den oberhohenbergischen Orten, die von Fridingen (bis 1688) bzw. Spaichingen (danach) verwaltet wurden. Gerade die Kriege der frühen Neuzeit (Dreißigjähriger Krieg [1635/36], Spanischer Erbfolgekrieg [1701-1714], napoleonische Kriege [1799]) schädigten das Dorf schwer. 1806 wurde Reichenbach württembergisch. Ab dem 17. Jahrhundert sind neben Landwirtschaft Erzgewinnung und Textilarbeit feststellbar, im 18. und 19. Jahrhundert wanderten aus Gründen der Armut nach Südosteuropa oder Nordamerika aus. Im Rahmen der Industrialisierung besserten sich die Lebensverhältnisse ab dem Ende des 19. Jahrhunderts (Mundharmonika-, Drehteileherstellung, einheitliche Wasserversorgung [1890], Elektrizität [1915]) bei nunmehr steigender Einwohnerzahl. [Buhlmann, 01.2013]

Schuster, Hans-Joachim (1996), Geschichte des Landkreies im Spiegel von Orts- und Siedlungsnamen, in: TutHbll NF 59 (1996), S.37-49. Der Beitrag befasst sich mit den (mittelalterlichen) Ortsnamen und Ortsnamentypen im Kreis Tuttlingen. Die typischen Namen auf -ingen sind zumeist patronymisch gebildet. Sie gehören zusammen mit den -heim-Namen im schwäbisch-alemannischen Raum zur ältesten mittelalterlichen Namenschicht und reichen größtenteils in die fränkisch-merowingische Zeit, ins 6. bis 8. Jahrhundert zurück, wobei sich feste Siedlungen und damit auch diese Siedlungen bezeichnende Ortsnamen wohl ab 400 n.Chr. auf der Baar und an der oberen Donau gebildet haben dürften. Die -heim-Namen gehen dabei wohl auf fränkische Einflüsse in Politik und Siedlung zurück (verkehrsgeografische Faktoren). Eine weitere Namenschicht bilden für das 7. Jahrhundert die Toponyme auf -statt, -weil, -hausen und -dorf, spätmerowingisch sind überwiegend Namen, die auf -stetten, -bach, -hofen enden, frühkarolingisch Namen mit dem Grundwort -weiler. Doch waren die meisten der hier aufgeführten Ortsnamentypen noch bis ins hohe Mittelalter produktiv. Hinzu kommen Ortsnamen auf Grund von geografischen Stellenbezeichnungen, schließlich sind noch Gebietsbezeichnungen wie Baar oder Schär zu nennen. Eine nach Ortsnamentypen alphabetisch geordnete Übersicht schließt den Beitrag ab, es fehlen Hinweise auf die den Ortsnamen zugrunde liegenden Geschichtsquellen. [Buhlmann, 12.2011]

Schuster, Hans-Joachim (1998), Geschichtliches zu zwei Amtsgebäuden in der ehemaligen Oberamtsstadt Spaichingen, in: TutHbll NF 61 (1998), S.27-39. Das 1683/88 in Spaichingen errichtete Gebäude des ehemaligen Oberamts steht für Spaichingen als Zentrum des vorderösterreichisch-oberhohenbergischen Obervogteiamts (1688-1805) bzw. des königlich-württembergischen Oberamts (1805-1938); ab den 1950er-Jahren ist das Haus Sitz des Spaichinger Polizeireviers. 1811 erhielt Spaichingen ein königlich-württembergisches Oberamtsgericht, die Stadt erbaute 1821/24 ein klassizistisches Gerichtsgebäude, das 1838 durch Kauf an das Königreich kam; mit einer Unterbrechung zwischen 1931 und 1951 (Aufhebung des Amtsgerichts 1931) ist das Spaichinger (Ober-) Amtsgericht bis heute in diesem Gebäude geblieben. [Buhlmann, 12.2011]

Schuster, Hans-Joachim (2003), 175 Jahre Stadtrechte Spaichingen, in: TutHbll NF 66 (2003), S.52-68. Der Beitrag bietet in Anschluss an die Schilderung der Irritationen um die Bezeichnung "Stadt" für Spaichingen (Spaichingen als Stadt im Bewusstsein der Bürger ab 1807, als Oberamtsstadt 1824, als Pfarrdorf 1828, mit Stadtprädikat auf Grund einer Weisung des württembergischen Königs vom 22. August 1828) eine kurze Ortsgeschichte vom Jahr 791 an mit Schwerpunkt auf dem 19. Jahrhundert. [Buhlmann, 12.2011]

Schuster, Hans-Joachim (2003), 750 Jahre Mahlstetten, in: TutHbll NF 66 (2003), S.108-118. Der Ort Mahlstetten (auf dem Heuberg) wird "erstmals" zum Jahr 1253 in einem Schirmbrief erwähnt, der sich allerdings als Fälschung aus dem Augustinerchorherrenstift Beuron und aus dem 18. Jahrhundert darstellt, den Besitz des mittelalterlichen Klosters Beuron in Aggenhausen (heute abgegangen) und Mahlstetten in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts aber richtig wiedergibt. Der Liber decimationis des Bistums Konstanz erwähnt Aggahusen als Pfarrort; 1344 erscheint der Ort letztmals in den Geschichtsquellen. Dabei reichen Aggenhausen und Mahlstetten wohl in die alemannische Siedlungszeit des 7. und 8. Jahrhunderts zurück, worauf die beiden Ortsnamen auf -hausen und -stetten hindeuten; das Grundwort Mahl- kann dabei auf "mahlen" und "Mühle" oder auf "Mal" für "Gerichtsstätte" zurückgehen. Im 14. Jahrhundert gehörte Mahlstetten zur Herrschaft Mühlheim der Grafen von Zollern, dann zu der der Herren von Weitingen, ab 1409 zu der der Reichsritter von Enzberg, die sich im Bauernkrieg (1524/25) gegen ihre Untertanen durchsetzen konnten und auch reformatorische Entwicklungen unterdrückten, deren Herrschaftsrechte in Mahlstetten aber mit denen der Habsburger (Vorderösterreich) konkurrierten. 1806 fiel die enzbergische Herrschaft an das Königreich Württemberg; das 19. und 20. Jahrhundert verlief dann für Mahlstetten im württembergisch-schwäbischen Rahmen. [Buhlmann, 01.2012]

Schuster, Hans-Joachim (2008), Alamannische Besiedlungsgeschichte an der oberen Donau im Spiegel der Ortsnamen, Urkunden und archäologischen Funde, in: TutHbll NF 71 (2008), S.13-27. Die Geschichtsquellen zum frühmittelalterlichen Besitz des Klosters St. Gallen (und eingeschränkt der Abtei Reichenau), die auf das frühe Mittelalter zu beziehenden Ortsnamen vorzugsweise auf -ingen und -heim sowie archäologische Funde wie Reihengräberfriedhöfe lassen eine alemannisch (-fränkische) Siedlungsgeschichte an der oberen Donau erkennen: Alemannische Besiedlung ist hier ab dem 4. Jahrhundert erkennbar (Kriege zwischen Alemannen und Römern), Siedlungsunterbrechungen kommen häufig vor, vom endenden 5. bis zum 7./8. Jahrhundert weisen Reihengräberfriedhöfe auf benachbarte (feste) Siedlungsplätze hin, das Ende dieser Friedhöfe an der Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert zeigt die zunehmende Christianisierung Alemanniens an. Fränkische Einflüsse auf das Gebiet an der oberen Donau sind für die Zeit ab dem 6./7. Jahrhundert nachweisbar (Grabfunde); ob die frühmittelalterlichen -heim-Orte in Zusammenhang mit der verstärkten politischen Durchdringung Alemanniens durch die Franken (in der frühen Karolingerzeit, im 8. Jahrhundert) stehen, ist unklar. [Buhlmann, 12.2011]

Schuster, Peter (2015), Verbrecher, Opfer, Heilige. Eine Geschichte des Tötens 1200-1700, Stuttgart 2015, 416 S., € 24,95. Es geht um Verbrechen und Todesstrafe in Mittelalter und früher Neuzeit, letztlich um (sich wandelnde) Todesrituale bei der Hinrichtung von Menschen. Die Todesstrafe war (nicht nur) vom 13. bis zum 17. Jahrhundert in den mittelalterlich-frühneuzeitlichen Gesellschaften Europas etabliert. Ausfluss u.a. der Blutgerichtsbarkeit von Herrschern und Fürsten, war sie "anerkanntes Recht und Herrschaftsmittel", das im Mittelalter nur äußerstenfalls und im militärischen und politischen Bereich angewandt wurde. Gemäß einer christlichen Werteordnung (Herrschermilde und -gnade, Gottes Wirken und Gerechtigkeit in der Gerichtsbarkeit) und der finanziellen Nutzung von Gerichtsbarkeit und Recht durch die die Blutgerichtsbarkeit ausübende Person (Geldbußen, Vermögensentzug) wurde die Tötung von Menschen weitgehend vermieden. Im Spätmittelalter setzte dennoch ein Wandlungsprozess ein, beginnend in den Städten, wo die Todesstrafe zu einem "staatlichen Instrument" von Ordnungspolitik wurde (Hinrichtung von Dieben zum [vermeintlichen] Schutz von Eigentum). Mit der beginnenden Neuzeit kam zu einer "Ausweitung des Todesstrafe" als Herrschafts- und Machtdemonstration oder im Rahmen der Hexenprozesse. Dem Abschreckungscharakter dieses "staatlichen Tötens" entsprachen die (sich freilich im Verlauf der frühen Neuzeit abmildernden) Hinrichtungsformen und die anschließende Zurschaustellung der Getöteten im Dienste einer (vermeintlichen?) Abschreckung; die Leichname wurden geplündert und medizinisch weiterverwertet (Arzneien, Anatomie, Aberglauben). Die mittelalterliche bzw. - frühneuzeitlich - die katholische und protestantische Kirche beteiligte sich an den Hinrichtungen, die als Gottesdienst ritualisiert wurden ("religiöse Aufladung des Hinrichtungsrituals") und dem zum Tode Verurteilten als reuigen Sünder zum Seelenheil verhelfen sollten (Todesstrafe als Mittel zum Heil). Die Reformatoren befürworteten die Todesstrafe ("Theologie der Todesstrafe", lutherisch-calvinistische Landeskirchen [Religion und Staat]), allerdings ohne die damit verbundenen Qualen für den Delinquenten (Gnadenlehre Martin Luthers, Reue des Hinzurichtenden), die katholische Kirche folgte letzlich diesen Anschauungen. Für die beginnende frühe Neuzeit ist aber auch von einer massiven Zunahme von Hinrichtungen auszugehen, resultierend aus der Reformation und den konfessionellen Konflikten; religiöser Fundamentalismus und Todesstrafe bedingten einander. Kritik an den Hinrichtungen - gerade im Zusammenhang mit den Hexenverfolgungen - kam noch in der frühen Neuzeit auf (Johannes Matthäus Meyfart, Friedrich von Spee). Auch änderten sich in der frühen Neuzeit unter Einfluss der Reformation die Hinrichtungsarten (Zufallsstrafen [Gottesurteile] wie Ertränken oder lebendig Begraben bei den Frauen -> Hinrichtung mit dem Galgen oder durch das Schwert bei Frauen und Männern). Auch wurden Alternativen zur Hinrichtung diskutiert, die Zahl der Hinrichtungen sank mit dem Aufkommen der Zuchthäuser (17. Jahrhundert, 2. Drittel). Dabei blieb die Todesstrafe sozial ungerecht, weil sie vorzugsweise die ärmeren Bevölkerungsschichten (überwiegend Diebe oder auch Frauen, die ihr uneheliches Neugeborenes töteten [<-> sich durch die Reformation verschärfende Sexualmoral]) als "Opfer" einer "überforderten Obrigkeit" traf. Die Armenpolitik der Herrschenden jedenfalls schwankte zwischen Armefürsorge und Disziplinierung; hierbei kam der Todesstrafe eine wichtige Bedeutung zu.
Vgl. dazu: Herrmann, Horst (2018), Um Kopf und Kragen. Hinrichtungsmethoden und -maschinen, Berlin 2018, 239 S., € 9,99; Justiz in alter Zeit, hg. v. Mittelalterlichem Kriminalmuseum Rothenburg ob der Tauber (1984) (= Schriftenreihe des Mittelalterlichen Kriminalmuseums Rothenburg ob der Tauber, Bd. VIc), Nachdruck Rothenburg o.d. Tauber 1989, 480 S. Abbildungen, DM 19,50; Kirchschlager, Michael (Hg.) (2015), Mörder, Räuber, Menschenfresser. Einhundert Biographien und Merkwürdigkeiten deutscher Verbrecher, Arnstadt 2015, 261 S., Schwarzweißabbildungen, € 13,95. [Buhlmann, 1994, 09.2020]

Schuyt, Mike, Elffers, Joost, Ferger, Peter (1980), Rudolf Steiner und seine Architektur (= dumont Tb 72), Köln 1980 > S Steiner, Rudolf

Schwaben, früh- bis hochmittelalterliches Herzogtum im ostfränkisch-deutschen Reich: I. Als schwäbisches Herzogtum (ducatus/provincia Alemannia/Suevia) kann in Unterscheidung zum "älteren (Stammes-) Herzogtum" der Alemannen im Reich der merowingischen Frankenkönige (6.-8. Jahrhundert) definiert werden das Alemannien und/oder Schwaben umfassende Herzogtum des 10. bis 13. Jahrhunderts, das im Norden an die Francia orientalis ("Ostfranken") und im Osten mit dem Lech an das bayerische Herzogtum grenzte, im Süden bis zu den Alpen (maximal einschließlich Churrätiens, ohne Burgund) reichte und im Westen das Oberrheingebiet (maximal einschließlich des Elsass) umfasste. Politisch vorgebildet war dieses Herzogtum in der Karolingerzeit durch die regna ("Königsherrschaften") Karls des Kahlen (829) und Karls III. (870, 876-887/88) in Alemannien. II. Im Anfang des 10. Jahrhunderts etablierte sich nach der Belagerung des Hohentwiel und der Schlacht bei Wahlwies (915) gegen die Herrschaft Konrads I. (911-918), des ersten nichtkarolingischen Königs in Ostfranken, das schwäbische Herzogtum unter Herzog Erchangar (915-917). Erchangar und sein Bruder Ber-thold wurden zwar 917 gefangen genommen und wohl in Aldingen hingerichtet, jedoch führte Burkhard (I., 917-926) aus der Familie der Markgrafen von (Chur-) Rätien das Herzogtum weiter. Dem ersten König aus ottonisch-sächsischem Hause, Heinrich I. (919-936), gelang die Integration dieser schwäbischen Herrschaft in sein Reich. Mit der Einsetzung Hermanns I. (926-949) als Herzog versuchte der ostfränkische König erfolgreich, erstmals gestaltend in Schwaben einzugreifen. Die Zeit Kaiser Ottos des Großen (936-973) lässt sich begreifen als Zeit einer stärkeren Einbindung Schwabens in das ostfränkische Reich. Dazu gehörte auch die Abwehr der Ungarneinfälle nach Schwaben und Ostfranken, die mit dem Sieg Ottos auf dem Lechfeld (bei Augsburg, 10. August 955) ihr Ende fanden. Konstituierend für das ostfränkisch-deutsche Reich wirkte auch die Italienpolitik des Königs, die das schwäbische Herzogtum (neben Bayern) wie schon in der Karolingerzeit als einen Verbindungsraum zwischen "Deutschland" und Italien sah. Hierbei spielte die schwäbische Herzogsherrschaft Liudolfs (950-954), des ältesten Sohnes Ottos I., eine gewisse Rolle. Liudolf hatte sich 953/54 allerdings gegen seinen Vater aufgelehnt - ein Indiz dafür, dass es damals noch allgemein an der Einordnung der ostfränkischen Herzogtümer in die ottonische Herrschaft mangelte. Nachfolger Liudolfs wurde Burkhard II. (954-973), der Sohn Burkhards I. Gewisse herzogliche Funktionen sollte nach dem Tod Burkhards II. dessen Witwe Hadwig (†994) ausüben, wobei sie auf dem Hohentwiel mit seinem Georgskloster, in Wahlwies, auf der Reichenau und in St. Gallen nachzuweisen ist. Da neben Hadwig in Schwaben noch die vom Königtum eingesetzten Herzöge Otto I. (973-983) und Konrad (983-997) Herrschaft ausübten, war damals die eigenartige Situation eines "doppelten Herzogtums" gegeben. Die Zeit der sächsischen Könige Otto III. (983-1002) und Heinrich II. (1002-1024) sah ein wiederum verstärktes Eingreifen des Königtums in die machtpolitischen Verhältnisse des schwäbischen Herzogtums. Otto III. erhob nach dem Tod Hadwigs Ansprüche auf den Hohenentwiel und Sasbach, das Nonnenkloster St. Margarethen in Waldkirch wurde neben der Reichenau zu einem königlichen Stützpunkt, der (Zähringer-) Graf Berthold (991/96-1024) erhielt am 29. März 999 das Recht, in seinem Ort Villingen einen Markt mit Münze, Zoll und Bann einzurichten. Umgekehrt verstärkte Herzog Hermann II. (997-1003), der Sohn Konrads, seinen Einfluss in Schwaben. Hermann war es auch, der nach dem Tod Ottos III. seinen Anspruch auf das ostfränkisch-deutsche Königtum durchzusetzen versuchte, letztlich aber dem Bayernherzog Heinrich (II.) unterlag. Der, schon König, verwüstete 1002 Schwaben und erreichte die Unterwerfung Hermanns in Bruchsal. Nach dem baldigen Tod des Herzogs stand Schwaben den Plänen König Heinrichs II. (1002-1024) vollends offen. Die politische Umgestaltung des Bodenseeraumes und des Oberrheins machte weiter zu Gunsten des Königtums Fortschritte. Dabei deutete die Politik Heinrichs II. gegenüber dem Basler Bistum schon den 1033 durch Kaiser Konrad II. vollzogenen Erwerb des Königreichs Burgund an. Mit Konrad II. (1024-1039) betrat die Königsdynastie der Salier den reichspolitischen Boden. Konrad hatte sich in Schwaben zunächst mit Herzog Ernst II. (1015-1030), dem Sohn seiner Ehefrau Gisela, auseinanderzusetzen (1025, 1027/28, 1030). In der Folgezeit steigerte sich der salische Einfluss im Südwesten Deutschlands noch, da Heinrich (III.), der Sohn Kaiser Konrads, schwäbischer Herzog wurde (1038-1045), eine Würde, die er auch noch in der Anfangsphase seiner Königsherr-schaft (1039-1056) behielt. Im Austausch gegen Kaiserswerth und Duisburg (am Niederrhein) erhielt danach Otto II. (1045-1047), der Sohn des rheinischen Pfalzgrafen Ezzo (996-1034) und selbst lothringischer Pfalzgraf (1034-1045), das Herzogtum. Über Herzog Otto III. von Schweinfurt (1048-1057) ist wenig bekannt, und Rudolf von Rheinfelden (1057-1080) war schwäbischer Herzog am Beginn des Investiturstreits (1075-1122). Von da aus rückblickend kann festgehalten werden, dass Schwaben (Alemannien) im Verlauf des 10. und 11. Jahrhunderts zu einem integralen Bestandteil des (entstehenden) deutschen Reiches geworden war. Dieses Reich bestand nun aus der Ländertrias Deutschland, (Nord- und Mittel-) Italien und Burgund, drei Herrschaftsräumen, verbunden über den deutschen König und römischen Kaiser, drei Königreichen, die gerade im Bereich Schwabens geografisch und politisch aufeinander stießen. III. Der deutsche Südwesten war am Ende des 11. Jahrhunderts besonders von Gregorianischer Kirchenreform und Investiturstreit betroffen. An der Spitze des Reformmönchtums stand das Benediktinerkloster Hirsau unter seinem Abt Wilhelm (1069-1091). Das Mönchtum Hirsauer Prägung sollte dann einige Verbrei-tung erfahren, vorzugsweise in Schwaben, aber auch in Franken, Mittel- und Ostdeutschland. Dabei hat, was Schwaben anbetrifft, der dortige Adel - politisch vielfach gegen den Salierkönig Heinrich IV. (1056-1106) eingestellt, aber auch zerrissen - die gregorianische Reformpartei unterstützt. Der von (süd-) deutschen Fürsten gewählte Gegenkönig zu Heinrich IV., Rudolf von Rheinfelden (1077-1080), war auch schwäbischer Herzog, dem in der Schlacht bei Hohenmölsen (15. Oktober 1080) bezeichnenderweise seine Schwurhand abgeschlagen wurde - eine Verwundung, an der er wenig später starb. In der Folge-zeit etablierten sich die Staufer (ab 1079) und die Zähringer (ab 1092) als Herzöge: Friedrich I. (1079-1105) begründete das von König Heinrich IV. vergebene staufische Herzogtum; mit den Zähringern, der mächtigen Adelsfamilie der Bertholde nicht nur des Breis- und Thurgaus, entstand auf längere Sicht ein dynastisches Herzogtum neben dem schwäbisch-staufischen. Eckpunkte hierfür waren der Ausgleich des Zähringerherzogs Berthold II. (1078-1111) mit dem deutschen Herrscher (1098) und eine erfolgreiche Formierung der Herzogsherrschaft am Oberrhein, im Schwarzwald, auf der Baar, am Neckar, um Rheinfelden und in Zürich, schließlich auch im Königreich Burgund, wo die Zähringer als rector bzw. dux Burgundiae (1127 bzw. 1152) auftraten. Neben den Staufern und Zähringern sind als dritte herzogliche Macht im (östlichen) Schwaben des 12. Jahrhunderts die Welfen auszumachen. Schwäbische "Eintracht" offenbarte sich dann auf dem allgemeinen Fürstentag in Rottenacker (1116) und bei der Erhebung der Gebeine des Bischofs Konrad (I., 935-975) in Konstanz (26. November 1123), wo ein magnus conventus, eine "große Zusammenkunft" die Großen Schwabens zusammenführte. Der Ausgleich des Königtums mit den Zähringern machte den Weg nach Schwaben auch für die deutschen Herrscher frei, zumal nach Beendigung des Investiturstreits (Wormser Konkordat vom 23. September 1122). So ist Kaiser Heinrich V. (1106-1125) um die Jahreswende von 1124/25 in Straßburg nachweisbar, wo er sich mit einer verantwortlichen Politik für die schwäbischen Kirchen wieder Einflussmöglichkeiten eröffnete. IV. Der Friede von 1098 begründete im deutschen Südwesten die zwei Territorialherzogtümer der Staufer und der Zähringer. Das schwäbische Herzogtum des 10. und 11. Jahrhunderts kam somit in seiner bisherigen Form zu seinem Ende bzw. sollte sich im staufisch-schwäbischen Herzogtum fortsetzen. Als schwäbische Herzöge des Königs, als königsnahe Adelsfamilie etablierten sich die Staufer im deutschen Südwesten rasch, wenn auch die Auseinandersetzungen zwischen ihnen und König Lothar von Supplinburg (1125-1137) mit einer staufischen Niederlage und Unterwerfung endeten (1135). Die staufischen Herzöge Friedrich I. (1079-1105) und Friedrich II. (1105-1147) behaupteten dennoch ihre Positionen und ihr Herzogsamt in Schwaben im Investiturstreit und im Kampf gegen König Lothar. Mit König Konrad III. (1138-1152), dem Bruder Friedrichs II., der dennoch die Nachfolge Lothars antrat, waren erstmals Königtum und Herzogtum gemeinsam in staufischer Hand. Schwaben wurde zunehmend zum Anhängsel staufischer Königs- und Machtpolitik - gerade im Streit zwischen Staufern und Welfen. Es wird somit ein (früh-) staufisches Schwaben sichtbar, wenn auch die Herzöge von Zähringen im Südteil wichtige politische Positionen innehatten; Schwaben ohne das Elsass, die Ortenau und den Breisgau wurde zur provincia Suevorum, zu der gegen Ende des 12. Jahrhundert das staufische Franken eine große Nähe zeigte, zu einem regnum Sueviae mit einer sich zunächst auf die politische Oberschicht beziehenden Formierung regionaler Identität als "Schwaben". So begann also mit der Zweiteilung des ottonisch-salischen Herzogtums zwischen Staufern und Zähringern (1098) die Verengung des politisch-geografischen Begriffs "Schwaben" auf den staufischen Machtbereich. Auf der Ebene von staufischem Herzogtum und deutschem Reich nördlich der Alpen ist nun ein Gegen- und Miteinander von Herzögen und Königen zu beobachten. Zu verweisen sei noch auf die Kämpfe zwischen Staufern und Welfen zurzeit König Konrads III. und auf die nicht immer unproblematischen Beziehungen Kaiser Friedrich I. Barbarossas zu seinem Neffen, dem Herzog Friedrich IV. von Rothenburg (1152-1167). Die berühmte Tübinger Fehde (1164-1166) gehört hierher, in der sich der Herzog auf die Seite des Pfalzgrafen Hugo II. von Tübingen (1152-1182) und gegen Herzog Welf VI. (†1191) und dessen Sohn Welf VII. (†1167) stellte. Erst die Vermittlung des Kaisers führte zur Beilegung des Konflikts. Der 4. Italienzug Kaiser Friedrichs I. (1166-1168) und die Ruhrepidemie im deutschen Heer brachten durch die große Zahl der Toten auch unter den geistlichen und weltlichen Fürsten, darunter Friedrich von Rothenburg und Welf VII., für Schwaben und das Herzogtum eine politische Neuorientierung. Herzog wurde nun der Barbarossa-Sohn Friedrich V. (1167-1191), das Erbe der Grafen von Pfullendorf, Lenzburg u.a., die in Rom an der Epidemie gestorben waren, ermöglichte den Staufern eine erfolgreiche Ausweitung ihrer Territorialpolitik im deutschen Südwesten. Hinzu kam die Anwartschaft auf die schwäbischen Güter der Welfen, die 1190 an die Staufer fielen, hinzu kamen Teile des Besitzes der Zähringerherzöge, die 1218 ausstarben. Schwaben, der staufische Territorialblock und das Herzogtum, blieb in staufischer Hand, sieht man von einem kurzen Zwischenspiel am Ende des deutschen Thronstreits (1198-1208) ab, als nach der Ermordung des staufischen Königs Philipp von Schwaben (1198-1208) der Welfe Otto IV. (1198-1215/18) allgemein in Deutschland anerkannt wurde. Als sich schließlich der sizilische Herrscher Friedrich II. von Hohenstaufen als deutscher König (1198/1212-1250) durchsetzte, machte er seinen Sohn Heinrich zuerst zum schwäbischen Herzog (1217) und dann zum König ((VII.), 1220-1235). Besonders Heinrichs Versuch, ein königliches Territorium entlang des Neckars aufzubauen, brachte ihn aber in Gegensatz zu den Fürsten und Territorialherren und führte zu seiner Absetzung (1235), während Kaiser Friedrich II. mit seiner "Übereinkunft mit den geistlichen Fürsten" (1220) und dem "Statut zu Gunsten der Fürsten" (1231) die geistlichen und weltlichen Herrschaftsträger in Deutschland privilegierte. Nachfolger Heinrichs in Schwaben und im Königtum wurde Konrad IV. (1237-1254). Der Kampf zwischen Papsttum und Kaisertum, die Bannung und Absetzung des Kaisers auf dem Konzil zu Lyon (1245), das Gegenkönigtum Heinrich Raspes (1246-1247) und Wilhelms von Holland (1247-1256) führten dann zum Bürgerkrieg in Deutschland, von dem auch Schwaben schwer betroffen war. Erinnert sei an die für Heinrich Raspe siegreiche Schlacht bei Frankfurt (5. August 1246), in deren Verlauf Graf Ulrich I. von Württemberg (ca.1240-1265) auf die Seite der Staufergegner überwechselte. Nach dem Tode Konrads IV. konnte sich dessen Sohn Konradin im schwäbischen Herzogtum behaupten (1254-1268), bis er bei dem Versuch, das sizilische Königreich zu erobern, Karl von Anjou (1266-1284) unterlag und als letzter (legitimer) Staufer auf dem Marktplatz von Neapel hingerichtet wurde (1268). Damit war auch das Ende des (staufisch-) schwäbischen Herzogtums gekommen, das so lang mit dem Königtum verbunden gewesen war. V. Das Herzogtum Schwaben und seine Erneuerung spielten indes in der politischen Planung der habsburgischen Könige seit Rudolf I. (1273-1291) bisweilen eine Rolle. Doch kam es letztlich im Verlauf des späten Mittelalters nicht zur Umsetzung derartiger Pläne. Das politisch nichtexistente Herzogtum gehörte zum römisch-deutschen Königtum.
An Darstellungen zum schwäbischen Herzogtum sei verwiesen auf: Maurer, Helmut (1978), Der Herzog von Schwaben. Grundlagen, Wirkungen und Wesen seiner Herrschaft in ottonischer, salischer und staufischer Zeit, Sigmaringen 1978, 359 S., Karten, Pläne, DM 48,-; Scholkmann, Barbara, Lorenz, Sönke (Hg.) (2002), Schwaben vor tausend Jahren, Filderstadt 2002, 240 S., Farbabbildungen, Karten, Pläne, € 24,80 (mit den Beiträgen: Thomas Zotz, Das Herzogtum Schwaben im 10. und 11. Jahrhundert; Wilfried Hartmann, Schwaben im Investiturstreit; Sönke Lorenz, Klöster und Stifte - zur Sakrallandschaft Schwaben im 10. und 11. Jahrhundert. Ein Überblick; Barbara Scholkmann, Schwaben im 10. und 11. Jahrhundert - eine archäologisch-bauhistorische Sakraltopographie; Ralph Röber, Urbs praeclara Constantia - das ottonisch-frühsalische Konstanz; Hartmut Schäfer, Esslingen im 10. und 11. Jahrhunder; Rainer Schreg, Ländliche Siedlungen in Schwaben - Strukturwandel zum Jahr 1000?); Zettler, Alfons (2003), Geschichte des Herzogtums Schwaben, Stuttgart 2003, 272 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 25,-. [Buhlmann, 05.2001, 02.2005, 02.2018]

Schwaben als historische Landschaft in Südwestdeutschland, d.h. im südöstlichen Baden-Württemberg und westlichen Bayern: Das heutige Schwaben als Kulturlandschaft, in der Schwäbisch gesprochen wird, erstreckt sich zwischen Schwarzwald und Lech, Württembergisch-Franken und Bodensee. Der Begriff "Schwaben" leitet sich vom schwäbischen Herzogtum des Mittelalters bzw. Schwäbischen Reichskreis der frühen Neuzeit ab, auch von Landvogteien Nieder- und Oberschwaben. Das Schwäbische verbindet Sprache und Landschaft und ist ein westoberdeutsch-alemannischer Dialekt (Schwäbisch, Bodenseealemannisch), der Schwaben als sprachlich-kulturellen Raum mitdefiniert (Literatur, Kunst, Kultur). Mit Schwaben und dem Schwäbischen beschäftigt sich u.a.: Bertsch, Karl (1955), Oberschwaben. Das Land um den Bussen mit seinen Städten und Barockkirchen (= Bildbücherei Süddeutschland, Bd.16), Lindau 1955, 75 S., Schwarzweißtafeln, DM ***; Brustgi, Franz Georg (1959), Die Schwäbische Alb (= Thorbecke Bildbücher 30), Sigmaringen 61973, 120 S., Schwarzweißabbildungen, Schwarzweiß-, Farbtafeln, DM 19,80; Hanow, Maja M. (Hg.) ([1966]), Das Schwabenland und seine Produktion, Stuttgart o.J. [1966], 272 S., Schwarzweißfotos, DM 19,30; Mayer, Hanns (1971), Schwabenland farbig. Ein farbenfrohes Bildermosaik des vielgestaltigen Raumes im Südwesten Deutschlands, Stuttgart 31978, 228 S., Farbfotos, Karten, DM 65,- (betreffend: Aalen, Allgäu, Alpirsbach, Altensteig, Augsburg, Backnang, Baiersbronn, Balingen, Bartenstein, Bebenhausen, Berneck, Besigheim, Beuron, Bietigheim, Birnau, Blaubeuren, Bodensee, Böblingen, Brackenheim, Buchau, Buchenbach, Calw, Donau, Donauwörth, Ebingen, Ellwangen, Esslingen, Fellbach, Freudenstadt, Friedrichshafen, Füssen, Geislingen a.d. Steige, Göppingen, Gundelsheim, Hagnau, Haigerloch, Harburg, Hegau, Heidenheim, Heilbronn, Herrenberg, Hindelang, Hirsau, Hohenlohe-Franken, Hohentwiel, Hohenzollern, Horb, Isny, Kempten, Kirchheim unter Teck, Kisslegg, Konstanz, Kressbronn, Künzelsau, Langenargen, Langenburg, Leonberg, Lichtenstein, Liebenzell, Lindau, Lorch, Ludwigsburg, Mainau, Marbach, Markgröningen, Maulbronn, Meersburg, Memmingen, Mergentheim, Metzingen, Morstein, Münsingen, Murrhardt, Neckarsulm, Neresheim, Neuenstein, Neuschwanstein, Nördlingen, Nürtingen, Oberschwaben, Oberstdorf, Öhringen, Ottobeuren, Randeck, Ravensburg, Rechberg, Reichenau, Reußenstein, Reutlingen, Riedlingen, Rottenburg, Rottweil, Schönenberg, Schorndorf, Schussenried, Schwaben, Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch Hall, Schwäbischer Wald, Schwangau, Schwarzwald, Schramberg, Sigmaringen, Steinhausen, Strümpfelbach, Stuttgart, Sulz, Teck, Tettnang, Tübingen, Tuttlingen, Überlingen, Uhldingen, Ulm, Urach, Vaihingen, Villingen-Schwenningen, Waiblingen, Waldburg, Waldsee, Wangen, Wasserburg, Weil der Stadt, Weikersheim, Weingarten, Weinsberg, Welzheim, Werenwag, Wiesensteig, Wildbad, Wimpfen, Wurmlingen, Wurzach, Zwiefalten); Wegele, Ludwig (1960), Schwäbisches Bayern (= Thorbecke Bildbücher 34), Lindau-Konstanz 1960, 112 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, DM 15,80; Wicker, Hubert (Hg.) (2011), Schwäbisch. Dialekt mit Tradition und Zukunft. Festschrift zum 10-jährigen Bestehen des Fördervereins Schwäbischer Dialekt e.V., [Gomaringen] 2011, 231 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, € N.N. [Buhlmann, 03.2021, 05.2021, 11.2021, 06.2023]

Schwäbisch Gmünd, Stadt in Schwaben: Die Ursprünge der Siedlung Schwäbisch Gmünd lassen sich bis in das karolingerzeitliche 8. Jahrhundert zurückverfolgen. Gemäß des um die Mitte des 9. Jahrhunderts angefertigten zweiten Testament des Abtes Fulrad von St. Denis (†784) von angeblich 16. September 782 besaß die Abtei St. Denis Besitz eine Klosterzelle in Gamundias (Gmünd), wahrscheinlich zur Christianisierung des Umlandes. In hochmittelalterlicher Zeit - vielleicht beginnend mit staufischen Aktivitäten an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert - entstand die Stauferstadt Gmünd (Gimundin cives 1162) innerhalb eines Mauerrings (12. Jahrhundert, Anfang) bzw. einer mit Stein aufgeführten Stadtmauer (1188). Neben ihr als ältestem Siedlungskern mit Markt und (vom Kloster Lorch abhängiger) Pfarrkirche (Münster) gab es eine zweite Siedlung (Gotteszell) um eine Kapelle, aus der sich später die Johanneskirche als spätromanische dreischiffige Basilika (Skulpturen) entwickelte; die Gmündener Pfarrkirche gehörte ursprünglich zur Pfarrei Lorch, die Johanneskirche zur Pfarrei Iggingen, bis 1297 verfügte das Benediktinerkloster Lorch über das Patronat über beide Gotteshäuser. Die Ausformung Gmünds zur staufischen Königsstadt geschah im 13. Jahrhundert (Franziskaner n.1221, Augustinerinnen in Gotteszell [v.1227] als Dominkanerinnen [1246], Reichssteuerverzeichnis 1241, Stadtsiegel 1277, Bürgermeister 1284, Augustiner 1284, Dominikaner 1294). Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts umschloss die Stadtmauer auch die Vorstädte Gmünds, das Dominikanerinnenkloster Gotteszell blieb extra muros. Nach innen regierten zunächst Geschlechterfamilien (unter Mitsprache der Zünfte 1360) und der Schultheiß die spätmittelalterliche Reichsstadt, die sich gegen die Grafen von Württemberg behaupten konnte (Reichskrieg 1310/14, Gmünder Freipürsch, Schwäbischer Städtebund). Ausfluss bürgerlichen Selbstbewusstseins war der Bau des Gmünder Münsters "Heiligkreuz/Unserer Lieben Frau"; ab dem beginnenden 14. Jahrhundert wurde an der (ältesten süddeutschen) gotischen Hallenkirche gebaut, 1497 stürzten deren beide Westtürme ein (danach Verwendung eines Adelssitzes als Glockenturm). Auch in der frühen Neuzeit behauptete sich Schwäbisch Gmünd als Reichsstadt; die Reformation konnte in die Stadt nicht eindringen, der Ort war im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) von den Kriegshandlungen schwer betroffen (Pest 1634/37) und wurde auch durch den Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) in Mitleidenschaft gezogen; Barock und Rokoko hinterließen Spuren im Stadtbild. 1802 gelangte Schwäbisch Gmünd an (das Königreich) Württemberg, das als Schulstadt im 19. Jahrhundert von einer nur maßvollen Industrialisierung erfasst wurde.
Zu Schwäbisch Gmünd s.: Kissling, Hermann (1975), Das Münster in Schwäbisch Gmünd. Studien zu Baugeschichte, Plastik und Ausstattung, Schwäbisch Gmünd 1975, 196 S., Schwarzweißtafeln, Pläne, DM N.N. [Buhlmann, 05.2022]

Schwäbisch Hall, Stadt zwischen Schwaben und Franken: I. In und um Schwäbisch Hall lässt sich menschliche Besiedlung bis in vor- und frühgeschichtliche Zeit zurückverfolgen (Jungsteinzeit, keltische Hallstatt- und Latènezeit, römische Kaiserzeit). Für die Latènezeit (4.-1. Jahrhundert v.Chr.) konnte in Schwäbisch Hall die dem Ort letztlich den Namen gebende Salzgewinnung (Bezeichnung hall für "Salz") nachgewiesen werden; inwieweit die dortige "Salzindustrie" eine über die keltische Zeit hinausgehende Siedlungskontinuität beförderte, ist unklar (durch Verschüttung erzwungene Aufgabe einer bzw. der keltischen Saline in Hall um 200 v.Chr. oder um Christi Geburt; zunehmender Import römischen Meersalzes als etwaiges Konkurrenzprodukt). In der römischen Kaiserzeit lag der Raum um das spätere Schwäbisch Hall im unmittelbaren Vorfeld des obergermanisch-rätischen Limes (2./3. Jahrhundert n.Chr.), der das Imperium Romanum von den germanischen Siedlungsbereichen trennte. Alemannische "Landnahme" (3./5. Jahrhundert), "Völkerwanderung" (5. Jahrhundert) und frühmittelalterlicher Siedlungsausbau im Rahmen des Frankenreichs der merowingischen Könige (5.-8. Jahrhundert) spiegeln sich in wenigen archäologischen Funden im Schwäbisch Haller Gebiet wider (Grabfunde, Stöckenburg, Unterregenbach). Die Ortsnamenkunde vermag immerhin eine grobe Siedlungsabfolge von Orten mit Grundwort -heim, -dorf oder -zimmern zu postulieren. Im 8. Jahrhundert muss es dann ein Netz von Siedlungen gegeben haben, ablesbar auch an den damals in Erscheinung tretenden Siedlungslandschaften Kochergau (mit Schwäbisch Hall), Maulachgau und Jagstgau. Wahrscheinlich besaß die Wehranlage der Stöckenburg eine Vorortfunktion, ihre (für eine "Urpfarrei" stehende) Martinskirche gelangte anlässlich der Gründung des Würzburger Bistums (742/43) an den dortigen Bischof. Im Schwäbisch Haller Stadtgebiet lassen sich immerhin Siedlungsspuren bis ins 7. Jahrhundert zurückverfolgen; ob darüber hinaus Salz auf dem "Haal", dem Bereich einer Solequelle (ehemals) auf einer Insel im Fluss Kocher, gewerbsmäßig gewonnen wurde, ist doch sehr zweifelhaft. Schwäbisch Hall lag im frühen Mittelalter in der fränkisch-alemannischen Grenzzone ("Stammesgrenze"), die (hier) in west-östlicher Richtung verlief und die spätestens in der Zeit der karolingischen Könige und Kaiser (8./9. Jahrhundert) herrschaftlich (karolingische Grafschaftsverfassung) und kirchlich (System von Pfarrkirchen und Pfarreien) organisiert war. II. Salz war die Grundlage für die Entstehung des Ortes Hall im Fränkischen, seit dem Spätmittelalter - durchaus widersprüchlich - Schwäbisch Hall genannt. Schon im 11. Jahrhundert wird die villa Halle für uns als "Industrieort" erkennbar, hier wurde im Haal an der Kocher das Salz aus der Sole gewonnen. Nördlich des Haals lag der Markt, zwei Kirchen waren vorhanden, Ortsherren waren die Komburger Grafen als Nachfolger der Grafen im Kochergau. Nach dem Aussterben der Komburger zu Anfang des 12. Jahrhunderts fiel Hall an die Staufer; diese machten die Siedlung, die seit jeher Lehen des Würzburger Bischofs war, zur Stadt (Weihe der Michaelskirche 1156; civitas, 1204). Unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) wurde eine Münzstätte eingerichtet, die den berühmten "Heller" (1189 wohl erstmals urkundlich erwähnt), eine Silbermünze geringen Wertes, "Handelsgeld" und staufische Reichsmünze, prägte. Um 1200 begegnet in den Quellen die Haller Stadtgemeinde mit Schultheiß und Sulmeister, staufischen Ministerialen, die die Leitung bei Verwaltung, Gerichtsbarkeit und Salzgewinnung innehatten. Nach dem Aussterben der Staufer (1250/54/68) setzten sich die Bürger in jahrzehntelangen Auseinandersetzungen gegen die benachbarten Schenken von Limpurg durch, 1280 entschied König Rudolf I. von Habsburg (1273-1291) zu Gunsten der Bürgergemeinde; Hall entwickelte sich von der Königsstadt zur Reichsstadt. Salzgewinnung und -handel, beides genossenschaftlich organisiert, machten den Ort reich, trotzdem war Hall vor innerstädtischen Streitigkeiten (1290, 1314/16) und äußeren Fehden (Thronstreit zwischen Ludwig dem Bayern [1314-1347] und Friedrich dem Schönen [1314-1330] 1316) nicht gefeit. 1381/82 erwarb die Stadt das an die württembergischen Grafen verpfändete Schultheißenamt und erreichte so eine vollständige Autonomie. III. Das 15. und 16. Jahrhundert war dann die Blütezeit Halls, die Stadt erwarb damals ein umfängliches Territorium. U.a. war Hall zwischen 1349 und 1483/84 Vogt des benachbarten Klosters Komburg, eine 1078 von den damaligen Komburger Grafen gestiftete Gemeinschaft von Benediktinermönchen, die 1488 unter Einfluss der Schenken von Limpurg in ein weltliches Chorherrenstift für den Niederadel umgewandelt wurde. Zwischen 1522 und 1534 wurde unter Johann Brenz aus Schwäbisch Hall eine protestantische Reichsstadt, 1541 erfolgte der Ankauf der Limpurg von den Schenken von Limpurg, der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) schädigte Stadt und Salzhandel schwer. Der Ort verfügte über ein Gymnasium (1655), nach dem Stadtbrand von 1728 erhielt er ein Barockrathaus (1735). 1802 wurden Schwäbisch Hall und seine Salzquelle württembergisch, aus dem Gymnasium wurde eine Lateinschule (1812), die Salzgewinnung am Ort 1924 eingestellt. Heute sind in Schwäbisch Hall ncoh gut erkennbar die romanische Adelsstadt, die Bürger- und Gewerbestadt sowie dei Katharinenvorstadt.
Die Geschichte von Schwäbisch Hall vermitteln: Buhlmann, Michael (2019), (Schwäbisch) Hall im Reichssteuerverzeichnis von 1241 (= VA 112), Essen 2019, 64 S., € 5,-; Lubich, Gerhard (2006), Geschichte der Stadt Schwäbisch Hall. Von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters (= VGWF 52), Würzburg 2006, 305 S., Abbildungen, Karten, € 39,-; Pietsch, Friedrich (Bearb.), Die Urkunden des Archivs der Reichsstadt Schwäbisch Hall (1156-1399) (= VSABW 21), Stuttgart 1967, XII, 308 S., Abbildungen, DM 38,-, Die Urkunden des Archivs der Reichsstadt Schwäbisch Hall (1400-1479) (= VSABW 22), Stuttgart 1972, VIII, 558 S., DM 56,-; Ulshöfer, Kuno, Beutter, Herta (Hg.), Hall und das Salz. Beiträge zur hällischen Stadt- und Salinengeschichte (= FWF 22), Sigmaringen 1983, 196 S., Karten, Pläne, € 9,95; Wunder, Gerhard (1957), Die Entstehung der Stadt Hall, in: WF 41 (1957), S.32-38 Wunder, Gerhard (1980), Die Bürger von Hall. Sozialgeschichte einer Reichsstadt 1216-1802 (= FWF 16), Sigmaringen 1980, 335 S., Abbildungen, Karten, € 9,95. [Buhlmann, 10.-11.2019]

Schwäbische Chroniken der Stauferzeit, hg. v.d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg: Bd.3 (1956): Feger, Otto (Hg.), Die Chronik des Klosters Petershausen, Lindau-Konstanz 1956, 276 S., Schwarzweißabbildungen, € 4,- > Lateinische Literatur > C Chronik des Klosters Petershausen. [Buhlmann, 04.2021]

Schwarz, Brigide (2017), Die Pfarrei Mintard im Spätmittelalter. Mit einem Seitenblick auf Beek, Meiderich und Kettwig, in: AHVN 220 (2017), S.77-126. (Mülheim-) Mintard [liegt am linken Ufer der Ruhr im Übergang vom Ruhrtal zum Selbecker Terrasenland.] Das dortige Gotteshaus mit Laurentius-Patrozinium stammt aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), über Vorgängerbauten ist nichts bekannt; [lediglich der ungegliederte Westturm könnte aus dem 12. Jahrhundert stammen. Der Ortsname "Mintard" ist als Minthert in einer gefälschten Urkunde aus dem 12. Jahrhundert und als Myntharde in einem Heberegister des Frauenstifts Gerresheim von 1218/31 erstmals bezeugt.] Mintard war Vorort einer Pfarrei (12. Jahrhundert, Mitte?), das Patronatsrecht (Recht der Präsentation des Pfarrers) stand der Frauengemeinschaft (Düsseldorf-) Gerresheim zu. In diese wurde die Pfarrkirche durch den Kölner Erzbischof Wikbold von Holte (1297-1304) inkorporiert (1302/03), wobei Teile des Großzehnts in die Verfügung der Frauenkommunität gelangten, während dem Mintarder rector (bzw. seinem Stellvertreter) die dos (als Grundausstattung der Pfarrkirche), der Großzehnt der Honschaft Selbeck, der Kleinzehnt und andere Recht zukamen. Der wirtschaftlichen Ausstattung des rectors war damit genüge getan. Es folgten gemäß demselben Muster noch die Inkorporationen der (Duisburg-) Meidericher (1311) und der Pierer Pfarrkirche (1318) nach Gerresheim. Die Pfarrei Mintard gehörte zum Landdiakonat Duisburg und zum Archidiakonat Xanten im Kölner Erzbistum. Der Liber valoris von 1308 nennt Einkünfte von acht Mark für Pfarrer und Vikar, von denen die iura diocesana (erzbischöfliche Sondersteuern, cathedraticum), Unterhaltskosten für den Pfarrhof oder Kosten für die Kirchenfabrik aufzubringen waren; Kosten entstanden auch, wenn der Pfarrer nicht in Mintard residierte und durch einen Stellvertreter (Vikar) sein Kirchenamt ausüben ließ (absentia, officiatio; hinzu kamen - frühneuzeitlichen Geschichtsquellen zufolge - Prokuration, Bede, Visitationsgebühren. Der mit Abstand berühmteste spätmittelalterliche Inhaber der Mintarder Pfarreipfründe war Konrad von Breitscheid, einer der ersten (Artes-) Professoren an der Universität Heidelberg (1387), Gründungsprofessor der Kölner Universität (1388) und Stiftsherr am Kölner Gereonsstift (Beziehungen Konrads zu den Herren von Linnep). Für die spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Pfarreien von (Duisburg-) Beek, Meiderich und (Essen-) Kettwig lassen sich ähnliche Beobachtungen anstellen. [Buhlmann, 12.2018]

Schwarz, Brigide (2018), Fünf juristische Handschriften in der Staatsbibliothek Berlin aus dem ehemaligen Viktorstift in Xanten, in: AHVN 221 (2018), S.49-60. Insgesamt fünf Folio-Handschriften (Berlin, Staatsbibliothek, Ms. lat. fol 15f, 18, 21f) juristischen Inhalts bekam Heinrich Raiskop, Doktor des römischen Rechts der Universität von Pavia (n.1441), von seinem Onkel gleichen Namens während seines Studiums (1435 und später) geschenkt (Frühjahr 1434). Heinrich Raiskop selbst wurde später Kanoniker im Stift Xanten (1436, 1483), die Handschriften gingen in den Besitz des Viktorstifts über, das sie zu einem unbekannten Zeitpunkt an einen Brandenburger Kurfürsten verkaufte. [Buhlmann, 12.2018]

Schwarz, Michael Viktor (2009), Giotto (= BSR 2503), München 2009, 128 S., Schwarzweißabbildungen und Farbtafeln, € 7,90. Giotto (†1337), der bedeutende Maler zwischen Mittelalter und Renaissance, studierte die Natur, um die christlich-biblische Malerei neu und sinnlich intensiver erfahrbar zu machen. Giotto malte in und für seine Heimatstadt Florenz, hatte aber auch Auftragsgeber in Rom, Assisi, Padua und Neapel (Assisi, Oberkirche: Franziskuszyklus [1294/98]; Florenz: Tafelkreuz [ca.1300], Bardikapelle [ca.1320]; Padua: Arenakapelle [1303/06] u.a.). [Buhlmann, 12.2011]

Schwarzer, Alice (1975), Der "kleine Unterschied" und seine großen Folgen. Frauen über sich - Beginn einer Befreiung, Frankfurt a.M. 41975 > D > Deutsche Geschichte, 1949-heute

Schwarzhaupt, Marianne, Grosche, Heinz (1986), Bad Homburg vor der Höhe (= Schnell & Steiner, Große Kunstführer, Nr.121), München-Zürich 1986, 48 S., DM N.N. Dietigheim (Diedigheim, Tiedenheim) wird erstmals 777/82 anlässlich einer Besitzschenkung an das Kloster Lorsch erwähnt. 1013 tauschte König Heinrich II. (1002-1024) Besitz in Dietigheim mit demselben Kloster. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts [um 1180] entstand auf Dietigheimer Gemarkung und einer Taunusanhöhe das castrum "Hohenberg" (Homberg), das um 1200 vom Adligen Wortwin von Steden-Homburg ([1178?], ca.1200; wohl der Erbauer der Burg) an Gottfried I. von Eppstein (†1223) verkauft wurde. Die Herren von Eppstein sollten in den folgenden Jahrhunderten das Geschehen in Homburg dominieren. Angelehnt an die Burg bildeten sich die obere und untere Altstadt heraus, der Ort Homburg wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts [um 1330] Stadt (Rat 1436, Schöffengericht, Siegel und Wappen). Graf Gottfried IX. von Eppstein (†1522) verkaufte Burg, Stadt und umliegende Dörfer 1486 an die Grafen von Hanau. Von da gelangte Homburg im Landshuter Erbfolgekrieg (1504) an die hessischen Landgrafen, die nach einer 1521 erfolgten Vermittlung Kaiser Karls V. (1519-1556) das Amt Homburg - abgesehen von einer Herrschaftsunterbrechung (1539-1559) und von Verpfändungen - behaupten konnten. Unter Friedrich I. von Hessen-Homburg (1622-1638) war die der Landgrafschaft Hessen-Homburg Sekundogenitur und Homburg Residenzstadt in diesem bescheidenen Territorium, das sich im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) kriegerischen Übergriffen und Zwangseinquartierungen zu erwehren hatte. Unter Friedrich II. (1680-1708) begann eine Phase des wirtschaftlichen Aufstiegs der Stadt (Homburger Neustadt, Salzgewinnung, Glashandel). Diese Entwicklung setzte sich unter den Landgrafen Friedrich III. Jakob (1708-1746) und Friedrich V. Ludwig (1766-1820) fort. Seit der Mediatisierung Hessen-Homburgs (1806) war Homburg Teil des Großherzogtums Hessen-Darmstadt; 1815 entstand das Territorium Hessen-Homburg neu und vergrößert (Beitritt zum Deutschen Bund 1817). Im 19. Jahrhundert entwickelte sich auf der Grundlage der Salz- und Heilquellen Homburg zu einer Kurstadt (Kursaalgebäude 1841/43, Spielbank). 1866 gelangte Hessen-Homburg nach dem Aussterben der landgräflichen Linie wieder an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Homburg machte im 19. und 20. Jahrhundert die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen in deutschem Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Bundesrepublik Deutschland mit. [Buhlmann, 06.2023]

Schwarzmaier, Hansmartin (1962), Mittelalterliche Handschriften des Klosters Ottobeuren. Versuch einer Bestandsaufnahme, in: SMGB 73 (1962), S.7-48 > O > Ottobeuren

Schwarzmaier, Hansmartin (1966), Emerkingen. Entstehung und Formen einer Adelsherrschaft im Mittelalter, in: ZWLG 25 (1966), S.182-213, Stammtafel, Karte. In Emerkingen (südlich der Donau, bei Munderkingen) bildete sich im hohen Mittelalter die Adelsherrschaft der Herren von Emerkingen aus. Ein Kirchweihnotiz zum 7. Juli 1103 und frühneuzeitliche Überlieferungen lassen dabei einen Heinrich (I) und eine Salome von Emerkingen als Kirchengründer erkennen; die Kapelle stand in Verbindung mit der Emerkinger Burg des Stifterpaars. Die Herren von Emerkingen, wohl Gefolgsleute der süddeutschen Welfenherzöge, hatten im 12. Jahrhundert vielfältige Beziehungen zum Benediktinerkloster Zwiefalten, als dessen Unterstützer sie auftraten. Lediglich ein Heinrich (II) von Emerkingen, wohl Sohn Heinrichs (I) erlaubte sich als vogteilicher Vertreter des welfischen Bayernherzogs Heinrich den Schwarzen Übergriffe auf die Mönchsgemeinschaft (1138). Einen zweiten Verbindungsstrang gab es nach Marchtal (cella sanct Petri 776, Petrus-Paulus-Kirche 994), wo das 1171 gegründete Prämonstratenserstift im 13. Jahrhundert (vermeintliche?) Besitzansprüche an die Emerkinger stellte. Die Besitzansprüche verweisen u.U. auf eine weitläufige Verwandtschaft der Herren von Emerkingen zu frühmittelalterlichen Herzögen Schwabens. Gegen das Marchtaler Stift konnten sich die Emerkinger auf Dauer nicht durchsetzen (ca.1215/1245-1299; Rückstellung des Emerkinger Patronatsrechts an der Kirche in Wachingen an das Stift 1292, Verkauf von Emerkinger Vogteirechten in Ober- und Unterwachingen 1299). Parallel zu diesen Streitigkeiten ist ein allgemeiner Machtverfall bei den Herren von Emerkingen zu beobachten. Dieser betraf immer wieder erkennbare Güterverkäufe, den Verkauf von Herrschaftsrechten sowie den Verkauf der von den Emerkingern gegründeten Stadt Munderkingen an die habsburgische Territorialmacht (v.1303, Verzicht auf die Stadtherrschaft). Zwischenzeitlich besaßen die Herren von Emerkingen die Vogtei über das Kloster Zwiefalten (1282/97), die aber 1297 an die Mönchsgemeinschaft verkauft wurde. Im 14. Jahrhundert folgte die weitere Veräußerung von Besitz und Herrschaftsrechten (Verkauf der Vogtei des Dorfes Unterwachingen 1349, Verkauf von Burg und Stadt Sauggart 1365, Verkauf der Burg Emerkingen 1369 u.a.). Die Verkäufe lassen immerhin einen Komplex von Grundbesitz, (vogteilichen) Herrschaftsrechten und Dorfherrschaften erkennen, der sich südlich und westlich von Emerkingen sowie südlich und östlich von Zwiefalten erstreckte. Mit Gabolt von Emerkingen (1424, 1426) verschwinden die Herren von Emerkingen aus der Geschichte. [Buhlmann, 08.2018]

Schwarzmaier, Hansmartin (1979), Neudingen und das Ende Kaiser Karls III., in: FBAMBW 6, Stuttgart 1979, S.39-46. Das letzte Lebens- und Regierungsjahr Kaiser Karls III. (876-888) wurde überschattet von der Krankheit des Herrschers (Epilepsie?, Kopfoperation) und ist vor dem Hintergrund auch der politischen Streitigkeiten um die Ersetzung Bischofs Liutward von Vercelli (879/80-899) durch den Mainzer Erzbischof Liutbert (863-889) als wichtigsten Berater des Kaisers (Mai/Juni 887) zu sehen. Dem Zeugnis der Urkunden nach hielt Karl im Mai 887 einen Hoftag in Waiblingen ab, begab sich über (Efringen-) Kirchen (Mai/Juni) und St. Gallen ins vorarlbergische Lustenau (Juli/September). Von dort brach der Kaiser nochmals auf, um über Waiblingen Frankfurt zu erreichen. In Frankfurt verschworen sich die Großen des Ostfrankens gegen den Herrscher, der sich nach Tribur zurückzog (11. November), um dort auch von seinen Anhängern verlassen zu werden. Nun ist eine auf König Karl den Großen (768-814) gefälschte Urkunde des Bodenseeklosters Reichenau vom angeblich 17. November 780 in Wirklichkeit eine überschriebenes Diplom Kaiser Karls III. vom 17. November 887 (die Datierung dieses Diploms blieb einzig teilweise erhalten). Damit ist dieses weitgehend wegrasierte Diplom die letzte erhaltene Urkunde aus der Regierungszeit des Kaisers; es soll in Sandhofen ausgestellt worden sein, das der Kaiser über das benachbarte Reichskloster Lorsch erreicht hatte. In Sandhofen, am Rhein gelegen, lag Königsgut, bevor dieses ans Reichskloster Lorsch kam. Das in Sandhofen ausgestellte Diplom Karls für die Reichenau passt dann wohl auch zu der dem Kaiser als Aufenthaltsort zugewiesenen Insel im Bodensee (Klosterhaft oder Alterssitz [standesgemäßer Aufenthalt, mit Gefolge]). Von Sandhofen hat sich der abgesetzte Kaiser aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Neckar nach Süden begeben; vielleicht feierte er in Waiblingen Weihnachten, vielleicht endete die Schiffsreise in Rottweil. Anfang des Jahres 888 ist Karl auf jeden Fall am Königshof Neudingen zu finden, dessen Güter wahrscheinlich dem Kaiser durch König Arnulf (887-899) zugewiesen worden waren und das dennoch wohl nur eine Zwischenstation des Todkranken gewesen war, war doch die Reichenau das Ziel des Letzteren und damit jene Datei, die Karl bis zuletzt begünstigt hatte. Letztlich ist aber der Kaiser am 13. Januar 888 in Neudingen verstorben; der Leichnam wurde auf der Reichenau bestattet. Das karolingische Königsgut auf der Baar war schließlich teilweise auf Neudingen/Donaueschingen, auf Rottweil oder Bodman ausgerichtet. [Buhlmann, 11.2013]

Schwarzmaier, Hansmartin (1994), Uta von Schauenburg, die Gemahlin Welfs VI., in: ZGO 142 (1994), S.1-17 > A Allerheiligen

Schwarzmaier, Hansmartin (1996), Abt Rupert von Ottobeuren (1102-1145) und seine Zeit, in: SMGB 107 (1996), S.299-317 > R Rupert von Ottobeuren

Schwarzmaier, Hansmartin (2005), Baden. Dynastie - Land - Staat (= Urban Tb 607), Stuttgart 2005 > B Baden

Schwarzmaier, Hansmartin, Krimm, Konrad, Stievermann, Dieter, Kaller, Gerhard, Stratmann-Döhler, Rosemarie (1993), Geschichte Badens in Bildern (1100-1918), Stuttgart-Berlin-Köln 1993 > B Baden

Schwarzrheindorf, Kapelle, mittelalterlich-frühneuzeitliche Frauengemeinschaft: I. Der Kölner Erzbischof Arnold II. von Wied (1151-1156) muss schon in den 40er-Jahren des 12. Jahrhunderts mit dem Schwarzrheindorfer Kirchenbau begonnen haben. Dafür schien ihm Eigenbesitz südlich der Siegmündung das geeignet zu sein. Die Wieder Grafenfamilie besaß in Schwarzrheindorf einen befestigten, burgähnlichen Herrenhof. Unmittelbar daran sollte sich im Süden die Hauskapelle Arnolds anschließen. Es entstand weitgehend bis zum Jahr 1151 die bemerkenswerte, in ein Unter- und Obergeschoss gegliederte Doppelkapelle von Schwarzrheindorf, ein romanischer Zentralbau. Die Weihe der Kapelle folgte - in Anwesenheit König Konrads III. (1138-1152) - am "Tag von Schwarzrheindorf" (24. April 1151, Weihinschrift). Die Doppelkirche, der Gründungsbau von 1151, hatte einen kreuzförmigem Grundriss mit annähernd gleichen Kreuzarmen und einer östlichen Apsis. Ober- und Untergeschoss der zweigeteilten Kirche waren und sind auch heute noch durch eine oktogonale Öffnung miteinander verbunden. Die Zweiteilung macht sich aber nicht nur im Kircheninnern bemerkbar. Auch von außen erkennt der Betrachter, dass der ungegliederten Fassade des Untergeschosses mit den einfachen Rundbogenfenstern ein reich gestalteter Oberbau entgegensteht. Das Untergeschoss war sowieso durch die Mauer des Herrenhofes bzw. später auch durch die Gebäude der Frauengemeinschaft zum größten Teil verdeckt gewesen, das Obergeschoss sollte aber allen sichtbar sein. Demgemäß sind am Oberbau eine Zwerggalerie mit ihren Säulen, Kapitellen und Simsen, oberhalb davon Lisenen und Rundbogenfriese, Vierpassfenster und Fenster in Lilienform zu sehen. An den Giebeln der im rechten Winkel zur Apsis stehenden Kreuzarme sind Muldennischen zu erkennen. Gekrönt wird der Oberbau schließlich durch einen damals wohl nur einstöckigen quadratischen Mittelturm mit seinen Lisenen und Rundbogenfriesen. Die Baumaßnahmen nach dem Tode Arnolds von Wied (1156) unter dessen Schwester, der Gerresheimer und Essener Äbtissin Hadwig von Wied (†v.1172?/76), erbrachten dann die Verlängerung des westlichen Kreuz-arms hin zum doppelgeschossigen Langhaus. Dabei war Hadwig bemüht, die Formenvielfalt des ursprünglichen Oberbaus auch auf den Oberbau des Langhauses zu übertragen. Zentraler Punkt im Kapelleninneren war und ist zweifellos die oktogonale Öffnung, die die Geschosse miteinander verband und vielleicht mit Doppelgeschossigkeit, Thron und Empore herrschaftlich-imperial die Aachener Marienkapelle zitierte. Auch die noch heute bestehenden Wandmalereien des Untergeschosses passen in dieses Interpretationsschema. Fünf Kreuzgewölbe mit insgesamt 20 Feldern illustrieren die Visionen des biblischen Propheten Hesekiel, die die Belagerung Jerusalems, die Verbannung und Gefangenschaft der von Gott abgefallenen Juden und den Aufbau eines neuen Jerusalems zum Inhalt haben. Weibliche Kriegergestalten sind neben den vier Bildern von (nicht benannten) Herrschern in den Muldennischen zu finden. Die Bemalung weist eine einheitliche Thematik auf, die etwa mit der Auswahl und Deutung des Hesekiel-Textes durch Abt Rupert von Deutz (1121-1129) oder der Frage nach der Erneuerung von Reich und Kirche bei Hildegard von Bingen (†1179) in Beziehung zu setzen ist. Auch die von Hadwig veranlassten, auf die Zeit um 1170 zu datierenden Wandgemälde im Obergeschoss der Kapelle können eschatologisch gedeutet werden. Die Apsiskuppel zeigt Christus als Weltenrichter mit Kreuznimbus, geschlossenem Buch und Saphirthron. Ihm zu Füßen liegen "anbetend hingestreckt" die beiden Stifter der Kirche: Arnold links, Hadwig rechts in Bischofs- bzw. Äbtissinnentracht. Umgeben sind Christus und die Kirchengründer von einer Schar von Heiligen, und zwar von den Kirchenpatronen der Gotteshäuser, denen die Geschwister vorgestanden haben. In Bezug auf Hadwig finden wir die Heiligen Cosmas und Damian für die Essener Kirche und für die Gemeinschaft in Gerresheim den heiligen Hippolyt. II. Die Kirche war dann der zentrale Bau der entstehenden Schwarzrheindorfer Frauengemeinschaft, als deren erste Äbtissin Sophia, eine Schwester Hadwigs, erscheint (ca.1170). Das Benediktinerinnenkloster, die Frauengemeinschaft hatte bis zur Säkularisation Ende des 18. Jahrhunderts Bestand.
An Literatur zu Schwarzrheindorf sei genannt: Verbeek, Albert (1963), Schwarzrheindorf. Die Doppelkirche und ihre Wandgemälde, Düsseldorf 1963, LXXVIII + 34 S., Abbildungen, DM 22,80. [Buhlmann, 10.2003]

