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Rezensionen (Geschichte)
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Intro A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z

Lademacher, Horst (1983), Geschichte der Niederlande. Politik, Verfassung, Wirtschaft, Darmstadt 1983 > N North, Geschichte der Niederlande

Länder der Bibel. Archäologische Funde aus dem Vorderen Orient, hg. v. hg. v. Oscar White Muscarella (1981) (= Ausstellungskatalog), Mainz 1981 > B Bibel

Läufer, Josef (1995), Maria in der Tanne. Eine Dokumentation über die Entstehung der Wallfahrt in Triberg, Triberg 1995 > T Triberg

Läufer, Josef (2010), Die Grabtücher Jesu. Der göttliche Bildbericht über Leiden, Tod und Auferstehung Jesu, Furtwangen 2010 > J Jesus Christus

Läufer, Thomas (Hg.) (2005), Verfassung der Europäischen Union. Verfassungsvertrag vom 29. Oktober 2004. Protokolle und Erklärungen zum Vertragswerk (= bpb Schriftenreihe, Bd.474), Bonn 2005 > E Europäische Union

Lagerlöf, Selma, schwedische Schriftstellerin: Selma Lagerlöf, geboren am 20. November 1858 im schwedischen Ma°rbacka, war Lehrerin, bevor sie sich der Schriftstellerei zuwandte. Ihr Erstlingswerk "Gösta Berling" (1891) begründete ihren Weltruhm (Nobelpreis für Literatur 1909, Mitglied der schwedischen Akademie der Wissenschaften 1914). Es folgten, u.a. als moderne religiöse Dichtung: "Die Königinnen von Kungahälla" (1899), "Die Wunder des Antichrist" (1899), "Jerusalem" (1901), "Herrn Arnes Schatz" (1904), "Christuslegenden" (1904), "Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen" (1907), "Ein Stück Lebensgeschichte" (1908), "Ma°rbacka - Erinnerungen" (1922), "Aus meinen Kindertagen" (1930) u.a. Lagerlöf starb am 16. März 1940 in Ma°rbacka.
Von Lagerlöfs literarischem Werk sind u.a. erschienen: Lagerlöf, Selma (1891), Gösta Berling, Berlin o.J., 367 S.; Lagerlöf, Selma (1891), Gösta Berling (= dtv 59/60), München 1962, 392 S., DM 4,80; Lagerlöf, Selma (1894/1921), Die schönsten Sagen und Märchen (= dtv 1593), München 1980, 338 S., DM 12,80; Lagerlöf, Selma (1894/1921), Die schönsten Sagen und Märchen (= dtv 11506), München 81993, 338 S., DM 14,90; Lagerlöf, Selma (1894/1925), Die schönsten Legenden (= dtv 1391), München 1978, DM 6,80; Lagerlöf, Selma (1901/02), Jerusalem. Roman (= dtv 13695), München 2008, 614 S., € 12,90. [Buhlmann, 09.2017, 01.2021, 06.2021, 07.2023]

Lahnstein, Peter (1982), Auf den Spuren von Karl V. (= Bastei-Lübbe Tb 64059), Bergisch Gladbach 1982 > S Schorn-Schütte, Karl V.

Lahrer Hinkender Bote. Der badische Kalender für das Jahr, hg. v.d. Lahrer Zeitung - die Jahreshefte enthalten mitunter auch historische Beiträge: Lahrer Hinkender Bote 2013, hg. v.d. Lahrer Zeitung, [Lahr] [2012] (u.a. mit den Beiträgen: Walter Ebner, Hermann von Reichenau zum 1000. Geburtstag. Das behinderte Universalgenie; Manfred Dod, 750 Jahre Stadt Neudenau. Idyll im einstigen Grenzland; Werner Huger, Der Villinger Lokalheld Romäus kam vor 500 Jahren zu Tode. Als ein Riese das Rottweiler Stadttor stahl; Eugen Dieterle, Kulturlandschaft im Wandel. Oh Schwarzwald - oh Heimat - oh, oh, oh ...); Lahrer Hinkender Bote 2018, hg. v.d. Lahrer Zeitung, [Lahr] [2017] (u.a. mit den Beiträgen: [N.N.], Der kleine Schwarzwaldort auf der Höh wird 900 Jahre alt. St. Märgen feiert Geburtstag; Markus Eisen, Übergabe der Vauban-Kaserne am 25. August 1992 in Freiburg. Zum Abzug der französischen Streitkräfte aus Baden vor 25 Jahren). [Buhlmann, 12.2021]

Lambrechts, Paul, Rosenfeld, Hellmut u.a. (Bearb.) (1961), Abriß der Geschichte antiker Randkulturen (= Oldenbourg Abriß der Weltgeschichte), München 1961 > V Vorgeschichte

Landschaft: Landschaft ist geografisch ein durch bestimmte Charakteristika geprägtes Gebiet, ein Landstück auf der Erde (Naturlandschaft), historisch-kulturell ein durch menschliche Gesellschaften im historischen Verlauf gestaltetes Landgebiet (Kulturlandschaft). Beide Formen durchdringen sich, insbesondere ist die Vegetation einer Landschaft (Ackerbau, Wald, Rodung, Heide) vielfach das Ergebnis menschlicher Aktivitäten in geschichtlichen Zeiträumen. Mensch und Landschaft gingen und gehen daher ein Beziehungsgeflecht miteinander ein, ablesbar am kulturellen Charakter einer Landschaft (Dörfer, Städte; Ökonomie <-> Ökologie). Kultur und Natur einer Landschaft vermitteln dem Menschen eine Landschaftsästhetik, die im Rahmen objekt- (Proportion [Goldener Schnitt], Rhythmus, Symmetrie, Licht, Farbe) und subjektbezogener Grundlagen (ästhetisches Verhalten der Menschen, menschliche Sinne, Synästhesie) dem menschlichen Betrachter Ästhetik, Schönheit, Erotik einer Landschaft (Natur, anthropogene Einflüsse, Kultur, Heimat, Landschaftsbeschreibung, bildende Kunst, Fotografie) vermitteln bzw. Leitlinien zur Landschaftsgestaltung (gesetzliche Grundlagen bei Landschaftsbild und [historischer] Kulturlandschaft, Bewertung von landschaftlicher Schönheit, Leitbilder und Ziele, Landschaftszerstörung) dem Menschen an die Hand geben.
Zu den ökologischen Gesichtspunkten von (moderner) Landschaft vgl. Knauer, Norbert (1981), Vegetationskunde und Landschaftsökologie (= UTB 941), Heidelberg 1981, Abbildungen, DM 29,80, zu den ästhetischen s.: Wöbse, Hans Hermann (2002), Landschaftsästhetik. Über das Wesen, die Bedeutung und den Umgang mit landschaftlicher Schönheit, Stuttgart 2002, 304 S., Schwarzweißabbildungen, Farbfotos, € 79,-. [Buhlmann, 12.2019, 10.2020]

Landwehr, Achim (2014), Geburt der Gegenwart. Die Geschichte der Zeit im 17. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2014, 445 S., Schwarzweißabbildungen, € 24,99. Im 17. Jahrhundert ist in Europa ein Wandel im Zeitbewusstsein zu vermerken. U.a. Kalender(blätter) und Zeitungen waren die Druckmedien, die auf diesen Wandel hinweisen; Uhren und Kalender standen für die sich ausweitende Macht einer Zeiterfassung, die nunmehr autonom von Geschehnissen und Ereignissen war; Zeitmessung maß das Verstreichen der Zeit, ließ also das Gemessene verschwinden (Zeitverlust). Die Menschen begannen in mehreren sozialen Zeiten zu leben (Vielzeitigkeit/Pluritemporalität), die christlich-religiöse Zeit zwischen Weltschöpfung und Weltende (Jüngstes Gericht) wurde nicht mehr als absolut angesehen; das Weltende verschwand aus dem Zeitbewusstsein, es gab einen Anfang ohne Ende, eine nicht vorherbestimmbare Zukunft, wodurch die Gegenwart für den Einzelnen bedeutsam (Einordnung persönlicher Erfahrungen in die Zeit), die Zukunft (im Rahmen von Wahrscheinlichkeiten, Entwicklungen und Projekten) planbar wurde (temporaler Rahmen). Die "Geburt eines neuen Zeitwissens" passt zu den wissenschaftlichen Entdeckungen des (ausgehenden) 17. Jahrhunderts, repräsentiert u.a. durch Galileo Galilei und Isaac Newton. [Buhlmann, 11.2014]

Lang, Bernhard (2019), Himmel, Hölle, Paradies. Jenseitswelten von der Antike bis heute (= BSR 2900), München 2019, 128 S., Schwarzweißabbildungen, € 9,95. Betrachtet werden: die heidnische Antike, die ein innerweltliches Jenseits kannte (Götter im diesseitigen Götterhimmel [Berge, Meer, Unterwelt]: Theogonie, hierarchische Ordnung der Götter; diesseitige Unterwelt der Toten [im Erdinnern]: Eingang der Toten ins Totenreich [Tartaros, Hades] nach Totengericht -> Qualen des Tantalos und des Sisyphos; Eindringen in die Unterwelt [Theseus, Odysseus, Aenaes]) und die in philosophischer Deutung ein Oben und Unten auf der Erde unterschied (Platon: jenseitige Mythen -> "wahre Erde" und Erdsenken [Ökumene, Totenreich] auf der Erdkugel; Plutarch: Erde - Hades [zwischen Erde und Mond] - Mond [Elysium] - Sonne [Götterort]; Epikur, Lukrez: kein Leben nach dem Tod), wobei solche Auffassungen u.a. aus der griechisch-römischen Kultur des Rechts und der Reflexion resultierten; das antike Judentum, das den Himmel des Gottes Jahwe (Gottespalast und Gottesthron [Jahwe, regierende Götter/stellvertretende Götter/Gottessöhne/Älteste/Engel, Götter/Erzengel, Personal/Kerubim u.a./Feuergeister u.a./Engel) und die Scheol als Totenreich (als "dunkle Höhle" im Erdinnern, wobei Tote auch in den Himmel aufsteigen können) kannte; das frühe Christentum mit der jüngeren jüdischen Vorstellungen entnommenen Darstellung des Himmels und der Himmelshierarchie (neutestamentliches Buch der Offenbarung) und der ägyptischem Vorbild entnommenen, von Jesus propagierten "Vernichtungshölle" (Gehenna; Totenrichter Christus und Bestrafung der Sünder -> Paradieshölle, Strafhölle [mit ewigen Höllenstrafen]) - jüngeres Judentum und Christentum profitierten in der Ausbildung ihrer Religion von der eklektischen Kultur des Hellensimus -; der Islam mit der Hölle (Höllenfeuer) "unterhalb" der von den Menschen bewohnten Welt (sieben unterirdische Erden, Hölle mit dem Verlies Satans), den sieben Himmeln und dem Paradies (als achten Himmel) "oberhalb" davon und den von Engeln umgebenen einen Gott (Allah), theologisch aufbereitet etwa in der Jenseitsreise des Propheten Mohammed, philosophisch durch die Jenseitsphilosophie des Al-Ghazali (†1111) (mystische Theologie ausgerichtet auf den transzendenten Gott), im Spannungsfeld von Prophetie (Koran), Erotik und Askese; das spätantike Christentum der Jenseitsphilosophie des Augustinus (†430) (Confessiones, De civitate dei -> christlicher Neuplatonismus: Stufenfolge [Gott, Engel, Mensch, böse Engel, verdammte Menschen], irdische und ewige Güter des Menschen), das mittelalterliche Christentum der Divina Commedia Dante Alighieris (†1321) (geozentrisch-theologisches Weltbild -> Stufenfolge: göttliche Trinität, Himmelsrose, neun Himmel [Engelssphäre bis Mond; Paradiso], irdisches Paradies, neun Stufen des Läuterungsbergs [Purgatorio], Erdoberfläche, neun Höllenkreise, Ort Luzifers [Inferno]), das frühneuzeitliche Christentum der Visionen Emanuel Swedenborgs (†1772) (Himmel und Hölle, 1758: Himmel, Welt, Geisterwelt, Hölle, umfasst von Gott); das Verhältnis der Aufklärung und Moderne zum Christentum (Naturalismus in einer einzigen, diesseitigen Welt [Naturwissenschaften, Theologie]; Pantheismus [als Widerspiegelung Gottes in sämtlicher Natur, unsterbliche Seele des Menschen]; Existenzialismus [Rudolf Bultmann, Gotthold Hasenhüttl, Karl Rahner u.a. -> "Theologie ohne Jenseits" -> Vernunftordnung versus Gefühlsordnung]). [Buhlmann, 12.2019]

Lange, Irmgard [o.J.], Caspar Ulenberg (1548-1617) (= Heimatkundliches in und um Kaiserswerth, Nr.6), [Düsseldorf-Kaiserswerth] o.J. > H Heimatkundliches in und um Kaiserswerth

Lange, Kurt, Hirmer, Max (1955), Ägypten. Architektur, Plastik, Malerei in drei Jahrtausenden, München 51976 > A Ägyptische Geschichte, 3. Jahrtausend-4./1. Jahrhundert v.Chr.

Lange, Peter (1957), Dorfkirchen (= Unsere schöne Heimat), Dresden 1957 > S Sakralarchitektur

Langen, Ruth (1989), Die Bedeutung von Befestigungen in den Sachsenkriegen Karls des Großen, in: WZ 139 (1989), S.181-211 > K Karl der Große

Langenbach, Wilhelm (1911), Stift und Stadt Werden im Zeitalter des dreißigjährigen Krieges, in: WB 15 (1911), S.1-145 > W Werden

  Langewiesche-Bücherei ist eine Reihe zu deutschen Landschaften, zur Kunst und Architektur. U.a. beschreibt Korn, Karl ([1957]), Der Rheingau, Königstein i.T. o.J. [1957], 48 S., Schwarzweißtafeln, DM 2,40, die Geschichte des mittelrheinisch-fränkischen Rheingaus zwischen Eltville und Rüdesheim als frühmittelalterliche Königslandschaft fränkisch-ostfränkischer Herrscher (Grafschaft, Königsgut), die durch die Veroneser Schenkung König Ottos II. (973-983) weitgehend an den Mainzer Erzbischof Willigis (975-1011) kam. In der Folge war der Rheingau Teil des sich ausbildenden Territoriums der Mainzer Erzbischöfe, ablesbar u.a. an geistlichen Institutionen wie die Abtei Eberbach oder das Hildegard-Kloster Eibingen oder an den Pfarrkirchen Geisenheim, Kiedrich, Martinstal, Mittelheim; Vorort der Mainzer Erzbischöfe im Rheingau war Eltville. Reformation, Bauernkrieg und Dreißigjähriger Krieg betrafen den frühneuzeitlichen Rheingau; 1803 kamen die Herrschaft der Mainzer Erzbischöfe und damit der Rheingau als "geistliche Landschaft" zu ihrem Ende. Im 19. Jahrhundert war der Rheingau Teil des Fürstentums Nassau und des Königreichs Preußen (ab 1866). - Weiter stellt Rode, Herbert ([1970]), Der Kölner Dom, Königstein i.T. o.J. [1970], 57 S., Schwarzweißtafeln, Plan, DM 2,50, die architektonische Entwicklung der (neu-) gotischen Kölner Kathedrale vor (Grundsteinlegung 1248; rationale Planung des Kirchenbaus -> Mehrschiffigkeit von Lang- und Querhaus, Chor [Chorgestühl 1308/11, Weihe 1322, Kapellen], Lang- und Querhaus [als Provisorium], Petrusportal [1360/90], Einstellung der Bauarbeiten [n.1520], Wiederaufnahme der Bauarbeiten 1842, Vollendung von Lang- und Querhaus, 157m hohe Westtürme, Domvollendung 1880, Kriegsschäden [1939/45] und Instandsetzung), dies unter Berücksichtigung der aus dem Mittelalter erhaltenen Kunstwerke (Gerokreuz [ca.970], Goldsarkophag der Gebeine der Heiligen drei Könige [ca.1200], Chorarchitektur, Glasmalerei im Chor [ca.1260], Grabmal des Kölner Erzbischofs Konrad von Hochstaden [1310/20], Flügelaltar Stephan Lochners [ca.1440]). [Buhlmann, 01.2018, 05.2023]

Langner, Beatrix (2013), Jean Paul. Meister der zweiten Welt. Eine Biographie, München 2013 > P Paul, Jean

Lapide, Pinchas (1986), Ist die Bibel richtig übersetzt?, Bd.1 (= GTB 1415), Gütersloh 51995 > B Bibel

Larnder, Harold (1984), The Origin of Operational Research, in: OR Forum 32,2 (1984), S.465-475. Die Anfänge des Operations Research (OR) liegen in Krieg und Kriegsplanung, beim Militär. OR-ähnliche Betrachtungen finden sich bei Archimedes, Leonardo da Vinci, Galileo Galilei oder J.H. Pointing (1877), doch erst die Jahre vor und im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) haben OR im eigentlichen Sinne enstehen lassen bzw. befördert (deutsche "Luftwaffe" und britische Luftabwehr [1930er-Jahre], Battle of Britain [1940]). [Buhlmann, 08.2014]