Schwarzwälder Hausschatz. Schwäbisch-alemannischer Heimat- und Geschichtskalender

Schwarzwald, deutsches Mittelgebirge: Der Schwarzwald, das Mittelgebirge im deutschen Südwesten, kann auf eine lange Geschichte zurückblicken - geologisch und geografisch auf die Epochen einer Jahrmillionen währenden Erdgeschichte, historisch auf eine ein paar Jahrtausende zählende Menschheitsgeschichte. Kelten und Römer (bis 4. Jahrhundert n.Chr.) haben an und im Gebirge gesiedelt, Alemannen und Franken (4./5.-7./8. Jahrhundert) die Voraussetzungen geschaffen für die endgültige und seitdem kontinuierliche Besiedlung des Schwarzwaldes ab dem hohen Mittelalter (11.-13. Jahrhundert). Letztere bleibt nicht zuletzt verbunden mit den Benediktinerklöstern am und im Schwarzwald; das 1084 gegründete Reformkloster St. Georgen spielte hierbei eine wichtige Rolle. Das späte Mittelalter (13.-15./16. Jahrhundert) sah die Einbeziehung des Schwarzwalds in die Territorien des deutschen Reiches (Württemberg, Baden, Vorderösterreich), die frühe Neuzeit (16.-18. Jahrhundert) einen durch Konfessionen und Dreißigjährigen Krieg gespaltenen Mittelgebirgsraum. Seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts gibt es Städte im Schwarzwald, die Gründung des württembergischen Freudenstadt (1599) gehört hierher. In wirtschaftlicher Kontinuität zum mittelalterlichen Bergbau und zur Flößerei stehend, entwickelte sich im Schwarzwald ab dem 18. Jahrhundert eine Industrie (Uhrmacherei, Vor- und Hochindustrialisierung). Ab 1802/06 gehörten große Teile des Mittelgebirges zum Großherzogtum Baden, ab 1918 zur badischen Republik; seit 1952 ist der Schwarzwald Teil des Bundeslandes Baden-Württemberg innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.
Vielfältig ist die Literatur zum Schwarzwald: [Bickel, Annette] (1994), Schwarzwald (= Baedeker Allianz Reiseführer), Ostfildern-Kemnat b. Stuttgart 42002, 448 S., Farbabbildungen, Karten, Pläne, Beilagenkarte, € 3,95; Buchmann, Gerhard (Hg.) (1979), Strohflechten auf dem Schwarzwald (= Geschichts- und Heimatverein e.V. Furtwangen. Mitteilungen, Nr.2), [Furtwangen] 1979, 104 S., Schwarzweißabbildungen, DM N.N.; Buhlmann, Michael (2007), Geschichte des Schwarzwaldes, Tl.1: Geologie, Geografie, Geschichte, Tl.2: Geschichte, Anhang (= VA 34/1-2), St. Georgen 2007, 120 S., € 7,-; Dold, Wilfried, Janzing, Bernward, Seim, Werner (2008), Das große Buch der Linachtalsperre. Erbaut 1921-1925, reaktiviert 2005-2007, Vöhrenbach 2008, 193 S., Schwarzweißfotos, Farbabbildungen, € 29,90; Dorer, Bernhard (2012), Wälderleben. Geschichte und Geschichten der Landwirtschaft im Hochschwarzwald im Wandel der Zeit. Ein Heimatbuch, Freiburg i.Br. 2012, 188 S., Schwarweiß-, Farbabbildungen, € 16,80; Duffner, Helmut, Himmler im Tunnel. Geschichten aus dem Schwarzwald, Memmingen o.J., 147 S., Schwarzweißabbildungen, € 10,90 (mit historischen Aufsätzen betreffend den Schwarzwaldort Nußbach [bei Triberg] hauptsächlich im 19. und 20. Jahrhundert); Ebert, Karlheinz (1976), Der Schwarzwald, Köln 1976, 52 S. + 187 S. Schwarzweiß-, Farbtafeln, Karte, DM N.N.; Haderer, Manfred-G. ([2000]), Spurensuche. Stumme Zeugen am Wegesrand. Geschichten und Bilder aus Schluchsee, Blasiwald, Fischbach, Faulenfürst, Schönenbach, Titisee-Neustadt o.J. [2000], 156 S., Farbabbildungen, DM 34,-; Heim, Ines (Bearb.) ([1986]), Schwarzwald (= Die Schwarzen Führer), Freiburg i.Br. o.J. [1986], 204 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, DM 24,-; Hockenjos, Fritz (1960), Wäldergeschichten. Aus dem Herrgottswinkel des Schwarzwalds, Freiburg 31994, 127 S., Schwarzweißabbildungen, Karte, DM 24,-; Hoggenmüller, Klaus, Hug, Wolfgang (1987), Die Leute auf dem Wald. Alltagsgeschichte des Schwarzwalds zwischen bäuerlicher Tradition und industrieller Entwicklung, Stuttgart 1987, 248 S., Schwarzweißtafeln, DM 29,80; Jensen, Wilhelm (1901), Der Schwarzwald, 31901, Nachdruck Augsburg 1997, 374 S., Schwarzweißabbildungen, DM [78,-]; Kleemann, Georg (1986), Der Schwarzwald, Künzelsau 1986, 254 S., Deutsch-Französisch-Englisch, Farbfotos, Karten, DM N.N.; [Linde, Helmut, Bickel, Annette u.a.] (1994), Schwarzwald (= Baedeker Allianz Reiseführer), Ostfildern 112017, 406 S., Farbabbildungen, Karten, Pläne, Beilagenkarte, € 22,99; Mende, Achim, Lutz, Stefan (2015), Schwarzwald. Perle des Südens, Konstanz 2015, 197 S., Farbfotos, € 29,90; Rieple, Max (1962), Erlebter Schwarzwald. Ein Gesamtbild des Schwarzwaldes, Stuttgart 51979, 254 S., Schwarzweißtafeln, DM 22,80; Rieple, Max (1965), Der Hochschwarzwald. Heimatbuch eines Landkreises, Konstanz 1965, 192 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, DM 17,50; Rolf, Anita (Hg.) (1985), Schwarzwald-Romantik. Vom Zauber einer deutschen Landschaft, Niedernhausen 1985, Schwarzweißabbildungen, Farbfotos, Karten, DM 29,80; Sayn-Wittgenstein, Franz Prinz zu (1972), Schwarzwald. Vom Neckar zum Hochrhein, München 1972, 370 S., Farbtafeln, Karte, DM 22,50, München 21975, 370 S., Farbtafeln, Karte, DM 22,50 (mit einer kulturgeschichtlichen Reise von Rastatt und Baden-Baden [Kloster Lichtental] über den Schwarzwald, die Ortenau und den Breisgau [Freiburg, Kaiserstuhl] entlang des Schwarzwaldes [Freudenstadt, Klöster St. Peter, St. Märgen, Furtwangen, Feldberg, Belchen] zum Markgräflerland und Hochrhein [Hotzenwald, Albtal, Kloster St. Blasien, Schaffhausen, Stein a.R.] bis zu Baar und Neckar [Rottweil, Tübingen] und schließlich nach Karlsruhe [Klöster Bebenhausen, Hirsau]); Schmitz, Heinz-Josef (1985), Der Schwarzwald, Köln 1985, 40 S., Schwarzweiß- und Farbtafeln, DM 68,- (als Bildband mit einer geografisch-geologischen und historischen Einführung); [Stahn, Dina], Nördlicher und südlicher Schwarzwald (= Ausflugsparadies Deutschland. Bildatlas), Augsburg [2006], 227 S., Farbabbildungen, Karten, € N.N.; Tölle, Alwin, Hug, Wolfgang (1989), Im Schwarzwald daheim. Leben und Arbeit in alten Fotografien, Stuttgart 1989, 116 S., Schwarzweißfotos, DM 49,-. [Buhlmann, 10.2007, 04.2017, 05.2018, 07.2018, 04.2019, 05.2019, 06.2020, 11.-12.2020, 06.2021, 10.2021, 02.2022, 04.2022, 02.2023]

Schwarzwald-Baar-Kreis, Landkreis des Bundeslandes Baden-Württemberg innerhalb der Bundesrepublik Deutschland mit Villingen-Schwenningen als Sitz der Kreisbehörden: Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist gelegen zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb mit der (westlichen, zentralen) Baar als Zentrum. Der Landkreis Villingen bestand bis zum Jahr 1972, zuletzt als Kreis Villingen-Schwenningen; mit der Vereinigung der Landkreise Villingen-Schwenningen und Donaueschingen wurde mit der Kreisreform vom 1. Januar 1973 der Schwarzwald-Baar-Kreis ins Leben gerufen. Baar und östlicher Mittelschwarzwald waren dabei in spätem Mittelalter und früher Neuzeit u.a. im Territorium der Grafen bzw. Fürsten von Fürstenberg organisiert, im 19. und 20. Jahrhundert zwischen Baden und Württemberg geteilt. Menschliche Besiedlung reicht bis in die Ur- und Frühgeschichte, römische und alemannische Zeit zurück.
Zum Schwarzwald-Baar-Kreis bzw. Landkreis Villingen-Schwenningen s.: > A Almanach. Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises; Dold, Wilfried, Nack, Christina, Weiss, Julia (2003), Schwarzwald-Baar. Begegnungen mit einem Landkreis, hg. v. Schwarzwald-Baar-Kreis, Vöhrenbach 2003, 176 S., Farbfotos, € 29,50; Huber, Erna (1978), Vom Schwarzwald zur Baar. Kunst- und Geschichtsstätten im Schwarzwald-Baar-Kreis (= Thorbecke Taschen-Bildführer, Bd.5), Sigmaringen 1978, 120 S., Schwarzweißabbildungen, Karte, DM 14,80; Rieple, Max (1975), Schwarzwald-Baar. Mosaik eines Landkreises, Stuttgart 21979, 132 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Karten, DM 38,-; Der Schwarzwald-Baar-Kreis. Heimat und Arbeit, hg. v. Rainer Gutknecht (1977), Stuttgart-Aalen 1977, 440 S., Schwarzweiß-, Farbtafeln, Karten, DM 42,-; Vocke, Helmut (Hg.) (1972), Die Chronik des Kreises Villingen-Schwenningen. Das Heimatbuch des Kreises Villingen-Schwenningen, Waldshut 1972, 552 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, DM N.N. [Buhlmann, 04.2018, 11.2018, 03.2019, 01.2020, 07.2020, 12.2020]

Der Schwarzwald-Baar-Kreis. Heimat und Arbeit, hg. v. Rainer Gutknecht (1977), Stuttgart-Aalen 1977 > S Schwarzwald-Baar-Kreis

Schweiger-Lerchenfeld, A[mand] von (1884), Die Überschienung der Alpen. Semmering, Brenner, Pustertal, Östliche Alpen, Mont Cenis, St. Gotthard, Arlberg, Schwarzwald, hg. v. Erhard Born (1983), Moers 1983 > E Eisenbahn(en) in Mitteleuropa

Schweikle, Günther (1986), Germanisch-deutsche Sprachgeschichte im Überblick, Stuttgart 31990 > D Deutsche Sprache

Schwenningen, Ort auf der Baar, in Baden-Württemberg: Menschliche Besiedlung an der und um die Neckarquelle ist seit der Bronzezeit belegt. In das 6. und 7. Jahrhundert zurück reicht ein großes alemannisches Gräberfeldes südwestlich Schwenningen zurück, um 700 wurde der Friedhof aufgelassen. Mit einer Kaiserurkunde für das Kloster St. Galler, die Schwenningen zu 817 erstmals erwähnt, beginnt die schriftliche Überlieferung zum Baarort. Es folgen weitere Bezeugungen aus dem frühen und hohen Mittelalter (894/95, 1095, 1139, 1140). In Schwenningen besaß die Bodenseeabtei Reichenau mindestens im 10. und 11. Jahrhundert neben Grundbesitz (anteilmäßig) die Michaelskirche, die sich im 12. Jahrhundert in der Verfügung des benediktinischen Reformklosters St. Georgen im Schwarzwald befand. Letzteres behauptete Lehen und Kirche in Oberschwenningen im Wesentlichen bis zur württembergischen Reformation im 16. Jahrhundert. 1449 fiel die Schwenninger Vogtei der Falkensteiner an die Grafen von Würt-temberg, der Ort wurde in der Folge Teil des württembergischen Territoriums. Im 16. Jahrhundert besaß die Mönchsgemeinschaft St. Georgen dort zehn Klosterlehen, 1721 das evangelische Kloster in St. Georgen im Schwarzwald noch sieben. Die Zehntrechte gingen im 16. Jahrhundert verloren, vor 1541 sind die Pfarreien für Ober- und Unterschwenningen zusammengelegt worden. Die Oberschwenninger Pfarrkirche mit dem St. Georgener Patronat kam durch die württembergische Reformation zu ihrem Ende, als die Steine des baufälligen Gotteshauses für den Glockenturm der evangelischen Stadtkirche (Vinzenzkirche) Verwendung fanden (um 1560) und schließlich die Ruine der Michaelskirche verkauft wurde (1567). Im 18. Jahrhundert war Schwenningen ein Dorf mit einen hohen Anteil von Handwerkern, 1823 stieß man auf Salzvorkommen (Saline), im Rahmen der Industrialisierung entstand nach der Mitte des 19. Jahrhunderts eine umfangreiche Schuh- und Uhrenfabrikation. 1907 wurde Schwenningen Stadt (Stadtkreis Schwenningen 1935, Große Kreisstadt 1948).
Zur Schwenninger Geschichte s.: Benzing, Otto (Übers.) (1983), Quellen zur Schwenninger Geschichte von 890 bis 1600 (= Veröffentlichungen aus Archiv und Chronik der Stadt Villingen-Schwenningen, Bd.2), Villingen-Schwenningen 1983, 340 S., DM 19,80; Benzing, Otto, Schwenningen am Neckar. Geschichte eines Grenzdorfes auf der Baar (30000 v.Chr. bis 1907 n.Chr.), Villingen-Schwenningen 1985, 432 S., Abbildungen, € 10,-; Buhlmann, Michael (2013), Das Kloster St. Gallen, die Baar und Schwenningen im frühen Mittelalter (= VA 63), Essen 2013, 60 S., € 4,-; Buhlmann, Michael (2013), Die Klöster Reichenau und St. Georgen, die Baar und Schwenningen vom frühen zum hohen Mittelalter (= VA 64), Essen 2013, 64 S., € 4,-. [Buhlmann, 02.2013, 06.2013, 05.2021]

Schwerin, Stadt in Mecklenburg: Schwerin war in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts Vorort und Burg der slawischen Obodriten östlich der Elbe. Die Eroberung von Zuarin ermöglichte Herzog Heinrich den Löwen von Sachsen und Bayern (1142/56-1180) die Gründung von Stadt und Bistum Schwerin (ca.1160); die Insel im Schweriner See war gleichzeitig Sitz des Schweriner Grafen. Mittelpunkt der sich entwickelnden Stadt waren der Markt und das sich nördlich daran anschließende Areal mit Dom (Dom als spätromanischer dreischiffiger basilikaler Backsteinbau, Domweihe 1171; gotischer Neubau unter Beibehaltung des spätromanischen Turms, Kreuzgang, Kreuzgangflügel v.1272/1416) und Bischofssitz (Bischofsresidenz, Domkapitel; Schweriner Bistum von Schwerin bis Rügen; am Markt befand sich das Rathaus. Handel und Gewerbe in Schwerin stagnierten allerdings schon bald wegen der ungünstigen Lage der Stadt fernab von den Hauptverkehrswegen; doch blieb Schwerin als Bischofssitz bedeutsam. 1358 übersiedelten die Herzöge von Mecklenburg nach Schwerin (Schlossinsel), als Residenz wurde das für das Herzogtum wichtige Stadt Verwaltungszentrum im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Territorium der Herzöge. Der Übergang der Herzöge zum protestantischen Glauben im Gefolge der Reformation (Sternberger Landtag 1549) machte aus der katholischen Bischofsstadt einen evangelisch-lutherischen Ort; die Mecklenburger Herzöge verfügten von nun an auch über die bis dahin dem katholischen Domkapitel gehörende "Neustadt" (1186 erstmals erwähnt), die nach 1705 mit barocken Fachwerkbauten ausgestattet wurde (Nikolai-/Schelfkirche als Filale des Doms 1713, Selbstständigkeit 1754). Die Vereinigung von "Neustadt" und Stadt (1832) sowie Schwerin als großherzogliche Residenz (1837; statt Ludwigslust 1815/37) brachten für die Stadtentwicklung neue Impulse, zumal im Zeitalter der Industrialisierung (Straßen, Eisenbahn 1847, Schlossumbau 1857, neugotische Paulskirche 1869, neuer Domturm 1893). Der Sturz des mecklenburgischen Fürstenhauses (1918) machte aus Schwerin die Hauptstadt des Freistaats Mecklenburg-Schwerin innerhalb der Weimarer Republik, dann zur Hauptstadt des Landes Mecklenburg (1934) innerhalb des nationalsozialistischen Deutschlands; in der Deutschen Demokratischen Republik war Schwerin Bezirksstadt (1952), seit der Wiedervereinigung (1990) ist die Stadt Landeshauptstadt des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern.
Zu Schwerin s.: Ende, Horst, Brüdern, Jutta (2005), Der Dom zu Schwerin (= Große DKV-Kunstführer), München-Berlin 2005, 64 S., Farbfotos, Pläne, € 9,80. [Buhlmann, 12.2020]

Schwertheim, Elmar (2005), Kleinasien in der Antike. Von den Hethitern bis Konstantin (= BSR 2348), München 2005 > M Marek, Geschichte Kleinasiens

Schwineköper, Berent (1983), Das Zisterzienserkloster Tennenbach und die Herzöge von Zähringen. Ein Beitrag zur Gründungs- und Frühgeschichte des Klosters, in: Forschen und Bewahren. Das Etztäler Heimatmuseum in Waldkirch. Kultur- und landesgeschichtliche Beiträge zum Etztal und zum Breisgau, Waldkirch 1983, S.95-157 > T Tennenbach

Schwöbel, Hermann Otto (1968), Der diplomatische Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und der römischen Kurie im Rahmen des kanonischen Absolutionsprozesses 1330-1346 (= QSVgDR 10), Weimar 1968 > L Ludwig der Bayer

Science Fiction als modern-populäre utopische ("Trivial"-) Literatur: Utopien sind (auch) die Fortsetzung von (moderner) Geschichte in eine noch offene (meist technologische) Zukunft, Science Fiction (SF) ist eine spezielle Gattung utopischer Literatur und reiht sich damit ein in die utopische Literatur des europäischen Kulturraums seit der frühen Neuzeit.
Zur Science Fiction als Literaturgattung s.: Alpers, Hans-Joachim, Fuchs, Werner, Hahn, Ronald M., Jeschke, Wolfgang (1980), Lexikon der Science Fiction Literatur, 2 Bde., Bd.1 (Themen, biografisches Lexikon) (= Heyne Tb 7111), München 1980, Bd.2 (Science Fiction in der BRD, bibliografisches Lexikon) (= Heyne Tb 7112), München 1980, zus. 1253 S., Schwarzweißabbildungen, 2x DM 12,80; Alpers, Hans-Joachim, Fuchs, Werner, Hahn, Ronald M., Jeschke, Wolfgang (1980), Lexikon der Science Fiction Literatur. Erweiterte und aktualisierte Neuausgabe in einem Band (= Heyne Tb 7287), München 1987, 1272 S., Schwarzweißabbildungen, DM 2,50; Barmeyer, Eike (Hg.) (1972), Science fiction (= UTB 132), München 1972, 383 S., DM 16,80 (mit den Beiträgen: Werner Krauss, Geist und Widergeist der Utopien; Hans-Jürgen Krysmanski, Die Eigenart des utopischen Romans; Martin Schwonke, Naturwissenschaft und Technik im utopischen Denken der Neuzeit; Michel Butor, Die Krise der Science Fiction; Darko Suvin, Zur Poetik des literarischen Genres Science Fiction; Herbert W. Franke, Literartur der technischen Welt; James Blish, Nachruf auf die Prophetie; Jewgeni Brandis, Wladimir Dmitrijewski, Im Reich der Phantastik; Jürgen von Scheidt, Descensus ad inferos. Tiefenpsychologische Aspekte der Science Fiction; Stanislaw Lem, Roboter in der Science Fiction; Robert Plank, Der ungeheure Augenblick. Aliens in der Science Fiction; Eike Barmeyer, Kommunikationen; Ronald M. Hahn, Wissenschaft & Technik = Zukunft, Geschichte und Ideologie der SF-Hefte; Hans-Joachim Alpers, Verne und Wells - zwei Pioniere der Science Fiction?; Frank Rainer Scheck, Augenschein und Zukunft. Die anti-utopische Reaktion (Samjatin, Huxley, Orwell); Curtis C. Smith, Olaf Stapledons Zukunftstheorien und Tragödien; Malgorzata Srpakowska, Die Flucht Stanislaw Lems; Michael Kandel, Stanislaw Lem über Menschen und Roboter; Darko Suvin, Ein Abriß der sowjetischen Science Fiction; Franz Rottensteiner, Erneuerung und Beharrung in der Science Fiction; Franz Rottensteiner, Literatur über Science Fiction. Eine Auswahlbibliographie); Hahn, Ronald M., Jansen, Volker (Hg.) (1983), Lexikon des Science Fiction Films. 720 Filme von 1902 bis 1983 (= Heyne Tb 7236), München 1983, 607 S., Schwarzweißabbildungen, DM 16,80; Hellmann, Christian (1983), Der Science Fiction Film (= Heyne Filmbibliothek 53), München 1983, 268 S., DM 2,-; Jehmlich, Reimer, Lück, Hartmut (Hg.) (1974), Die deformierte Zukunft. Untersuchungen zur Science Fiction (= Das Wissenschafliche Taschenbuch, Geisteswissenschaften 21), München 1974, 208 S., DM 2,- (mit den Kapiteln: Reimer Jehmlich, Es war einmal im Jahre 17000. Eine Einführung in die Science Fiction; Gerd Hallenberger, Science-Fiction-Amateurzeitschriften; Reimer Jehmlich, "Das andere ist Handarbeit". Martialische Science Fiction; Hartmut Lück, Vom galaktischen Geist und seinen Propheten. Theologische Elemente in der Science Fiction; Hans Joachim Alpers, Weltuntergangsvisionen in der Science Fiction; Hartmut Lück, Der "große Ring" der Galaxis. Tendenzen der wissenschaftlich-fantastischen Literatur in der Sowjetunion). > F Fiktion und Geschichte [Buhlmann, 1980-1985, 02.2022]

Scruton, Roger (1982), Kant (= Herder Spektrum Meisterdenker), Freiburg [i.Br.]-Basel-Wien 1999 > K Kant, Immanuel

Se

Seeberg, Stefanie (2002), Die Illustrationen im Admonter Nonnenbrevier von 1180. Marienkrönung und Nonnenfrömmigkeit - Die Rolle der Brevierillustration in der Entwicklung der Bildthemen im 12. Jahrhundert (= Imagines Medii Aevi, Bd.8), Wiesbaden 2002 > A Admont

Seeck, Gustav Adolf (2000), Die griechische Tragödie (= RUB 17621), Stuttgart 2000 > F Fuhrer u.a., Antikes Drama

Seeck, Otto (1897/1921), Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 6 Bde., Stuttgart 21921, Bd.I: Erstes Buch: Die Anfänge Constantins des Großen. Zweites Buch: Verfall der antiken Welt, Nachdruck Darmstadt 1966, 615 S., Bd.II: Drittes Buch: Die Verwaltung des Reiches. Viertes Buch: Relgion und Sittlichkeit, 1. Teil, Nachdruck Darmstadt 1966, 623 S., Bd.III: Viertes Buch: Religion und Sittlichkeit, 2. Teil, Nachdruck Darmstadt 1966, 584 S., Bd.IV: Fünftes Buch: Die Constantinische Dynastie, Ndr Darmstadt 1966, Nachdruck Darmstadt 1966, 530 S., Bd.V: Sechstes Buch: Valentinian und seine Familie. Siebtes Buch: Die Auflösung des Reiches, 1. Teil, Nachdruck Darmstadt 1966, 619 S., Bd.VI: Siebtes Buch: Die Auflösung des Reiches, 2. Teil, Nachdruck Darmstadt 1966, 504 S., zus. DM 198,-. I. Die politischen, militärischen, judikativen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen der römischen Kaiser Diokletian (284-305) und Konstantin des Großen (306-337) bewirkten innerhalb des römischen Reiches u.a. eine Neuorganisation des römischen Reiches (Vergrößerung der Anzahl der Provinzen, Diözesen, Präfekturen), eine Neuaufstellung des römischen Heeres (Grenzverteidigung und Limitantruppen, Bewegungsheer und comitatensische Legionen) sowie die Anerkennung des noch unter Diokletian verfolgten christlichen Glaubens (Konstantinische Wende) bei Gründung einer zweiten römischen Hauptstadt Konstantinopel (330). Die Dynastie Konstantins, repräsentiert durch die Kaiser Konstantin II. (337-340), Constans (337-350), Constantius II. (337-361) und Julian (361-363), konnte (im Wesentlichen) ihre Macht im römischen Reich bis zum Tod Julians behaupten. Im dabei zeitweise faktisch geteilten Imperium Romanum der drei augusti und Konstantinsöhne Konstantin II., Constans und Constantius II. (Westen, Mittelteil, Osten des römischen Reichs) kämpften diese um die Macht (Einfall Konstantins II. ins Italien Kaiser Constans' 340; Constans als Kaiser des Westens nach Konstantins II. Tod 340/50; Usurpation des Magnentius, Ermordung des Constans 350; Schlacht bei Mursa 351; Selbstmord des Magnentius, Constantius II. als Alleinherrscher 353; Caesar Gallus 351/54; Usurpation des Silvanus 355; Caesar Julian 355/60; Usurpation Julians 360, dessen Feldzug gegen Constantius II. 361; Tod Constantius' II. 361). Auch ging es um die Verteidigung der römischen Außengrenzen; Bruderkämpfe und Usurpationen hatten selbstverständlich negative Auswirkungen darauf. Im Westen bedrohten Sachsen, Franken und Alemannen die Grenzen (Kämpfe am Rhein; Britannienfeldzug Constans' 343; Schlacht bei Straßburg gegen die Alemannen 357; Krieg Julians gegen die salischen Franken 358), im Osten war es das sassanidische Perserreich unter Großkönig Schapur II. (†379) (geplanter Feldzug Konstantins des Großen; Armenien unter römischem Einfluss 338; persischer Angriff auf Nisibis 338; römische Niederlage bei Singara 344; persische Angriffe auf Nisibis 346, 350; persische Eroberung Amidas 359; Perserfeldzug Julians 363), entlang der Donau Quaden und Sarmaten (erfolgreiche Kriege Constantius' II. gegen Quaden 358 und Sarmaten und Limiganten 359). Die Kaiser wirkten - wie Konstantin I. auch (Konzil von Nikaia 325) - mit ihrer je katholischen oder arianischen Politik auf die in verschiedene Glaubensrichtungen gespaltene christliche Kirche ein (Bischof Athanasius von Alexandrien; Enkämien-Synode von Antiochien 341; Konzil von Serdica 342/43; Donatisten in Nordafrika, Synode von Karthago 348; Synode von Mailand 355; Synoden von Sirmium 357, 358; Wiederbelebung heidnischer Kulte unter Julian, Philosophengesetz 362). Nicht nur hinsichtlich des Christentums, sondern generell erhöhte sich der Einfluss von Kaisertum und kaiserlicher Bürokratie in vielen Lebensbereichen der Bevölkerung des Imperium Romanum (Idealisierung des Kaisertums [Rombesuch Constantius' II. 357, Roma aeterna], administrative Intensivierung [zivile, militärische Ämter], Wirtschaft und Finanzen, Steuererhebung [Dekurionen] und Münzwesen; Senatoren, honestiores/potentes, humiliores/humiles, coloni, ["barbarische"] Soldaten). II. Nach dem Tod Kaiser Julians auf dem Perserfeldzug (363) und der kurzen Regierung Kaiser Jovians (363-364) (römisch-persischer Friedensvertrag und Aufteilung Armeniens 363; Aufhebung des Philosophengesetzes 364) wurden Valentinian I. (364-375, Westen) und dessen Bruder Valens (364-378, Osten) zu neuen augusti und begründeten damit die valentinianische Herrscherdynastie (Erhebung des Valentiniansohns Gratian zum augustus 367; Kaiser Valentinian II. [375-392]). Die beiden Herrscher setzten sich gegen innere (Usurpation des Procopius 365; Schaffung des Amtes des defensor plebis 368; "Studentengesetz" 370; Aufstand des Firmus in Nordafrika 373/75) und äußere Feinde (Alemmannenkriege Valentinians I. 365/67; Kämpfe Valens' gegen die Goten 369) durch, an der Ostgrenze gegenüber dem Perserreich blieb u.a. in der Frage der Stellung Armeniens als Pufferstaat die politischen Verhältnisse unentschieden. Das Eindringen der Hunnen in Europa und das Ende des nördlich des Schwarzen Meers gelegenen Ostgotenreichs (375) sollten dann den Druck gotischer Völkerschaften auf die römische Grenze entlang der unteren Donau erhöhen (römische Niederlage in der Schlacht bei Adrianopel und Tod des Valens 378). Der von Kaiser Gratian (367/75-383) für den Osten des römischen Reichs zum augustus ernannte Thoedosius I. der Große (379-395) konnte die Verhältnisse indes noch einmal stabilisieren (foedus mit den Westgoten 382; römisch-persischer Frieden 384), machte das nikaianische Christentum zur Staatsreligion (Edikt Cunctos populos von 380; Konzil von Konstantinopel 381 [nikaianisch-konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis]; Ambrosius von Mailand, Damasus von Rom, Martin von Tours als Vertreter der westlichen, Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa als Vertreter der östlichen Kirche; Priscillianismus) und setzte sich auch gegen den Usurpator des westlichen Kaisertums, Magnus Maximus (383-388), durch (Ermordung des Maximus in Aquileia 388; Rombesuch des Theodosius 389 [heidnische Senatoren in Rom]) sowie gegen den von dem Franken Arbogast erhobenen Usurpator Eugenius (393-394) durch (Schlacht am Frigidus, Tötung des Eugenius, Selbstmord des Arbogast 394). Theodosius war damit Alleinherrscher (Verbot der Olympischen Spiele 394), starb jedoch alsbald unter Hinterlassung seiner Söhne Arcadius (395-408) und Honorius (395-423) als augusti im Osten und Westen des römischen Reiches. III. Es folgte im 5. Jahrhundert eine fortbestehende faktische Teilung des römischen Reichs in einen West- und einen Ostteil, wobei insbesondere der Westen unter verheerenden Germaneneinfällen und feindlichen Invasionen zu leiden hatte. Hier entfalteten die nun in Ravenna residierenden weströmischen Kaiser (Honorius, Valentinian III. [423/25-455], Petronius Maximus [455], Avitus [455-456], Maiorian [457-461], Libius Severus [461-465], Anthemius [467-472], Olybrius [472], Glycerius [473-474], Nepos [474-475], Romulus Augustulus [475-476] kaum noch politisch-militärisches Gegenspiel, was z.B. die Bedrohung Italiens durch die Westgoten unter Alarich anbetraf (Heermeister Stilicho und Alarich; Feldzug Stilichos gegen Vandalen und Alanen 401; Ermordung Stilichos 408; militärische Aufgabe Britanniens 410; westgotische Eroberung Roms 410; Westgotenreich im südlichen Gallien 416) oder die zunehmende Ablösung Britanniens und Galliens von der römischen Herrschaft (Abzug römischer Truppen aus Britannien 401; Eindringen von Sueben, Alanen, Burgundern und Vandalen nach Gallien; Usurpationen in Gallien [Konstantin III. 407, Jovinus 411, Constantius III. 421]). Auch Spanien und Nordafrika war von den geramanischen Invasionen betroffen (Vandalen unter König Geiserich in Nordafrika, Belagerung von Hippo Regius 430, vandalische Eroberung von Karthago 439, vandalische Plünderung Roms 455). Lediglich in Gallien gelang es dem römischen Heermeister Aetius (†454) zwischenzeitlich und mit fränkischer, burgundischer und westgotischer Hilfe, sich in der Schlacht auf den "Katalaunischen Feldern" (451) gegen ein hunnisch-ostgotisches Heer unter Attila (†453) durchzusetzen. In Gallien fanden dennoch unvermindert die fränkische Landnahme (Norden, Nordosten), die Ausdehnung des Westgotenreichs (Süden) und die Ausdehnung des (zweiten) Burgunderreichs (Niederlage und Umsiedlung der Burgunder in die Sapaudia 435/36) statt. Vom Eindringen äußerer Feinde in das Reichsgebiet war der Osten des römischen Reichs weit weniger betroffen. Mit Kaiser Theodosius II. (408-450) ("Zitiergesetz" 426; Konzil von Ephesus 431; Codex Theodosianus als Gesetzbuch 435; latrocinium von Ephesus 449) endete die theodosianische Kaiserdynastie. Ihm folgten die (auf den Osten beschränkten) Kaiser Marcian (450-457) (Konzil von Nikaia-Chalkedon 451), Leon I. (457-474) und Zenon (474-491). Mit dem Ende des westlichen Kaisertums (Ricimer als germanischer Heermeister in Italien; König Odoaker in Italien [476-493] als römischer patricius) kamen römische Staatlichkeit (auf der Ebene des Kaisertums <-> lokale römische Verwaltung) und Spätantike zu ihrem Ende. [Buhlmann, 1983]

Seeger, Horst, Rank, Matthias (Hg.) (1985), Oper in Dresden. Festschrift zur Wiedereröffnung der Semperoper, Berlin 21985 > D Dresden

Seelemann, Claus, Das Post- und Fernmeldewesen in China. Post über 10000 Meilen - Lebensadern eng verküpft. Betrachtung zur Entwicklung des chinesischen Post- und Fernmeldewesens von den frühesten Anfängen vor einigen tausend Jahren bis heute, München 1992 > C Chinesische Geschichte, 20.-21. Jahrhundert

Seghers, Anna, deutsche Schriftstellerin: Anna Seghers (*1900 in Mainz, †1983 in Ostberlin) ist das Pseudonym von Netti Reiling (Netty Radványi) als Künsterinnenname. Nach Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Sinologie in Köln und Heidelberg (Promotion 1924) wandte sich Seghers der Schriftstellerei zu. Als Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (1928) und Gründungsmitglied des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (1929; Reise in die Sowjetunion 1930) geriet sie in das Visier des nationalsozialistischen Deutschland. Exil fand die Schriftstellerin in der Schweiz, in Frankreich und Mexiko. Nach ihrer Rückkehr aus Mexiko (1947) lebte sie in Berlin (West, Ost) und machte im SED-Staat der Deutschen Demokratischen Republik Karriere, wo sie, u.a. geehrt mit dem Nationalpreis der DDR (1951), lange Zeit Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR war (1952-1978). Dementsprechend war das Begräbnis der durchaus DDR-konformornen Seghers ein DDR-Staatsakt (1983). An (vielfach auch verfilmten) Erzählungen und Romanen von Anna Seghers sind u.a. zu nennen: Die Legende von der Reue des Bischofs Jehan d'Aigremont von St. Anne in Rouen (Erzählung, 1924), Die Toten auf der Insel Djal (Erzählung, 1924), Aufstand der Fischer von St. Barbara (Erzählung, 1928), Die Gefährten (Roman, 1932), Der Kopflohn (Roman, 1933), Der Weg durch den Februar (Roman, 1935), Der letzte Weg des Koloman Wallisch (Erzählung, 1934), Die Rettung (Roman, 1937), Das siebte Kreuz (Roman, 1942), Der Ausflug der toten Mädchen (Erzählung, 1943), Transit (Roman, 1944), Das Ende (Erzählung, 1945), Die drei Bäume (Kurzgeschichte, 1946), Post ins Gelobte Land (Erzählung, 1946), Die Saboteure (Erzählung, 1946), Sowjetmenschen. Lebensbeschreibungen nach ihren Berichten (1948), Das Argonautenschiff (Erzählung, 1948), Wiedereinführung der Sklaverei in Guadeloupe (Erzählung, 1948), Die Toten bleiben jung (Roman, 1949), Die Hochzeit von Haiti (Erzählung, 1949), Crisanta (Erzählung, 1951), Der Mann und sein Name (Erzählung, 1952), Brot und Salz (Erzählung, 1958), Die Entscheidung (Roman, 1959), Das Licht auf dem Galgen (Erzählung, 1961), Das wirkliche Blau. Eine Geschichte aus Mexiko (Erzählung, 1967), Überfahrt, Eine Liebesgeschichte (Erzählung, 1971), Steinzeit (Erzählung, 1977), Wiederbegegnung (Erzählung, 1977), Drei Frauen aus Haiti (Erzählband, 1980), Der gerechte Richter (Erzählung, 1990 [1957]), Mit einer Flügeltür ins Freie fliegen (Briefe, 2019).
In Anna Seghers. Gesammelte Werke in Einzelausgaben sind erschienen die Bände: Bd.IX (1977): Erzählungen 1926-1944, Berlin-Weimar 1977, 367 S., M 9,60, Bd.XI (1977): Erzählungen 1952-1962, Berlin-Weimar 1977, 464 S., M 9,60. [Buhlmann, 09.2021]

Seibert, Björn, Hoffmann, Manuela (2008), Professionelles Webdesign mit (X)HTML und CSS (= Galileo Computing), Bonn 2008, 366 S., Schwarzweißabbildungen, CD, € 29,90 > Kompendium Mittelalter > Geschichtsdarstellung: Homepage/Website [Buhlmann, 09.2015]

Seibert, Ilse, Die Frau im Alten Orient, Leipzig 1973 > A Alter Orient

Seibert, Jakob (1972), Alexander der Große (= EdF 10), Darmstadt 21981 > A Alexander der Große

Seidel, Margot (1988), Novalis. Eine Biographie, München 1988 > N Novalis

Seidelmann, Wolf-Ingo (1990), Das Kinzig-Donau-Projekt. Ein zweifelhaftes Unternehmen als Problem südwestdeutscher Verkehr- und Gewerbepolitik, in: ZGO 138 (1990), S.329-363. Das Kinzig-Donau-Projekt sollte die Flüsse Kinzig und Donau über einen Kanal miteinander verbinden. Es wurde im Rahmen einer südwestdeutschen Verkehrs- und Gewerbepolitik zwischen 1826 und 1836 auch in Baden verfolgt. Wie die anderen süddeutschen Territorien innerhalb des Deutschen Bundes versuchte das Großherzogtum durch künstliche Wasserstraßen und Kanalbauten die Industrialisierung zu fördern. Ausgangspunkt war das Bemühen miteinander konkurrierender französischer Unternehmer um eine Konzession für einen Kanalbau durch den Schwarzwald. Die badischen, württembergischen, hohenzollerschen und bayerischen Behörden waren mit den Planungen befasst, ohne dass es je zu einer realen Umsetzung des Projekts gekommen wäre. Letztlich scheiterte dieses an den verschiedenen Interessen der deutschen Staaten, an den Kosten und den Zweifeln an der technischen Ausführbarkeit. Projektiert wurden auch Kanalbauten zwischen Schiltach und Brigach (über den Brogen) und zwischen Nußbach und Brigach (über Sommerau; als rein badische Variante). [Buhlmann, 04.2007]

Seiffert, Helmut, Einführung in die Wissenschaftstheorie, Bd.2 (1970): Geisteswissenschaftliche Methoden: Phänomenologie, Hermeneutik und historische Methode, Dialektik (= BSR 61), München 51973 > W Wissenschaft

Seiffert, Helmut (1971), Marxismus und bürgerliche Wissenschaft (= BSR 75), München 1971 > W Wissenschaft

Seipel, Wilfried (1992), Gott - Mensch - Pharao. Viertausend Jahre Menschenbild in der Skulptur des Alten Ägypten (= Ausstellungskatalog), Wien 1992 > A Ägyptische Geschichte, 3. Jahrtausend-4./1. Jahrhundert v.Chr.

Seitz, Konrad (2000), China. Eine Weltmacht kehrt zurück, Berlin 2000 > C Chinesische Geschichte, 20.-21. Jahrhundert

Selz, Gebhard J. (2005), Sumerer und Akkader. Geschichte, Gesellschaft, Kultur (= BSR 2374), München 2005 > F Frahm, Mesopotamien

Semmler, Josef (1990), Francia Saxoniaque oder Die ostfränkische Reichsteilung von 875/76 und die Folgen, in: DA 46 (1990), S.337-374 > L Ludwig der Deutsche

Semmler, Josef (Hg.) (1991), Der Wald in Mittelalter und Renaissance (= SH 17), Düsseldorf 1991, 239 S., Schwarzweißabbildungen, DM 49,80. I. Klimatologisch gesehen war Deutschland im Mittelalter waldreich, im frühen Mittelalter war bis zu 94% seiner Fläche bewaldet (Laubwald [Westen], Nadelwald [Mittelgebirge, Alpen], Au-/Bruchwald [der Gewässer]), ein Wechsel im Klima begünstigte seit der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert die auch hochmittelalterlichen Rodungstätigkeiten bei Bevölkerungswachstum (Schutz des Waldes), der spätmittelalterliche Bevölkerungsrückgang (Pest) begünstigte wiederum den Wald, dessen Ressourcen auch in der frühen Neuzeit durch Waldweide, Brenn- und Bauholz (Städte), Bergbau und Flößerei genutzt wurden und dessen Baumbestand sich verändern sollte (Armin Gerstenhauer, Die Stellung des Waldes in der deutschen Kulturlandschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit). II. Russland lebte vom 7. bis 17. Jahrhundert n.Chr. von Gegensatz und Komplementarität zwischen den slawischen Acker- und Waldbauern der besiedelten Taiga einerseits sowie den nicht-slawischen Jägern, Fischern und Nomaden der nördlichen Tundra bzw. südlichen Steppe andererseits (Hans Hecker, Wald und Steppe im alten Rußland). III. Der Wald als vielfach herrschaftsfreier Raum war Ort mittelalterlicher Freiheit für geistliche Kommunitäten (Klöster und conversio) und für die Rodungen im Auftrag der Grundherren (König, Kirche, Adel) durchführenden Bauern (mit günstiger Rechtsstellung) (Rudolf Hiestand, Waldluft macht frei). IV. Der Wald war in der hochmittelalterlichen französischen und englischen höfischen Dichtung (Epik) ein unwirtlicher, den ritterlichen Normen entgegenstehender Ort, eine Gegenwelt zu fürstlichem Hof und courtoisie (Peter Wunderli, Der Wald als Ort der Asozialität. Aspekte der altfranzösischen Epik; Wilhelm Busse, Im Wald, da sind die Räuber ...). V. Forste wie der englische royal forest entstanden - u.a. seit der Karolingerzeit - durch königliche Einrichtung und Abgrenzung, eben durch Einforstung von Waldgebieten und herrenlosem Ödland. Jagd und Fischfang waren im Forst verboten, Rodung und Eichelmast unterlagen Beschränkungen; Aufseher (forestarii) überwachten den Forst. Im weiteren Verlauf zersplitterte die Forsthoheit. Nutzungsrechte am Forst kamen auf; der sog. Wildbann beinhaltete nun u.a. das Jagdrecht, den Fischfang und die Kontrolle über Eichelmast und Rodung, der Forst wurde zum Wald. Forst und fremder Grundbesitz schlossen sich übrigens nicht aus, der Forst konnte auch über fremden Besitz ausgedehnt werden; aber: ein königlicher Forst ohne ausreichende grundherrschaftliche Basis war auf Dauer kaum lebensfähig (Josef Semmler, Der Forst des Königs). VI. Der Wald in Mittelalter und früher Neuzeit wurde auch pharmakologisch genutzt (Hildegard von Bingen; Eiche, Ölbaum, Johannisbrotbaum als Lieferanten von Arzneien) (Hans Schadewaldt, Der Wald als Lieferant von Arzneimitteln). VII. In Dantes "Göttlicher Komödie" kommen der Höllenwald (der Selbstmörder), der Wald zwischen Purgatorium und Paradies und der Wald des Paradieses (Baum der Erkenntnis) vor (Marcella Roddewig, Der gerettete Wald in Dantes Göttlicher Komödie). VIII. Gerade in Renaissance und früher Neuzeit wird von Dichtern der melancholische Wald geschildert (Herbert Anton, Poetische Wälder der Schwermut). IX. Die Eiche wird im 18. und 19. Jahrhundert (Romantik) zum "deutschen Baum" (Klaus Lindemann, In den deutschen Eichenhainen webt und rauscht der deutsche Gott. Deutschlands poetische Eichenwälder). [Buhlmann, 11.2002, 09.2015]

Seneca, Lucius Annaeus, römischer Politiker, Philosoph und Dichter: Lucius Annaeus Seneca (*1-†65 n.Chr.), geboren im spanischen Corduba, war ein seher reicher römischer Geschäftsmann und Schriftsteller, der unter den Kaisern Tiberius (14-37), Caligula (37-41), Claudius (54-68) und Nero (54-68) u.a. als politischer Berater bzw. Kaisererzieher Neros diente. Nach einer Auseinandersetzung mit Nero zog sich Seneca aus der Politik zurück (62). Im Zusammenhang mit der Pisonischen Verschwörung wurde er zum Selbstmord gezwungen (65). Überliefert sind von Seneca eine Vielzahl von Schriften, u.a. die "Verkürbissung des Kaisers Claudius", philosophisch-stoische Schriften, Tragödien und Briefe.
An Schriften des Seneca können genannt werden: Seneca, Ad Helviam matrem de consolatione. Trostschrift an die Mutter Helvia. Lateinisch/Deutsch, übers. v. Franz Loretto (2001) (= RUB 1848), Stuttgart 2001, 120 S., € 1,-; Seneca, De vita beata, bearb. v. Gerhard Krüger (1950) (= Sammlung Klett. Altsprachliche Textausgaben), Stuttgart 21963, 32 S., DM 0,90; Seneca, Epistulae morales ad Lucilium. Briefe an Lucilius über Ethik. Lateinisch/Deutsch, übers. u. hg. v. Franz Loretto, Rainer Rauthe bzw. Heinz Gunermann (1977/2000): H.1: Liber I. 1. Buch (= RUB 2132), Stuttgart 1977, Nachdruck 1985, 88 S., H.2: Liber II. 2. Buch (= RUB 2133), Stuttgart 1982, Nachdruck 1985, 104 S., H.3: Liber III. 3. Buch (= RUB 2134), Stuttgart 1985, 96 S., H.4: Liber IV. 4. Buch (= RUB 2135), Stuttgart 1987, 96 S., H.5: Liber V. 5. Buch (= RUB 2136), Stuttgart 1988, 96 S., H.6: Liber VI. 6. Buch (= RUB 2137), Stuttgart 1986, 94 S., H.7: Liber VII. 7. Buch (= RUB 2139), Stuttgart 1990, 96 S., H.8: Liber VIII. 8. Buch (= RUB 2140), Stuttgart 1991, 96 S., H.9: Liber IX. 9. Buch (= RUB 2141), Stuttgart 1994, 101 S., H.10: Liber X. 10. Buch (= RUB 2142), Stuttgart 1995, 72 S., H.11: Libri XI-XIII. 11.-13. Buch (= RUB 2143), Stuttgart 1996, 127 S., H.12: Liber XIV. 14. Buch (= RUB 9370), Stuttgart 1993, 128 S., H.13: Liber XV. 15. Buch (= RUB 9371), Stuttgart 1996, 141 S., H.14: Liber XVI. 16. Buch (= RUB 9372), Stuttgart 1997, 80 S., H.15: Libri XVII et XVIII. 17.-18. Buch (= RUB 9373), Stuttgart 1998, 165 S., H.16: Liber XIX. 19. Buch (= RUB 9374), Stuttgart 1999, 151 S., H.17: Liber XX. 20. Buch (= RUB 9375), Stuttgart 2000, 135 S., zus. € 20,-; Seneca, Moralische Briefe. Von der Vorsehung, übers. v. H.M. Endres (1977) (= Goldmann Klassiker, Nr.7509), München o.J. [1977], 159 S., DM 4,-; Seneca, Naturales quaestiones. Naturwissenschaftliche Untersuchungen. Lateinisch-Deutsch, übers. v. Otto Schönberger u. Eva Schönberger (1998) (= RUB 9644), Stuttgart 1998, 542 S., DM 22,-; Seneca, Sämtliche Tragödien. Lateinisch und deutsch, übers. v. Theodor Thomann (1978) (= BdAW RR), Bd.1: Hercules Furens. Trojannerinnen. Medea. Phaedra. Octavia, Zürich-München 21978, 597 S., DM 47,-; Seneca, L. Annaeus, Die Verkürbissung des Kaisers Claudius. Lateinisch-Deutsch, übers. v. Anton Bauer (1981) (= RUB 7676), Stuttgart 1981, 90 S., DM 2,40; Seneca, L. Annaeus, Epistulae morales, hg. v. Gregor Maurach (1987) (= Schöningh Lateinische Klassiker. Text und Erläuterungen), Paderborn 1987, 142 S., DM 10,80; Seneca, Lucius Annaeus, Von der Kürze des Lebens. Über den Zorn. Von der Muße, übers. v. H.M. Endres (1963) (= Goldmann (Klassiker), Nr.1391), München o.J. [1963], 152 S., DM 2,40; Seneca für Zeitgenossen. Ein Lesebuch zur philosophischen Lebensweisheit, hg. v. Josef M. Werle (2000) (= Goldmann Tb 7733), München 2000, 383 S., DM 18,- > Lateinische Literatur > S Seneca. Als Biografie zu Seneca sei erwähnt: Sørensen, Villy (1984), Seneca. Ein Humanist an Neros Hof, München 21985, 320 S., DM 39,80. Vgl. noch: Maurach, Gregor (Hg.) (1975), Seneca als Philosoph (= WdF 314), Darmstadt 1975, VI, 377 S., € 5,- (mit den Beiträgen: Gregor Maurach, Einleitung; Graeme Wilber Clarke, Seneca der Jüngere unter Caligula; Pierre Boyancé, Die Stoa in Rom; Gerda Busch, Fortunae resistere in der Moral des Philosophen Seneca; Ludwig Friedländer, Der Philosoph Seneca; Ulrich Knoche, Der Gedanke der Freundschaft in Senecas Briefen an Lucilius; Rudolf Schottlaender, Epikureisches bei Seneca; David Ernst Oppenheim, Selbsterziehung und Fremderziehung nach Seneca; Egon Braun, Harena sine calce (zu Sueton Calig. 53,2); H. Mac L. Currie, Der Stil des jüngeren Seneca: Einige Beobachtungen; Albert Rehm, Das siebente Buch der Naturales Quaestiones des Seneca und die Kometentheorie des Poseidonios; Gisela Stahl, Die "Naturales Quaestiones" Senecas. Ein Beitrag zum Spiritualisierungsprozess der römischen Stoa; Gregor Maurach, Zur Eigenart und Herkunft von Senecas Methode in den "Naturales Quaestiones"; Karlhans Abel, Rezension von: Alfred Stückelberger, Senecas 88. Brief. Über Wert und Unwert der freien Künste; Gregor Maurach, Über ein Kapitel aus Senecas Epistelcorpus; Claude W. Barlow, Seneca im Mittelalter). [Buhlmann, 01.2013, 03.2018, 07.2019, 11.2020]

Setzler, Wilfried (1976), Die Abtswahlen im Kloster Zwiefalten in den Auseinandersetzungen mit den Grafen von Wirtemberg, in: SMGB 87 (1976), S.339-383 > Z Zwiefalten

Setzler, Wilfried (1979), Kloster Zwiefalten. Eine schwäbische Benediktinerabtei zwischen Reichsfreiheit und Landsässigkeit. Studien zu ihrer Rechts- und Verfassungsgeschichte, Sigmaringen 1979 > Z Zwiefalten

Setzler, Wilfried (2010), Mit Johann Peter Hebel von Ort zu Ort. Lebensstationen des Dichters in Baden-Württemberg, Tübingen 2010, 183 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karte, Zeittafel, € 22,90. Johann Peter Hebel, geboren am 10. Mai 1760 in Basel, gestorben am 22. September 1826 in Schwetzingen, hielt sich zeit seines Lebens entlang des Oberrheins und im Schwarzwald auf (Basel, Hausen im Wiesental, Schopfheim, Karlsruhe, Hertingen, Lörrach, Weil am Rhein, Karlsruhe, Schwetzingen), wo er nach zweijährigen Theologiestudium (1778/80) als (Hilfs-, Gymnasial-) Lehrer sowie Direktor des Karlsruher Gymnasiums wirkte, auch am Hof des badischen Fürsten predigte (Hofdiakon 1792, außerordentliche Professur 1798), zudem als Prälat der badisch-lutherischen Kirche Mitglied der 1. Kammer der Ständeversammlung wurde (1819). Auch für die Naturwissenschaften interessierte Hebel sich (Botanik, Naturgeschichte). Über den deutschen Südwesten hinaus wurde Hebel als Dichter bekannt mit seinem im alemannischen Dialekt verwurzelten Schriften: "Allemannische Gedichte. Für Freunde ländlicher Natur und Sitten" (1803), "Der Rheinländische Hausfreund" (Kalendergeschichten, 1803/11), "Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes" (1811), "Biblische Geschichten. Für die Jugend bearbeitet" (1824). [Buhlmann, 05.2019]

Seyboth, Reinhard (1985), Die Markgraftümer Ansbach und Kulmbach unter der Regierung Markgraf Friedrichs des Älteren (1486-1515) (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd.24), Göttingen 1985, 481 S., € 8,-. I. Für die ursprünglich aus dem deutschen Südwesten stammenden Grafen von Hohenzollern wird im späten Mittelalter ein politischer Aufstieg im Rahmen von römisch-deutschem Reich und Territorienbildung erkennbar. Seit 1191 waren die Hohenzollern Burggrafen von Nürnberg, ab 1415/17 Markgrafen des Kurfürstentums Brandenburg. Nach Aufgabe der Nürnberger Burggrafschaft (1427) konzentrierten sich die Hohenzollern in Franken auf ihre Herrschaft über die Markgrafentümer Ansbach und Kulmbach. Wegweisend für die hohenzollerische Politik war der brandenburgische Kurfürst Albrecht Achilles (1440-1486) mit seinem Einsatz für Reichspolitik und Kaiser Friedrich III. (1440-1493) sowie der Schaffung eines hohenzollerischen politisch-dynastischen Netzwerks. Dem Haus Hohenzollern gelang dadurch der weitere politische Aufstieg. II. Die (mitunter fiktive) dynastische Einigkeit blieb auch für die Hohenzollern nach Albrecht Achilles zunächst politisch bestimmend. Gemäß der Dispositio Achillea (1473) sollten die Söhne des Achilles Friedrich II. von Brandenburg-Ansbach (1486-1515) und Siegmund von Brandenburg-Kulmbach (1486-1495) die beiden Fürstentümer gemeinsam regieren - neben Johann Cicero von Brandenburg (1486-1499) im Kurfürstentum. Auch blieb der Einsatz der Hohenzollern im Reichs- und Königsdienst ungebrochen, während sie ihre Landesherrschaften in einer "Phase scharfen territorialpolitischen Wettbewerbs" behaupten und ausbauen konnten (territorium clausum besonders des Fürstentums Kulmbach). Insbesondere den hohenzollerischen Fürstenhöfen kam dabei eine wichtige Mittelpunktsfunktion in Hinblick auf die territoriale Verwaltung (Zentralisierungstendenzen, markgräfliche Räte), die hohenzollerische Außen-/Innenpolitik und die fränkische Adelsgesellschaft (Beziehungen der Markgrafen zu Grafen, Adligen, Rittern) sowie als Organ fürstlich-markgräflicher Repräsentation zu. In den "frühmodernen Territorialstaaten" war ebenfalls das "Polizeiwesen" mit seinen Verordnungen und Verboten bedeutsam und spielte in alle Lebensbereiche der fürstlichen Untertanen reglementierend hinein (wirtschaftlich-finzanzpolitische Maßnahmen [Münzwesen, Investitionen auch in den Landesausbau, höfische Repräsentation], fürstliche Güter- und Rechteverzeichnisse [Land-, Amts-, Sal-, Lehen-, Zinsbücher]). Markgraf Friedrich II. der Ältere hatte sich politisch zu kümmern um die Beziehungen zur Reichsstadt Nürnberg (Harrasischer Schiedsspruch 1496, Erfurter Vertrag 1502, Landshuter Erbfolgekrieg 1504/05), um das Verhältnis zu den fränkischen Hochstiften Würzburg, Bamberg und Eichstätt, um das Verhältnis zu den bayerisch-wittelsbachischen Herzögen. Über die engeren hohenzollerischen Territorien hinaus wirkte die Wahl von Friedrichs Sohn Albrecht zum Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen (1511). Im Jahr 1515 kam es zu der von seinen Söhnen und von Personen des Hofes betriebenen Absetzung Friedrichs (Baiersdorfer Vertrag 1515); Friedrich wurde gefangen gesetzt und in der Plassenburg verwahrt, 1528 kam er frei, 1536 starb Friedrich. [Buhlmann, 02.2011]

SG = Sammlung Göschen

SGE = Schriften zur Geschichte Essens

SGS = Studien zur Germania Sacra

Sh

SH = Studia humaniora. Düsseldorfer Studien zu Mittelalter und Renaissance

Shakespeare, englischer Dichter: Die Zeit des englischen Dichters William Shakespeare (*1564-†1616) war das elisabethanische Zeitalter der englischen Könige Elisabeth I. (1558-1603) und Jakob I. (1603-1625). Vor dem Hintergrund eines "elisabethanischen Weltbilds" (englisches Spätmittelalter und dessen Einflüsse auf die englische Renaissance) und einer entstehenden englischen Theaterkultur (The Theatre James Burbages in London 1576) war Shakespeare ein erfolgreicher Schauspieler und Dramatiker, der mit seinem Geburtsort Stratford-upon-Avon vielfältig verbunden blieb und sich dort auch zur Ruhe setzte. Aus seinen Werken wird Shakespeares Weltsicht erkennbar, seine Ordnungsvorstellungen: menschliche Emotionen ("Menschheitsprobleme") wie Vernunft und/gegen Leidenschaft gerade auch im Verhältnis von Mann und Frau; soziale Beziehungen wie Ehrvorstellungen, Gerechtigkeit und Gnade; Natur, Glauben und Skepsis; Tragik. An Werken Shakespeares sind zu nennen: a) Versepen: Venus and Adonis (1593), The Rape of Lucrece (1594); b) Sonette: Shakespeares Sonettes (1609); c) Historiendramen: King Henry VI. (Trilogie, 1592), King Richard III. (1593), King Richard II. (1595), King John (1596), King Henry IV. (zweiteilig, v.1600-1600), King Henry V. (v.1600), King Henry VIII. (1612); d) Komödien: The Taming of the Shrew (v.1592), The Comedy of Errors (1593/94), A Midsummer Night's Dream (1595), Much Ado About Nothing (1598), As You Like It (1599/1600); e) Problemstücke (problem plays [mit unklarer Zuordnung]): Troilus and Cressida (1602), Measure For Measure (1603), Timon of Athens (1605); f) Tragödien: Titus Andronicus (1592), Romeo and Juliet (1595), Julius Caesar (1599), Hamlet (1600/01), Othello (1603/04), King Lear (1605), Macbeth (1606), Antony and Cleopatra (1606), Coriolanus (1607); g) Romanzen: Pericles. Prince of Tyre (1607), Cymbeline (1610), The Tempest (1611). Gerade die dramatischen Werke Shakespeares stehen dann für die englische Frühaufklärung ("Horizontalität" von Vernunft und Leidenschaft), sie machen Shakespeares Größe als ("erster realistischer") Dichter ("der Neuzeit") aus, der dennoch bei seinen Stücken vielfach auf ältere Vorlagen zurückgriff, hingegen tief in die Psyche der Protagonisten seiner Stücke einzudringen vermochte (nach: Gelfert, Shakespeare).
An Werken Shakespeares seien vor dem Hintergrund von Literatur als Geschichtsquelle genannt: Shakespeare, William (v.1592), Der Widerspenstigen Zähmung, übers. v. Wolf Heinrich Graf Baudissin (1972) (= RUB 26), Nachdruck Stuttgart 1990, 88 S., DM 2,80; Shakespeare, William (1595), Romeo und Julia. Ein Trauerspiel in fünf Akten, übers. v. August Wilhelm Schlegel (= Hamburger Lesehefte 128), Husum o.J. [1968], 95 S., DM N.N.; Shakespeare, William (1595), Romeo and Juliet. Romeo und Julia. Englisch-Deutsch, hg. v. Herbert Giesen (1979/94) (= RUB 9942), Nachdruck Stuttgart 2005, 270 S., € 6,-; Shakespeare, William (1595), A Midsummer Night's Dream (= No Fear Shakespeare), New York 72014, 181 S., $ 5,95; Shakespeare, William (1595), Ein Sommernachtstraum, übers. v. August Wilhelm Schlegel (= RUB 73), 1972, Nachruck Stuttgart 2010, 72 S., € 2,-; Shakespeare, William (1595), Ein Sommernachtstraum (= Württembergisches Staatstheater Stuttgart Schauspiel 76/77, Programmbuch Nr.27), Stuttgart 1977, 176 S., Schwarzweißabbildungen, DM N.N.; Shakespeare, William (1595), Ein Sommernachtstraum. A Midsummer Night's Dream. Englisch-Deutsch, Weimar 2015, 127 S., € 5,49; Shakespeare, William (1600/01), Hamlet, übers v. August Wilhelm Schlegel (= RUB 31), Leipzig 251990, 135 S. Zeittafel, M 1,50; Shakespeare, William (1600/01), Hamlet. Tragödie in fünf Akten, übers v. August Wilhelm von Schlegel (= Husumer Leseheft 131), Husum 2008, 135 S., € 1,90; Shakespeare, William (1606/23), Macbeth. Tragödie, übers. v. Dorothea Tieck (= RUB 17), Stuttgart 1974, 80 S., DM 2,10 sowie: Shakespeare, William, Sämtliche Werke in vier Bänden, hg. v. Siegfried Schmitz: Bd.2: Historien, Stuttgart 1975, 891 S., DM 12,80; Shakespeare, William, Sämtliche Werke, hg. v. Anselm Schlösser (1975): Bd.1: Komödien, Genf o.J., 894 S., Schwarzweißtafeln, SFR N.N., Bd.2: Komödien. Poetische Werke, Genf o.J., 960 S., Schwarzweißtafeln, SFR N.N., Bd.3: Historien, Genf o.J., 1104 S., Schwarzweißtafeln, SFR N.N.; The Arden Shakespeare. Third Series, hg. v. Richard Proudfoot, Ann Thompson, David Scott Kastan: Shakespeare, William (1606), Antony and Cleopatra, hg. v. John Wilders (1995), Nachdruck London 2006, 331 S., Schwarzweißabbildungen, € 13,90, Shakespeare, William (1599), Julius Caesar, hg. v. David Daniell (1998), Nachdruck London 2005, 393 S., Schwarzweißabbildungen, £ N.N., Shakespeare, William (1596), King John, hg. v. E.A.J. Honigmann (1985), Nachdruck London 1986, 256 S., Schwarzweißabbildungen, £ N.N., Shakespeare, William (1603/04), Othello, hg. v. E.A.J. Honigmann (1997), Nachdruck London 2004, 409 S., Schwarzweißabbildungen, £ N.N.; The New Penguin Shakespeare, hg. v. T.J.B. Spencer, Stanley Wells: Shakespeare, William (1595), Romeo and Juliet, hg. v. T.J.B. Spencer (1967), Nachdruck Harmondsworth 1987, 295 S., £ 1,95, Shakespeare, William (1599), Hamlet, hg. v. T.J.B. Spencer (1980), Ndr Harmondsworth 1985, 384 S., £ 1,75, Shakespeare, William (1599/1600), As You Like it, hg. v. H.J. Oliver (1968), Nachdruck Harmondsworth 1986, 202 S., Noten, £ 1,95, Shakespeare, William (1603), Measure for Measure, hg. v. J.M. Nosworthy (1969), Harmondsworth 1969, 190 S., £ 0,30; The Oxford Shakespeare, hg. v. Stanley Wells (= Oxford Worlds' Classics): Shakespeare, William (1599), Hamlet, hg. v. G[eorge] R[ichard] Hibbard (1987), Oxford 92008, X, 406 S., £ 7,99, Shakespeare, William (1605), The History of King Lear, hg. v. Stanley Wells (2000), Oxford 32004, X, 321 S., £ 7,99; Shakespeare, William, Theatralische Werke in 21 Einzelbänden, übers. v. Christoph Martin Wieland (1762/66), hg. v. Hans u. Johanna Radspieler (1993): Bd.8: Leben und Tod des Königs Johann, Zürich 1993, 149 S., Bd.11: Die Irrungen oder Die doppelten Zwillinge, ein Lustspiel, Zürich 1993, 112 S., Bd.15: Das Trauerspiel, vom Macbeth, Zürich 1993, 141 S. [alle Bde. zus. DM 23,-] und: Shakespeare. Ein Lesebuch für unsere Zeit, hg. v. Walther Victor (1953), Berlin-Weimar 111970, 421 S. Schwarzweißtafeln, M 6,50. Zu Shakespeare s.: Gelfert, Hans-Dieter (2000), Shakespeare (= BSR 2055), München 22014 > G > Gelfert, Shakespeare; Gurr, Elizabeth (1998), Shakespeare's Globe. The Guidebook, Reading 1998, o.S., Farbabbildungen, Karten, £ N.N. [Buhlmann, 03.2014, 11.2015, 12.2016, 05.2019, 07.2019, 11.2019, 01.2021, 07.2021, 02.2022, 05.2022, 10.2022, 05.-06.2023, 09.2023]