Latein, indoeuropäische Sprache: Latein, die lateinische Sprache ist vor rund 2700 Jahren entstanden und war zunächst die Sprache der Römer, der Einwohner des sich zur Stadt entwickelnden Roms. Für das 6. vorchristliche Jahrhundert ist die früheste lateinische Inschrift in Rom bezeugt, weitere Inschriften lassen den Zusammenhang des frühen Latein zur italischen Sprachgruppe und mithin zum Oskischen und Umbrischen erkennen. Latein gehört damit zur Gruppe der von Europa bis nach Indien verbreiteten indogermanischen Sprachen. Mit dem politischen Aufstieg des Stadtstaates Rom zur den Mittelmeerraum beherrschenden Weltmacht (Imperium Romanum) verbreitete sich die lateinische Sprache von England bis nach Syrien, wobei im östlichen Mittelmeerraum das Griechische vorherrschend blieb. In die Epochen der mittleren und späten Republik sowie der römischen Kaiserzeit fallen die lateinische Vorklassik, Klassik und Nachklassik. Die klassische Zeit der lateinisch-römischen Literatur im 1. vorchristlichen bis 1. nachchristlichen Jahrhundert ist verbunden mit besonderen Leistungen in Dichtung (Vergil, Ovid), Rhetorik (Cicero, Quintilian) und Geschichtsschreibung (Sallust, Caesar, Livius, Tacitus). Die Nachklassik klingt im 3. Jahrhundert, im Zeitalter der Krise des römischen Kaiserreiches, aus. In der Spätantike, im 4. und 5. nachchristlichen Jahrhundert, verstärkten sich sprachliche Entwicklungen, die das sog. Vulgärlatein, das Lateinische als Volkssprache, von der Hochsprache des schriftlichen Latein weiter abkoppelten. Auch die Schriftsprache unterlag - etwa in der Aussprache - Veränderungen. Das Vulgärlatein war dann - über regionale Dialektbildungen - Ausgangspunkt für die sich im Übergang von Spätantike zum Mittelalter formierenden romanischen Sprachen Italienisch, Französisch, Spanisch usw. Das Lateinische als Hoch- und Schriftsprache blieb von dieser Entwicklung weitgehend unberührt. Das Latein des Mittelalters, das sog. Mittellatein, war die Sprache der christlichen Kirche, der Bildung und der Wissenschaften (Theologie, Philosophie, artes liberales). Der Humanismus des 15. und 16. Jahrhunderts ahmte mit seinem "neuen" Latein das der klassischen römischen Antike nach. Latein blieb in der frühen Neuzeit eine wichtige überregionale Sprache, doch nahm seine Bedeutung vom 18. bis 20. Jahrhundert stetig ab. In neuerer Zeit verlor Latein seinen Einfluss als Sprache der Wissenschaft, es ist aber immer noch die Amtssprache der katholischen Kirche. Z.B. über Lehnwörter hat das Lateinische nichtsdestotrotz durch alle Jahrhunderte auf andere Sprachen, auch auf die deutsche, eingewirkt.
Zur Entwicklung und Bedeutung der lateinischen Sprache vgl. dann: Janson, Tore (2006), Latein. Die Erfolgsgeschichte einer Sprache, Hamburg 2006, VIII, 261 S., € 22,80; Stroh, Wilfried (2008), Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer großen Sprache (= List 60809), Berlin 2008, 414 S., € 9,95; Vossen, Carl (1968), Mutter Latein und ihre Töchter. Weltsprachen und ihr Ahnenpaß, Düsseldorf 121984, 200 S., DM 25,-. Neben der eben dargelegten historischen Dimension der lateinischen Sprache ist Latein auch die Sprache von Geschichtsquellen etwa in Antike und Mittelalter. Zu ihrer Entschlüsselung stehen als Hilfsmittel Wörterbücher und Grammatiken zur Verfügung: Bradtke, Michael (Hg.) (2016), Lateinische Stilmittel (= RUB 19914), Stuttgart 2016, 140 S., € 5,40; Cursus Continuus. Grammatischer Begleitband. Ausgabe A, hg. v. Gerhard Fink u. Friedrich Maier (1995), Bamberg-München 1995, 176 S., DM 22,80; Diefenbach, Lorenz (Bearb.), Glossarium Latino-Germanicum mediae et infimae aetatis, 1857, Nachdruck Darmstadt 1997, 644 S., € 39,90; Duden Schulgrammatik (extra) Latein (5. bis 10. Klasse). Grammatik, Texterschließung und Übersetzung (2011), Berlin-Mannheim-Zürich 22011, 128 S., Tabellen, € 12,95; Fajen, Fritz (2010), Lateinische Grammatik. Ein Repetitorium mit besonderer Berücksichtigung des Verbs (= RUB 19782), Stuttgart 2010, 103 S., € 3,60; Georges, K.E., Georges, Heinrich (Hg.) (1910), Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Bd.I: A-H, Bd.II: I-Z, 71910, Nachdruck Darmstadt 1985, VI S., 2872 Sp., DM 100,-; Haas, Hans, Kienle, Richard von, Lateinisch-Deutsches Wörterbuch. Mit einer Einleitung über Sprachgeschichte, Lautgeschichte, Formenlehre und Wortbildungslehre, Berlin-Darmstadt-Wien o.J. [1979], 48*, 617 S., DM N.N.; Habel, Edwin, Gröbel, Friedrich (Hg.) (1989), Mittellateinisches Glossar (= UTB 1551), Paderborn 21989, XXI S., 432 Sp., DM 22,80; Hahn, Rainer (Bearb.) (2005), Pons: Verbtabellen. Latein, Stuttgart 72009, 88 S., € 6,50; Kytzler, Bernhard, Redemund, Lutz (1992), Unser tägliches Latein. Lexikon des lateinischen Spracherbes, Augsburg 1995, XXXVIII, 977 S., DM N.N.; Langenscheidt Großes Schulwörterbuch: Lateinisch-Deutsch, hg. v.d. Langenscheidt-Redaktion (2008), Berlin-München-Wien-Zürich-New York 2008, 963 S., € 22,90; Langenscheidts Taschenwörterbuch: Latein. Tl.1: Lateinisch-Deutsch, v. Hermann Menge (1963), bearb. v. Erich Pertsch, Berlin-München-Wien-Zürich-New York 471997, 576 S., DM 25,80; Pons Praxiswörterbuch Latein. Latein-Deutsch. Deutsch-Latein, Stuttgart 2015, 622 S., € 9,99; Schareika, Helmut (Bearb.) (2005), Grammatik kurz & bündig. Latein, Stuttgart 2005, 136 S., € 6,95; Schörner, Georg (Bearb.) (1968), Langenscheidts Grammatiktafel: Latein, Berlin-München 141992, 16 S., 2 Tafeln, DM 5,80; Stock, Leo (Bearb.) (1970), Langenscheidts Kurzgrammatik: Latein, Berlin-München 171992, 80 S., DM 5,80; Der kleine Stowasser. Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch, bearb. v. Michael Petschenig (1960), München 1971, 542 S., DM 12,20; Troll, Paul (1948), Lateinische Sprachlehre (= Lateinisches Unterrichtswerk), Frankfurt a.M.-Berlin-München 171973, 224 S., DM 8,80; Urban, Albert J. (Hg.) (2006), Latein-Wörterbuch. Lateinisch-Deutsch. Deutsch-Lateinisch, Erftstadt 2006, 432 S, € N.N.; > Latein, Lateinische Grammatik (MBLateinGrammatik). Anthologien lateinischer Texte sind: Korenjak, Martin (Hg.) (2019), Neulatein. Eine Textsammlung. Lateinisch-Deutsch (= RUB 19610), Stuttgart 2019 (mit Texten von: [Prosa:] Petrarca, Bracciolini, Valla, Pius II., Fabri, Mirandola, Morus, Luther, Melanchthon, Kopernikus, Salazar, Magnus, Lipsius, Grotius, Thou, Barclay, Harvey, Fermat, Descartes, Comenius, Newton, Wolff, Holberg, Benedikt XIV.; [Dichtung:] Mantovano, Celtis, Pontano, Hussowski, Sannazaro, Vida, Macrin, Secundus, Frischlin, Pétau, Sarbiewski, Balde, Pascoli) > K Korenjak, Geschichte der neulateinischen Literatur; Voit, Ludwig, Bengl, Hans (1950/51), Römisches Erbe. Ein Lesebuch lateinischer Literatur, 2 Bde., [Bd.1:] [Texte], München 21958, 381 S., Schwarzweißtafeln, Karten, [Bd.2:] Erläuterungen, München 31955, 350 S., Schwarzweißtafeln, Karten, zus. DM 6,35, N.N., [Bd.1:] [Texte], München 41968, 381 S., Schwarzweißtafeln, Karten, [Bd.2:] Erläuterungen, München 51967, 350 S., Schwarzweißtafeln, Karten, zus. € 15,- (mit Texten als/von: Zwölftafelgesetz, Naevius, Ennius, Lucilius, Cato, Lukrez, Catull, Sallust, Caesar, Cicero, Vergil, Horaz, Tibull, Properz, Ovid, Copa, Livius, Vitruv, Lukan, Martial, Iuvenal, Petronius, Seneca, Plinius d.J., Tacitus, Sueton, Plinius d.Ä., Quintillian, Gaius, Apuleius, Claudian, Ausonius, Namatian, Anthologia Latina, Ammian, Symmachus, Boethius, Augustinus, Inschriften, Syrus); > Lateinische Literatur. [Buhlmann, 06.2008, 09.2009, 11.2011, 01.2012, 10.2013, 06.2014, 08.2014, 11.2020, 01.2021, 09.2021, 03.2023, 02.2024]

Lateinische Fabeln des Mittelalters. Lateinisch - deutsch, hg. v. Harry C. Schnurr (1979) (= TuscB), München 1979, 368 S., DM 44,-. Insbesondere im frühen und hohen Mittelalter war die lateinische (Prosa-, Vers-) Fabel im christlich-katholischen Europa verbreitet, fußend weitgehend auf der lateinischen Fabelliteratur aus Antike und Spätantike. Das galt für den spätantiken Romulus (um 400 n.Chr., Romulus vulgaris), dessen Fabeln in den Werken von Vincent von Beauvais (†1264?), Gualterus Anglicus (v.1177) und Alexander Neckam (†1217) Verwendung fanden und u.a. von dort aus weiter tradiert wurden. Der äsöpsche Typ der Tierfabel wurde im Mittelalter weiterentwickelt zum Tierepos ("Reineke Fuchs", "Isengrim" u.a.). Fabeln fanden Verwendung in Predigten und geistlichen Werken wie bei Odo von Cherington (13. Jahrhundert, 1. Hälfte; Mönchskritik), einem unbekannten Bischof Cyril von Basel (13. Jahrhundert; Speculum sapientiae), bei Nikolaus Pergamenus (14. Jahrhundert, 1. Hälfte; Dialogus creaturarum). Daneben offenbart das Directorium vitae humanae (Johann von Capua; ca.1270) orientalisch-indisch-persische Einflüsse auf die mittellateinische Fabelliteratur. Ab dem 14. Jahrhundert wurden die lateinischen Fabeln zunehmend von den volkssprachlichen verdrängt. Erst von Gelehrten des Humanismus (Poggio, Abstemius) stammen wieder einige lateinische Fabeln. > Lateinische Literatur > C Cyril von Basel, G Gualterius Anglicus, J Johann von Capua, N Alexander Neckam, Nikolaus Pergamenus, O Odo von Cherington, R Romulus, V Vincent von Beauvais [Buhlmann, 04.2017]

Laube, Adolf, Steinmetz, Max, Vogler, Günter (1974), Illustrierte Geschichte der deutschen frühbürgerlichen Revolution, Berlin 1974, 416 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Karten, M 45,-. I. Das 15./16. Jahrhundert als Ausklang [und "Herbst"] des Mittelalters war - nach marxistisch-leninistischer Lehre - ein Epoche der Hinwendung zum Frühkapitalismus bei gleichzeitiger Zurückdrängung der mittelalterlichen Feudalgesellschaft (Stadt und Land; Agrarproduktion, "feudale Produktionsverhältnisse auf dem Lande"). Frühbürgerliche Gesellschaftsformen bildeten sich im Umfeld "kapitalistischer Produktionsverhältnisse" etwa beim Bergbau und Hüttenwesen oder in der Textilproduktion aus, frühkapitalistisches Unternehmertum repräsentierten etwa die Handelsfamilien der Fugger und Welser. Kirchliche Missstände in den Formen der Papstkirche, ein Auseinanderstreben von "Staat" und Kirche, Kriege, "Türkengefahr" und gravierende soziale Missverhältnisse zwischen Arm und Reich kulminierten am Ende des Mittelalters vielfach in sozialen Unruhen als "Zuspitzung der Klassenkämpfe" am "Vorabend der frühbürgerlichen Revolution" (sog. Hegauer Bundschuh [1460]; Pfeifer von Niklashausen [1476]; Elsässer Bundschuhverschwörung [1493], Bundschuhaufstände im Bistum Speyer [1502], im Breisgau [1513] und am gesamten Oberrhein [1517]; Erfurter "tolles Jahr" [1509/10] und weitere Erhebungen in deutschen Städten; Aufstand des "Armen Konrad" [1514]). II. Die "deutsche frühbürgerliche Revolution" war eng verbunden mit Reformation (1517) und Bauernkrieg (1524/25). Reformation bedeutet dabei die Ablösung der altkirchlichen Ordnung durch das lutherisch-protestantische Kirchensystem der spätmittelalterlich-frühneuzeit-lichen Landesherrschaften, die Reformation ist der Zeitabschnitt vom Wittenberger Thesenanschlag Martin Luthers (*1483-?1546) im Jahr 1517 bis zum Augsburger Religionsfrieden von 1555. Die den Raum von Mitteldeutschland bis zum deutschen Südwesten erschütternden sozialen Unruhen des Bauernkriegs als "Höhepunkt der deutschen frühbürgerlichen Revolution" endeten mit der Niederlage der aufständischen Bauern; ein Protagonist des Bauernkriegs war insbesondere der Theologe und Sozialrevolutionär Thomas Müntzer (*ca.1489-†1525). Bei Weiterbestehen von Reformation und "antifeudaler" Kräfte (Wiedertäufer, Täuferreich in Münster, bürgerlicher Kapitalismus) war in Deutschland der territoriale Fürstenstaat Gewinner der Entwicklungen in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Es dauerte noch Jahrhunderte, bis sich die "Bourgeoisie" in Europa politisch durchsetzen konnte (Französische Revolution 1789, deutsche Revolution von 1848/49, Karl Marx und Friedrich Engels). [Buhlmann, 10.2022]

Laudage, Christiane (2012), Kampf um den Stuhl Petri. Die Geschichte der Gegenpäpste, Freiburg-Basel-Wien 2012, 259 S., € 19,99. [Gegenpapst ist (ex eventu) derjenige, der im kirchlich-machtpolitischen Kampf zwischen zwei gegeneinanderstehenden Päpsten seinem Rivalen unterliegt.] Die Papstgeschichte der Antike und des Mittelalters kennt eine Vielzahl von Gegenpäpsten, angefangen beim heiligen Hippolyt (217-235) über die (Pseudo-) Gegenpäpste Novatian (251-258?), Felix II. (355-365), Ursinus (366-367) und Laurentius (498-499, 501-506; Doppelbesetzungen des römischen Bischofsamtes), über Anastasius Bibliothecarius (855, †ca.878), über die Gegenpäpste zur Zeit der ottonischen Kaiser Bonifatius VII.-Franko (974, 984-985) und Johannes XVI. Philagathos (997-998), über die Gegenpäpste des Investiturstreits Clemens III.-Wibert von Ravenna (1084-1100) mit Theoderich (1100-1101), Albert (1101), Silvester IV. (1105-1111) und Gregor VIII. (1118-1121), über das anakletianische (Anaklet II., 1130-1138) und das alexandrinische Papstschismas (1159-1177; Viktor IV., 1159-1164; Paschalis III., 1164-1168; Calixt III., 1168-1178) bis zu den Päpsten des Großen Papstschismas (1378-1417) in Avignon und Rom, der Beendigung des Großen Papstschismas auf dem Konzil von Konstanz (1414-1418; Papstwahl Martins V. [1417-1431] von 1417; Benedikt XIII. [Papa Luna], 1394/1417-1422; Clemens VIII., 1423-1429; Benedikt XIV., 1425-1435?) und dem Basler Konzil (1431-1449) mit dessen Papst Felix V.-Amadeus von Savoyen (1440-1449, †1452). "Konkurrenz" und "Legitimation" bestimmten das historische Phänomen des Gegenpapsttums, umstrittene (Doppel-) Papstwahlen beförderten es, ebenso Erhebungen von Gegenpäpsten, wenn ein Papst schon im Amt war. Es entstanden Schismen, die im Allgemeinen mit dem Tod oder der Unterwerfung des Gegenpapstes (intrusus) endeten. Es folgten Unterwerfung, Absetzung und Verurteilung des Gegenpapstes ([Schandstrafen], Klosterhaft, Ungültigkeit schismatischer Weihen), der Gegenpapst verfiel der damnatio memoriae bzw. der memoria damnata, dies alles auch zur Legitimierung des Siegers im Papststreit. [Buhlmann, 06.2014]

Laudage, Christiane (2016), Das Geschäft mit der Sünde. Ablass und Ablasswesen im Mittelalter, Freiburg-Basel-Wien 2016, 351 S., Schwarzweißabbildungen, € 24,95. Entstanden aus der kirchlich-kanonischen Bußpraxis des frühen und hohen Mittelalters (kanonische Buße im christlichen Dreiklang von Beten, Fasten und Almosengabe; Tarifbuße, Bußzeiten und Rekonziliation; Redemption von Bußauflagen [Mönche und Klöster] bei Übergang von der öffentlichen zur privaten Buße [Absolutionserteilung nach der Beichte]), entwickelte sich im Umfeld von Sünde, Schuld und Strafe, von Reue, Vergebung und Absolution der Ablass (indulgentia) als Nachlass der Buß- und Sündenstrafen, als zeitliche Verminderung der kirchlichen Bußen im Diesseits und der (zeitlichen) Sündenstrafen im Jenseits auf Grund der von Bußpriestern, Bischöfen und Päpsten vermittelten kirchlichen Schlüsselgewalt (Binde- und Lösegewalt); die die Strafe verursachende Sündenschuld wurde dagegen durch Reue, Beichte und Absolution vergeben, der Sünder gelangte dadurch in den Stand der Gnade, die der Ablass voraussetzte; die Schuld schließlich war durch die Sünden des Sünders angehäuft. Erste (bischöfliche) Ablässe stammen im 11. Jahrhundert aus dem südfranzösisch-nordspanischen Raum, bevor auch die Päpste der Kirchenreform den Ablass übernahmen. Ablässe wurden im 12. Jahrhundert dazu genutzt, um den Bau von Kirchen und Klöstern zu finanzieren, aber z.B. auch den von Brücken; weiter wurden Ablässe als geistliche Belohnung zur Friedenswahrung eingesetzt (Konstanzer Ablass 1105, päpstlicher Ablass 1163 u.a.). Das Vierte Laterankonzil (1215) förderte und regulierte die Ablasspraxis, beschnitt Fehlentwicklungen. Parallel dazu kam im Hochmittelalter der Glaube an das Fegefeuer (purgatorium) auf. Der Ablass gelangte von der Peripherie christlichen Glaubens in das Zentrum allgemeiner Frömmigkeitspraxis (Sozialdisziplinierung durch Buße und Beichte, Ablass als kirchliche Hilfestellung für den gläubigen Sünder). Im Verlauf des späteren Mittelalters entfaltete sich variantenreich eine vielfältige Ablasspraxis, in der neben vollkommenen Ablässen wie dem Kreuzzugsablass, dem Ablass für ein Jubeljahr oder dem für verdiente Personen eng begrenzte, zeitlich zwischen 40 Tagen und einem Jahr reichende Ablässe standen. Grundlage zur Gewinnung des Ablasses durch den Gläubigen waren die (Ablass-) Werke der Frömmigkeit, d.h. Kirchenbesuch und Almosen, Reliquienverehrung, Unterstützung von Kirchenbau und -ausschmückung, Unterstützung der Kreuzzüge, Unterstützung von wohltätigen Einrichtungen; dies alles erfolgte durch Teilnahme, Arbeit oder Geld. Dem überirdisch wirkenden Ablass als Zeugnis des christlichen Glaubens und der Jenseitsverantwortung der mittelalterlichen Christenheit entsprach seine zunehmende Verwendung für die Verstorbenen im Fegefeuer. Die überbordende Ablasspraxis des Spätmittelalters mit ihren zahlreichen Auswüchsen (Sammelindulgenzen und Plenarablässe, Aufhebung von Ablässen, Ablasszwang, Verhalten der Kollektoren, Ablässe mit kirchlichen oder weltlichen Vergünstigungen, Ablasskampagnen, Ablass als "Schwarmfinanzierung") sollte dann im Zeitalter der Reformation auf Widerspruch stoßen. Martin Luther (*1483-†1546) stellte in seinen 95 Thesen (1517) die kirchliche Ablasspraxis und das Fegefeuer theologisch in Frage, seinem Ablasstraktat (Tractatus de indulgentiis, 1517) an den Magdeburger Erzbischof Albrecht von Brandenburg (1513-1545) folgten die Auseinandersetzung zwischen Luther und dem Ablassprediger Johann Tetzel (1518), die päpstliche Bulle Cum postquam (1518) zur Verteidigung und Rechtfertigung von Ablass und Ablasswesen, die Leipziger Disputation mit Johannes Eck (1519) und schließlich der Bruch Luthers (und seiner Anhänger) mit der römisch-katholischen Amtskirche (1521). [Buhlmann, 07.2017]

Laudage, Johannes (1997), Alexander III. und Friedrich Barbarossa (= RI, Beih.16), Köln-Weimar-Wien 1997 > F Friedrich I. Barbarossa

Laudage, Johannes (Hg.) (2004), Frömmigkeitsformen in Mittelalter und Renaissance (= SH 37), Düsseldorf 2004, 424 S., € 29,95. I. Martin Ohst, Beobachtungen zu den Anfängen des christlichen Heiligenkultus, lässt den christlichen Heiligenkult um im Diesseits Wunder wirkende Männer und Frauen durch den im 4. Jahrhundert erfolgten Wandel des Christentums hin zur christlichen Staatskirche im römischen Reich aus dem Jenseits orientierten Märtyrerkult der frühen Christen entstehen. II. Nach Josef Semmler, Spiritualität und Frömmigkeit in Klöstern des Frühmittelalters, eiferte das christliche, coenobitische Mönchtum der Spätantike und des frühen Mittelalters dem Ideal der bilblischen Gemeinschaft (Urgemeinde) der Gläubigen nach. Im Rahmen der römischen Reichskirche verbreitete sich ab dem 4. Jahrhundert das Mönchtum auch im Westen des römischen Reichs (Martin von Tours [†397], Augustinus [†430], Johannes Cassianus [†430/35]), um 600 war es das irische Mönchtum, das im Rahmen der peregrinatio und Askese im merowingischen Frankenreich Verbreitung fand. Im 7. und 8. Jahrhundert waren mönchische Kommunitäten teilweise eingebunden in missionarische Aktivitäten (Amandus [†ca.680], Willibrord [†739], Bonifatius [†754]); es gab Mischkongregationen aus monachi und clerici/canonici (klerikal-monastische Observanz u.a. in Utrecht, Regensburg, Freising, Salzburg, Ämoneburg, Ohrdruf). Die Kirchengesetzgebung im karolingischen Frankenreich eines Kaiser Karl des Großen (768-814) und Ludwig des Frommen (814-840) verbot (parallel zur Einführung der römischen Liturgie) solche gemischten Gemeinschaften (Frankfurter Synode von 794; Aachener Synode von 816: Benediktinerregel, Kanonikerregel). Die nunmehr reinen Mönchskonvente beteiligten sich nicht mehr an der christlichen Mission, die Mönche beschränkten sich nun im Rahmen von Selbstheiligung, Spiritualität und Frömmigkeit und vor dem Hintergrund der Verplichtung zu Liturgie und Gottesdienst letztlich auf sich selbst. III. Johannes Laudage, Norm und Geschichte. Mittelalterliche Kanoniker und ihre Lebensregeln, beleuchtet die Entwicklung des Kanonikertums im Mittelalter. Der Begriff "Kanoniker" ist erstmals auf der Synode von Clermont (535) bezeugt (Kanoniker als Geistliche unter einem Bischof oder Archipresbyter, versorgt aus Kirchengut [kanon = Liste der mit stipendia/munera versorgten Kanoniker]). Während des gesamten Mittelalters ist das Kanonikertum immer wieder "umdefiniert", neu ausgerichtet worden. Die Aachener Synode von 816 beschloss die Institutio canonicorum (Chrodegang-Regel als Vorlage), um die vita canonica aller Geistlichen, sofern sie Mönche waren, hinsichtlich Lebensführung und Liturgie zu regeln. In der Folgezeit entfaltete die Aachener Regel ihre wenn auch geografisch ungleichmäßig verteilte Wirkung bis ins 15. Jahrhundert hinein. Im Rahmen des hochmittelalterlichen Reformpapsttums definierte die Lateransynode von 1059 den zolibatär und keusch lebenden Kanoniker als Teil einer Kanonikergemeinschaft, der christlichen Urgemeinde nachgebildet und der vita apostolica verpflichtet (Gemeinschaftsleben, Verzicht auf Privateigentum, Verpflichtung zum apostolischen Lebenswandel). Aus den Vorgaben der Lateransynode erwuchsen die Regularkanoniker, die sich an der Regel des Augustinus orientierten (Praeceptum [ordo antiquus]; Praeceptum longius unter Einschluss des sog. Ordo monasterii [ordo novus]; Consuetudines; Prämonstratenser). Die Bestimmung auf dem 4. Laterankonzil von 1215, wonach es bei den bisherigen geistlichen Lebensformen zu bleiben hatte, führte zur Übernahme der Augustinusregel auch durch die Bettelorden und damit zu einer Konkurrenz zwischen Regularkanonikern und Bettelmönchen im späten Mittelalter. Eine Weiterentwicklung des Regularkanonikertums (reguliertes Chrorherrenwesen) fand dabei auf der Ebene der Kongregationen statt (z.B. Windesheimer Kongregation 1387/95 [devotio moderna]), während die auf der Grundlage der Aachener Regel lebenden Säkularkanoniker im 15. Jahrhundert eine Blütezeit erlebten (weltliche Kollegiatstifte in den Städten [Kirche und Welt; Stift, Universität, Bildungswesen; Bistumsorganisation, städtische Herrschaftsrepräsentation], Pfründenwesen). IV. Marie-Luise Heckmann, Die christliche Wohltätigkeit im Mittelalter, führt aus: Christentum und Wohltätigkeit (caritas) als Fürsorge gegenüber Armen und Kranken gehörten von Anfang an zusammen. Institutionell war die Wohltätigkeit - resultierend aus dem Widerspruch zwischen dem Ideal der apostolischen Armut und dem Reichtum der Kirche - verankert bei den Bischöfen (und Päpsten) der Antike und des früheren Mittelalters (Papst Gregor der Große [590-604]), wobei man durchaus der Meinung war, dass die ständische Ungleichheit der Menschen in der diesseitigen Welt und in der Zeit nach dem Paradies durch den erlösenden Kreuzestod Christi ausgeglichen werden würde. Genossenschaftliche caritas betrieben die Benediktinermönche (Askese gegen tätige Fürsorge, Cluny und die gregorianische Kirchenreform), ab dem hohen Mittelalter die christlichen Ritterorden (Infirmarien, Spitäler, Pilgerwesen), die Gemeinschaften von religiösen Frauen (Beginen u.a.), die Franziskaner (hochmittelalterliche Armutsdebatte) oder die Bruderschaften zur Selbsthilfe (Elendenbruderschaften, Pilgerwesen). In den Städten des späten Mittelalters übte institutionell der Stadtrat die Aufsicht über die Armenfürsorge aus. V. Andrea von Hülsen-Esch, Stadtpatrone im 12. Jahrhundert, beleuchtet an Hand des heiligen Zeno in Verona und des heiligen Ambrosius in Mailand das enge Verhältnis zwischen oberitalienischer Stadt und Stadtpatron (Legitimierung städtischen Handelns durch den Heiligen [z.B. Ambrosius, Mailand und häretische Bewegungen]). VI. Barbara Haupt, Laienfrömmigkeit und Heidenkrieg um 1200, kommt durch die Untersuchung des Willehalm Wolframs von Eschenbach (ca.1210/20) zu dem Schluss, dass den im mittelhochdeutschen Epos geschilderten Heidenkrieg zum Trotz Ansätze eines Aufeinanderzugehens auf den Andersgläubigen (Christen und Nichtchristen als Geschöpfe Gottes; "Humanität", "Toleranz", "modernes Denken") festzustellen sind. VII. In Rudolf Hiestand, crucem secreto accepit. Kreuzzugsgelübde zwischen Frömmigkeit und Politik, geht es um die Kreuznahme (hauptsächlich) deutscher Könige (Heinrich IV., Konrad (III.), Konrad III., Friedrich I., Heinrich VI., Otto IV., Friedrich II.), die als Akt von Frömmigkeit entweder geheim (secreto/geistlich [Buße], ohne Außenwirkung, Verpflichtung der Person; Konrad (III.) (?), Heinrich VI., Otto IV.) oder öffentlich (mit politischer Außenwirkung [Konsens zwischen König und Großen], Verpflichtung des Königs und des Reiches; Heinrich IV., Konrad III., Friedrich I., Friedrich II.) erfolgen konnte. VIII. Nach Jürgen Wiener, Kritik an Elias von Cortona und Kritik von Elias von Cortona: Armutsideal und Architektur in den frühen franziskanischen Quellen, entzündete sich an der frühen franziskanischen Kirchenarchitektur der Unter- und Oberkirche von Assisi, der Grabeskirche des heiligen Franziskus (†1226) (als Papstkirche, begonnen 1228), vermeintliche Kritik am Ordensgeneral Elias von Cortona (1232-1239, abgesetzt 1239) vor dem Hintergrund der Ausbildung eines zentralen, von Assisi ausgehenden Ordens oder eines dezentralen Franziskanertums. IX. Nach Wilhelm G. Busse, Corpus Christi im mittelalterlichen England, wurde die Einführung des Fronleichsnamsfests (Corpus Christi, Bulle Transiturus Papst Urbans IV. [1264]) als Fest der Laien (Fronleichsnamprozessionen und -schauspiele) auch beeinflusst von der gewandelten Einstellung der Gläubigen zu Hostie und Abendmahl (Eucharistie) (Transsubstantiatonslehre [1215], elevatio hostis als Konzept im Rahmen eines auf die Hostienerhebung ausgerichteten Gottesdienstes [Glockenläuten] und Ausschluss der Laien vom Abendmahl [nur noch passive, dafür aber voraussetzungslose Teilnahme der Laien], elevatio als Ausdruck nicht kanalisierter Laienfrömmigkeit, Fronleichnamsfest als Regulierung der Volksfrömmigkeit). X. Nach Heinz Finger, Fromme Spontaneität und geistliche Ordnung. Spätmittelalterliche Volksfrömmigkeit in der Erzdiözese Köln, war die Volksfrömmigkeit im Kölner Erzbistum im 14. bis beginnenden 16. Jahrhundert, eingebunden in die "geistliche Ordnung" der "Amtskirche", bestimmt von religiöser Aufbruchsstimmung (Beginentum und dessen Einordnung in die bestehenden Mönchsorden), vom Wandel beim christlichen Totengedenken der Laien (Seelgerätstiftungen und deren Überwachung durch die Stifter, Allerseelentag) sowie vom Wandel bei der Heiligenverehrung (weltliche Vorstellungen von den Heiligen und deren Zusammenleben [vier Marschälle, "Heilige Sippe"], Privatisierung der Heiligen, "komische Patrone"). XI. Hans Körner, Das Schmerzenskind. Die Passion in den Marienandachtsbildern Fra Filippo Lippis und Sandro Botticellis, behandelt das auf die Passion Jesu Christi Verweisende in den Gemälden der beiden Renaissancemaler. XII. Hansgeorg Molitor, Das regulierte Verhältnis zu Gott. Frömmigkeit in der frühen Neuzeit, beschäftigt sich mit der Neugestaltung und einer verstärkten Regulierung von Frömmigkeitsformen im Rahmen der Konfessionalisierung im Europa der frühen Neuzeit. XIII. Vittorio Borsò, Religiöse Mystik als subjektive Erzählung: Santa Teresa de Jesús, stellt die 1614/22 selig und heilig gesprochene Teresa de Cepeda y Ahumeda (*1515-†1582) als Schriftstellerin (Karmeliterregel, [mystischer] "Weg zur Vollkommenheit", Autobiografie) und Vertreterin der spanischen Gegenreformation in den Mittelpunkt der Darstellung. XIV. Hubertus Schulte Herbrüggen, Unterschiedliche Frömmigkeitsformen zwischen Mittelalter und Renaissance. Das Gebetbuch Kaiser Maximilians I. und Thomas More's Prayer Book, vergleicht das "kaiserliche Gebetbuch" vom Typ Horae B.M.V. (Veröffentlichung von Frömmigkeit und Glaubensverteidigung) mit "More's Prayer Book" als Horae B.M.V. und Psalterium (Frömmigkeit des Einzelnen als Lebenshaltung). XV. Albert Gerhards, Ein Reformprojekt am Vorabend der Reformation: Der Libellus ad Leonem X (1513), verweist auf einen, wenn auch erfolglosen Reformversuch innerhalb der katholischen Kirche vor der Reformation, den Libellus des Paolo Giustiniani (*1476-†1528) und Vincenzo Quirini (*1479-†1514) aus dem Kamaldulenserorden an Papst Leo X. (1513-1521) (Inhalt: Rolle und Aufgaben des Papstes, Missionierung [der Juden, Heiden, Mohammedaner], Vereinigung der christlichen Kirchen, Reformation der Kirche, Unterwerfung des Heidentum unter das [weltliche] römische Reich). XVI. Gert Kaiser, Mozart spielt mit dem Totentanz. Essay zum "Don Giovanni", vergleicht das Spiel mit dem Tod in der Mozart-Oper mit dem spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Phänomen des Totentanzes ("Registerarie" und Ständerevue, Berner Totentanz des Niklaus Manuel, Tod als Tänzer und Liebhaber). [Buhlmann, 09.2012]

Laudage, Johannes (1993), Gregorianische Reform und Investiturstreit (= EdF 282), Darmstadt 1993 > I Investiturstreit

Laudage, Johannes (2006), Die Salier. Das erste deutsche Königshaus (= BSR 2397), München 2006 > S Salier

Laudage, Johannes (2009), Friedrich Barbarossa (1152-1190). Eine Biographie, Regensburg 2009 > F Friedrich I. Barbarossa

Laudage, Johannes, Hageneier, Lars, Leiverkus, Yvonne (2012), Die Zeit der Karolinger, Darmstadt 2006 > K Karolinger

Laudage, Johannes, Schrör, Matthias (Hg.) (2006), Der Investiturstreit. Quellen und Materialien. Lateinisch-Deutsch (= UTB 2769), Köln 2006 > I Investiturstreit

Laudage, Marie-Luise (1991), Caritas und Memoria mittelalterlicher Bischöfe (= MHF 3), Köln-Weimar-Wien 1991, 389 S., Karten, DM 94,-. Caritas ("Armen(für)sorge") und memoria ("Gedenken") waren Ausfluss des "Amts- und Selbstverständnisses" früh- und hochmittelalterlicher Bischöfe im katholisch-christlichen Europa, zumal als Gegenbild der bischöflichen potestas ("Gewalt"). Papst Gregor der Große (590-604) lieferte mit seiner pontifikalen caritas und memoria gleichsam ein Modell (Gregorrezeption), das frühmittelalterliche (Missions-) Bischöfe wie Wilfried von York (669-691), Winfried-Bonifatius (722-754) oder Liudger (805-809) nutzten, das innerhalb der ottonisch-salischen Reichskirche (Erz-) Bischöfe wie Ulrich von Augsburg (923-973), Konrad von Konstanz (934-975) oder Heribert von Köln (999-1021) weiterentwickelten, das auch in der angelsächsischen und anglonormannischen Kirche Verwendung fand. Für die Zeit von Investiturstreit (1075-1122) und Gregorianischer Kirchenreform stehen dann die Erzbischöfe Anno II. von Köln (1056-1075) und Lanfranc von Canterbury (1070-1089) sowie Bischof Otto von Bamberg (1102-1139). +Caritas war die bischöfliche cura pauperum (Krankenfürsorge, Fürsorge für Hungernde, Obdachlose, Gefangenenfreikauf, Gastfreundschaft) mit ihren Armensorgeinstituten (Xenodochien, Domklöster, Hochstifte, Spitäler; Kirchengut als Besitz der Armen; bischöfliche und monastische Armensorge; zunehmende Organisation der caritas). Bischöfliche memoria offenbarte sich bei Grablege, liturgischem Gebets- und Totengedenken und Historiografie bzw. Hagiografie. Sippengebundene memoria findet sich u.a. bei Liudger und den Liudgeriden; bischöfliche Freundschaftsbündnisse, Gebetsbünde und Gebetsvereinigungen (amicitia, fraternitas; Synode von Dingolfing 770) gehören ebenso hierher wie die bischöfliche Praxis memorialer Kirchenstiftungen gerade auch in Verbindung mit dem bischöflichen Auftrag der Sorge um die memoria des Herrschers, des Königs oder Kaisers. [Buhlmann, 07.2012]

Lauer, Hermann (1921), Geschichte der katholischen Kirche in der Baar, Donaueschingen 1921 > B > Baar

Lauer, Hermann, Kirchengeschichte der Baar (und des einst zur Landgrafschaft Baar gehörenden Schwarzwaldes), Donaueschingen 21928, Nachdruck o.O. o.J. > B > Baar

Lauffer, Siegfried (1978), Alexander der Große (= dtv 4298), München 1978 > A Alexander der Große

Lauffer, Siegfried (1978), Alexander der Große (= dtv 4298), München 52005 > A Alexander der Große

Laugwitz, Detlef, Vollrath, Hans-Joachim, Schulmathematik vom höheren Standpunkt, Bd.I (= BI 118/118a), Mannheim-Wien-Zürich 1969 > M Mathematik

Lauster, Jörg (2022), Das Christentum. Geschichte, Lebensformen, Kultur (= BSR 2933), München 2022, 128 S., Schwarzweißabbildungen, € 9,95. I. Geschichte: Am Anfang von christlicher Religion und Christentum steht die Gestalt des Religionsgründers Jesus von Nazareth im Umfeld des antik-monotheistischen Judentums und des römischen Reiches (Jesus Christus als Menschensohn und Sohn Gottes, Predigttätigkeit und Verkündigung des Reiches Gottes [Gottesherrschaft], Heilungen und Wunder, Wiederauferstehung und Erlösungsgedanken, Präsenz Gottes durch den erlösenden Christus). Aus dem Wirken Jesu entstand in einem "Enthusiasmus des Anfangs" das (frühe) Christentum von Juden- und Heidenchristen und deren Gemeinden, flankiert von einer entstehenden schriftlichen Überlieferung (Paulusbriefe, Evangelien -> Neues Testament; Christentum als Schriftreligion [statt Kultvollzug]). Dabei hatte das frühe Christentum der römisch-griechischen Antike beim "Sich-Einrichten in der Welt" innere Krisen zu bestehen (Christentum und Judentum als zwei verschiedene Religionen; Christentum ["Erlösung als Verwandlung"] in Auseinandersetzung mit der antiken Gnosis [gnostischer Dualismus]; prophetische Krise [Häresien des Montanus, der Priscilla und der Maximilla in Kleinasien]). Stabilität gewann die neue Religion durch ihre "Routinisierung des Charismas" eine soziale und geistige Stabilität (Schriftenkanon des Alten und Neuen Testaments, theologische Debatten [Trinität, Christologie; ökumenische Konzilien u.a. von Nikaia (325) und Chalcedon (451)], nizänisches und apostolisches Glaubensbekenntnis als "Glaubensregeln", Einfluss der antiken Philosophie [Platonismus]). Auch von außen verursachte Krisen, wie sie die Christenverfolgungen (unter den Kaisern Nero, [Trajan,] Decius, Diokletian) darstellten, stärkten u.a. über die Verehrung von Märtyrern als Heilige das Christentum als Großkirche trotz der Abspaltung der Donatisten. Das Toleranzedikt des Kaisers Galerius (311) und die "konstantinische Religionswende" Kaiser Konstantins des Großen (313) schufen die Voraussetzungen für ein Zusammengehen von römischem Staat und orthodoxer christlicher Religion, das nach den Auseinandersetzungen mit dem Arianismus unter Kaiser Theodosius I. zur Staatsreligion wurde (380). Das Vordringen des Christentums im römischen Reich führte dabei zur Marginalisierung des antiken Heidentums, die christliche Religion breitete sich infolge einer "erstaunlichen Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit" auch außerhalb des Reiches u.a. im Perserreich oder bei den germanischen gentes der "Völkerwanderungszeit" aus. Im Übergang von der Antike zum Mittelalter werden daher verschiedenartige "Christentümer" erkennbar, das weströmische Reich ging politisch unter (476), der christliche Glauben hatte (unter der Idee eines christlichen Roms [Orosius]) weiterhin Bestand sowohl im westlichen Europa und Mittelmeerraum (germanische Königreiche, Frankenreich; Augustinus [†430] und sein "Gottesstaat") als auch im oströmisch-byzantinischen Reich (Kaiser Justinian I.). Im oströmischen Reich kam es im 5. bis 7. Jahrhundert zu Spannungen zwischen christlicher Orthodoxie ("Rechtgläubigkeit") und dem Christentum nestorianischer und mia-/monophysitischer Prägung, im westlichen Europa setzte sich im Frankenreich oder in den angelsächsischen Königreichen das Christentum letztlich nizäisch-chalcedonischer Ausrichtung durch (Taufe des Frankenkönigs Chlodwig I. [496, 497 oder später], Christianisierung und angelsächische Missionierung, [west-] römisch-päpstliches Kaisertum des Frankenkönigs Karl des Großen [800]). Ab dem 7. Jahrhundert verlor das Christentum gegenüber dem im Vorderen Orient, in Nordafrika, auf der iberischen Halbinsel und in Sizilien vordringenden Islam an Boden. Das 11. Jahrhundert sah nach langen Jahren der Entfremdung die Trennung von westlicher (katholischer) und östlicher (orthodoxer) Kirche (1054). Die westliche Kirche war geprägt von ihrer (früh-, hochmittelalterlichen) Klosterkultur (Benediktiner), dem letztendlichen Aufstieg des Papsttums in Rom zur Machtzentrale der katholischen Kirche vermöge Investiturstreit (1075-1122; Papst Gregor VII., gregorianische Kirchenreform) und Auseinandersetzungen zwischen den "Universalgewalten" Papsttum und Kaisertum bei Trennung von Kirche als religiöser Sphäre und weltlicher Macht, dem europäischen Gewaltausbruch der Kreuzzüge (Erster Kreuzzug und Eroberung Jerusalems [1099], "Reconquista" auf der iberischen Halbinsel, Byzanz und der Westen; Ritterorden), der Inquisition bei Bekämpfung von Häresien (Katharer, Waldenser, Albigenser; spanische Inquisition), der scholastischen Gelehrsamkeit (Anselm von Canterbury [†1109], Thomas von Aquin [†1274], Wilhelm von Ockham [†1347]), den Bettelorden (Franziskaner, Dominikaner) und der Instititution der Universität (Bologna, Paris, Cambridge usw.). Verwerfungen in der christlichen Kirche des Westens verursachten deren Verweltlichung und Reformbedürftigkeit im Spätmittelalter, das Papsttum in Avignon (1309-1378), das Große Papstschisma (1378-1417), die Hussitenkriege (1419-1434). Das Schisma konnte durch das Konstanzer Konzil (1414-1418) beigelegt werden, gegen das Konzil von Basel (1431-1449) setzte sich das Papsttum durch, die Kirchenunion von Florenz zwischen West- und Ostkirche (1439) blieb vor dem Hintergrund der osmanisch-türkischen Eroberung Konstantinopels (1453) ohne Folgen. Zu den christlichen "Aufbrüchen in die Moderne" gehörten (im 15. Jahrhundert) Spiritualität und (Frauen-) Mystik, die christliche Lebensform der devotio moderna, eine praktische christliche Lebensführung (Meister Eckart [†v.1328], Thomas von Kempen [†1471]). Die Revolution der Reformation Martin Luthers (†1546; Thesenanschlag 1517) war der Ausgangspunkt zur Ausbildung evangelisch-reformatorischer (Landes-) Kirchen (Huldrych Zwingli [†1531], Johannes Calvin [†1564]), die überwiegend im Norden, im Westen und in der Mitte Europas an die Stelle bzw. an die Seite der katholischen Kirche der Renaissancepäpste traten (deutscher Bauernkrieg 1524/25, Confessio Augustana 1530, Schmalkaldischer Krieg 1546/47, Augsburger Religionsfrieden 1555). Die durch die Reformation verursachte Kirchenspaltung und Konfessionalisierung (Katholiken, Lutheraner, Reformierte) führte zu Religionskriegen in Englanad (anglikanische Staatskirche), Frankreich (Hugenottenkriege, Edikt von Nantes 1598) und Deutschland (Dreißigjähriger Krieg 1618-1648), während auf der Grundlage des Konzils von Trient (1545/63) katholische Kirche und Papsttum die sog. Gegenreformation einleiteten. Die europäische Expansion in die Welt am Beginn der Neuzeit ließ das Christentum sich über weitere Kontinente ausbreiten (spanische Kolonien in Süd- und Mittelamerika, portugiesische Kolonien in Afrika u.a.), Kolonialismus - etwa auch im Zusammenhang mit dem sich ausbildenden British Empire - und Christentum gingen eine für die unterworfenen Indigenen und Sklaven aus Afrika unheilige Allianz ein; noch im Mittelalter hatte sich das Christentum nach Osteuropa ausgebreitet (Westkirche: Bekehrung der Slawen, Ungarn u.a.; Ostkirche: [russisch-] orthodoxe Großfürstentümer Kiew und Moskau; nestorianisches Christentum in Asien). In Europa war das 18. Jahrhundert das Zeitalter der Aufklärung, die sich unter Bezugnahme auf Vernunft, Welterkenntnis, Staats- und Naturrecht (John Locke [†1704], Voltaire [†1778], Immanuel Kant [†1804]) durchaus kritisch mit dem Christentum auseinandersetzte. Französische Revolution (1789) und die politische Neuordnung Europas, die freilich der Restauration unterlag (Wiener Kongress 1814/15), öffneten Europas Weg in die Moderne. Das Christentum nahm durchaus Impulse der Aufklärung, des Idealismus und der Romantik auf, während "Erweckungsbewegungen" des 17. und 18. Jahrhunderts (englische Puritaner, deutscher Pietismus, Herrnhuter, nordamerikanisch-englischer Methodismus) sich als ethisch fundierte Fortsetzung der Reformation empfanden und von daher einige Wirksamkeit erlangten. Im 19. Jahrhundert sah sich das Christentum einer "Pluralisierung der Weltanschauungen" ausgesetzt (Atheismus, Religionskritik, Religion der Kultur); die "Umwälzungen der Moderne" forderten das (europäische, nordamerikanische) Christentum zwischen Anpassung und Frontstellung heraus (Kulturprotestantismus, katholischer Modernismus; Traditionalismus; Volskfrömmigkeit; protestantischer Fundamentalismus, katholischer Antimodernismus). Das globale Christentum des 20. und 21. Jahrhunderts wurde und wird zuvorderst repräsentiert durch die auf das Papsttum zentrierte katholische Amtskirche, orthodoxe Kirchen und die protestantischen (Landes-) Kirchen; Katholizismus und Protestantismus waren im 20. Jahrhundert mit Politik und Ideologien konfrontiert (Erster Weltkrieg, Kommunismus, Faschismus, Zweiter Weltkrieg, Ost-West-Konflikt), konfessionelle Gegensätze innerhalb des Christentums konnten überwunden werden (ökomenische Bewegung), das Christentum versteht sich als eine nicht Menschen ausgrenzende Religion des Friedens. Das schließt in Nord- und Südamerika "innerchristliche Pluralität" auf der Grundlage von Religionsfreiheit nicht aus (evangelikaler Fundamentalismus und Pfingstchristentum; lateinamerikanische Befreiungstheologie), während das Christentum auf dem afrikanischen Kontinent (Kopten in Ägypten, christliches Äthiopien) mit den Folgen von Kolonialismus, Imperialismus und (Gewalt-) Mission (Sklavenhandel) bei Ausbreitung des Katholizismus und der Pfingstkirchenbewegung zu kämpfen hatte. In Asien drang schon früh das nestorianische Christentum in den indischen Subkontinent ein (Thomaschristen), in China gab es seit der frühen Neuzeit eine christliche Missionierung etwa von Seiten der katholischen Jesuiten. II. Lebensformen: Das Christentum steht in den historischen Epochen seiner Existenz für eine Vielfalt von Lebensformen, angefangen bei kontemplativer Innerlichkeit, Mystik und individueller Religiosität des Gläubigen bis hin zur institutionellen Verfasstheit christlicher Kirchen als Hierarchie von geistlichen Ämtern ([Papst, Patriarch,] Bischöfe, Priester, Diakon usw.), als Ansammlung von christlichen Gemeinden, Gotteshäusern und Klöstern. Innerhalb dieser Bandbreite kommt dem christlichen Ritus als dem "Feiern von Geheimnissen" des Glaubens eine besondere Rolle zu (Kultpraxis, Schriftlesung, Predigt, Gottesdienst; Taufe, Hochzeit, Beerdigung); die christliche Liturgie äußert sich darüber hinaus in Kunst (Malerei, Skulptur) und Architektur (Kirchenbau), in Musik (Kirchenlied, -gesang) und Literatur (Bibel, theologische Werke, religiöse Werke [im weitesten Sinn]). III. Motive: Das Christentum betrachtet den Menschen eingebunden in die göttliche Schöpfung und Natur; Gott zeigt sich in der Welt durch den (Gott-) Menschen Jesus Christus, der wiederum sich selbst für die Sünden der und aus Liebe zu den Menschen sowie wegen der Veröhnung mit Gott sein Leben opferte, um wieder aufzuerstehen (Weltgrund). Gottes Gnade wirkt für den Menschen in dessen Gottebenbildlichkeit, aber auch in dessen "Elend" (Sünde als Verfehlung der Gottebenbildlichkeit, als "Transzendenzverrat", als Verlorenheit des von Gott getrennten Menschen); die Wirksamkeit von Gottes Gnade (gratia) vollzieht sich in der Erlösung des Menschen, sie wird sichtbar in der Schöpfung der Welt (religiöses Weltgefühl, Widersprüchlichkeit der Welterfahrung [Theodizee], Religion und Naturwissenschaft). Nicht zuletzt führt das Christentum als Erlösungs- und Gnadenreligion den gläubigen Menschen zur Hoffnung auf die Auferstehung im Jenseits, wobei Letzteres als "Kraft für das Diesseits" fungiert (Märtyrer- und Heiligenverehrung, christlich-ethische Weltgestaltung [in Leben, Liebe/Sexualität und Tod, bei Arbeit und Gerechtigkeit, hinsichtlich Mensch, Natur und Umwelt, in Hinblick auf die Zukunft der Menschheit und des Christentums]). [Buhlmann, 10.2023]