Shaw, Antony (Hg.) (2000), Der II. Weltkrieg. Eine Chronik, Bindlach 2000 > Z Zweiter Weltkrieg

Shirer, William Lawrence (1960), Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, Herrsching o.J. > D Deutsche Geschichte, 1933-1945

SHKBAW = Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Si

SI = Studia Irenica

Sickel, Theodor (1861/82), Beiträge zur Diplomatik I-VIII, 1861-1882, Nachdruck Hildesheim-New York 1975, ohne durchgehende Seitenzahlen, € 49,80, umfasst die in den Sitzungsberichten der Philosophisch-Historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien 39, 47, 49, 85, 93 und 101 erschienenen Beiträge: I. Theodor Sickel, Beiträge zur Diplomatik I: Die Urkunden Ludwigs des Deutschen bis zum Jahre 859 (Urkundenaufbau, Datierung, Kanzler des Königs); II. Theodor Sickel, Beiträge zur Diplomatik II: Die Urkunden Ludwigs des Deutschen in den Jahren 859-876 (Kanzler des Königs, Urkundeneditionen, Urkundenverzeichnis); III. Theodor Sickel, Beiträge zur Diplomatik III: Die Mundbriefe, Immunitäten und Privilegien der ersten Karolinger bis zum Jahre 840 (merowingische Grundlagen, Urkunden Pippin des Jüngeren und Karls des Großen, Königsschutz und Immunität, Wandel unter Ludwig dem Frommen); IV. Theodor Sickel, Beiträge zur Diplomatik IV: Die Privilegien der ersten Karolinger bis zum Jahre 840 (merowingische Grundlagen, Urkunden Pippin des Jüngeren, Karls des Großen und Ludwigs des Frommen); V. Theodor Sickel, Beiträge zur Diplomatik V: Die Immunitätsrechte nach den Urkunden der ersten Karolinger bis zum Jahre 840 (Königsschutz und Immunität in den Urkunden Pippin des Jüngeren, Karls des Großen und Ludwigs des Frommen, Urkundeneditionen); VI. Theodor Sickel, Beiträge zur Diplomatik VI (vier Diplome Ottos I. für das Bistum Chur); VII. Theodor Sickel, Beiträge zur Diplomatik VII (Kanzler und Rekogneszenten in frühottonischer Zeit); VIII. Theodor Sickel, Beiträge zur Diplomatik VIIII (Datierungen in den Urkunden Ottos I.). [Buhlmann, 06.2015]

Siebecke, Horst (1984), Die Schicksalsfahrt der "Exodus 47". Eine historische Dokumentation (= Fischer Tb 4377), Frankfurt a.M. 1987, 252 S., Schwarzweißabbildungen, DM 16,80. Zur Vorgeschichte des Staates Israel gehört die jüdische Einwanderung in das britische Mandatsgebiet Palästina insbesondere nach dem Holocaust an den Juden während des Zweiten Weltkriegs (1939-1945). So wurde im Auftrag der Jewish Agency und der jüdischen Untergrundorganisation Hagana der ehemalige US-amerikanische Vergnügungsdampfer und Truppentransporter President Warfield (erbaut 1927/28) gekauft (November 1946) und schließlich als Exodus [19]47 unter honduranischer Flagge (Februar 1947) für den Transport jüdischer Flüchtlinge aus Europa genutzt. Rund viereinhalb Tausend Frauen, Kinder, Jugendliche und alte Menschen wurden im französischen Hafen Sète an Bord gebracht, trotz britischer Einsprüche legte das überladene Schiff am 11. Juli 1947 ab, um am 17. Juli die Küste Palästinas zu erreichen. Die britische Seeblockade des Mandatsgebiets führte dazu, dass britische Begleitschiffe die Exodus stoppen und entern konnten (18. Juli). Das Schiff wurde nach Haifa gebracht, die Flüchtlinge, soweit nicht verwundet, auf drei britische Schiffe verladen, die die Juden innerhalb der Operation Oase zum Hamburger Hafen verbrachten (8. September); Lager(gefängnisse) bei Lübeck, Emden und Bremerhaven nahmen die Juden auf, doch führte die Internierung der Passagiere zu internationalen Protesten, in deren Folge Großbritannien das Palästina-Mandat aufgab (1947) und der Staat Israel entstand (1948). Die Passagiere kamen frei, viele schlugen sich auf verschiedenen Wegen nach Palästina durch. Die Fahrt der Exodus indes hatte öffentlichkeitswirksam den jüdischen Überlebenswillen bezeugt. [Buhlmann, 03.2022]

Siebenbürgen, Landschaft in Ungarn bzw. Rumänien: Ab der Mitte des 12. Jahrhunderts siedelten Einwanderer ("Siebenbürger Sachsen" [als Standesbezeichnung]) von Mittelrhein und Mosel, Flandern und Wallonien, d.h. aus dem römisch-deutschen Reich der staufischen Könige im damals zum Königreich Ungarn gehörenden Siebenbürgen (Septum urbium, Terra septem castrorum [13. Jahrhundert], Siebenbuergen [13. Jahrhundert, Ende]; Transsilvanien); dies geschah auf Initiative König Gezas II. (1141-1162), der mit den siedelnden privilegierten Wehrbauern den Osten seines Reiches urbar machen und schützen wollte. Erste Siedlungen entstanden um Hermannstadt, abgesichert wurde die Rechtstellung der Eingewanderten u.a. durch das "Andreanum" des ungarischen Königs Andreas II. (1205-1235) von 1224. Dieser Herrscher war es auch, der den Deutschen Orden ins Burzenland holte (1211), dessen territorialpolitische Ambitionen aber schließlich unterband (1225). Im späten Mittelalter finden sich prosperierende deutsche Siedlungen im Bereich von Königsboden, Burzenland und Nösnergau (wirtschaftlich-kulturelle Dominanz der deutschen Siedlungen). Ab dem 15. Jahrhundert hatte Siebenbürgen verstärkt unter den Einfällen der osmanischen Türken zu leiden. Im 16. Jahrhundert entstand in der Folge des osmanischen Vordringens nach Ungarn (Schlacht bei Mohacs 1526, Belagerung Wiens 1529) das vom osmanischen Reich abhängige Fürstentum Siebenbürgen/Transsilvanien (1541), das sich u.a. durch religöse Toleranz (Eindringen der Reformation) auszeichnete. Ab Ende des 17. Jahrhunderts gehörte Siebenbürgen zur Habsburgermonarchie. Zu Siebenbürgen s. an Quellen: Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, begr. v. Franz Zimmermann: Bd.1 (1892): 1191 bis 1342 (Nr.1 bis 582), hg. v. Franz Zimmermann u. Carl Werner, Nachdruck Hildesheim-Zürich-New York 2007, 8*, XXX, 620 S., Schwarzweißtafeln, Bd.2 (1897): 1342 bis 1390 (Nr.583 bis 1259), hg. v. Franz Zimmermann, Carl Werner u. Georg Müller, Nachdruck Hildesheim-Zürich-New York 2007, 759 S., Schwarzweißtafeln, Bd.3 (1902): 1391 bis 1415 (Nr.1260 bis 1785), hg. v. Franz Zimmermann, Carl Werner u. Georg Müller, Nachdruck Hildesheim-Zürich-New York 2007, VIII, 764 S., Schwarzweißtafeln, zus. € 29,40, Bd.5 (1975): 1438-1457 (Nr.2300-3098), bearb. v. Gustav Gündisch, Bukarest 1975, LIX, 638 S., Schwarzweißtafeln, DM 44,-, an Darstellungen: Weber, Georg, Weber, Renate (Hg.) (1985), Luther und Siebenbürgen (= Siebenbürgisches Archiv. Dritte Folge, Bd.19), Köln-Wien 1985, VIII, 353 S., Schwarzweißtafeln, DM 1,- (mit den Beiträgen: Peter Friedrich Barton, Martin Luther und der Südosten; Heinz Scheible, Melanchtons Beziehungen zum Donau-Karparten-Raum bis 1546; Paul Philippi, Wittenbergische Reformation und ökumenische Katholizität in Siebenbürgen; Pompiliu Teodor, Beziehungen zwischen Reformation und Rumänen im Spiegel vornehmlich rumänischer Geschichtsschreibung; Ludwig Binder, Neuere Forschungsergebnisse zur Reformation in der siebenbürgisch-sächsischen Kirche - Darstellung und Kritik; Konrad G. Gündisch, Christian Pomarius und die Reformation im Nösnerland; Werner Conze, Luthertum und Nationalismus - Deutsch-Protestantismus; Krista Zach, Nation und Konfession im Reformationszeitalter; Walter Daugsch, Gegenreformation und protestantische Konfessionsbildung in Siebenbürgen zur Zeit Stephan Báthorys (1571-1584); Gábor Barta, Bedingungsfaktoren zur Entstehung religiöser Toleranz im Siebenbürgen des 16. Jahrhunderts; Gedeon Borsa, Über die Anfänge des Buchdrucks in Hermannstadt und Kronstadt; Gustav Gündisch, Lutherdrucke in Siebenbürgen bis 1546; Grete Klaster-Ungureanu, Luthers Sprache in Siebenbürgen; Camil Muresanu, Zum Zusammenhang von Reformation und rumänischer Schriftsprache; Christoph Machat, Auswirkungen der Reformation auf die Ausstattung siebenbürgischer Kirchen; Heinz Heltmann, Das Klausenburger Herbarium des Peter Melius). [Buhlmann, 06.2022]

Siebenmorgen, Harald (Hg.) (1995), 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal. Faszination eines Klosters (= Ausstellungskatalog), Sigmaringen 1995, 448 S., DM 68,-. Die Zisterze Lichtenthal war eine Gründung Irmengards, der Tochter des Pfalzgrafen Heinrich IV. (1195-1214) und der Ehefrau des badischen Markgrafen Hermann V. (1190-1243), und entwickelte sich nach der "Stiftung" von 1245 zum markgräflichen Hauskloster, nur wenig vom politischen Zentrum Baden-Baden entfernt. Die geistliche Gemeinschaft war bis 1372 fürstliche Grablege der badischen Markgrafen, bis sie ab 1391 diese Funktion an den Stiftskirche in Baden-Baden verlor. Als einziges badisches Kloster überstand Lichtenthal im Herrschaftsgebiet der (katholischen) Markgrafen von Baden-Durlach die Reformation. 1728 wurden die Klostergebäude erneuert. Die Zisterze wurde 1802 aufgehoben und säkularisiert. [Buhlmann, 04.2007]

Siebert, Reinhard, Strauß, Johann (1968), Grundwissen Mathematik C, Stuttgart 21973 > M Mathematik

Siebert-Gasper, Dieter (2019), Zu Sikko, Graf im Bonn- und Ahrgau (1047-1064/65), und seinen Beziehungen zu den ezzonischen Pfalzgrafen und dem Kloster Brauweiler, in: AHVN 222 (2019), S.49-90. Sikko (Kurzform für "Siegfried") wird urkundlich als Graf im Bonngau (1047) sowie im Ahrgau (1051, 1064) erwähnt; er muss vor bzw. wahrscheinlich 1065 gestorben sein, da in diesem Jahr sein Verwandter Berthold als Graf im Ahrgau bezeugt ist. Sikko war ein Nachkomme des Grafen Siegfried I. von Luxemburg (†997/98) und durch Heirat wohl auch verwandt mit den (ezzonisch-) hezelinidischen Pfalzgrafen. Von daher erscheint Sikko im Umfeld der pfalzgräflichen Familie als Vogt des wichtigen Moselguts Klotten (1051), das an das ezzonische Hauskloster Brauweiler gekommen war. Mit der Verdrängung des hezelinidischen Pfalzgrafen Heinrich (†1060/61) von der Siegburg und vom Niederrhein, wurde Klotten durch den Kölner Erzbischof Anno II. (1056-1075) dem Kloster entfremdet und an das Kölner Stift St. Maria ad gradus, der (von Anno erzwungenen) Grablege von Königin Richeza (1063), übertragen. Sikko wird sich als Vogt und Repräsentant der hezelinidischen Pfalzgrafen (Unmündigkeit von Pfalzgraf Hermann [1064-1085]) dagegen gewehrt haben wie auch sein Verwandter, der Brauweiler Abt Wolfhelm (1065-1091). Die Rückgabe Klottens an Brauweiler gelang erst unter Erzbischof Hermann III. (1075-1099) im Jahr 1090. [Buhlmann, 04.2022]

Siedlungsforschung = Siedlungsforschung. Archäologie - Geschichte - Geographie

Siefert, Fritz (1973), Das deutsche Städtelexikon. 1500 Städte und Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland, Bayreuth 1983 > D Deutsche Geschichte, 1949-heute

Siegburg, Stadt zwischen Rhein und Bergischem Land: Die Siedlung Siegburg (Altstadt) am Siegberg (Burg) als Michaelsberg (Abtei) reicht wohl bis in das 9./10. Jahrhundert zurück; im 10./11. Jahrhundert dominierten politisch die rheinischen Pfalzgrafen das Gebiet des Auelgaus (Siegburger Servatiuskirche [10. Jahrhundert, Ende]). Dem Kölner Erzbischof Anno II. (1056-1075) gelang es, den pfalzgräflichen Einfluss im Auelgau zu verdrängen (ca.1058) und 1064 ein Benediktinerkloster auf dem Michaelsberg zu gründen (Siegburger Reform). Der Ort Siegburg wurde von König Heinrich IV. (1056-1106) mit Markt-, Zoll- und Münzrecht ausgestattet (1069; vicus Antreffa, klösterlicher Burgbann [1071]) und entwickelte sich zur Stadt (Bezeichnung als civitas 1182; Stadtmauer [12. Jahrhundert]). In der Stadt galt der Siegburger Abt als Stadtherr, die Vogtei hatten seit dem 12. Jahrhundert die Grafen von Berg inne (Stadtburg der Vögte 1243), die Siegburger Bürgergemeinde wurde durch den Rat repräsentiert. Abtei und Stadt waren auch Mittelpunkt der Annoverehrung (Grablege Annos in Siegburg [1075], Heiligsprechung Annos 1183, Annoschrein in der Annokapelle der Abtei). Die Siegburger Kirchenlandschaft war geprägt von der Klosterkirche (romanische Abteikirche mit Krpyta [1066], spätgotischer Chorbau [ca.1400], barockes Langhaus [1649/77]) und der Servatiuskirche, die im 12./13. Jahrhundert umgebaut wurde; hinzu kamen einen Augustinerinnen- und ein Minoritenkloster (städtische Lateinschule [1597]). Siegburg war zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert ein Zentrum der Keramikherstellung (Keramik Pingsdorfer Art, Siegburger Steinzeug, Keramik für den Fernhandel; [befestigte] Töpfersiedlung Aulgasse). Außerdem wurden in der Stadt Textilien und Lederwaren hergestellt, es gab einen ausgedehnten Weinhandel. Im Dreißjährigen Krieg (1618-1648) wurde die Stadt von schwedischen Truppen besetzt (1632/35). 1676 fiel Siegburg als Unterherrschaft an das Herzogtum Berg (Erbvergleich von Düsseldorf). Die (Kreis-) Stadt (1816) gehörte ab 1815 zum Königreich Preußen, die Benediktinerabtei wurde 1803 aufgehoben (Irrenanstalt 1825/79, Zuchthaus 1879/1914, neuer Benediktinerkonvent 1914/41 bzw. 1945/2010/11, Unbeschuhte Karmeliter ab 2013).
Zu Siegburg s.: Heimatbuch der Stadt Siegburg, hg. v. Hermann Joseph Roggendorf (1964/71), 3 Bde., Siegburg 1964, 1967, 1971, VIII, 609 S., 816 S., 654 S., Abbildungen, DM 120,-; > S Siegburger Studien. [Buhlmann, 02.2022]

Siegburger Studien sind eine Reihe zur (meist mittelalterlichen) Geschichte der Benediktinerabtei Siegburg (und dessen Stifters Anno). U.a. sind meist als Geschichtsquellen erschienen: Bd.III (1966): Bericht über die Translation des heiligen Erzbischofs Anno und annonische Mirakelberichte (Siegburger Mirakelbuch), Buch I und II. Lateinisch-Deutsch, hg. v. Mauritius Mittler, Siegburg 1966, Bd.IV (1967): Annonische Mirakelberichte (Siegburger Mirakelbuch). Buch III und IV und Nachtrag. Lateinisch-Deutsch, hg. v. Mauritius Mittler, Siegburg 1967, zus. VII, 289 S., DM 6,-; Bd.VI-VII (1971): Das Bödinger Memorienbuch, hg. v. Mauritius Mittler, Siegburg 1971, 36, 366 S., Abbildungen, Karte, DM 17,-; Bd.VIII (1974): Mittler, Mauritius, Studien zur Geschichte der Siegburger Abteibibliothek, Siegburg 1974, XII, 138, [18] S., Abbildungen, € 5,10; Bd.X (1975): Die jüngere Annovita. Lateinisch-Deutsch, hg. v. Mittler, Mauritius, Siegburg 1975, XXXV, 226 S., DM 24,-. [Buhlmann, 02.2022]

Siegmund-Schultze, Walther (1978), Johann-Sebastian Bach. Genie über den Zeiten (= Heyne Biographien 49), München 1978, 281 S., Schwarzweißabbildungen, DM 7,80. Geboren am 21./31. März 1685 in Eisenach, entstammte Johann-Sebastian Bach einer sehr musikalischen Familie und genoss daher eine musikalische Ausbildung u.a. bei seinem älteren Bruder Johann Christoph Bach in Ohrdruf (1695/1700), wo er auch in seiner schulischen Ausbildung das Lyzeum besuchte, um danach auf die Partikularschule des Lüneburger Michaelisklosters zu wechseln (1700/03). Bis zum Ende der Schulzeit, die ihn auch für ein Universitätsstudium befähigte, blieb Bach in Lüneburg; hier war er u.a. als Mettenchorsänger tätig und beschäftigte sich auch intensiv mit dem Orgelspiel. Es folgten Anstellungen als Musiker: als Violinist in Arnstadt (1703/07), als Organist und Komponist in Mühlhausen (1707/08). Der 1707 eingegangenen Ehe mit seiner Cousine Maria Barbara (Bach; †1720) entsprossen sieben Kinder, u.a. die Komponisten und Kirchenmusiker Wilhelm Friedemann Bach und Carl Philipp Emanuel Bach. In seiner Weimarer Zeit (1708/17) schuf Johann-Sebastian Bach zahlreiche musikalische Kompositionen, u.a. den Hauptteil seines Orgelwerks, Fugen, Präludien; auch wurde er dort Konzertmeister, eine Stellung, die er für die als Kapellmeister am Köthener Hof aufgab (1717/23). Aus der Zeit in Köthen stammen u.a. Bachs "Brandenburgische Konzerte". Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau (1720) heiratete Bach die Sopranistin Anna Magdalena (Wilcke; †1760), von der er 13 Kinder hatte, die teilweise früh verstarben. Bach blieb weiterhin ein anerkannter Komponist und Kirchenmusiker, wie das "Wohltemperierte Klavier" oder seine Violinsonaten zeigen. Ab 1723 - bis zu seinem Tod (1750) - hatte Bach das renommierte Amt des Thomaskantors in Leizig inne, blieb aber auch noch mehrere Jahre (1723/28) mit dem Köthener Fürstenhof verbunden. In seiner Leipziger Zeit (1723/50) komponierte Bach vielfach Kantaten, als weitere Kirchenmusik das "Magnificat" oder die "Johannespassion"; auch weltliche Musik enstand im Zusammenhang mit Bachs Leitung des Leipziger Collegium musicum (1729/41/46). In seinem letzten Lebensjahrzehnt komponierte Bach die "Goldberg-Variationen", die "Kunst der Fuge" oder das "Musikalische Opfer". Gegen Ende seines Lebens machten den Komponisten eine einschränkende Augenkrankheit (letztlich auf Grund einer wohl angeborenen Kurzsichtigkeit) und motorische Probleme (der rechten Hand) zu schaffen. Johann-Sebastian Bach starb am 28. Juli 1750 in Leipzig, wo er tags darauf auf dem Johannisfriedhof beerdigt wurde (Umbettung der Gebeine Bachs in die Johanneskirche 1894, Umbettung in die Thomaskirche 1950). Das musikalisch-klassische Werk Bachs wurde von seinen Söhnen weitergegeben, erlebte im 19. Jahrhundert eine Renaissance und wurde seit dem 20. Jahrhundert zum Gegenstand historischer Aufführungspraxis. [Buhlmann, 04.2019]

Sierck, Michael (1995), Festtag und Politik. Studien zur Tagewahl karolingischer Herrscher (= AKG Beih.38), Köln-Weimar-Wien 1995 > Z Zeit

Sierksma, Klaes (2000), Liudger Thiadgrimssohn. Herkunft und Familie. Versuch der Richtigstellung einiger im Laufe der Zeit entstandener Fehldeutungen der Viten Liudgeris, Essen-Werden [2000] > L Liudger

Sieroka, Norman (2014), Philosophie der Physik. Eine Einführung (= BSR 2803), München 2014, 127 S., € 8,95. I. Physik beschäftigt sich mit dem Aufbau und der Wechselwirkung von Materie, was auch immer unter Materie zu verstehen ist. Im Verlauf der Menschheitsgeschichte der Physik entstanden Modelle und Theorien zur Physik, die erkenntnistheoretische Motive und Perspektiven zu physikalischen Fragestellungen mit sich brachten. Die Physik ist mithin gerade im Laufe der letzten Jahrhunderte durch eine Mathematisierung, durch Erklärungsstrategien, durch ein bewusstes oder unbewusstes methodisches Vorgehen geprägt. II. Am Anfang einer Geschichte der Physik stehen - neben den altorientalischen Astronomen und deren Weltbeobachtung - die Vorsokratiker und griechischen Naturphilosophen mit ihrem erkenntnistheoretischen Übergang vom Mythos zum Logos, mit der Betrachtung der physis, der Natur (Begriff "Physik"; Elementarismus des Thales von Milet u.a., vier Elemente des Empedokles, Atomismus des Demokrit u.a. [7.-4. Jahrhundert v.Chr.]). Der griechische Mathematiker und Philosoph Pythagoras (ca.570-500 v.Chr.) und der Philosoph Platon (427-347 v.Chr.) stehen dann auch für eine mathematische Betrachtung von Physik; Zahlen und Symmetrien symbolisieren kosmos ("Ordnung") und "Harmonie", platonische Körper und die damit verbundenen Grundelemente bilden den Anfang einer wirkungsmaechtigen Entwicklungslinie innerhalb der Physik. Der Philosoph Aristoteles (384-322 v.Chr.) war den zweckursächlichen Kräften innerhalb der physikalischen Bewegungen empirisch auf der Spur (empeiria als Grundlage von [erkenntnistheoretischer] episteme und [handwerklicher] techne). Der Mathematiker Archimedes (287-212 v.Chr.) steht dann für Emperie und Experiment. III. In der frühen Neuzeit erfolgte die beginnende Mathematisierung der Physik auf Grund von Experiment und daraus abzuleitenden Naturgesetzen. Die drei Keplerschen Gesetze und ihre Symmetrien sind hierfür ein Beispiel (Johannes Kepler [1571-1630], Astronomia Nova 1609). Innerhalb der Bewegungslehre waren Galilei Galileo (1564-1642; Fallgesetze) und Isaac Newton (1643-1727; Principia Mathematica 1687 [Theorie der Kräfte, Gravitationsgesetz]) richtungsweisend, während für Rene Descartes (1596-1650; Ätherwirbeltheorie) geometrische Überlegungen bei der Beschreibung mechanischer Prozesse im Vordergrund standen, wogegen Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) in seiner Schrift Specimen Dynamicum (1695) massive Einwände erhob (Ursache und Wirkung, wirkursächliche Zusammenhänge, Energien). Die frühneuzitliche Physik war dabei vielfach von angeblichen metaphysischen Grundvoraussetzungen abhängig. IV. Die moderne Physik des 19. bis 21. Jahrhunderts ist eine mathematisierte Physik, die mit einem "Verlust von Anschaulichkeit" einhergeht. Neben den makroskopischen Bereichen der Mechanik (Leonard Euler [1707-1783], Joseph-Louis Lagrange [1736-1813], William Rowan Hamilton [1805-1865]) und der (statistischen) Thermodynamik (James Clerk Maxwell [1831-1879], Ludwig Boltzmann [1844-1906]) traten die von Feldtheorien bestimmten Bereiche der Elektrodynamik/-magnetismus (Andre-Marie Ampere [1775-1836], Michael Faraday [1791-1836], Maxwell [Maxwell-Gleichungen], Heinrich Hertz [1857-1894], Gustav Mie [1868-1957]; elektromagnetische Wellen [Licht], Äther [Michelson-Morley-Versuch]) und der (speziellen, allgemeinen) Relativitätstheorie (Albert Einstein [1879-1955]; Theorie der Gravitation) zusammen mit dem Versuch einer vereinheitlichten Feldtheorie (Hermann Weyl [1885-1955]; euklidisch-riemannsche Geometrie), weiter die Quantenphysik des Atomaren (Max Planck [1858-1947, Plancksches Wirkungsquantum], Max Born [1882-1970], Erwin Schrödinger [1887-1961], Werner Heisenberg [1901-1976]; Quantenmechanik [Wahrscheinlichkeiten, schwache, starke Kraft]; Quantenchromodynamik/-elektrodynamik [Quarks, Elementarteilchen, Eichbosonen, Higgs-Teilchen]) und neuere Versuche der Vereinheitlichung (Stringtheorie, Supergravitation, Geometrie). V. Die Geschichte der Physik liefert dann philosophisch-erkenntnistheoretische Resultate zum Umgang mit physikalischen Sachverhalten in der Naturwissenschaft. Physikalische Begrifflichkeiten werden in der modernen Physik zu abstrakten Begriffen "symbolischer Konstruktion" (Ernst Cassirer [1874-1945], Weyl; "Feld" als mathematische Funktion, "Farbe" von Quarks usw.), die als "ideale Setzung" der Obejektivität verpflichtete physikalische Theorien beschreiben helfen. Theorien zeichnen sich dabei aus durch Vorhersagbarkeit, formale Einfachheit, Ähnlichkeit bei ähnlichen physikalischen Phänomenen (Weyl). Es gibt Übergänge (Spezialisierungen, Verallgemeinerungen) zwischen Theorien (Klassische Mechanik; Quanten-, Elektrodynamik, Quantenfeldtheorie [Standardmodell], spezielle, allegmeine Relativitätstheorie; Stringtheorie, Supergravitation, Quantengeometrodynamik). Moderne Theorien setzen dabei einen (abgeschwächten) Kausalitätsbegriff voraus, wonach das allgemeine Kausalitätsprinzip mathematische Formalisierbarkeit bedeutet und neben den Aussagen über Messungen und zu physikalischen Gesetzen sowie Prinzipien Physik erklärt (Cassirer; Heisenbergische Unschärferelation). Erklärungen von Physik seit der Antike können schließlich (vereinheitlichend) typisiert und systematisiert werden als mereologisch (Grundbestandteile der Materie), explanatorisch (Kräfte) und holistisch (Geometrisierung, Mathematisierung) mit Übergängen dazwischen (Darstellungsweisen [Hertz], Invarianzen und physikalische Symmetrien [Emmy Nöther]). Erkenntnisse in der Physik werden nicht zuletzt durch Experiment und Empirie vermittelt (theoretische Vorhersagen und physikalisches Experiment). VI. Einen [vermeintlichen?, grundlegenden?] Vergleich zwischen östlicher Mystik bzw. der buddhistischen Philosophie Nagarjunas (ca. 2. Jahrhundert) einerseits und der westlichen Wissenschaft der Quantenphysik andererseits bietet: Kohl, Christian Thomas (2005), Buddhismus und Quantenphysik. Schlussfolgerungen über die Wirklichkeit (= Windpferd Auroris Tb), Oberstdorf 32013, 320 S., Schwarzweißabbildungen, € 12,95. [Buhlmann, 09.2015, 02.2018]

Sieroka, Norman (2018), Philosophie der Zeit. Grundlagen und Perspektiven (= BSR 2886), München 2018, 128 S., Schwarzweißabbildungen, € 9,95. Bei der philosophischen Betrachtung des Phänomens "Zeit" werden ein modalzeitlicher (vergangen, gegenwärtig, zukünftig; vor, nach; A-Reihe/Reihung, A-Zeiten) oder ein lagezeitlicher Ansatz (Datum, Uhrzeit, zeitliche Bezugspunkte; B-Reihe/Reihung, B-Zeiten) vertreten. Die Philosophie der Zeit diskutiert dann: a) Metaphysisch besitzt der lagezeitliche B-Ansatz Vorteile, etwa wenn es - wie bei der speziellen Relativitätstheorie Albert Einsteins - um die nicht absolut zu definierende Gleichzeitigkeit von Ereignissen geht. Vorteile für den modalzeitlichen Ansatz ergeben sich, wenn man die "vermeintlich offene Zukunft", die Gegenwart und die "unwiederbringliche Vergangenheit" gegenüberstellt. b) Die feststellbare Gerichtetheit von Zeit von Vergangenheit zur Gegenwart zur Zukunft lenkt die Philosophie auf die Frage nach Ursachen und Wirkungen, nach Kausalzusammenhängen; dabei wird auch die Frage diskutiert, ob (umgekehrt) physikalische Ursache-Wirkung-Zusammenhänge die Gerichtetheit der Zeit definieren (z.B. Entropie und Zeit) und ob das "menschliche Erleben" die Zeitrichtung bestimmt (Erinnern an die Vergangenheit, Handeln in der Zukunft; praktische Philosophie des Geistes). Individuelle, gesellschaftliche oder physikalisch-äußere Zeit "gabelt" sich dabei gleichsam "auf", so dass "Klassen korrelierter Ereignisse" entstehen, die in der Physik mittels der B-Theorie gut beschrieben werden können, beim Menschen hingegen mit der A-Theorie, was "inneres Zeitbewusstsein", Zeitwahrnehmung (Musik als "Zeitkunst"), pathologische Symptome ("Zeit und Leid") oder auch die praktische Philosophie (Vorurteile, Generationenverantwortung, Zeit als "knappes Gut") anbetrifft. c) Zeit tritt in verschiedenen Erscheinungsformen auf. Dabei steht z.B. in den modernen Industriegesellschaften eine "beschleunigte" Zeit der Gesellschaft eine vielfach angemahnte "entschleunigte" individuelle (Eigen-) Zeit gegenüber. Formen der Zeit sollten allerdings nicht synchronisiert und gleichgetaktet werden, vielmehr machen die Unterschiede der Zeitformen das zeitlich begrenzte Leben eines Menschen aus. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die A- und die B-Theorie der Zeitphilosophie als Ausfluss des einen vielgestaltigen Zeitphänomens. > Z Zeit [Buhlmann, 02.2019]

Sigismund, deutscher König und Kaiser: König Sigismund war der am 14. Februar 1368 geborene Sohn Kaiser Karls IV. (1347-1378) und der Elisabeth von Pommern. 1387 wurde er König von Ungarn, am 20. September 1410 erfolgte seine Wahl zum deutschen König - in Konkurrenz zu seinem etwas später gewählten Vetter Jobst von Mähren und zu seinem älteren, eigentlich als abgesetzt geltenden Bruder Wenzel (1378-1419). Nach dem Tod Jobsts (1411) ist Sigismund allgemein als König anerkannt worden. Am 8. November 1414 wurde der Luxemburger in Aachen zum König gekrönt. Von Anfang an stand die Regierung Sigismunds unter dem Dilemma, dass der König sich um zwei Reiche, Deutschland und Ungarn, zu kümmern hatte; die Niederlage gegen die Türken bei Nikopolis (1396) und innere Schwierigkeiten machten dabei Ungarn zu einem schwer zu beherrschenden Königreich. In Deutschland leitete Sigismund mit dem am 5. November 1414 eröffneten Konzil zu Konstanz (1414-1418) die Beendigung des Großen Schismas ein; die Wahl Papst Martins V. (1417-1431) brachte diesbezüglich den Abschluss. Die auf dem Konzil verfügte Verbrennung des wegen Ketzerei beschuldigten Jan Hus (6. Juli 1415) führte indes zu den nach 1419 in Böhmen eskalierenden hussitischen Wirren und damit zu Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Sigismunds Anspruch auf die böhmische Krone; die 1420er-Jahre waren vom Kampf des Königs gegen die Hussiten und um Böhmen bestimmt. Im Konflikt gegen die Kurfürsten (Binger Kurverein 1424, 1427) konnte sich Sigismund behaupten. Sein Aufenthalt in Ungarn (1426-1428) stabilisierte sein östliches Königreich gegen die angreifenden Osmanen. Zwischen 1431 und 1433 war Sigismund - als erster deutscher König seit Langem - in Italien zu finden; im Spätherbst 1431 erfolgte seine Krönung zum König von Italien in Mailand; am 31. Mai 1433 fand die Kaiserkrönung in Rom statt. 1436 gelang es Sigismund schließlich, als König von Böhmen anerkannt zu werden. Als Kaiser, deutscher, ungarischer und böhmischer König vereinigte er damit vier Kronen in seiner Hand. Die Jahre nach 1430 standen unter dem Zeichen der sog. Reichsreform, waren also verbunden mit dem Bemühen Sigismunds und seiner Räte um eine politische Reform im römisch-deutschen Reich (Friedenssicherung, Reform der Gerichtsbarkeit, Münz- und Geleitwesen, Sicherung der westlichen Grenze gegenüber dem "Zwischenreich" der burgundischen Herzöge). Diesbezügliche Verhandlungen zwischen König, Fürsten und Städten gestalteten sich aber mühsam und führten auch beim Reichstag zu Eger (Juli 1437) zu keinem Abschluss. Immerhin überdauerte die Idee einer Reichsreform Sigismund, wie nicht zuletzt die nach dem Tod des Kaisers verfasste Reformatio Sigismundi zeigt. Sigismund starb am 9. Dezember 1437 im mährischen Znaim. Er hinterließ seine einzige Tochter Elisabeth, die seit 1421 mit seinem Nachfolger Albrecht II. von Habsburg (1438-1439) verheiratet war.
Eine Biografie zu Sigismund ist: Hoensch, Jörg K. (1996), Kaiser Sigismund. Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit (1368-1437), München 1996, 625 S., Abbildungen, Karten, DM 86,-. "Politische Funktionszusammenhänge" zwischen König Sigismund und den politischen Kräften im Reich (Stabilität der Königsherrschaft auch ohne Hausmacht, Zusammengehörigkeitsgefühl der politisch Handelnden im Reich, [neutrales] Königtum als "abstrakte Reichsmitte", Regulationsmechanismen [König, Schiedsgericht, Fehde], Mitwirkungsmöglichkeiten des Königs am Reichsgeschehen [Kurfürsten, Rolle des rheinischen Pfalzgrafen, König als oberster Lehnsherr, König als oberste Rechtsinstanz], Stärkung der Reichsverfassung [Eingreifen des Königs bei Verletzung der Reichsverfassung, progressive Krisenbewältigung], König als Vogt der Kirche [Konstanzer und Basler Konzil]) beleuchtet: Wefers, Sabine (1989), Das politische System Kaiser Sigmunds (= Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz. Abteilung für Universalgeschichte, Bd.138 = Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reichs, Nr.10), Stuttgart 1989, IX, 254 S., € 3,90. [Buhlmann, 10.1998, 08.2014, 03.2018]

Signale der deutschen Eisenbahnen. Mit allen Neuerungen des aktuellen DB-Signalbuches, München 2007 > E Eisenbahn(en) in Mitteleuropa

Signori, Gabriela, Maria zwischen Kathedrale, Kloster und Welt. Hagiographische und historiographische Annäherungen an eine hochmittelalterliche Wunderpredigt, Sigmaringen 1995 > M Maria (Heilige)

Simek, Rudolf (1984), Lexikon der germanischen Mythologie (= KTA 368), Stuttgart 32006 > G Germanische Mythologie, Religion

Simek, Rudolf (1992), Erde und Kosmos im Mittelalter. Das Weltbild vor Kolumbus, München 1992 > M Mittelalterliches Weltbild

Simek, Rudolf (2003), Religion und Mythologie der Germanen, Darmstadt 2003 > G Germanische Mythologie, Religion

Simek, Rudolf (2015), Monster im Mittelalter. Die phantastische Welt der Wundervölker und Fabelwesen, Wien-Köln-Weimar 22019, 347 S., Farbabbildungen, "Lexikon der menschlichen Monster", € 30,-. I. Zunächst zur Begrifflichkeit: "Monster", lateinisch monstrum, hängt mit dem lateinischen Verb monstrare für "zeigen, deuten, hindeuten" zusammen. Und so zeigen die "Monster" "Wunderliches" und "Wunder" an, gehören also zum christlichen Wunderglauben des Mittelalters. Damit hängen die "Vorzeichen", lateinisch portentum bzw. prodigium, zusammen, die auf Zukünftiges verweisen. Portentum und prodigium können aber auch "Missgeburt, Ungeheuer" bedeuten. Dabei gehörten "Ungeheuerlichkeiten" wie Monster oder Fabelwesen durchaus zur von Gott geschaffenen Natur - so Isidor von Sevilla (†636) in seinen Etymologiae -, waren also Teil der Schöpfung Gottes, wenn auch ein dem Menschen vielfach verborgener. II. Nun boten schon die im mittelalterlichen Sinne bewohnten drei Kontinente Europa, Asien und Afrika viel Wundersames. Der ferne Osten wurde wegen seines Reichttums bewundert, der heiße Süden zeichnete sich gemäß den Collectanea des Gaius Julius Solinus (3./4. Jahrhundert) durch wilde Tiere wie Nashorn (Einhorn), Chamäleon, Basilisken und Drachen aus, der öde Norden war einfach nur kalt. Man ordnete Tiere, Völker und monströse Menschenrassen einzelnen Regionen zu, u.a. gaben die mittelalterlichen Bestiarien erbaulich-moralische Auskunft über das Aussehen und die Eigenschaften von bekannten und fiktiven Tieren. Was die Menschen und menschlichen Völker anbetraf, so waren diese organisiert in großen Reichen wie China oder Japan oder im indisch-äthiopischen Reich des fiktiven Priesters Johannes, die biblisch-apokalyptischen Völkerschaften der Gog und Magog soll Alexander der Große (336-323 v.Chr.) auf seinem Feldzug zur Eroberung des persischen Reiches hinter einer Mauer nördlich des Kaspischen Meeres eingeschlossen haben (Alexandreis des Walter von Châtillon, 12. Jahrhundert). Die monströsen Menschenrassen und Wundermenschen schließlich siedelten am Rand der Ökumene, auch ihr gegenüber wie die Antipoden ("Gegenfüßler"); aus Indien und Äthiopien berichtete man von Schattenfüßlern (skiopodes), Menschenfressern (anthropophagi), Schlappohrmenschen (panoti), Hundsköpfigen (cynocephales), Fischfressern (ichthyophagi), kopflosen Blemmyae, Satyrn und Faunen sowie Hermaphroditen. Dabei stellte man u.a. diese Menschenähnlichen entwicklungsmäßig (und "darwinistisch") zwischen Menschenaffen und Menschen und erklärte deren Existenz und monströse Verformung mit "genetischen" Gründen (Defizienz des männlichen Samens) oder biblisch dadurch, dass die Wundervölker Nachkommen des Noahsohns Cham gewesen wären. III. Im europäischen Mittelalter schlug sich das "Wissen" um die Monster nieder u.a. in den Abbildungen in Handschriften und Büchern - so beim Liber de natura rerum des Thomas von Cantimpré (†1272) - sowie in der Kirchenarchitektur, wo Kapitellfiguren oder Wasserspeier einen apotropäischen (Unheil abweisenden) Charakter besaßen. [Buhlmann, 11.2019]

Simek, Rudolf (2018), Die Geschichte der Normannen. Von Wikingerhäuptlingen zu Königen Sizliens, Stuttgart 2018 > N Normannen

Simmel, Oskar, Stählin, Rudolf (Hg.) (1957), Christliche Religion (= FL 3), Frankfurt a.M. 1957 > R Religion(en)

Sindelfingen, Stadt in Schwaben: Im Sindelfinger Raum weisen archäologische Spuren auf vorgeschichtliche Besiedlung in der Urnenfelder-, Hallstatt- und Latènezeit hin; auch gab es einen römischen vicus und römische Gutshöfe (1./3. Jahrhundert n.Chr.). Der -ingen-Ort Sindelfingen und die Kirche mit Martinspatrozinium reichen in alemannische Zeit zurück. Das castrum Sindelfingen war um die Mitte des 11. Jahrhunderts Ort der Gründung eines Benediktinerklosters durch Graf Adalbert II. von Calw (†1099), das alsbald (1066) in ein Chorherrenstift umgewandelt wurde (Umzug der Mönche nach Hirsau, Verlagerung der gräflichen Herrschaft in den Nordschwarzwald). Die 1083 geweihte frühromanische Martinskirche (dreischiffige Pfeilerbasilika mit drei Apsiden als Ostabschluss) als Stiftskirche aus der Zeit um und nach 1100 gehört in diesen Zusammenhang (Fertigstellung 1132). Das 1133 erstmals erwähnte Dorf und das Stift bildeten zwei der Siedlungsschwerpunkte Sindelfingens, der Ort kam in die Verfügung der welfischen Herzöge (ca.1133) und der Pfalzgrafen von Tübingen; Graf Rudolf I. von Tübingen-Herrenberg (†1277) gründete 1263 die Stadt Sindelfingen, die mit Tübinger Stadtrecht ausgestattet wurde (städtischer Schultheiß 1271). Sindelfingen stand von Anfang an in Konkurrenz zum benachbarten Böblingen. Die Stadt wurde 1351 an die Grafen von Württemberg verkauft; Graf Eberhard V. im Bart (1450-1496) verlegte im Zuge der Gründung der Tübinger Universität das Sindelfinger Chorherrenstift nach Tübingen (1476/77), ein "Reststift" als reguliertes Chorherrenstift bestand in Sindelfingen bis zu seiner Aufhebung während der württembergischen Reformation (1535). In der frühen Neuzeit verblieb Sindelfingen (Altes Rathaus 1478, Neues Rathaus 1592, frühneuzeitliche Fachwerkhäuser) als weitgehend unbedeutende Landstadt im Herzogtum Württemberg (Oberamt Böblingen, Amt Sindelfingen), bei Sindelfingen wurden die aufständischen württembergischen Bauern im Bauernkrieg besiegt (1525). Industrialisierung und Gründerjahre im deutschen Kaiserreich (1870/71-1918) machten aus Sindelfingen ein Zentrum der Weberei, 1915 entstand hier ein Zweigwerk des Autobauers Daimler, das zum größten Werk der Daimler-Benz AG wurde. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) wurde Sindelfingen wieder aufgebaut und u.a. Hauptsitz der IBM Deutschland (1949), die Stadt erlebte in der Nachkriegszeit einen Bevölkerungzuwachs auf über 64000 Menschen. Zur heutigen Großen Kreisstadt gehören u.a. die Stadtteile Darmsheim und Maichingen (mit der Laurentiuskirche).
Zu Sindelfingen s.: Schurr, Sibylle, Hülle, Dieter E. (1980), Sindelfingen, Sindelfingen 21983, 112 S., Schwarzweiß- und Farbfotografien, DM 32,50. [Buhlmann, 07.2018]

Sklaverei, Geschichte der: I. Die Geschichte der Sklaverei durchzieht die Menschheitsgeschichte, auch heute noch im [angeblichen] Zeitalter der Menschenrechte. Zu unterscheiden sind im Verlauf menschlicher Gesellschaften und Kulturen vielleicht Sklavengesellschaften (relevanter gesellschaftlicher Anteil von Sklaven, auf Sklaverei aufbauende Ökonomie: griechisch-römische Antike, atlantische Welt der frühen Neuzeit mit Afrika, Nord-, Mittel- und Südamerika) von Gesellschaften mit Sklaven (chinesisch-indische Welt, islamisch-arabisch-türkische Welt, spätmittelalterliches Südeuropa). Die Definition von Sklaverei ist - abseits von Stereotypen und Vorurteilen - naturgemäß schwierig und kann z.B. abzielen auf die gesellschaftlich institutionalisierten persönlichen Beziehungen von Sklaven, die geprägt sind von Gewalt und Gewaltherrschaft gegenüber, von Entrechtung, Entehrung und Namenlosigkeit der (einen "sozialen Tod" erleidenden) "Unperson" des Sklaven. Sklaverei erscheint je nach Kultur und Gesellschaft und je nach den Lebensumständen des Sklaven also in höchst unterschiedlichen Formen. II. Die Sklaverei in der griechisch-römischen Antike [neben der im zeitlich vorangehenden, zeitlich parallel laufenden antiken Vorderen Orient] lässt kaum eine theoretische Fundierung erkennen (Aristoteles: Ausführungen zur Sklaverei; Gaius: Dichotomie frei-unfrei). Praktisch waren Sklaven Kriegsbeute oder rekrutierten sich aus (Selbst-) Verkauf, Aussetzung, Menschenraub, Schuldknechtschaft, Verbrechen u.ä. (Sklaven und "Barbaren"); inwieweit die Selbstreprdoduktion von Sklaven zur Rekrutierung beitrug, ist umstritten (niedrige Reproduktionsrate -> Sklavenhandel). Sklaven waren für die antike Ökonomie durch ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten (Haushalt und Bildung, Landwirtschaft, Handwerk, Bergbau, sexuelle Dienste) wichtig; die Ausbeutung von Sklaven ging auch über ökonomische Gesichtspunkte hinaus, etwa wenn die athenische Demokratie (5./4. Jahrhundert v.Chr.) die Freistellung der Bürger von Arbeit geradezu erforderte. Die enorm anwachsende Sklaverei im das Mittelmeerraum einbeziehenden römischen Reich (3.-1. Jahrhundert v.Chr.) entwickelte sich vornehmlich vor dem Hintergrund von Krieg und römischer Eroberung u.a. mit der Folge der Entstehung der Latifundienwirtschaft oder der von Sklavenaufständen (Sizilien, Spartacusaufstand). Das Institut der Freilassung (manumissio) von Sklaven im römischen Recht machte aus dem Sklaven einen römischen Bürger, der freilich immer noch enge (familiäre) Beziehungen zu seinem patronus unterhielt. In der Spätphase des römischen Kaiserreichs ging die Sklaverei vor dem Hintergrund politisch-militärischer und wirtschaftlicher Krisen zurück, um sich entlang des Mittelmeers und im byzantinischen Reich auch im Mittelalter fortzusetzen. III. Freilich verboten die vorherrschenden monotheistischen Religionen des Christentum und des Islam die Versklavung ihrer jeweiligen Glaubensbrüder, so dass etwa in Europa an den Rändern der christlichen Reiche von Heiden bewohnte "Versklavungszonen" (slaving zones) entstehen konnten. Umgekehrt betrieben die Wikinger (9.-11. Jahrhundert) Sklaverei und Sklavenhandel mit auf ihren Raubzügen erbeuteten christlichen Sklaven. Sklaverei war auch im Osteuropa des frühen und hohen Mittelalters verbreitet, während die "Feudalisierung" des mittelalterlichen Europa wohl keine Auswirkung auf einen eventuellen Rückgang der Sklaverei hatte (<-> These Marc Blochs). Vielmehr kam seit dem 13. Jahrhundert in Südeuropa ein verstärkter Sklavenhandel und -besitz auf (italienische Handelsstädte Venedig, Genau, Palermo; Beschäftigung von Sklaven im Haushalt, indentured labourers, Zuckerrohranbau auf Zypern, Kreta, Rhodos), während europäische Sklaven auch in die islamische Welt verkauft wurden und die Bedeutung der Galeerensklaverei weiter wuchs. IV. Der von Europäern betriebene Zuckerrohranbau verbreitete sich gegen Ende des Mittelalters auch auf den Atlantikinseln wie Madeira oder den Kanaren, wobei kanarische und afrikanische Sklaven zum Einsatz kamen. Die damit verbundene Plantagenwirtschaft war wegweisend für die Entwicklungen in der frühen Neuzeit. Grundvoraussetzung war der Sklavenhandel mit Menschen aus Afrika, der als Transsaharahandel (als Karawanenhandel) schon im 8. Jahrhundert einsetzte (Verbreitung des Islam in Nordafrika) und bis zum endenden 19. Jahrhunderts geschätzte vier Millionen Sklaven in den Mittelmeerraum brachte. Dem standen im Übrigen Hunderttausende aus Europa verschleppte christliche Sklaven gegenüber (16. bis 18. Jahrhundert), die von Piraten aus dem Maghreb verschleppt wurden, während christliche Korsaren umgekehrt Muslime versklavten (Galeerensklaverei, Freikauf der Versklavten ["Sklavenkassen"]). Afrika war auch ein Ausgangsgebiet für den Sklavenhandel im Indischen Ozean, der China, Indien und Ostafrika miteinander verband und in dem in der frühen Neuzeit neben Muslimen und Hindi zunehmend auch Europäer (aus Portugal, Niederlande, England, Frankreich) mitmischten (französische Plantagenwirtschaft auf Mauritius und Réunion [Sklaven aus Madagaskar]). Noch im 19. Jahrhundert stieg im Raum um den Indischen Ozean der Sklavenhandel stark an (Industrialisierung, Nachfrage nach Rohstoffen). Der transatlantische Sklavenhandel der frühen Neuzeit war gegenüber dem im Indischen Ozean quantitativ kleiner. Im atlantischen Handelsdreieck zwischen Europa, Afrika und Amerika tranportierten Schiffe europäische Waren (Textilien, Glas, Metallwaren) für die Eliten in Afrika, es wurden Waren gegen Sklaven getauscht und die Sklaven nach Amerika transportiert, um im Rahmen einer ausgedehnten Plantagenwirtschaft Zucker, Rum, Baumwolle u.a. für Europa zu produzieren. Über 11 Millionen afrikanische Sklaven gelangten so in die "Neue Welt", rund 1,5 Millionen überstanden die Überfahrt über den Atlantik nicht (16.-19. Jahrhundert). Am transatlantischen Handel auf der Grundlage eines westeuropäischen Handelskapitalismus waren beteiligt zunächst Portugal, Spanien, Niederlande, Dänemark, Brandenburg, später überwiegend auch England/Großbritannien und Frankreich, teilweise auch die Vereinigten Staaten. Die meisten Sklaven kamen nach Brasilien, viele auf die karibischen Inseln, rund 472000 afrikanische Sklaven erreichten die Vereinigten Staaten vor dem beginnenden 19. Jahrhundert. Die Sklaven wurden überwiegend in der Plantagenwirtschaft (Epoche der Sklavenplantagen ca.1680-1830) eingesetzt, was für die portugiesische Kolonie Brasilien Anbau von Zuckerrohr, Baumwolle, Kaffee und Goldbergbau (daneben Indigene als Sklaven, "Mulatten", "Kreolen"), für die spanische, englische, französische Karibik Zuckerrohr- und Baumwollanbau bedeutete, für Nordamerika bzw. die Vereinigten (Süd-) Staaten Tabak-, Reis- und Baumwollanbau (paternalistisches System der Sklavenhaltung, Sklavenhalteraristokratie). Die sozialen Spannungen zwischen Schwarz und Weiß bei einem nur geringen Anteil an weißer Bevölkerung waren besonders in der Karibik hoch, so dass es immer wieder zu Aufständen kam (Tackys Revolte auf Jamaika 1760/61). Die Jahrzehnte zwischen 1770 und 1830 stehen vielfach für das Ende von europäischem Kolonialismus und Sklaverei in Mittel- und Südamerika, eingeleitet u.a. durch die Sklavereidebatten im Zuge der Amerikanischen Revolution (1776), die Revolution in der bis dahin wirtschaftlich erfolgreichsten französischen Kolonie Saint-Domingue (1791), aus der die Republik Haiti werden sollte (Anerkennung durch die Pariser Nationalversammlung 1794, Verfassung 1801, französischer Angriff 1802, Republik 1804, Anerkennung durch Frankreich 1825), sowie die englische Abolitionsbewegung (ab 1807; Vorläufer [Jean Bodin 1570, John Locke 1689, Montesquieu 1748]), Aufklärung und Rasse, Amistad-Prozess vor dem US-amerikanischen Supreme Court 1839), gefolgt von Abolitionsdekreten (Abschaffung des Sklavenhandels <-> Anhalten des Sklavenhandels im Atlantik und Indischen Ozean) und Gesetzen gegen die Sklaverei als solche (englische Slavery Abolition Act 1833 u.a.). V. Dennoch überlebte die Sklaverei, z.B. im Zeitalter des europäischen Kolonialismus (<-> Abolitionismusbegründungen) als innerafrikanischer Sklavenhandel, der sich zu anderen Formen von Zwangsarbeit wandelte, die auch noch die Phase der Dekolonialisierung mitbestimmte (<-> Antisklavereikonvention des Völkerbunds 1926, Zwangsarbeitskovention 1930). Auch heute gibt es Sklaverei, nicht de iure, aber de facto, geprägt von langlebigen Sozialstrukturen z.B. in einigen afrikanischen Gesellschaften, geprägt auch von kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen wie in Indien, den arabischen Ländern oder Europa ("moderne Sklavereien") (<-> Einschätzung von Sklaverei: Begrifflichkeit) (nach: Eckert, Geschichte der Sklaverei).
Zur Sklavereigeschichte s.: Eckert, Andreas (2021), Geschichte der Sklaverei. Von der Antike bis ins 21. Jahrhundert (= BSR 2920), München 2021 > E Eckert, Geschichte der Sklaverei; Everett, Susanne (1998), Geschichte der Sklaverei, Augsburg 1998, 254 S., Abbildungen, DM 29,90; Finley, Moses I. (1980), Die Sklaverei in der Antike (= Fischer Tb 4352), Frankfurt a.M. 1985, 242 S., DM 12,80; Franklin, John Hope, Moss Jr., Alfred A. (1948), Von der Sklaverei zur Freiheit. Die Geschichte der Schwarzen in den USA (= Ullstein Tb 26550 = Propyläen Tb), Berlin 1999, 864 S., Schwarzweißabbildungen, DM 34,90; Kiechle, Franz (1969), Sklavenarbeit und technischer Fortschritt im römischen Reich (= Forschungen zur antiken Sklaverei, Bd.3), Wiesbaden 1969, 188 S., DM 20,-; Priesching, Nicole (2014), Sklaverei in der Neuzeit (= Geschichte kompakt), Darmstadt 2014, 126 S., € 4,95. [Buhlmann, 07.2020, 03.2021]

SL = Sammlung Luchterhand

Slack, Paul, Die Pest (= RUB 19218), Stuttgart 2015, Schwarzweißabbildungen, Karten, € 6,80. Die in den letzten zwei Jahrtausenden drei Mal als Pandemie auftretende und die eurasiatische Menschheit heimsuchende Seuche der (Beulen-) Pest (Justinianische Pest ca.541-ca.750 [1. Epidemie: 541-544], Schwarzer Tod 1347-ca.1771 [1. Epidemie: 1347-1352], Pandemie in China und Indien ab ca.1894 [1. Epidemie: 1894-1922]) hat ihre Ursache im Krankheitserreger Yersinia pestis und in dessen Übertragung durch Nagetiere (Ratten) und Flöhe auf den Menschen, beeinflusst jeweils von klimatischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. Besonders der Schwarze Tod im spätmittelalterlichen Europa (1347-1352, Folgeepidemien) kann auf Grund der relativ günstigen Quellenlage historisch beobachet werden. Dabei zeigt sich, dass von monokausalen "Schuldzuweisungen" an die Pest Abstand zu nehmen ist. Unstrittig sind die hohen Bevölkerungsverluste (ein Drittel der Bevölkerung Europas in der 1. Epidemie), unstrittig sind auch die wirtschaftlichen und sozialen Implikationen der Pest, d.h. die kulturell-gesellschaftlichen Veränderungen, die sich indes sehr wohl regional (stark) unterschieden. Mentalitätsgeschichtlich machte sich der Schwarze Tod bemerkbar durch eine schnelle Anpassung der Menschen an die neue Situation ("Leben mit der Pest"), durch die Auseinandersetzung mit dem Pest-Phänomen (Familäres [Bleiben oder Flucht, Opfer und Überlebende], Laienfrömmigkeit, Architektur ["perpendikularer Stil" in England, Kirche Santa Maria della Salute in Venedig], Kunst [Totentanz, Pestheilige], Literatur [Boccacios Decamerone, Defoes Journal of the Plage Year, Camus' Die Pest]), durch Erklärungsversuche und Maßnahmen gegen die Pest (Pesttraktate, Ansteckung und Verbreitung, Isolation und Quarantäne [europäisches Medizinwesen, Quarantänestationen wie erstmals 1377 in Ragusa oder 1423 in Venedig, österreichisch-ungarisch-osmanische Grenze]). Gerade die europäischen Gesellschaften entwickelten durch ihre Distanz zwischen "Welt" und christlicher Religion erfolgreiche Strategien zur Eindämmung der Pest, die während der 3. Pandemie auch im außereuropäischen Raum Verwendung fanden (Einstellung des Islam und der indisch-chinesischen Religionen gegenüber der Pest). Vgl. zur Pest noch: Bergdolt, Klaus (1994), Der Schwarze Tod in Europa. Die Große Pest und das Ende des Mittelalters, München 1994, 266 S., Abbildungen, Karten, DM 48,-; Bergdolt, Klaus (2006), Die Pest. Geschichte des Schwarzen Todes (= BSR 2411), München 2006, 128 S., Abbildungen, Karten, € 7,90. [Buhlmann, 11.2006, 09.2015]

SMGB = Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige

Smid, Stefan (2011), Der Spanische Erbfolgekrieg. Geschichte eines vergessenen Weltkriegs (1701-1714), Köln-Weimar-Wien 2011, 581 S., Karten, € 69,90 Ereignisgeschichtlich kann der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1713/14) wie folgt beschrieben werden (Tagesdatierung nach gregorianischem Kalender): Vorgeschichte: 1698: Erster Teilungsvertrag bzgl. der spanischen Erbfolge (21.10.); 1700: Zweiter Teilungsvertrag bzgl. der spanischen Erbfolge (25.3.), Testament des habsburgisch-spanischen Königs Karl II. (1665-1700) (3.10.), Tod Karls II. (1.11.); 1700/01: Herrschaftsantritt des Bourbonen Philipp von Anjou als spanischer König Philipp V. (1700-1721); 1701: Große Allianz von Den Haag (7.9.) gegen Frankreich; Französische Offensiven, Große Allianz in der erfolgreichen Defensive: 1701: Kaiserliche und französische Truppen in Norditalien, Aufstand in Neapel gegen Philipp V., Blockade Mantuas; 1702: Cremona, Belagerung Mantuas, Tod Wilhelms III. von Oranien (1689-1702), Kriegserklärungen, französische Offensiven an Rhein und Donau und deren Abwehr, Schlacht von Luzzera (15.8.), Seeschlacht bei Vigo (12.10.), Cevennenkrieg; 1703: Landau, erste Schlacht bei Höchstädt (20.9.), Bündnis Savoyens mit der Großen Allianz, 1703/04: Kuruzenaufstand und habsburgischer Verlust Ungarns; 1704: Eroberung Gibraltars (4.8.), Verwüstung Bayerns, zweite Schlacht bei Höchstädt (13.8.), Seeschlacht bei Malaga (24.8.), Vertrag von Ilbesheim (7.11.); 1704/05: Belagerung Gibraltars, Eroberung Barcelonas und Kataloniens, Karl (III.) in Spanien; Erfolge der Großen Allianz, Krise Frankreichs: 1705/06: französische Offensive in den Spanischen Niederlanden; 1706: Schlacht bei Ramillies (23.5.), Eroberung der Spanischen Niederlande, Einnahme von Menin, Belagerung und Schlacht von Turin (7.9.); 1707: Plünderung Württembergs, Belagerung Toulons; 1708: Kämpfe an Rhein und Mosel, französische Offensive in den Spanischen Niederlanden, Schlacht von Oudenaarde (11.7.), Belagerung von Lille; 1708/09: "Jahrhundertwinter"; 1709: Päpstlich-kaiserlicher Friede (15.1.), Wende in Spanien zu Gunsten Philipps V., Belagerung von Tournai, Schlacht bei Malplaquet (11.9.), Eroberung von Mons, Erster Barrierevertrag (29.10.); Zerfall der Großen Allianz, französisches Gegenspiel: 1710: Friedensverhandlungen von Geertruidenberg, Krieg in Spanien, 1711: Tod Kaiser Josephs I. (1705-1711), Karl VI. als Nachfolger Josephs; 1712: Friedenskongress von Utrecht (29.1.), Schlacht bei Denain (24.7.); 1713: Zweiter Barrierevertrag (30.1.), Vertrag von Madris (23.3.), Utrechter Friedensverträge (11./12.4., 13.7.), Landau, Freiburg; 1713/14: Friedensverhandlungen von Rastatt; 1714: Friede von Rastatt (7.3.), Frieden von Baden (7.9.); 1715: Spanisch-portugiesischer Frieden (6.2.), Dritter Barrierevertrag (11.11.). > S Schnettger, Spanischer Erbfolgekrieg [Buhlmann, 08.2017]

Smith, R. Alden (2011), Vergil. Dichter der Römer, Darmstadt 2012, 232 S., € 19,90. Publius Vergilius Maro (*70-†19 v.Chr.), der bedeutende römische Lyriker und Epiker, verschwindez als historische Persönlichkeit fast vollständig hinter seinem dichterischen Werk. Vergil, geboren am 15. Oktober 70 v.Chr., stammte aus Mantua, kam nach Studien in Mailand oder Cremona um das Jahr 45 v.Chr. nach Rom, wo er nach der Ermordung das Gaius Julius Caesar (44 v.Chr.) die Endphase der Brügerkriege der späten römischen Republik miterlebte. Patrone und Mäzene des Dichters waren u.a. Asinius Pollio und Maecenas, ein Dichterfreund und -kollege Gaius Cornelius Gallus, der erste Präfekt des römischen Ägypten, der im Jahr 26 v.Chr. nach einem gegen ihn gerichteten poltitischen Senatsurteil Selbstmord beging. Seine Werke - Eklogen, Georgica und Aeneis - verfasste Vergil - unter Benutzung intertextueller (alexandrinischer) Bezüge auf Vorbilder - in den 40er-Jahren v.Chr., bis 29 v.Chr. bzw. bis 19 v.Chr. unter den (nicht ausschließlichen) Leitmotiven Dialog (Eklogen), Weisheit (Lehrgedicht) und Mission (des Aeneas). Die Werke des Vergil, handschriftlich überliefert in Codices aus Spätantike und frühem Mittelalter (Kollation in Codices; Codex Mediceus u.a.), erfuhren in der römischen Kaiserzeit (Vergilbiografie des Sueton [2. Jahrhundert n.Chr.], überarbeitet von Aelius Donatus [4. Jahrhundert]), in der Spätantike (Centones [Cento nuptalis des Ausonius], De raptu Proserpinae des Claudian, Vergil-expositio des Servius [4. Jahrhundert]) und im Mittelalter (Karolingerzeit als aetas Vergiliana) große Verbreitung. Vergil beeinflusst Kunst, Musik und Kultur bis heute. > Lateinische Literatur > V Vergil [Buhlmann, 06.2013]

Smolinsky, Heribert (1976), Domenico de' Domenichi und seine Schrift "De potestate pape et termino eius". Edition und Kommentar (= Vorreformationsgeschichtliche Forschungen, Bd.17), Münster 1976, VIII, 494 S., DM 118,- > Lateinische Literatur > D Domenichi

Snorri Sturluson, Heimskringla or The Chronicle of the Kings of Norway, LaVergne 2006/10 > G Gudmundsson, Snorri Sturluson

Snyder, Geerto (1957), Wägen und Waagen, Ingelheim 1957, 64 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, DM N.N. Wiegen und Waagen in der Geschichte der Menschheit vom Alten Orient bis in die Moderne haben über den einfachen materiellen Gewichtsvergleich durch (Probier-, Präzisions-, Apotheker-, moderne) Waagen (u.a. mit gleichen [altäygptische Waagen, hethische Waagen des frühen 1. Jahrtausends v.Chr.] und ungleichen Armen [römische Schnellwaagen ab 3. Jahrhundert v.Chr.]) innerhalb von Wirtschaft und Handel (Herstellung von Waagen, Maße und Gewichte [Maßsysteme, Metrologie], Wiegen als in rechtlichen Bestimmungen verankerte [kommunale, staatliche] Aufgabe, Geldwechsel) hinaus auch eine große Bedeutung in kultureller, gesellschaftlicher und religiöser Hinsicht (Waage als Kunstwerk, Seelenwägung z.B. im christlichen Glauben). Mit der Waage verbunden ist auch der Gedanke an Gleichheit (zwischen den Menschen), wie sie in der Französischen Revolution (1789) propagiert wurde, so dass 1791 das in der Pariser Nationalversammlung beschlossene metrische System mit der Vereinheitlichung der Maße und Gewichte seinen Anfang nehmen konnte. [Buhlmann, 12.2023]

So

Sobel, Dava (1999), Galileos Tochter. Eine Geschichte von der Wissenschaft, den Sternen und der Liebe, Berlin 1999, 430 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, € 6,95. Vor dem Hintergrund einiger von Virginia Galilei (Maria Celeste, *1600-†1634), der Tochter Galileo Galileis, an den Vater geschriebener Briefe entsteht eine Biografie Galileo Galileis (*1564-†1642), der, in Pisa geboren und aus einer Patrizierfamilie stammend, unverheiratet von der Venezianerinnen Marina Gamba (†1619) die Töchter Virginia und Livia Antonia sowie den Sohn Vincenzio Andrea hatte. Nach Universitätsstudien in Pisa wurde Galilei Professor in Pisa (1589) und Padua (1592), entwickelte eine noch weitgehend unbrauchbare Vorrichtung zur Temperaturmessung (1589) sowie einen geometrischen und militärischen Kompass (1606) und beschäftigte sich mit der Physik des freien Falls. Unter Verwendung und Verbesserung des 1608 vom Holländer Johann Lippershey entwickelten Linsenfernrohrs gelang die Entdeckung der Jupitermonde ("Mediceische Planeten", Sidereus Nuncius, 1610) und der Sonnenflecken. 1611 wurde Galilei Mitglied der römischen Accademia dei Lincei, es folgten die Veröffentlichungen (auf Italienisch): "Körper, die im oder unter Wasser schwimmen" (1612), "Briefe über die Sonnenflecken" (1613), "Theorie der Gezeiten" (1616), "Astronomische und philosophische Waage" (anonym, 1619), "Goldwaage" (1623). Mit Papst Urban VIII. (1623-1644) stand der Forscher auch persönlich in Kontakt (1624 und später); die Veröffentlichung seines "Dialogs über die beiden hauptsächlichen (ptolemäisches, kopernikanisches) Weltsysteme" (1632) führte von Seiten der katholischen Inquisition zum Verbot des Buches und zum Inquisitionsprozess gegen Galilei (1633), der bekanntlich mit dessen Verurteilung wegen Ketzerei endete. In seinen letzten Lebensjahren stand Galilei unter Hausarrest in Siena und Arcetri. In den Niederlanden erschienen noch Galileis "Brief an die Großherzogin" (1636) und seine "Unterredungen über Mechanik und Fallgesetze" (1638). Galilei entdeckte 1637 in Mondlibration; in diesem Jahr erblindete er völlig. Am 8. Januar 1642 starb Galilei in Arcetri. Vgl. noch: Galileo Galilei (1635/38), Dialogues Concerning Two New Sciences, übers. v. Henry Crew u. Alfonso de Salvio, New York 1954, 303 S., DM 5,-. [Buhlmann, 06.2013]

Sölter, Walter (1981), Beobachtungen im Boden der katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul in Ratingen, in: Romerike Berge 31,4 (1981), S.1-12 > R Ratingen

Soffner, Monika (1996), Der Kaiserdom zu Königslutter (= Peda Kunstführer 361), Passau 1996 > K Königslutter

Sohn, Andreas (1997), Deutsche Prokuratoren an der römischen Kurie in der Frührenaissance (1431-1474) (= NuS 8), Köln-Wien-Weimar 1997, 432 S., € 5,-. Prokuratoren bzw. Kurienprokuratoren waren im späten Mittelalter die Interessenvertreter geistlicher und weltlicher Institutionen und Personen an der römischen Kurie und den päpstlich-kurialen Behörden der Rota, Audientia oder Pönitentiarie. Die Beschlüsse des 4. Laterankonzils (1215) hinsichtlich der Zulassung von Petentenvertretern hatte erst die Ausbildung des Prokuratoreninstituts an der Kurie ermöglicht. Nachdem im 13. Jahrhundert hauptsächlich Italiener, im 14. Jahrhundert hauptsächlich Franzosen als Prokuratoren gearbeitet hatten, sind für das 15. Jahrhundert im Zuge einer Internationalisierung auch andere "Nationen" feststellbar. Aus den prosografisch zu den Jahren 1431 bis 1474 erfassten Angaben zu 234 deutschen Kurienprokuratoren, darunter zu Heinemann Loer, Heinrich von Roraw oder Heinrich Senftleben, ergibt sich - in einer Art von Kollektivbiografie - deren meist bürgerlich-städtische (neben adliger und ritterlicher) Herkunft, ein Studium des (kanonischen) Rechts in Deutschland (und Italien) mit Abschluss (der Promotion) sowie meist niedere oder höhere geistliche Weihen als Voraussetzung der Prokuratorentätigkeit, die Bearbeitung einzelner Aufträge oder eine ständige Interessenvertretung (z.B. als Generalprokurator des Deutschen Ordens) im kurialen Geschäftsgang (Expedition und Ausgabe von Schriftstücken, Trinkgelder und Gebühren) bei Informationsbeschaffung für den Auftraggeber. Eingebunden waren die Prokuratoren in die Stadt Rom (Wohnung, Arbeitsstätten, Kurienbehörden, Prälatenhäuser, Buchhandel und Besitz von juristischen Büchern), (landsmannschaftlich) in die deutsche Kolonie in Rom (Zugehörigkeit zur Bruderschaft des Hospizes S. Maria dell'Anima), auch in Klientelverhältnissen (als familiares, zu Kardinälen und Papst). Eingebunden waren sie allgemein in die politischen und kirchlichen Beziehungsetzwerke, die Karrieren (bis hinauf zum Bischof) beförderten und kirchliche Pfründen sicherten (Ämterkäuflichkeit, unterschiedliche Verweildauer von Prokuratoren an der Kurie, Ortskirche und Papstkirche). Dabei ist das 15. Jahrhundert von einer stetigen Kurialisierung des Prokuratoreninstituts (hin zu einer Behörde) geprägt (Prokuratorenkollegien). [Buhlmann, 10.2011]

Sohn, Andreas (2012), Von der Residenz zur Hauptstadt. Paris im hohen Mittelalter, Ostfildern 2012, 256 S., Schwarzweißabbildungen, Pläne, € 26,90. Paris, das keltische Lutetia, der Vorort der gallorömischen civitas Parisiorum, Residenzort von König Chlodwig I. (482-511) und weiterer Merowingerkönige, liegt einigermaßen zentral im Pariser Becken (Île-de-France) und an der Seine. Im westfränkisch-französischen Reich der Kapetinger löste aus militärischen Gründen (Herzogtum Normandie, Abwehr normannischer Übergriffe auf die Krondomäne, Vexin) unter König Heinrich I. (1031-1060) Paris Orléans als Residenzort der Könige ab. In Paris entfaltete sich vom 11. bis zum 13. Jahrhundert das französische Königtum; das kapetingische palatium mit aula regis, "Großer Brücke" und "Großer Turmburg" lag im Westen der Île de la Cité; der Königspalast und die königliche Grablege in St. Denis, das Kanonikerstift Saint-Martin-des-Champs, die hochmittelalterliche Stadtmauer König Philipps II. (1180-1223), die Festung des Louvre und die Saint-Chapelle König Ludwigs IX. des Heiligen (1226-1270) waren Bezugspunkte königlicher Herrschaft in und um Paris, das sich spätestens unter König Philipp II. zur "Festungs- und Residenzstadt" entwickelt hatte. Auf der Île de la Cité dem Königtum benachbart befand sich die Kathedrale (Notre-Dame) des Pariser Bischofs, der zusammen mit dem Domkapitel an Einfluss gewinnen sollte. Parallel zur politischen verlief die wirtschaftliche Entwicklung (Handel, Verkehr, Gewerbe), die Paris mit rund 200000 Einwohnern zur größten Stadt im christlichen Europa machte. Schließlich wurde aus Paris ein "kulturelles Zentrum" Frankreichs und Europas; die Entstehung der Pariser Universität gehört hierher (Domschule u.a., Bildungsaufschwung, Quartier Latin). [Buhlmann, 08.2013]

Sokrates, Philosoph der griechischen Klassik: Über Sokrates unterrichten eine Anzahl antiker Quellen mit mehr oder weniger großer zeitlicher (und geographischer) Nähe zu diesem Philosophen. An erster Stelle stehen zweifelsohne Platons Dialoge, hier insbesondere die sog. Frühdialoge; Xenophon hat sich Sokrates in seinen "Erinnerungen" und im "Gastmahl" angenommen. Neben diesen Hauptquellen sind Nennungen des Philosophen in den aristotelischen Werken und Aussagen und Lehrmeinungen von späteren tatsächlichen oder angeblichen Sokrates-Schülern hinzuziehen. Anhand der Sokrates-Schilderung in "Leben und Meinungen berühmter Philosophen" des Diogenes Laertios (3. Jahrhunder n.Chr.) wird aber klar, wie wenig solche späten Schilderungen noch mit dem "wahren" Sokrates zu tun haben. Den "wahren" Sokrates wird man aber auch in Platons Werken zu suchen haben, vermischen sich doch hier sokratisches und platonisches Gedankengut. Ein Zugang zu Sokrates' Lebensweise und -auffassung bieten immerhin auch Xenophons Schriften. So ist es reichlich wenig, was über das Leben des Philosophen gesagt werden kann: Sokrates ist, wenn man die Ausführungen in der Apologie zu seinem Alter wörtlich nimmt, um das Jahr 470/69 in Attika geboren. Vater war ein gewisser Sophroniskos aus dem Demos Alopeke (bei Athen), von Beruf Steinmetz, Mutter eine gewisse Phainarete, die in ihrer ersten Ehe mit Chairedemos verheiratet gewesen war, und später den Beruf der Hebamme ausübte. Aus der ersten Ehe stammte übrigens Sokrates' Halbbruder Patrokles; mehr Geschwister gab es aber nicht. Sokrates wird als Junge wohl die übliche Elementarausbildung in Schreiben, Lesen, Rechnen, Gymnastik und Musik durch einen Privatlehrer vermittelt bekommen und vielleicht auch den Kontakt zur griechisch-ionischen Naturphilosophie gefunden haben. Verheiratet war Sokrates übrigens mit Xanthippe, deren xanthippenhaftes Verhalten wahrscheinlich in das Reich der Legende gehört (vgl. dazu die im großen und ganzen abgeschlossene, häusliche Stellung der Frau im klassischen Athen). Aus der Ehe gingen drei Söhne hervor: Lamprokles, Sophroniskos und Menexenos. In der (zeitlichen) Mitte seines Lebens standen die staatsbürgerlichen Aufgaben des Sokrates im Vordergrund. Hier ging es zunächst um seinen Einsatz bei drei Feldzügen während des Peleponnesischen Krieges: Bei der Belagerung von Poteideia (432-429) war er anwesend und zeichnete sich - so jedenfalls Alkibiades, der Neffe des Perikles, in Platons Gastmahl - durch Disziplin und Tapferkeit aus. Disziplin, nämlich das Nicht-Verlassen der Ordnung (Phalanx), legte Sokrates auch bei der verheerenden athenischen Niederlage bei Delion (424) an den Tag. Und schließlich nahm er an dem misslungenen Feldzug gegen das abtrünnige Amphipolis teil (422). In den innenpolitischen Auseinandersetzungen im Gefolge der Seeschlacht bei den Arginusen und der verhinderten Rettung schiffbrüchiger Athener setzte sich Sokrates als vorsitzender Prytane zugunsten der siegreichen, aber dennoch angeklagten Strategen ein, erreichte aber in der Volksversammlung nichts; sechs Strategen wurden gegen alle Gesetzmäßigkeit zum Tode verurteilt und hingerichtet, was man übrigens ein Jahr später nach der Niederlage bei Aigospotamoi sehr bedauerte. Zur Zeit des Regimes der Dreißig Tyrannen (404/03) widersetzte er sich dem Befehl der Machthaber, einen gewissen Leon zu verhaften, der hingerichtet werden sollte. Sokrates' Verhalten hatte keine weiteren Konsequenzen, da das oligarchische Regime alsbald hinweggefegt wurde. Wohl während seines ganzen Lebens übte (notwendigerweise und zur Befriedigung seiner geringen Bedürfnisse) Sokrates den von seinem Vater erlernten Beruf des Steinmetzes aus - ob auch bei Bauwerken auf der Akropolis, bleibt dabei unklar. Vielleicht in der Anfangsphase des Peleponnesischen Krieges begann er öffentlich zu wirken, auf den Straßen, Plätzen und Märkten der Stadt, in den Säulenhallen und Gymnasien, und war schon früh morgens unterwegs, um zu diskutieren und zu erziehen bei privaten und öffentlichen Angelegenheiten. Gerade der Dialog - Analytik und Dialektik - lagen Sokrates am Herzen, der gelehrte Vortrag der Sophisten war ihm fremd. Im fragenden Gespräch, auch unter Einsatz von Ironie, wurde Wahrheit gesucht und Methodik, u.a. ausgehend vom sokratischen Grundsatz, dass er nur weiß, dass er nichts weiß. Sokrates' Schüler waren Platon und andere Angehörige aus dessen aristokratischer Familie, wie der später den Dreißig Tyrannen angehörende Kritias, ein Onkel Platons, oder Charmides, weiter Alkibiades, der Neffe des Perikles, schließlich der Geschichtsschreiber Xenophon und wahrscheinlich viele derjenigen, die in den frühen Dialogen Platons vorkommen. In der Öffentlichkeit blieb somit Sokrates ein "Sonderling" mit politischem Einfluss. Der Prozess gegen Sokrates - vielleicht Ausfluss einer nach der Niederlage im Peleponnesischen Krieg und der Herrschaft der Tyrannen im tiefsten Innern beschädigten Demokratie, sicher Folge der Vorurteile und Unkenntnis der athenischen Bürger - bildet das Schlusskapitel von Sokrates' Leben (399). Angeklagt wurde er von Meletos, Lykon und Anytos wegen der Nicht-Anerkennung der staatlichen Götter, der Einführung neuer Götter und des Verderbens (der Verführung) der Jugend. Indirekt wurden dadurch vermeintlich die Zusammenhänge zwischen Sokrates und den Sophisten ("die schlechtere Rede zur besseren machen"; Aristophanes' "Wolken") bzw. der Naturphilosophie bestätigt. Unter Vorsitz des für Religionsfrevel zuständigen archon basileus trat daraufhin ein aus 501 Geschworenen bestehendes Gericht zusammen, das nach Verhandlungen, hinsichtlich derer die Apologie des Sokrates nur mittelbar Informationen liefern kann, die Schuld des Angeklagten feststellte und die Todesstrafe verhängte. Trotz Möglichkeiten zur Flucht aus dem Gefängnis - die Vollstreckung des Urteils wurde durch eine spät von Delos zurückgekehrte Festgesandtschaft verzögert - nahm Sokrates 30 Tage nach der Urteilsverkündung den Schierlingsbecher, Gelassenheit zeigend gemäß seinen Überzeugungen und seine Philosophie lebend auch im Tod. Wie erwähnt, hat Sokrates selbst nichts geschrieben, so dass wir über seine Philosophie in erster Linie aus Platons Dialogen unterrichtet sind. Was platonisch, was sokratisch ist, ist dabei schwer abzuschätzen; dennoch sind Grundlinien der sokratischen Philosophie zu erkennen. Ein erster Ansatz bietet die sog. Sokratische Frage, also die immer wieder in den Dialogen auftretende Frage "Was ist X?", wobei X für Tugend, Gerechtigkeit, Schönheit, Lust etc. stehen kann. Dabei geht es z.B. nicht um schöne Dinge, sondern um das Schöne, mithin um Realitäten und Sachen, deren Zustand dadurch charakterisiert ist, dass sie an mehreren Dingen haften. Aristoteles sieht daher Sokrates als jemanden, der nach dem Allgemeinen sucht und dies definieren will. Die Erkenntnis des Allgemeinen hat auch Konsequenzen für das Handeln. Nach Sokrates impliziert das Wissen um die guten Dinge notwendiger- und hinreichenderweise auch ein moralisches Handeln des Betreffenden. Voraussetzung dafür war einmal Sokrates' Überzeugung, dass es gute und schlechte Dinge gibt, die von jedem Menschen auf dieselbe Art und Weise als gut bzw. schlecht erkannt werden, und zum zweiten der Zusammenhang zwischen dem Erkennen der, dem Wissen um die Tugenden (arete) und dem Können (techne), dem Handeln. Tugend als Einheit der Tugenden ist damit lehrbar, Wissen und Tugend gehen parallel, Verfehlungen treten nur dann auf, wenn man es nicht besser weiß. Und weiter: Böses schadet dem Menschen, Gutes nützt ihm. Unrecht darf man nicht mit Unrecht vergelten, wohl aber mit Recht, da Strafe für den Bestraften in diesem Falle Gutes bringt. Es folgen u.a. daraus seine Grundsätze betreffend menschliches Handeln und Recht und damit Sokrates' Entscheidung, nicht aus dem Gefängnis zu fliehen und das Urteil der Athener anzuerkennen (Gesetzestreue und bürgerlicher Ungehorsam). Auf die Bedeutung des daimonion als eine Art innere, intuitive Stimme für Sokrates sei nur hingewiesen. Sokrates hat mit seinen Lehren viele nach ihm kommende Philosophen beeinflusst. In der diesbezüglichen Rezeptionsgeschichte ist natürlich zuallererst Platon zu nennen. In dessen Schriften lässt sich die Weiterentwicklung der sokratischen Philosophie gut verfolgen, von den sokratisch geprägten Frühdialogen über die sog. Meisterdialoge bis hin zu den Spätschriften. In seiner Seinslehre geht Platon von den Ideen als dem absolut Seienden aus und stellt dieser "Realität" die Sinnenwelt der menschlichen Erfahrung als Abbild der Ideen gegenüber (Höhlengleichnis; mathematische Prinzipien). Seelen-, Tugend- und Staatslehre ergänzen noch die Philosophie Platons, ebenso seine Vorstellungen über den Kosmos und dessen Entstehung. Sokratik im engeren Sinne (ohne die platonische Fortentwicklung) vermittelten zu Beginn des 4. Jahrhunderts die tatsächlichen oder angeblichen Sokrates-Schüler Eucleides von Megara, Antisthenes und Aristipp von Cyrene. Auch ein Einfluss des Sokrates auf die stoische Lehre ist festzustellen. Im Mittelalter war Sokrates zumindest indirekt über die platonische Lehre vertreten, wobei es manchmal schwierig ist, den eigentlichen Platonismus vom Neuplatonismus oder dem christlichen Platonismus der Kirchenväter zu trennen (vgl. auch Platonismus und Aristotelismus). Immerhin weist Platons Weltsicht im Dialog "Timaios" einige Parallelen zum chrsitlichen Weltbild auf; und der "Timaios" war während des ganzen Mittelalters (als fast einzige platonische Schrift) in einer lateinischen Übersetzung und Kommentierung des Calcidius verfügbar. Sokratik - auch in der Methode - findet sich schließlich am Ausgang des Mittelalters in den Dialogen des Nikolaus von Kues. In der Aufklärung wurde Sokrates als der Weise schlechthin dargestellt. Und weiter sind die Zusammenhänge zwischen Sokratik und Platonismus auf der einen und der neuzeitlichen Philosophie auf der anderen schlichtweg vielfältig zu nennen.
Biografien über den Philosophen Sokrates sind: Figal, Günter (1995), Sokrates (= BSR 530, Beck'sche Reihe. Denker), München 1995, 143 S., DM 19,90; Irmscher, Johannes (1982), Sokrates. Versuch einer Biografie (= RUB [Ost] 911), Leipzig 31989, 118 S., DM 0,70. [Buhlmann, 02.1996]

Sombart, Werner (1922), Liebe, Luxus und Kapitalismus. Über die Entstehung der modernen Welt aus dem Geist der Verschwendung (= WAT 103), 1983, Nachdruck Berlin 1986 > K Kapitalismus

Sommer, Michael (2013), Wirtschaftsgeschichte der Antike (= BSR 2788), München 2013, 128 S., Glossar, Schwarzweißabbildungen, Karte, € 8,95. Innerhalb der "langen Antike" (10. Jahrtausend v.Chr.-5./7. Jahrhundert n.Chr.) sind zunächst folgende wirtschaftliche Entwicklungen in Vorderasien und dem Mittelmeerraum auszumachen: neolithische Revolution(en) Vorderasiens (präkeramisches [bis ca.5500 v.Chr.], keramisches Neolithikum [ab ca.5500 v.Chr.]; Ackerbau und Viehzucht), Urbanisierung (Jericho vor 8050 v.Chr., Catal Hüyük ca.7400-6200 v.Chr.) und Fernhandel (Obsidian), vorderasiatische "Kulturen" (ab ca.5500 v.Chr.; Obed-Zeit [ca.5000 v.Chr.]), Stadt, Schrift, Palast und Tempel als institutionelle Haushalte (Uruk-Zeit [ca.4000-3150 v.Chr.], frühdynastische Zeit [ca.3150-2800 v.Chr.]), vorderasiatische Großreiche (Ägypten, Akkad, Hethiterreich, Babylonien) und minoische Palastkulturen (ca.1500-1200 v.Chr.; Knossos, Mykene, Tyrins, Pylos) der Bronzezeit (durch Fernhandel vernetzt, assyrische Kaufleute in Kanis und Anatolien), Niedergang der Großreiche am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit (ca.1200 v.Chr.), Phöniker (10.-6. Jahrhundert v.Chr.; Sidon, Tyros; Handelsstützpunkte am Mittelmeer [Karthago], Handwerk; Purpur, Luxusartikel [Prestigegüter]), Griechen (große griechische Kolonisation [ca.750-550 v.Chr.], griechische Poleis [6.-4. Jahrhundert v.Chr.), hellenistische Großreiche (334-30 v.Chr.), römisches Reich (2. Jahrhundert v.Chr.-5. Jahrhundert n.Chr.) und Fernhandel mit Arabien, Indien und China (Seide, Gewürze; Palmyra), alles im Rahmen zunehmender wirtschaftlicher Vernetzung zwischen Mittelmeerraum und (Vorder-) Asien sowie Nordostafrika (Hellenismus). Für die (hellenistisch-römische) "kurze Antike" (ca.300 v.Chr-300 n.Chr.) ist zu verweisen auf die Verankerung der Wirtschaft im (durch den Handel vernetzten) Raum Mittelmeer-Asien, weiter in den Bereichen: Arbeit (Keramikherstellung [Terra sigillata, Glas], Ressorcennutzung [Salz und Fisch [garum], Metallgewinnung [Bergwerke und Erze, Verhüttung und Holzkohle; Geld, Waffen, Werkzeug], Landwirtschaft [landwirtschaftlich genutzte Flächen, Großgrundbesitz, Arbeitsteilung]), Institutionen [wirtschaftlich autarker oikos und Familie, Staat [Poleis, Königreich, römisches Weltreich] u.a. als Wirtschaftsakteur [Höchstpreisedikt von 301, römische Wirtschaft der Spätantike], Staaten und Konsumentenstädte [Versorgung Athens und Roms durch Getreidelieferungen], Märkte als Handelsplätze [Städte, Dörfer, Heiligtümer]), Kapital (homo oeconomicus, homo politicus; ökonomisches Kapital [Geldwirtschaft, Banken, Investitionen], symbolisches Kapital [Ehre, Politik und Macht -> Leiturgien, Euergetismus, römisch-kaiserzeitliches Kindergeld], wirtschaftliche Normen ("ökonomische Theorien", Wirtschaftsethik: Platon und Xenophon, Cato, Varro, Columella, Cicero, Seneca [Betonung von Landwirtschaft und Autarkie, Abwertung von Handel, Handwerk und Gewinn]). Antike Ökonomie(n) erwuchs(en) aus dem Umfeld der antiken Gesellschaft und beruhte(n) auf institutionellen Rahmenbedingungen (Haushalt, Staat, Markt, Sklaverei, Gesetze, Normen) und letztlich auf der Fähigkeit jedes einzelnen Menschen zur (materiellen) Existenzsicherung. Von einer (übergreifenden, "globalen") antiken Wirtschaft lässt sich am ehesten für die "kurze Antike" sprechen. Die antike Wirtschaft blieb aufs Ganze gesehen leistungsschwach und technologisch rückständig. [Buhlmann, 09.2013]

Sommer, Michael (2021), Schwarze Tage. Roms Kriege gegen Karthago, München 2021, 368 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 26,95. I. Die Kriege der römischen Republik gegen die karthagische Großmacht, die sog. drei punischen Kriege, umfassten den Zeitraum zwischen 264 und 146 v.Chr. Sie sind eingebunden in das Expansionsstreben der frühen und mittleren römischen Republik. Von dieser wurden an Kriegen (letztendlich erfolgreich) geführt: Eroberung Vejis (396 v.Chr.), "Gallierkatastrophe" (387 v.Chr.), 1. Samnitenkrieg (343-341 v.Chr.), 2. Samnitenkrieg (326-304 v.Chr.), Eroberung von Tarquinii (n.308 v.Chr.), 3. Samnitenkrieg (298-290 v.Chr.), Eroberung von Volsinii (280 v.Chr.), Krieg gegen Pyrrhus von Epirus (279-275 v.Chr.), Eroberung Tarents (272 v.Chr.), 1. Punischer Krieg (264-241 v.Chr.), 1. Illyrischer Krieg (229-228 v.Chr.), 2. Illyrischer Krieg (219 v.Chr.), 2. Punischer Krieg (218-201 v.Chr.), 1. Makedonischer Krieg (215-205 v.Chr.), 2. Makedonischer Krieg (200-197 v.Chr.), Krieg gegen Antiochos III. (192-188 v.Chr.), 3. Makedonischer Krieg (171-168 v.Chr.), 3. Punischer Krieg (149-146 v.Chr.), Zerstörung von Korinth und Eroberung Griechenlands (146 v.Chr.). Neben römischen Bürgern (aus Rom und den römischen Bürgerkolonien [coloniae]) kämpften noch die römischen Bundesgenossen (latinischen Rechts u.a.) (socii) auf römischer Seite. Die Eroberungen schufen ein weit über Italien (italienische Bundesgenossenschaft) hinausgehenden römischen Herrschaftsraum, der außerhalb der Apennienhalbinsel in Provinzen organisiert wurde. Innenpolitisch bestimmten im 3. und 2. vorchristlichen Jahrhundert in Rom Aristokratie und Senat die Politik. Gerade das Konkurrenzdenken zwischen den nobiles innerhalb der res publica, bei dem es um Bewährungstugend (virtus), Ansehen (laus) und Ruhm (gloria), um das Schaffen von Bewährungsräumen in Krieg (zunächst in Italien) und Frieden (Kolononiegründung, Bauprogramme) ging, schuf innenpolitische Auseinandersetzungen, die vielfach (auch als Ventil) außenpolitisch in Kriegen ihre Fortsetzung fanden. Dass sich die Konkurrenz zwischen den konsularischen und prätorischen Befehlshabern von römischen Heeren im Krieg dabei nachteilig auswirken konnte, ist vielfach durch die Niederlagen römischer Heere belegt. Trotzdem gewannen die Römer auf Grundlage der überragenden Machstellung ihrer italischen Bundesgenossenschaft letztlich jeden Krieg. Letztlich hielt auch die römische Aristokratie in massiven Krisensituationen aber zusammen, ablesbar z.B. daran, dass eine Entwicklung eintrat, die Imperien - der Situation im Krieg angemessen - auch zu prolongieren. Nach einem Krieg schlossen sich für die römischen Amtsträger und deren aristokratische Familien Bewährungsräume, andere taten sich im nächsten Krieg wieder auf. Und so fand sich die römische Republik - abseits der Kriege gegen Karthago - militärisch immer wieder verwickelt im Westen (Spanien) und Osten (Griechenland, Kleinasien) des Mittelmeerraums. Geführt wurden symmetrisch-totale (1., 2. Punischer Krieg), symmetrische (Antiochoskrieg, 3. Makedonischer Krieg), symmetrisch-begrenzte (2. Makedonischer Krieg), begrenzte (1. Makedonischer Krieg), asymmetrisch-begrenzte (Makedonischer Aufstand) und asymmetrisch-totale Kriege (3. Punischer Krieg). Rom als werdende Großmacht im gesamten Mittelmeerraum bestimmte dabei weitgehend die Abfolge der kriegerischen Auseinandersetzungen, bis alle Feinde um das Mittelmeer unterworfen waren; umgekehrt waren spätestens seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. die außerrömischen Mächte am Mittelmeer einzeln zu schwach, um gegen Rom bestehen zu können. II. 1. Punischer Krieg (264-241 v.Chr.): Vorausgegangen war den Punischen Kriegen ein Jahrhunderte langes gutes Verhältnis zwischen der auf Italien beschränkten Landmacht Rom und der See- und Handelsmacht Karthago (Verträge von 408, 348, 306 v.Chr.; Karthago auf Sizilien; römisch-karthagischer Vertrag gegen Pyrrhos von Epirus 278 v.Chr.). Verwicklungen um Syrakus, Messina und das Söldnerheer der Mamertiner führten zum 1. römisch-karthagischen Krieg hauptsächlich um und auf Sizilien: Krieg um Sizilien (264-257 v.Chr.: Friedensvertrag mit Hieron II. von Syrakus [263], Aufgabe von Akragas durch die Karthager [262], römische Misserfolge [261], römischer Seesieg bei Mylai [260], römische Angriffe auf Korsika und Sardinien [259], karthagisches Vordringen auf Sizilien [259/58], römisches Scheitern vor Panormus [258], römischer Seesieg bei Tyndaris [257], karthagische Stützpunkte Herakleia, Drepanon, Panormus); Krieg in Nordafrika (256-248 v.Chr.: römischer Seesieg bei Eknomos, römisches Vordringen nach Nordafrika, römischer Sieg bei Adys, römische Einnahme von Tynes [256], Friedensverhandlungen, karthagischer Sieg bei Tynes [Xanthippos, Marcus Atilius Regulus] und Scheitern des römischen Afrikafeldzugs, römischer Seesieg bei Kap Bon und Untergang der römischen Flotte vor Sizilien, Zerstörung von Akragas [255], römische Eroberung von Panormus [254], Untergang einer römischen Flotte vor Meninx [253], römische Eroberung von Himera, Thermai, Lipara [252], karthagisches Heer nach Lilybaion und Vorstoß nach Himera [251], karthagischer Seesieg bei Drepanon [249], römischer Verzicht auf Kriegsaktivitäten zur See [247]); Krieg auf Sizilien (karthagischer Oberbefehlshaber Hamilkar Barkas, karthagische Flottenüberfälle auf Kalabrien und Apulien, Eroberung von Heirkte [247], Söldneraufstände auf Seiten der Karthager, militärisches Patt auf Sizilien, neue römische Flotte und Seeblockade Siziliens [242], römischer Seesieg bei den Ägatischen Inseln [241]). Mit der Seeschlacht bei den Ägatischen Inseln endeten die militärischen Auseinandersetzungen, der Friedensvertrag ([modifizierter] Lutatiusvertrag) zwischen Rom und Karthago sah den Verzicht Karthagos auf Sizilien vor bei Zahlung von letztlich 3200 Talenten Entschädigung. Während des Kriegs Karthagos gegen die eigenen Söldner (241-238 v.Chr.) bemächtigten sich die Römer noch der Inseln Korsika und Sardinien; die Karthager hatten nochmals 1200 Talente Entschädigung zu zahlen. Aus den Mittelmeerinseln Sizilien sowie Korsika und Sardinien wurden römische Provinzen. III. 2. Punischer Krieg (218-201 v.Chr.): Infolge des Verlusts der Inseln intensivierte Karthago nun seine Herrschaft in Nordafrika und Spanien (Gründung von Neukarthago, Ebrovertrag zwischen Rom und Karthago 226/25 v.Chr.). Es folgten unter dem neuen karthagischen Oberbefehlshaber Hannibal (†183 v.Chr.) "Schritte in den Krieg" gegen Rom (ab 221 v.Chr.; Konflikt um und Eroberung von Sagunt 219 v.Chr.; römische Kriegserklärung). Mit Überschreiten der Alpen durch ein karthagisches Heer (218 v.Chr.) brachte Hannibal den Krieg nach Italien (Unterstützung durch keltische Stämme, karthagischer Sieg am Ticinus, römische Eroberung Maltas, karthagischer Sieg an der Trebia [218], karthagischer Sieg am Trasimenischen See Diktatur des Quintus Fabius Maximus Verrucosus und römische Taktik der verbrannten Erde [217], karthagischer Sieg bei Cannae, Übertritt Capuas, römische Erfolge in Spanien u.a. bei Ibera [216], Hannibals Heer in Kampanien und Süditalien, römischer Sieg bei Munda [214], karthagische Eroberung von Tarent [213], römische Belagerung von Syrakus [213/12], römische Eroberung von Sagunt und Syrakus, karthagische Siege am Silarus und bei Herdonia [212], römische Niederlage bei Amtorgis [211], karthagischer Sieg bei Herdonia [210], Publius Cornelius Scipio als römischer Befehlshaber in Spanien, römische Eroberung von Neukarthago, römischer Sieg bei Baecula [209], weiteres römisches Vordringen in Spanien, Überquerung der Alpen durch ein karthagisches Heer unter Hasdrubal, dem Bruder Hannibals, römischer Sieg über Hasdrubal am Metaurus, Tod Hasdrubals, endgültiges Scheitern von Hannibals Strategie in Italien [207], römischer Sieg bei Ilipa [206], römische Rückeroberung von Lokroi [205], römische Expedition nach Nordafrika und Publius Cornelius Scipio, Landung in Utica [204], Belagerung von, Kämpfe um Utica, römischer Sieg bei Utica, Massinissa als römischer Verbündeter, römisch-numidische Besetzung Ostnumidiens, römischer Sieg bei Cirta gegen Syphax, Einnahme von Cirta, Waffenstillstand und Friedensgespräche [203], Rückkehr Hannibals und seines Heeres nach Nordafrika [203/02], römischer Sieg bei Zama [202]). Nach der Niederlage bei Zama musste Karthago kapitulieren und die römischen Friedensbedingungen (des Scipio [Africanus]) annehmen. Danach war Karthagos Herrschaft bei Auslieferung der Kriegsflotte auf Nordafrika beschränkt, die Kriegsentschädigung belief sich auf insgesamt 10000 Talente, Karthagos Politik hatte sich an der römischen auszurichten (amicitia, societas, Karthago faktisch als römischer Klientelstaat). IV. 3. Punischer Krieg (149-146 v.Chr.): Die Zeit vor dem letzten der punischen Kriege war geprägt von der endgültigen Erlangung des politischen Übergewichts im Mittelmeerraum durch die römische Republik (Schlacht von Pydna 168 v.Chr.; Aktionsmacht Rom -> instrumentelle römische Macht), während der karthagische Herrschaftsraum durch Übergriffe des Numiderkönigs Massinissa zunehmend schrumpfte. Auseinandersetzungen zwischen Numidern und Karthagern (150 v.Chr.) nahm der römische Senat zum Anlass, Karthago den Krieg zu erklären. Es folgte die Belagerung Karthagos bei Bekämpfung des karthagischen Heeres unter Führung des Hasdrubal (Gefechte und Niederlagen 149 v.Chr.) und Einnahme und Belagerung karthagischer Städte (Neapolis, Hippou Akra 148 v.Chr.). Nach römischen Rückschlägen in den ersten Kriegsjahren wurde unter dem Oberbefehl des Publius Cornelius Scipio Aemilianus Karthago - ein Sturmangriff war fehlgeschlagen (römisches Eindringen in die Vorstadt Megara) - von der Umgebung abgeschnitten, während die karthagische Festung Nepheris eingenommen werden konnte (147 v.Chr.). Die Lage wurde im Winter 147/46 v.Chr. für die Karthager immer bedrohlicher, Friedensverahndlungen scheiterten, die Eroberung der einstmals mächtigen Stadt folgte (römische Besetzung des Hafenviertels Kothon, Häuserkampf, Angriff auf die Burg Byrsa mit dem Esmuntempel [146]). Es folgte die völlige Zerstörung der Stadt Karthago (Scipios Tränen [über die Begrenztheit von Macht]?); an ihre Stelle trat (kurz nach) 44 v.Chr. die römische Bürgerkolonie Colonia Iunonia Carthago, die eine bedeutende Stadt im kaiserzeitlichen römischen Reich werden sollte. [Buhlmann, 08.2021]

Sommer, Michael (2022), Das geheime Leben der Römer, München 22022, 288 S., Schwarzweißabbildungen, € 23,-. Vor dem Hintergrund von Öffentlichem und Privatem in der römischen Republik und der römischen Kaiserzeit werden mysteria und secreta ("Geheimnisse") mitgeteilt im Zusammenhang mit einem Dark Rome: Exkremente und öffentliche Latrinen, halbprivate domus reicher Römer, Schloss und Riegel, das Eindringen des Aeneas in die Unterwelt; eheliche Pflichten (Politik des Kaisers Augustus) und sexuelles Verhalten außerhalb der Ehe (Wollust, Prostitution); verbotene Bücher (Ovids Ars amatoria, heidnische Schriften und christlicher Glauben), enthüllende Bücher (Prokops Anekdota), Kryptografie (spartanische Skytale u.ä.); Spione (Spione Hannibals im 2. Punischen Krieg, römischer cursus publicus, frumentarii und agentes in rebus), Wunderwaffen (Maschinen des Archimedes, römische Torsionsgeschütze); Gifte (gegen Herrscher und römische Kaiser [Claudius?], Mordversuche, Frauen als Täterinnen), Heilpflanzen und Drogen (Opiate, Pharmakopolen, Quaksalber); schwarze Magie (als Analogie- und Schadenzauber, Täfelchen mit Binde-/Liebeszauber, Fluchtäfelchen, "Heraussingen fremder Früchte", römisches recht und Magie, Apuleius' Metamorphosen, Christentum und Magie [mendacium et fabula]); Verschwörungen (catilinarische Verschwörung, Ermordung Caesars, Verschwörungen gegen Kaiser [Nero und Pisonische Verschwörung]), Geheimlogen (jüdische Gruppierungen [Essener, Zeloten] nach Flavius Josephus); Korruption (innerhalb der römischen Aristokratie als Oligarchie), Promagistraturen, Statthalterschaften und die Ausplünderung von römischen Provinzen (Verres in Sizilien), Bestechung und Kriege (Krieg gegen Jugurtha), Aufstände (Nika-Aufstand in Konstantinopel); Verbrechen und deren Ahndung (beschränktes Gewaltmonopol des römischen Staates; Mord, Betrug, [Münz-] Fälscherei, Brandstiftung, Hochstapelei; Strafen [Todesstrafe und christliches Martyrium, Zwangsarbeit, Exil; römisches Bürgerrecht, honestiores und humiliores]); Christentum (im Öffentlichen und Verborgenen, Christenverfolgungen), Mysterienkulte (Weiheriten; Bacchuskult [und dessen Einführung in Rom], Mithraskult). [Buhlmann, 05.2022]

Sonnabend, Holger (2007), Die Grenzen der Welt. Geographische Vorstellungen der Antike, Darmstadt 2007, 157 S., € 5,-. Kenntnisse über die Geographie der "Alten Welt" wurden in der griechisch-römischen Antike vermittelt über Händler (Phönizier), Kolonisatoren (Große griechische Kolonisation), Soldaten und Feldherren (Xenophon, Anabasis; Alexanderzug; Hannibals Alpenüberquerung; Caesars gallischer Krieg; versuchte römische Eroberung Germaniens; Vandalen der Völkerwanderungszeit), Pilger, Entdecker (Kolaios, [Necho II.], Euthymenes, Skylax, Hanno, Pytheas, Patrokles, Demodamas, Eudoxos) oder Gelehrte (Thales von Milet, Anaximander, Hekataios, Herodot, Eratosthenes, Krates, Polybios, Agatharchides, Poseidonios, Strabon, Isidoros, Pomponius Mela, Plinius der Ältere, Tacitus, Marinos von Tyrus, Ptolemaios, Pausanias, Avienus, Geograf von Ravenna, [Peutingerkarte]). Es ergab sich ein kanonisches Weltbild der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika (Grenzen der Kontinente) auf einer Erdkugel bei zeitlich unterschiedlichem Kenntnisstand von den Kanaren, Spanien ("Säulen des Herakles") und Britannien im Westen bis Arabien, Indien, Ceylon und China im Osten, von Zentral- bzw. Nordafrika im Süden bis Germanien und Skandinavien im Norden. Dabei vermittelte die Geografie auch ein ideologisches Weltbild (Ethnografie [Barbaren, West-Ost-Gegensatz]; mythische Geografie u.a. der griechischen Sagenwelt) und diente der Selbstdarstellung von Herrschaft (römisches Reich als imperium sine fine). [Buhlmann, 04.2013]

Sonnabend, Holger (2013), Katastrophen in der Antike, Darmstadt 2013, 160 S., Farbabbildungen, € 7,95. Auch für die griechisch-römische Antike sind unterschiedlichen Katastrophenarten und -szenarios zu unterscheiden: a) Naturkatastrophen: Thera/ca.1620 v.Chr. (Vulkanausbruch), Orobai/426 v.Chr. (Erdbeben, Tsunami), Heilike/373 v.Chr. (Erdbeben, Tsunami), Rhodos/227 v.Chr (Erdbeden, Zerstörung des Koloss von Rhodos), Antiochia/65 v.Chr. (Erdbeben), Zwölf-Städte-Beben/17 n.Chr. (Erdbeben in Kleinasien), Pompeji, Herculaneum/79 n.Chr. (Ausbruch des Vulkans Vesuv), Antiochia/115 n.Chr. (Erdbeben), Antiochia/341 n.Chr. (Erdbeben), Alexandria, östliches Mittelmeer/21. Juli 365 n.Chr. (Erdbeben, Tsunami, als Mega-Katastrophe?), Antiochia/20./29. Mai 526 n.Chr. (Erdbeben), Antiochia/29. November 528 n.Chr. (Erdbeben), Antiochia/580 n.Chr. (Erdbeben), Antiochia/587 n.Chr. (Erdbeben), deren Eindämmung (politisch initiierte Rettungsmaßnahmen [Könige, Kaiser], versuchte Prävention bzgl. des Tiberhochwassers [15 n.Chr.]), deren Ursachen (Werk von Göttern, physikalisch-wissenschaftliche Erklärungen [Thales von Milet, Aristoteles]); b) Epidemien: Athen/430 v.Chr. ("Pest"), römisches Reich/166 n.Chr. ("Große Pest" als Pandemie), römisches Reich/250 n.Chr. ("Cyprianische Pest"), oströmisches Reich/541 n.Chr. ("Justinianische Pest"), fehlende bis unzulängliche medizinische Gegenmaßnahmen; c) Hungerkatastrophen: Lydien (Auswanderung der "Tyrsener"), Thera (Auswanderung nach Kyrene), Tauromenion/132 v.Chr. (Belagerung), Athen/87 v.Chr. (Belagerung), Rom/57 v.Chr. (politische Situation in der späten römischen Republik), Rom/22 v.Chr., Rom/5-9 n.Chr., Rom/69 n.Chr. (Vierkaiserjahr), Edessa/499-502 n.Chr., deren Ursachen (klimatische Unbilden, Spekulation, Politik) und Gegenmaßnahmen (Rom ["Brot und Spiele", cura annonae]); d) Kriege: "Trojanischer Krieg"/ca.1200 v.Chr.?, Perserkriege/490 v.Chr., Perserkriege/480/79 v.Chr., Syrakus/413 v.Chr. (athenische Sizilienexpedition), Cannae/216 v.Chr. (2. Punischer Krieg), Spartacusaufstand/73-71 v.Chr., Carrhae/53 v.Chr. (römische Niederlage), Alesia/52 v.Chr. (gallische Niederlage), "Teutoburger Wald"/9 n.Chr. (römische Niederlage), Edessa/260 n.Chr. (römische Niederlage), Adrianopolis/378 n.Chr. (römische Niederlage), Rom/410 n.Chr. (Einnahme der Stadt durch die Goten); e) politische Katastrophen: Athen/429 v.Chr. (Tod des athenischen Politikers Perikles), Aigai/336 v.Chr. (Ermordung König Philipps II. von Makedonien), Babylon/10. Juni 323 v.Chr. (Tod König Alexanders des Großen), Rom/44 v.Chr. (Ermordung Caesars, "Iden des März"), bei Wien/17. März 180 (Tod Kaiser Mark Aurels), Rom/455 n.Chr. (Ermordung Kaiser Valentinians III.), daneben Umstürze und Bürgerkriege ("Stasis" griechischer Poleis, "römische Revolution" 133-44 v.Chr.); f) Finanzkatastrophen: Kleinasien/88 v.Chr. ("Vesper von Ephesus", römisches Steuerpachtsystem), römisches Reich/3. Jahrhundert n.Chr. (Reichskrise, Inflation); g) Brandkatastrophen: Alexandria/48 v.Chr. (Krieg zwischen Caesar und Ägyptern), Rom/64 n.Chr. ([neronischer] Brand von Rom), Jerusalem/70 n.Chr. (jüdischer Auftstand, römische Belagerung, Brand des Tempels und der Stadt)deren Bekämpfung (Rom [Feuerwehr]); h) Schiffskatastrophen: Athos/492 v.Chr. (Seesturm, Untergang der persischen Flotte), Sepia/480 v.Chr. (Seesturm, Vernichtung von Teilen der persischen Flotte), Sizilien/255 v.Chr. (Sieg der römischen Flotte bei Kap Bon, ihre Untergang in einem Seesturm), Nordsee/16 n.Chr. (Seesturm, Untergang einer römischen Flotte), Schiffswracks im Mittelmeer; i) private Katastrophen. [Buhlmann, 09.2016]

Sophokles, griechischer Tragödiendichter: Sophokles, geboren um 497/96, gestorben 406 v.Chr., war wohl der bedeutendste Tragödiendichter des klassischen Athen. Neben seinen Tragödiendichtungen trat Sophokles an prominenter Stelle in der athenischen Demokratie in Erscheinung (443/42 Schatzmeister des Attischen Seebundes, 441/39, 428 Stratege, 411 Mitglied im Rat der Probulen, Teilnahme am oligarchischen Umsturz). Von den angeblich 123 von Sophokles verfassten Tragödien sind sieben erhalten: Ajas, Antigone, Trachinierinnen, König Ödipus, Elektra, Philoktetes, Ödipus auf Kolonos (Reihenfolge der Aufführungszeiten: ca.450, 442?, 430er, 430er, n.420, 409, 401); daneben ist noch das Sartyrspiel Ichneutai erhalten. Mit Sophokles wird eine Umgestaltung der Tragödie als Bühnenaufführung verbunden (dritter Schauspieler, Vergrößerung des Chors auf 15 Personen, Bühnenausgestaltung), Ausfluss seines künstlerischen Selbstbewusstseins, einen idealen Menschen charakterhaft darzustellen (verlorene Sophoklesschrift "Über den Chor"). In der Tragödie Antigone z.B. entfernt sich die Protagonistin Antigone in ihrem Verlangen, den toten Bruder Polyneikes gegen herrscherliches Verbot zu bestatten, von Polis und König Kreon von Theben; sie endet letztlich durch Selbstmord, der Selbstmord mündet ein in eine Katastrophe für die Familie Kreons. Zu Sophokles s.: Sophokles, Antigone. Eine Tragödie, übers. v. Roman Woerner ([vor 1947]) (= Insel-Bücherei 27), Nachdruck Wiesbaden 1959, 63 S., DM 3,-; Sophokles, Antigone, übers. v. Wilhelm Kuchenmüller (1955) (= RUB 659), Nachdruck Stuttgart 1973, 64 S., DM 1,30, Nachdruck Stuttgart 1998, 64 S., DM 3,-; Sophokles, Die Tragödien, übers. v. K.W.F. Solger (1977) (= dtv 6071), München 1977, 369 S., DM 8,80; Sophokles, Antigone, hg. u. übers. v. Wolfgang Schadewaldt (1974) (= it 70), Frankfurt a. M. 41982, 153 S., Schwarzweißabbildungen, DM 7,-; Sophokles, König Ödipus, übers. v. Ernst Buschor (1960) (= RUB 630), Nachdruck Stuttgart 1982, 79 S., DM 2,10, Nachdruck Stuttgart 1998, 80 S., DM 3,-, Nachdruck Stuttgart 2000, 80 S., DM 4,-. Umfangreich ist die Rezeptionsgeschichte zur Antigone des Sophokles; das Schicksal der Antigone bot immer wieder Anlass, die Thematik literarisch neu zu bearbeiten: Anouilh, Jean (1944/47), Antigone (= Theater-Texte, Bd.3), München 282008, 64 S., € 9,90; Hermes, Eberhard (1992), Interpretationshilfen: Der Antigone-Stoff. Sophokles, Anouilh, Brecht, Hochhuth (= Klett Interpretationshilfen), Nachdruck Stuttgart-Düsseldorf-Leipzig 2005, 208 S., Schwarzweißabbildungen, € N.N.; Hochhuth, Rolf (1961/86), Die Berliner Antigone. Erzählungen und Gedichte (= RUB 8346), Stuttgart 2005, 86 S., € 2,60. [Buhlmann, 06.2018, 02.2022]

Soukup, Pavel, Jan Hus (= Urban Tb 737), Stuttgart 2014, 263 S., Schwarzweißabbildungen, € 24,99. I. Jan (Johannes) Hus (*ca.1371-†1415), böhmischer Prediger, Theologe und Kirchenreformator, wurde im südböhmischen Husinec geboren, studierte und lehrte an der Prager Universität (Magister 1396) und wurde Priester (1400). Als Prediger und Seelsorger an und Rektor der Prager Bethlehemskapelle (1402) errang Hus große Bekanntheit. In der Folge bekannte er sich neben anderen zur Lehre John Wyclifs (via antiqua und Realismus, Abendmahllehre und Eucharistie, Donatismus). Die Neuordnung der Prager Universität durch das Kuttenberger Dekret (1409) König Wenzels (†1419) machte den Weg für die Wyclifiten frei; Jan Hus wurde als Führer der kirchlichen Reformbewegung nun Rektor der Universität. Der Prager Erzbischof Zbynek Zajic von Hasenburg (1402-1411), mit dem Hus zuvor u.a. in Fragen der Reform der Geistlichkeit zusammengearbeitet hatte (Synodalpredigten Hus' 1405, 1407), wandte sich massiv gegen die über die böhmische Reformtradition hinausgehenden Wyclifiten und Jan Hus (Verbrennung von wyclifitischen Schriften, Hus' Einspruch gegen die Bücherverbrennung an der Kurie, Bulle Papst Alexanders V. und Predigtverbot u.a. in der Bethlehemskapelle 1409/10). Es kam zu Unruhen in Prag; Hus, der vor die Kurie in Rom vorgeladen wurde und dort nicht erschien, wurde mit dem Kirchenbann belegt (1410), der - nach dem Eintreten von Hus gegen einen päpstlichen Kreuzzugsablass - von Papst Johannes XXIII. noch verschärft wurde (1412). Zwischen 1412 und 1414 tauchte Hus, der auch die Unterstützung König Wenzels verloren hatte, unter im nordwestlichen und südlichen Böhmen. Die Einladung König Sigismunds (1410-1437) zum Konzil von Konstanz (1414-1418) nahm Hus an. Dort wurde seine Lehre, der er nicht abschwor, als wyclifitisch verworfen, er selbst am 6. Juli 1415 als Ketzer verbrannt. II. Die Wirkungen des Jan Hus waren vielfältig: die Hussitenbewegung in Böhmen u.a. als Protest gegen das Konstanzer Konzil (Protestbrief 1415, Utraquisten und Taboriten 1418/19, Kreuzzug gegen die Hussiten 1420), die Hussitenkriege (1420-1436; Iglauer Kompaktaten 1436), die hussitische Reformation (außerhalb der Papstkirche stehend [Kirchenspaltung]) und die böhmisch-utraquistische Kirche reformorientierter Laien. > Lateinische Literatur > H Hus, Jan [Buhlmann, 01.2016]

Sousa Costa, Annette de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitularien (= StAhd 21), Göttingen 1993 > S Studien zum Althochdeutschen