Lavater-Sloman, Mary (1950), Annette von Droste-Hülshoff. Einsamkeit und Leidenschaft (= Heyne Biographien 77), München 41987 > D Droste-Hülshoff, Annette von

Laven, Mary (2004), Die Jungfrauen von Venedig. Gebrochene Gelübde - das wahre Leben hinter Klostermauern, Essen 2004, 256 S., Schwarzweißtafeln, Stich der Stadt Venedig (1566), € 4,95. Die zahlreichen Nonnenklöster im frühneuzeitlich-spätrenaissancezeitlichen Venedig des 16. und 17. Jahrhunderts gerieten auch im Zuge der katholischen Gegenreformation verstärkt ins Visier kirchlicher und städtisch-staatlicher Institutionen (Patriarchat, Klostermagistrate, Überwachung der Frauenklöster, gesellschaftliche Kontrolle), die eine Verschärfung der Nonnenklausur bei weitgehendem Ausschluss weltlicher Einflüsse propagierten. "Gemeinsames Leben" im Kloster (vita communis) und Strenge der Klausur wurden indes vielfach durchbrochen; (besonders) die (adligen) Nonnen standen in Verbindung mit ihren Familien und waren Teil eines politisch-gesellschaftlichen Netzwerks (Rolle der klösterlichen Besuchszimmer, Macht der religiösen Kommunitäten), sie lebten auch im Kloster standesgemäß (Chornonnen [Gelübde, Profess], Laienschwestern [converse, Dienerinnen]), sie lebten unter Umständen ihre Sexualität aus (innerhalb und außerhalb des Klosters, mit Laien und Geistlichen, Homosexualität). Die "gebrochenen Gelübde" des Nonnenstandes (Armut, Gehorsam, Keuschheit) erklären sich dann daraus, dass viele Familien (des venezianischen Adels, der Oberschicht) ihre "überzähligen" Töchter ins Kloster schickten (Vermeidung der Mitgift, Heiratsbeschränkungen unter dem venezianischen Adel; Frauen als "Ehefrauen, Nonnen, Huren" [Pietro Aretino]) und dass diese sich alles andere als mit dem Leben einer Nonne identifizierten. [Buhlmann, 07.2014]

Lavrin, Janko (1961), Tolstoj (= rm 57), Reinbek b.H. 21975 > T Tolstoi, Leo

Layzer, David (1986), Das Universum. Aufbau, Entdeckungen, Theorien (= Spektrum der Wissenschaft), Heidelberg 21987 > U Universum

Le

Le Brun, Jeannine, Sutermeister, Peter (1978), Barockreise um den Bodensee, Sigmaringen 1978, Schwarzweiß-, Farbfotos, Pläne, Karte, DM 45,-. Behandelt werden Kunst und Architektur aus dem Zeitalter des Barock (17./18. Jahrhundert): Allensbach (Kirche St. Nikolaus), Arbon (Schlossturm), Baitenhausen (Wallfahrtskapelle), Bernhardzell (Kirche), Bernrain (Konradkapelle), Betenbrunn (Kirche), Birnau (Klosterkirche), Bischofszell (Doppelhaus, Rathaus), Bodanrück (Fachwerkhaus in Langenrain, Forstamt, Wegkapelle), Bohlingen (Martinskapelle), Bregenz (Barockpalais, Galluskirche, Martinskapelle, Unterstadttor), Dingelsdorf (Fachwerkhaus, Heiligkreuzkapelle), Ermatingen (Kehlhof), Fischingen (Iddakapelle, Kloster, Klosterkirche, Martinskapelle, Wallfahrtskapelle), Friedrichshafen (Schlosskirche), Glattburg (Klosterkapelle), Gottlieben (Gasthof Waaghaus, Hotel Drachenburg), Hagenwil (Schloss, Wasserschlösschen), Hasenweiler (Wallfahrtskirche), Hauptwil (Glockentürmchen), Klingenzell (Wallfahrtskirche), Konstanz (Dompropstei, Jesuitenkirche), Kreuzlingen (Haus Rosenegg, Kirche St. Ulrich und Afra), Langenargen (Martinskirche), Lenggenwil (Barockkirche), Lindau (Cavazzen, Gasthaus, Martinskirche, Stephanskirche), Ludwigshafen (Statue des heiligen Otmar), Mainau (Deutschordensschloss, Schlosskirche), Mariaberg (Freitreppe), Markelfingen (Kirche St. Laurentius), Meersburg (Fachwerkhäuser, Neues Schloss mit Freitreppe, Festsaal und Pavillon), Mimmenhausen (Fachwerkhaus, Killenweiher, Kirche), Münsterlingen (Kloster), Nenzingen (Martinskirche), Niederbüren (Fachwerkhaus, Pfarrkirche), Niederhelfenschwil (Kirche St. Dionys), Nonnenhorn (Kapelle), Oberbüren (Zollhaus), Öhningen-Kattenhorn (Blasiuskapelle), Paradies (Klarissinnenkloster, Klosterkirche), Radolfzell (Heiliggeistspital, Österreichisches Schlösschen, Münster), Reichenau (Kloster), Rheineck (Löwenhof), Rohrschach (Erker, Kornhaupt), Salem (Münster, Schloss mit Marstall, Unterem Tor), St. Gallen (Blaues Haus, Erker, Klosterkirche, Stiftsbibliothek), St. Katharinenthal (Kloster), Schaffhausen-Hilzingen (Doppelhaus, Hausfassade, Kirche St. Peter und Paul, ), Sipplingen (Bürgerhaus, Fachwerkhaus, Statue des heiligen Georg, Votivbilder), Steckborn (Rathaus), Stein am Rhein (Rathaus), Steinach (Pfarrkirche), Stettfurt (Schloss Sonnenberg mit Rittersaal, Schlosskapelle), Tettnang (Neues Schloss, Rathaus, Wirtshaus), Triboltingen (Haus zum Weinberg), Überlingen (Franziskanerkirche, Münster), Wasserburg (Kirche), Weildorf (Kreuzweg), Weingarten (Klosteranlage, Kirche, Wallfahrtskapelle), Weissenau (Klosterkirche, Marienapotheke, Patrizierhaus), Werd (St. Otmar), Wil (Gerichtshaus, Rathaus), Zielschlacht (Altes Gerichtshaus), Zoffingen (Dominikanerinnenkloster). [Buhlmann, 11.2023]

Lebrige, Arlette (1986), Liselotte von der Pfalz. Eine Wittelsbacherin am Hofe Ludwigs XIV. (= Heyne Sachbuch 437), München 51995, 384 S., Schwarzweißabbildungen, Stammtafeln, Zeittafel, DM 19,90. Liselotte (Elisabeth Charlotte) von der Pfalz (*1652-†1722), Tochter des pfälzisch-wittelbachischen Kurfürsten Karl Ludwig (1649-1680) und u.a. Abkömmling des Hauses Stuart, bekannt durch ihre umfangreiche Briefkorrespondenz, wurde 1671 mit dem Philipp von Orléans (†1701), dem Bruder des französischen Königs Ludwig XIV. (1643-1715), verheiratet (Philipp als "Monsieur", Liselotte als "Madame"). Liselotte konnte daher - auch in ihrer meist randständigen Rolle - Intrigen und Politik am Hof des Sonnenkönigs verfolgen. Für sie schmerzhaft waren die Zerstörungen ihrer pfälzischen Heimat in den von Ludwig XIV. veranlassten Kriegen: Holländischer Krieg (1672-1679), Pfälzer Krieg (1688-1697), Spanischer Erbfolgekrieg (1701-1714). Aus der Ehe mit (dem homosexuellen) "Monsieur" gingen Liselottes Kinder Alexandre (*1673-†1676), Philipp (*1674; Herzog von Chartres) und Elisabeth Charlotte (*1676; als "Mademoiselle", ihre Heirat des Herzogs von Lothringen 1698) hervor. Philipp wurde nach dem Tod seines Vaters (1701) Herzog von Orléans und war als Befehlshaber der französischen Truppen in Norditalien (Belagerung von Turin 1706) und Spanien (Einnahme von Lérida und Tortosa 1707/08) erfolgreich; nach dem Tod Ludwigs XIV. (1715) führte Philipp die Regentschaft für den jungen König Ludwig XV. (1715/22). Als Herzogin von Orléans hatte Liselotte zeitweise ein gutes Verhältnis zum französischen König, war wiederholt ein Opfer von Hofintrigen (wie 1682; Bleiberecht am Hof auch nach dem Tod des Ehemanns 1701, Geldveruntreuung Davousts 1710) und blieb auch nicht von Rückschlägen verschont (Tod von Familienangehörigen [Vater 1680, Bruder 1685, Tante 1709], Blatternerkrankung 1693, "Großer Winter" 1709, schwere Erkrankung 1717). Vgl. dazu: Feuerstein-Praßer, Karin (2016), Liselotte von der Pfalz. Ein Leben am Hofe Ludwigs XIV., Regensburg 22020, 143 S., Schwarzweißabbildungen, Stammtafel, € 15,40. [Buhlmann, 08.2022, 01.2023]

Lee, Mackenzi (2020), Eine Weltgeschichte in 50 Hunden, Berlin 2020, 190 Seiten, Abbildungen, € 18,-. Tiere sind sehr gute Schlüssel, um die Aufmerksamkeit von Grundschulkindern zu wecken und die für den Sachkundeunterricht nötige Ruhe in den Klassen zu erreichen. Selbiges gilt auch für den natur- und sozialwissenschaftlichen Unterricht in der fünften und sechsten Klasse weiterführender Schulen. Dass Hunde hierfür ganz besonders geeignet sind, wird spätestens dann klar, wenn man sich die Kurzbiografien 50 berühmter Vertreter dieser Haustierart im Buch der US-amerikanischen Kunsthistorikerin und Jugendbuchautorin Mackenzi Lee anschaut. Mit ihrem 2020 erschienenen Werk "Eine Weltgeschichte in 50 Hunden" gibt sie sowohl Grundschullehrkräften wie auch Geschichtslehrern der Sekundarstufe I vortreffliches sowie kindergerechtes Unterrichtsmaterial an die Hand. Da ist die Rede von Abuwtiyuw, dem ersten namentlich bekannten Hund im Alten Ägypten, von Hunden in der chinesischen Mythologie, von der Bedeutung von Hunden im vorkolonialen Indien oder von den Hunden der US-amerikanischen Präsidenten im Weißen Haus; auch die knappe Beschreibung ausgestorbener Hunderassen geben einen hochinteressanten Überblick über die Mensch-Hund-Beziehung im Verlaufe von 5000 Jahren. Mit humorvoller Sprache beschreibt Lee in blogartig anmutenden und in sich geschlossenen "Kurzgeschichten" die Beziehung zwischen Hunden und ihren prominenten Herrchen und Frauchen. Kindergerecht sind die Bilder, die zu jeder der Biografien von der schwedischen Illustratorin Petra Eriksson gemalt wurden. Sie zeigen etwa die Pekinesen der chinesischen Kaiser, Abraham Lincolns Mischlinghund Fido, der für den US-Präsidenten Botendienste erledigte, Gasmasken tragende Fronthunde des Ersten Weltkrieges oder Snuppy, den ersten 2005 in Südkorea geklonten Windhund. Für alle Leser, die mit den Besonderheiten der einzelnen Hunderassen nicht vertraut sind, hat die Autorin das Wichtigste in knappen Fußnoten ("Wuffnoten") zusammengefasst. Obgleich einige der kurzen Texte perfekt dazu geschaffen sind, als Grundlagen für kurze Referate an einzelne Schüler oder Schülergruppen ausgegeben zu werden, eignen sich leider nicht alle der 50 Hundebiografien zum "unzensierten" Einsatz im Schulunterricht, was daran liegt, dass die von Feminismus und Gendersprache beseelte Autorin oft sprachlich über die Stränge schlägt. Beispielsweise, wenn sie vermutet, dass George Washington seinen Hund Sweetlips nur deshalb mit diesem außergewöhnlichen Namen versehen habe, weil dies das Pseudonym des ersten US-Präsidenten als Drag-Queen gewesen sei. Insgesamt ist das Buch jedoch sowohl erfrischend als auch didaktisch inspirierend. [Bötefür, 09.2021]

Lehmann, Jürgen, Meder, Willi, Winkler, Wolfgang (Hg.) (2003), St. Georgen im Spiegel der Zeit, Horb a.N. 2003 > S St. Georgen im Schwarzwald

Lehmann, Paul (1955), Die Admonitio S. Basilii ad filium spiritualem (= Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Phil.-hist. Abt. Jg. 1955, H.7), München 1955, 63 S., € 1,-. Die Admonitio S. Basilii ad filium spiritualem ist eine "Ermahnung" - sehr wahrscheinlich und mittelalterlicher Einschätzung zufolge - des Kirchenvaters Basilius des Großen (*ca.330-†379) "an einen geistlichen Sohn" in einer lateinischen Übersetzung des Tyrannius Rufinus (*ca.345-†411/12); die griechische Vorlage der lateinischen Übersetzung ist verloren gegangen. Der Text ist unter der Verfasserschaft des Basilius vielfach in mittelalterlich-lateinischen Handschriften ab ca.700 überliefert. Die Admonitio beschäftigt sich mit: dem geistlichen Dienst (militia spiritualis), den Tugenden und den Lastern (Weltflucht, Vermeiden von Hochmut und Eitelkeit), der Gottes- und Nächstenliebe, dem Gebet, den Nachtwachen und dem Fasten, dem Tod. > Lateinische Literatur > B Basilius von Cäsarea. [Buhlmann, 12.2012]

Lehnswesen in europäischem Mittelalter und früher Neuzeit: Die Anfänge eines angeblich "europäischen Lehnswesens" mit feudo-vasallitischer Grundlage sind nicht in der frühkarolingischen Zeit des 8. Jahrhunderts (Karl Martell und die Säkularisation von Kirchengut, vassi u.a.) zu suchen, sondern allgemein in frühmittelalterlichen Leiheformen (Prekarie als Landleihe u.a.) zu finden, die erst an der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert in wohl meist wirtschaftlich fortgeschrittenen Regionen wie Oberitalien, Flandern oder Südfrankreich/Katalonien durchaus zu Formen von Lehnswesen führten (Valvassorengesetz Kaiser Konrads II. von 1037), während im normannischen England des Hochmittelalters das Lehnswesen neben einer starken königlichen Zentralgewalt stand. Gerade die juristische Einordnung des Lehnswesens in Oberitalien (Libri feodorum des 11. und 12. Jahrhunderts) sollte unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) die lehnsrechtliche Ausgestaltung von (Königs-) Herrschaft in Deutschland nördlich der Alpen stark beeinflussen (Privilegium minus von 1156, Kaisertum als beneficium des Papstes 1157, Gelnhäuser Urkunde von 1180). Aus den hochmittelalterlichen Anfängen entwickelte sich im deutschen Reich des Spätmittelalters ein vielschichtiges, flexibel zu nutzendes Lehnswesen (verschiedene Arten von Lehen vom Mann- bis zum Geldlehen), das z.B. in den Landesherrschaften herrschaftsverdichtend wirkte und auch personale Bindungen über Herrschaften hinweg zuließ ("Vasallitätspolitik" der deutschen Herrscher). Lehnbücher des späten Mittelalters oder die lehnsrechtlichen Theorien von Juristen des 16. Jahrhunderts stehen dann am Ende eines unterschiedlich gearteten und unterschiedlich interpretierbaren mittelalterlichen Lehnswesens. Daher sind auch die verschiedenen historisch belegten Formen von Lehen und Lehnswesen nur bedingt bis entfernt vergleichbar mit der Theorie des "klassischen Lehnswesens", die auf bestimmten personalen (Vasallität [Vasall: Mann, Mannschaft/hominium, Treue, consilium et auxilium; Herr: Treue, Schutz, Schirm) und dinglichen Beziehungen (Lehen [Herr: Verleihung/Investitur; Vasall: Nutzung]; Betonung der dinglichen Komponente) fußt.
Vgl.: Ganshof, Francois Louis (1952), Feudalism, London 31974, XIX, 160 S., DM 3,-; Ganshof, Francois Louis (1961), Was ist das Lehnswesen?, Darmstadt 61983, XVII, 216 S., DM 32,-; Patzold, Steffen (2012), Das Lehnswesen (= BSR 2745), München 2012 > P Patzold, Lehnswesen. [Buhlmann, 12.1988, 03.2012]

Leiber, Gert (1964), Das Landgericht der Baar. Verfassung und Verfahren zwischen Reichs- und Landesrecht (= Veröffentlichungen aus dem Fürstlich-Fürstenbergischen Archiv, H.18), Donaueschingen 1964 > B > Baar

Leier, Manfred (Hg.) ([1989]), Das waren die achtziger Jahre. Eine Chronik in Bildern, Gütersloh [1989] > W Weltgeschichte