Sowjetische Geschichte, 1917-1991; nachsowjetische Geschichte, 1991-heute: I. Entstehung: Die Sowjetunion ist entstanden aus dem russischen Zarenreich, einem "Regime der Selbstherrschaft", das während des Ersten Weltkriegs (1914-1918, als "Katalysator des Zerfalls") gerade auch an seinen inneren Widersprüchen (autokratische Herrschaft des Zaren über ein "europäisches Imperium" von der Ostsee bis Sibirien, vom Schwarzen Meer bis zur Arktis; Modernisierungen und Rückständigkeit; Ständegesellschaft [Bauern, Bürger, Intellektuelle]; Versorgungslage während des Kriegs) zerbrach. Die Februarrevolution von 1917 und die Abdankung des Zaren Nikolaus II. (1881-1917; März 1917) führten zur Bildung eines "Provisorischen Komitees" und zu insgesamt vier bürgerlichen Regierungen unter Georgi Lwow (†1925) und Alexander Kerenski (†1970) bis zur Oktoberrevolution von 1917 (provisorische Regierung in St. Petersburg, Petrograder Arbeitersowjet der Sozialrevolutionäre, Menschewiki und Bolschewiki, "Russländische Föderation" bei Abspaltung der Ukraine [Juni 1917]). Mit der Ankunft (Wladimir Uljanow) Lenins (*1870-†1924) in Russland (April 1917) begann die Radikalisierung der Bolschewiki, die sich gegen die bürgerliche Regierung wandten; diese hatte sich mit Misserfolgen im Krieg und einem versuchten Militärputsch (September 1917) auseinanderzusetzen. Die Oktoberrevolution vom 7. November (= 25. Oktober) 1917 als Putsch der Bolschewiki unter der weitgehenden Regie von Leo Trotzki (*1879-†1940) führte zur Entmachtung der "Provisorischen Regierung", wobei der 2. Kongress der Sowjets vom selben Tag als Regierung einen Rat der Volkskommissare beschloss. Lenin löste mit seinen Bolschewiki die am 8. Dezember gewählte verfassungsgebende Versammlung durch (Januar 1918), die Volkskommissare gründeten als Geheimpolizei die Tscheka (Dezember 1917), führten die gregorianische Kalenderrechnung ein (Februar 1918) und verboten die nichtbolschewistischen Parteien (bis Mitte 1918); mit dem Frieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) schied Russland aus dem Weltkrieg aus, Finnland, die baltischen Staaten, Polen, Weißrussland, die Ukraine, die transkaukasischen Staaten, Turkestan, Kasachstan verselbstständigten sich, teilweise unter deutscher Besetzung. Ab der 2. Hälfte 1918 herrschte in Russland der Bürgerkrieg zwischen den "Weißen", unterstützt von Großbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika, und den "Roten" (1918-1920), u.a. ein Attentat auf Lenin (Dezember 1918) war der Anlass für den "Roten Terror" der Bolschewiki gegen Andersdenkende im Sinne eines ideologischen Marxismus-Leninismus. Im Bürgerkrieg war zunächst das Wolgagebiet umkämpft (1918), dann gerieten die Bolschewiki in Bedrängnis (1919), schließlich gelang den "Roten" die Rückeroberung vieler ehemals zum Zarenreich gehörender Territorien wie der Ukraine, Weißrussland, der Kaukasusregion und Zentralasiens (1920); Finnland und die baltischen Staaten blieben unabhängig, Polen erzwang gegen Sowjetrussland die Abtretung von Teilen Weißrusslands und der Ukraine (1920/21). Im jeweiligen Machtbereich der Bolschewiki kam es während des Bürgerkriegs zur Ausbildung eines "Kriegskommunismus", der die russischen Bauern massiv benachteiligte und die Revolution der Städte auch auf dem Lande verbreitete; Bauernaufstände (in der Ukraine, im Wolgagebiet und Westsibirien), aber auch der Kronstädter Arbeiteraufstand (Anfang 1921) waren die Folge. Mit der "Neuen Ökonomischen Politik" (1921/27; Beendigung des "Kriegskommunismus, freier Handel, Städte und benachteiligtes Land) bei teilweiser Abkehr von der marxistisch-leninistischen Ideologie sollte sich die Sowjetunion wirtschaftlich und politisch stabilisieren. Im Staat der Räte (Sowjets) bildeten Partei - die "Allunions-Kommunistische Partei der Bolschewiki" (VKP(b); 1925) - und Staat eine Einheit, d.h. in diesem Parteienstaat ergänzten sich staatliche Organisationen und Parteistrukturen, und das auf lokal-regionaler Ebene, auf der Ebene der (autonomen) Republiken (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik [RSFSR], Karelische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik [ASSR], {ab 1945: Estnische Sozialistische Sowjetrepublik [SSR], Litauische SSR, Lettische SSR}, Weißrussische SSR, Ukrainische SSR, Moldauische SSR, Kalmückische ASSR, Kabardino-Balkarische ASSR, Nordossetische ASSR, Tschetscheno-Inguschische ASSR, Dagestanische ASSR, Abchasische ASSR, Adscharische ASSR, {als Transkaukasische SFSR 1922-1936: Georgische SSR, Armenische SSR, Nachilschewane ASSR, Aserbaidschanische SSR}, Komi-ASSR, Mordwinische ASSR, Tschuwaschische ASSR, Mari-ASSR, Udmurtische ASSR, Tatarische ASSR, Baschkiruische ASSR, Kasachische SSR, Karakalpakische ASSR, Turkmenische SSR, Usbekische SSR, Kirgisische SSR, Tadschikische SSR, Tuwinische ASSR, Burjatische ASSR, Jakutische ASSR), auf der Ebene der Sowjetunion als (föderale) Union. Die (Sowjet-) Union wurde am 29. Dezember 1922 formal ins Leben gerufen und vereinigte die bis dahin von den Bolschewiki eroberten Territorien (Eroberung Georgiens 1921/24, Verselbstständigung der Turkmenischen SSR und Usbekischen SSR 1924, Moldauische SSR 1924, Verselbstständigung der Tadschikischen SSR 1929, Verselbstständigung der Kasachischen SSR und Turkmenischen SSR 1936). Der politische Vorrang der Sowjetunion gegenüber den Teilrepubliken blieb wegen der alles verbindenden Allunionspartei VKP(b) gewahrt, die 127 Nationalitäten innerhalb der Sowjetunion wurden in ihrer kulturellen Eigenständigkeit gefördert (Bildungspolitik, Sprache, Schulen, Sesshaftmachung, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau). Im Mittelpunkt des sowjetischen Kommunismus standen dabei der wirtschaftliche Fortschritt als Resultat von Elektrifizierung, Industrialisierung und Rationalisierung und ein propagandistisches Idealbild der dem Sozialismus entsprechenden Menschentypen des Arbeiters im Arbeiterstaat und der Frau in der neuen Gesellschaft (Arbeiterkult und Fabrik, Kunst und sozialistische Avantgarde [Dichtung, Literatur, Theater, Malerei, Fotografie, Kino], Atheismus [Ausschaltung der kirchlichen "Konkurrenz", Vermögensbeschlagnahme, Verbote]). Außenpolitisch setzte die entstehende Sowjetunion zunächst auf die "Weltrevolution" (Bedeutung Deutschlands), musste sich aber nach dem Ausbleiben dieser mit den Mitteln der herkömmlichen Diplomatie behaupten (Vertrag von Rapallo 1922, diplomatische Anerkennung ab 1924). Der Tod Lenins als unbestrittenem Führer des sowjetischen Marxismus-Leninismus (1924; "Fraktionsverbot" innerhalb der VKP(b) 1921, "Testament" Lenins, Lenin-Mausoleum in Moskau, Leningrad statt Petrograd) ließ indes innenpolitischen Streit um die Macht aufkommen, bei dem Trotzki ins politische Abseits geriet (Ermordung Trotzkis in Mexiko 1940). Profiteur der Entwicklung war Josef Stalin (*1878-†1953), der zudem die Parteigrößen Grigori Sinowjew (*1883-†1936; hingerichtet) und Lew Kamenew (*1883-†1936; hingerichtet) sowie Nikolai Bucharin (*1888-†1938) ausschalten konnte (1926/27/29). II. Stalin: Stalin vereinigte als Generalsekretär de VKP(b) unter Ausschaltung jeglicher Parteikonkurrenz alle Macht bei sich. Ab 1928 kann von der Ära des Stalinismus gesprochen werden; in diesem Jahr gelang es Stalin das Politbüro der kommunistischen Partei nach seinen Wünschen umzugestalten, weiter das endgültige Aus der NÖP durchzusetzen und in einem 1. Fünfjahresplan (1928-1932) die Schwerindustrialisierung der Sowjetunion ([chaotische] Planwirtschaft, weitere Ideologisierung der Arbeiterschaft) bei Kollektivierung und "Entkulakisierung" der Landwirtschaft (Zwangskollektivierungen und Enteignungen [Sowchosen, Kolchosen], Deportationen und Ermordungen) durchzusetzen. Gegner innerhalb und außerhalb der Partei wurden in Schauprozessen verurteilt, "Systemfeinde" getötet, deportiert oder zu Zwangsarbeit gezwungen; die Geheimpolizei GPU (1922) bzw. NKWD (1934) beherrschte den "Archipel GULag". Folgen der Maßnahmen Stalins waren eine "Entfesselung von Gewalt" und "bürgerkriegsähnliche Zustände", die neben einer allgemeinen Desorganisation u.a. zur Hungersnot von 1932/33 mit ihren fünf bis zehn Millionen Opfern besonders in der Ukraine führten. Die Flucht der Landbevölkerung in die Städte unterband dabei (theoretisch) ein Passsystem (1932; <-> "Verbäuerlichung" der Städte). Ideologisch stand im Stalinismus der "Neue Mensch" im Vordergrund, wie ihn die Modernität verheißende städtebauliche Umgestaltung Moskaus (Metro und Magistralen) propagierte, das Ideal des mit "bolschwistischem Bewusstsein" ausgestatteten Menschen (Männer, Frauen, Ingenieure) oder die Kunst des "Sozialistischen Realismus". Der von Stalin initiierten sozialistischen Verfassung der Sowjetunion (1936) folgte im 2. Fünfjahresplan (1933-1937) der "Große Terror" von 1937/38, der nicht nur die (Partei-, Planwirtschafts-) Elite, sondern alle Schichten der Gesellschaft betraf (Stachanow-Kampagne und "Mobilisierungsdiktatur" 1935, Entmachtung des Politbüros 1935, "Säuberungen" innerhalb der Partei 1937, Moskauer Schauprozesse 1936/38, Massenterror und Massenverhaftungen gegen "Asoziale, Kriminelle, Kulaken" 1937/38, Ausbau des GULag-Systems 1937/41) und die Beziehungen zwischen den Menschen nachhaltig zerstörte. Stalin wirkte über die Komintern ("Kommunistische Internationale") auch auf die kommunistischen Parteien im Ausland ein, wenn auch die direkten diplomatischen Beziehungen zu den auswärtigen Staaten eine immer größere Rolle spielten (Mitgliedschaft der Sowjetunion im Völkerbund 1934, sowjetischer Außenminister Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow [†1986], Auflösung der Komintern 1943). Der Hitler-Stalin-Pakt (1939) mit seiner Preisgabe der baltischen Staaten und Ostpolens an die Sowjetunion war eine Voraussetzung für den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und den deutschen Überfall auf die Sowjetunion (Unternehmen "Barbarossa" 1941, deutscher Vernichtungskrieg in Osteuropa, Holocaust). Im "Großen Vaterländischen Krieg" (1941-1945) reagierte Stalin auf den deutschen Angriff mit Zwangsmaßnahmen (Kontrolle von Soldaten und Arbeitern, Deportation ethnischer Gruppen [Wolgadeutsche, Krimtataren u.a.], Verfolgung von Kollaborateuren), aber auch mit der Gewährung von Freiheiten (Sowjetunion als "Leidensgemeinschaft", kulturelle und kirchliche Freiheiten). Die Schlacht bei Stalingrad (September 1942-Januar 1943) bildete den Wendepunkt des Krieges; danach rückte die sowjetische Rote Armee - unterstützt von den westlichen Aliierten - bis nach Mitteleuropa vor (1945). Noch nach Ende des Krieges behauptete sich die Ukrainische Aufstandsarmee (UPA) als antikommunistische Gruppierung in weiten Teilen der Westukraine (bis 1956), während Baltikum und Westgebiete fest in die erweiterte Sowjetunion eingebunden wurden (Deportationen, Verstaatlichungen, Kollektivierung, russische Amtssprache). Im sich entwickelnden Ost-West-Konflikt u.a. zwischen einem kommunistischen Osteuropa hinter dem "Eisernen Vorhang" (Warschauer Pakt) und den westlichen Demokratien in Nordamerika und Europa (NATO) konnte die Sowjetunion auf die auch von ihr entwickelte Atombombe (1949) verweisen; der "Kalte Krieg" zwischen Kapitalismus und Kommunismus wurde ideologische geführt, ging konkret gerade auch um den sowjetischen Einfluss in Osteuropa und Deutschland (West-Berlin 1948/49, Gründung von Bundesrepublik Deutschland [BRD] und Deutscher Demokratischer Republik [DDR] 1949, "Stalin-Note" 1952). Innenpolitisch standen die Jahre nach dem Krieg im Zeichen des industriellen Wiederaufbaus der durch den Krieg massiv in Mitleidenschaft gezogenen westlichen Teile der Sowjetunion (25 bis 30 Millionen Weltkriegstote, Fünfjahresplan für die Ukraine 1946-1950). Gleichzeitig wurden vor dem Hintergrund eines geradezu schizophrenen Freund-Feind-Denkens (Schdanowschtschina, Antikosmopolitismus, Antisemitismus, Feindhysterie) Freiheiten (z.B. in der Kunst) wieder eingeschränkt, die "Angstherrschaft" Stalins und eine beginnende neue Terrorwelle (gegen Juden) wurden nur durch den Tod des Diktators (1953) beendet. III. Chruschtschow: Was folgte, war eine liberalere Ära unter dem Ersten Parteisekretär der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU, 1952) Nikita Chruschtschow (*1894-†1971), der die "kollektive Führung" nach Stalins Tod erfolgreich ablöste (1957). Zuvor war noch der Aufstand in der DDR niedergeschlagen worden (1953; Hinrichtung des NWKD/MGB-Chefs Lawrenti Berija [†1953, Geheimdienst KGB 1954]); zur "Entstalinisierung" der Sowjetunion (ab 1953) gehörte das Abrücken von Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Unterbringung im GULag, die Öffnung der Lager bedingte die Freilassung von ungefähr vier Millionen (politischer) Gefangener, die nur schlecht in die sowjetische Gesellschaft zu integrieren waren. In einer Geheimrede rechnete Chruschtschow (teilweise) mit dem Terror der Stalinzeit ab (1956), was innen- und außenpolitische Verwerfungen mit sich brachte (Unruhen in Polen und Ungarn 1956). Der "Entstalinisierung" folgte eine Periode des "Tauwetters", innenpolitisch der Jahre 1955/57, auch in der Literatur (Schriftstellerkongress 1954); doch wandte sich die sowjetische Gesellschaft mit seiner Sozialkontrolle auch gegen "Asoziale" und "Sozialschmarotzer", gegen Religion und Kirche (orthodoxes Christentum, Islam) bei Propagierung "nationaler" Einheit. Der Reformstau der Stalinjahre sollte durch Reformen innerhalb der Landwirtschaft (Maisanbau, staatliche Erleichterungen für Bauern[Steuern, Rente], Neuland-Kampagne, Überforderung der Kolchosen), durch Reformen hin zu einem Wohlfahrtstaat (Mindestlohn, Mindestrente, Wohnungsbau, Konsum), durch eine dezentrale Organisation der Industrie bei weiterem Ausbau von Großindustrie und Energieversorgung gelöst werden. Das sowjetische Raumfahrtprogramm war zivil (Satellit "Sputnik" 1957) und militärisch (Trägerraketen für Atomwaffen) erfolgreich. Die sowjetische Außenpolitik war gekennzeichnet durch Chruschtschows Reisediplomatie (Gipfeltreffen in Genf [1955], Paris [1960] und London [1961], Chruschtschows USA-Reise 1959) und durch Annäherung an den und Distanzierung vom Westen (Entlassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen 1955, Deutschland- und Berlin-Frage [Mauerbau 1961]). In der Kubakrise (1962) zogen Chruschtschow und die Sowjetunion den Kürzeren. Der außenpolitische Misserfolg sowie Versorgungskrisen im Innern führten schließlich zur Absetzung Chruschtschows durch das Zentralkomitee der KPdSU (1964). IV. Breschnew: Auf Chruschtschow sollte Leonid Breschnew (*1906-†1982) als mächtigster Mann der Sowjetunion folgen, freilich mit Aleksei Kossygin (*1904-†1980) als Vorsitzendem des Ministerrats und Nikolai Podgorny (*1903-†1983) als Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets - "kollektive Führung" also. Breschnew zeichnete sich durch einen auf Ausgleich bedachten Führungsstil aus, er setzte auf Kontinuität im Kader der KPdSU bei Vorrang der Partei gegenüber der Regierung. Reformen Chruschtschows wurden zurückgenommen, die neue Verfassung der Sowjetunion (1977) stand in Teilen den kommunistischen ("nationalen") Eliten in den Teilrepubliken entgegen; (Kolchos-) Bauern sollten rechtlich und sozial der städtischen Bevölkerung gleichgestellt werden (Angleichung der Löhne 1965, Freizügigkeit 1975), die "Kossyginschen Reformen" (1965) setzten auch auf Eigenverantwortung in der Industrie, scheiterten aber im Wesentlichen; im Rahmen des "Kleinen Deal" (Wohlverhalten gegen materielle Versorgung, Anhebung des Lebensstandards) eines "entwickelten Sozialismus" konnte die sowjetische Bevölkerung auch mehr Konsumgüter wie Haushaltsgeräte (Fernsehgerät, Kühlschrank, Waschmaschine) nachfragen, die Anzahl privater Automobile blieb indes gering (Lada-Autowerk in Togliatti 1970). Dringende Devisen erhielt die Sowjetunion durch den Export von Gas und Öl (aus Sibirien) auch ins westliche Ausland (Österreich 1968, BRD 1973, Pipeline zur Yamal-Halbinsel 1983). Unter den Infrastrukturmaßnahmen ragte - neben den Investitionen im ländichen Bereich - auch unter ideologischen Aspekten der Bau der Baikal-Amur-Magistrale (ab 1974) hervor. Ebenfalls ideologisch untermauert war die Verfolgung Andersdenkender, was etwa den Schriftsteller Alexander Solschenizyn (*1918-†2008, Literaturnobelpreis 1970) oder den Wissenschaftler Andrei Sacharow (*1921-†1989, Friedensnobelpreis 1975) betraf. Außenpolitisch trat die Sowjetunion als Weltmacht auf, gegenüber den Staaten des Warschauer Paktes (Prager Frühling 1968), gegenüber dem China der Kulturrevolution, gegenüber der NATO und den USA (Vietnamkrieg 1955-1975, Entspannungsprozess und SALT-Abkommen 1972, KSZE-Prozess und Helsinki-Schlussakte 1973/75), gegenüber Westdeutschland im Zeichen der neuen Ostpolitik des Bundeskanzlers Willy Brandt (1969-1974) (Moskauer Vertrag 1970). Der Entspannung zwischen Ost und West folgte nach 1975 eine neue "Eiszeit" (trotz SALT II-Abkommens 1979; Kommunismus in Angola (1974/75/2002), NATO-Doppelbeschluss 1979); auch der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan (1979) gehört hierher (Afghanistankrieg 1979-1989), Unruhen in Polen (freie Gewerkschaft Solidarnosc) wurden unterdrück (1980/81). Am Ende hinterließ Breschnew ein von Nahrungsimporten abhängiges Land, das infolge eines Preiszerfalls nur ungenügend Devisen aus dem Öl- und Gasexport generieren konnte, und innerhalb der politisch maßgeblichen Parteikader der KPdSU eine Gerontokratie. Letztere stellte nach Breschnews Tod (1982) die Generalsekretäre Juri Wladimirowitsch Andropow (*1914-†1984) und Konstantin Tschernenko (*1911-†1985), die aufgrund ihren kurzen Amtszeiten kaum politisch zur Entfaltung kamen (1982-1984 bzw. 1984-1985). V. Auf- und Zusammenbruch: Mit Michail Gorbatschow (*1931-†2022) kam ein Generalsekretär einer jüngeren Generation an die Macht (1985), der das durch Korruption und Stagnation ausgehöhlte Partei- und Staatssystem der Breschnewzeit verändern und modernisieren wollte. Perestroika ("Umgestaltung" ) und Glasnost ("Transparenz/Öffnung") waren die Schlagworte, mit denen Gorbatschow seine neue Politik verband. Sie bedeutete eine entstehende Meinungsvielfalt und Verfassungsreformen (Demokratisierung 1987, Reform der Sowjets, Kongress der Volksdeputierten 1988, Präsidialsystem 1990) unter der Alleinherrschaft der KPdSU sowie einen massiven Umbau der Wirtschaft, die nun marktwirtschaftliche Elemente (Handwerk, Landwirtschaft) aufnahm, die Planung auf die Ebene der Unternehmen (Industrie) verlagerte. Der wirtschaftliche Umbau führte zu massivem Mangel an vielem, zumal eine Kampagne gegen Alkoholismus (1985) sich ebenfalls negativ auswirkte. Die Reaktorexplosion in Tschernobyl (1986) brachte das Ende der Technikgläubigkeit, Abruüstungsverhandlungen in Reykjavik (INF-Vertrag 1987) das Ende des Kalten Krieges zwischen Ost und West. Auch in den Staaten des Warschauer Paktes sollten Perestroika und Glasnost Einzug halten, das Ende der kommunistischen DDR (Mauerfall 1989) und deren Beitritt zur BRD (Wiedervereinigung 1990) liefen parallel zu Zerfall und Auflösung des Warschauer Paktes (1991) bei Rückzug der sowjetischen Truppen ausd Osteuropa (bis 1994). Auch die Sowjetunion sollte in ihre Einzelrepubliken zerbrechen; in Kasachstan setzten 1986 Unruhen ein, ebenso in Usbekistan 1988/89, es folgten Streitigkeiten um die Region Bergkarabach (1988) zwischen Armenien und Aserbaidschan und Massenproteste in Georgien (Abchasien, Südossetien) (1989/90). Autonomiebestrebungen gab es in den baltischen Republiken seit 1988, Litauen erlangte 1990/91 als erste dieser Republiken die faktische Unabhängigkeit. Das Jahr 1991 war auch das Jahr des Endes der Sowjetunion, die Gorbatschow mittels eines neuen Unionsvertrages zwischen neun Republiken auf eine neue Grundlage stellen wollte (April/August 1991). Der Unionsvertrag war der Anlass zu einem kommunistischen Putsch gegen den Generalsekretär (18./21. August 1991), der unter maßgeblicher Beteiligung des Präsidenten der russischen Teilrepublik Boris Jelzin (*1931-†2007) abgewehrt werden konnte. Der Unionsvertrag war indes hinfällig; die Republiken Russland, Weißrussland und Ukraine verhandelten hinter Gorbatschows Rücken das neue Staatensystem der "Gemeinschaft unabhängiger Staaten" (GUS), das am 21. Dezember 1991 von elf Republiken gebildet wurde. Gorbatschow trat daraufhin am 25. Dezember als sowjetischer Präsident zurück, am Tag darauf verfügte der Oberste Sowjet die Auflösung der Sowjetunion als "Union der sozialistischen Sowjetrepubliken" (UdSSR). Die kommunistische Sowjetunion war damit Geschichte. VI. Nachleben: Aus der Sowjetunion entstanden infolge des politischen Umbruchs der Jahre 1989/91 fünfzehn neue Staaten, die unterschiedliche Entwicklungen nahmen. Die baltischen Staaten Estland, Livland, Litauen orientierten sich rasch nach dem Westen und wurden schließlich Mitglieder der NATO und der Europäischen Union (EU). Andere Staaten waren Teil der GUS, hatten sich mit der machtpolitischen Vormachtstellung des "neuen" Russland auseinanderzusetzen oder kämpften mit Nationalitätenprobleme. Russland als Kerngebiet der ehemaligen Sowjetunion wurde unter der Präsidentschaft von Waldimir Putin (*1952) wieder zu einer Diktatur, die die Wiederherstellung des Sowjetimperiums anstrebt (nach: Schattenberg, Sowjetunion).
Zur Sowjetunion s.: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.) (1992), Die Sowjetunion 1953-1991 (= Informationen zur politischen Bildung, H.236), Bonn 1992, 48, 24 S., Schwarzweißabbildungen, Karten; Fisher-Ruge, Lois (1986), Alltag in Moskau (= Fischer Tb 3070), Nachdruck Frankfurt a. M. 1988, 204 S. Farbtafeln, DM 10,80; Hildermeier, Manfred (2017), Geschichte der Sowjetunion 1917-1991. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates (= HB), München 2017 > H Hildermeier, Sowjetunion; Schattenberg, Susanne (2022), Geschichte der Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution bis zum Untergang (= BSR 2935), München 2022 > S Schattenberg, Sowjetunion; Voslensky, Michael S. (1989), Sterbliche Götter. Die Lehrmeister der Nomenklatura (= Ullstein Tb 34807), Berlin 1991, 528 S., DM 16,80. Zum politischen Umbruch in der Sowjetunion s.: Gorbatschow, Michail (1987), Perestroika. Die zweite russische Revolution. Eine neue Politik für Europa und die Welt, München 1987, 344 S., DM 36,-; Gorbatschow, Michael S., "Zurück dürfen wir nicht". Programmatische Äußerungen zur Umgestaltung der sowjetischen Politik. Eine kommentierte Auswahl der wichtigsten Reden M.S. Gorbatschows aus den Jahren 1984-1987, hg. v. Horst Temmen (1987) (= Goldmann Tb 11445), München 1987, 344 S., DM 12,80; Lewin, Moshe (1988), Gorbatschows neue Politik. Die reformierte Realität und die Wirklichkeit der Reformen (= Fischer Tb 4405), Frankfurt a.M. 1988, 142 S., DM 12,80; Ruge, Gerd (1991), Der Putsch. Vier Tage, die die Welt veränderten (= Fischer Tb 11271), Frankfurt a.M. 1991, 285 S., Schwarzweißabbildungen, DM 12,80. Zur nachsowjetisch-russischen Geschichte s.: Bidder, Benjamin (2016), Generation Putin. Das neue Russland verstehen (= bpb Schriftenreihe, Bd.10008), Bonn 2017, 336 S., Farbtafeln, € N.N.; Schmid,Ulrich (2015), Technologien der Seele. Vom Verfertigen der Wahrheit in der russischen Gegenwartskultur (= es 2702), Berlin 22016, 386 S., € 18,-; Scholl-Latour, Peter (2006), Russland im Zangengriff. Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam, Berlin 2006, 425 S., Farbtafeln, Karten, € 24,90; Wehling, Hans-Georg (Hg.) (1992), Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Entstehung - Entwicklung - Probleme (= Kohlhammer Tb 1098), Stuttgart-Berlin-Köln 1992, 259 S., DM 26,-. [Buhlmann, 04.2019, 08.2019, 01.2022, 11.2022, 05.2023]

SP = Sammlung Piper

Spätantike, 4.-5. Jahrhundert n.Chr.: I. Spätantike - ursprünglich eine Bezeichnung aus der Kunstgeschichte - bezeichnet die Geschichte des römischen Reiches im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr., beginnend mit den Kaisern Diokletian (284-305) und Konstantin I. dem Großen (306-337). Es ist eine Zeit großen politischen und gesellschaftlichen Wandels im Übergang von der Antike zum (frühen) Mittelalter bzw. zum oströmisch-byzantinischen Reich. II. Die politischen, militärischen, judikativen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen der beiden vorgenannten Kaiser bewirkten u.a. eine Neuorganisation des römischen Reiches (Vergrößerung der Anzahl der Provinzen, Diözesen, Präfekturen), eine Neuaufstellung des römischen Heeres (Grenzverteidigung und Limitantruppen, Bewegungsheer und comitatensische Legionen) sowie die Anerkennung des noch unter Diokletian verfolgten christlichen Glaubens (Konstantinische Wende) bei Gründung einer zweiten römischen Hauptstadt Konstantinopel (330). Die Dynastie Konstantins, repräsentiert durch die Kaiser Konstantin II. (337-340), Constans (337-350), Constantius II. (337-361) und Julian (361-363), konnte (im Wesentlichen) ihre Macht im römischen Reich bis zum Tod Julians behaupten. Im dabei zeitweise faktisch geteilten Imperium Romanum der drei augusti und Konstantinsöhne Konstantin II., Constans und Constantius II. (Westen, Mittelteil, Osten des römischen Reichs) kämpften diese um die Macht (Einfall Konstantins II. ins Italien Kaiser Constans' 340; Constans als Kaiser des Westens nach Konstantins II. Tod 340/50; Usurpation des Magnentius, Ermordung des Constans 350; Schlacht bei Mursa 351; Selbstmord des Magnentius, Constantius II. als Alleinherrscher 353; Caesar Gallus 351/54; Usurpation des Silvanus 355; Caesar Julian 355/60; Usurpation Julians 360, dessen Feldzug gegen Constantius II. 361; Tod Constantius' II. 361). Auch ging es um die Verteidigung der römischen Außengrenzen; Bruderkämpfe und Usurpationen hatten selbstverständlich negative Auswirkungen darauf. Im Westen bedrohten Sachsen, Franken und Alemannen die Grenzen (Kämpfe am Rhein; Britannienfeldzug Constans' 343; Schlacht bei Straßburg gegen die Alemannen 357; Krieg Julians gegen die salischen Franken 358), im Osten war es das sassanidische Perserreich unter Großkönig Schapur II. (†379) (geplanter Feldzug Konstantins des Großen; Armenien unter römischem Einfluss 338; persischer Angriff auf Nisibis 338; römische Niederlage bei Singara 344; persische Angriffe auf Nisibis 346, 350; persische Eroberung Amidas 359; Perserfeldzug Julians 363), entlang der Donau Quaden und Sarmaten (erfolgreiche Kriege Constantius' II. gegen Quaden 358 und Sarmaten und Limiganten 359). Die Kaiser wirkten - wie Konstantin I. auch (Konzil von Nikaia 325) - mit ihrer je katholischen oder arianischen Politik auf die in verschiedene Glaubensrichtungen gespaltene christliche Kirche ein (Bischof Athanasius von Alexandrien; Enkämien-Synode von Antiochien 341; Konzil von Serdica 342/43; Donatisten in Nordafrika, Synode von Karthago 348; Synode von Mailand 355; Synoden von Sirmium 357, 358; Wiederbelebung heidnischer Kulte unter Julian, Philosophengesetz 362). Nicht nur hinsichtlich des Christentums, sondern generell erhöhte sich der Einfluss von Kaisertum und kaiserlicher Bürokratie in vielen Lebensbereichen der Bevölkerung des Imperium Romanum (Idealisierung des Kaisertums [Rombesuch Constantius' II. 357, Roma aeterna], administrative Intensivierung [zivile, militärische Ämter], Wirtschaft und Finanzen, Steuererhebung [Dekurionen] und Münzwesen; Senatoren, honestiores/potentes, humiliores/humiles, coloni, ["barbarische"] Soldaten). III. Nach dem Tod Kaiser Julians auf dem Perserfeldzug (363) und der kurzen Regierung Kaiser Jovians (363-364) (römisch-persischer Friedensvertrag und Aufteilung Armeniens 363; Aufhebung des Philosophengesetzes 364) wurden Valentinian I. (364-375, Westen) und dessen Bruder Valens (364-378, Osten) zu neuen augusti und begründeten damit die valentinianische Herrscherdynastie (Erhebung des Valentiniansohns Gratian zum augustus 367; Kaiser Valentinian II. [375-392]). Die beiden Herrscher setzten sich gegen innere (Usurpation des Procopius 365; Schaffung des Amtes des defensor plebis 368; "Studentengesetz" 370; Aufstand des Firmus in Nordafrika 373/75) und äußere Feinde (Alemmannenkriege Valentinians I. 365/67; Kämpfe Valens' gegen die Goten 369) durch, an der Ostgrenze gegenüber dem Perserreich blieb u.a. in der Frage der Stellung Armeniens als Pufferstaat die politischen Verhältnisse unentschieden. Das Eindringen der Hunnen in Europa und das Ende des nördlich des Schwarzen Meers gelegenen Ostgotenreichs (375) sollten dann den Druck gotischer Völkerschaften auf die römische Grenze entlang der unteren Donau erhöhen (römische Niederlage in der Schlacht bei Adrianopel und Tod des Valens 378). Der von Kaiser Gratian (367/75-383) für den Osten des römischen Reichs zum augustus ernannte Thoedosius I. der Große (379-395) konnte die Verhältnisse indes noch einmal stabilisieren (foedus mit den Westgoten 382; römisch-persischer Frieden 384), machte das nikaianische Christentum zur Staatsreligion (Edikt Cunctos populos von 380; Konzil von Konstantinopel 381 [nikaianisch-konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis]; Ambrosius von Mailand, Damasus von Rom, Martin von Tours als Vertreter der westlichen, Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa als Vertreter der östlichen Kirche; Priscillianismus) und setzte sich auch gegen den Usurpator des westlichen Kaisertums, Magnus Maximus (383-388), durch (Ermordung des Maximus in Aquileia 388; Rombesuch des Theodosius 389 [heidnische Senatoren in Rom]) sowie gegen den von dem Franken Arbogast erhobenen Usurpator Eugenius (393-394) durch (Schlacht am Frigidus, Tötung des Eugenius, Selbstmord des Arbogast 394). Theodosius war damit Alleinherrscher (Verbot der Olympischen Spiele 394), starb jedoch alsbald unter Hinterlassung seiner Söhne Arcadius (395-408) und Honorius (395-423) als augusti im Osten und Westen des römischen Reiches. IV. Es folgte im 5. Jahrhundert eine fortbestehende faktische Teilung des römischen Reichs in einen West- und einen Ostteil, wobei insbesondere der Westen unter verheerenden Germaneneinfällen und feindlichen Invasionen zu leiden hatte. Hier entfalteten die nun in Ravenna residierenden weströmischen Kaiser (Honorius, Valentinian III. [423/25-455], Petronius Maximus [455], Avitus [455-456], Maiorian [457-461], Libius Severus [461-465], Anthemius [467-472], Olybrius [472], Glycerius [473-474], Nepos [474-475], Romulus Augustulus [475-476] kaum noch politisch-militärisches Gegenspiel, was z.B. die Bedrohung Italiens durch die Westgoten unter Alarich anbetraf (Heermeister Stilicho und Alarich; Feldzug Stilichos gegen Vandalen und Alanen 401; Ermordung Stilichos 408; militärische Aufgabe Britanniens 410; westgotische Eroberung Roms 410; Westgotenreich im südlichen Gallien 416) oder die zunehmende Ablösung Britanniens und Galliens von der römischen Herrschaft (Abzug römischer Truppen aus Britannien 401; Eindringen von Sueben, Alanen, Burgundern und Vandalen nach Gallien; Usurpationen in Gallien [Konstantin III. 407, Jovinus 411, Constantius III. 421]). Auch Spanien und Nordafrika war von den geramanischen Invasionen betroffen (Vandalen unter König Geiserich in Nordafrika, Belagerung von Hippo Regius 430, vandalische Eroberung von Karthago 439, vandalische Plünderung Roms 455). Lediglich in Gallien gelang es dem römischen Heermeister Aetius (†454) zwischenzeitlich und mit fränkischer, burgundischer und westgotischer Hilfe, sich in der Schlacht auf den "Katalaunischen Feldern" (451) gegen ein hunnisch-ostgotisches Heer unter Attila (†453) durchzusetzen. In Gallien fanden dennoch unvermindert die fränkische Landnahme (Norden, Nordosten), die Ausdehnung des Westgotenreichs (Süden) und die Ausdehnung des (zweiten) Burgunderreichs (Niederlage und Umsiedlung der Burgunder in die Sapaudia 435/36) statt. Vom Eindringen äußerer Feinde in das Reichsgebiet war der Osten des römischen Reichs weit weniger betroffen. Mit Kaiser Theodosius II. (408-450) ("Zitiergesetz" 426; Konzil von Ephesus 431; Codex Theodosianus als Gesetzbuch 435; latrocinium von Ephesus 449) endete die theodosianische Kaiserdynastie. Ihm folgten die (auf den Osten beschränkten) Kaiser Marcian (450-457) (Konzil von Nikaia-Chalkedon 451), Leon I. (457-474) und Zenon (474-491). Mit dem Ende des westlichen Kaisertums (Ricimer als germanischer Heermeister in Italien; König Odoaker in Italien [476-493] als römischer patricius) kamen römische Staatlichkeit (auf der Ebene des Kaisertums <-> lokale römische Verwaltung) und Spätantike zu ihrem Ende. V. Resümierend lässt sich für das römische Reich im 4. Jahrhundert festhalten: die Christianisierung des Reiches unter christlichen (katholischen, arianischen) Kaisern bei christlich-kirchlichen Glaubensstreitigkeiten und bei einer teilweise toleranten, teilweise gemäßigten antipagane Religionspolitik, die Bürokratisierung des Reiches, der Aufstieg Konstantinopels als eine Reichshauptstadt, das Nebeneinander von meist miteinander verwandten Kaisern in der Herrschaft über das Reich, die Eindämmung von Usurpationen, die weitgehende Stabilisierung der römischen Grenzen bei Einbeziehung "barbarischer" Völkerschaften (Germanen, Goten) in römisches Reich und römische Armee (foederati, laeti, hospitalitas). Für das 5. Jahrhundert kann gelten: die Erosion römischer Herrschaft im Westteil des Reiches ("weströmisches Reich", germanische Königreiche auf römischem Boden) als Folge militärischer Niederlagen und wirtschaftlichem Niedergangs (abnehmende Bedeutung der Städte, Rolle der gallorömischen Senatorenschicht), die Stabilisierung des Ostteils ("oströmisches Reich") auch auf wirtschaftlicher und kultureller Basis (Bedeutung des Städtewesens, hellenistische Traditionen). Die Teilung des römischen Reichs in eine lateinische West- und eine griechische Osthälfte kann so unabhängig von äußeren Bedrohungen und militärischen Gegebenheiten auch als ein allmähliches (die Spätantike durchziehendes) Auseinandertreten von West und Ost im ökonomischen und kulturell-geistigen Bereich interpretiert werden (nach: König, Spätantike).
Zur Spätantike s.: Demandt, Alexander (1998), Geschichte der Spätantike. Das Römische Reich von Diocletian bis Justinian, München 1998, XXV, 515 S., Karten, DM 68,-; König, Ingemar (2007), Die Spätantike (= Geschichte kompakt), Darmstadt 2007 > K König, Spätantike. [Buhlmann, 1999, 09.2018]

Spaichingen, Stadt auf der Baar, in Baden-Württemberg: I. Für die vor- und frühmittelalterliche Geschichte Spaichingens sei verwiesen auf die vor- und frühgeschichtlichen Befestigungen (Wälle) auf dem fast 1000 m hohen Dreifaltigkeitsberg (bei Spaichingen), die zum Teil in die Jungsteinzeit (4./3. Jahrtausend v.Chr.) zurückreichen, weiter aus der Hallstatt- und Latènezeit stammen und eine frühe Besiedlung anzeigen. Nur einzelne Funde konnten als frühmittelalterlich (Alemannenzeit, Merowingerzeit) nachgewiesen werden. Eine dauerhafte Ansiedlung hat es in dieser Zeit auf dem Berg nicht gegeben, doch ist an die Existenz einer Fluchtburg zu denken. Alemannische Besiedlung wird dann konkreter an den Reihengräberfriedhöfen aus Spaichingen und Umgebung (Aixheim, Balgheim, Denkingen, Dürbheim, Rietheim) erkennbar. II. Fünf Urkunden der St. Galler Mönchsgemeinschaft, die Spaichingen zu 791, 801/06, 802/03, 817 und 882 (erstmals und einzig im frühen Mittelalter) erwähnen, stehen am Anfang der schriftlichen Überlieferung zu Spaichingen. Bei diesen Urkunden geht es in der Hauptsache um Schenkungen an das Kloster. Sie geben Einblick in Herrschaft und Gesellschaft, Besitz und Glauben in Spaichingen in jener Zeit. III. Die Herren von Spaichingen bildeten im hohen Mittelalter über mehrere Generationen den Adel des Baarortes. Sie standen in vielfältigen Beziehungen zu den benediktinischen Reformklöstern St. Georgen im Schwarzwald, Allerheiligen und Alpirsbach sowie zur Reichsabtei Reichenau. Die Brüder Benno (1084, 1097), Adelbert und Berger (1092) von Spaichingen traten als Zeugen bei Güterschenkungen an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert in Erscheinung, ebenso ein Markward von Spaichingen (1102, 1112), der zudem das Kloster Allerheiligen mit Mansen und einer Mühle in Spaichingen und Aldingen beschenkte. Benno von Spaichingen war testamenti doctor bei der Stiftung des Klosters Alpirsbach (1095, 1099). Im letzten Drittel des 12. und am Anfang des 13. Jahrhunderts war Hermann von Spaichingen Mönch, Propst (1170er-Jahre), Abt (1206) und Küster (1211) des Bodenseeklosters Reichenau. Ein Walther von Spaichingen ist im Reichenauer Umfeld im Jahr 1210 bezeugt. IV. 1281 war Spaichingen Teil der Grafschaft Hohenberg und wurde mit dem Verkauf der Grafschaft habsburgisch-vorderösterreichisch (1381). Die Pfarrkirche St. Peter und Paul reicht mindestens ins 13. Jahrhundert zurück (Neubau 1898/1900) und gehörte ab 1455 dem Moritzstift in Rottenburg. An der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert entwickelte sich die Wallfahrt auf den Dreifaltigkeitsberg (Steinkapelle 1415, 1592; Wallfahrtskirche 1666/73, 1762). Spaichingen nahm noch im 15. Jahrhundert eine Vortortfunktion im Gebiet Oberhohenberg ein. Im Jahr 1611 wurde Spaichingen von der Pest heimgesucht, im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) Opfer eines Überfalls schwedischer Soldaten (1633). 1688 wurde der Ort Sitz eines habsburgischen Obervogts. Ab 1805 gehörte Spaichingen zum Königreich Württemberg und war Mittelpunkt eines Amtes bzw. Oberamtes Spaichingen. Erst 1828 erfolgte die Stadterhebung. Das 19. und 20. Jahrhundert sah eine nur mäßige Industrialisierung des Orts.
Zur Spaichinger Geschichte siehe: Buhlmann, Michael (2011), Das Kloster St. Gallen, die Baar und Spaichingen im frühen Mittelalter (= VA 58), Essen 2011, 60 S., € 4,-; Buhlmann, Michael (2014), Die Herren von Spaichingen im hohen Mittelalter (= VA 76), Essen 2014, 64 S., € 4,-; Buhlmann, Michael (2015), Das Kloster St. Georgen im Schwarzwald und die Herren von Spaichingen (= VA 79), Essen 2015, 64 S., € 4,-; Spaichinger Stadtchronik. Beiträge zur Geschichte der Stadt unter dem Dreifaltigkeitsberg, hg. v.d. Stadt Spaichingen, Sigmaringen 1990, 518 S., Abbildungen, Karten, DM N.N. [Buhlmann, 12.2011, 12.2014]

Spaichinger Stadtchronik. Beiträge zur Geschichte der Stadt unter dem Dreifaltigkeitsberg, hg. v.d. Stadt Spaichingen, Sigmaringen 1990 > S Spaichingen

Spanische Geschichte, 1516-1700, habsburgisches Spanien: Das Königreich Spanien war am Ende des Mittelalters aus den Königreichen Kastilien und Aragon bzw. den Ländern (Teilreichen) der kastilischen und aragonesischen Krone entstanden. Die "Entdeckung" der "Neuen Welt" und die gerade unter (König) Kaiser Karl (I.) V. (1515/16/19-1556/58) stattfindende Eroberung und Kolonisierung Mittel- und Südamerikas (Unterwerfung des Aztekenreiches 1519/22, Eroberung des Inkareichs 1532/39) bildeten die Grundlagen des spanischen Weltreiches und Spaniens als Hegemonialmacht im Europa des 16. Jahrhunderts unter den (habsburgischen) Königen (Austrias mayores) Karl I. und Philipp II. (1556-1598). Die spanische Monarchie der (spanischen) Habsburger war eine zusammengesetzte, nicht nur was die spanischen Besitzungen in Italien (Königreich Neapel-Sizilien), im römisch-deutschen Reich (Niederlande, Burgund) sowie die Kolonien in Amerika (Vizekönigreiche Neu-Spanien, Peru) und Asien (Philippinen) betraf, sondern auch die Iberische Halbinsel selbst, wo Philipp II. Spanien mit dem Königreich Portugal vereinigen konnte (1580). Allerdings hatte Spanien mit den aufrührerischen nördlichen Niederlanden zu kämpfen (ab 1579); zudem verursachte - neben den Kriegen etwa gegen Frankreich (Frieden von Cateau-Cambrésis 1559, Frieden von Vervins 1598) oder England (Große Armada 1588) - der Zustrom von Edelmetallen aus der "Neuen Welt" massive Verwerfungen im Wirtschafts-gefüge des Königreichs, was sich u.a. in der allgegenwärtigen Armut oder in den Staatsbankrotten von 1557, 1575 und 1596 niederschlug. Dabei gelang den spanischen Königen des 16. Jahrhunderts auf der Grundlage von neu konstituierten Ratsgremien und Gerichtshöfen (Appellationsgerichte) durchaus die Errichtung einer modern-bürokratischen und zentralen Verwaltung (Fiskalverwaltung, Hauptstadt Madrid), wobei Kastilien und Katalonien eine gewisse Eigenständigkeit wahrten (Gesetzeswerke von 1567 bzw. 1588/89). Im Zusammengehen von Monarchie und Papstkirche blieb Spanien auch weiterhin katholisch und von der Reformation unberührt (spanische Inquisition). Das 17. Jahrhundert stand in Spanien unter den Vorzeichen einer sich weiter verstärkenden negativen Wirtschaftsentwicklung bei Bevölkerungsabnahme (Pestepidemien), Verarmung der Landbevölkerung (Refeudalisierung) und Zuspitzung gesellschaftlicher Gegensätze. So kam es wiederholt zu Aufständen gegen die spanische Monarchie der Könige (Austrias menores) Philipp III. (1598-1621), Philipp IV. (1621-1665) und Karl II. (1665-1700), z.B. im Rahmen des spanisch-französischen Krieges von 1633/59 (Pyrenäenfrieden von 1659), als Katalonien revoltierte (1640/52, Eroberung Barcelonas 1652). Auch gelang es Portugal, sich von Spanien abzuspalten (1640), während überfällige Reformmaßnahmen innerhalb von spanischem Staat und Monarchie im Sande verliefen. Die außen- und innenpolitische Schwäche des Königtums und dessen zunehmender Legitimationsverlust, habsburgische Könige mit geringem körperlichen und geistigen Potenzial prägten also die spanische Monarchie im 17. Jahrhundert. Das galt besonders für die Zeit des letzten Habsburgers auf dem spanischen Thron, Karl II. Königliche Nachkommen fehlten, und so lief alles auf den spanischen Erbfall (1700) verbunden mit dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1713/14) hinaus (nach: Barceló, Pedro, Edelmayer, Friedrich, Guichard, Pierre u.a. (2013), Geschichte Spaniens (= RUB 19109), Stuttgart 2013).
Die habsburgische Epoche Spaniens wird eingefangen in dem spanischen Roman der Weltliteratur: Cervantes Saavedra, Miguel de (1605/15), (Der sinnreiche) Don Quijote (von der Mancha), übers. v. Ludwig Braunfels (1956) (= dtv 12351), München 121999, 1167 S., Abbildungen, DM 29,90; Cervantes Saavedra, Miguel de (1605/15), Der scharfsinnige Ritter Don Quixote von der Mancha, Bd.1 (= it 109), Frankfurt a.M. 91990, Bd.3 (= it 109), Frankfurt a.M. 91990, zus. 1367 S., Abbildungen, DM N.N. [Buhlmann, 12.2017, 12.2019]

Spanischer Erbfolgekrieg (1701-1713/14), war ein europäischer "Rangordnungskrieg" und "Weltkrieg" der frühen Neuzeit. Vgl. dazu: Duchhardt, Heinz, Espenhorst, Martin (Hg.) (2013), Utrecht - Rastatt - Baden 1712-1714. Ein europäisches Friedenswerk am Ende des Zeitalters Ludwigs XIV. (= Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Beih.98), Göttingen 2013, 422 S., Abbildungen, Tabellen, Diagramme, € 69,99 (u.a. mit den Beiträgen: Martin Espenhorst, Utrecht/Rastatt/Baden: Ein Frieden wird übersetzt. Translationsleistungen in Staatsrecht und Historie (1712-1815); Kay Peter Jankrift, Diplomaten, Dolmetscher und Übersetzer. Sprachwahl in Friedensprozessen des 15. bis 18. Jahrhunderts; Christoph Kampmann, Friedensschluss und dynastisches Prinzip. Kontinuität und Wandel im Zeitalter des Utrechter Friedens; Matthias Schnettger, Die Kleinen im Konzert der Großen. Mindermächtige italienische Fürsten als Akteure im Umkreis der Friedensverträge von Utrecht, Rastatt und Baden); Frey, Linda, Frey, Marsha (1983), A Question of Empire: Leopold I and the War of Spanish Succession 1701-1705, New York 1983, 164 S., $ N.N.; Frey, Linda, Frey, Marsha (Hg.), The Treaties of the War of the Spanish Succession. An Historical and Critical Dictionary, Westport (Conn.)-London 1995, XXVIII, 535 S., £ 105,-; > S Schnettger, Spanischer Erbfolgekrieg; > S Smid, Spanischer Erbfolgekrieg; > S Spanischer Erbfolgekrieg am Niederrhein. [Buhlmann, 12.2017]

Spanischer Erbfolgekrieg am Niederrhein (1701-1713/14), war ein europäischer "Rangordnungskrieg" und "Weltkrieg" der frühen Neuzeit zwischen den Mächten der Großen Allianz von Den Haag (1701), England, Niederlande, römisch-deutscher Kaiser/Habsburger römisch-deutsches Reich, auf der einen und dem Königreich Frankreich/Bourbonen auf der anderen um die Nachfolge im Königreich Spanien der spanischen Habsburger. I. Von Kampfhandlungen war auch das Niederrheingebiet als Teil des römisch-deutschen Reiches und niederrheinisch-westfälischen Reichskreises betroffen. Dabei Abfolge endets der in einem Zeitraum von rund vierzig Jahren das Rheinland heimsuchenden Kriege mit dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1713/14). II. Der Eintritt des spanischen Erbfalls (1700) ließ sogleich die politisch Verantwortlichen auch am Niederrhein über etwaige Allianzen und Bündnisse nachdenken. So schloss der wittelsbachische Kurfürst und Kölner Erzbischof Joseph Clemens (1688-1723) den Brüsseler Vertrag und Geheimvertrag zwischen Kurköln und Frankreich vom 13. Februar 1701 ab und wurde darin unterstützt und bedrängt von seinem Bruder, Herzog und Kurfürst Max(imilian II.) Emanuel von Bayern (1679-1726), der ebenfalls eine profranzösische Haltung im römisch-deutschen Reich verfolgte und zudem (seit 1691) Statthalter der Spanischen Niederlande war. Gegen Frankreich eingestellt und auf der Seite seines Schwagers, Kaiser Leopolds I. (1657-1705), war auf alle Fälle der Pfälzer Kurfürst Johann Wilhelm (1679/90-1716), der im brandenburgischen Kurfürsten und preußischen König Friedrich III. (I.) (1688/1701-1713) einen Verbündeten besaß. Letzterer stand wegen seiner vom Kaiser unterstützten Erhebung zum preußischen König (1701) auf der Seite der Habsburgermonarchie, so dass am Niederrhein Pfalz-Neuburg, Brandenburg und Habsburg politisch an einem Strang zogen. Das galt zunächst nicht so für die anderen Mitgliedsterritorien des niederrheinisch-westfälischen Reichskreises, zumal es hier schon im Vorfeld des Krieges zu Spannun-gen zwischen den armierten (Kleve-Mark, Jülich-Berg, Münster, Hannover) und den nichtarmierten Ständen (kleinere, geistliche Territorien) um Zahlungsmodalitäten gekommen war. Wenn auch im Kreisdirektorium (Kreisleitung durch den Bischof von Münster, den Herzog Jülich-Berg, den Herzog von Kleve-Mark) und auf den Kreistagen (Dortmunder Kreistag [Juli 1701]; Kölner Kreistag [Oktober-November 1701, April-Mai 1702]) der münsterische Bischof eine verhaltene bis offene Opposition gegen Kurpfalz und Brandenburg-Preußen verfolgte, so fanden letztlich die Stände des Reichskreises unter dem Eindruck des französisch-wittelsbachischen Bündnisses und vor dem Hintergrund weitreichender, gegen Frankreich gerichteter Sicherungs- und Verteidigungsmaßnahmen (Schutz Kölns, Schutz des Herzogtums Berg) zusammen, nachdem auch die Vereinigte Niederlande und England als Teil der in Den Haag (1701) geschlossenen Großen Allianz am Niederrhein gegen Frankreich kämpften. Im Reich hatten sich süddeutsche Reichskreise zur Heilbronner bzw. Nördlinger Assoziation gegen Frankreich und auf der Seite des Kaisers zusammengefunden (1701); dieser Allianz trat schließlich auch der niederrheinisch-westfälische Reichskreis bei (Frankfurter Assoziationskonvent [September-November 1702]). Damit fanden sich der Niederrhein (bis auf Kurköln) und der Nordwesten des Reiches fest in die Große Allianz eingebunden (Kriegserklärung des römisch-deutschen Reiches [30. September 1702]). Der Tod des englischen Königs Wilhelm von Oranien (19. März 1702) sorgte auf Seiten der Verbündeten nur zeitweise für politische Irritationen. Der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. legte indes Hand auf die bis dahin oranisch-nassauischen Territorien Geldern und Moers. Ihm gelang in den folgenden Jahren deren Erwerb für Brandenburg-Preußen, u.a. vermöge der Belagerung und Einnahme Gelderns durch preußische Truppen (1703) und mit Unter-stützung durch das Wetzlarer Reichskammergericht; schließlich fielen Moers und (Ober-) Geldern mit den den Erbfolgekrieg beendenden Friedensverträgen an Preußen. III. Als eine der ersten Maßnahmen der Großen Allianz im nördlichen Rheinland, das durch die Geschehnisse in den benachbarten Spanischen Niederlanden in den Mittelpunkt der Kriegsereignisse gerückt war, wurde die Einnahme der kurkölnischen Festungsstadt Kaiserswerth in Angriff genommen (April-Juni 1702). Das letztlich für die Verbündeten erfolgreiche Ende der rund zweimonatigen Belagerung des Ortes ließ die Franzosen die kurkölnischen Städte Neuss und Zons räumen, während Geldern und Rheinberg weiterhin französische Garnisonen beherbergten und sich der Krieg in die Spanischen Niederlande verlagerte. Hier stießen die alliierten Truppen der Seemächte England und Holland unter (Herzog) John Churchill (von Marlborough) entlang der Maas nach Süden vor; Venlo, Roermond und Stevenswerth wurden eingenommen (September-Oktober 1702), Lüttich (Stadt und Zitadelle) ergab sich (Oktober 1702). Hingegen blieb die kurkölnische Residenzstadt Bonn weiterhin im Besitz des Erzbischofs; von dort wurde ein Angriff auf Köln unternommen (Oktober 1702), die Festung Bonn bedrohte zudem das benachbarte Bergische Land. Erst im Jahr 1703 - nachdem sich die französisch besetzte kurkölnische Festung Rheinberg ergeben hatte - gingen die Verbündeten unter John Churchill, dem (späteren Herzog von Marlborough (†1722), gegen Bonn vor; einer knapp zweiwöchigen Belagerung folgte die Übergabe der Stadt bei freiem Abzug der französischen Truppen (Mai 1703). Erzbischof Joseph Clemens befand sich da schon längst in französischem Exil, das kurkölnische Territorium wurde von den Alliierten vollständig besetzt und fortan vom Kölner Domkapitel, das auf der Seite der Verbündeten stand, verwaltet. Die kriegerischen Auseinandersetzungen fanden in den Jahren 1703 und 1704 hauptsächlich in Süddeutschland statt; auch die Schlacht bei Höchstädt (1704), an der Kontingente des niederrheinisch-westfälischen Reichskreises und der Pfalz teilgenommen hatten, entschied gegen die mit Frankreich verbündeten Wittelsbacher. Das Moselgebiet war aber noch immer vielfach in französischer Hand, der Mittelrhein bedroht. Indes misslang ein nur halbherzig ausgeführter Feldzug englischer, preußischer und niederrheinisch-westfälischer Truppen an die Mosel im Frühling und Sommer 1705; im folgenden Jahr kam es erst gar nicht zu einem derartigen Unternehmen, das dennoch notwendig gewesen wäre, um die militärischen Ope-rationen der Seemächte in den Spanischen Niederlanden zu unterstützen. Stattdessen waren die Franzosen laut den Vertretern des niederrheinisch-westfälischen Reichskreises gegenüber dem Kaiser eine ständige Bedrohung für den Niederrhein, so dass Truppenkontingente des Kreises kaum noch am Reichskrieg gegen Frankreich teilnahmen und auch Geldzahlungen für den Krieg nur schleppend eintrafen (französischer Einfall nach Süddeutschland 1707, Sicherung des Mittelrheingebiets und der Stadt Köln 1707/08). Brandenburg-Preußen suchte indes - seinem verstärkten politischen Engagement am Niederrhein entsprechend - seine Stellung im Reichskreis weiter auszubauen (1705/07; Erwerb der Grafschaft Tecklenburg 1707). In den letzten Jahren des Spanischen Erbfolgekriegs verfolgten die Reichskreise der Nördlinger Assoziation den Plan einer Reichsbarriere gegenüber Frankreich und den eines über den Krieg hinausgehenden Defensivbündnisses mit den Seemächten, doch zerschlugen sich letztlich - auch auf Grund der Bedenken des niederrheinisch-westfälischen Kreises und Preußens - die angestrebten Projekte (1709/11), ebenso Pläne zu einer wirkungsvolleren Ausgestaltung der Kriegsverfassung des Reichskreises am Niederrhein und in Westfalen (1710/11). IV. Kurfürst Johann Wilhelm ging es nach der Schlacht bei Höchstädt um den Erwerb der Oberpfalz und insbesondere der erztruchsessisch-pfälzisch-bayerischen Kurwürde, zumal nach der von ihm mitbetriebenen Ächtung seines wittelsbachischen Verwandten, des bayerischen Herzogs Max Emanuel (1705/08). Johann Wilhelm erreichte auch (zunächst) seine politischen Ziele (1708), wobei er mitunter geschickt seine kurpfälzischen Truppen aus den Kämpfen zurückgehalten hatte. Friedensverhandlungen begannen schon im Jahr 1710. Die Seemächte Großbritannien und Vereinigte Niederlande einigten sich dann mit dem Königreich Frankreich im Frieden von Utrecht (1713), Kaiser und Reich verblieben aber noch bis zum Frieden von Rastatt (und Baden) (1714) im Kriegszustand mit Frankreich. Für die Mitgliedsterritorien des niederrheinisch-westfälischen Reichskreises bedeutete dies deren Beteiligung am Schutz des besonders gefährdeten Oberrheingebiets, doch fiel die Unterstützung von Kaiser und Reich durch die nordwestdeutschen Stände (weiterhin) sehr verhalten aus. Immerhin konnten die Stände Fortschritte bei der Wiedereinbeziehung des Stifts (und Bistums) Lüttich in den Reichskreis erzielen (Lütticher Frage 1713). Der Frieden von Rastatt vom 7. März 1714 beendete den Kriegszustand auch am Niederrhein, während die vormals erörterte Reichsbarriere gegenüber Frankreich nicht zustande gekommen war. U.a. die so wichtige Bedeckung Kölns durch Kreistruppen wurde alsbald aufgelöst, die kurkölnische Residenzstadt Bonn blieb bis ins Jahr 1715 durch Kreistruppen besetzt. Die Bestimmungen des Rastatter Friedens fußten nun auf denen des den Pfälzer Krieg (1688-1697) beendenden Friedensvertrag von Rijswijk (1697) und sahen die Wiederherstellung der Territorien des "Hauses Bayern", d.h. u.a. des besetzten kurkölnischen Territoriums sowie die Rückkehr des Kölner Erzbischofs Joseph Clemens vor. Im Gegenzug hatte Kurfürst Johann Wilhelm auf das von ihm besetzte Kaiserswerth zu verzichten, auf die zum Herzogtum Bayern gehörende Oberpfalz und auf die bayerische Kurwürde.
Zum Spanischen Erbfolgekrieg am Niederrhein s.: Arnold, Kurt (1937), Geschichte des Niederrheinisch-Westfälischen Kreises in der Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges (1698-1714), Diss. Bonn 1937, X, 163 S.; Braubach, Max (1923), Die Politik des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern im Jahr 1702, in: HJb 43 (1923), S.53-92; Braubach, Max (1925), Die Politik des Kurfürsten Josef Clemens von Köln (bei Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges und die Vertreibung der Franzosen vom Niederrhein 1701-1703) (= RA 6), Bonn-Leipzig 1925, 240 S.; Braubach, Max (1935), Holland und die geistlichen Staaten im Nordwesten des Reichs während des Spanischen Nachfolgekriegs, in: HJb 55 (1935), S.358-370; Buhlmann, Michael (2017), Kaiserswerth im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1713/14) (= Beiträge zur Geschichte Kaiserswerths. Reihe Neuzeit, H.2), Düsseldorf-Kaiserswerth 2017; Ennen, Leonard (1851), Der spanische Erbfolgekrieg und der Churfürst Joseph Clemens von Köln, Jena 1851, XII, 284, CCXXXII S.; Sante, Georg Wilhelm (1924), Die kurpfälzische Politik des Kurfürsten Johann Wilhelm vorbehmlich im spanischen Erbfolgekrieg (1690-1716), in: HJb 44 (1924), S.19-64; Schaumburg, E[rnst] von (1878/79), König Friedrich I. und der Niederrhein. Die Erwerbung von Moers und Geldern, in: ZPrGLK 15 (1878), S.303-367, 16 (1879), S.176-292; Vogel, Franz-Josef (2011), Die Belagerungen Kaiserswerths von 1689 und 1702 im Spiegel der zeitgenössischen Presse (= BGKw NZ 1), Düsseldorf-Kaiserswerth 2011, 56 S., Abbildungen, € 6,-. [Buhlmann, 12.2017]

Spengler, Oswald (1922), Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte, Bd.2: Welthistorische Perspektiven (= dtv 839), München 21973 > W Weltgeschichte

Spicker-Beck, Monika, Keller, Theo (2001), Klosterinsel Reichenau. Kultur und Erbe, Stuttgart 2001 > R Reichenau

Spink, Kathryn (1997), Mutter Theresa. Ein Leben für die Barmherzigkeit. Biographie, Bergisch Gladbach 1997 > K Katholische Kirche in der Moderne

Sprachen: I. Die biologische Entwicklung des Menschen zum homo sapiens war verbunden mit dem Erwerb der Sprachfähigkeit, wahrscheinlich schon seit dem homo erectus, auf jedem Fall seit dem Neandertaler (Gehirnzunahme, Sprachgen). Unterschiedliche Menschengruppen besaßen unterschiedliche Sprachen (keine Ursprache). Die Nachbarschaft von Sprachen (Kontakte, Entlehnungen, Zweisprachigkeit, Sprachbünde) und/oder deren Überlagerung (Superstrat, Substrat) bedingen seit jeher einen Sprachwandel, der neue Sprachen entstehen, alte verschwinden lässt (Sprachensterben), der ursprüngliche Sprachen und kulturell-entwickelte Sprachen betrifft; dabei spielen auch eine Rolle die Dialekte (Mundarten, Sondersprachen) innerhalb einer Standardsprache. Ausfluss des Sprachwandels sind die Sprachfamilien (bis hin zu den Makrofamilien), die mit den frühesten Ackerbaukulturen in Verbindung stehen (Austronesisch, Austroasiatisch: Jangtsegebiet [12000 v.Chr.]; Altai, Sinotibetisch: Hoanghogebiet [10000 v.Chr.]; Afrosiatisch, Indoeuropäisch, Uralisch: Mesopotamien [9500 v.Chr.]; Dravidisch, Indoarisch: Industal [8000 v.Chr.]; Afroasiatisch, Nilosaharisch: Sahara [7000 v.Chr.]; Aztekisch, Maya: Mexiko [7000 v.Chr.]; Afroasiatisch: Äthiopien [4000 v.Chr.]; Tupi: Amazonas [500 v.Chr.]). Für Europa lassen sich vorindogermanische, indoeuropäische, finno-ugrische und kaukasische Sprachen feststellen, für Afrika afroasiatische, nilosaharische, Niger-Kongo- und Khioson-Sprachen, für Asien indoeuropäische, dravidische, sinotibetische, austroasiatische, Tai-Kadai-, Hmong-Mien- und austronesische Sprachen, für Ozeanien australische, Papau, melanesische, polynesische Sprachen, für Amerika eskimo-aleutische, mexikanische, südamerikanische Sprachen. Sprachwandel hängt u.a. zusammen mit Bevölkerungswanderungen (austronesische Expansion von Taiwan aus [ab 3000 v.Chr.], melanesische Expansion [ab 1500 v.Chr.], polynesische Expansion [ab 1000 n.Chr.]; Wanderung der Bantuvölker [vor 3000 v.Chr.]). Sprachen unterscheiden sich schließlich in ihrer Morphologie (fusionierende [Flexionsgrammatik], agglutinierende [Affixgrammatik], isolierende Sprache [Grammatik von Partikelwörtern] [abhängig von der Anzahl der Morpheme als Bedeutungselemente pro Wort]). Den Verschiedenheiten stehen gemeinsame Grundlagen von Sprachen (Sprachuniversalien) entgegen, etwa in Bezug auf die Biologie des Menschen (Phoneme, Gene?) oder formbezogen (Strukturorientierung, schwache Kontextsensitivität der Sprachen, Unterscheidung von Nomen und Verb). II. Bezogen auf die Menschen als sprechende Individuen stehen Spracherwerb und sprachliche Kommunikation im Vordergrund, z.B. im Zusammenhang von Sprache und Erkenntnis oder Mehrsprachigkeit.
Vgl. Jarvis, Scott, Pavlenko, Aneta (2008), Crosslinguistic Influence in Language and Cognition, New York 2008, 287 S., Tabellen, $ N.N.; Potter, Simeon (1960), Language in the Modern World, Nachdruck Harmondsworth 1964, 221 S., £ N.N.; Wunderlich, Dietrich (2015), Sprachen der Welt. Warum sie so verschieden sind und sich doch alle gleichen (= Besondere Wissenschaftliche Reihe), Darmstadt 2014 > W Wunderlich, Sprachen der Welt; Yule, George (1985), The Study of Language. An Introduction, Nachdruck Cambridge 1994, 220 S., £ N.N.; [Buhlmann, 06.2015, 06.2021, 07.-08.2023]

(Der) Spiegel. Geschichte ist eine Zeitschriftenreihe zur (Menschheits-) Geschichte, die in jeder Zeitschrift Beiträge einer bestimmten Thematik vereint. U.a. ist erschienen: 4/2018: Deutschland 1850-1900. Die industrielle Revolution, hg. v. Joachim Mohr (2018), Hamburg 2018, 138 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, € 7,90 (betreffend: [Klassen-] Gesellschaft [Bürgertum, Arbeiter, Frauen] und "soziale Frage", Firmen [BASF, Borsig, Krupp, Nestlé, Steiff, Zeiss] und Technik [Eisenbahn, Elektrizität, Eisen und Stahl, Chemie, Textilien], "Gründerkrach" [1873] und Judenhass, Bildung und Kultur). [Buhlmann, 09.2020]

Spieß, Alfred, Lichtenstein, Heiner (1982), Unternehmen Tannenberg. Der Anlaß zum Zweiten Weltkrieg (= Moewig Dokumentation 4316), [München] o.J. [1982] > Z Zweiter Weltkrieg

Spille, Irene (1993), St. Paul, Worms (= Schnell (& Steiner), (Kleine) Kunstführer, Nr.609), Regensburg 31993 > J Jürgensmeier, Bistum Worms

Spudasmata. Studien zur klassischen Philologie und ihren Grenzgebieten, hg. v. Hildebrecht Hommel u. Ernst Zinn: Bd.XII (1967): Glück, Manfred, Priscians Partitiones und ihre Stellung in der spätantiken Schule. Mit einer Beilage: Commentarii in Prisciani Partitiones medio aevo compositi, Hildesheim 1967, 213, VII*, 25* S., € 2,98, verortet die lateinischen Partitiones XII versuum Aeneidos principalium des spätantiken Konstantinopolitaner grammaticus und Professors Priscianus (†n.527) innerhalb des spätantiken Schulsystems (höhere Stufe der literarischen Ausbildung; Latein-[Griechisch-]Unterricht auf der Grundlage systematischer Lehrbücher [Institutionen, Isagogen] und Epimerismen [Lehrer-Schüler-Dialoge]) und des spätantiken Kanons römischer Schriftsteller und Dichter (Cicero, Sallust, Terenz, Vergil) als Lehrbuch zur lateinischen Grammatik (Titel, Textüberlieferung, Inkunabeln, Rezeption im Mittelalter; formale Analyse der Schrift als metrische Isagoge) > Lateinische Literatur > P Priscian. Bd.XXIII (1974): Balzert, Monika, Die Komposition des Claudianischen Gotenkriegsgedichts c.26, Hildesheim-New York 1974, VII, 158 S., € 1,98, behandelt das Gotenkriegsgedicht De bello Getico des spätantiken lateinischen Dichters Claudius Claudianus (*ca.370-†n.404) und hier Abschnitt 26, den Claudian in Anlehnung an De Bello civili des römischen Dichters Marcus Annaeus Lucanus (*39-†65) gestaltet und in dem nach negativen Vorzeichen im römischen Herrschaftsbereich (Komet, Wolfsprodigium) dem (panegyrisch dargestellten) Heermeister Stilicho (†408) die Abwehr der nach Italien eingedrungenen Westgoten unter König Alarich (†410) gelingt (Schlacht bei Pollentia 402) > Lateinische Literatur > C Claudian. [Buhlmann, 04.2021]

Spufford, Peter (2002), Handel, Macht und Reichtum. Kaufleute im Mittelalter, Darmstadt 2004, 328 S., zahlreiche Abbildungen, auch in Farbe, Karten, € 29,80. Die "Handelsrevolution" des 13. Jahrhunderts führte im abendländisch-christlichen Europa zu einer gewandelten Wirtschaft, resultierend aus Bevölkerungswachstum, Stadtentstehung, Geldwirtschaft und verstärkter Nachfrage nach Waren und Gütern. Im Nachfragemarkt des späten Mittelalters (13.-15./16. Jahrhundert) kam den Kaufleuten eine besondere Rolle zu. Kaufleute organisierten sich neu (Handelsunternehmen, Schriftlichkeit, Buchführung, Versicherungen), Banken und Finanzmärkte (internationales und regionales Bankwesen, Konten, Wechsel, Zins und Wucher) entstanden im Zuge der "Handelsrevolution". Gehandelt wurde europaweit und mit dem Nahen Osten (Levante, Schwarzes Meer) mit Rohstoffen (Getreide, Wein, Oliven, Salz, Gewürze; Schafwolle, Seide, Leinen, Baumwolle, Pelze; Farbstoffe, Alaun, Metalle; Sklaven) und Fertigwaren (Stoffe; Papier, Handschriften, Bücher; Metallwaren, Waffen, Rüstungen; Glas; Töpferwaren; Seife; Teppiche). Industrieregionen Europas waren u.a. Flandern bzw. südliche Niederlande, Süddeutschland, Toskana und Lombardei; es gab einen nördlichen und einen südlichen Wirtschaftsraum (Hanse, Mittelmeer). Nachfrage bestand in den großen Städten und Residenzstädten Europas (Paris, Mailand, Venedig, Florenz, London, Genua, Brüssel, Antwerpen; Königs- und Herrscherhöfe). Folge der regionalen Verschiedenheit von Angebot und Nachfrage waren Handelsungleichgewichte, etwa zwischen Norditalien und dem Nahen Osten bzw. Asien (China), zwischen Nordafrika und Europa oder innerhalb Europas. Die Handelsungleichgewichte wurden u.a durch die (mitteleuropäische) Förderung von Silber und Gold ausgeglichen (Bergbaustädte, Münzwesen). Alles in allem ergibt sich für das späte Mittelalter ein bisher nie erreichtes Ausmaß an Handelsaktivitäten zu Lande und zu Wasser; Krisenphänomene wechselten mit Phasen des Wachstums ab, Land- und Seehandelrouten wechselten. Konstant blieben aber im Großen und Ganzen die Wirtschaft und Produktivität der Städtelandschaften von Südengland über Flandern, das Rheinland und Süddeutschland bis nach Norditalien ("blaue Banane"). Konstant über die Jahrhunderte blieb auch die Einwirkung des Handels auf die mittelalterliche Gesellschaft (Verbreitung von Ideen, Technologien und Moden). [Buhlmann, 08.2011]

Srbik, Heinrich von (1914), Zum ius primariarum precum, in: ZRG KA 4 (1914), S.486-496 > E Erste Bitten

SSHMP = Sources and Studies in the History of Mathematics and Physical Sciences

SSWLK = Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde

St

st = suhrkamp taschenbuch

Staats, Reinhart (1996), Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Historische und theologische Grundlagen, Darmstadt 1996, XV, 363 S., DM 54,-. Konstantinische Wende und Konzil von Nikaia (325) waren die Voraussetzungen, um die im christlichen Glauben, der sich im spätantiken römischen Reich ausbreitete, gerade auch im 4. Jahrhundert gerungen wurde. Von Anfang Mai bis Anfang Juli 381 fand auf Einladung des römischen Kaisers Theodosius I. (379-395) das Konzil von Konstantinopel statt, das von Bischöfen aus der Osthälfte des Reiches besucht wurde. Anwesend waren auch "pneumatomachische" Bischöfe. Unter Vorsitz der Bischöfe Meletius von Antiochien (antiochenisches Schisma 361/415), Gregor von Nazianz und Nektarius von Konstantinopel gelang die Ausformulierung des Glaubensbekenntnisses (Symbolon, Credo) des Nicaenoconstantinopolitanum auf der Grundlage des (Ur-) Nicaenum (325) bei Feststellung der Wesensgleichheit von Gottvater (Gott) und -sohn (Christus) (Homousie) und einer unbestimmten Zuordnung des Heiligen Geistes zur Trinität Gottes (Gott als drei Hypostasen ["Personen"], Glaubensbekenntnis in Gebetssprache, Einflüsse des Mönchtums, Theologie der Bischöfe Basilius von Caesarea, Meletius von Antiochien, Cyrill von Jerusalem, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa). Auf einer weiteren Synode von Konstantinopel (382) wurde das Konzil vom Vorjahr als ökumenisch definiert, was auch Anerkennung in der christlichen Kirche im Westteil des römischen Reiches fand. Der Tomos mit den Konzilsbeschlüssen (Symbolon, Kanones) war indes schon früh verloren gegangen. Trotzdem bildet das Credo des Nicaenoconstantinopolitanum bis heute eine gemeinsame Glaubensgundlage der christlichen Ost- und Westkirchen (theologische Impulse, Ökumene). [Buhlmann, 08.2017]

Stackelberg, Jürgen von (2006), Voltaire (= BSR 2402), München 2006, 128 S., € 4,-. I. Voltaire, geboren am 21. November 1694 als Sohn des Pariser Notars Francois Arouet als Francois-Marie Arouet, erhielt eine umfangreiche Ausbildung im Pariser Jesuitenkolleg, zeichnete sich schon früh durch seine schriftstellerische Tätigkeit (auf Latein) aus und wurde bald als (Theater-) Dichter, Geschichtsschreiber, Philosoph und Aufklärer (Toleranz) bekannt, wobei er meist konträr zu den Ansichten der katholischen Kirche und des französischen Ancien Regime stand (Voltaire in Haft [1717, 1726] und im Exil, Englandaufenthalt [1726/28]). Wirtschaftlich war Voltaire weitgehend unabhängig u.a. auf Grund finanzieller Transaktionen, Warengeschäften und Kreditvergaben. Voltaire war zeitlebens eine "Schauspielernatur" zu Eigen (französische Zensur, Pseudonyme). Zwischen 1750 und 1753 hielt sich Voltaire in Potsdam und Berlin beim preußischen König Friedrich II. auf, später lebte er bei Genf und als Gutsbesitzer in Ferney (Calas-Affäre 1761/65 u.a.). Voltaire starb am 30. Mai 1778 in Paris. II. Die zahlreichen Schriften Voltaires belegen gut dessen Lebensetappen, angefangen beim Briefwechsel zwischen dem Philosophen und dem preußischen König Friedrich II. über mehr als 20000 Briefe (u.a. an Marie-Louise Denis [Nichte und Mätresse Voltaires], Nicolas Claude Thiriot [Freund Voltaires], Charles Augustin de Ferriol D'Argental [Graf], Jean Le Romd D'Alembert [Mathematiker], Marie Du Deffand u.a., Katharina die Große [Zarin], Englandbriefe) bis hin zu den großen Dichtungen und Werken Voltaires: "Brutus" (1708; lateinische Tragödie, verloren gegangen), (La) Henriade (1716/23; Epos auf den französischen König Heinrich IV.), Oedipe (1718; Tragödie), Essay upon epick poetry (1725), Essay upon the civil war of France (1727), Histoire de Charles XII (1730; Geschichtsschreibung), Pucelle (ca.1730; Epenparodie auf die Jungfrau von Orléans), Zaire (1732; Tragödie), Essai sur la poésie épique (1733), Lettres philosophiques (1733/34), L'Enfant prodigue (1735; Komödie), Micromégas (1739; philosophischer Roman), Le Fanatisme ou Mahomet le prophète (1741; Tragödie), Essai sur les moeurs (1741/43; Geschichtsschreibung), Zadig ou la destinée (1747; philosophischer Roman), Nanine (1749, Komödie), Artikel in Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers (ab 1751; Enzyklopädie), Le Siècle de Louis XIV (1752; Geschichtsschreibung), Candide ou de l'optimisme (1759; philosophischer Roman), Dictionnaire philosophique portatif (1764; philosophisches "Taschenwörterbuch"), L'ingénu (1767; philosophischer Roman), Le taureau blanc (1773; philosophischer Roman). Die großen Werke vermittelten nicht zuletzt den Klassizismus der französischen Sprache und das aufklärerische Gedankengut ihres Verfassers. [Buhlmann, 03.2018]

Stadelmann, Rainer (1985), Die ägyptischen Pyramiden. Vom Ziegelbau zum Weltwunder (= KGAW 30), Mainz 1985 > A Ägyptische Geschichte, 3. Jahrtausend-4./1. Jahrhundert v.Chr.

Stadler, Wolfgang (1958), Führer durch die europäische Kunst. Von der griechischen Kunst bis zum Anbruch der Moderne, Freiburg-Basel-Wien 1968 > K Kunst

Stadtmüller, Georg, Pfister, Bonifaz (1971), Geschichte der Abtei Niederaltaich 741-1971, Augsburg 1971 > N Niederaltaich

Staeck, Klaus, deutscher Künstler: Klaus Staeck, geboren am 28. Februar 1938, DDR- und BRD-Abitur, Jurastudium, SPD-Mitglied, Gastdozent und Gastprofessor an BRD-Universitäten (Kassel, Gießen, Essen, Düsseldorf u.a.), ist ein sozial und gesellschaftlich engagierter Künster, der weniger durch seine Holzschnitte (1964/69), Siebdrucke (1969/74) und Objekte als durch seine hochpolitischen ("sozialdemokratischen") Plakate (und Postkarten) (1969/2017) bekannt geworden ist (soziale Themen [Grundrechte, Presse, Kapital und Arbeit, Arbeitslosigkeit, Reichtum und Armut, Deutschland, Hunger; BRD, Welt], Umwelt). Vgl. Museum Folkwang (Hg.) (2018), Klaus Staeck. Sand fürs Getriebe, Göttingen 2018, 255 S., Farbabbildungen, € 20,-. [Buhlmann, 06.2019]

Städteforschung. Veröffentlichungen des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster

Stafford, Ed (2021), Im Rucksack der Entdecker. Womit Amundson, Heyerdahl, Messner und Co. ins Unbekannte zogen (= Besondere Wissenschafliche Reihe 2021), Darmstadt 2021, 240 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, € 15,-. Expeditionen und Reisen von Entdeckern und Weltreisenden waren und sind nur mit einer geeigneten Ausrüstung u.a. an Fahrzeugen, Werkzeugen und Zubehör vorstellbar. Vorgestellt werden diesbezuglich: Weltreise der US-Amerikanerin Nellie Bly (*1864-†1922) (1889/90, 72 Tage); Antarktis-Expedition des Briten Robert Falcon Scott (*1868-†1912) (1910/12, 1 Jahr 4 Monate); Antarktis-Expedition des Norwegers Roald Amundsen (*1872-†1928) (1910/12, 1 Jahr 7 Monate); Mato Grosso-Expedition des Briten Percy Fawcett (*1867-verschollen 1925) (1925); Sahara-Durchquerung der Schwedin Eva Dickson (*1905-†1938) (1932, 27 Tage); Weltumrundung der Deutschen Clärenore Stinnes (*1901-†1990) (1927/29, 2 Jahre 1 Monat); Atlantikflug der US-Amerikanerin Amelia Earhart (*1897-verschollen 1937) (1932, 15 Stunden); pazifisch-polynesische Kon Tiki-Expedition des Norwegers Thor Heyerdahl (*1914-†2002) (1947, 101 Tage); Tauchexpeditionen des Franzosen Jacques Cousteau (*1910-†1997) mit dem Schiff Calypso (1950er-Jahre); Besteigung des Mount Everest durch den Neuseeländer Edmund Hillary (*1919-†2008) u.a. (1953, 11 Wochen); Landreise London-Singapur des Tim Slessor (*ca.1930) (1955, 6 Monate 6 Tage); Solo-Weltumrundung des Briten Robin Knox-Johnston (*1939) mit dem Segelschiff (1968/69, 312 Tage); Kamelexpedition der Australierin Robyn Davidson (*1950) durch Westaustralien (1977, 9 Monate); Antarktis-Expedition des Briten Ranulph Fiennes mit dem Schiff Transglobe (1979/82, 2 Jahre 2 Monate); Solobergbesteigung des Mount Everest durch den Italiener Reinhold Messner (*1944) (1980, 3 Tage); Weltumrundung des Briten Jason Lewis (*1967) mit Muskelkraft (1994-2007, 13 Jahre 2 Monate 24 Tage); Weltumrundung des Briten Alastair Humphreys (*1976) mit dem Rad (2001/05, 4 Jahre 3 Monate); Durchquerung von Arktis, Grönland, Antarktis durch den Norweger Rune Gjeldnes (*1971) (2005/06, 90 Tage); Durchquerung des Amazonasgebiets durch den Briten Ed Stafford (*1975) (2008/10, 860 Tage); Mount Everest-Besteigungen des Nepalesen Apa Sherpa (*1960) (bis 2011); Weltumrundung der Britin Sarah Outen (*1985) London2London (2011/15, 4 1/2 Jahre); Weltumrundung der Schweizer Bertrand Piccard (*1958) und André Borschberg (*1952) mit dem Solarflugzeug (2015/16, 16 Monate); Weltumrundung des Ukrainers Fjodor Konjuchow (*1951) mit dem Ballon (2016, 11 Tage); Kajakreise der Briten Olly Hicks (*1982) und George Bullard (*1989) von Grönland nach Schottland (2016, 65 Tage); Kanufahrt über den Essequibo der Britin Laura Bingham (*1993) (2018, 72 Tage). [Buhlmann, 02.2022]

StAhd = Studien zum Althochdeutschen

Stamm, Peter, deutschsprachiger Schweizer Schriftsteller: Geboren am 18. Januar 1963 im thurgauischen Scherzingen, absolvierte Stamm zunächst eine kaufmännische Lehre und arbeitete als Buchhalter, um nach Ablegung der Matura Anglistik bzw. Psychologie mit Nebenfach Informatik an der Universität Zürich zu studieren. Nach Abbruch des Studiums und Aufenthalten in New York, Paris und Skandinavien stellte er Literatur und Schriftstellerei in den Mittelpunkt seines Lebens. Die Arbeit als Journalist gehört hierher, ebenso sein (vierter) Roman Agnes (1992/98), der für ihn den literarischen Durchbruch brachte. Seitdem veröffentlichte Stamm eine Reihe von Romanen, Hörspielen und Theaterstücken, u.a.: Agnes (1998), Blitzeis (1999), In fremden Gärten (2003), An einem Tag wie diesem (2006), Wir fliegen (2008), Sieben Jahre (2009), Seerücken (2011), Nacht ist der Tag (2013), Der Lauf der Dinge (2014), Weit über das Land (2016), Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt (2018). Zahlreich sind die Literaturpreise für Peter Stamm, u.a.: Ehrengabe des Kantons Zürich (1998), Rauriser Literaturpreis (1999), Preis der Schweizerischen Schillerstiftung (2002), Kulturpreis der Stadt Winterthur (2003), Alemannischer Literaturpreis (2011), Bodensee-Literaturpreis (2012), Solothurner Literaturpreis (2018). Der Beziehungsroman "Agnes" ist wohl das bekannteste Werk Stamms (Inhaltsangabe: Der zwischen Fiktion und (fiktiver Roman-) Realität angesiedelte Text handelt von einer Liebesbeziehung zwischen einem [dem Namen nach unbekannten] Ich-Erzähler aus der Schweiz, der sich vorübergehend im US-amerikanischen Chicago als Sachbuchautor aufhält, und der US-amerikanischen Physikerin Agnes [Doktorin der Physik: Symmetriegruppen]. Agnes ist 25 Jahr alt, ihr Liebhaber bedeutend älter. Die Liebesgeschichte, die sich zwischen beiden entwickelt, wird auf Vorschlag von Agnes vom Ich-Erzähler niedergeschrieben. Dabei erfindet der Ich-Erzähler, was die Zukunft angeht, den weiteren Verlauf der Beziehung. Agnes und der Ich-Erzähler führen nun zunehmend eine Beziehung nach "Drehbuch", doch die Banalität des Nachspielens entzweit das Liebespaar, zumal Agnes schwanger ist und einen Schwangerschaftsabbruch durchführen soll. Agnes verlässt die zwischenzeitlich gemeinsam bezogene Wohnung; der Ich-Erzähler lernt Louise kennen, mit der eine sexuelle Beziehung unterhält. Nach einer Fehlgeburt kommen Agnes und der Ich-Erzähler wieder zusammen. Der Ich-Erzähler schreibt seine Geschichte weiter, als wenn die Geburt einer Tochter statt der Fehlgeburt geschehen wäre. Doch auf Dauer ist auch diese Fiktion für Agnes nicht befriedigend. Der Ich-Erzähler wählt daher Agnes' Selbstmord als Ende der Liebesbeziehung, was schließlich zum [vermutlichen] Selbstmord Agnes' [durch Erfrieren] führt; der Ich-Erzähler findet nach dem Besuch einer Silvesterparty nur noch die leere Wohnung vor. - Interpretation: Agnes tritt im Roman nur vermittelt über die Fiktion des Ich-Erzählers [nüchtern-lakonisch-distanzierter Erzählstil] in Erscheinung, sie verschmilzt zuletzt mit der vom Ich-Erzähler kreierten Person, Fiktion und [Roman-] Realität fallen im Selbstmord der Agnes zusammen [Nähe und Fremdheit zwischen den Liebenden, Liebe und Selbstliebe, Verantwortung und Freiheit; symbolisch-metaphorische Interpretation der Liebesgeschichte im diegetisch-intradiegetischen Stil {Ich-Erzählung, Geschichte in der Erzählung wird zur Geschichte der Erzählung}] > Werkvergleich: Dantons Tod - Homo faber - Agnes [34 kB]).
Zum literarischen Werk Peter Stamms s.: Gladiator, Klaus (2012), Peter Stamm: Agnes (= Stark Interpretationen: Deutsch), o.O. 2012, 80 S., Schwarzweißabbildungen, € 5,99; Möckel, Margret (2001), Peter Stamm: Agnes (= Königs Erläuterungen, Bd.405), Hollfeld 52015, 144 S., € N.N.; Pütz, Wolfgang, Peter Stamm: Agnes (= Reclam Lektüreschlüssel = RUB 15434), Stuttgart 2011, 78 S., € 3,60; Stamm, Peter (1998), Agnes. Roman (= Fischer Tb 17912), Frankfurt a.M. 52011, 153 S., € 8,95, Frankfurt a.M. 192014, 153 S., € 8,95, Frankfurt a.M. 202014, 153 S., € 8,95; Stamm, Peter (2009), Sieben Jahre. Roman (= Fischer Tb 17384), Frankfurt a.M. 2011, 298 S., € 9,95; Wahl, Johannes (2011), Peter Stamm: Agnes (= Lektürehilfen), Stuttgart 2011, 125 S., Schwarzweißabbildungen, € 9,99, Stuttgart 42014, 125 S., Schwarzweißabbildungen, € 9,99; Stamm, Peter (2013), Nacht ist der Tag. Roman, Frankfurt a.M. 2013, 253 S., € 19,99. [Buhlmann, 04.2018, 12.2019, 01.2020, 03.2021, 09.-10.2021, 01.2022, 04.2022, 02.2023]

Standage, Tom (2005), Sechs Getränke, die die Welt bewegten, Düsseldorf-Zürich 2006, Schwarzweißabbildungen, Karte, € 19,90. Betrachtet werden: a) das Bier in der Jungsteinzeit und im Alten Orient (jungsteinzeitliche Entdeckungen, urbane Entwicklung und Schriftlichkeit, Anfänge der Zivilisation); b) der Wein in der griechisch-römischen Antike (Weinanbau und griechische Kultur, Philosophie des Trinkens, Wein als Medizin, Wein im Christentum); c) (hochprozentige) Spirituosen des späteren Mittelalters und der frühen Neuzeit (destillierter Wein und aqua vitae, Rum als erstes globales Getränk im Zuge von Kolonisierung und Atlantikhandel, Rum im kolonialen Nordamerika); d) Kaffee im Zeitalter der Aufklärung (Kaffeehäuser im London der 1650/60er-Jahre, Arabien als Kaffeelieferant und europäische Treibhäuser für den Kaffeeanbau, Kaffeehäuser als Nachrichtenbörsen, Kaffee als "Getränk der Vernunft"); e) Tee im britischen Weltreich (chinesische Ursprünge, Tee in Europa ab beginnendem 17. Jahrhundert, Verbreitung des Tees in Großbritannien im Verlauf des 18. Jahrhunderts, Teegärten und Teegesellschaften, Boston Tea Party 1773 und amerikanische Revolution, industrielle Revolution, Teeplantagen in Indien, Ostindische Kompanie mit Tee- und Opiumhandel); f) Coca-Cola in der Moderne (Anfänge mit durch Kohlensäure versetztem Sodawasser [Leeds, ca.1767], Erfindung von Coca-Cola [Atlanta, 1886] als alkoholisches/nichtalkoholisches medizinisches Stärkungsmittel, Werbung und Vermarktung, Coca-Cola-Company, Verkauf als Sirup, zunehmend als Erfrischungsgetränk, Verkauf in Flaschen [1899] und neue Märkte, Food and Drug Act [1906], Prozesse wegen des Koffeingehalts, Werbung mit Santa Claus [1931], Coca-Cola als American Way of Life, Globalisierung des Verkaufs im amerikanischen 20. Jahrhundert, Kalter Krieg, Naher Osten). [Buhlmann, 09.2023]

Stars der Schiene (= Weltbild SammlerEditionen), befasst sich historisch gut dokumentiert und reich illustriert u.a. mit dem Dampflokomotiven hauptsächlich des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Mitteleuropa. Die Reihenbände können als das Phänomen "Eisenbahn" dokumentierende Geschichtsquellen zur modernen Technikgeschichte gelten. U.a. sind erschienen: Brandt, Josef (2002), Baureihe 01, 015. Die klassische Schnellzuglok, [Augsburg] 2002, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Brandt, Josef (2003), Baureihe 3810-40. Die preußische P 8, [Augsburg] 2003, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Brandt, Josef (2003), Baureihe 86. Die schwere Nebenbahnlok, [Augsburg] 2003, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Brandt, Josef (2008), Baureihe 64. Der berühmte "Bubikopf", [Augsburg] 2008, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Dambacher, Gerhard (2001), Baureihe 01.10. Die legendäre Schnellzuglok, [Augsburg] 22002, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Dambacher, Gerhard (2002), Baureihe 03. Die leichte Schnellzuglok, [Augsburg] 2002, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Dambacher, Gerhard (2003), Baureihe 58. Die legendäre G 12, [Augsburg] 2003, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Dambacher, Gerhard (2003), Baureihe 78. Die bewährte Tenderlokomotive, [Augsburg] 2003, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Dambacher, Gerhard (2004), Baureihe 23.10. Die Neubaulokomotive der DR, [Augsburg] 2004, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Dambacher, Gerhard (2004), Baureihen 95/96. Die Steilstreckenloks, [Augsburg] 2004, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Hehl, Markus (2001), Baureihe 52/42. Die Kriegslokomotiven, [Augsburg] 2001, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Hehl, Markus (2003), Baureihe 03.10. Die leichte Stromlinienlok, [Augsburg] 2003, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Hehl, Markus (2003), Baureihe 41. Die Universallokomotive, [Augsburg] 2003, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Hehl, Markus (2004), Baureihe 390-2. Die preußische P 10, [Augsburg] 2004, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Hehl, Markus (2008), Baureihen 55 und 57. Die preußischen Güterzuglokomotiven, [Augsburg] 2008, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95; Welborn, Erich (2002), Baureihe 23. Eine Neubaulok der DB, [Augsburg] 2002, 100 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, Lokomotivpläne, € 16,95 > E Eisenbahn(en) in Mitteleuropa [Buhlmann, 12.2021]

Starzach, Gemeinde im Norden des oberen Neckartals: Die Gemeinde Starzach, entstanden 1972/73, besteht heute aus den Ortsteilen Börstingen, Felldorf, (Rittergut) Neuhaus, Sulzau, Weitenburg mit Mittelpunkt Bierlingen. Alle Ortsteile waren bis 1806 Teil des reichsritterschaftlichen Kantons Neckar-Schwarzwald und verfügen über eine Jahrhunderte umfassende Geschichte. Im Einzelnen gilt diesbezüglich: Bierlingen: Ersterwähnungen 843, 883 (Pirningen, Birninga), Dorfvogt (1404), Dorf mit Dorftoren und Etterzaun (1404, 1424), "Fleckenbuch" 1578, 32 Wohnhäuser und Badhaus (1592), 55 Familien im Dorf (1747); Börstingen: merowingerzeitliches Gräberfeld, ingen-Name, Ersterwähnung 1273, Wüstung "Zuckenhausen" (1365), Ortsherr Konrad von Wehingen (1429), Badstube (1433), Teilübertragung des Ortes als Lehen an Österreich (1486), 43 Wohnhäuser (1758), frühneuzeitliche Gemeindeverwaltung durch Schultheiß, Richter und Bürgermeister, 369 Einwohner (1807); Felldorf: merowingerzeitliches Gräberfeld, dorf-Name, Ersterwähnung 1324 [Veldorf], Ortsherrschaft der Herren von Ow, "Fleckenbuch" 1578, 20 Familien im Dorf (1680), Wüstung Kaltenhausen (1747), Rathaus (1854), Armenhaus (1865); Sulzau: Ersterwähnung 11. Jahrhundert, Ende [Sulzowa], 8 Höfe (1430), 7 Häuser, "Schlössle" (1640), 12 Wohnhäuser (1658), Judensiedlung (1688), Neumühle (1720), frühneuzeitliche Gemeindeverwaltung durch Schultheiß, Richter und Bürgermeister, 27 Wohnhäuser, 183 Einwohner (1807), Rathaus (1839); Wachendorf: Siedlung des frühen Landesausbaus, Herren von Wachendorf als Ortsadel (12. Jahrhundert), Schultheiß und Richter (1524), Wüstung Bechhausen (1573), 120-150 Einwohner (1674), Rathaus (1814), Gemeindebackhaus (1861). Vgl. Starzach in historischen Bildern, Horb a.N. 1983, 96 S., Schwarzweißfotos, DM N.N. [Buhlmann, 01.2024]

Stasch, Gregor Karl [o.J.], Die Andreaskirche zu Fulda-Neuenberg, Fulda [o.J.] > F Fulda

Statistik, mathematische Teildisziplin: I. Auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeitsrechnung (Stochastik) untersucht Statistik die hinter Zufallsexperimenten liegenden mathematischen Modelle. Die deskriptive Statistik stellt Methoden zur Verfügung, um Datenmaterial (Stichproben) zu charakterisieren und zu analysieren. Die schließende Statistik ist die Statistik der Tests, der statistischen Hypothesen und Hypothesenprüfung. Statistische Tests sind Ausfluss einer statistischen Modellbildung, die u.a. das Schätzen von Parametern, das Aufstellen von Konfidenz- und Prognoseintervallen oder statistische Tests beinhaltet. Die Stochastik stellt dazu das Wissen um spezielle Wahrscheinlichkeitsverteilungen zur Verfügung. Die Betrachtung von Stichproben verschiedener Merkmale mündet ein u.a. in die Merkmalskorrelation und die Regressionsanalyse. II. Gerade die Sozialgeschichte der Moderne (19.-21. Jahrhundert) benötigt bei ihrer Nähe zur Soziologie und Politikwissenschaft z.T. empirische Grundlagen zu gesellschaftlichen Bedingungen, die auch die Statistik bereitstellen kann. Grundlage ist hier ein reichhaltiges Datenmaterial, das so für die frühe Neuzeit, das Mittelalter, die Antike oder die Vorgeschichte nicht gegeben ist. Hingegen erweist sich Statistik z.B. im Bereich archäologischer Forschung - egal welche Zeitepoche betreffend - als nutzbringend.
Zur Statistik s.: Bühl, Achim (1994), SPSS 22. Einführung in die moderne Datenanalyse, Hallbergmoos 142014, 1055 S., Schwarzweißabbildungen, € 49,95; Friede, Christian, Schirra-Weirich, Liane (1992), Statistische Datenanalyse SPSS/PC+ (= Standardsoftware. Eine strukturierte Einführung = rororo 8198), Reinbek 1992, 336 S., Schwarzweißabbildungen, DM 19,80; Schübo, Werner, Uehlinger, Hans-Martin, Perlerth, Ch. u.a. (1986), SPSS. Handbuch der Programmversionen 4.0 und SPSS-X 3.0, Stuttgart-New York 1991, XIV, 659 S., DM 69,-. [Buhlmann, 06.1992, 02.2019]

Staubach, Nikolaus (1988), Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: Die historiographischen Fiktionen des Johannes Trithemius im Lichte seines wissenschaftlichen Selbstverständnisses, in: Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica München, 16.-19. September 1986, Bd.1 (= MGH. Schriften, Bd.33/I), Hannover 1988, S.263-316 > T Trithemius, Johannes

(Essen-) Steele, heute ein Stadtteil der Großstadt Essen: I. Steele, gelegen am nördlichsten Punkt der großen Ruhrschleife bei (Essen-) Überruhr-Hinsel am Straßensystem von Hellweg und einer Nord-Süd-Verbindung zum Bergischen Land, ist erstmals als Stela ("steiler Ort") anlässlich eines im Mai 938 dort stattfindenden Hof- und Gerichtstags König Ottos I. des Großen (936-973) bezeugt. Die Limburger Vogteirolle (ca.1220) und das Kettenbuch der Essener Frauengemeinschaft von 1332 erwähnen Steele als hauptsächlich zum Eickenscheidter Hofverband des Essener Stifts gehörig. Zum Jahr 1314 wird erstmals die Steeler Pfarrkirche (als Vorgängerin der heutigen Laurentiuskirche von 1873) genannt. Die Steeler Kirche tritt auch im Liber valoris der Kölner Bischofskirche (1308/78) in Erscheinung. Die Steeler Pfarrei umfasste neben Steele die Bauerschaften Eiberg, Freisenbruch, Horst, Kray und Leithe. Im 13. und 14. Jahrhundert häufen sich die historischen Zeugnisse zu Steele, meist in Verbindung stehend zu Personen, die aus Steele kommen, aber auch zu Besitz in Steele. II. Das spätmittelalterliche Dorf Steele im Essener Stiftsgebiet (Stiftsterritorium) entwickelte sich in der frühen Neuzeit zu einer Kleinstadt, die als Freiheit, Flecken oder Stadt bezeichnet wurde. Bürgermeister (1491) und ein Ortsvorstand, die Stadtmauer, eine innerstädtische Gliederung (1548; Steeler Stadtbrand 1548) sowie bürgerliche Statuten (1549) sind seit dem 15./16. Jahrhundert nachweisbar. Steele erhielt 1578 von der Essener Äbtissin und Landesherrin Marktrecht und Stadtsiegel (drei Ringe vor goldenem Hintergrund). Zum Jahr 1580 werden Kohlengruben bei Steele genannt, am Ort gab es eine Schmiedegilde (1467), Büchsenmacher (17. Jahrhundert) und Zünfte der Textilverarbeitung (1683, 1751). Nach der Überwindung reformatorischer Einflüsse lebten in Steele Ende des 17. Jahrhunderts wieder überwiegend katholische Einwohner. Im 18. Jahrhundert residierten in Steele zeitweise die Essener Fürstäbtissinnen (Schloss Auf der Lucht 1699), Äbtissin Franziska Christina von Pfalz-Sulzbach (1724-1776) stiftete im Ort das barocke Waisenhaus (Franziska-Christina-Stiftung 1769). Eine 1787/94 erbaute Chaussee verband Steele mit Essen. Im Zuge der Säkularisation wurde Steele mit seinen damals über 1200 Einwohnern preußisch (1803/15); in der Zeit der französischen Besetzung war der Ort Mittelpunkt einer Mairie (Bürgermeisterei). III. Das Steele des 19. Jahrhunderts war eine Kleinstadt im Königreich Preußen. Im Zuge der Industrialisierung war Steele geprägt von Kohlenbergbau, auch von Schwer- und Glasindustrie sowie vom Aufbau einer modernen Infrastruktur (Ruhrschifffahrt bis 1889, Eisenbahn 1862, Ruhrbrücke 1886). Der Stadt Steele wurden 1926 die Orte Königssteele, Horst, Eiberg und Freisenbruch eingegliedert. Im Jahr 1929 folgte die Einbeziehung in die Großstadt Essen. Steele wurde im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) vergleichsweise geringfügig zerstört. Die Steeler Innenstadt mit ihrer daher vielfach überalterten Bausubstanz wurde in den 1970er-Jahren saniert ("Endstation Größenwahn"). Steele entwickelte sich zu einem Stadtteilzentrum für Handel, Gewerbe und Dienstleistung mit knapp 18000 Einwohnern.
An Literatur zu Steele sei genannt: Buhlmann, Michael (2016), Hof- und Gerichtstag König Ottos I. in Steele (938) - Herrscheraufenthalte fränkisch-deutscher Könige an Rhein und Ruhr im früheren Mittelalter (= SGE 6), Essen 2016; Grevel, Wilhelm (1884), Die Statuten der früheren Gilden und Ämter in der Stadt Steele und im übrigen Hochstift Essen, in: EB 8 (1884), S.85-107; Grevel, Wilhelm (1886), Der Reichstag zu Steele unter Kaiser Otto dem Großen, in: EB 11 (1886), S.1-49; Grevel, Wilhelm (1886), Die Anfänge der Stadt Steele, in: EB 11 (1886), S.51-83; Jahn, Robert (1938), Der Hoftag König Ottos I. bei Steele im Mai 938, in: EB 56 (1938), S.7-90; Kaiser, Reinhold (1990), Der Hoftag in Steele (938), in: Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet, 2 Bde. (= Ausstellungskatalog), hg. v. Ferdinand Seibt, Essen 1990, Bd.2, S.20ff; Schanetzky, Tim (1998), Endstation Größenwahn. Die Geschichte der Stadtsanierung in Essen-Steele, Essen 1998, 252 S., Abbildungen, DM 29,80; Tewes, Ludger (1996), Der mittelalterliche Kirchsprengel Steele mit seiner Besiedlung in Kray und Leithe, in: MaH 49 (1996), S.60-75. > Essen-Steele. 1075 Jahre Steele [Buhlmann, 10.2013, 12.2016]

Steidle, Basilius (1986), Beiträge zum alten Mönchtum und zur Benediktinerregel, hg. v. Ursmar Engelmann, Sigmaringen 1986 > B Benediktiner

Stein, Peter (2006), Schriftkultur. Eine Geschichte des Schreibens und Lesens, Darmstadt 2006 > S Schriftlichkeit

Stein, Peter G. (1996), Römisches Recht und Europa. Die Geschichte einer Rechtskultur (= Europäische Geschichte = Fischer Tb 60102), Frankfurt a.M. 1996 > R Römisches Rechtsgeschichte

Stein-Hölkeskamp, Elke (2015), Das archaische Griechenland. Die Stadt und das Meer (= C.H. Beck Geschichte der Antike, Bd.1 = BSR 6151), München 2015 > G Griechische Geschichte, 12.-6. Jahrhundert v.Chr.

Steinbach, Udo, Hofmeier, Rolf, Schönborn, Mathias (Hg.) (1979), Politisches Lexikon Nahost (= BSR 199), München 21981 > P Politik

Steinbeck, John, US-amerikanischer Schrifsteller: John Steinbeck (*1902 in Salinas, †1968 in New York City) hielt sich zunächst mit Gelegenheitsjobs über Wasser, hatte er doch als Journalist und Schriftsteller zunächst wenig Erfolg. Erst der Episodenroman Tortilla Flat (1935) fand beim Publikum gewissen Anklang; der literarische Durchbruch erfolgte mit der Novelle Of Mice and Men ("Von Menschen und Mäusen", 1937) und dem Roman The Grapes of Wrath ("Früchte des Zorns", 1939) und machte aus Steinbeck einen der meist gelesenen US-amerikanischen Autoren, einen Autor des New Deal, aber auch einen Vorläufer ökologisch-grünen Denkens. Steinbeck, politisch durchaus links orientiert, setzte sich bis zuletzt immer wieder kritisch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in den Vereinigten Staaten auseinander, wie seine Artikelserie Travels with Charley: In Search of America (9161/62) und sein Buch America and Americans (1966) zeigen. Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) konnte Steinbeck nur schwer an seine Erfolge in der Vorkriegszeit anknüpfen, doch gelang ihm mit dem Roman East of Eden ("Jenseits von Eden", 1952) nochmals ein großer Erfolg. für den er 1962 den Nobelpreis für Literatur erhielt.
U.a. sind von John Steinbeck erschienen: Steinbeck, John (1939), Früchte des Zorns. Roman (= Ullstein Tb 2796), Frankfurt a.M.-Berlin-Wien 1973, 429 S., DM 5,80; Steinbeck, John (1947), Die Perle. Roman (= dtv 10690), München 51992, 93 S., DM 6,80; Steinbeck, John (1952), Jenseits von Eden. Roman (= Ullstein Tb 2895), Frankfurt a.M.-Berlin-Wien 1974, 572 S., DM 6,80. [Buhlmann, 03.2024]

Steinböck, Walter (1973), Die Gründung des benediktinischen Reformklosters Admont. Ein Beitrag zur neunhundertjährigen Geschichte seines Bestehens, in: SMGB 84 (1973), S.52-81 > A Admont

Steiner, Rudolf, Begründer der Anthroposophie: Rudolf (Joseph Lorenz) Steiner (*1861 in [Donji] Kraljevec, †1925 in Dornach), in Jugend und Studium (der Mathematik, Physik, Naturgeschichte) beeinflusst von Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Nietzsche und Karl Julius Schröer, war während Studium und Promotion (1891) mit der Herausgabe von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften beschäftigt, arbeitete am Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv (1890/96) und wandte sich 1902 - im Zuge seiner Arbeiten über Welt- und Lebensanschauungen sowie Mystik und Mysterien - der Theosophie zu (1902; deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft [1902], Leiter der Esoterischen Schule in Deutschland [1904]). Es folgen Vortragsreisen in Deutschland und im europäischen Ausland (1905-1913), von Steiner verfasste Mysteriendramen (deren Aufführung 1910/13), die Gründung der "Anthroposophischen Gesellschaft" (1913), der Bau des Goetheanums in Dornach, das zum Zentrum der Anthroposophie Steiners wird (1913/22). Nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) wird die Freie Waldorfschule Stuttgart gegründet (1920), die öffentliche Vortragstätigkeit Steiners wieder aufgenommen (ab 1921), die "Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft" entsteht an der Wende von 1923 zu 1924 in Dornach (Kurstätigkeiten zu Heilpädagogik, Pädagogik, Eurythmie, Sprachgestaltung, für Mediziner, christliche Priester). Steiners Leben ist zudem geprägt von einer reichhaltigen publizistisch Tätigkeit Steiner sah in seiner Theosophie und Anthroposophie eine Fortentwicklung seiner Philosophie des ersten Lebensabschnitts, doch wird die Anthroposophie Steiners heute kontrovers beurteilt, ihr zudem Wissenschaftlichkeit abgesprochen (bei Rassismus- und Antisemitismus-Vorwürfen). Zu Rudolf Steiner s.: Hemleben, Johannes (1963), Rudolf Steiner (in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten) (= rm 79), Reinbek b.H. 101970, 174 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, DM 3,80, Reinbek b.H. 141975, 176 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, DM 5,80; Lindenberg, Christoph (1992), Rudolf Steiner (in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten) (= rm 500), Reinbek b.H. 1992, 160 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, DM 10,90; Schuyt, Mike, Elffers, Joost, Ferger, Peter (1980), Rudolf Steiner und seine Architektur (= dumont Tb 72), Köln 1980, 181 S., Schwarzweißabbildungen, DM 12,80. [Buhlmann, 02.2024]

Steinert, Marlis G. (1967), Die 23 Tage der Regierung Dönitz. Die Agonie des Dritten Reiches (= Heyne Geschichte 10), München 1978 > D Deutsche Geschichte, 1933-1945

Steinhausen, Wallfahrtskirche in Oberschwaben: Das oberschwäbische Steinhausen tritt mit dem Ortsadel der Herren (Ulrich 1239/57) von Steinhausen im 13. Jahrhundert in Erscheinung. Zum Jahr 1275 ist in Steinhausen eine Pfarrkirche bezeugt, zu ca.1282 eine Kapelle Unserer Lieben Frau. 1363/65 gelangten Dorf, Kirche und Patronat an die 1183 gegründete Prämonstratenserabtei Schussenried. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich eine Wallfahrt nach Steinhausen (Gnadenbild der schmerzhaften Muttergottes 1410/20, Monstranz 1513, Gnadenbildkronen 1732). Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erfuhr die Wallfahrt einen weiteren Bedeutungszuwachs (Rosenkranzbruderschaft 1619). Im beginnenden 18. Jahrhundert war die Wallfahrtskirche zu klein und zu baufällig geworden, so dass der Schussenrieder Abt P. Didakus Ströbele (1719-1733) sich zu einem barocken Neubau der Steinhauser Kirche entschloss. Unter dem Architekten und Baumeister Dominikus Zimmermann (*1685-†1766) wurde ab 1727 eine barocke Freipfeileranlage auf ovalem Grundriss erbaut, Stuck und Fresken in der Kirche wurden gefertigt vom Bruder des Baumeisters, Johann Baptist Zimmermann (*1680-†1758). 1733 wurde der barocke Kirchenbau geweiht, kleinere Bauarbeiten (Seitenältäre 1746, neuer Hochaltar 1749/50) folgten. Bis 1803 gehörte das Gotteshaus zur Schussenrieder Prämonstratenserabtei und ging nach deren Aufhebung und Säkularisierung in die Hände der Familie von Sternegg-Manderscheid über, 1835 an das Königreich Württemberg, 1865 an die Kirchengemeinde Steinhausen.
Vgl.: Beck, Otto (1937), Wallfahrtskirche Steinhausen (= Schnell & Steiner, Kleine Kunstführer, Nr.203), Regensburg 342010, 39 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Plan, € 2,50; Binder-Etter, Elisabeth (1981), Steinhausen (bei Bad Schussenried/Oberschwaben) (zum 250jährigen Jubiläum der Wallfahrtskirche zur Schmerzhaften Muttergottes) (= Schnell & Steiner, Große Kunstführer, Nr.88), München-Zürich 1981, 64 S., Schwarzweiß-, Farbfotos, DM N.N.; Bischof, Georg, Schnell, Hugo (1937), Wallfahrtskirche Steinhausen (= Schnell & Steiner, Kleine Kunstführer, Nr.203), München-Zürich 191986, 23 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Plan, DM N.N. [Buhlmann, 10.2021, 06.2023]

Steiniger, Judith (2013), Echo Melanchtonis (...) und Dialogus Philalethis et Genii (...). Zwei im Rahmen des Kölner Reformationsversuchs verfasste, unbekannt gebliebene Flugschriften aus dem Jahr 1545, in: AHVN 216 (2013), S.57-94 > Lateinische Literatur > D Dialogus Philalethis et Genii, E Echo Melanchtonis

Steinseifer, Bernd (Bearb.) (1979), 100 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Triberg im Schwarzwald 1879-1979. Chronik (anlässlich des 100jährigen Bestehens der Gemeinde), hg. v.d. Evangelischen Kirchengemeinde Triberg im Schwarzwald, Triberg 1979 > T Triberg

Stekeler-Weithofer, Pirmin (2014), Sprachphilosophie. Eine Einführung (= BSR 2802), 127 S., € 8,95. Sprachphilosophie ist eine systematische Philosophie und Metaphysik. Sie reflektiert über die menschliche Sprache, d.h. aber auch über das menschliche Denken. Über Sprache wurde schon in der griechischen Antike philosophiert, die Sprachphilosophie als Teildisziplin der Philosophie reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Sprachphilosophie als Teil der philosophischen Anthropologie ist die Philosophie menschlicher Begriffe (Prädikate), die sinnkritische Reflexion sprachlicher Ausdrücke (Aussagen) auf der Grundlage der Sprachbegabung ("wahre Sprache") des Menschen und unter Verweis auf das menschliche Denken (Denken, Vorstellen, Sprechen -> Sprechplanen; Wahrnehmung, Handeln). Sprachphilosophie richtet mithin den Blick ontologisch auf Sein, Wahrheit und Bewusstsein. Ausgehend von der formallogisch-logizistischen Philosophie der Mathematik Gottlob Freges (†1925), lassen sich apriorische von empirischen (historischen, indexikalischen), analytischen von synthetischen Aussagen (Sätzen) unterscheiden ([halb-] sortale Bereiche, Rechenregeln, logische Formen). Eingebettet in das System menschlichen Sprechhandelns, relativiert sich der Wahrheitswert einer Aussage in deren zeitlicher und situationsabhängiger Verortung (Performator, Satzoperator, Prädikat; Wahrheit und situationsbedingte Notwendigkeit -> Situationsprädikate; generisches Schließen und wissenschaftliche Theorien). Aussagelogik bedingt dann u.a. die Logik der Verben und die materialbegrifflich-universal-generischen Sätze (empirische Wahrheiten, Begriffe [Nennungen] und Bedeutungen) und lässt Aussagen auf eine syntaktische "Tiefenstruktur" ("Tiefengrammatik") reduzierbar machen. (Wissenschaftliche) Theorien als System von analytisch-formallogischen Deduktionen - wie im Bereich der Mathematik (Frege, Gödel) - sind eine "Versprachlichung allgemeinen Wissens" (differenziell-bedingte, materialbegriffliche Inferenzen). Sprechakte allgemeiner Art finden im Formal- und Normalsprachenansatz der heutigen Sprachphilosphie ihr adäquates Umfeld (Sprecherabsicht, "Kooperativität des Verstehens" zwischen Gesprächspartnern [trotz/wegen Metapher, Analogie, Ironie u.a.], Ausdrucksbedeutung; Weltbild, Kultur und Gesellschaft [Normen]); sie sind schließlich verankert in der Grammatik der Sprache, die mit formalen Mitteln aus der "Tiefenstruktur" der Sprache generische Produktionsregeln zur Verfügung stellt, so dass das Anwenden der Regeln als Schemata formal der Bildung von Ausdrücken aus sprachlichen Grundformen (Phoneme, Morpheme, Wörter) dient (dagegen: sinnkritische und Sinn betonende Grundlagen der Sprachphilosophie). [Buhlmann, 01.2016]

Stemberger, Günter (Hg.) (1983), 2000 Jahre Christentum. Illustrierte Kirchengeschichte in Farbe, Erlangen 1989, 988 S., Farbabbildungen, Karten, Kommentarteil, kirchengeschichtlicher Lexikonteil, DM 49,80. Der historische Überblick über die christliche Religion umfasst: frühes Christentum der römischen Kaiserzeit (1.-3. Jahrhundert: Kirche und Ämter, Gemeinden; Christenverfolgungen; Entstehung des christlichen Mönchtums; Theologie und Philosophie; griechische und lateinische Kirchenväter; Häresien), spätantikes Christentum (4.-5. Jahrhundert: Konstantinische Wende, Christentum als Staatsreligion, Reichskirche; ökumenische Konzilien und Christologie; Bischofskirchen und Papsttum; Christen und Juden), frühmittelalterliches Christentum (6.-11. Jahrhundert: germanische Reiche, Arianismus und "Landeskirchen"; Frankenreich und angelsächsische Königreiche; christliche Missionierung; Papsttum, westliches Kaisertum und byzantinsches Reich; Ikonoklasmus; frühe Klöster, Bildung, Theologie; ottonisch-salische Reichskirche), hochmittelalterliches Christentum (11.-13. Jahrhundert: Papsttum und Kaisertum; Kirchenschisma von 1054; Investiturstreit und Kreuzzüge, Judenverfolgungen; neue Mönchsorden), spätmittelalterliches Christentum (13.-15./16. Jahrhundert: Papstkirche, Großes Papstschisma, Konziliarismus, Kirchenunion; Theologie und Philosophie; Kirchenbau, Romanik, Gotik), Reformation und Konfessionalismus (16.-17. Jahrhundert: Martin Luther, Protestantismus, katholische Reform; Glaubenskriege; Europa und die Globalisierung; Theologie; Renaissance), Barock und Aufklärung (17.-18./19. Jahrhundert: Nationalkirchen, Landeskirchen; Theologie, Aufklärung, Idealismus; Französische Revolution), Moderne (19.-20. Jahrhundert: Säkularisation, Trennung von Kirche und Welt; Sekten; innere und Weltmission, Ökumene; Theologie; christliche Kunst). [Buhlmann, 01.2020]

Stercken, Martina (1989), Königtum und Territorialgewalten in den rhein-maasländischen Landfrieden des 14. Jahrhunderts (= RA 124), Köln-Wien 1989, 171 S., € 7,50. I. Die rhein-maasländischen Landfrieden des 14. Jahrhunderts gehören in die Reihe spätermittelalterlicher Landfrieden, die sich an den bedeutenden Mainzer Reichslandfrieden Kaiser Friedrichs II. (1212-1250) von 1235 anlehnten bzw. diesen als Vorbild hatten. Den Nordwesten des deutschen Reiches betrafen die zwischen Interregnum und Mitte des 14. Jahrhunderts geschlossenen Landfrieden von: 1259 (Erzbischof von Köln), 1279 (Erzbischof von Köln, Herzog von Brabant, Grafen von Kleve und Geldern), 1288 (Herzog von Brabant, Grafen von Kleve und Geldern, Stadt Köln; nach der Schlacht von Worringen), 1317 (Bacharacher Landfrieden; König Ludwig der Bayer, Erzbischof von Trier, König von Böhmen, rheinische Städte), 1348 (Erzbischof von Trier, Erzbischof von Köln, Markgraf von Jülich), 1350 (Erzbischof von Trier, Erzbischof von Köln). Bei den Landfrieden dominierte bis zur Schlacht von Worringen der Erzbischof von Köln; das Königtum war an den Landfrieden kaum beteiligt, da der Niederrhein - im Gegensatz zum Mittel- und Oberrheingebiet - im Spätmittelalter hier kaum noch über Reichsgut und Einwirkungsmöglichkeiten verfügte. Dagegen waren zunehmend die Kurfürsten in ihrer Verantwortung für das Reich an den Landfrieden beteiligt. Bedeutung erlangten diesbezüglich auch zu herzoglicher Gewalt (der Friedensvorsorge) gekommenen Territorien Jülich (Markgrafschaft 1336, Herzogtum 1356), Geldern (Herzogtum 1339), Berg (Herzogtum 1380) und Kleve (Herzogtum 1417). II. An rhein-maasländischen Landfrieden der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts sind zu nennen: 1351 (1. rhein-maasländischer Landfrieden; Erzbischof von Köln, Herzog Lothringen/Limburg/Brabant, Stadt Köln, Stadt Aachen, Herzog von Brabant [1356]), 1352 (südliches Rhein-Maas-Gebiet; Erzbischof von Trier, Pfalzgraf, Markgraf von Jülich, Graf von Berg), 1358 (Fortsetzung des Landfriedens von 1351), 1359 (Herzog von Geldern, Graf von Kleve, Städte, Ritter), 1364 (2. rhein-maasländischer Landfrieden; Herzog von Brabant, Markgraf von Jülich, Stadt Aachen, Stadt Köln [1365]), 1369 (Ergänzung des 2. rhein-maasländischen Landfriedens; Herzog von Brabant, Herzog von Jülich, Stadt Aachen, Stadt Köln; Schlacht bei Baesweiler 1371), 1371 (Rumpflandfrieden; Erzbischof von Köln, Herzog von Jülich), 1375 (Gebot Kaiser Karls IV.; Erzbischof von Köln, Herzog von Luxemburg, Herzog von Jülich, Stadt Aachen, Stadt Köln), 1376 (Rumpflandfrieden; Herzog von Jülich, Stadt Köln), 1378 (Gebot Kaiser Karls IV.; Erzbischof von Köln, Herzog von Luxemburg, Herzog von Jülich, Stadt Aachen, Stadt Köln). Die Landfrieden beziehen sich auf geboyde, lantfreden, verbunt als Geltungsgrund, d.h. sie galten für einen gewissen Zeitraum (Geltungsdauer) in den Territorien der Fürsten, die die Landfriedenseinung initiierten und beschlossen (Bundesgenossen) und den umliegenden Territorien kleinerer Herrschaften (Rhein-Maas-Gebiet <-> zersplitterte Herrschaftsverhältnisse). Die Landfrieden wurden beeidet, durch (einen konstitutiven) Eid traten die Bundesgenossen und neuen Einungsmitglieder (Beitritt zum Landfrieden) bei; die Eidesleistung galt auch für die Untertanen, Herren, Ritter und Städte in den Territorien (Eidgebot: Eid von Ritterschaft, Städten und Amtleuten). Institutionelle Verankerung fanden die Landfrieden in einem Kollegium von (durch die Bundesgenossen ausgewählten) Geschworenen, die über die Einhaltung des Landfriedens wachten und über Maßnahmen bei Verstößen dagegen urteilten. Das Schiedsgericht der Geschworenen war (konkurrierend) neben den Gerichten der Fürsten, Herren, Amtleute und Städte zuständig für Vergehen gegen den Landfrieden etwa bei unrechter Fehde, bei Schuldforderung und Pfändung oder bei Gewalttaten (Urteil nach "Minne und Recht"). Der Landfriedensbruch durch einen Straftäter sah dessen Friedlosigkeit, Acht und Reichsacht vor mit den Folgen etwa der Zerstörung von Burg oder Haus des Friedbrechers (Landfriedenszüge). Die Friedbrecherverfolgung benötigte eine überterritoriale Organisation, ein militärisches Aufgebot der Bundesgenossen sollte dem Landfrieden Geltung verschaffen (Landfriedenszüge gegen die Burg Griepekoven 1354, gegen die Burg Schönberg 1359, gegen die Burg Hemersbach 1366, gegen den Burggrafen von Odenkirchen 1371, gegen die Burg Linn 1377, gegen die Häuser Dyck und Alpen 1383, gegen den Ritter Johann von Reifferscheid 1385); die Einsetzung eines Landfriedensvogtes (1369/70; Leitung der Landfriedenszüge, richterliche Befugnisse) war indes organisatorisch nicht erfolgreich. III. Der untergeordneten Rolle des Königtums im Nordwesten des deutschen Reichs entsprach es, dass sich der deutsche König Karl IV. (1346-1378) kaum an den rhein-maasländischen Landfrieden zur Errichtung einer öffentlichen Friedensordung beteiligte. Die königliche Befehlsgewalt trat subsidiär hinter den Landfrieden als Satzung der Bundesgenossen zurück, manche der Bundesgenossen wurden auf Grund ihres Einsatzes für die Friedenssorge vom König (ideell) privilegiert, Entsprechendes galt für die Landfriedenseinigung als solche. So nahmen die Bundesgenossen königlich-hoheitliche Funktionen in der durch die Landfrieden definierten Friedensordnung wahr. Der Herrscher mischte sich auch nicht in Organisation und Verwaltung der Landfrieden ein, die übergeordnete Gerichtsbarkeit des Königs (Reichshofgericht) kam bei Konflikten zwischen den fürstlichen Bundesgenossen zur Geltung, die sich nicht dem Schieds- und Geschworenengericht des Landfriedens unterwerfen wollten. Dadurch wurden die Landfrieden immer wieder in Frage gestellt, zumal die Landfrieden auch ein Vehikel der Fürsten waren, ihre Herrschaftsansprüche innerhalb und außerhalb ihrer Landesherrschaften auszuweiten. Die Landfrieden waren ein Mittel nicht nur der Befriedung, sondern auch weiterer Territorialisierung (Verfestigung von Amtsstrukturen, Landfriedensgeschworene als Sondergericht). In dieser Hinsicht waren die rhein-maasländischen Landfrieden "personale" Friedenseinungen, die immerhin Ansätze zu einer Territorialisierung des Friedens in sich bargen (überterritoriale und territoriale Friedensorganisation, noch fehlende Übereinstimmung zwischen Territorium/Staat und öffentlichem Frieden). [Buhlmann, 04.2018]

Sterne, Laurence, englischer Schriftsteller: Laurence Sterne, geboren in Irland im Jahr 1713, gestorben in London 1768 an Tuberkulose, wurde nach dem Studium der Theologie in Oxford Pfarrer der anglikanischen Kirche (Pfründen in Sutton-on-the-Forest und an der Yorker Kathedralkirche). Seit 1741 mit Elizabeth Lumley in einer schwierigen Ehe verheiratet, kam der von der Aufklärung beeinflusste Sterne erst spät zur Schriftstellerei; seine Werke lösten Skandale gerade innerhalb der anglikanischen Kirche aus, so dass Sterne nach London zog (Pfründe an der Coxwolder Pfarrkirche). Am Ende seines Lebens unternahm der Schriftsteller, als der sich Sterne nun hauptsächlich sah, Reisen nach Frankreich und Italien (1762/65; faktische Trennung von der Ehefrau). Sterne war der Verfasser der folgenden Werke: A Political Romance (1759); Sterne, Laurence (1759/67), The Life and Opinions of Tristram Shandy, hg. v. Graham Petrie (1967/85) (= Penguin Classics), London 1988, 659 S., DM 1,80; A Sentimental Journey (1768). [Buhlmann, 12.2019]

Steterburg, Frauenstift bei Salzgitter bzw. Braunschweig: Um das Jahr 1000 gründeten Frederunda von Oelsberg (†1020), Tochter des Grafen Altmann, und Bischof Bernward von Hildesheim (993-1022) in Steterburch eine Frauengemeinschaft im geografischen Vorfeld einer gleichnamigen Burg Stedieraburg (ca.926), die im 10. Jahrhundert bei Ungarnabwehr eine Rolle gespielt hatte. Die bischöflichen Rechte am Frauenstift/-kloster (Immunität, Äbtissinnenwahl, Vogtwahl) wurden in Urkunden der ostfränkischen Herrscher Otto III. (983-1002) und Heinrich II. (1002-1024) festgeschrieben (1007). Die Frauengemeinschaft verfügte von Anfang an über einen ausreichenden (Grund-) Besitz, der sich indes nicht in der geistlich-religiösen Entwicklung der Kommunität niederschlug. Somit wandelte Propst Gerhard (I.) (von Riechenberg) (1142-1150) mit Unterstützung des Hildesheimer Bischofs Bernhard I. (1130-1153) die Frauenkommunität in ein modernes Augustinerchorfrauenstift um. Unter Gerhards Neffen Gerhard II. (1164-1201) kam es zu einer ersten Blütezeit des Stifts (Ausweitung des Grundherrschaft, Baumaßnahmen, Steterburger Annalen); Steterburger Stiftsfrauen besiedelten 1181 das Stift Marienberg (bei Helmstedt), eine Gründung des Werdener Abtes Wolfram (1173-1183). Der Erwerb der Stiftsvogtei (1222) festigte die Stellung der Kommunität weiter, ebenso der politisch-wirtschaftliche Aufschwung der Stadt Braunschweig, aus deren wohlhabendem Bürgertum eine Vielzahl von Stiftsfrauen kam, während im 14. Jahrhundert städtische Prokuratoren die Vermögens- und Finanzverhältnisse des Stifts überwachten. Nichtsdestotrotz geriet die Frauengemeinschaft nach einem verheerenden Brand (1328) in finanzielle Turbulenzen; der Priorin Wilberg von Rautenberg (ca.1382-1415) gelang es, das Stift wieder auf solide wirtschaftliche Grundlage zu stellen, so dass die Zahl der Konventualinnen wieder anstieg. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts bezogen die welfischen Herzöge Steterburg in ihre Landesherrschaft ein und begrenzten zunehmend den Einfluss der Hildesheimer Bischöfe auf die Kommunität. Im Stift, das zudem Teil der Windesheimer Kongregation wurde, lebten 1481 mindestens 68 geistliche Frauen. Ein Teil der Konventualinnen bildeten 1515 den Gründungskonvent des Lübecker St. Annen-Stifts, das allerdings 1532 infolge der Reformation aufgehoben wurde. Steterburg blieb in der Zeit des am katholischen Glauben festhaltenden Herzogs Heinrich (II.) des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel (1514-1568) von der Reformation zunächst verschont - Heinrichs Schwester Elisabeth (1519-1562) leitete das Stift über eine lange Zeit -, doch musste Steterburg immer wieder den finanziellen Forderungen des Landesherrn nachkommen. Heinrichs Nachfolger Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (1568-1589) führt dann die Reformation in seinem Herzogtum ein (1569), aus der katholischen Frauengemeinschaft wurde ein evangelisches Jungfrauenstift (1569), das 1691 in ein adliges freiweltliches Damenstift umgewandelt wurde und bis 1938 (Umzug der Stiftsfrauen nach Blankenburg, dann nach Schliestadt) Bestand hatte. Heute fungiert das "Stift Steterburg" als eine gemeinnützige Einrichtung der Braunschweiger Ritterschaft. Vgl. Urkundenbuch des Stifts Steterburg, hg. v. Josef Dolle (2019) (= QFBrLG 55 = VHKNB 301), Göttingen 2019, 716 S., Schwarzweißabbildungen, € 14,90. > Lateinische Literatur > S Steterburg [Buhlmann, 01.2024]

Stewart, Robert (Hg.) (1997), Ideen, die die Welt veränderten. Die großen Denkrichtungen der Menschheit verstehen, Augsburg 2005 > W Weltgeschichte

Sticker, D. Anna (1978), Kaiserswerther Schattenbilder. Die Büsten von Caspar Ulenberg, Friedrich von Spee, Theodor Fliedner, Florence Nightingale und Herbert Eulenberg im Burggarten der Kaiserpfalz (= Heimatkundliches in und um Kaiserswerth, Nr.10), [Düsseldorf-Kaiserswerth 1978] > H Heimatkundliches in und um Kaiserswerth

Stiefl-Cermak, Maria (2005), Fausts Tod gibt noch immer Rätsel auf. Starb der historische Schwarzkünstler in Staufen?, in: Schwarzwälder Hausschatz 2006, Oberndorf [2005], S.114ff. Der berühmte historische Doktor Johannes (Georg) Faust ist nachweislich im Jahr 1480 in Knittlingen geboren worden, um Ort und Jahr seines Todes gibt es aber Rätsel: Starb er im Eckturm des Klosters Maulbronn, in einem württembergischen Dorf oder in Staufen im Breisgau, wie die Chronik der Grafen von Zimmern mitteilt? Für Staufen sprechen Überlieferungen (Buch [gedruckt 1557], Schuldschein, Pergamenturkunde) im Zusammenhang mit dem 1407 erstmals erwähnten Gasthaus "Löwen"; die Zimmersche Chronik gibt als Zeitpunkt des Todes die Jahre um 1541 (1539?) an. [Buhlmann, 08.2020]

Stiegler, Bernd, Thürlemann, Felix (2011), Meisterwerke der Fotografie (= RUB 18763), Stuttgart 2018 > K Fotografie

Stieldorf, Andrea (2018), Der Heilige Nikolaus im Rheinland. Ein politischer oder Volksheiliger?, in: AHVN 221 (2018), S.91-112. Belege für eine Verehrung des heiligen Bischofs Nikolaus von Myra in der Westkirche des Christentums reichen - allerdings nur vereinzelt - bis in die Karolingerzeit zurück, Nikolauspatrozinien und -Kalendareinträge bis ins 10. Jahrhundert. Letztere Phänomene hängen damit zusammen, dass der ostfränkisch-deutsche König Otto I. (936-973) (vor und) nach der Erlangung des Kaisertums (962) darum bemüht war, es den byzantinischen Kaisern gleichzutun und dies durch geeignete politische Maßnahmen wie die Übernahme von Heiligen der östlich-orthodoxen Kirche oder die Verheiratung seines Sohnes Otto II. (973-983) mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu (972) zu bewirken. Der Nikolauskult gelangte in diesem Zusammenhang von Byzanz (über die byzantinischen Gebiete in Süditalien, Rom, [Venedig?]) ins Herrschaftsgebiet der ottonischen Könige, u.a. ins Rheinland um die Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert (Kalendar der Kölner Kirche, Kalendare von Essen und Werden; Urkunde Kaiser Ottos III. [983-1002] für Burtscheid). Über Mathilde, der Tochter Ottos II. und Schwester Ottos III. gelangte die Nikolausverehrung zu den ezzonischen Pfalzgrafen (Gründung des Brauweiler Nikolausklosters 1023/28, Nähe der Ezzonen zum ottonischen Herrscherhaus; Brief des Brauweiler Patrons Nikolaus an den Kölner Erzbischof Anno II. 1065/75, Brauweiler Nikolaussiegel [1126]). Nikloaus als "politischer Heiliger" trat mit seiner zunehmenden Verehrung in allen Schichten der Bevölkerung zu Gunsten des "Volksheiligen" zurück. Anfänge dieser Entwicklung sind im ausgehenden 11. und im 12. Jahrhundert erkennbar (Reliquientranslation nach Bari 1087, Kreuzzüge [Kreuzfahrer, Pilger], 4. Kreuzzug [1202-1204] und Lateinisches Kaiserreich [1204-1261]; Nikolaus als Patron der Reisenden). Für die Volksreligiosität im Rheinland des späteren Mittelalters spielte der heilige Nikolaus als Patron von Brauweiler (Krankenwallfahrt nach Brauweiler) wahrscheinlich eine nicht so große Rolle wie als Patron von Burtscheid (Nikolausikone, Wallfahrt und Ablass, [1250] erneuerte Nikolauskapelle und deren Erweiterung [1360]); im Verlauf des 13. Jahrhunderts gewann auch der Festtag des Heiligen (6. Dezember) überall an Bedeutung (Kölner Provinzialsynode 1308). Nikolaus war als Heiliger in allen Teilen der Bevölkerung angekommen. [Buhlmann, 07.2019]

Stierle, Leopold (1990), Die Herren von Egesheim und ihre Besitznachfolger in Egesheim, in: TutHbll NF 53 (1990), S.60-76. Egesheim im oberen Tal der Bära reicht in alemannisch-karolingische Zeit zurück (Ersterwähnung 770). Hier war das Kloster St. Gallen begütert, das wohl seinen Besitz nach 890 noch erweitern konnte. Um 1188 treten mit Bertolfus de Egensheim (ca.1188, 1217), einem Ministerialen Graf Eginos IV. von Urach, erstmals die Herren von Egesheim in Erscheinung. Mit Cunradus scultetus können weiter die Villinger (Reichs-) Schultheißen Konrad der Ältere (1225) und Konrad der Jüngere (1244) den Egesheimern zugeordnet werden. Ein Heinrich von Egesheim war 1210 (zusammen mit Walther von Spaichingen) Zeuge einer Pfründenstiftung für das Kloster Reichenau (unter Abt Heinrich von Karpfen, dem Nachfolger Hermanns von Spaichingen). Für das 13. und frühe 14. Jahrhundert sind dann Mitglieder der Familie im Seelbuch der Egesheimer Pfarrei überliefert. Ein Konrad von Egesheim, wahrscheinlich ein Sohn des Villinger Schultheißen Konrad des Jüngeren, war Komtur der Rottweiler Johanniterkommende (1274, 1300). Er war wohl im engeren Sinne der Letzte der Herren von Egesheim, deren Nachkommen im bürgerlichen Umfeld in Villingen (Guntfride, Guntfrid-Egesheimer, 13.-15. Jahrhundert), Owelfingen-Aulfingen (14./15. Jahrhundert), Schömberg und Unterdigisheim (14. Jahrhundert), Fürstenberg und Geisingen (15. Jahrhundert) sowie Zürich (14.-15. Jahrhundert) lebten. [Buhlmann, 12.2011]