Leiermann, Horst, Gelbbuch ist eine Reihe zu Kontroversen meist in der Architekturgeschichte. Gelbbuch 34 (2015): Wasser-Castelle. Antithesen, Essen-Werden 2015, 94 S., Schwarzweißabbildungen, Pläne, Karten, € N.N., beschäftigt sich mit: Barockfestungen, Kirchen, Rund- und Zwischentürmen, Wasserkastellen, Straßen und Wasserstraßen. [Buhlmann, 11.2023]

Leinsle, Ulrich G. (2020), Die Prämonstratenser (= Geschichte der christlichen Orden = Urban Tb), Stuttgart 2020, 250 S., Schwarzweißabbildungen, € 23,20. I. Der Prämonstratenserorden ist entstanden im Zuge der gegrogrianisch-hochmittelalterlichen Kirchenreform, die als Klosterreformbewegung nicht nur die (Benediktiner-) Klöster erfasste, sondern auch in das (gemeinsame) Leben der Kanoniker grundlegend beeinflusste. Es bildeten sich durch Übernahme der Augustinusregel (praeceptum [longius] -> regula Augustini) Gemeinschaften von Regularkanonikern, so dass von da an die Einteilung in (bepfründete) Säkularkanoniker (canonici saeculares) und in (die vita apostolica/communis [bei Armut, Keuschheit und Gehorsam] lebende) Regularkanoniker (canonici regulares) galt (Lateransysnode 1059: 4. Kanon). Zentren der Kanonikerreform waren im 11. Jahrhundert St. Martin-de-Champs (in Paris), St. Quentin (in Beauvais), St. Viktor (bei Paris), für die Reform standen Ivo von Chartres (†1115), Wilhelm von Champeaux (†1121), die Bischöfe Altmann von Passau (1065-1091) und Konrad I. von Salzburg (1106-1141). Die Regularkanoniker folgten dann unter vielen Zwischenstufen dem ordo antiquus (Übernahme des praeceptum) oder dem ordo novus (Übernahme des praeceptum longius), wobei auch den Ausführungsbestimmungen vor Ort (consuetudines) eine wichtige Rolle bei der Ausgestaltung der vita communis zukam. II. Norbert von Xanten (*ca.1070/75-†1134) war der Gründer des Prämonstratenserordens in seiner "Mittelstellung zwischen Mönchen und säkularen Kanonikern". Geboren in Niederlothringen als Sohn des Heribert von Gennep, war Norbert für eine gesitliche Laufbahn bestimmt, die ihn als Kanoniker an das Xantener Viktorstift brachte, um danach am Hof des Kölner Erzbischofs Friedrich I. (1100-1131) und Kaiser Heinrichs V. (1106-1125) einträgliche Aufgaben zu erfüllen. Nach einer angeblichen "Bekehrung" (1115) wendete sich Norbert von seinem Leben als Höfling ab und versuchte, sich der vita apostolica anzunähern (kurzer Aufenthalt im Reformkloster Siegburg; Weihe zum Diakon und Priester; Aufenthalt im Kanonikerstift Klosterrath; Einsiedler an der Mosel und bei Xanten; Anklage [1118] und Ausweichen nach Südfrankreich; Norbert als Wanderprediger; Zusammentreffen mit Papst Gelasius II. [1118; Erlaubnis zur Predigt] und mit Bischof Burchard von Cambrai [1119]; Zusammentreffen mit Papst Calixt III. [1119]; Aufenthalt an der theologischen Schule von Laon [1119/20]). Mit Unterstützung und auf Betreiben des Ortsbischofs Bartholomäus von Laon (1113-1152) wurde im Tal von Prémontré (westlich Laon) bei einer Johanneskirche eine geistliche Gemeinschaft unter der Leitung Norberts gegründet (Frühjahr 1120). Norbert ließ sich indes vom Wanderpredigen nicht abhalten, zumal er einen Kreis (ordo) von ihm unterstellten Kommunitäten im Sinn hatte (1121 Floreffe, 1122 Cappenberg, 1124 Sint-Michiels [Antwerpen], 1124/26 St. Martin [Laon]). Parallel dazu bildete sich die Lebensweise der Regularkanoniker Norberts heraus (praeceptum longius und Profess der Kanoniker von Prémontré [1121]; päpstliche Bestätigung [1124]; Romaufenthalt [1126]; Aufenthalt in Würzburg [1126]). 1126 wurde Norbert Erzbischof von Magdeburg (1126-1134); in Sachsen enstanden weitere Gemeinschaften, die Norberts ordo zugeordnet wurden (1126/29 Unser Lieben Frau [Magdeburg], 1130 Pöhlde, 1131 Gottesgnaden), auch in Hinblick auf etwaige Missionstätigkeiten östlich der Elbe. Auf dem Reimser Konzil (1131) und bei einem weiteren Romaufenthalt (1133) erreichte Norbert seine Ziele hinsichtlich der kirchenrechtlichen Stellung der Kommunitäten und seiner Stellung als Erzbischof im östlichen Mitteleuropa (Unterstellung der polnischen Bistümer). Auf seiner Rückreise erkrankte Norbert schwer und starb am 6. Juni 1134 in Magdeburg, wo sein Leichnam im Kloster Unser Lieben Frau begraben wurde. Dank seines Charismas gelang es Norbert einen ordo Norberti zu formen, dem Kanoniker, Laienbrüder und Laienschwestern angehörten. Zwar sorgte nicht zuletzt Norberts Rolle in weltlichen Angelegenheiten und als Erzbischof bei einigen seiner Anhänger für Kritik, doch blieb der von Norbert geschaffene Verband von Kommunitäten erhalten und erweiterte sich. III. Den Übergang vom ordo Norberti zum ordo Praemonstratenis gelang unter dem ersten Abt von Prémontré, Hugo von Fosses (1128-1162), dem Organisator des Ordens. Hugo stabilisierte nicht nur die Gemeinschaft in Prémontré, sondern den ordo insgesamt (consuetudines, Institutionalisierung [Generalkapitel, Visitation], päpstliche Privilegierung -> [versuchte] uniformitas in Liturgie und Gewohnheit). Der sich entwickelnde Prämonstratenserorden zeichnete sich durch eine entsprechende Seelsorge aus, bei der weniger Pfarrkirchen als die Kommunitäten und deren Besitzungen Zentren der Seelsorge waren. Von den Kanonikern getrennt lebten und arbeiteten die Konversen, an Zahl im 13. Jahrhundert schon abnehmend; die prämonstratensischen Frauenklöster waren jeweils von einem Männerkloster unter Abt und Propst abhängig und wurden von Priorinnen oder Meisterinnen geleitet. Statt Doppelklöstern setzte sich im Laufe der Zeit eine räumliche Trennung von Frauen- und Männergemeinschaften durch (unterschiedliche Regelungen in Frankreich und im deutschen Reich). Die wirtschaftliche Grundlage der Prämonstratenserstifte/-klöster bildeten die Elemente der mittelalterlichen Grundherrschaft (Gutshöfe); die Eigenwirtschaft ging schon bald in ein System der Verpachtung von Grundbesitz über. Spirituell-religiös gründete sich der Orden etwa in den Schriften des Philipp von Harvengt (†1183), der hier das Idealbild eines Klerikers beschreibt (Vita Augustini, De institutione clericorum), oder des Adamus Scotus (†1212), der das geistlich-kontemplative Leben der Geistlichen hervorhebt (De ordine et habitu atque professione canonicorum ordinis Praemonstratensis). Prämonstratensische Mystik des Mittelalters ist verbunden mit Hermann von Steinfeld (†1241) und Christina von Hane (†1292). Innere Schulen dienten der Ausbildung der Novizen, Kanoniker konnten unter bestimmten Umständen auswärtige Kollegien und Universitäten besuchen (1236/38), das Kolleg St. Anna in Paris war eine prämonstratensische Gründung (1252). Wissenschaft und mittelalterliche Geschichtsschreibung spielten sich im Rahmen einzelner Kommunitäten ab (Weltchronik Roberts von Auxerre [†1212], Weltchronik Burchards von Ursberg [†1231]). IV. Der Prämonstratenserorden zeichnete sich während des 12. und 13. Jahrhunderts durch eine hohe Akzeptanz aus, so dass die Anzahl der ihm angehörenden Kommunitäten mehrere Hundert erreichte (bis 1162: ca.140, bis 1200: ca.300, bis 1300: ca.410, bis 1400: ca.416; bischöfliche Gründungen, landesherrliche Gründungen, Adelsgründungen [Vogteiproblem]). Geografisch war der Orden in Nordfrankreich, Lothringen, dem deutschen Reich, Böhmen (1. Phase), in Spanien, England, Schottland, Nordeuropa und sogar auf Zypern (2. Phase) vertreten. Kreuzzug und Mission (Wendenkreuzzug, Slawenmission) prägten den Orden ebenso wie der Aufbau kirchlicher Strukturen im Rahmen auch der Bistumsorganisation (prämonstratensische Domstifte). V. Noch im hohen Mittelalter wurden einige Ideale der postulierten vita apostolica relativiert: ein Pfründensystem entstand, Pitanzen regelten das Auskommen ärmerer Prämonstratenser; (damit zusammenhängend) verschwand die Grangienwirtschaft zu Gunsten der Verpachtung kleinerer Höfe bei Rückgang der Eigenwirtschaft; aus Prämonstratensergemeinschaften entwickelten sich meist adelsexklusive Gemeinschaften. Das hohe Mittelalter sah aber auch eine stärkere Organisiertheit des Ordens, gegliedert in geografische Bezirke, den Zikarien (unter einem circator als Visitator), mit dem Generalkapitel als Jurisdiktions- und Krontrollinstanz (mit dem Generalabt von Prémontré) und dem Entscheidungsgremium des Definitorium als Teil des Generalkapitels (Statuten 1222/27; Reformbulle Papst Gregors IX. 1232; Statuten 1234/36). Dabei kam es immer wieder zu Spannungen zwischen der Zentrale in Prémontré und den regionalen Verbänden, zumal in Zeiten, als das Kloster Prémontré geschwächt war (Vorrechte der Magdeburger Filiation 1293/95 und sächsische Triennalkapitel; Streitigkeiten mit den englischen Prämonstratensern 1304/16 [vor dem Hintergrund der politischen Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich]; zeitweise Trennung der englischen Prämonstratenser vom Orden im 14. und 15. Jahrhundert [Hundertjähriger Krieg 1337-1453, Großes Papstschisma 1378-1417]). Die prämonstratensische Statuten- und Gesetzgebung stand im ausgehenden hohen und im späten Mittelalter immer unter dem Vorbehalt der Ordensreform als Teil einer immer wieder geforderten Reform der gesamten Kirche. Die Reformanliegen der Päpste Gregor IX. (1234) und Innozenz IV. (1245) waren innerhalb des Ordens umstritten, erst die Statuten von 1290 regelten für die Folgezeit verbindlich Fragen zur Organisation, Wirtschaft und Disziplin innerhalb des Ordens (Aufnahme von Novizen und Konversen, Fleischgenuss, Kleidung, Klostergut, Geldgeschäfte, Visitation und Visitatoren, Umgang mit weiblichen Personen, Prämonstratenser als Pfarrer). Im 15. Jahrhundert war die prämonstratentische (rückwärtsgewandte?) Reform bei Exemtion des Ordens von den Diözesanbischöfen (1409) geprägt von der Ordensleitung, dem päpstlichen Reformwillen und den regionalen Eingriffen der Landesherren (<-> Institut der Kommende [Prämonstratenserklöster unter der Leitung von Kommendataräbten]). Die Reformen waren verbunden mit der aus dem Benediktinertum hervorgehenden Melker Reform, der im Zusammenhang mit der Windesheimer Kongregation auftretenden spirituellen Bewegung der devotio moderna, dem Reformmittelpunkt Prämonstratenserkloster Steinfeld, den Reformversuchen des päpstlichen Legaten und Kardinals Nikolaus von Kues (sächsische Zikarie, Stift Wilten), den prämonstratensischen Reformen in England, Böhmen und Ungarn. Die Ordensstatuten von 1505 waren dann Ausfluss der Reformen im Orden. VI. Die durch Martin Luther ausgelöste Reformation und Konfessionalisierung gerade auch Mitteleuropas führte im Verlauf des 16. Jahrhunderts zur Annahme der reformatorischen Bestrebungen durch einzelne Prämonstratenser (Georg Risch, Johannes Boldewan), aber auch zur Aufhebung vieler prämonstratensischer Gemeinschaften in protestantischen Territorien (Eingriffe der Landesherren); die Reformation wirkte sich auch negativ auf die Prämonstratensergemeinschaften in katholischen Territorien aus (Übertritte zum neuen Glauben, unterbesetzte Gemeinschaften mit gegen die Statuten verstoßenden Prämonstratensern [Konkubinat, Ehe, Kinder]; Klosterrat in den österreichischen Territorien als Gegenmaßnahme [1566]). Im Zuge des Konzils von Trient (1545-1563) und der einsetzenden katholischen Gegenreformation war auch die Reform des Prämonstratenserordens ein Thema; von Prémontré ausgehende Reformen, die Reform der spanischen Prämonstratenserniederlassungen (Spanische Kongregation), die Reformbewgung in niederländischen Gemeinschaften sowie die französische Communitas antiqui rigoris als Reformkongregation unter neuer Observanz (1611/21), die neuen Ordensstatuten von 1630 (auf Grundlage u.a. des Reformkapitels von 1618) spielten hier eine Rolle, wobei die Schwäche der Zentrale Prémontré und die zeitweise Vakanz des Generalats nach dem Tod des Generalabtes Pierre Gosset (1635) zweifelsohne regionale Tendenzen im Orden beförderte (Kompromiss mit der Communitas antiqui rigoris 1660). Die (verinnerlichten) nachtridentinischen Reformen einschließlich neuer Ausbildungsstrukturen ließen dabei im Orden einen neue geistliche Ordnung und Mentalität entstehen, die zur Stabilität des Ordens mit seiner barocken Frömmigkeit und Mystik (Roggenburger Keuschheitsbruderschaft, Norbertusbruderschaften, Tertiarinnenköster, Dritter Prämonstratenserorden [1751], Marienverehrung) sowie bei Bildung und Wissenschaften (Klosterschulen, Universitätsausbildung) und in der Identitätsstiftung (Georg Lienhardt, Friedrich Herlet) führten. Zeitweise waren im Orden Einflüsse des Jansenismus spürbar (17. Jahrhundert). Die Vielfalt der damaligen Prämonstratensergemeinschaften offenbart sich in der Translation der Gebeine des heiligen Norbert von Magdeburg ins böhmische Strahov (1627; Kanonisierung Norberts, neuzeitliches Norbertbild), in der Einbindung des Ordens in die Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen des Absolutismus (Einflussnahmen auf Prémontré [Jean-Baptist Colbert als Generalabt 1666/68-1702], Landesherrschaft von prämonstratensischen Reichsstiften). Im 18. Jahrhundert war der Orden insgesamt gefährdet (weitgehender Wegfall der Generalkapitel), aber auch in seinen Teilen (Frankreich: französisches Nationalkapitel; Habsburgermonarchie: josephinische Reformen). Schon vor der Französischen Revolution (1789) waren somit einige Prämonstratenserklöster aufgehoben worden. VII. Die Säkularisation von prämonstratensischen Kommunitäten, allen voran Prémontrè (1790), schritt im Gefolge der Revolution und der (napoleonischen) Modernisierung Europas weiter voran (Klosteraufhebung im deutschen Reich, Spanien, Polen), doch überlebte der Orden (Restauration unter geänderten Bedingungen), z.B. in den Ländern der Habsburgermonarchie (österreichische Kongregation), in der brabantischen Zikarie, im Frankreich des Zweiten Kaiserreichs. Die Vatikanischen Konzilien (1869/70, 1962/65), eine erneuerte prämonstratensische Liturgie, Missionstätigkeiten außerhalb Europas, das Überleben in Nationalsozialismus und Kommunismus ließen einen modernen Orden entstehen (Statuten von 1947, Konstitutionen von 1970), der mit seinen Anfängen und seiner Geschichte, seinem gesitigen Erbe verbunden bleibt (Heilige und Selige als Identifikationsfiguren). [Buhlmann, 08.2021]

Leinthaler, Beate (2003), Eine ländliche Siedlung des frühen Mittelalters bei Schnaitheim, Lkr. Heidenheim (= MABW 70), Stuttgart 2003, 145 S. + 41 Tafeln, Schwarzweiß- und Farbabbildungen, Pläne, Kartenbeilage, € 12,-. I. Aus dem Beginn des frühen Mittelalters, der Zeit der merowingischen Frankenkönige, der Merowingerzeit (6.-8. Jahrhundert), sind vielfach Gräber und (Reihengräber-) Friedhöfe archäologisch erfasst worden, doch viel weniger Reste von (heute meist überbauten) Siedlungen. In der Flur "Seewiesen" südlich von Schnaitheim unmittelbar an der Brenz wurden zahlreiche Funde in Gemengelage festgestellt, u.a. Reste einer frühmittelalterlichen Siedlung. II. Im Einzelnen folgten zeitlich auf urnenfelder- und bronzezeitliche Siedlungsreste ein hallstattzeitliches Gräberfeld mit 36 Hügeln und Nachbestattungen des endenden 5. bis 7. Jahrhunderts, eine römerzeitliche ländliche Siedlung (villa rustica) der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts n.Chr. (rechtwinkliges Grabensystem, Brunnen, Umzäunung) und frühmittelalterliche Siedlungsreste des 7. und 8. Jahrhunderts (Pfostenbauten, Grubenhäuser, Keramik, Kleinfunde). Die römische villa rustica und auch die frühmittelalterliche alemannische Siedlung sind im Zusammenhang mit der römischen Siedlung Heidenheim zu sehen, wahrscheinlich das Kastell Aquileja der Peutingertafel (bis ca.160 n.Chr., Verlegung nach Aalen) bzw. als römische Nachfolgesiedlung des Kastells (vicus) und Verwaltungssitz (Civitasvorort); auch nach der Aufgabe der agri decumates (259/61 n.Chr.) und dem Eindringen der Alemannen blieb Heidenheim bis mindestens zur Mitte des 4. Jahrhunderts besiedelt; alemannische Funde in Heidenheim stammen aus dem späten 5. bis zum 7. Jahrhundert. Allgemein war in der Vor- und Frühgeschichte das Brenztal ein bevorzugtes Siedlungsgebiet wegen seiner verkehrsgünstigen Lage und dem Vorkommen von Bohn- und Doggererzlagerstätten. III. Frühmittelalterlich-alemannische Bestattungen finden sich dann auf der Flur "Seewiesen" im hallstattzeitlichen Gräberfeld, weiter im Ort Schnaitheim (Skelettreste von Männern und Frauen, Fibeln, Glasperlen, Glastummler, Leder, Waffen[reste]). Die Gräber stammen aus dem 6. bis späten 7. Jahrhundert, die Nachbestattungen auf dem hallstattzeitlichen Gräberfeld gehören zu einem besonderen Grabritus des 7. Jahrhunderts. IV. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den alemannischen Bestattungen und der nördlich davon gelegenen alemannischen Siedlung auf einem hochwasserfreien Kiesbecken an der Brenz. Die aufgefundenen Grubenbauten liegen in einem Areal unmittelbar östlich der Brenz, die Pfostenbauten schlossen daran westlich und östlich an, weitere Strukturen sind nicht erkennbar. Die noch nicht vollständig archäologisch erfasste Siedlung bestand hauptsächlich im 7. und 8. Jahrhundert, also auch nach der allgemeinen Aufgabe der Beigabensitte in den Gräbern. Die Siedlung bei Schnaitheim kann eingeordnet werden in die alemannische Besiedlung auf der Ostalb seit dem 4. Jahrhundert, die Aufgabe der Siedlung könnte mit einem Wegzug der Bevölkerung nach Heidenheim oder Schnaitheim zusammenhängen. Schnaitheim selbst wird erstmals im 12. Jahrhundert in den Geschichtsquellen erwähnt (Toponym Sneiten als unechter heim-Name in der Bedeutung "Schneise [im Wald)]"; Snaitheim, Snaithain [15. Jahrhundert]), Besitz in Schnaitheim wurde im 8. oder 9. Jahrhundert an das Kloster Fulda verschenkt. [Buhlmann, 06.2017]

Leipoldt, Johannes, Grundmann, Walter (Hg.) (1976), Umwelt des Urchristentums, 3 Bde., Bd.I: Darstellung des neutestamentlichen Zeitalters, Berlin 61982, Bd.II: Texte zum neutestamentlichen Zeitalter, Berlin 61982, Bd.III: Bilder zum neutestamentlichen Zeitalter, Berlin 51982 > S Schnelle, Die ersten 100 Jahre des Christentums

Leipziger Übersetzungen und Abhandlungen zum Mittelalter, Reihe A, begr. v. Ernst Engelberg, Horst Kusch, hg. v. Max Steinmetz, stellen sich in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts dar als sozialistisches Gegenstück der Deutschen Demokratischen Republik zur Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe der Bundesrepublik Deutschland.
Im Einzelnen sind erschienen: Bd.3 (1960): Kaiser, Volk und Avignon. Ausgewählte Quellen zur antikurialen Bewegung in Deutschland in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, hg. v. Otto Berthold, Berlin 1960, 391 S., DM 28,-, führt Geschichtsquellen zum (publizistischen) Kampf zwischen dem römisch-deutschen König Ludwig dem Bayern (1314-1347) und den Päpsten in Avignon auf; Bd.4 (1967): Das Buch der hundert Kapitel und der vierzig Statuten des sogenannten oberrheinischen Revolutionärs, bearb. v. Annelore Franke u. eingel. v. Gerhard Zschäbitz, Berlin 1967, 552 S., M (Ost) 68,-, auf Deutsch wahrscheinlich verfasst an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert und anonym überliefert, richtet sich gegen die spätmittelalterliche Ständestruktur im römisch-deutschen Reich, gegen die Ausbeutung der Bauern und der städtischen Unterschichten, gegen Kirche, Geistlichkeit, Obrigkeit und deren Rechte und Privilegien bei Forderung von Reformen und "Entfeudalisierung" auf der Grundlage von Recht und (göttlicher) Gerechtigkeit. [Buhlmann, 04.2015]