Stierle, Leopold (1993), Wer waren die Adelspersonen, die sich einst nach Spaichingen nannten?, in: TutHbll NF 56 (1993), S.136-166. I. Die Herren von Spaichingen bildeten im hohen Mittelalter über mehrere Generationen den Adel des Baarortes. Sie standen in vielfältigen Beziehungen zu den benediktinischen Reformklöstern St. Georgen im Schwarzwald, Allerheiligen und Alpirsbach sowie zur Reichsabtei Reichenau. Die Brüder Benno (1084, 1097), Adelbert und Berger (1092) von Spaichingen traten als Zeugen bei Güterschenkungen an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert in Erscheinung, ebenso ein Markward von Spaichingen (1102, 1112), der zudem das Kloster Allerheiligen mit Mansen und einer Mühle in Spaichingen und Aldingen beschenkte. Benno von Spaichingen war testamenti doctor bei der Stiftung des Klosters Alpirsbach (1095, 1099). Im letzten Drittel des 12. und am Anfang des 13. Jahrhunderts war Hermann von Spaichingen Mönch, Propst (1170er-Jahre), Abt (1206) und Küster (1211) des Bodenseeklosters Reichenau. Ein Walther von Spaichingen ist im Reichenauer Umfeld im Jahr 1210 bezeugt. II. Der Reichenauer Abt Hermann von Spaichingen kann noch der hochmittelalterlichen Familie der Herren von Spaichingen zugerechnet werden. Dasselbe gilt für einen (13. Jahrhundert, Anfang) urkundlich genannten Berngerus nobilis vir de Spaichingen, der verwandtschaftliche Beziehungen zu den Herren von Markdorf erkennen lässt. Ob beispielsweise ein zu 1222 genannter "Heinrich, Priester von [in] Spaichingen" noch dem Adelsgeschlecht angehörte oder ob hier "Spaichingen" als Ortsangabe nur die Wirkungsstätte des Priesters bezeichnet, ist unklar. Ebenfalls nur mit Wahrscheinlichkeit behaftet ist die Vermutung, wonach die Spaichinger Ortsadligen in den Herren von Michelstein fortlebten. Vielleicht ist ja von einem "Umzug" der Herren von Spaichingen nach Michelstein (am Rande der damaligen Grafschaft Oberhohenberg) einschließlich Burgenbau um die Mitte des 13. Jahrhunderts auszugehen. Die Michelsteiner Edelfreien treten immerhin in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts bei Verkäufen und Schenkungen von Gütern in und um Spaichingen in Erscheinung (1272, 1273, 1276, 1280); vielleicht spielte hierbei die Umorientierung auf die Burg Michelstein eine Rolle. III. Ebenso wenig in Verbindung bringen mit den hochmittelalterlichen Spaichinger Edelfreien lassen sich die im städtischen Umfeld von Freiburg, Rottweil und Villingen auftretenden "Spaichinger" des späten Mittelalters (mit der Benennung nach Spaichingen als Adelsprädikat oder als Herkunftsbezeichnung?). Eine Familie Spaiching ist für Rottweil und Villingen belegt (1322, 1329, 1334, 1345); ein "Berthold der Spaichinger" (†v.1392) war 1359 Villinger Stadtschreiber, 1372 Notar am Rottweiler Hofgericht, 1375 und 1387 Rottweiler Stadtschreiber, 1375 Mitinhaber eines gräflich-kiburgischen Lehens in der Rottweiler Altstadt. IV. Ob die aus dem 14. und 15. Jahrhundert in der Schweiz überlieferten Herren von Gerhausen bzw. Speichingen - unter der Annahme der Einzigartigkeit des Ortsnamens "Spaichingen" - auf die Herren von Spaichingen zurückzuführen sind, kann ebenfalls nicht bewiesen werden. Ein Edelknecht Marquard von Gerhausen lebte gegen Mitte des 14. Jahrhunderts im aargauischen Zofingen. Die Zofinger Herren bzw. Edelknechte de Speichingen alias de Gershusen (1399) sind weiter bezeugt durch: Petermann von Gerhausen (1371), einen weiteren Peter von Gerhausen (1392, †1420?), Gerichtsschreiber in Thun, dessen Sohn Heinrich "von Speichingen bzw. Gerhausen" (1396, †1439?), Magister, kaiserlicher Notar, Schulmeister und Stadtschreiber in Thun, Amsoldingen bzw. Bern, auch Herr von Burgistein und Utingen, dessen Bruder Thomas (†1461) als Mitglied des Kleinen Rats in Bern, Stadtschreiber, Herr von Burgistein und Landvogt, Heinrichs Sohn Peter (†1465) als Mitglied des Berner Großen und Kleinen Rats, als Burg- und Landvogt, Heinrichs Sohn Rudolf (†1476) als Venner in Bern und Landvogt und letzter männlicher Vertreter seines Geschlechts. [Buhlmann, 12.2014]

Stierle, Leopold (1998), Die Burgruine Michelstein-Granegg bei Egesheim, in: TutHbll NF 61 (1998), S.40-74. Ein in Urkunden des Klosters Schaffhausen zwischen 1101 und 1112 erwähnte Reginhart von Michelstein verweist wohl zunächst auf die Burg Michelstein bei Sontheim, weiter auf die Herren von Böbingen und vielleicht auch auf Beziehungen zu den Herren von Spaichingen (Marquart von Spaichingen als Wohltäter des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen). Die Burg Michelstein bei Egesheim datiert vermutlich ab dem 13. Jahrhundert, ab der Mitte des 13. Jahrhunderts treten die Herren von Michelstein dort in Erscheinung (Berkerus von Michillenstain, 1266), enge Verbindungen zu den Herren von Spaichingen - wohl als Erbauer der Egesheimer Burg Michelstein - sind wahrscheinlich (Leitname "Berkerus"). Bis 1280 sind die Michelsteiner u.a. durch Schenkungen von Gut in Spaichingen bezeugt, die Witwe Elisabeth von Michelstein (von Werenwag?) gründete zusammen mit ihrer Tochter Agnes um 1300 eine (bis 1520 bestehende) Beginenklause in Egesheim. Im 14. Jahrhundert sind dann wahrscheinlich Herren von Dürrwangen (über Agnes?) Besitzer der Burg Michelstein, die vielleicht im Jahr 1356 Opfer eines schweren Erdbebens in Süddeutschland wurde und deren Besitzungen im 1. Städtekrieg (1376-1378) wohl Opfer eines Angriffs Rottweiler Bürger (u.a. auf Bubsheim) wurden. Zu 1427 werden dann erstmals die Herren von Balgheim als Besitzer des "Burgstalls" Michelstein und Lehnsinhaber der zugehörigen Güter genannt (Burgstall Michelstein mit Zubehör als Lehen des Burkhart von Balgheim [†1456]), mit anderen Lehen zusammengefasst zum österreichisch-oberhohenbergischen Burglehen Fridingen. 1498 erfolgten der Verkauf des Fridinger Burglehens und die Neubelehnung an Konrad von Stein von Steinegg, ab 1509 finden sich ein Wolf Swenninger und sein Bruder Wolf Sigmund im Besitz des Lehens. 1537 kam das Burglehen mit Hieronymus Ifflinger (†1577) an die (Frei-) Herren von Ifflinger-Granegg, die es bis zur Allodifizierung des Lehens (1791/92) und dem anschließendem Verkauf (1793) besaßen (Burgruine Michelstein-Granegg). [Buhlmann, 02.2013]

Stierlein, Helm (1982), Delegation und Familie. Beiträge zum Heidelberger familiendynamischen Konzept (= st 831), Frankfurt a.M. 52001 > F Familie und Verwandtschaft

Stiewe, Klaus, Holzberg, Niklas (1982), Polybios (= WdF 347), Darmstadt 1982 > P Polybios

Stievermann, Dieter (1980), Die fürstenbergische Klosterpolitik bis ins Reformationszeitalter. Ein Beitrag zum herrschaftlichen Vogteiverständnis und zum landesherrlichen Kirchenregiment, in: SVGBaar 33 (1980), S.85-99 > F Fürstenberger

Stillwell, John (1989), Mathematics and its History (= Undergraduate Texts in Mathematics), New York 22004, XVIII, 542 S., Schwarzweißabbildungen, € 26,70. I. [Mathematik ist die logisch-beweistechnisch unterlegte Wissenschaft von (mathematischen) Strukturen und deren Eigenschaften,] Mathematikgeschichte orientiert sich an je nach geschichtlicher Epoche wirksamen mathematischen Teilgebieten. II. Der Satz des Pythagoras (*ca.580-†497 v.Chr.) und seine geometrisch-beweistechnische Formulierung in einem rechtwinkligen Dreieck stehen (von daher) am Anfang der Mathematikgeschichte, damit zusammenhängend die pythagoräischen Zahlentripel und die Frage von Rationalität und Irrationalität von (reellen) Zahlen. Antik-griechische Geometrie, vermittelt u.a. durch Euklid (ca.300 v.Chr.), Perseus (ca.150 v.Chr.), Diokles (ca.100 v.Chr.) und Ptolemaios (ca. 140 n.Chr.), drehte sich um Axiomatik und Deduktion, um regelmäßige Polyeder, Kegelschnitte und Epizykel. An zahlentheoretischen Erkenntnissen sind die Prim- und Polygonalzahlen zu nennen, der Euklidische Algorithmus, die Diophantischen Gleichungen (Diophantes, ca.250 n.Chr.?). Infinitesimale Betrachtungen (Zenon-Paradoxon, ca.450 v.Chr.) bieten die Proportionentheorie des Eudoxos (4. Jahrhundert, 1. Hälfte), geometrische Approximationen von Figuren und Körpern u.a. durch Archimedes (*ca.287-†212 v.Chr.). Teilweise parallele Entwicklungen sind dann für den chinesischen Kulturkreis und für Indien auszumachen (Brahmagupta [*598-†665]; Bhâskara [*1114/15-†ca.1185]). III. Die Anfänge von Algebra finden sich (neben Brahmagupta) bei dem arabischen Mathematiker al-Khwarizmi (9. Jahrhundert, 1. Hälfte), der in seinem Werk Al-jabr w'al mûqabale (ca.830 n.Chr.) die Lösung linearer und quadratischer Gleichungen behandelte. Die Algebra al-Khwarizmis kann dann als Ausgangspunkt gelten für das Lösen kubischer und algebraisch höherer Gleichungen (mit irrationalen Lösungen) (Niccolò Tartaglia [*1499/1500-†1557]; Girolamo Cardano [*1501-†1576]; Francois Vieta [*1540-†1603]). IV. Im Bereich der analytischen Geometrie (Koordinatensysteme [Hipparch, ca.150 v.Chr.; Nikolaus Oresme, *ca.1323-†1382]) erbrachten die Forschungen u.a. von René Descartes (*1596-†1650) auf dem Gebiet algebraischer Kurven Fortschritte (Kegelschnitte, Folium, kubische Kurven, Bézouts Theorem, Arithmetisierung der Geometrie). Mit projektiver Geometrie (Perspektive) beschäftigten sich Girard Desargues (*1591-†1661) und Blaise Pascal (*1623-†1662; Essai pour les coniques 1640). V. Im Rahmen der im 17. Jahrhundert aufkommenden Analysis (Calculus) ging es um Infinitesimalrechnung bei Differentiation (Tangente, Minimum, Maximum einer Kurve) und Integration (Flächenberechnung, Quadratur); zu nennen sind hier die Arithemetica Infinitorum des John Wallis (*1616-†1703), die mathematischen Erkenntnisse Isaac Newtons (*1642-†1727) sowie der für die Folgezeit maßgeblichere Calculus des Gottfried Wilhelm Leibniz (*1646-†1716). Zum Gebiet der Infinitesimalrechnung gehörte auch die Theorie der unendlichen Folgen und (Potenz-) Reihen (Fibonacci-Folge 1202, Richard von Swineshead und sein Liber calculationum ca.1350, Transzendenz der Zahlen π und e, Zeta-Funktion), vermittelt u.a. durch James Gregory (*1638-†1675) und Leonhard Euler (*1707-†1783). Physikalische Anwendungen der Analysis betrafen die Himmelsmechanik, "mechanische Kurven" (Pendel, Flüssigkeit) (Jakob Bernoulli [*1654-†1705], Johann Bernoulli [*1667-†1754). VI. Im Bereich der Zahlentheorie gab es seit Diophantes ebenfalls Fortschritte (Pascalsches Dreieck 1654), insbesondere durch Pierre Fermat (*1601-†1665; Fermats kleiner Satz, Fermats letzter Satz). VII. Die Theorie der elliptischen Funktionen bildete sich im 17. bis 19. Jahrhundert heraus (elliptische Integrale, Lemniskate); hier leisteten u.a. Niels Henrik Abel (*1802-†1829) und Carl Gustav Jacob Jacobi (*1804-†1851) Entscheidendes. VIII. Komplexe Zahlen treten als Lösungen etwa quadratischer und kubischer Gleichungen in Erscheinung, sind aber auch im Zusammenhang zu den elliptischen Funktionen zu sehen. Der Fundamentalsatz der Algebra (1799) stand hier im Mittelpunkt (Jean le Rond d'Alembert [*1717-†1783]; Gauß), ebenso komplexe Kurven und deren Projektionen (Bernhard Riemann [*1826-†1866]) sowie komplexe Funktionen (Satz von Cauchy 1814/25), elliptische Funktionen und Kurven (Uniformisierung) (Joseph Louis Lagrange [*1736-†1813]; Augustin-Louis Cauchy [*1789-†1857]). IX. Die Differentialgeometrie nahm ihren Ausgang bei den transzendentalen Kurven (Exponentialfunktion, trigonometrische Funktionen) und untersuchte die Krümmung von Kurven und Oberflächen; Protagonisten dieses mathematischen Forschungsfeldes waren u.a. Thomas Harriot (*ca.1560-†n.1621) und Carl Friedrich Gauß (*1777-†1855). X. Es entwickelte sich zudem eine nichteuklidische Geometrie (euklidische Axiome, sphärische Geometrie, hyberbolische Geometrie, Parkettierungen) u.a. durch János Bolyai (*1802-†1860) und Nikolai Ivanovich Lobachevsky (*1792-†1856). XI. Neue Impulse erhielt die Mathematik durch das Konzept der algebraischen Struktur der Gruppe (Permutationsgruppen, Parkettierungen) besonders durch Evariste Galois (*1811-†1832). Ringe, Körper und Ideale traten hinzu (Gaußsche Ganzzahlen, algebraische Zahlen) (Richard Dedekind [*1831-†1914], David Hilbert [*1862-†1943], Emmy Noether [*1882-†1935]). XII. Die Erweiterung des komplexen Zahlbegriffs zu den hyperkomplexen Zahlen (Quaternionen, Oktonionen) erfolgte durch William Rowan Hamilton (*1805-†1865). XIII. Topologie als Erweiterung der Geometrie beschäftigt sich mit den gegenüber geometrischen Transformationen invarianten Eigenschaften von Räumen und Körpern (Polyederformlen von Descartes und Euler 1630, 1752; Oberflächen und Oberflächenklassifizierungen [Möbiusband], Fundamentalgruppen) (Henri Poincaré [*1854-†1912]). XIV. Mengentheorie und mathematische Logik fanden zusammen u.a. bei der Überabzählbarkeit der reellen Zahlen (Georg Cantor [*1845-†1918]), in der Maß- und Integrationstheorie (Riemann- und Lebesgue-Integral, Fourierreihen), im Auswahlaxiom, in der Berechenbarkeit von Funktionen (Turing-Maschine 1936), schließlich in den für die (axiomatischen) Grundlagen der Mathematik so bedeutsamen Gödelschen Sätzen (Alfred North Whitehead, Bertrand Russell, Principia Mathematica 1910; Kurt Gödel [*1906-†1978]). Vgl. noch: Becker, Oskar, Hofmann, Josef E. (1951), Geschichte der Mathematik, Bonn 1951, 340 S., DM 10,-; Behrends, Ehrhard, Gritzmann, Peter, Ziegler, Günter M. (Hg.) (2008), π & Co. Kaleidoskop der Mathematik, Heidelberg 22016, 421 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, € 34,99; Glaeser, Georg, Polthier, Konrad (2008), Bilder der Mathematik, Berlin-Heidelberg 22014, 340 S., Farbabbildungen, € 24,99; Haber, Heinz (Hg.) (1973/74), Das Mathematische Kabinett, Folge 1 (= dtv 904), München 1973, 144 S., Schwarzweißabbildungen, DM 5,80, Folge 2 (= dtv 996), München 1974, 137 S., Schwarzweißabbildungen, DM 5,80; Hofmann, Joseph Ehrenfried (1953), Geschichte der Mathematik, Tl.1: Von den Anfängen bis zum Auftreten von Fermat und Descartes (= SG 226), Berlin 1953, 200 S., DM 2,-; Hogben, Lancelot (1960), Die Welt der Mathematik (= Hausbuch des Wissens in Bildern, Bd.6), Klagenfurt 1970, 320 S., Farbabbildungen, Karten, DM N.N.; Mandelbrot, Benoit B. (1991), Die fraktale Geometrie der Natur, Basel-Boston-Berlin 1991, 491 S., Abbildungen, DM 49,80; Scholz, Erhard (Hg.) (1990), Geschichte der Algebra. Eine Einführung (= Lehrbücher und Monographien zur Didaktik der Mathematik Bd.16), Mannheim-Wien-Zürich 1990, 506 S., Abbildungen, DM 58,-; Struik, Dirk J. (1961), Abriß der Geschichte der Mathematik, Berlin 71980, 262 S., DM 10,-; > H > Herrmann, Mathematik [Buhlmann, 1973, 1974, 12.1991, 06.2017, 06.2018, 02.2021]

Stobbe, O. (1887), Die Judenprivilegien Heinrichs IV. für Speier und Worms, in: ZGJD 3 (1887), S.205-215 > J Juden im Mittelalter

Stock, James W. (1982), Der Kampf um Tobruk (= Moewig Dokumentation 4322), München 1982 > Z Zweiter Weltkrieg

Stockburger, Erich (1972), St. Georgen. Chronik des Klosters und der Stadt, bearb. v. Josef Fuchs, St. Georgen 1972 > S St. Georgen im Schwarzwald

Stoll, H[einrich] W[ilhelm] (1853), Mythologie der Griechen und Römer. Die Götter des klassischen Altertums, [Essen-] Kettwig 1990 > S Mythos und Geschichte

Stollberg-Rilinger, Barbara (2006), Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Vom Ende des Mittelalters bis 1806 (= BSR 2399), München 2006, 133 S., Schwarzweißabbildungen, Karte, € 7,90, München 42009, 133 S., Schwarzweißabbildungen, Karte, € 7,90. I. Aus dem spätmittelalterlichen Reich der römisch-deutschen Könige und Kaiser mit seinen Landesherrschaften und Territorien (weltliche Fürstentümer, geistliche Fürstentümer [Hochstifte, Reichsabteien u.a.], Reichsstädte und -dörfer, Reichsritterschaft) war durch institutionelle "Verdichtung"/"Verfestigung" an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert (Reichsreform; Wormser Reichstag 1495 [Ewiger Landfrieden, Reichskammergericht, Reichshofrat, Reichstage, Gemeiner Pfennig], Reichskreise 1500/12, Wormser Reichsmatrikel 1521, Constitutio Criminalis Carolina 1532) das Alte Reich der frühen Neuzeit, das Heilige Römische Reich deutscher Nation entstanden. Institutionell geprägt von Kaiser (fast durchgehend aus dem Hause Habsburg) und den konsensual entscheidenden Reichsständen, war das Reich "ein Körper aus Haupt und Gliedern", innerhalb dessen den Kurfürsten (Kurfürstenkollegium) als "Säulen des Reiches" die Wahl des deutschen Königs zustand (Goldene Bulle 1356, Wahlkönigtum). Dabei unterlagen die Institutionen des Reiches in der frühen Neuzeit (verfassungsrechtlichen) Wandlungen, wie sie etwa die Reformation oder der Dreißigjährige Krieg (Westfälischer Frieden 1648) bedingten, resultierend aus den krisenhaften Entwicklungen gerade zwischen der Mitte des 16. und der des 17. Jahrhunderts (Abkehr vom Augsburger Religionsfrieden [Rekatholisierung, Säkularisierung von Kirchengut], Türkenkrieg und Türkenhilfe, Fehlen des Reichstags 1613/40, Dreißigjähriger Krieg als Religionskrieg). Auf der Ebene von Reichsständen und Reichsgliedern war das Alte Reich ein Rechtsverband und eine Friedensgemeinschaft, u.a. basierend auf den Reichskreisen. Letztere waren sehr unterschiedlich gestaltet. Der schwäbische, oberrheinische und fränkische Reichskreis bestanden aus einer Vielzahl kleiner Territorien und Landesherrschaften, im Südwesten Deutschlands gab es Dutzende von Reichsstädten. An größeren Territorien sind für den südlichen Teil von Deutschland die wittelsbachischen Kurfürstentümer Bayern und Pfalz (mit den 1614 an die Pfalz gelangten Herzogtümern Jülich und Berg), das Herzogtum Württemberg, die Markgrafschaften Baden, Ansbach und Bayreuth zu nennen, für den nördlichen Teil das Kurfürstentum Brandenburg (-Preußen) (mit den 1614 erworbenen Territorien Kleve und Mark), Kursachsen, die Herzogtümer Holstein, Mecklenburg und der Welfen (Braunschweig, Hannover u.a.). Daneben gab es eine Vielzahl von geistlichen Territorien, allen voran die Erzbistümer von Köln, Mainz, Trier und Salzburg, die Bistümer Bamberg, Münster, Paderborn, Würzburg, aber auch kleine geistliche Herrschaften wie das Frauenstift Essen oder die Männerabtei (Essen-) Werden. Sie stehen für die territoriale Vielfalt von Herrschaft im Reich. Gemäß den Bestimmungen des Westfälischen Friedens gehörten (faktisch oder rechtlich) dem Reich nicht mehr an die Vereinigten Niederlande und die Schweizer Eidgenossenschaft; Vorpommern und die ehemaligen Hochstifte Bremen und Verden waren Teil des Reiches, waren aber an Schweden gefallen; (Ost-) Preußen war Besitz der brandenburgischen Hohenzollern, gehörte aber nicht zum Reich. In den Territorien übten (Erz-) Bischöfe, Äbte, geistliche Kapitel, Fürsten, Landstände, Stadträte oder Ritter Herrschaft aus, wobei sich die Herrschaftsrechte vielfach überschnitten, der Westfälische Frieden immerhin Voraussetzungen für die territoriale Weiterentwicklung größerer fürstlicher Landesherrschaften in Richtung moderner Staatlichkeit bot. Die nach dem Dreißigjährigen Krieg angelegte Entwicklung des Alten Reiches hin zu einem (losen) Bund fürstlicher Staaten konnte ein gestärktes habsburgisches Kaisertum (u.a. als Garant für die Existenz kleinerer Landesherrschaften) aufhalten, wiewohl größere Territorien wie Brandenburg-Preußen oder Hannover zunehmend in die europäische Politik hinaufrückten. Das Reich als Friedensgemeinschaft und Rechtswahrungsverband war indes auch von außen gefährdet, wenn wir an den Dreißigjährigen Krieg oder die Eroberungen des französischen Königs Ludwig XIV. (1643-1715) denken. Demgegenüber haben zur Verstetigung des kaiserlichen Einflusses im Reich nach 1648 Reformen und die weitere Ausgestaltung der Reichsverfassung beigetragen (Neuordnung des Reichshofrats 1654, "immerwährender" Reichstag in Regensburg ab 1663, "Reichskriegsverfassung" 1681/82). Nicht zuletzt vereinte das Reich die im Westfälischen Frieden anerkannten Konfessionen der Katholiken, Lutheraner und Reformierten in sich, was etwa bei sich durchdringenden Herrschaftsrechten, die zu Herrschaftsträgern unterschiedlicher Konfession gehörten, beim Konfessionswechsel von Fürsten oder in mehrkonfessionellen Reichsstädten regelmäßig zu Schwierigkeiten führte. Trotz dieser Probleme war nach dem Dreißigjährigen Krieg die Zeit konfessionell bedingter Auseinandersetzungen im Wesentlichen vorbei. II. Die Phase der "institutionellen Verfestigung" des römisch-deutschen Reiches (1495-1521) insbesondere unter Kaiser Maximilian I. (1493-1519) ging einher mit der weitgehenden Durchsetzung der habsburgischen Machtansprüche über die burgundischen Territorien Herzog Karls des Kühnen (†1477) (französisch-habsburgischer Gegensatz; Vertrag von Senlis 1493) sowie mit den Anfängen der Reformation (Martin Luther [*1483-†1546], Wittenberger Thesenanschlag [?] 1517). Kaiser Karl V. (1519-1556), der gleichzeitig (als Karl I.) auch König von Spanien (einschließlich des Königreichs Neapel und Sardiniens) und Herrscher über das entstehende spanische Kolonialreich war, hatte sich dann in Deutschland vollends mit der Reformation auseinanderzusetzen (Wormser Reichstag und Wormser Edikt 1521, Statthalterschaft Ferdinands [I.] und Reichsregiment 1521/30, Bauernkrieg 1524/25, Speyrer Reichstag und Speyrer "Protestation" 1526, Augsburger Reichstag und Confessio Augustana 1530, Schmalkaldischer Bund 1531, Nürnberger Anstand 1532, Frankfurter Anstand 1539). Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Habsburgern auf der einen und den Franzosen und Osmanen auf der anderen Seite (Schlacht bei Pavia 1525, Sacco die Roma 1527, osmanische Belagerung Wiens 1529, Kaiserkrönung Karls V. 1530, Tunisfeldzug Karls V. 1534, Frieden von Crépy 1544) hinderten indes den Kaiser lange Zeit massiv gegen die reformatorischen Strömungen im Reich vorzugehen. Erst Karls Sieg über die Protestanten im Schmalkaldischen Krieg (1546-1547) eröffnete dem Herrscher mit Augsburger Interim (1548) und geplanten verfassungspolitischen Neuerungen auf Reichsebene vermeintlich Spielräume, die mit dem Fürstenaufstand von 1552 allerdings ihr Ende fanden. Der von Karls Bruder Ferdinand ausgehandelte Passauer Vertrag (1552) leitete dann zum Augsburger Religionsfrieden (1555) als Reichsgrundgesetz über, das die Anerkennung der Augsburger Konfession beinhaltete (ius reformandi der weltlichen Fürsten bei "geistlichem Vorbehalt"). III. Die durch den Augsburger Religionsfrieden eingeleitete Phase der konfessionellen Koexistenz und der Konsolidierung im Reich hielt unter den habsburgischen Kaisern Ferdinand I. (1556/58-1564) und Maximilian II. (1564-1576) an, erkennbar u.a. am Zustammenstehen der Reichsstände in der Frage der Türkenabwehr auf der Basis der Reichskreise und der "Reichskriegsverfassung". Unter diesen Voraussetzungen vollzogen die Territorien im Reich ihre je eigene Konfessionalisierung; neben das protestantische Luthertum (Confessio Augustana, Konkordienformel 1577) trat als weitere Konfession das calvinistisch-reformierte Glaubensbekenntnis (Heidelberger Katechismus 1563), während das Konzil von Trient (1545-1563; Professio fidei Tridentina 1563) die katholische Gegenreformation einleiten sollte. Seit den 1560er-Jahren ist zudem eine Rekatholisierungspolitik erkennbar, während norddeutsche katholische Bistümer von Protestanten säkularisiert wurden. Die Reichsinstitutionen vermochten indes den konfessionellen Ausgleich im Reich noch zu wahren. Erst unter Kaiser Rudolf II. (1576-1612) zerbrach dieses Gleichgewicht, wie der Streit um den Gregorianischen Kalender (1582), der Truchsessische (Kölner) Krieg (1583-1589) um das Erzbistum Köln oder protestantische Verweigerungen der Türkenhilfe (1597/98, 1608) erkennen lassen. Beim Regensburger Reichstag von 1608 standen sich die Konfessionen unversöhnlich gegenüber, der Reichstag von 1613 war für längere Zeit der letzte; stattdessen organisierten sich die Konfessionen politisch-militärisch in der protestantischen Union und der katholischen Liga. Hingegen konnte ein Krieg um die Erbfolge des niederrheinischen Territorialkomplexes Jülich-Berg-Kleve-Mark (1609) mit dem Vertrag von Xanten (1614) verhindert werden. Das endende 16. und beginnende 17. Jahrhundert war zudem klimatisch (Klimaverschlechterung als Teil der "Kleinen Eiszeit"), sozial (Herrschaftsintensivierung, Bürgeraufstände, Judenverfolgungen) und religiös (zunehmende konfessionelle Feindseligkeit) eine Krisenzeit. IV. Die Krisen mündeten ein in den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) als eine Abfolge von (konfessionellen) Kriegen (Böhmisch-Pfälzischer Krieg 1618-1623, Dänisch-Niedersächsischer Krieg 1623-1629, Schwedischer Krieg 1630-1635, Schwedisch-Französischer Krieg 1635-1648), in denen Mitteleuropa zum Hauptkriegsschauplatz wurde, es aber auch um das Verhältnis von Kaiser und Ständen im Reich ging (Monarchie <-> "ständische Libertät"). Der Aufstand protestantischer Landstände im habsburgischen Königreich Böhmen und die kurze böhmische Herrschaft des "Winterkönigs" Friedrich (V.) von der Pfalz (1610-1623; Schlacht am Weißen Berg 1620; pfälzische Kurwürde und Oberpfalz an den bayerischen Herzog 1621) leiteten den Beginn der Kriegshandlungen unter Kaiser Ferdinand II. (1619-1637) ein. Truppen der katholischen Liga drangen in der Folge weit auf protestantische Gebiete vor, was König Christian IV. von Dänemark (1588-1648) als Reichsstand und Verteidiger der Protestanten auf den Plan rief. Unterstützt wurde Christian, der auch Kreisoberst des niedersächsischen Reichskreises war, durch die Niederlande und England (Haager Allianz 1625), doch endete sein Vordringen nach Süden in einen Misserfolg (Schlacht bei Lutter 1626), während Truppen unter dem kaiserlichen Feldherrn Albrecht von Wallenstein das dänische Jütland besetzten (1627). Der (Separat-) Frieden von Lübeck (1629) beendete das militärische Eingreifen des Dänenkönigs. Das Jahr 1629 sah Kaiser Ferdinand II. auf dem Höhepunkt seiner Macht; der Herrscher verfügte im Restitutionsedikt (1629) die Wiederherstellung der nicht reichsunmittelbaren Kirchengüter gemäß dem Stand des ("Normal"-) Jahres 1552 bei Aushebelung des Augsburger Religionsfriedens, musste aber unter dem Druck u.a. der Kurfürsten bald einlenken (1630). Zudem waren es die ausländischen Mächte Schweden und Frankreich, die nun auf Seiten der protestantischen Partei im Reich und der "deutschen Libertät" gegen den Kaiser eingriffen. Den großräumigen schwedischen Eroberungen unter König Gustav Adolf (1611-1632; Zerstörung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen 1631, Vertrag von Bärwalde 1631, schwedischer Sieg bei Breitenfeld 1631, Schlachten von Rain am Lech 1632, an der Alten Veste 1632, bei Lützen 1632 [Tod Gustav Adolfs]) folgten die Eindämmung der schwedischen Macht (Schlacht bei Nördlingen 1634) und der Prager Frieden zwischen Kaiser und sächsischen Kurfürsten (1635). Letzter schuf zwar einen Ausgleich zwischen dem Kaiser und Ständen bei Rücknahme des Restitutionsedikts ("Normaljahr" 1627), doch verblieben die ausländischen Truppen weiterhin im Reich, der Dreißigjährige Krieg sollte sich durch den Eintritt Frankreichs in den Krieg gegen (Spanien [Französisch-Spanischer Krieg 1635-1659] und) den Kaiser (und das Reich) (1635/36) zu einem europäischen Konflikt im Reich ausweiten. Gegen die verbündeten Mächte Schweden und Frankreich (Bündniserneuerung 1641), die das Reich verheerten, war dabei schwer anzukommen, zumal auch Dänemark und Siebenbürgen sich wieder am Krieg beteiligten. Das Zustandekommen des Regensburger Reichstags (1640) und Verhandlungen zur Reichsverfassung wurden endlich (ab 1643) durch Friedensverhandlungen ergänzt, während einzelne Reichsstände aus dem Krieg ausschieden (Separatfrieden mit Brandenburg 1641, Braunschweig 1642, Kursachsen 1645, Bayern 1647) und die Habsburgermonarchie unter Kaiser Ferdinand III. (1637-1657) und das mit den Habsburgern verbündete Kurbayern politisch-militärisch ins Hintertreffen gerieten (Schlachten von Breitenfeld 1642, Tuttlingen 1643, Herbsthausen 1645, Nördlingen 1645, Zusmarshausen 1648). Die Friedensverhandlungen im katholischen Münser und protestantischen Osnabrück endeten schließlich mit dem Westfälischen Frieden (1648; Instrumentum Pacis Monasteriense, Instrumentum Pacis Osnabrugense), der völkerrechtlich (und über das Reich hinaus, d.h. in europäischem Rahmen ["Westfälisches System"]) das Verhältnis zwischen Kaiser und Reichsständen definierte auf der Grundlage von Landeshoheit (ius territoriale), Bündnisfreiheit der Territorialherren und Fortschreibung des Ausgburger Religionsfriedens bei Anerkennung der drei (katholischen, lutherischen, reformierten) Konfessionen und eingeschränkten konfessionellen Freiheit der Untertanen in den Territorien ("Normaljahr" 1624, "geistlicher Vorbehalt", bikonfessionelle Reichsstädte und Territorien); aus dem Reichsverband schieden damals (rechtlich, faktisch) aus die Vereinigten Niederlande (Achtzigjähriger Spanisch-Niederländischer Krieg 1568-1648) und die Schweizer Eidgenossenschaft. V. Der Westfälische Frieden verschob den Dualismus zwischen Kaiser und Reichsständen zu Gunsten der Letzteren; die Habsburger blieben aber weiterhin im Besitz der Kaiserwürde, wenn auch die Wahl von Ferdinands III. Sohn, Leopold I. (1658-1705), erst nach Überwindung einiger politischer Widerstände gelang (1657/58). Innerhalb der "Westfälischen Ordnung" gelang dennoch dem römisch-deutschen Kaisertum unter den Kaisern Leopold I. (1657-1705), Joseph I. (1705-1711) und Karl VI. (1711-1740) der politische Wiederaufstieg, besonders vor dem Hintergrund einer aggressiven französischen Außenpolitk (unter König Ludwig XIV.) an der Westgrenze des Reiches und der (habsburgischen) Kriege gegen die Türken. Im Westen hatten sich Kaiser und Reich mit Frankreich auseinanderzusetzen im Holländischen Krieg (1672-1679; Friede von Nimwegen 1689), anlässlich der französischen Besetzungen von Reichsgebiet und der "Reunionen" (Okkupation Lothringens 1661/70, Besetzung der elsässischen Reichsstädte [Dekapolis] 1673, Besetzung Mömpelgards 1676, Besetzung Straßburgs 1681; Regensburger Stillstand 1684) und im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697; Frieden von Rijswijk 1697, "Rijswijker Klausel"). Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1713/14; Frieden von Utrecht 1713, Frieden von Rastatt und Baden 1714) waren West- und Süddeutschland in den Jahren 1702/04 und dann wieder ab 1709 von kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen. Für den Südosten des Reiches bzw. die habsburgischen Territorien begann der Große Türkenkrieg (1683-1699; Frieden von Karlowitz 1699) mit der Belagerung Wiens durch die (im Übrigen mit Frankreich verbündeten) osmanischen Türken (1683) und endete mit dem Frieden von Karlowitz (1699), der große Gebietsabtretungen des osmanischen Sultans in Ungarn vorsah. Es entstand damit auf der Grundlage der habsburgischen Erbfolge mit den österreichischen Herzogtümern, dem Königreich Böhmen und dem Königreich Ungarn das Herrschaftskonglomerat der Habsburgerreiches. Bis 1739 wurden die Türken von der "Heiligen Allianz" (Habsburg-Reich, Russland, Polen, Venedig, Papst) zurückgedrängt. Im Innern des Reichs bauten die Kaiser ihre Position u.a. durch die Reichspolitik des Schutzes kleinerer Territorien oder die Verleihung von Würden (Kurwürde für Braunschweig-Lüneburg/Hannover 1692, Königswürde für Brandenburg-Preußen 1701, Standeserhöhungen) aus; der Wiener Reichshofrat spielte als oberster Lehnshof und als Reichsgericht ebenfalls eine bedeutende Rolle in der kaiserlichen Politik, die im Immerwährenden Regensburger Reichstag (1663) ihr politisches Gegenwicht fand (Reichskriegsverfassung 1681/82). VI. Ab ungefähr der Mitte des 18. Jahrhunderts sah das Reich zunehmend aufbrechende politische Gegensätze zwischen den mächtigen und mittleren und kleineren Territorien, aber auch den Gegensatz etwa zwischen Brandenburg-Preußen und Habsburg (neben England-Hannover, Kurbayern, Kursachsen). Die mächtigen Reichsglieder wuchsen daher aus dem Reich heraus und entwickelten moderne Formen von Staatlichkeit auch in europäischem Rahmen (Rationalismus und Aufklärung, staatliche Organisation und Verwaltung). Das habsburgische Kaisertum kam in eine Krise, als Kaiser Karl VI. söhnelos starb (1740); die Pragmatische Sanktion (1713) regelte im Haus Habsburg zwar die weibliche Nachfolge Maria Theresias (1740-1780), doch war diese umstritten (Österreichischer Erbfolgekrieg 1740-1748; Frieden von Aachen 1748; Wahl des wittelsbachischen Kaisers Karl VII. [1742-1745]). Mit der Wahl des (bis dahin) lothringischen Herzogs Franz I. (1745-1765), des Ehemanns Maria Theresias, zum Kaiser (1745) gelangte die Kaiserwürde indes bald wieder an die Habsburger. Doch war das Kaisertum nunmehr politisch geschwächt, wie die Krise bei den Thronbelehnungen mächtiger Reichsfürsten und der auch konfessionell bestimmte Dualismus Preußen-Habsburg zeigten (protestantisches Norddeutschalnd <-> katholisches Süddeutschland; Ausfall des Reichstags als vermittelnde Instanz). Die zunehmende "konfessionelle Polarisierung" mündete ein in den Siebenjährigen Krieg (1756-1763) zwischen Österreich, Frankreich und Russland (sowie Schweden [1757]) auf der einen und Preußen - unter König Friedrich II. (1740-1786) - und Großbritannien-Hannover auf der anderen Seite (preußische Besetzung Sachsens 1756, preußischer Angriff auf Böhmen 1757, österreichische Besetzung Schlesiens 1757, Schlacht bei Groß-Jägersdorf 1757, Preußen in der Defensive 1759/60, Schlacht bei Torgau 1760, Friedensvertrag zwischen Preußen und Russland 1762, Schlachten bei Burkersdorf und Freiberg 1762; Frieden von Hubertusburg 1763). Preußen ging aus dem Krieg als fünfte europäische Großmacht hervor. Kaiser Joseph II. (1765-1790) unterzog als aufgeklärter Herrscher seine Territorien notwendigen Reformen, wendete sich aber gleichzeitig vom Reich ab, das er als Kaiser eigentlich zu vertreten hatte. Das Aussterben der bayerischen Wittelsbacher führte zum Bayerischen Erbfolgekrieg (1778-1779; Frieden von Teschen 1779) und zum Plan eines habsburgisch-bayerischen Ländertausches (habsburgische Niederlande gegen Bayern), der allerdings - auch durch den Widerstand Preußens - nicht zustande kam (1785). Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich der Dualismus Preußen-Österreich noch gesteigert, das Reich hatte für die diesem entwachsenen Staaten nur noch wenig Bedeutung. Im Zuge der Französischen Revolution (1789) und der Expansion der französischen Republik (1. Koalitionskrieg 1792-1797) schlossen sich Habsburg - unter den Kaisern Leopold II. (1790-1792) und Franz II. (1792-1806) - und Preußen indes zusammen (1790), ohne auf Dauer wirkliche militärische Erfolge verbuchen zu können (Niederlage von Valmy 1792; französische Besetzung der linksrheinischen Reichsgebiete; Frieden von Basel 1795; Frieden von Campio Formio 1797). Die französische Bedrohung (Napoleon) blieb für das Reich erhalten (2. Koalitionskrieg 1799-1801; Frieden von Lunéville 1801), der "Reichsdeputationshauptschluss" (1803) brachte das Ende der kleineren Territorien im Reich ("territoriale Revolution"; Säkularisation geistlicher Landesherrschaften, Mediatisierung der Reichsstädte, Eingliederung von Territorien in wenige mittlere und große Fürstentümer), das Kaisertum wurde zum habsburgischen Erbkaisertum (1804), zumal nach dem mit dem Ende des Alten Reiches verbundenen Rücktritt Franz' II. vom römisch-deutschen Kaisertum (1806; 3. Koalitionskrieg 1805; Schlacht bei Austerlitz 1805; Frieden von Preßburg 1805) und der Errichtung des Rheinbunds frankreich- und napoleontreuer (ehemaliger) Reichsfürsten (1806). Das Alte Reich als Reichs- und Personenverband, als eine auf Konsens beruhende Friedensgemeinschaft mit heterogenen (mächtigen, weniger mächtigen) Reichsgliedern (Ständen), Konfessionen sowie politischen Ordnungen und Interessen, mit einem Kaiser an der Spitze bei einem geringen Machtgefälle zwischen dem Reichsoberhaupt und seinen mächtigen Reichsfürsten war damit untergegangen, letztlich auf Grund seiner fehlenden Integrationskraft und seiner Reformunfähigkeit im Zeitalter der Aufklärung. [Buhlmann, 04.2006]

Stoob, Heinz (1990), Kaiser Karl IV. und seine Zeit, Graz-Wien-Köln 1990 > K Karl IV.

Storm, Theodor, deutscher Dichter: Theodor Storm, geboren am 14. September 1817, gestorben am 4. Juli 1888, wuchs im damals dänischen Husum auf, studierte - als Sohn eines Justizrats - Jura in Kiel und Berlin, um sich 1843 als Anwalt wieder in Husum niederzulassen. Es folgten Heirat und Kinder, in der Revolution von 1848/49 engagierte sich Storm politisch gegen Dänemark, woarufhin ihm seine Anwaltstätigkeit entogen wurde (1852). Aufnahme fanf Storm in der preußischen Verwaltung als Gerichtsassessor (in Potsdam 1853/56) und Kreisrichter (in Heiligenstadt 1856/64), bis die Niederlage Dänemarks im deutsch-dänischen Krieg (1864, Schleswig-Holstein als Teil des Deutschen Bundes) ihm die Rückkehr als Landvogt und Amtsrichter nach Husum ermöglichte (1864/80). Nach seiner Amtsrichtertätigkeit zog er sich auf seinen Altersruhesitz nach Hademarschen zurück, wo er auch starb (1888). Parallel zu seiner juristischen Tätigkeit war Storm der Autor von Gedichten, Märchen und insbesondere Novellen. Im Einzelnen verfasste er an Gedichten: An Emma (1833), Sängers Abendlied (1834), Die Kinder (1852), Die Stadt (1852), Abschied (1853), Knecht Ruprecht (1862), Begrabe nur dein Liebstes (1870) u.a., an Novellen: Immensee (1849), Im Sonnenschein (1854), Angelika (1855), Auf dem Staatshof (1859), Veronica (1859), Abseits (1863), Unterm Tannenbaum (1864), Von Jenseits des Meeres (1865), In St. Jürgen (1867), Eine Halligfahrt (1871), Draußen im Heidedorf (1872), Pole Poppenspäler (1874), Waldwinkel (1874), Viola tricolor (1874), Psyche (1875), Im Nachbarhause links (1875), Aquis submersus (1876), Renate (1878), Eekenhof (1879), Die Söhne des Senators (1880), Der Herr Etatsrat (1881), Zur Chronik von Grieshuus (1884), John Riew (1885), Ein Fest auf Haderslevhuus (1885), Bötjer Basch (1887), Ein Doppelgänger (1887), Sylter Novelle (1887, Fragment), Der Schimmelreiter (1888) u.a.
Zu den Novellen s.: Storm, Theodor (1849/54), Immensee und andere Sommergeschichten (= RUB 6007), Stuttgart 1960, 86 S., DM 0,65; Storm, Theodor, Am grauen Ufer. Gesammelte Werke. Gedenkausgabe zum fünfundsiebzigsten Todestag Theodor Storms, hg. v. Rolf Hochhuth (1962), Gütersloch [1966], 736 S., Schwarzweißzeichnungen, Farbgemälde, DM 14,80; Storm, Theodor (1874), Pole Poppenspäler. Novelle (= RUB 6013), Stuttgart 1939, 84 S., RM N.N., Nachdruck Stuttgart 1967, 79 S., DM 0,90, Nachdruck Stuttgart 1968, 79 S., DM 0,90; Storm, Theodor (1880), Die Söhne des Senators. Novelle (= RUB 6022), Stuttgart 1969, 60 S., DM 0,90; Storm, Theodor (1888 und früher), Der Schimmelreiter (und andere Novellen), Leipzig 1941, 254 S., RM 2,85; Storm, Theodor (1888), Der Schimmelreiter. Novelle (= RUB 6015/16), Nachdruck Stuttgart 1969, 159 S., DM 1,80, (= RUB 6015), Nachdruck Stuttgart 1986, 159 S., DM 4,80, Nachdruck Stuttgart 1988, 159 S., DM 4,80; Storm, Theodor (1888), Der Schimmelreiter (= RUB 171), Leipzig 1981, 115 S., M 1,-; Storm, Theodor (1944), Posthuma (und andere Geschichten) (= Reclams Reihenbändchen 45), Leipzig 1944, 20 S., RM N.N. Aufgeführt werden kann noch eine Biografie über Theodor Storm: Bollenbeck, Georg (1988), Theodor Storm. Eine Biographie (= it 1347), Frankfurt a.M.-Leipzig 1991, 388 S., Schwarzweißtafeln, DM 18,-. [Buhlmann, 1970, 1972, 06.2018, 07.2022, 11.2022, 01.2023]

Story, Joanna (2005), The Frankish Annals of Lindisfarne and Kent, in: Anglo-Saxon England 34 (2005), S.59-109. Die Annalen von Lindisfarne (Northumbrien) und Kent sind Teil der karolingerzeitlichen Historiografie im frühmittelalterlichen Frankenreich. Sie sind überliefert in sieben Handschriften aus einem Zeitraum zwischen ca.740 und ca.830. Alle Handschriften enthalten niemals die ganzen Annalen, vier nur die Northumbrien betreffenden Nachrichten, drei Nachrichten aus Northumbrien und Kent. Bei den Handschriften handelt es sich um: M: Münster, Staatsarchiv, MSC 1243 (8. Jahrhundert, 2. Viertel; Provenienz: Fulda/Werden/Corvey); F: München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 14641 (8. Jahrhundert, Ende; Provenienz: Regensburg); K: Kassel, Landesbibliothek, Astron. Fol. 2 (9. Jahrhundert, 1. Viertel; Provenienz: Fulda); W: Würzburg, Universitätsbibliothek, M. p. th. f. 46 (9. Jahrhundert, Anfang; Provenienz: St. Amand/Salzburg); B: Berlin, Deutsche Staatsbibliothek, lat. 128 (9. Jahrhundert, Anfang; Provenienz: Verona/Metz); P1: Paris, Bibliothèque nationale de France, lat. 13013 (ca.830; Provenienz: Auxerre/St. Germain-des-Près); P2: Paris, Bibliothèque nationale de France, nouv. acq. lat. 1615 (ca.830; Provenienz: Auxerre/Fleury). Die Annalen stehen in den Handschriften im Zusammenhang mit einer die Jahre 532-1063 umfassenden (großen) Ostertafel sowie Bedas Werk "Über die Zeitrechnung" (De temporum ratione). Die Handschrift W stammte ursprünglich aus Northumbrien (Annalen von Northumbrien, verfasst ca.740/50), wurde im Kloster Fulda ergänzt (ab ca.750/v.778) und gelangte danach nach Werden oder Corvey (n.780); sie enthält wie die Manuskripte F, K nur Northumbrien betreffende Einträge (als Annalen von Lindisfarne). Die Kenter Annalen sind überliefert in den Handschriften W, P1 und P2; die Würzburger Handschrift W entstand im Kloster St. Amand (ca.800) und gelangte nach Salzburg (n.828) und nach Würzburg (n.976); Manuskript W enthält Einträge zu Königen von Kent und Northumbrien sowie zu zwei Lindisfarner Bischöfen. Handschrift B ist - passend zu Bedas Werk "Über die Zeitrechnung" - eine wichtige Sammlung komputistischer Werke aus fränkisch-karolingischer Zeit. Die Annalen von Lindisfarne und Kent enthalten insgesamt dreizehn Beiträge zum England des 7. und frühen 8. Jahrhunderts; auch der Tod des gelehrten angelsächsischen Mönchs Beda Venerabilis (†735) wird gewürdigt. Die Manuskripte W, B, P1, P2 ergänzen die Annalen noch durch Einträge zu römisch-byzantinischen Kaisern, die im Rahmen des Osterzyklus eingebunden werden (<-> Weltchronik Chronica maiora). Es schließen sich je nach Handschrift fränkische Geschichte betreffende Annalen an: In der Handschrift M finden sich die Werdener (809-840) und Corveyer Annalen (791-1117) an, in den Manuskripten F, K die Annales Fuldenses antiquissimi (744-838), in der Handschrift W die Annales luvavenses minores (725-835). Hinsichtlich der Annalen von Lindisfarne und Kent ist noch zu verweisen auf: die Benutzung des römischen Kalenders bei den Einträgen aus Kent, die Verwendung der dionysianischen Ostertabellen im England des 7. Jahrhunderts, den Zusammenhang von Kalender und Nachrufen bei den Einträgen aus Kent, die Verwendung von Bedas "Kirchengeschichte" (Historia ecclesiastica) in den Annalen aus Northumbrien. Zu verweisen ist ebenso auf den Nachrichtenaustausch zwischen dem Frankenreich und den angelsächsischen Königreichen, der dazu führte, dass - auch durch die angelsächsische Festlandsmission (Bonifatius u.a.) - angelsächische Annaleneinträge in der fränkischen Historiografie bewahrt wurden. Diesbezüglich sind - über die Annalen von Lindisfarne und Kent hinaus zu nennen: die Annales Alemannici, Annales Guelferbytani, Annales Laureshamenses, Annales Lindisfarnenses et Dunelmenses, Annales Mosellani, Annales Nazarini bis hin zur Continuatio Bedae, Historia regum und der Anglo-Saxon Chronicle. [Buhlmann, 07.2023]

Stralsund, (Hanse-) Stadt an der Ostsee: I. Archäologische Artefakte aus dem Großraum Stralsund reichen bis in die Stein-, Bronze- und ältere Eisenzeit zurück; germanische Jastorfkultur, römische Kaiserzeit (1.-3. Jahrhundert) und "Völkerwanderungszeit" (3.-5. Jahrhundert) gingen dem Eindringen slawischer Völker (6. Jahrhundert) voraus, die wiederum durch Krieg und Unterwerfung in das christliche Europa einbezogen wurden (Volksstamm der Ranen, Handelsplatz Ralswiek, dänische Unterwerfung Rügens 1168, rügische Fürstendynastie Jaromars I. [1168-1218]). II. Unter dem Rügener Fürst Witzlaw I. (1218-1249) wurde der an der Ostsee gelegene, wohl bis ins 10. Jahrhundert zurückreichende Handelsort Sralsund zur Stadt erhoben (1234). Der Handel bestimmte weiter das Wirtschaftsleben der slawisch-westfälisch-deutschen Stadt (Kogge auf dem ältesten Stadtsiegel von 1329); Stralsund stieg zu einer bedeutenden Hansestadt auf und konnte sich in ihrer sich entwickelnden Unabhängigkeit gegen weltliche Fürstenherrschaft behaupten (1316, Markgrafenkrieg 1308-1317). Nicht zuletzt ist der Ort durch den zwischen Hanse und Königreich Dänemark geschlossenen Friede von Stralsund (1370) bekannt. Topografisch ist die Altsadtinsel am Strelasund (Zusammenwachsen der Alt- und Neustadt im 13. Jahrhundert, Stadt Schadegard), kirchlich die mittelalterlichen Pfarrkirchen St. Nikolai, St. Jacobi, St. Marien sowie das Katharinen- und das Johanneskloster hervorzuheben (liturgische Gegenstände, liturgische Textilien). Verfassungsgeschichtlich gaben Rat und Bürgermeister sowie das in bis zu 60 Ämtern organisierte Handwerk den Ton an (Stadtverfassung 1391). Das 15. Jahrhundert war für die Stadt eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit, an dessen Ende ist für Stralsund ein wirtschaftlicher Niedergang feststellbar (Rückgang beim Seehandel), einhergehend mit Forderungen nach Änderungen im Verfassungsgefüge und mit der Reformation bei Säkularisierung der katholischen Institutionen und Einführung des Protestantismus (1525). Die neue Konfession ermöglichte es den pommerschen Herzögen, Stralsund zunehmend in ihre Herrschaft einzubinden, zumal nun die reichen Kaufleute die Politik der Stadt bestimmten. Eine zunehmende Abkehr Stralsunds von der Hanse ist für die frühe Neuzeit feststellbar. Stralsund, das sich schon zuvor im Fahrwasser schwedischer Ostseepolitk befunden hatte (Belagerung Stralsunds und Allianzvertrag mit Schweden 1628), wurde zusammen mit Vorpommern im Westfälischen Frieden (1648) schwedisch. Im Nordischen Krieg (1674-1679) und Großen Nordischen Krieg (1700-1721) war Stralsund umkämpft (1678, 1715), blieb aber schwedisch, was sich in Herrschaftsorganisation und Kultur niederschlug. Im 18. Jahrhundert hielt der Frühkapitalismus Einzug in die Stadt (Spielkartenfabrik, Fayencemanufaktur). III. Französische Revolution (1789) und die Neuordnung Europas unter Napoleon und durch den Wiener Kongress (1814/15) machten aus Stralsund und Pommern Teile des Königreichs Preußen. Das preußische Stralsund nahm an den gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts teil; einschneidend waren hierbei der Zweite Weltkrieg (1939-1945) und Wiederaufbau der Stadt unter kommunistischer Herrschaft der Deutschen Demokratischen Republik (1949-1990). IV. Die kulturelle Entwicklung Stralsunds ab dem Mittelalter äußert sich in der bildenden Kunst (Malerei des 16.-20. Jahrhunderts), dem Münzwesen (Münzen der Rügener Fürsten, autonome Münzprägung Stralsunds, pommersche Münzprägungen), der Alltagskultur (Möbel, Werkzeuge, Bekleidung, Spielzeug). Vgl.: Grüger, Andreas (Red.) ([1989]), Kulturhistorisches Museum Stralsund, Stralsund o.J. [1989], 96 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Pläne, M N.N. (mit den Beiträgen: Käthe Rieck, Geschichte des Museums; Andreas Grüger, Baugeschichtlicher Überblick; Reinhard Gaudig, Ur- und Frühgeschichte; Anette Loesch, Stadtgeschichte vom 13. bis 18. Jahrhundert; Ursula Hetzer, Stadtgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert; Hans Kölle, Stadtgeschichte ab 1945; Perk Loesch, Bildende Kunst; Gerd Sobietzky, Numismatik; Gerlinde Dörries, Volkskunde; Gerlinde Dörries, Spielzeug; Sybille Köpke, Öffentlichkeitsarbeit). [Buhlmann, 02.2021]

Strandh, Sigvard (1980), Die Maschine. Geschichte, Elemente, Funktion. Ein enzyklopädisches Sachbuch, Augsburg 1992 > T Technik, Technikgeschichte

Strangmeier, Heinrich (1951), Die Schutzpatrone der alten Kirche in Haan, in: NbergBeitrr 2 (1951), S.55-94; Strangmeier, Heinrich (1951), Nachtrag zu dem Aufsatz "Die Schutzpatrone der alten Kirche in Haan", in: NbergBeitrr 2 (1951), S.126. Die Existenz einer Kapelle, eines oratorium in Haan ist aus einer Weihinschrift aus der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts bekannt. Der heute nicht mehr erhaltene Kirchenbau mit Chrysanthus und Daria als Schutzpatrone war eine niedrige Saalkirche, wohl mit eingezogenem Chorgeviert, die gegen Ende des 11. und in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts durch Westturm und nördliches Seitenschiff erweitert wurde. Vgl. dazu noch: D > Das, Deutung der Kircheninschrift aus Haan/Rheinland. [Buhlmann, 10.1986]

Strasser, Rudolf, Leibniz ist mehr als ein Keks! Zur Geschichte des Leibniz-Gymnasiums Rottweil (= Kleine Schriften des Stadtarchivs Rottweil, Bd.23), Rottweil 2016 > K Kleine Schriften des Stadtarchivs Rottweil

Stratmann, Martina (1991), Hinkmar von Reims als Verwalter von Bistum und Kirchenprovinz (= Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter, Bd.6), Sigmaringen 1991 > H Hinkmar von Reims

Strauß, Ulrike (1983), Das ehemalige Augustinerchorfrauenstift Marienberg bei Helmstedt. Beiträge zu seiner Geschichte bis zur Reformation (= Braunschweigisches Jahrbuch, Beih.1), Braunschweig 1983 > M Marienberg

Streck, Michael P. (Hg.) (2005), Sprachen des Alten Orients, Darmstadt 42021, 216 S., Schwarzweißabbildungen, € 19,20. Die auf rund 600000 Tontafeln in Keilschrift überlieferten Texte des Alten Orients (Mesopotamien, Syrien, Palästina, Kleinasien, Persien) geben die altorientalischen Sprachen wieder und machen damit einen beträchtlichen Teil der gesamten Textüberlieferung der Antike aus (Alter Orient: 17,8% [davon: Akkadisch, Babylonisch, Assyrisch: 12,7%; Sumerisch: 3,6%; Hethitisch: 0,9%; Hebräisch: 0,4%; Elamisch: 0,1% u.a.], Ägyptisch: 7,5%; Altgriechisch: 62,2%; Latein: 12,5%). In Keilschrift wurden vom ausgehenden 4. Jahrtausend v.Chr. bis ins 4. Jahrhundert n.Chr. niedergeschrieben die folgenden altorientalischen Sprachen: Sumerisch (3200 v.Chr.-1. Jahrhundert n.Chr.), Protoelamisch (3100-2900 v.Chr.), Akkadisch, Babylonisch, Assyrisch (2600 v.Chr.-1. Jahrhundert n.Chr.), Elamisch (2100 v.Chr.-4. Jahrhundert n.Chr.), Amurritisch (2000-1200 v.Chr.), Hurritisch (2000-1200 v.Chr.), Palaisch (1600-1200 v.Chr.), Hattisch (1600-1200 v.Chr.), Hethitisch (1600-1200 v.Chr.), Luwisch (1600 v.Chr.-8. Jahrhundert n.Chr.), Mittanisch (16.-14. Jahrhundert v.Chr.), Kassitisch (1400-1200 v.Chr.), Ugaritisch (1400-1200 v.Chr.), Phönizisch (10. Jahrhundert v.Chr.-1. Jahrhundert n.Chr.), Hebräisch (10. Jahrhundert v.Chr.-2. Jahrhundert n.Chr.), Urartäisch (9. Jahrhundert-7. Jahrhundert v.Chr.), Altaramäisch (9. Jahrhundert v.Chr.-4. Jahrhundert n.Chr.), Altphrygisch (9. Jahrhundert-3. Jahrhundert v.Chr.), Medisch (9. Jahrhundert-4. Jahrhundert v.Chr.), Altpersisch (6. Jahrhundert-4. Jahrhundert v.Chr.), Lykisch (5. Jahrhundert-4. Jahrhundert v.Chr.), Lydisch (5. Jahrhundert-4. Jahrhundert v.Chr.). Die Keilschrift kam in Südemesopotamien in der 2. Hälfte des 4. vorchristlichen Jahrtausends auf und war geschuldet den Erfordernissen von komplexer werdenden Gesellschaften, Städten und Staaten, Tempeln und Palästen im Rahmen von Ackerbau, stationärer Viehzucht, Handel und Gewerbe (Wirtschaftstexte, Listen). Als Beschreibstoff für die Keilschrift standen Tafeln aus Ton zur Verfügung, geschrieben wurde mit einem Schilfrohrgriffel durch (Ritzen und) Eindrücken des Griffels in den weichen Ton. Es entstand dadurch eine Schrift mit keilförmigen Grundelementen. Schriftzeichen standen dabei (auch je nachdem) für Logogramme (Wortzeichen, Ideogramme), Phonogramme (Lautzeichen, Syllabogramme) und Determinative (Deutzeichen). Dieselbe Keilschrift gab verschiedene Sprachen wieder (Michael P. Streck, Einleitung; (Michael P. Streck, Keilschrift). Viele der über die Keilschrift vermittelten (meist ausgestorbenen) Sprachen sind (Affixe anhängend) agglutinierend, (auf das "Subjekt" bezogen) ergativ (bei transitiven, intransitiven Sätzen), haben grammatisches Geschlecht (oder nicht) und grammatische Tempora, eine bestimmte Phonologie (Phoneminventar [Vokale, Konsonanten]), bestimmte Wortklassen (Pronomina, Nomina [Substantive, Adjektive], Numeralia, Verba, Adverba, Präpositionen, Konjunktionen, Subjunktionen, Negationen usw.), einen mehr oder weniger umfangreichen Wortschatz. Bedeutend waren die Sprachen: Sumerisch (Gábor Zólyomi, Sumerisch), Akkadisch (Michael P. Streck, Akkadisch) und Hethitisch (Elisabeth Rieken, Hethitisch). Eine Nebenrolle spielen auch überlieferungstechnisch: Hattisch (Jörg Klinger, Hattisch), Hurritisch, Urartäisch (Joost Hazenbos, Hurritisch und Urartäisch), Elamisch (Manfred Krebernik, Elamisch). [Buhlmann, 08.2021]

Strelocke, Hans (1976), Ägypten und Sinai. Geschichte, Kunst und Kultur im Niltal: Vom Reich der Pharaonen bis zur Gegenwart (= DuMont Kunst-Reiseführer), Köln 141987, 181992 > A Ägyptische Geschichte, 3. Jahrtausend-4./1. Jahrhundert v.Chr.

Strittmatter, Thomas, deutscher Schriftsteller: Thomas Strittmatter, geboren 1961 in St. Georgen im Schwarzwald, jung verstorben 1995 in Berlin, fand während Schule und Studium zur Schriftstellerei und erhielt schon in jungen Jahren ein Reihe von Preisen für seine Romane, Theaterstücke, Hörspiele und Drehbücher. U.a. verfasste er: Strittmatter, Thomas (1980), Viehjud Levi. Volkstheaterstück. Mit dem Drehbuch und Fotos der Verfilmung von Didi Danquart (= detebe 23152), Zürich 2000, 134 S., Farbfototafeln, DM 14,90; Strittmatter, Thomas (1990), Raabe Baikal. Roman (= detebe 22507), Zürich 1992, 294 S., DM 16,80. Zu Thomas Strittmatter s.: Michel, Volker (2001), "Ich komme auch vom Lande, und bin ganz froh darum". Thomas Strittmatter und St. Georgen im Schwarzwald (= Spuren, Nr.56), Marbach a.N. 2001, 14 S., Abbildungen, € 5,-. [Buhlmann, 11.2020]

Stroh, Wilfried (2008), Cicero. Redner, Staatsmann, Philosoph (= BSR 2440), München 2008 > C Cicero

Stroh, Wilfried (2008), Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer großen Sprache (= List 60809), Berlin 2008 > L Latein

Stroh, Wilfried (2009), Die Macht der Rede. Eine kleine Geschichte der Rhetorik im alten Griechenland und Rom (= List 61011), Berlin 2012, 608 S., € 12,95. I. Die antike Rhetorik ("Redekunst") entstand u.a. auf Sizilien, verbreitete sich u.a. im klassischen Athen auch und gerade unter dem Einfluss von Sophisten und Sophismus (Gorgias, Protagoras, Prodikos, Hippias als beim Philosphen Platon [†349/47 v.Chr.] erwähnte Rhetoriklehrer) und vermittelte so im Rahmen von Erziehung ein erweitertes Bildungsangebot, das etwa neben das der platonischen Akademie stand. Der athenische Redner und Sophist Isokrates (†338 v.Chr.) gründete in seiner Heimatstadt eine Redeschule, bedeutende attische Redner waren Antiphon, Lysias, Isaios und Demosthenes (†322 v.Chr.). Im monarchischen System des Hellenismus verlor die griechische Rhetorik ihre politische Dimension in Gerichts- und politischer Rede, blieb aber ein wichtiger Bestandteil des Bildungskanons. Als solcher fand sie auch zunehmend Verbreitung im römischen Machtbereich und in der römischen Elite (ab 2. Jahrhundert v.Chr.). Gerade der Römer Cicero (†43 v.Chr.) erörterte auch theoretisch die Redekunst (Abhandlung über die inventio, Schrift De Oratore). Mit dem Übergang zum römischen Prinzipat büßte die rhetorische Bildung nichts von ihrer Wichtigkeit ein, ablesbar z.B. an der Institutio oratoria des Quintilian (†ca.95 n.Chr.). U.a. gemäß der zeitlich nicht genau einordbaren (80er-Jahre v.Chr.?) Rhetorica ad Herennium eines unbekannten Autors (Cornificius?) bildete sich in der griechisch-römischen Antike ein Kanon für rhetorisch grundgelegte Reden (orationes) aus: inventio (Stoffauffindung gemäß dem genus rationale und genus legale, dispositio (Stoffanordnung ex institutione artis oder ad tempus), elocutio (Stillehre gemäß den drei Stilebenen figura gravis, mediocris, adtenuata), memoria (prkatisches Einprägen des Vortrags durch loci und imagines), pronuntiatio (stimmlicher Vortrag). II. Auch das Christentum übernahm trotz mancher Vorbehalte die heidnische antike Rhetorik, angefangen beim Apostel und Missionar Paulus (†n.60 n.Chr.) über den Apologeten Athenagoras, den kirchlichen Schriftsteller Tertullian, den Rhetoriklehrer Cyprian oder Johannes Chrysostomos bis hin zum Kirchenvater Augustinus (†430). Im christlich-europäischen Mittelalter gehörte folglich die Rhetorik zu der Fächerfolge des Triviums innerhalb der artes liberales; Rhetorik war auch Bestandteil des altsprachlichen Unterrichts an den höheren Schulen der frühen Neuzeit. Das 20. und 21. Jahrhundert sieht Rhetorik zurückgedrängt gerade auch aus vielen politischen Bereichen, wo doch gesellschaflich "Rhetorik überall" sein sollte. Vgl. dazu: Rhetorica ad Herennium, hg. u. übers. v. Thierry Hirsch (2019) (= RUB 19605), Stuttgart 2019, 425 S., € 14,80 > Lateinische Literatur > R Rhetorica ad Herennium; Urbanek, Ferdinand (2005), Sternstunden der abendländischen Rede. Eine Sammlung bedeutender Rede-Texte von Perikles bis John F. Kennedy, Paderborn 2005, 412 S., € N.N. [Buhlmann, 05.2013, 12.2019, 05.2020]

Strohm, Leo (1999), 2000 Jahre Christentum. Eine Religion verändert die Welt, Stuttgart 1999, 240 S., Farbabbildungen, DM 39,90. Der historische Überblick über die christliche Religion umfasst: Jesus Christus, frühes Christentum der römischen Kaiserzeit und spätantikes Christentum (1.-5. Jahrhundert), frühmittelalterliches Christentum (6.-10./11. Jahrhundert), hochmittelalterliches Christentum und Kreuzzüge (11.-13. Jahrhundert), spätmittelalterliches Christentum und Religiosität (13.-15./16. Jahrhundert), Christentum und Globalisierung (14.-17. Jahrhundert), Christentum und Renaissance (15.-16. Jahrhundert), Reformation und Gegenreformation (16.-17. Jahrhundert), Barock und Aufklärung (17.-18./19. Jahrhundert), Industrialisierung (18.-19. Jahrhundert), Kolonialismus und Weltkriege (19.-20. Jahrhundert), Christentum in einer technisierten, globalen Welt (20. Jahrhundert, 2. Hälfte). [Buhlmann, 01.2021]

Struck, Wolf-Heino (1972), Die Stiftsgründungen der Konradiner im Gebiet der mittleren Lahn, in: RhVjbll 36 (1972), S.28-52 > K Konradiner

Struik, Dirk J. (1961), Abriß der Geschichte der Mathematik, Berlin 71980 > S Stillwell, Mathematics

Struve, Tilmann (2006), Lampert von Hersfeld, der Königsraub von Kaiserswerth im Jahre 1062 und die Erinnerungskultur des 19. Jahrhunderts, in: AKG 88 (2006), S.251-278 > K Kaiserswerth

Stryer, Lubert (1974), Biochemie (= Spektrum Lehrbuch), [Heidelberg] [1996] > C Chemie

  Stuchtey, Benedikt (2012), Geschichte Irlands (= BSR 2765), München 2012, 128 S., 1 Karte, 1 Zeittafel, € 8,95. Irland, die Insel im Atlantik, war im Laufe ihrer Geschichte immer wieder Zielpunkt äußerer Einflüsse, angefangen bei den Invasionen der Wikinger (ab 793) und Normannen (ab 1169). Dabei war das keltische Irland, aufgeteilt in kleinere Herrschaften und Kleinkönigtümer, seit dem 5. Jahrhundert eine christliche Insel (heiliger Patrick), eine vom römischen Papsttum zunächst unabhängige christliche Mönchskirche mit bedeutenden Klöstern (u.a. Bangor; Klostersiedlungen); die irische peregrinatio im merowingischen Frankenreich (Columban der Ältere, der Jüngere, Gallus) steht damit in Zusammenhang. Die Wikinger errichteten in Irland Handelsplätze und Militärstützpunkte (Cork, Dublin [852], Limerick), im 12. Jahrhundert gab es - nach einem geeinten Irland zur Zeit der Wikingerinvasionen? (Schlacht bei Clontarf 1014) - die vier Königreiche Ulster, Connacht, Leinster und Munster; Streitigkeiten zwischen Leinster und Connacht begünstigten indirekt die anglonormannische Eroberung Irlands (1169/72) unter dem angevenisch-englischen König Heinrich II. (1154-1189). Die englische Kolonisierung und Herrschaftsdurchdringung des 13. Jahrhunderts (Grafschaften, Baronien) machte aus Irland ein gespaltenes Land zwischen Ost und West, zwischen den eingewanderten Anglo-Iren auf der einen und der eingesessenen irischen Bevölkerung auf der anderen Seite. Im 14. und 15. Jahrhundert zeichnete sich die Unregierbarkeit der Insel ab (Vernichtungsfeldzug des Edward Bruce 1315-1318, Statut von Kilkenny 1366 [rechtliche Trennung von Engländern und Iren], Besuch Irlands durch den englischen König Richard II. [1377-1399] 1394), faktisch schrumpfte das Gebiet englischen Einflusses in Irland auf die Dubliner Region ("Pale" 1446) und einige Städte (Athlone, Meath, Trim, Wicklow); englische Herrschaft wurde gerade von den Anglo-Iren getragen (Poynings' Law 1494; Verbot eines irischen Parlaments ohne Zustimmung des englischen Königs), während Ulster und Connacht zunehmend wieder gälisch wurden. Im Zusammenhang mit englischer Reformation und anglikanischer Kirche entwickelte sich bei neuerlicher englischer (englisch-schottischer) Durchdringung Irlands (Politik der "Plantation" im 16. Jahrhundert) der katholisch-protestantische Gegensatz auf der Insel zwischen Iren und Engländern (Act of Uniformity 1560). Eher am Katholizismus (und an irischer Kultur) orientiert war dabei die sich im 16. und 17. Jahrhundert in ganz Irland ausbildende Schicht der "Old English", während die im Zuge der englischen Besiedlungspolitik neu nach Irland kommenden "New English" (oder "Ascendancy") protestantisch waren. Die religiöse Benachteiligung der katholischen Iren ging einher mit deren wirtschaflicher Benachteiligung (Enteignungen in der Landwirtschaft), Irland wurde von der englischen Krone wirtschaftlich ausgebeutet (Rodung des Waldbestandes im 17. Jahrhundert). Der irisch-englische Gegensatz entlud sich in Revolten und Strafmaßnahmen (Rebellion von Portadown 1641, Konföderation von Kilkenny 1642, Vergeltungsfeldzug Oliver Cromwells 1649/50). Irland war wirtschaftlich und kulturell in einen gälischen Westteil (Connacht) und östlichen, englisch dominierten Teil gespalten (mit dem Shannon als Grenze). Die "Ascendancy" als protestantische Oberschicht Irlands etablierte sich nach der "Glorious Revolution" in England (1688), der Schlacht am Fluss Boyne (1690) und dem Frieden von Limerick (1691; Religionsfreiheit für die katholische Bevölkerung Irlands). Das protestantisch dominierte Irland des 18. Jahrhunderts sah im Gegen- und Miteinander der Religionen (einschließlich der Prebyteraner und Quäker) Entwicklungen bei Literatur (Jonathan Swift) und geistigem Leben (Zeitungen [1706, 1725], Dublin Philosophical Society 1731], Einflüsse der Amerikanischen und Französischen Revolution auf das Bürgertum [ab 1776/89]) und bei Wirtschaft und Handel (Landesausbau und Landfrage, Intensivierung der Landwirtschaft [Kartoffel-, Getreideanbau], irischer Außenhandel im British Empire [Dublin, Belfast; Freihandel]); am Ende des 18. Jahrhunderts stand die Rebellion von 1798. Im Jahr 1801 folgte die Union zwischen Großbritannien und Irland - sie steht am Anfang des "langen 19. Jahrhunderts", irische Abgeordnete fanden Platz im Londoner Parlament, es entstand in Irland eine öffentliche Meinung, der wirtschaftlichen Armut und den massiven Bildungsdefiziten (Analphabetismus) breiter Bevölkerungsschichten zum Trotz. Die große Hungersnot von 1845/49 verstärkte die irische Auswanderung u.a. nach Nordamerika, aber auch die Wanderung in die Städte (Urbanisierung Irlands). Die Hungersnot erwies sich als große soziale und geistige Zäsur (Neudefinition des Protestantismus und des Katholizismus, irisch-republikanische Bewegung der "Fenier"). Die von England ausgehende industrielle Revolution führte im Irland des 19. Jahrhunderts allerdings nur zu einem schwachen Ausbau nichtagrarischer Wirtschaftstätigkeiten (Bier- und Whiskeybrauereien [Guiness], Schifffahrtskanäle [Royal Canal 1817, Grand Canal 1835], Eisenbahnauf- und -ausbau [Dublin-Wicklow 1834]), während der irische Agrarexport (Leinen, Butter, Fleisch) in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts weiter anstieg. Die britische Regierung verfolgte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bzgl. Irlands eine Politik der Selbstverwaltung ("Home Rule", Government of Ireland Bill 1886; "konstruktiver Unionismus"), doch standen dem massive soziale Gegensätze entgegen ("Landkrieg" 1879/82, Boykott der Landgesetze durch die Irish land League 1881/82, Orangemen und Orange Order in Nordirland, Partei Sinn Feín 1905). Die Radikalisierung in der irischen Politik führte nach Erstem Weltkrieg (1914-1918) zum Unabhängigkeitskrieg (1919/21) und zum Anglo-Irischen Vertrag von 1921 (Bildung eines Irischen Freistaats innerhalb des britischen Commonwealth) und im Bürgerkrieg von 1922/23 zur Abtrennung des protestantisch beherrschten Nordirlands, das weiterhin mit Großbritannien verbunden blieb. Der Irische Freistaat (Verfassung von 1922) löste sich in der Folgezeit aus der Bindung zu Großbritannien (Aufnahme in den Völkerbund 1923, Verfassung von 1937, Republik Éire 1945, Austritt aus dem Commonwealth 1949). In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts stand der Nordirlandkonflikt (1969/98/2007) politisch im Vordergrund, Irland trat 1973 in die Europäische Gemeinschaft ein und liberalisierte sich in der Folgezeit gesellschaftlich (Abtreibung, Ehe, katholische Kirche) und wirtschaftlich (Welthandel und Globalisierung, Finanzkrise [2008]). > I Irische Geschichte [Buhlmann, 11.2012]

Stuchtey, Benedikt (2021), Geschichte des Britischen Empire (= BSR 2918), München 2021, 128 S., Verzeichnis der zum Britischen Empire gehörenden Gebiete, Karte, € 9,95. I. Das Britische Empire kann unter folgenden Gesichtspunkten betrachtet und untersucht werden: als geschichtliches Ergebnis einer Vielzahl von "Kolonialismen und Imperialismen", verstreut über Epoche der Neuzeit und die ganze Welt; als viktorianisches Empire des "langen" 19. Jahrhunderts und der Pax Britannica; als Hintergrund für eine Kultur des Empire im Mutterland und in den Kolonien; als System europäischer Herrschaft bei Ausübung von Gewalt gegenüber den Kolonisierten; als historischer Stoff für Imperialismustheorien. II. Das Britische Empire begann mit der Besiedlung des nordamerikanischen Neufundland (1497); dabei spielte die Inselrolle Englands, dem europäischen Kontinent vorgelagert, eine entscheidende Rolle. In Konkurrenz zu den europäischen Mächten Spanien (Weltumseglung von Francis Drake 1577/80, englisch-spanischer Krieg 1585-1604, Niederlage der spanischen Armada 1588) und Niederlande (East India Company 1600) begann der Aufstieg Englands zu einer Seemacht unter Königin Elisabeth I. (1558-1602). Seehandel und Kolonisierung waren dabei mit der Verbreitung des (anglikanischen) Christentums unter den Indigenen verbunden (Richard Hakluyt, Discourse Concerning Western Planting, 1584). Entdeckungsfahrten (Martin Frobisher, John Davis, Henry Hudson: Nordwestpassage, Arktis, Manhatten, Hudson Bay) beförderten die englische Expansion im Nordatlantik, während in Südostasien England trotz des Sieges über die Portugiesen in der Seeschlacht von Suvali (1612) einen schweren Stand hatte - Ähnliches ist für Südamerika festzuhalten (Guayana, Venezuela 1594, 1617) und die südatlantische Insel St. Helena in Besitz genommen wurde (1651). So ergab sich zunächst ein englisches Engagement in Nordamerika (englisches Neufundland 1583, lost colony 1585, Jamestown 1607 [Virginia Company], Plymouth 1620 ["Pilgerväter", "Mayflower"], Boston 1630), aus der sich im Verlauf des 17. Jahrhunderts britische Kolonien (plantations, Einwanderung) entwickeln sollten (Virginia, New Hampshire, New Haven, Maine, Rhode Island, Connecticut, Maryland usw.; Kontrolle durch die britische Krone <-> Selbstverwaltung der Kolonien [Gouverneur, Rat, Versammlung], gesellschaftliche Verschiedenheit der Kolonien). In der Karibik konnte sich England auf der Insel St. Christopher (St. Kitts) fest- und durchsetzen (1623/1713), weiter auf Barbados (1627), schließlich erfolgte vor dem Hintergrund des englischen Bürgerkriegs (1642-1649) - die Eroberung des bis dahin spanischen Jamaika (1655). Im Rahmen des atlantischen Dreieckshandels mit europäischen Exportwaren (und Migranten [darunter ein Großteil von Zwangsarbeitern]), Sklaven (transatlantischer Sklavenhandel) und "Kolonialwaren" (Zucker, Rum, Tabak, Kaffee) sollten die karibischen Besitzungen Englands bis in die 1660er-Jahre deutlicher prosperieren als die Neuenglandkolonien (James Harrington, The Commonwealth of Oceana, 1656). England setzte sich erfolgreich gegen den kolonialen Konkurrenten Niederlande durch (Erster Seekrieg 1652-1654) und fasste auch in Afrika Fuß (Stützpunkte in Ghana 1637, Erwerb von Tanger 1662, Royal Africa Company 1672). III. Die Wiederherstellung der englischen Monarchie (1660) und die Union zwischen England und Schottland zu Großbritannien (1707, einschließlich Wales und Irland) flankierten die nächste Phase der Expansion des sich ausbildenden Britischen Empires. Geprägt war diese durch See- und Kolonialkriege u.a. gegen die Niederlande (1664-1667, 1672-1674), gegen Frankreich (1687-1690, 1744-1748; englisch-französischer Konflikt) und im Rahmen der "Weltkriege" des Spanischen Erbfolgekriegs (1701-1714; reduzierte koloniale Konkurrenz zwischen Großbritannien und Spanien) und des Siebenjährigen Kriegs (1756-1763). So wurde New Amsterdam (New York) englisch (1664); in den Neuenglandkolonien entwickelte sich verstärkt eine europäische Kultur (Städte, Universitäten, Zeitungswesen, Einwanderung aus Europa [Schotten, Iren, Deutsche; Plantation Act 1745]), die im Zusammenhang mit einem verstärkten territorialen Ausbau der nordamerikanischen Kolonien stand (Pennsylvania 1681, North Carolina 1689, Einbeziehung des französischen Ostkanada [Québec] 1760/63/91). Auf dem indischen Subkontinent verstärkte sich nach bescheidenen Anfängen (Kontakte zum Mogulreich, Erwerb von Madras [1640er-Jahre], Erwerb von Bombay 1662) der englische Handelseinfluss, befördert durch die Aktivitäten der East India Company (Kalkutta 1691). Im Rahmen des Spanischen Erbfolgekriegs wurden Gibraltar (1704) und Menorca (1708-1756, 1763-1783, 1798-1802) britisch; Australien wurde ab 1788 kolonisiert (New South Wales), in der niederländischen Kapkolonie setzte sich Großbritannien 1795/1814 durch, Ceylon war faktisch ab 1795/1815 britische Kolonie (Einführung des Kaffeeanbaus [ab 1826]). Dabei waren die außereuropäischen territorialen Einflussgebiete und (Handels-) Stützpunkte vormodern über ein Handelsministerium als "Kolonialamt" (1696-1782) organisatorisch verbunden, wenn auch das Wachsen des Empires weder planmäßig noch mit langfristigen Zielen verbunden vonstatten ging. Die Klammern zwischen Mutterland und Kolonien waren Protestantismus und wirtschaftlicher Wohlstand sowie eine vor dem Hintergrund des wachsenden Empire sich ausbildende britisch-englische Identität. Aus Großbritannien wurde damit ein Handelsstaat mit seinen wirtschaftlichen und politischen Freiheiten (Beschäftigung, Konsum, Rationalisierung); Importe (Zucker, Tabak, Rum, Kakao, Kaffee, Tee, Baumwolle, Seide, Porzellan) wurden protektionistisch mit Import- als Luxussteuern belegt, diesem merkantilistischen System entsprachen ein umfangreiches Schiffbauprogramm und die Sicherung der Kolonien zumindest nach außen. Das Empire hatte Bestand vor dem Hintergrund aufkommender politischer Theorien (Robert Filmer, John Locke, Thomas Paine, Adam Smith). IV. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts ermöglichte in Indien der Zerfall des Mogulreiches ein weiteres Vordringen britischer Macht, d.h. der East India Company (Karnatische Kriege als britisch-französische Kolonialkriege [1746-1763], Schlacht bei Plassey 1757, Neuorganisation der East India Company). Doch gingen Großbritannnien im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775-1783; Boston Tea Party 1773) die nordamerikanischen Kolonien verloren, aus denen sich die Vereinigten Staaten von Amerika entwickeln sollten (-> Reorganisation der britischen Kolonie Kanada [Oberes/Unteres Kanada 1791, Aufnahme von Flüchtlingen aus den USA]). Die Französische Revolution (1789) und die Herrschaft Napoleons über Kontinentaleuropa gefährdeten nur zeitweise die britische Machtstellung (Realunion Irlands mit dem Vereinigten Königreich 1801, Gründung des später so genannten Colonial Office 1801, britischer Seesieg bei Trafalgar 1805), wobei die beginnende Industrialisierung den wirtschaftlichen und machtpolitischen Vorsprung Großbritanniens in der Welt noch ausbaute. Auch Forschungsexpeditionen waren bedeutsam; das britische Empire erreichte so den pazifischen Raum (Entdeckungsfahrten James Cooks 1768/79 [Neuseeland, Australien 1770, Cook-Inseln 1773], John Franklin und die Nordwestpassage 1847 usw.). V. Die Karibik als Westindien blieb für das britische Empire eine Quelle von Wohlstand, auch als der Sklavenhandel innerhalb des Systems der britischen Kolonien (zumindest formal) abgeschafft wurde (1833; Society of Abolition of the Slave Trade 1787, Anti-Slavery Society 1823). Indes kam im 19. Jahrhundert zunehmend Ostindien (Bengalen) Bedeutung innerhalb des Empire zu (Monopole der East India Company, Tee- und Opiumhandel mit China, britische Textilien). Kolonien und Kolonialisierung standen auch in Verbindung mit der christlichen Missionierung durch (anglikanische, baptistische, methodistische, presbyterianische) Missionsgesellschaften (Baptist Missionary Society 1792, London Missionary Society 1795, Church Missionary Society 1799), die meist auf religiösem, pädagogischem oder medizinischem Gebiet die Stellung der indigenen Bevölkerung in den Kolonien verbessern wollten (Sklavenemanzipation in Sierra Leone und Jamaika, Rechte für Indigene in der Kapkolonie, Wirken in Ghana und Nigeria). Britischer "Siedlungskolonialismus" betraf hauptsächlich Australien und Neuseeland (Melbourne 1837, Christchurch 1850) und ging unter Umständen einher mit Landokkupation und Vertreibung (englische Siedler am Kap [ab 1820], englische Auswanderung nach Australien [ab 1840]). Dem Bestand und der Vergrößerung des Empire diente das britische Colonial Office, das Colonial Land and Emigration Board und der Colonial Secretary im Mutterland; Gouverneure standen an der Spitze der Kolonien. Auch in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts vergrößerte sich das Empire (Kolonie Hongkong 1842, Annexion des Punjab 1849), während Irland zunehmend in den Status einer Kolonie herabgedrückt wurde (Irische Famine 1845/49, irische Emigration in die USA). Ausfluss von britischer Kultur und britischem Empire war nicht zuletzt die Londoner Weltausstellung (Great Exhibition) mit dem britischen Ausstellungpalais, dem Kristallpalast (1851). VI. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts mündete die Ausdehnungspolitik des britischen Empire, in der schon längst die Royal Navy eine überragende Rolle spielte, ein in den europäischen Kolonialismus und Imperialismus, der auch noch den Rest der Welt unter die Kontrolle der miteinander konkurrierenden europäischen Großmächte brachte. Zunächst ging es aber um den weiteren Ausbau britischer Herrschaft in der Kapkolonie (Land und Viehzucht, Gold-/Diamantenrausch 1886), in Australien (Strafgefangenenzuzug, Schafzucht, Goldrausch 1851, 1. Burenkrieg 1881, 2. Burenkrieg 1899/1902) oder Indien (anglo-burmesische Kriege 1824/85, Sepoyaufstand 1857, Indien als Kronkolonie und Vizekönigtum und britische Königin Viktoria als Kaiserin von Indien [1876], Massaker von Amritsar 1919). Es entstand weltweit eine koloniale britische Kultur, die sich z.B. in imperialistischen Schriften zur Kolonialadministration (Evelyn Baring Cromer, Modern Egypt, 1908, Ancient and Modern Imperialism, 1910) niederschlug. Im Wettlauf mit der und im machtpolitischen Gegensatz zur europäischen Konkurrenz erweiterte Großbritannien sein Empire weiter (Einbeziehung der Fidschi-Inseln [1876] und Zyperns [1878], Bombardierung Alexandriens und Besetzung Ägyptens 1882); insbesondere versuchte das Empire, in Afrika eine Nord-Südverbindung aus Kolonien ("vom Kap bis Kairo") zu schaffen, so dass der Sudan ins britische Blickfeld geriet (Mahdi-Aufstand 1885 und Schlacht bei Omdurman 1898), weiter die Kolonien Somalia (1885), Botswana (1885), Kenia (1888/95), (Nord-, Süd-) Rhodesien (1890/91) und Uganda (1890/95) dem Empire angegliedert und teilweise wirtschaftlich erschlossen (Eisenbahnlinien) wurden. Gerade in Afrika überschnitten sich britische Interessen mit denen Frankreichs (französisches Kolonialgebiet von West- nach Ostafrika, Faschoda-Krise 1898) und Deutschlands (Deutsch-Ostafrika, Helgoland-Sansibar-Vertrag 1890 [Deutsch-Südwestafrika und Caprivizipfel]). Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurden innerhalb des Empire - neben Kanada (1867) - Dominions als sich selbst verwaltende Kolonien geschaffen (Australien 1907, Neuseeland 1907, Neufundland 1907, Südafrika 1910 [Apartheidstaat]; daneben: Irland 1922, Südrhodesien 1923; Statute of Westminster 1931). Aus dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) ging Großbritannien auch durch Einsatz von Soldaten aus den Kolonien als einer der Sieger hervor; in der Folge des Krieges vergrößerte sich das britische Kolonialreich noch einmal durch die Eingliederung deutscher Kolonien (Kamerun, Namibia, Neuguinea, Tanganijka, Togo) sowie die Bildung von Mandatsgebieten (Völkerbund) auf dem Gebiet des ehemaligen osmanischen Reiches (Irak, Kuwait, Palästina, Transjordanien), die die britischen Kolonien entlang der Süd- und Ostküste der Arabischen Halbinsel (Aden, Katar, Omar) bzw. die britische Herrschaft über Ägypten (Protektorat 1914, Unabhängigkeit 1922) ergänzten. Um das Jahr 1920 war damit der Höhepunkt britischer Machtstellung in der Welt erreicht. VII. Die schon (weit) vor 1920 einsetzenden Krisen etwa in Indien oder Irland bewirkten im Verlauf des 20. Jahrhunderts das Ende des Empires und dessen Transformation zum britischen Commonwealth of Nations. Der Zweite Weltkrieg (1939-1945) beschleunigte diese Transformation (Krise des Empires 1940/42 [deutsches Vordringen in Nordafrika, japanische Eroberung von Burma, Hongkong, Malaysia, Singapur] und Eingreifen der USA 1941/42), die indische Nationalbewegung (u.a. unter Mahatma Ghandi) erreichte 1947 die staatliche Unabhängigkeit Indiens und Pakistans; im selben Jahr wurden die "weißen Kolonien" Australien und Neuseeland (formell) unabhängig, etwas später Burma und Ceylon (1948). Im Mandatsgebiet Palästina entstand 1948 der Staat Israel. Die(se) Auflösungserscheinungen im Empire verdichteten sich nun zu einer Phase allgemeiner Dekolonisation. Vor dem Hintergrund von wirtschaftlichen und paternalistischen Interessen Großbritanniens selbst, aber auch vor dem des Ost-West-Konflikts der Ära nach dem Zweiten Weltkrieg standen besonders in Afrika und dem Nahen Osten die Zeichen auf Dekolonisation. Der "Mau-Mau"-Krieg in Kenia (1952/54), der Rückzug aus Ägypten (1954; Suezkanalkrise 1956, Unabhängigkeit Sudans 1956), der Zypernkrieg (1954/59; Unabhängigkeit Zyperns 1960) sowie die Revolution im Irak (1958) und die Unabhängigkeit Kuwaits (1961) minderten die britische Machtstellung massiv (Rede des britischen Premierministers Harold Macmillan in Kapstadt 1960: Wind of Change). Die Dekolonisation in Afrika und anderswo (Britisch-Somaliland 1960, Sierra Leone 1961, Jamaika 1962, Sambia 1964, Lesotho 1966, Barbados 1966, Swasiland 1968, Mauritius 1968, Fidschi-Inseln 1970, Bahamas 1973 usw.) ging häufig nicht problemlos vonstatten (Bildung von Nationalstaaten, Diktaturen), und auch im britischen "Mutterland" gab es Widerstände (Konservative). Als letzte Auswirkungen des britischen Kolonialismus können die weißen Siedlergemeinschaften in den (ehemaligen) Kolonien mit ihrem imperialistischen Gehabe (Rhodesien) und mit ihrer ethnischen Ausgrenzung (Apartheid in Südafrika) gelten, ebenso der argentinisch-britische Krieg um die Falkland-Inseln (1982) oder der Windrush-Skandal (2018; Empire Windrush 1948, British Nationality Act 1948 und dessen Rückgängigmachung 1971/2018). VIII. Alles in allem lag - historisch betrachtet - mit dem britischen Empire ein auf Europa und die Welt bezogenes "Imperium" vor, das aus Stützpunkt-, Beherrschungs-, Siedlungskolonien, Mandatsgebieten und Protektoraten bestand, aber in der Sklaverei und ethnischen Abgrenzung, im Kolonialismus und Imperialismus fragwürdige Grundlagen besessen hatte. Vgl. Wende, Peter (2008), Das Britische Empire. Geschichte eines Weltreiches, München 2008, 366 S., Abbildungen, Karten, € 24,80, weiter die "Kolonialliteratur" zum Britischen Empire: Kipling, Rudyard (1901) Kim. Roman (= dtv 1672), München 41986, 327 S., DM 9,80; Kipling, Rudyard (1901) Kim. Roman, München 2015, 511 S., Abbildungen, Karte, € 29,90. [Buhlmann, 04.2008, 07.2016, 04.2021]

Studien zum Althochdeutschen, hg. v.d. Kommission für das Althochdeutsche Wörterbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Das Deutsche gehört zu den germanischen Sprachen innerhalb der indoeuropäischen Sprachengruppe (1. oder germanische Lautverschiebung). Man unterscheidet eine durch das Althochdeutsche (Fränkisch, Alemannisch, Bairisch, Thüringisch) gekennzeichnete Frühgeschichte der deutschen Sprache (6./7./8.-11. Jahrhundert) vom Mittelhochdeutschen (11.-14. Jahrhundert) und Frühneuhochdeutschen (14.-17. Jahrhundert).
Bd.17 (1991): Meineke, Birgit, Althochdeutsche -scaf(t)-Bildungen, Göttingen 1991, 219 S., € 4,-, unterscheidet für die frühe Zeit des Althochdeutschen im 8. und 9. Jahrhundert Bildungen mit dem Suffix -scaf (bolgenscaft, ... giwizscaf; -scaf als Ordnung mit Maß, gesellschaftliche Ordnung [Gemeinschaft, Zustand], Einordnung des Einzelnen in die Gesellschaft [Rang, Handlungen, Beziehungen]) von Wortbildungen auf -scaft (frumiscaft, ... giscafti als ti-Abstrakta; -scaft als Schöpfung, schöpferische Tätigkeit) und konstatiert eine Vermengung der beiden Suffixe im Alhochdeutschen bis zum 11. Jahrhundert (althochdeutsche Wortfamilie um germanisch *skap; mittelhochdeutsches -schaft). Nach Bd.18 (1992): Wessing, Ulf, Interpretatio Keronis in Regulam Sancti Benedicti. Überlieferungsgeschichtl.)iche Untersuchungen zu Melchior Goldasts Editio princeps der lateinisch-althochdeutschen Benediktinerregel, Göttingen 1992, 874 S., € 4,-, ist nicht entscheidbar, ob das 1606 gedruckte lateinisch-althochdeutsche Glossar des Schweizer Humanisten Melchior Goldast (*1576/78-†1635) auf die althochdeutsche Interlinearversion der lateinischen Benediktsregel im St. Galler Codex Sangallensis 916 (mit den erschlossenen nur lateinischen Vorlagen **916 und *916) aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts zurückgeht oder ob ein unbekannter Codex (eines fiktiven St. Galler Mönches Kero/Kerolt) die Vorlage der Regeledition Goldasts bot; Letzterer müsste dann ebenfalls in St. Gallen entstanden sein und für den lateinischen Regeltext als Vorlage gehabt haben den Codex Sangallensis 914 aus dem 1. Drittel des 9. Jahrhunderts, der als eine letztlich über die Reichenauer Mönche Grimald und Tatto nach St. Gallen vermittelte Abschrift des Aachener Normalexemplars der Benediktsregel (Reformen des Benedikt von Aniane, karolingische Textreform) gilt. Bd.20 (1993): Schlechter, Armin, Die althochdeutschen Aratorglossen der Handschrift Rom Biblioteca Apostolica Vaticana Pal. Lat. 1716 und verwandte Glossierungen, Göttingen 1993, 395 S., € 4,-, beschäftigt sich anhand von sechs mittelalterlichen Handschriften mit der althochdeutschen (Werktext-) Glossierung des bis 544 entstandenen lateinischen Versepos De actibus apostolorum des spätantik-christlichen Dichters Arator. > Lateinische Literatur > A Arator. Bd.21 (1993): Sousa Costa, Annette de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitularien, Göttingen 1993, 350 S., € 4,-, untersucht die über 1000 Nennungen von althochdeutschen, auch sächsischen, frankolateinischen und volkssprachigen, Gesellschaft und Recht betreffenden Wörtern und Begriffe in Kapitularien der Karolingerzeit bzw. in merowingischen Rechtstexten; die nichtlateinischen Rechtswörter der karolingerzeitlichen Kapitularien strahlten u.a. nach Italien und Spanien aus. Im Einzelnen sind zu nennen: bannus u.ä. = Bann, königlicher Bann mit Gebot und Verbot, Verordnung, Strafe; forbannire = befehlen, zwingen; heribannus = Ablösen vom Wehrdienst durch Geld; ewa = lex, Volksrecht; mallum u.ä. = ungebotenes Ding; mannitio u.ä., maria = Ladung zum Gericht; sunnis u.ä. = Hinderungsgrund für das Erscheinen bei Gericht; affatomia = Adoption; morganegiba = Morgengabe; aframere = beeiden; wadia u.ä. = Pfandsetzung/Selbstvergeiselung; videredum = Widereid gegeneinander; faida u.ä. = Fehde; fredum, wargida = Friedensgeld; wergeldus u.ä., leudis = Wergeld; launegild = Gegenschenkung; marrire u.ä. = Recht verletzen; allodium u.ä. = ererbtes Eigengut; wiffa = Beschlagnahme; gurpire = verzichten; marca = Grenze; plivium = Sorge für ...; wacta = Wachdienst; warda = Spähdienst; heribergum u.ä. = Herberge; muta = Zoll; scara u.ä. = Fron-, Transportdienst, Schar innerhalb des Heeres; harmiscara = Demütigung durch Strafe; herisliz = Fahnenflucht; scaftlegi = Aufhebung des Heeresaufgebots; adfanniri = Einberufung zum Heer; werra = Aufruhr; landweri = Landwehr, Reichsverteidigung; warnire = ausrüsten; mordrire u.ä. = ermorden; farfalius = Frevel; scach = Raub; tesceia = Raub; harizuht u.ä. = Raubzug; mitio = Verwaltungsbezirk; gildonia, gilda = Eidgemeinschaft; trustis, antrustio = Gefolgschaft; fello = Mensch; unvermago = unvermögend; tilli = Erwerb; reipus = Reifgeld. Bd.22 (1993): Schulte, Wolfgang, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors des Großen, Göttingen 1993, 1013 S., € 4,-, untersucht insgesamt 31 mittelalterliche Handschriften des 8.-13. Jahrhunderts mit glossierten Dialogen Papst Gregors des Großen (590-604) (Werktextglossierung) bzw. mit der Glossarüberlieferung zu den Dialogen Gregors. > Lateinische Literatur > G Gregor der Große. Bd.23 (1994): Meineke, Eckhard, Abstraktbildungen im Althochdeutschen. Wege zur ihrer Erschließung, Göttingen 1994, 590 S., € 4,-, untersucht (Immaterielles bezeichnende) Abstrakta als althochdeutsche Substantive u.a. mit rat-, -nissa, -ôd, -tuom und kommt daraus zu allgemeinen Schlüssen hinsichtlich Wortbildung und -bedeutung sowie Begrifflichkeit, weiter hinsichtlich der Lexikografie des Althochdeutschen. Bd.24 (1994): Möllmann, Ulrich, Die althochdeutschen Adjektive auf -sam, Göttingen 1994, 308 S., € 4,-, beschäftigt sich mit der (Glossen-, literarischen) Überlieferung und Funktion althochdeutscher Adjektive auf -sam (arbeitsam, ... wunnisam) bzgl. ihrer (auch zeitlichen) Häufigkeitsverteilung in den Schriftquellen, ihrer (starken, schwachen) Flexion, ihrer Wortbildung (aus Substantiven, Adjektiven, Verben; Kompositionsfuge), ihrer Semantik (Wortbildungsmittel -sam signalisiert Bewirken, Haben, Neigung, Entsprechung, Herkunft u.a. als oder verstärkt die Wortbedeutung) und ihrer Etymologie (indogermanische Wurzel *sem für "eins", germanisch *sama für "derselbe"). Bd.26 (1994): Ertmer, Dorothee, Studien zur althochdeutschen und altsächsischen Juvencusglossierung, Göttingen 1994, 407 S., € 4,-, beschäftigt sich anhand von zehn mittelalterlichen Handschriften mit der althochdeutschen (Werktext-) Glossierung der wohl um 330 entstandenen lateinischen Evangelienharmonie des spätantik-christlichen Dichters Juvencus. > Lateinische Literatur > J Juvencus. Bd.28 (1994): Mayer, Hartwig, Die althochdeutschen Griffelglossen der Handschrift Salzburg St. Peter a VII 2, Göttingen 1994, 126 S., € 2,-, hat zum Inhalt die in der angegebenen Handschrift, einem Kommentar des Hieronymus zum Matthäusevangelium aus der Zeit um 800, entdeckten und entzifferten, (meist) althochdeutschen (auch lateinischen), marginalen und interlinearen, nur schwer erkennbaren (da ohne Tinte nur mit dem Griffel auf das Pergament gedrückt) Griffelglossen; 209 (von über 300 Glossen) mit 247 althochdeutschen Wörten wurden entziffert, ediert und (grammatikalisch) eingeordnet (Konsonantismus, Vokalismus, Flexion) sowie sprachgeografisch dem Oberdeutsch-Bayerischen der 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts zugeordnet. Bd.36 (1999): Flöer, Michael, Altêr uuîn in niuuen belgin. Studien zur Oxforder lateinisch-althochdeutschen Tatianabschrift, Göttingen 1999, 464 S., € 4,-, weist für die um 1600 (aus einem älteren Codex unbekannter Zeitstellung) entstandene Abschrift einer lateinisch-althochdeutschen Bilingue von Tatians Evangelienharmonie (Diatesseron) (Apograph) und ihrer Bearbeitung durch den niederländischen Späthumanisten Franciscus Junius (*1589-†1677) im Oxforder Codex Ms. Junius 13 (OT) auf Grund des Vergleichs von lateinischem und althochdeutschem Text mit den entsprechenden Textteilen des St. Galler Codex Sangallensis 56 (T) sowie der Vulgata nach: die Arbeitsweise des Junius (und des unbekannten Kopisten), die Unterschiede und die relativ weitgehende Textidentität beim Althochdeutschen zwischen T und OT, die Herkunft der (wenigen kopialen) Vorstufen von OT letztlich vom Kloster Fulda (weniger St. Gallen) und aus dem 1. Viertel des 9. Jahrhunderts. [Buhlmann, 09.2011, 07.2012, 07.2020]

Stürner, Wolfgang (1992/2000), Friedrich II. (= GMR): Tl.1: Die Königsherrschaft in Sizilien und Deutschland 1194-1220, Darmstadt 1992 > F Friedrich II. (von Hohenstaufen)

Stützer, Herbert Alexander (1979), Das antike Rom (= DuMont Kunst-Reiseführer), Köln 71987 > R Rom

Stüwer, Wilhelm (1973), Zur Werdener Besitzgeschichte in Friesland, in: Westfalen 51 (1973), S.57-66 > W Werden

Stüwer, Wilhelm (Bearb.) (1980), Die Reichsabtei Werden an der Ruhr (= GS NF 12 = Das Erzbistum Köln 3), Berlin-New York 1980 > W Werden

Stuttgart, Stadt in Schwaben, baden-württembergische Landeshauptstadt: I. Mit Pforzheim als Vorbild entstand unter Markgraf Hermann V. von Baden (1190-1243) die badische Stadt Stuttgart am äußeren, südöstlichen Rand der badischen Besitzkonglomeration. Der in einem Talkessel gelegene Ort war als Gestüt schwäbisches Herzogsgut gewesen, auch Kaiser Konrad II. (1024-1039) war wohl im Besitz Stuttgarts. Herzogsgut, Reichsbesitz und Ort gelangten wahrscheinlich an den badischen Markgrafen Hermann I. (1052-1074). An den Verkehrswegen im Talgrund entwickelten sich im hohen Mittelalter Siedlungen, es war wohl auch eine Motte vorhanden, ein Burgfriedensbezirk war Voraussetzung für einen Markt. So wird Markgraf Hermann V. nach dem Übergang Pforzheims von den Staufern (vor 1227) die Stadt Stuttgart gegründet haben. Die Namensgleichheit der ältesten Pforzheimer und Stuttgarter Bürgerfamilien lässt dabei erkennen, dass Pforzheimer an der Entstehung der Stadt Stuttgart maßgeblich beteiligt waren; auf denselben Sachverhalt verweist die Tatsache, dass noch im 14. Jahrhundert die Pferde aus dem Stuttgarter Gestüt in Pforzheim verkauft werden mussten. Zum Jahr 1229 wird Stuttgart erstmals urkundlich erwähnt; 1243 wurde der strategisch wenig bedeutsame Außenposten württembergisch; Stuttgart gehörte zum Erbteil Mechthilds, der Tochter Hermanns V. und Ehefrau des Grafen Ulrich I. von Württemberg (ca.1240-1265). II. Im Rahmen der Auseinandersetzungen der württembergischen Grafen mit König Rudolf I. von Habsburg (1273-1291) wurde Stuttgart erfolglos belagert (1286/87), in einer Urkunde von 1286 werden ein Schultheiß und 12 Richter, in einer Urkunde von 1290 ein Markt erwähnt. Im Reichskrieg zwischen Württemberg und den deutschen Herrschern (1310-1316) befand sich Stuttgart zeitweise unter der Herrschaft der Reichsstadt Esslingen (Stuttgarter Stadtsiegel). Im Verlauf des 14. Jahrhunderts wurde Stuttgart Residenzstadt der württembergischen Grafen und zu einem Mittelpunkt der württembergischen Landesherrschaft (gräfliche Grablege in der Stuttgarter Stiftskirche 1320/21, Übertragung der Pfarrrechte auf die Stiftskirche 1323. Die spätmittelalterliche Stadt erweiterte sich auch durch fortifikatorische Einbeziehung der Vorstädte (Leonhardsvorstadt des ausgehenden 14. Jahrhunderts, nördliche Vorstadt des beginnenden 15. Jahrhunderts, Ummauerung der Vorstädte im 15./16. Jahrhundert [innerer und äußerer Mauerring mit den Stadttoren]). Zur blühenden württembergischen Residenzstadt des 15. Jahrhunderts gehörten das Herrenhaus als Stadtgericht (1435), das Rathaus der Bürger (1456), die Münze sowie eine ausgedehnte "Kirchenlandschaft" aus spätgotischer Stiftskirche (ab 1436), St. Leonhardskirche (1470/74), Hospitalkirche (ab 1471) und Dominkanerkloster (1473). Höfe in Stuttgart besaßen zudem die Klöster Adelberg, Bebenhausen oder Lorch. Ende des 15. Jahrhunderts mag die Zahl der Einwohner 6000-7000 betragen haben. III. Die anbrechende frühe Neuzeit war geprägt durch die Erhebung der Grafschaft Würrtemberg zum Herzogtum (1495), dem Aufstand des "Armen Konrad" (1514) und die von den Herzögen Ulrich (1498-1550) und Christoph (1550-1568) durchgeführte Reformation (österreichisches Württemberg 1520/34, Schlacht bei Lauffen 1534, evangelische Stiftskirche unter dem 1. Geistlichen und Reformator Johannes Brenz 1552). Den herrschaftlichen Ausbau Stuttgarts in der Renaissance betrafen den Um- und Ausbau des Alten Schlosses (ab 1553), das Alte (1555) und Neue Lusthaus (1580/93), weiter den Neuen Bau (1599/1609). Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurden Herzogtum und Residenzstadt nach der Sachlcht von Nördlingen (1634) wiederholt von kaiserlichen Truppen besetzt; eine langsame wirtschaftliche Erholung der Stadt Stuttgart ist für die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts feststellbar. Es folgten die zeitweiligen Besetzungen Stuttgarts durch französische Truppen (1688, 1693, 1707) im Rahmen von Pfälzer Krieg (1688-1697) und Spanischem Erbfolgekrieg (1701-1714); 1709 wurde Ludwigsburg Residenz der württembergischen Herzöge (Konflikte mit Ländständen und Stuttgarter Bürgern), unter Herzog Karl Eugen (1737-1793) das Stuttgarter Neue Schloss errichtet (1746/91) und die Hohe-Karls-Schule als Universität (1782). IV. Das 19. Jahrhundert sah Stuttgart als Residenz- und Hauptstadt des Königreichs Württemberg (Wilhelmpalais 1834/40, Staatsgalerie 1838/43, Märchenschloss Wilhelm 1842/46, Villa Berg 1845/53, alter Bahnhof 1846, Königsbau 1856/59) sowie als kulturellen Mittelpunkt (Ferdinand Freiligrath, Wilhelm Hauff, Georg Herwegh, Eduard Mörike, Wilhelm Raabe, Gustav Schwab, Ludwig Uhland). Mitte des 19. Jahrhunderts betrug die Einwohnerzahl Stuttgarts 50000-60000, am Ende 175000. 1905/08 erfolgten die Eingemeindungen von Bad Cannstatt, Untertürkheim, Wangen und Degerloch. In der Zeit der Weimarer Republik (1919/33) entstanden der Hauptbahnhof (Bonatzbau 1922), die Technische Hochschule (1924), Tagblatt-Turmhaus (1928), Zeppelinbau (1931) und Breuninger Hochhaus (1931). Weitere Eingemeindungen betrafen Botnang, Hedelfingen, Kaltental und Obertürkheim (1922), Hofen (1929), Münster, Rotenberg und Zuffenhausen (1931). Im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) wurde durch Stuttgart stark zerstört, die Nachkriegszeit und die Zeit der frühen Bundesrepublik Deutschland (ab 1949) war die Zeit des Wiederaufbaus (Fernsehturm 1958, Neckarhafen 1958).
Zur Stuttgarter Geschichte s.: Auge, Oliver (2001), Kleine Geschichte der Stuttgarter Stiftskirche, Leinfelden-Echterdingen 22009, 118 S., Abbildungen, € 14,90; Kopp, Georg (1959), Die Stiftskirche in Stuttgart, neu bearb. v. Theo Sorg, [Stuttgart] 61979, 35 S., Schwarzweißfotos, Plan, DM N.N. (mit den aus Mittelalter und früher Neuzeit erhaltenen Gebäudeteilen und Elementen der Innenausstattung: Stifterkapelle [13. Jahrhundert], romanische Torglocke [1285], gotisches Relief [ca.1320], gotische Turmvorhalle, Grabmal Hermanns von Sachsenheim [†1458], spätgotische Relieffiguren [ca.1480], Bronzetür des Aposteltores [1494], Schutzmantelchristus [ca.1500], Goldene Kanzel [ca.1500], Grabstein des Heinrich Heller [†1502], Grabmal Hermanns von Sachsenheim [†1508], Bodenplatte des Johannes Brenz [†1570], Grabmal des Grafen Albrecht von Hohenlohe-Langenburg [†1575], Grabmal der Pfalzgräfin Elisabeth [1592], Grabmal der Pfalzgräfin Johanna Elisabeth [†1601] u.a.); Kotzurek, Annegret (2003), Kleine Geschichte des Alten Schlosses in Stuttgart, Leinfelden-Echterdingen 2003, 99 S., Schwarzweißabbildungen, € 7,80 (Funde des 7./8. Jahrhunderts, Burganlage des 10. Jahrhunderts als Wasserburg/Motte?, Steinquader eines Gebäudes aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, Neubau der Burganlage ca.1300, Zerstörung der Burg Württemberg 1311, spätgotische Stuttgarter Burg [Dürnitzbau, Ringmauer], Renaissance-/Residenzschloss des 16. Jahrhunderts [rechteckige Flügelanlage mit Innenhof, Schlosskirche], Schloss als Barockanlage des 17. Jahrhunderts, Residenzverlegung nach Ludwigsburg im 18. Jahrhundert und Neues Residenzschloss, Schlossbrand 1931 und Wiederaufbau, Zweiter Weltkrieg und Wiederaufbau, Altes Schloss als Württembergisches Landesmuseum seit 1862/1948/49); Sauer, Paul (1991), Kleine Geschichte Stuttgarts. Von der Reichsgründung bis heute, Stuttgart-Berlin-Köln 1991, 150 S., Schwarzweißabbildungen, DM 29,80. [Buhlmann, 04.2023, 07.2023]

stw = suhrkamp taschenbuch wissenschaft

Su

Suitbert, Heiliger und Missionar: I. Der Angelsachse Suitbert (†713) gehörte zu den Männern, die den christlichen Missionar Willibrord (†739) zum Festland nach Friesland begleiteten (690). Über ihn lässt sich nur bei dem angelsächsischen Mönch und Gelehrten Beda Venerabilis (†735) Konkretes, während die sog. Marcellinusvita des späten Mittelalters von Erfindungen nur so strotzt. Beda hebt Suitbert aus der Schar der Gefährten Willibrords hervor und widmet ihm in seiner "Kirchengeschichte des englischen Volkes" (Historia ecclesiastica gentis Anglorum) einen eigenen Abschnitt. Danach befand sich im Jahr 692 Willibrord auf seiner ersten Romreise, als sich einige von dessen Mitstreitern - in Opposition zu dem Friesenmissionar? - dazu entschlossen, Suitbert zum Bischof erheben zu lassen. Suitbert kehrte nach England zurück und ließ sich von Wilfrid von York (†709), damals Bischof von Hexham, weihen. Die Trennung (?) von Willibrord war damit vollzogen, und Suitbert wandte sich der Bekehrung der fränkischen Boruktuarier zwischen Ruhr und Lippe zu. Dort muss er erfolgreich gewirkt haben, als dieser Stamm von eindringenden Sachsen - wohl gegen 695 - unterworfen und die Missionsarbeit zunichte gemacht wurde. Suitbert konnte daraufhin mit Unterstützung des fränkischen Hausmeiers und princeps Pippin des Mittleren (687-714) und auf Veranlassung von dessen Ehefrau Plektrud (†n.717) nahe der fränkisch-sächsischen Grenzzone auf einer Rheininsel, dem späteren Kaiserswerth (In litore), ein Kloster gründen. Als Ausstattung des Klosters können Güter des Hausmeiers bzw. Königsgut angenommen werden, wahrscheinlich auch Besitz der Plektrud. Auf (entfremdetes?) merowingisches (oder doch erst karolingisches?) Königsgut (als ehemaliger römischer Staatsbesitz entlang der Rheingrenze?) mag dabei die spätere Existenz einer Königspfalz auf der Kaiserswerther Rheininsel hinweisen; in der hochmittelalterlichen Überlieferung wird eine curtis Rinthusen genannt. Sonstiger Besitz für das Kloster Suitberts kann nur vermutet werden, mag sich aber in der näheren links- und rechtsrheinischen Umgebung von Kaiserswerth befunden haben. Ein Diplom des spätkarolingisch-ostfränkischen Königs Ludwig IV. des Kindes (900-911) vom 3. August 904 kann dafür vielleicht herangezogen werden. Die Urkunde verweist auf Besitz und Grundherrschaft des Klosters Kaiserswerth mit seinen Außenstationen, einem Fronhof auf der Insel (dem späteren Freihof der Pfalz), einem vor der Insel (Rinthusen), den Höfen und Hufen (Mansen) links und rechts des Rheins. Ob auch Besitz (Pfarrei) im mittelrheinischen Rheinbrohl von Pippin und Plektrud an Suitbert geschenkt wurde, wie es (legendenhafte?) frühneuzeitliche Rheinbrohler Überlieferung wissen will, ist - den Beziehungen zum Karolingerkloster Nivelles und der Verehrung der karolingischen Heiligen Gertrud von Nivelles (†659?) in Rheinbrohl zum Trotz - höchst unklar. Nach Kaiserswerth, seiner "Bleibe" (mansio), zog sich Suitbert wohl kurz nach 695 (698?) zurück, von weiteren Missionierungen bzw. Missionierungsversuchen berichtet Beda nichts. Wohl geben spätere Quellen vermeintliche Auskunft über das Wirken des Heiligen in Rheinbrohl, bei Jülich und im Bergischen Land, doch könnten lediglich die mittelalterliche Suitbertus-Tradition in Ratingen und das womöglich ins 8. Jahrhundert hineinreichende Alter einer Vorgängerkirche des Ratinger Gotteshauses auf Mission und Kirchenorganisation durch Suitberts Nachfolger im rechtsrheinischen Kaiserswerther Vorfeld hinweisen. Am 1. März des Jahres 713 ist dann Suitbert vermutlich in Kaiserswerth verstorben und sicher dort begraben worden. Willibrord verzeichnete den Todestag in seinem Festkalender, der angelsächsische Kirchenmann Alkuin (†804) nannte Suitbert in seinem "Gedicht über die Heiligen der Kirche von York" "besonders hervorragend". Bischof Radbod von Utrecht (901-917), ein später Nachfolger Willibrords, verfasste eine Homilie auf Suitbert. II. Vermöge der Kontakte zwischen Bischof Hermann von Verden (1148-1167) und dem Kaiserswerther Kanonikerstift - Hermann war auch Propst des Pfalzstifts auf der Rheininsel (n.1158-1167) - gelangten wahrscheinlich bis 1157 Kaiserswerther Suitbert- (und Willeicus-) Reliquien nach Verden und halfen, den dortigen Kult um Suitbert zu begründen. Eine um 1150 auf König Karl den Großen (768-814) gefälschte Verdener Urkunde machte aus Suitbert den "ersten Bischof" des sächsischen Bistums. Anders aber als in Kaiserswerth entfaltete Suitbert in der Verdener Diözese nur wenig Wirkung. Für die Gläubigen in und um Verden in Mittelalter und früher Neuzeit blieb der Heilige eher blass und gesichtslos, was vielleicht auch der ungenügenden historischen Verortung einer Person geschuldet war, die einerseits um 700 lebte (Kaiserswerther Überlieferung), andererseits zu Zeiten Karls des Großen leben sollte (Verdener Überlieferung). In jedem Fall gehörte Suitbert zu der Gruppe von angelsächsischen Missionaren, die (Alt-) Sachsen für das Christentum gewannen. III. Spätmittelalterlich und frühneuzeitlich ist zudem die Verehrung des Bischofs Suitbert im Erzbistum Bremen und Bistum Osnabrück.
An Quellen und Literatur zu Suitbert seien genannt: Buhlmann, Michael (2008), Suitbert, Liudger und die Missionierung Nordwesteuropas (= BGKw MA 6), Düsseldorf-Kaiserswerth 2008, 40 S., € 4,-; Buhlmann, Michael (2010), Beda Venerabilis, Suitbert und Kaiserswerth (= BGKw MA 11), Düsseldorf-Kaiserswerth 2010, 44 S., € 4,-; Buhlmann, Michael (2013), Suitbert: Missionar und Klostergründer (im Umfeld des merowingischen Frankenreichs) (= BGKw MA 16), Düsseldorf-Kaiserswerth 2013, 40 S., € 4,-; Buhlmann, Michael (2013), Suitbert, Kaiserswerth und Verden a.d. Aller (= BGKw MA 17), Düsseldorf-Kaiserswerth 2013, 40 S., € 4,-; Heyken, Enno (1976), Die Verehrung des heiligen Swibert von Kaiserswerth im ehemaligen Bistum Verden an der Aller (mit Erläuterungen zu Verdener Quellen), in: JbnsKG 74 (1976), S.65-127; Leben, Wunder, und Tugenden des h. Swiberti, Patronen der Collegiat-Kirchen zu Kayserswerth, Bischofs und Apostels von Holland, Friesland, Sachsen, Westphalen, und anderer benachbarten Landen, welche er zum Christenthum gebracht - beschrieben von dem h. Marcellino seinem Mitgefährten, und Gesellen; und h. Ludgero ersten Bischof zu Münster in Westphalen - aufs neu aufgelegt im tausentfunfzigsten Jahr nach Ableben dieses heiligen Apostels, hg. v.d. Katholischen Kirchengemeinde St. Suitbertus u.a. (1998), Nachdruck [Düsseldorf-] Kaiserswerth 1998; Schäferdiek, Knut (1995), Suidberht von Kaiserswerth, in: DJb 66 (1995), S.1-21. [Buhlmann, 03.2008, 09.2010, 03.2013, 05.2013, 06.2013, 07.2013]

Sulpicius Severus: Des Sulpicius Severus Schriften über den hl. Martinus, des heiligen Vinzenz von Lerin Comminitorium, des heiligen Benediktus Mönchsregel, übers. v. Pius Bihlmeyer u.a. (= BdK Reihe 1, Bd.20), Kempten-München 1914, DM 30,- > Lateinische Literatur > S Sulpicius Severus

  Sulzburg, Kirche, Frauengemeinschaft: Am Anfang der Geschichte der Frauengemeinschaft im 840 erstmals genannten Sulzburg stehen die Urkunden König Ottos III. (984-1002) und Heinrichs II. (1002-1024) von 993 und 1004. 993 errichtete ein Graf Birthilo, vielleicht identisch mit dem Zähringer "Bezelinus von Villingen" (991/96-1024), ein Benediktinerinnenkloster, dessen Kleriker Bezelin 1004 eine Markturkunde für den Klosterort Rinken erhielt. 1008 wurde die Frauenkommunität dem Baseler Bischof unterstellt, die Herren von Üsenberg gelangten an die Vogtei, die seit 1371 in den Händen der Grafen von Freiburg, dann in denen der Markgrafen von Hachberg lag. Seit 1415 gehörten Kloster und Stadt Sulzburg zum badischen Territorium, Markgraf Ernst von Baden-Durlach (†1553) machte Sulzburg zu seiner Residenz (1515/35). Das Kloster wurde 1548 vorläufig, 1556 endgültig aufgehoben, 1769 fielen die Klostergebäude einem Brand zum Opfer, nur die vorromanisch-romanische Klosterkirche, dem Cyriakus geweiht, überstand die Zeiten. Verwiesen sei auf: Hauser, Uwe, Fries, Helmut (2011), Sulzburg. St. Cyriak (= Peda Kunstführer Nr.832), Passau 2011, 33 S., Farbabbildungen, Pläne, € 3,50. [Buhlmann, 07.2016]

Svensson, Patrik (2020), Das Evangelium der Aale, München 2020, 256 S., € 22,-. Noch nie stand es um die europäischen Aalbestände so schlecht wie heute. Biologen, Fischkundler, Umweltaktivisten, Angler und Berufsfischer wissen das schon länger, doch die sogenannte breite Masse schien dies bislang wenig zu interessieren. Aale sind eben keine Kuscheltiere und lassen sich nicht wie Pandabären öffentlichkeitswirksam präsentieren. Umso erstaunlicher ist der Erfolg des schwedischen Autors Patrik Svensson, dessen Buch über die Geschichte der Mensch-Aal-Beziehung bereits in über 30 Sprachen übersetzt wurde. Tatsächlich darf sein in der Antike beginnender und in der Jetztzeit endender Streifzug durch die "Aalhistorie" eine Glanzleistung genannt werden. Svensson erlaubt sich Fragen zu formulieren, auf die er keine Antwort zu geben weiß, die seinen Lesern aber tiefe Einblicke in die lange Geschichte menschlicher Überlegungen zur Unergründlichkeit des "Aalwesens" geben: "Erlebt so ein Wesen Zeit überhaupt als etwas, das verstreicht oder eher als Zustand? Hat es schlicht eine eigene Zeitrechnung, die sich von der unseren unterscheidet? Eine Zeitrechnung des Meeres vielleicht?" Und so finden sich im "Evangelium der Aale" auch Aussagen, wie man sie heute nur noch selten zu lesen bekommt, wie beispielsweise folgende: "Wenn man der Auffassung ist, dass der Aal ein Aal sein darf, muss man ihm zumindest bis zu einem gewissen Grad auch erlauben, ein Rätsel zu bleiben. Zumindest bis auf Weiteres." Svensson macht es Sorgen, dass der Aal verschwunden sein könnte, bevor die Menschen ihn überhaupt in seinem ganzen Facettenreichtum erkannt haben. Und kommt zu folgender Überlegung zur Rettung des Fisches "Wenn es dem Menschen nicht mehr erlaubt ist, Aal zu fischen - ihn zu fangen, zu töten und zu essen -, wird er sich auch nicht mehr für ihn interessieren." [Bötefür, 10.2023]

SVGBaar = Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar

Sydow, Jürgen (Bearb.) (1984), Die Zisterzienserabtei Bebenhausen (= GS 16 = Das Bistum Konstanz 1), Berlin-New York 1984 > B Bebenhausen

Szkiet, Christine (2005), Reichenauer Codices in Schaffhausen. Die frühen Handschriften des Schaffhauser Allerheiligenklosters und ihre Stellung in der südwestdeutschen Buchmalerei des 11. Jahrhunderts (= Kieler kunsthistorische Studien, Neue Folge, Bd.9), Kiel 2005 > R Reichenau

Szondi, Peter (1963), Theorie des modernen Dramas (= es 27), Frankfurt a.M. 1963, 71970 > D Deutsche Literaturgeschichte

Szyrocki, Marian (Hg.) (1977), Poetik des Barock (= RUB 9854), Stuttgart 1977, 269 S., DM 1,-. Die deutsche Barockdichtung im 17. Jahrhundert war stark eingebunden in eine (lateinisch-antike) Theorie der Poetik (deutschsprachige Poetiken), die sich bemühte, literarische Vorbilder aus Antike, Mittelalter und Humanismus nutzbar zu machen (rhetorische Tradition, Rhetoriken: inventio, loci communes ["Gemeinplätze", Topik]; dispositio, Gliederung, Thematik; elocutio, Stillehre, Verskunst [Metrik, Reimkunst]). Deutschsprachige Poetiken des Barock sind dann: Martin Opitz (*1597-†1639), Buch von der deutschen Poeterey (1624); Augustus Buchner (*1591-†1661), Anleitung Zur Deutschen Poeterey (1630er, 1663); Philip Zesen (*1619-†1689), Deutscher Helicon (1640); Johann Peter Titz (*1611-†1689), Zwey Bücher Von der Kunst Hochdeutsche Verse und Lieder zu machen; Johann Klaj (*1616-†1656), Lobrede der Teutschen Poeterey (n.1644); Philipp Harsdörfger (*1607-†1658), Poetischer Trichter; Andreas Tscherning (*1611-†1659), Unvorgreiffliches Bedencken über etliche mißbräuche in der deutschen Schreib- und Sprach-Kunst (1640er-, 1659); Gottfried Wilhelm Sacer (*1635-†1699), Nützliche Erinnerungen Wegen der Deutschen Poeterey (1661), Reime dich oder ich fresse dich (1673); Daniel Georg Morhof (*1639-†1691), Unterricht Von der Teutschen Sprache und Poesie; Albrecht Christian Rotth (*1651-†1701), Vollständige Deutsche Poesie; Christian Weise (*1641-†1708), Curiöse Gedancken Von Deutschen Versen; Benjamin Neukirch (*1665-†1729), Vorrede der Anthologie "Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen Gedichte" (1695). [Buhlmann, 11.2015]

Sørensen, Villy (1984), Seneca. Ein Humanist an Neros Hof, München 21985 > S Seneca

Intro A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z