Leitner, Thea (1987), Habsburgs verkaufte Töchter (= SP 1827), München 41995, München 172011 > H Habsburger

Leitner, Thea (1989), Habsburgs vergessene Kinder (= SP 1865), München 21995 > H Habsburger

Lelgemann, Dieter (2010), Die Erfindung der Messkunst. Angewandte Mathematik im antiken Griechenland, Darmstadt 2010, 285 S., Schwarzweißabbildungen, € 19,90. I. Historisch war die griechische Mathematik der Antike auch eine angewandte Mathematik, wie ihre Verwendung in der antiken Astronomie und Geodäsie, in der antiken Messkunst zeigt. Beginnend mit der ionischen Naturphilosophie (Thales von Milet [*ca.625-†547 v.Chr.]: Vorhersage der Sonnenfinsternis von 585 v.Chr. [?], Geodäsie, Pyramiden-/Schattenmessung, geometrische Überlegungen [Thaleskreis]; Anaximander von Milet [*ca.610-†546 v.Chr.]: Astronomie [Schiefe der Ekliptik, Gnomon], Zeitrechnung, Geografie [Kugelgestalt der Erde, Weltkarte]), entwickelte sich im griechischen Mutterland und in Unteritalien die griechische Mathematik (Pythagoras [*ca.570-†n.510 v.Chr.], Pythagoreer: Disziplinen der angewandten Mathematik, u.a. Astronomie [Kosmos] und Geodäsie ["Vermessung"]) und erkenntnistheoretische Physik (u.a. des Seins und der Bewegung) weiter (Xenophanes von Kolophon [*ca.565-†470 v.Chr.]; Parmenides von Elea [*ca.515-†445 v.Chr.]; Zenon von Elea [*ca.490-†430 v.Chr.]: Paradoxa der Bewegung; Platon [*ca.428-†348 v.Chr.]: Ideenlehre; Aristoteles [*ca.384-†322 v.Chr.]: Metaphysik als Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie). Resultat der naturwissenscahftlichen Erkenntnisse der griechischen Antike waren durch die Mathematik getragene Konzepte in Astronomie (Eudoxos von Knidos [*ca.408-†355 v.Chr.], Kallippos von Athen [*ca.390-†352/51 v.Chr.]: [rotierende] Sphären, Exzenter, Epizykel, Lunisolarkalender) und Geografie (Pytheas von Massilia [ca.330 v.Chr.]: geografische Breite). Den Höhepunkt antiker griechischer Mathematik und Naturwissenschaft stellt dann die Epoche des Hellenismus dar (Aristarch von Samos [*ca.310-†230 v.Chr.]: heliozentrisches Weltsystem; Archimedes von Syrakus [*ca.285-†212 v.Chr.]: Geometrie, Mechanik; Eratosthenes von Kyrene [*ca.284-†202 v.Chr.]: Weltkarte, Erdumfang, Entfernung Erde-Sonne; Apollonios von Perge [*ca.262-†190 v.Chr.]: Kegelschnitte, Mondtheorie [?], Equant-Methode [?]). Unter zunehmender römischer Vorherrschaft im Mittelmeerraum bzw. im römischen Reich ist dann der Ausklang griechischer Naturwissenschaft zu beobachten (Hipparch von Nikaia [*ca.190-†125 v.Chr.]: Kommentar zu Aratos, Methodenkritik; Heron von Alexandria [†n.62 n.Chr.]: Geometrie, Geodäsie, Mechanik; Klaudios Ptolemaios [*ca.100-†n.160 n.Chr.]: Mathematike Syntaxis/Almagest, Geographike Hyphegesis). II. Inhaltlich befasste sich die griechische Mathematik der Antike auf der Grundlage (altorientalisch-) antiker Längen- (Daktylos, Fuß, Elle, Stadion, Schoinos, römische Meile) und Winkelmaße (360°-Winkeleinteilung, rechter Winkel, Bogenmaß, Zahl π) sowie der Trigonometrie (Sinus, Kosinus, Tangens als Winkelfunktionen; Dreiecksätze, Thaleskreis, Möndchen [meniskoi] des Hippokrates, Würfelverdopplung, Quadratrix des Hippias, archimedische Spirale, Additionsaxiome, Sinustafeln) mit: ebener Geodäsie (Vorwärtseinschnitt, [normierter] Rückwärtseinschnitt) sowie sphärischer Geodäsie und Astronomie (gemäß der Kugelgestalt der Erde; Menelaos-Konstruktionen, Horizontalsystem, Äquatorialsysteme, geografische Breite, Tagesdauer, Ekliptik). An Instrumenten wurden dazu verwendet: Gnomon/Skiotheron (wissenschaftliche Sonnenuhr), Schattenquadrat, Lunar-Instrument (Mondmessung), Meridianring (Vertikalmessung), Astrolab/Armillarsphäre (Ekliptikdoppelring, Meridianring)). An Resultaten erbrachte die antik-griechische Messkunst: Geografie und Landvermessung (Ost-West-/Meridianrichtung, Cardo-Decumanus-Methode, Erdumfang, geografische Breite [Philo-, Pytheas-, Hippparch-Methode], geografische Länge [Gradmessung, Mondfinsternisse], Karten [Zyinder-, Kegel-Abbildungen, Ökumene-Karte des Eratosthenes]), Astronomie (heliozentrisches Weltsystem, Exzenter-Epizykel-Methode [Planetenbahnen als Ellipsen, Equant-Modell], Enfernung Mond-Erde, Entfernung Sonne-Erde, Bahnen von Venus und Mond). [Buhlmann, 07.2018]

Lelgemann, Dieter (2011), Gauß und die Messkunst, Darmstadt 2011, 127 S., € 14,90. Der Mathematiker und Gelehrte Carl Friedrich Gauß (*1777-†1855) studierte nach Schulausbildung und Abitur am Collegium Carolinum Braunschweig (1792-1795) und an der Universität Göttingen Mathematik (1795-1798); die Promotion erfolgte 1799, die Promotionsarbeit beschäftigte sich mit den komplexen Zahlen. Einen gewissen Abschluss fand diese erste Phase von Gauß' Forschungen über Analysis und Geometrie (1790/1800) in den Disquisitiones Arithmeticae (1801; daneben: Methode der kleinsten Quadrate ab 1789, geometrische Konstruktion des regulären 17-Ecks 1796, Osterfestberechnung 1800/02/07). In den folgenden Jahrzehnten (1800/20) wandte sich der auch praktisch veranlagte Gauß der Astronomie und Geodäsie zu (Landvermessungen ab 1799, Planetoidenentdeckungen 1801/07, Theoria Motus 1809, "Über die hypergeometrische Reihe" 1813). 1805 wurde Gauß Professor für Astronomie an der Universität Göttingen und Direktor der dortigen (zunächst noch im Bau befindlichen) Sternwarte (astronomische Hilfstafeln 1808/12, Refraktionstafeln 1822). Die Beschäftigung mit der Geodäsie und dem Erdmagnetfeld (1820/45) führte zu Erkenntnissen bei der Erdabplattung (Geoid, 1828); 1829 veröffentlichte der Gelehrte die Schriften "Die allgemeinen Grundlagen der Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten im Gleichgewichtszustand" und "Über ein neues allgemeines Grundgesetz der Mechanik" (Prinzip des kleinsten Zwangs); 1831 erschien Gauß' "Theorie der biquadratischen Reste" zu den komplexen Zahlen. Ausfluss von Gauß' Beschäftigung mit dem Elektromagnetismus war u.a. die telegrafische Göttinger Drahtverbindung von 1833. 1843 und 1846 folgten noch zwei "Untersuchungen über Gegenstände der Geodäsie". Nach seinem Tod wurde Gauß als princeps mathematicorum gewürdigt (1855). Vgl. noch: Kehlmann, Daniel (2005), Die Vermessung der Welt. Roman, Reinbek 92005, 303 S., € 19,90, (= rororo 24100), Reinbek 2008, 301 S., € 9,95, (= Welttag des Buches 2012), Reinbek 2012, 301 S. [Buhlmann, 09.2008, 01.2012, 02.2020]

Lemcke, Georg (1909), Beiträge zur Geschichte König Richards von Cornwall (= HS 65), Berlin 1909 > R Richard von Cornwall

Lendon, Jon Edward (2022), Rhetorik, Macht, Rom. Die Kraft der Redekunst im Imperium Romanum, Darmstadt 2023, 352 S., Schwarzweißabbildungen, € 25,60. Die Herrschaft im römischen Reich der Kaiserzeit war dichotomisch aufgebaut: auf der einen Seite die Autokratie des römischen Kaisertums in Reich und Provinzen, auf der anderen die Städte als Republiken mit ihren Magistraten. Die Herrschaft ausübende Oberschicht im Reich war im Rahmen der griechisch-römischen Bildung (Rechnen und Lesen als Grundbildung, Grammatik, Rhetorik bzw. Philosophie -> Literatur, Musik, Athletik -> enkyklios paideia, artes liberales) stark durch die Rhetorik (forensische [Gerichts-], deliberative [Versammlungs-/Rats-], demonstrative [panegyrische] Rhetorik) geprägt. Dabei spielte die Deklamation deliberativer (suasoriae) und forensischer Ausprägung (controversiae) innerhalb der miteinander konkurrierenden Mitglieder der Oberschicht eine wichtige Rolle. Durch ihre Bildung war die Oberschicht von einer imaginären, nicht realen, künstlichen "Wolke von Rhetorik" ("Sophistopolis") umgeben, die mit den realen Verhältnissen im römischen Reich in Verbindung stand und diese sogar in einzelnen Bereichen mehr oder weniger stark beeinflusste. Diesbezüglich sind als "seltsame Kinder der Rhetorik" zu nennen: der Einfluss der deklamatorischen Rhetorik auf Verhaltensweisen in der römischen Politik (rhetorisch verankertes Verhalten der Caesarmörder Brutus und Cassius als "Tyrannenmörder" nach der Ermordung des "Tyrannen" Caesar, rhetorisch verankertes Verhalten Caesars unmittelbar vor seiner Ermordung [44 v.Chr.] [Tyrann und Tyrannenmörder als rhetorische Rollen]; Kaiser Domitian [81-96 n.Chr.] als "Tyrann", der gemäß der Rhetorik vielleicht auch "tyrannisch" lebt [Geiz, Misstrauen, Palast als Burg]; Tyrannenbild der rhetorischen Deklamation übertragen auf die politische Realität), der Einfluss der deklamatorischen Rhetorik auf städtische Bauten über den Wettbewerb zwischen Oberschichtenmitgliedern (rhetorisches Städtelob und monumentale Nymphäen [Wasserversorung] [in Kleinasien und Nordafrika] sowie Säulenstraßen [Kolonnaden] [spätes 1., 2. Jahrhundert n.Chr.]; Enkomia und der durch die Rhetorik weit weniger beeinflusste Bau von Stadtmauern [zum Nutzen und zur Verschönerung von Städten]). Innerhalb der deklamatorischen Rhetorik hatten sich auch eigene Rechtsgrundsätze um die patria potestas, den raptus ("Raub, Vergewaltigung" von Frauen), den Ehebruch, die ingratia ("Undankbarkeit" von Freigelassenen, Familienmitgliedern; talio) oder den Selbstmord herausgebildet, die bis in die Spätantike nur teilweise, wenig oder gar nicht Bestimmungen innerhalb des römischen Rechtes beeinflussten. In den Bereich des Rechts drang die Rhetorik des deklamatorischen Rechts also weitgehend nicht ein. Darüber hinaus diente die Rhetorik der Selbstreflexion der Mitglieder der über das römische Reich bestimmenden Oberschicht. Nicht zuletzt verfestigte die durch Bildung vermittelte Rhetorik, die "Erfahrung der rhetorischen Erziehung" bei der Oberschicht die Ansicht, in einer vom Recht geprägten Gesellschaft zu leben ("Glaube an eine Welt der Gesetze"), blieben doch auch in der Kaiserzeit Recht, Gerichtsbarkeit und Gericht wichtige und nicht wegzudenkene bürgerliche Institutionen in den Poleis und civitates im römischen Reich. Rhetorik festigte mithin (ungewollt) ideologisch das dichotome Herrschaftssystem unter Kaiser und Städten und dessen Akzeptanz. Die durch eine (kontrovers-deklamatorische) Rhetorik (und Erziehung) der "Zwietracht und Rivalität" geformte Konkurrenz innerhalb der Oberschicht, der (mitunter selbstzerstörerisch-ruinöse) Wettbewerb zwischen Individuen (und Städten) innerhalb der antiken griechisch-römischen Kultur war für das Funktionieren römischer Herrschaft in den Städten und auf Reichsebene notwendig. [Buhlmann, 09.2023]

Lenz, Siegfried, deutscher Schriftsteller: Geboren am 17. März 1926 im ostpreußischen Lyck, gestorben am 7. Oktober 2014 in Hamburg, erlebte Siegfried Lenz in seiner Jugend den Nationalsozialismus (Kurs für Hochbegabte in Kappeln, Internat in Samter, Notabitur 1943, NSDAP-Mitgliedschaft [über ein Sammelverfahren] und deutsche Kriegsmarine 1943, Desertion und britische Gefangenschaft 1945), um nach Zweiten Weltkrieg (1939-1945) an der Hamburger Universität Philosophie, Anglistik und Literaturwissenschaft Philosophie, Anglistik und Literaturwissenschaft zu studieren, ein Studium, da er aber bald abbrach. Stattdessen wurde Lenz Voluntär bei der Tageszeitung "Die Welt" sowie dort Feuilletonredakteur (1950/51). Mit dem Jahr 1951 begann die Karriere von Siegfried Lenz als freier Schriftsteller, die ihn zu einem der einflussreichsten Schriftsteller im Nachkriegsdeutschland wurde, politisch engagiert (Unterstützung der Ostpolitik des SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt) und mit zahlreichen Literaturpreisen bedacht (Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg 1953, Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1988, Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main 1999, Ehrenbürger-, Ehrendoktorwürden usw.), aber auch um sein literarisches Erbe besorgt (Überführung von Lenz' persönlichem Archiv ins Deutsche Literaturarchiv Marbach, Siegfried Lenz-Stiftung in Hamburg 2014). Von den zahlreichen Romanen, Erzählungen, Theaterstücken oder Hörspielen seien genannt: Lenz, Siegfried (1951/76), Die frühen Romane: Es waren Habichte in der Luft, Der Mann im Strom, Brot und Spiele, Stadtgespräch, Hamburg 1976, 776 S., DM 24,-; Lenz, Siegfried (1955), So zärtlich war Suleyken (= Fischer Tb 312), Nachdruck Frankfurt a.M. 1985, 118 S., DM 5,80, Frankfurt a.M. Neuauflage 1994, 118 S., DM 9,90; Lenz, Siegfried (1959), Brot und Spiele. Roman (= dtv 233), München 131975, 172 S., DM 3,80; Lenz, Siegfried (1960), Das Feuerschiff. Erzählungen (= dtv 336), München 171974, 187 S., DM 3,80, München 181975, 187 S., DM 3,80; Lenz, Siegfried (1968), Deutschstunde. Roman, Gütersloh 1968, 480 S., DM N.N.; Lenz, Siegfried (1968), Deutschstunde. Roman (= dtv 944), München 21973, 416 S., DM 6,80, München 41974, 416 S., DM 6,80, München 332000, 449 S., DM 19,90, München 342002, 449 S., € 10,-; Lenz, Siegfried (1970), Gesammelte Erzählungen, Hamburg 1970, 632 S., DM 20,-, Hamburg 51971, 634 S., DM 20,-; Lenz, Siegfried (1973), Das Vorbild. Roman, Hamburg 1973, 527 S., DM 30,-, Hamburg 21973, 527 S., DM 30,-; Lenz, Siegfried (1975), Einstein überquert die Elbe bei Hamburg. Erzählungen, Hamburg 1975, 311 S., DM 28,-; Lenz, Siegfried (1975), Einstein überquert die Elbe bei Hamburg. Erzählungen (= dtv 1381), München 71996, 229 S., DM 14,90; Lenz, Siegfried (1978), Heimatmuseum. Roman, Stuttgart-Hamburg-München 1978, 696 S., DM N.N.; Lenz, Siegfried (1978), Heimatmuseum. Roman, Stuttgart-Gütersloh-Wien 1978, 574 S., DM N.N.; Lenz, Siegfried (1981), Der Verlust. Roman (= dtv 10364), München 21985, 233 S., DM 7,80, München 132000, 233 S., DM 16,50; Lenz, Siegfried (1985), Exerzierplatz. Roman, Frankfurt a.M.-Olten-Wien 1987, 460 S., DM N.N.; Lenz, Siegfried (1994), Die Auflehnung. Roman (= dtv 12155), München 1996, 367 S., DM 16,90; Lenz, Siegfried (1999), Arnes Nachlaß. Roman (= dtv 12915), München 42002, 206 S., € 8,50; Lenz, Siegfried (2002), Zaungast (= editionWelttag), Hamburg 2002, 91 S., € N.N. Zusammenfassungen der Werke von Siegfried Lenz sind: Lenz, Siegfried, Die Erzählungen (1949-1984): Bd.2: 1959-1964 (= dtv 10527), München 1986, 353 S., Bd.3: 1965-1984 (= dtv 10527), München 1986, 328 S., zus. DM N.N. [Buhlmann, 06.1974, 10.2020, 03.-06.2021, 02.2022, 09.2022, 11.-12.2022, 02.2023, 07.2023, 01.2024]

Leonardo Pisano, Leonardo von Pisa, Leonardo Fibonacci, hochmittelalterlicher Mathematiker: Leonardo Fibonacci (*ca.1170-†ca.1240), Bürger aus Pisa, stand seit seiner Jugend in vielfältiger Weise in Beziehung zur Mathematik (Bugia, Ägypten, Syrien, Provence, Byzanz) und wusste diese in einer Reihe von mathematischen Werken wirkungsvoll umzusetzen. Fibonaccis Liber abaci erschien als Handschrift erstmals im Jahr 1202; 1228 folgte eine Überarbeitung. Basierend auf den indisch-arabischen Ziffern, der Null und dem Stellenwertsystem der (natürlichen) Zahlen führt Fibonacci ein in die theoretischen und praktischen Aspekte der Arithmetik, des Rechnens mit den Zahlen auf Basis von Algorithmen. Im Vorwort weist Fibonacci hin auf seine Reisen, die er unternommen hat, und verweist auf die Beweisgrundlagen gemäß den euklidischen Beweisprinzipien. Buch I führt die indisch-arabischen Ziffern einschließlich der Null ein und somit das Stellenwertsystem. Buch II-V beschäftigt sich mit der Multiplikation, Addition, Subtraktion und Division von ganzen Zahlen, Buch VI-VII mit dem Grundrechnen mit Bruchzahlen. Buch VIII-XI enthält kaufmännisches Rechnen (Geldbeutelaufgaben, Aufteilung von Gewinnen, Umrechnungen u.a.). Buch XII beschäftigt sich mit linearen Gleichungen, Buch XIII u.a. mit den Rechenregeln zu positiven und negativen Zahlen (elchataym, arithmetische Summen). Buch XIV legt das Rechnen mit Wurzeln dar. Buch XV schließlich beschäftigt sich mit Proportionalitäten, einfachen geometrischen Problemen und quadratischen Gleichungen (almuchabala). Danaben behandelt Leonardo Fibonacci in den Practica geometriae u.a. Flächenberechnungen, Ähnlichkeiten, den Kreisumfang, im Flos kubische Gleichungen und eine Anwendung der Regula falsi zur Berechnung nichtlinearer Gleichungen mit Iterationen, im Liber quadratorum eine Weiterentwicklung der mathematischen Ergebnisse des Diophantes von Alexandrien (2., 3. oder 4. Jahrhundert n.Chr.) zu Arithmetik und Algebra (diophantische Gleichungen). Vgl.: Fibonacci's Liber Abaci. Leonardo Pisano's Book of Calculation, übers. v. Laurence Sigler (2003) (= SSHMP), New York-Berlin-Hamburg 2003, 636 S., € 29,90; Lüneburg, Heinz (1992), Leonardo Pisani - Liber Abbaci oder Lesevergnügen eines Mathematikers, Mannheim 1992, 340 S., Abbildungen, DM 68,-. > Lateinische Literatur > L Leonardo Fibonacci [Buhlmann, 03.2013, 07.2017]

Leonhard, Jörn (2014), Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs, München 32014, 1157 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 38,-. Die Balkankrisen der Jahre 1908 und 1912/13 blieben zwar regional begrenzt, führten aber den politisch Verantwortlichen in den europäischen Staaten immerhin die Gefahr eines drohenden Weltkriegs vor Augen. Die Ermordung des österreichischen Erzherzogs Franz Ferdinand, des Thronfolgers der Habsburgermonarchie, in Sarajewo am 28. Juni 1914 stand am Anfang der sog. Julikrise 1914, in deren Verlauf sich das deutsche Kaiserreich vorbehaltlos auf die Seite Österreich-Ungarns stellte ("Blankoscheck" 5. Juli 1914). Dabei spielten auf deutscher Seite die politischen Verschiebungen im europäischen Mächtesystem zu Ungunsten Deutschlands eine Rolle (Vordringen des russischen Zarenreichs auf dem Balkan, französischer Revanchismus in der Elsass-Lothringen-Frage). Die Kriegserklärung der habsburgischen Donaumonarchie an Serbien am 28. Juli 1914 setzte folgerichtig einen diplomatischen Mechanismus in Gang, der dazu führte, dass innerhalb weniger Tage sich fast ganz Europa im Krieg befand: Russland-Donaumonarchie (30. Juli), Deutschland-Russland (1. August), Deutschland-Frankreich (3. August), Großbritannien-Deutschland (3. August). Die Mittelmächte (Deutschland, Österreich-Ungarn, [Bulgarien, osmanisches Reich]) befanden sich im Krieg gegen die alliierten Mächte der Entente (Frankreich, Russland, Großbritannien, Serbien, [Italien, Griechenland, Rumänien]). Die kriegerischen Aggressionen gingen von Deutschland aus (Präventivschlag gegen Frankreich, Kriegsbegeisterung und "Augusterlebnis"?), als deutsche Truppen auf ihrem Vormarsch die Neutralität Belgiens massiv verletzten (so dass Großbritannien in den Krieg eintrat). Nach der fast vollständigen deutschen Besetzung Belgiens scheiterte dennoch das nach dem Schlieffen-Plan durchgeführte Eindringen nach Nordfrankreich an der Marne (September 1914); an der Westfront bildete sich ein Stellungs- und Abnutzungskrieg (Schützengräben und Grabensysteme, Einsatz von Artillerie und Giftgas) aus, der in den folgenden Jahren zu wenig Gebietsveränderungen führen sollte (alliierte Gegenangriffe in Flandern, bei Arras, in der Champagne 1915, Schlacht bei Verdun [Februar/Juli 1916], Schlacht an der Somme [Juli/November 1916]). Hingegen ermöglichte der deutsche Sieg über in Ostpreußen eingedrungene russische Truppen bei Tannenberg (26./30. August 1914) - vor dem Hintergrund der militärischen Schwäche Österreich-Ungarns - eine offensive Vorgehensweise gegenüber dem Zarenreich an der Ostfront (Besetzung Polens, Litauens und Lettlands 1915), während die alliierten Kriegshandlungen Großbritanniens und Frankreichs auf dem Balkan und gegen das osmanische Reich scheiterten und die Armeen der Mittelmächte Serbien erobern konnten (1915). Auf Seiten der Entente trat Italien in den Krieg ein (23. Mai 1915), österreichische und italienische Divisionen standen sich von nun an im südlichen Alpenraum in einem weitgehenden Stellungskrieg gegenüber (Schlachten am Isonzo 1915/17), bis eine deutsch-österreichische Offensive den Frontverlauf nach Süden an die Piave verschob (Oktober/November 1917). Parallel dazu entwickelte sich der deutsche U-Boot-Krieg (Versenkung des britischen Passagierschiffs Lusitania, 7. Mai 1915) zu einem "unbeschränkten" Krieg (1916/17), was schließlich den Eintritt der USA in den Krieg auf alliierter Seite mitverursachte (6. April 1917). Die weitgehende Besetzung Rumäniens (1916) und der Zusammenbruch des Zarenreichs (Scheitern der russischen Westoffensive 1917, Unruhen in Petrograd und Moskau, provisorische bürgerliche Regierung, Oktoberrevolution 1917) ermöglichten an der Ostfront ein weites Vordringen von Armeen der Mittelmächte nach Osten (Eroberung Kiews am 1. März 1918) und den Diktatfrieden von Brest-Litowsk (3. März; Abtretung großer Gebiete im Westen Russlands) bei weiteren Vorstößen deutscher Truppen (bis zu Krim, Donez und Kaukasus [August 1918]). Währenddessen ging der Stellungskrieg an der Westfront weiter (1917/18), zwei letzte Offensiven deutscher Truppen (März/Mai 1918, Juli 1918 [Marneoffensive]) an der Westfront scheiterten nach u.a. beachtlichen Anfangserfolgen letztendlich, allierte Gegenoffensiven (August 1918 [Soissons, Reims, Amiens], September/Oktober 1918) drängten indes die deutschen Soldaten weit im französisch-belgischen Gebiet zurück. Auch die Front auf dem Balkan brach zusammen (September 1918), danach die gegenüber Italien (Oktober 1918); der Krieg war für die Mittelmächte verloren. Zunächst stockende Waffenstillstandsverhandlungen und politische Unruhen u.a. im sich dem Ende zuneigenden deutschen Kaiserreich (Oktober/November 1918) führten schließlich am 11. November 1918 zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens, das die Kampfhandlungen in Europa und den Ersten Weltkrieg (1914-1918) beendete. Der Erste Weltkrieg mit seinen Entgrenzungen, Gewaltexzessen und Entzivilisierungsprozessen, mit den großen Verlusten an Menschen und Material (Kriegswirtschaft, Hunger und Mangel, Leid der Zivilbevölkerung, Flucht, Vertreibung und Genozid) wurde im Wesentlichen entschieden durch Abnutzung bzw. das jeweilige wirtschaftliche Potenzial der Kriegführenden; er brachte massive politische Umwälzungen (bolschewistische Oktoberrevolution, Kapitalismus-Kommunismus, Ende der Kaiserreiche) bei einem weiter sich vollziehenden sozialen Wandel in den Gesellschaften Europas. Für die Stellung Europas in der Welt bedeutete der Krieg - vor dem Hintergrund des politisch-militärischen Aufstiegs der USA - einen Wendepunkt, was politisch-wirtschaftlichen Vorrang, Kolonialismus und Imperialismus anbetraf. > E Erster Weltkrieg [Buhlmann, 08.2014]

Leonhard, Jörn (2018), Der überforderte Frieden. Versailles und die Welt 1918-1923, München 2018, 1531 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 49,80. Auch während des Ersten Weltkrieges (1914-1918) hatte es Versuche gegeben, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln, angefangen bei Vorschlägen des US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson (Frühjahr 1915, Herbst 1916) oder den Bemühungen Österreich-Ungarns um einen Separatfrieden (Ende 1917); doch waren die Kriegsziele der Mittelmächte und der Alliierten zu unterschiedlich. Mit dem Waffenstillstand und Frieden von Brest-Litowsk (15. Dezember 1917, 15./22. März 1918) zwischen den Mittelmächten und Russland, so dass das bolschewistische Russland (Februarrevolution 1917) aus dem Krieg ausschied (Besetzung von Weißrussland, Ukraine, Baltikum und Polen durch deutsche Truppen 1918). Dieser erste Friedensschluss förderte erst recht konkurrierende Vorstellungen zutage von dem, wie Europa nach dem Ende des Krieges gestaltet werden sollte (Vierzehn Punkte Woodrow Wilsons, "ideologische Arsenale des Friedens"). Indes ließen eine Verschlechterung der Kriegslage (August 1918), das Abrücken der Verbündeten und Verhandlungen über einen bedingungslosen Waffenstillstand (von Compiègne, 11. November 1918) bei ausbrechender Revolution von 1918/19 und Abdankung des Kaisers diesbezügliche Pläne auf deutscher Seite bald zu Makulatur werden. Und auch Bulgarien (30. September), das osmanische Reich (30. Oktober) und Österreich-Ungarn (3. November 1918) mussten sich zu Waffenstillständen bequemen, die bedingunsglosen Kapitulationen glichen ("Waffenstillstände zwischen Kapitulation und Revolution"). Die Friedensverhandlungen nach der Beendigung des Krieges fanden dann in Paris bzw. in Pariser Vororten statt. Sie mussten zunächst die zwischenzeitlichen Entwicklungen der besiegten Staaten Deutschland (Weimarer Republik), Österreich-Ungarn (Zerfall des Vielvölkerstaats, Staatsbildung in Ostmittel- und Südosteuropa) und osmanisches Reich (Zerfall des Vielvölkerreichs), aber auch die Hoffnungen der "erschöpften" Sieger (Hoffnung und Konkurrenz [Annexionen und Gebietsgewinne], Kolonien) zur Kenntnis nehmen ("Traumland"/"Zwischenzeit" zwischen Krieg und Frieden November 1918-Februar 1919; demobiliserte Gesellschaften in Europa der Nachkriegszeit, politische, gesellschaftliche und kulturelle Brüche, Fluchtgeschehen, Gewalt und Krieg in Osteuropa). Die Pariser Friedenskonferenz ab Januar 1919 war geprägt von der Auswahl der teilnehmenden Staaten, der Organisation der Verhandlungen, der Uneinigkeit zwischen den und innerhalb der Delegationen, den unterschiedlichen und teilweise unvereinbaren Vorstellungen der Siegermächte Frankreich, Großbritannien, Italien und USA hinsichtlich der aufzubauenden Nachkiegsordnung in Europa und im Nahen Osten, darüber hinaus hinsichtlich des entstehenden Völkerbundes (Völkerbundakte) und damit zusammenhängend der kolonialen Interessen der Siegermächte, z.B. was die ehemaligen deutschen Kolonien oder die Mandate in den ehemaligen Gebieten des Osmanischen Reiches betraf. Entscheidungen der Friedenskonferenz betrafen: Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa mit den neuen baltischen Staaten Estland, Lettland, Litauen (1918/20), mit einem erweiterten Polen (Curzon-Linie, Gebietszuwächse nach Westen und Osten 1919/23), mit der Tschechoslowakei (1919/20), Ungarn, einem nach Westen hin erweiterten Rumänien, mit dem Königreich Jugoslawien (1918), Albanien (1919), mit einem im Bereich von Thrakien und Kleinasien territorial ausgedehnten Griechenland; den Nahe und Mittleren Osten mit den britischen Mandatsgebieten Irak, Transjordanien und Palästina (1920) und den französischen Völkerbundsmandaten Syrien und Libanon (1920) sowie den arabischen Staaten auf der Arabischen Halbinsel (Palästinaproblem, arabisches Großreich); das Deutsche Reich, dem allein die Schuld am Weltkrieg zugeordnet wurde, mit den Gebietsverlusten Elsass-Lothringen, Posen, Memel, Eupen-Malmedy, Schleswig, Oberschlesien (teilweise Abstimmungsgebiete, 1919/21), der Freistadt Danzig, dem Saargebiet, dem entmilitarisierten Rheinland sowie den Reparationszahlungen an die Siegermächte. Der Deutschland betreffende Friedensvertrag wurde am 28. Juni 1919 in Versailles unterzeichnet. Es folgten die Friedensverträge von St. Germain mit Österreich (10. September 1919) von Neuilly mit Bulgarien (27. November 1919), von Trianon mit Ungarn (4. Juni 1920), von Sèvres mit der Türkei (10. August 1920); Letzterer unterteilte Kleinasien u.a. in europäische Einflusszonen (Frankreich, Großbritannien, Italien), ostanatolische Gebiete sollten an Kurden und Armenier gehen, das Gebiet um das Marmarameer (Meerengen) unter internationaler Kontrolle stehen. Der Friedensvertrag von Versailles blieb in Deutschland höchst umstritten und beeinflusste das politische Klima in der Weimarer Republik; der Vertrag von Sèvres war alsbald durch die Entwicklungen in Kleinasien überholt (griechisch-türkischer Krieg 1919-1922), an seine Stelle trat der Vertrag von Lausanne (24. Juli 1923). [Buhlmann, 04.2021]

Leonhard, Rudolf Walter (1961), X-mal Deutschland, Stuttgart-Zürich-Salzburg [1965] > D Deutsche Geschichte, 1949-heute

Leppin, Hartmut (2011), Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart 2011 > J Justinian I.

Leppin, Hartmut (2018), Die frühen Christen. Von den Anfängen bis Konstantin (= HB), München 2018, 512 S., Schwarzweißabbildungen, € 29,95. Die Radikalität der Lehre von Jesus Christus steht am Anfang der Entwicklung des Christentums innerhalb (und außerhalb) des römischen Reiches in den ersten drei Jahrhunderten nach Christi Geburt. Die Lehre Christi bewirkte dabei Spaltungen und Zerwürfnisse, aber auch das Gemeinsame einer neu entstehenden Religion, in der sich "die" Christen - in Abkopplung und Abgrenzung vom Juden- und Heidentum - wiederfanden. Am Beginn standen die mündlich übermittelten Berichte derjenigen, die Jesus erlebt hatten; erst mehrere Jahrzehnte nach Jesu Kreuzigung setzte mit den Briefen des Apostels Paulus und den (neutestamentlichen) Evangelien eine schriftliche Überlieferung auf Griechisch ein, die die mündliche Rede über die Jesus-Erfahrungen, die mündlich vermittelte christliche Lehre ergänzte bzw. verdrängte und die in der Religion aufgekommenen christlichen Werke und Rituale stützte. Die frühen Christus-Anhänger, meist aus den städtischen mittleren und unteren Gesellschaftschichten im römischen Reich unter Einschluss von Frauen, Soldaten und Sklaven, hatten sich schon früh mit Anfeindungen von Römern und Juden auseinanderzusetzen. Unter diesen Voraussetzungen gerieten jüdische Traditionen (Speisevorschriften, Beschneidung, aramäische Sprache) in der christlichen Religion und auch die jüdischen Christen unter den Christus-Anhängern ins Hintertreffen; der Apostel Paulus wandte sich auf seinen Missionsreisen eher an ein nichtjüdisches Publikum, das er bekehren wollte. Auch blieben die Christen in den Auseinandersetzungen zwischen Juden und Römern (66-70/73, 115-117, 132-135/36) außen vor. Das Christentum, entstanden als eine von einigen Spielarten des Judentums, scherte daher aus Letzterem aus (parting of the ways), es gewann vermehrt Anhänger unter den Nichtjuden, die der christlichen Theologie eines Paulus (Erlösungstod Christi, Wiederauferstehung, ewiges Leben, Seelenheil) und dem auf alle Gesellschaftsschichten zu beziehenden universellen Anspruch des christlichen Glaubens (Christengott als alleiniger Gott) im Allgemeinen näher standen als die Juden in ihren jüdischen Traditionen. Dem Universilitätsprinzip des Christentums entsprach die Ort- und Opferlosigkeit der christlichen Religion, die (notgedrungen) jenseits von Tempeln und Synagogen agieren musste, wobei eigene gemeinsame Feiern an christlichen Festtagen (Sonntag [statt dem jüdischen Sabbat], Ostern) aufkamen (Abendmahlfeiern, Eucharistie) und Feiern und öffentliches Opfern (Opferfleisch) im heidnischen Umfeld vielfach Ablehnung fand. Unterschiede zwischen den Christen und ihrem heidnischem Umfeld gab es auch auf dem Gebiet von Sexualität und Ehe (Sexualität in der Ehe, Askese/Enthaltsamkit; christliche Sexualmoral -> Jungfräulichkeit/Keuschheit, Witwenschaft, Kindererziehung) sowie im Umgang mit sozial und wirtschaftlich Schlechtergestellten (christliches universales Liebesgebot, Unterstützung von Mitchristen). Die sich ausbildende christliche Norm, heidnische Ethik und Lebensweise moralisch zu übertreffen, führte hingegen wieder zu Anpassungsprozessen an die heidnische Umwelt, wobei das Abgrenzende gerade im Bereich der Religionen erhalten bleiben sollte, etwa bei der Verneinung heidnischer Götter und Opferriten sowie des Kaiserkults. Dieses Abgrenzende war nicht zuletzt Ausfluss eines christlichen Gefühls spiritueller Überlegenheit gegenüber den Heiden. Diese christliche Spiritualiät verwendeten christliche Missionare als grundlegende Glaubensmotivation und spirituelle Autorität neben persönlichem Charisma und prophetischen Eigenschaften (als göttliche "Gnadengaben"; Apostel, Wandercharismatiker). Die Missionare sprachen damit auch Nichtchristen an; dies geschah vor dem Hintergrund der Individualisierung antiker Religionen und der individuellen Haltung jedes einzelnen Gläubigen gegenüber dem Jenseitigen und Transzendenten. Spirituelle Autorität erlangten insbesondere diejenigen Christen, die sich in der Zeit der Christenverfolgungen im römischen Reich und durch den römischen Staat zu ihrem Glauben bekannten (Bekenner) und dafür starben (Märtyrer). Spirituelle Autorität konnte aber auch einmünden in Leitungsaufgaben in den entstehenden und sich verfestigenden christlichen Gemeinden (apostolische Sukzession von christlichen Amtsträgern); Bischöfe waren - insbesondere seit dem Ende des 2. Jahrhunderts - für die Seelsorge innerhalb einer Gemeinde zuständig (bischöfliche Pastoralmacht und Amtsautorität), sie standen an der Spitze einer durch "Sazerdotalisierung" entstandenen Ämterhierarchie aus Priestern und Diakonen, sie verwalteten die Finanzen der Gemeinde (Erbschaften und Zuwendungen, Verteilung der Gelder). Parallel zur Entwicklung der christlichen Gemeinden wurde zunehmend zwischen Getauften und Ungetauften unterschieden, Ungetaufte wurden erst nach einem Katechumenat zur Taufe zugelassen, nur Getaufte konnten an der Eucharistiefeier teilnehmen. Auch die Zusammenfassung christlicher Schriften im sich entwickelnden Kanon des Neuen Testaments - bei Bezugnahme auf das (im Wesentlichen) jüdische Alte Testament - gehört in diese Zeit der Hierarchisierung der Kirche. Damit war nicht zuletzt verbunden die zumindest teilweise Herausbildung eines orthodoxen ("rechtgläubigen"), katholischen Christentums (Ignatios von Antiochia, Irenäus von Lyon, Cyprian von Karthago), das heterodoxe Vorstellungen (Häresien) weitgehend auszuschließen versuchte (innerchristliche Auseinandersetzungen). Neben den Bischöfen in der Kirchenhierarchie spielten dennoch "spirituelle Intellektuelle", "christliche Philosophen" (Justin, Tertullian, Iulius Africanus), (wandernde) Charismatiker oder Asketen weiter im Christentum (und teilweise auch in der heidnischen Umwelt) eine Rolle. Die streitende christliche Religion war nach außen durch die Christenverfolgungen gefährdet, fand aber darauf in Märtyrertum oder in der Behandlung der vom Christentum Abgefallenen (lapsi) passende Antworten. Gerade die Bereitschaft zum Martyrium fand in der heidnischen Umwelt Anerkennung, während die verfolgten Christen u.a. nach Ausweis der Märtyrerakten trotz allem gegen das römische Reich und den Kaiser loyal auftraten (christliche Vertidigungsschriften). Heterodoxie und Selbstbehauptung, Autorität und christliches (Vor-) Leben machten den Erfolg des Christentums im römischen Reich aus, so dass zuletzt Angehörige der gesellschaftlichen Elite Christen wurden und mit Konstantin I. (306-337) auch ein Kaiser. Die mit der Konstantinischen Wende (312) verbundene Integration des Christentums in den römischen Staat schuf dann neue Probleme gerade um die weiter bestehende Pluralität christlicher Glaubensäußerungen. [Buhlmann, 10.2019]

Leppmann, Wolfgang (1986), Gerhart Hauptmann. Leben, Werk und Zeit, Bern-München-Wien 1986 > H Hauptmann, Gerhart

Leroux-Dhuys, Jean-Francois (1998), Die Zisterzienser. Geschichte und Architektur, Köln 1998 > Z Zisterzienser

Lesky, Albin (1938/58), Die griechische Tragödie (= KTA 143), Stuttgart 31964 > F Fuhrer u.a., Antikes Drama

Lessing, Gotthold Ephraim, deutscher Schriftsteller: I. Lessing wurde am 22. Januar 1729 in Kamenz in der Oberlausitz geboren; der Vater Johann Gottfried Lessing war protestantischer Pfarrer. Schon früh interessierte sich der junge Lessing für das Theater sowie Mathematik und Naturwissenschaften; mit allem kam er in der Landes- und Fürstenschule Meißen sowie an der Leipziger Universität in Berührung (Astronom Johann Albert Klimm, Alethophilen [Johann Christoph Gottsched], New Science [Isaac Newtons, William Whistons]). Jenseits seines 1748 abgebrochenen Leipziger Theologiestudiums machte Lessing durch seine Komödie "Der junge Gelehrte", eine Satire auf weltfremde Gelehrsamkeit, auf sich aufmerksam (1748, Druck 1754). Die Komödie "Der Jude/Die Juden" ist ein Appell an Mitmenschlichkeit, Toleranz und Bildung (1754). Daneben schrieb Lessing Rezensionen in der Berlinischen Privilegirten Zeitung, verfasste im Naturforscher, eine physikalische Wochenschrift anakreontische Gedichte und parodistische Lehrdichtung (ab 1747). Ab 1752 studierte Lessing in Wittenberg Medizin. Ab 1753 erschienen Lessings Schrifften als Gesamtausgabe seines bisherigen literarischen Werks, das auch schon religionskritische und soziologische Perspektiven mit einwob. Ausfluss dieser neuen Perspektiven ist Lessings Behandlung des literarischen Genres der Tragödie (Theorie [Briefwechsel über das Trauerspiel], Praxis [Miß Sara Sampson 1755, Faust 1750er-Jahre und später]); auch Fabeln als "populäre Sittenlehren" interessierten ihn; daneben schrieb er kritisch-polemische Briefe, die neueste Litteratur betreffend (1759/65). Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) verfasste Lessing, damals in Berlin lebend, das Trauerspiel Philotas, eine Anklage gegen die durch Krieg verursachte Verblendung der Menschen und gegen die Unmenschlichkeit (1759). In seinen Breslauer Jahren (ab 1760) beschäftigte Lessing sich mit dem Christentum (Entstehung, Verbreitung und Wahrheitsanspruch von positiven, geoffenbarten Religionen), seine kunsttheoretische Hauptschrift Laokoon (1766) blieb unvollendet (Kunst [Poesie, Malerei] und Imagination [Vergegenwärtigung, Schönheit, Sinnlichkeit]). Zwischen 1767 und 1770 hielt sich Lessing in Hamburg auf, wo er - wenig erfolgreich - am Nationaltheater als Dramaturg wirkte; auch endete der Versuch, einen eigenen Buchverlag aufzubauen, in einem finanziellen Desaster. Vor dem Hintergrund des Siebenjährigen Krieges ist auch Lessings Tragikkomödie Minna von Barnhelm (1767) zu verstehen; das Theaterstück nahm dabei theoretische Anleihen an Lessings Hamburgischer Dramaturgie (1767/68; Theaterästhetik ["dramatisches System", Mitleiden des Publikums, Moral und Erziehung]). Daneben veröffentlichte Lessing seine Briefe, antiquarischen Inhalts (1768/69), seine "Eintrittskarte" zur Stelle des Leiters der berühmten Bibliothek in Wolfenbüttel (1770/81). Die Wirksamkeit Lessings als Bibliotheksleiter beweisen dei Herausgabe der (Bibliotheks-) Zeitschrift Zur Geschichte und Litteratur - Aus den Schätzen der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, die Entdeckung einer unbekannten mittelalterlichen Handschrift zum Abendmahlsstreit Berengars von Tours u.a. Unter Verwendung historischer Motive (frühe römische Republik, Italien der Renaissance) schrieb Lessing die Tragödie Emilia Galotti (1772). Im sog. Fragmentenstreit (Fragmente eines Unbekannten als Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes des protestantischen Gelehrten Hermann Samuel Reimarus, von Lessing herausgegeben) musste sich Lessing gegen seine Kritiker verteidigen (Gegensätze des Herausgebers u.a., 1777/78). Eine durch den Fragmentenstreit angeregte Wahrheitssuche führte den Dichter schließlich auf seine Schrift Erziehung des Menschengeschlechts sowie auf das Schauspiel Nathan der Weise (1778/79); Letzteres ist eine in der Zeit der Kreuzzüge, der Zeit Saladins, angesiedelte "märchenhafte Geschichte", eine Ringparabel, in der es um die Konkurrenz von Religionen, deren "innere Wahrheit", um Toleranz, letztlich um ein "ingeniöses Gedankenexperiment" einer "lehrhaften Erzählung" geht. Lessing starb am 15. Februar 1781 in Braunschweig. II. Lessing war Teil der deutschen Aufklärung im 18. Jahrhundert, aber er war auch ein Skeptiker auf der Suche nach der Wahrheit als "letzten Gewissheiten", war von Toleranz geprägt und eingebunden in ein Netzwerk von (deutschen) Gelehrten, angefangen beim Juden Moses Mendelsohn über seinen Verleger Christian Friedrich Voß bis hin zu Fürsten und Regierenden (Maria Theresia, Philippine Charlotte von Braunschweig-Wolfenbüttel) (nach: Vollhardt (2016), Lessing). III. An Werken Lessings seien hier angegeben: Lessing, Gotthold Ephraim, Poetische und dramatische Werke (in zwei Bänden [in einem Band]), hg. v. Robert Riemann [1923], Leipzig [1923], zus. 416+392 S., RM N.N.; Lessing, Gotthold Ephraim (1763), Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen, Paderborn 1949, 100 S., DM N.N.; Lessing, Gotthold Ephraim (1763), Minna von Barnhelm. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Verfertiget im Jahre 1763 (mit Materialien), ausgew. u. eingel. v. Joachim Bark (1979) (= Editionen für den Literaturunterricht), Stuttgart 1983, 148 S., DM 3,90; Lessing, Gotthold Ephraim (1772), Emilia Galotti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen, hg. v. Thorsten Krause (2014) (= RUB 19225 = Recalm XL | Text und Kontext), Stuttgart Nachdruck 2017, 157 S., Schwarzweißabbildungen, € 4,60; Lessing, Gotthold Ephraim (1779), Nathan der Weise. Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen, hg. v. Wilhelm Große (2003) (= SBB 41), Frankfurt a.M. 2003, 238 S., € 6,-, (= SBB 41), Frankfurt a.M. 22004, 238 S., € 6,-; Lessing, Gotthold Ephraim (1779), Nathan der Weise (= Klett Editionen mit Materialien), Stuttgart-Düsseldorf-Leipzig 2003, 207 S., Schwarzweißabbildungen, € N.N.; Lessing, Gotthold Ephraim (1779), Nathan der Weise. Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen (= RUB 3), Nachdruck Stuttgart 2005, 172 S., € 3,10; Lessing, Gotthold Ephraim (1779), Nathan der Weise (= Hamburger Leseheft 17), Husum o.J., 135 S., DM N.N., Husum 2006, 135 S., € N.N.; Lessing, Gotthold Ephraim (1779), Nathan der Weise. Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen, hg. v. Peter von Düffel (1964) (= RUB 3), Nachdruck Stuttgart 2018, 172 S., € 0,50; Lessing, Gotthold Ephraim (1970), Werke: Erster Band: Gedichte. Fabeln. Lustspiele, 793 S., Zweiter Band: Trauerspiele. Nathan. Dramatische Fragmente, 798 S., Dritter Band: Frühe kritische Schriften, 807 S., Vierter Band: Dramaturgische Schriften, 941 S., Fünfter Band: Literaturkritik. Poetik und Philologie, 1104 S., Sechster Band: Kunsttheoretische und kunsthistorische Schriften, 1102 S., Siebenter Band: Theologiekritische Schriften I und II, 990 S., Achter Band: Theologiekritische Schriften III. Philosophische Schriften, 976 S., Darmstadt 1996, zus. DM 98,-; Lessings Werke (in fünf Bänden) (1978) (= BDK): Bd.1: Miß Sara Sampson, Philotas, Minna von Barnhelm, Emilia Galotti, Berlin-Weimar 81978, 318 S., Bd.2: Nathan der Weise, Theologische und philosophische Schriften, Berlin-Weimar 81978, 362 S., Bd.3: Rezensionen, Kritische Briefe, Vorreden, Briefe, die neueste Literatur betreffend, Laokoon, Briefe antiquarischen Inhalts, Berlin-Weimar 81978, 419 S., Bd.4: Hamburgische Dramaturgie, Berlin-Weimar 81978, 539 S., Bd.5: Sinngedichte, Lieder, Fabeln, Erzählungen, Abhandlungen über die Fabel, Dramenfragmente, Aus dem Nachlaß, Berlin-Weimar 81978, 347 S., zus. M 25,-. Es sei weiter verwiesen auf Interpretationen der Werke Lessings, u.a.: Möbius, Thomas (2000/11), Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise (= Königs Erläuterungen, Bd.10), Hollfeld 22012, 148 S., Schwarzweißabbildungen, € 7,90; Pelster, Theodor (2002), Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise (= Reclam Lektüreschlüssel = RUB 15316), Nachdruck Stuttgart 2006, 96 S., € 2,60. Zur Person Lessings s.: Drews, Wolfgang (1962), Gotthold Ephraim Lessing (= rm 75), Reinbek b.H. 241995, 179 S., Schwarzweißabbildungen, DM 12,90; Vollhardt, Friedrich (2016), Gotthold Ephraim Lessing (= BSR 2789), München 2016, 128 S., € 8,95 > V > Vollhardt, Lessing. [Buhlmann, 12.2016, 01.2019, 05.2019, 07.2020, 05.2021, 12.2021, 07.2022, 10.2022, 02.2023, 06.-07.2023, 11.2023]

Lewald, Ursula (1979), Die Ezzonen. Das Schicksal eines rheinischen Fürstengeschlechts, in: RhVjbll 43 (1979), S.120-168 > E Ezzonen

Lewin, Moshe (1988), Gorbatschows neue Politik. Die reformierte Realität und die Wirklichkeit der Reformen (= Fischer Tb 4405), Frankfurt a.M. 1988 > S Sowjetische Geschichte

Lexika, Enzyklopädien traten als Literaturgattung seit dem 17. Jahrhundert in Erscheinung und leiteten sich als Real- und Sachwörterbücher sowie Konversationslexika auch aus den spätmittelalterlichen Wörterbüchern (14./15. Jahrhundert) her. Die zunehmende Digitalisierung im Bereich von Bildung und Medien (Internet, Online-Lexika) seit dem endenden 20. Jahrhundert führte dann zur Einstellung der buchdruckerischen Herausgabe zumindest allgemeiner Lexika durch Buchverlage.
Zahlreich sind die auch historische Informationen enthaltenden Universallexika, z.B.: Bertelsmann Universal Lexikon. Das Wissen unserer Zeit von A-Z, hg. v. Bertelsmann Lexikon Institut (2003), Gütersloh-München 2003, 1028, 24 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, Karten, Atlas, € 29,95; Der Brockhaus in einem Band. A-Z, Gütersloh [5]1993, 1024 S., Farbabbildungen, Karten, DM 49,80: Duden Lexikon A-Z, hg. u. bearb. v. Meyers Lexikonredaktion,hg. v. Wolfram Schwachulla, Helmut Kahnt, Brigitte Röser ([v.1992]), 3 Bde.: Bd.1: A-Ha, Bd.2: Ha-Ri, Bd.3: Ri-Z, Augsburg (4)1995, zus. 810 S., Kartenteil, Schwarzweiß-, Farbabbildungen DM N.N.; Duden. Das Lexikon der Allgemeinbildung, Redaktion: Klaus M. Lange u. Peter Neulen (1988), Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich 21998, 588 S., Abbildungen, Fotos, Karten, DM N.N.; Der Große Knaur, Redaktion: Hans Joachim Störig, 4 Bde.: Bd.1: A-E, Stuttgart-Hamburg [1967], 772 + 32 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Karten, Bd.2: F-K, Stuttgart-Hamburg 1967, 796 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Karten, Bd.3: L-R, Stuttgart-Hamburg 1967, 800 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Karten, Bd.4: S-Z, Stuttgart-Hamburg 1968, 824 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Karten, zus. DM N.N.; Großes Handlexikon in Farbe, hg. v. Lexikon-Institut Bertelsmann (1979) , Gütersloh 1979, 1152 S., Schwarzweiß- und Farbabbildungen, Pläne, Karten, DM 54,-; Großes Lexikon in Farbe (1993), 4 Bde.: Bd.1: A-Geo, Bd.2: Geo-Nah, Bd.3: Nah-Tro, Bd.4: Tro-Z. Atlas, Gütersloh 1993, zus. 1008 S., 208 S. Atlas, Abbildungen, Fotos, Karten, DM N.N.; Großes Universallexikon (für die Familie), hg. v. Walter Burkart (1982), 5 Bde.: Bd.1: A-Dor, Zug 1982, Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Pläne, Karten, Bd.2: Dor-Hom, Zug 1982, Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Pläne, Karten, Bd.3: Hom-Mas, Zug 1982, Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Pläne, Karten, Bd.4: Mas-Roa, Zug 1982, Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Pläne, Karten, Bd.5: Roa-Z, Zug 1982, Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, Pläne, Karten, zus. 2239 S., zus. DM N.N.; Lexikon der Büchergilde, 2 Bde.: Bd.1: A-L, Frankfurt a.M. 1956, Bd.2: M-Z. Register, Frankfurt a.M. 1956, zus. 1418 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, DM N.N.; Neues Universal-Lexikon A bis Z, hg. v. Werner Schulte (1998), Köln-Eltville 1998, 912 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, DM 29,80. > B Brockhaus Enzyklopädie in 20 Bänden, > B Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden [Buhlmann, 09.2018, 10.2019, 12.2020-01.2021, 04.2021, 07.2021, 10.-11.2021]

Lexikon der Büchergilde, 2 Bde.: Bd.1: A-L, Frankfurt a.M. 1956, Bd.2: M-Z. Register, Frankfurt a.M. 1956 > L Lexika, Enzyklopädien

Lexikon der christlichen Ikonographie (LCI): Ikonografie ist - als Teil der Kunstgeschichte - die wissenschaftlich-methodische Erforschung von Bildinhalten und -symbolen. Das Nachschlagewerk befasst sich in acht Bänden mit: Lexikon der christlichen Ikonographie: Bd.1: Allgemeine Ikonographie A-E, 1968, Nachdruck Darmstadt 2012, 36* S., 720 Sp., Bd.2: Allgemeine Ikonographie F-K, 1968, Nachdruck Darmstadt 2012, 36* S., 716 Sp., Bd.3: Allgemeine Ikonographie L-R, 1968, Nachdruck Darmstadt 2012, 36* S., 578 Sp., Bd.4: Allgemeine Ikonographie S-Z. Nachträge, 1968, Nachdruck Darmstadt 2012, 36* S., 674 Sp., Bd.5: Ikonographie der Heiligen Aaron bis Crescentianus von Rom, 1968, Nachdruck Darmstadt 2012, 34* S., 520 Sp., Bd.6: Ikonographie der Heiligen Crescentianus von Tunis bis Innocentia, 1968, Nachdruck Darmstadt 2012, 26* S., 588 Sp., Bd.7: Ikonographie der Heiligen Innocenz bis Melchisedech, 1968, Nachdruck Darmstadt 2012, 26* S., 628 Sp., Bd.8: Ikonographie der Heiligen Meletius bis Zweiundvierzig Martyrer. Register, 1968, Nachdruck Darmstadt 2012, 28* S., 644 Sp., 22* S., € 49,90. [Buhlmann, 07.2013]

Lexikon der Mathematik, hg. v. Guido Walz, in 5-6 Bden., Heidelberg-Berlin 2001, Berlin 2017 > M Mathematik

Lexikon der Renaissance, hg. v. Günter Gurst (1989), Leipzig 1989 > T Tönnesmann, Renaissance

Lexikon der Weltgeschichte. Von der Vorzeit bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1976 > W Weltgeschichte

Das Lexikon der Weltgeschichte. Von der Steinzeit bis zur Gegenwart (Epochen - Ereignisse - Personen - Länder - Schauplätze), hg. v. Wolf-Eckhard Gudemann (1998), München 1998 > W Weltgeschichte

Lexikon des Mittelalters (LexMA): Das Lexikon fasst den Forschungsstand aller mediävistischen Disziplinen der 1980er- und 1990er-Jahre zusammen. Es umfasst zeitlich die Epoche von ca. 300 bis ca. 1500 n.Chr. und die mittelalterlichen Zivilisationen (Kulturen) des christlichen Europa, des byzantinischen Reichs und der arabisch-islamischen Welt. Das Lexikon besteht aus neun Bänden: Lexikon des Mittelalters (1980-1999): Bd.1: Aachen - Bettelordenskirchen, 1980, Nachdruck Stuttgart-Weimar 1999, LXIII S., 2108 Sp., Bd.2: Bettlerwesen - Codex von Valencia, 1983, Nachdruck Stuttgart-Weimar 1999, VIII S., 2222 Sp., Bd.3: Codex Wintonensis - Erziehungs- und Bildungswesen, 1986, Nachdruck Stuttgart-Weimar 1999, VIII S., 2218 Sp., Bd.4: Erzkanzler - Hiddensee, 1989, Nachdruck Stuttgart-Weimar 1999, VIII S., 2220 Sp., Bd.5: Hiera-Mittel - Lukanien, 1991, Nachdruck Stuttgart-Weimar 1999, VIII S., 2220 Sp., Bd.6: Lukasbilder - Platagenét, 1993, Nachdruck Stuttgart-Weimar 1999, VIII S., 2220 Sp., Bd.7: Planudes - Stadt ('Rus), 1995, Nachdruck Stuttgart-Weimar 1999, VIII S., 2220 Sp., Bd.8: Stadt (Byzantinisches Reich) - Werl, 1997, Nachdruck Stuttgart-Weimar 1999, VIII S., 2220 Sp., Bd.9: Werla - Zypresse. Anhang, Stammtafeln, Register, 1998, Nachdruck Stuttgart-Weimar 1999, VIII S., 1828 Sp., zus. DM 1780,-. [Buhlmann, 04.2000]

Lexikon für Theologie und Kirche (LThK): Das Lexikon ist eine umfangreiche Enzyklopädie der katholischen Theologie und Kirche in Antike, Mittelalter und Neuzeit. Erschienen sind in der 2. Auflage (1957/68) die Bände: Lexikon für Theologie und Kirche, begr. Michael Buchberger, hg. v. Josef Höfer u. Karl Rahner (1986), Sonderausgabe der 2. Auflage: Bd.1: A - Baronius, 48 S., 1271 Sp., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.2: Barontus - Cölestiner, 1255 Sp., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.3: Colet - Faistenberger, 13 S., 1343 Sp., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.4: Faith and Order - Hannibaldis, 11 S., 1361 Sp., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.5: Hannover - Karterios, 11 S., 1383 Sp., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.6: Karthago - Marcellino, 15 S, 1375 Sp., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.7: Marcellinus - Paleotti, 11 S., 1367 Sp., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.8: Palermo - Roloff, 11 S., 1367 Sp., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.9: Rom - Tetzel, 11 S., 1383 Sp., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.10: Teufel - Zypern, 13 S., 1447 Sp., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.11: Register, 582 S., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.12: Das Zweite Vatikanische Konzil. Dokumente und Kommentare, Tl.I: Liturgie, Kommunikationsmittel, Kirche, Ostkirchen, 391 S., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.13: Das Zweite Vatikanische Konzil. Dokumente und Kommentare, Tl.II. Ökumenismus, Bischöfe, Ordensleben, Priesterausbildung, Erziehung, Nichtchristliche Religionen, Offenbarung, Laienapostolat, Religionsfreiheit, 747 S., Freiburg-Basel-Wien 21986, Bd.14: Das Zweite Vatikanische Konzil. Dokumente und Kommentare, Tl.III: Mission, Priester, Dienst und Leben, Pastorale Konstitution, Ehevotum, Exkurs "Humanae vitae", Geschäftsordnung, Chronik des Konzils, Vorbereitete Schemata, Konzilsliteratur, Register, 764 S., Freiburg-Basel-Wien 21986, Abbildungen, Karten, zus. DM 98,-. [Buhlmann, 08.2015]

Lexikon Literatur des Mittelalters enthält die die mittelalterliche Literatur betreffenden Artikel aus dem Lexikon des Mittelalters. Lexikon Literatur des Mittelalters, zusammengestellt v. Charlotte Bretscher-Gisiger (2002), Bd.1: Themen und Gattungen, XXXVII S., 530 Sp., Stuttgart-Weimar 2002, Bd.2: Autoren und Werke, XXXVII S., 467 Sp., Stuttgart-Weimar 2002, zus. € 64,90. [Buhlmann, 08.2015]

Ley, Conrad Albrecht (1883), Kölnische Kirchengeschichte (von der Einführung des Christentums bis zur Gegenwart), Essen 21917 > K Köln, Erzbistum

Li

Lichtenberg, Georg Christoph, deutscher Naturwissenschaftler und Aphoristiker: Geboren wurde Georg Christoph Lichtenberg am 1. Juli 1742 in Oberramstadt als 17. Kind des Pfarrers Johann Conrad Lichtenberg. Er litt an einer Rückgratverkrümmung, Folge eines Unfalls in seiner Kindheit. Auf die Schulzeit in Darmstadt folgte das Studium an der Universität Göttingen u.a. in den Fächern Mathematik und Physik (1761/65). Dem Studium folgten zwei Englandreisen (1770, 1774/75) und schließlich die Professur für Physik, Mathematik und Astronomie an der Universität Göttingen (ab 1770/76, ab 1780 als Ordinarius). Während seiner Professur beschäftigte er sich insbesondere mit der Experimentalphysik (Elektrizitätslehre, kritische Analyse in den Wissenschaften, wissenschaftliche Unabhängigkeit). Daneben war Lichtenberg ein geistvoller Prosaschriftsteller, der durch seine Aphorismen (neben Briefen, Essays und Streitschriften) Bekanntheit erlangte. Grundlage seiner universitären und schriftstellerischen Tätigkeiten waren u.a. die chronologisch aufgebauten sog. "Sudelbücher" (1765/99), die im aufklärerisch-enzyklopädischen Sinne vierlerlei Gedanken, Erkenntnisse und Aphorismen enthalten. Lichtenberg, der immer an seiner schwachen Gesundheit litt, starb am 24. Februar 1799 in Göttingen. S.: Lichtenberg, Georg Christoph (1765/99), Sudelbücher. Kritische Gesamtausgabe, hg. v. Wolfgang Promies (1968), Bd.1: Sudelbücher I (= dtv), München 2005, 987 S., Bd.2: Sudelbücher II. Materialhefte, Tagebücher (= dtv), München 2005, 863 S., Bd.3: Register zu den Sudelbüchern (= dtv), München 2005, 377 S., zus. € N.N. [Buhlmann, 04.2020]

Lieb, Norbert (1934), Dießen am Ammersee. Pfarrkirche, ehemalige Augustiner-Chorherren-Stiftskirche (= Schnell & Steiner. Kleine Kunstführer, Nr.30), München-Zürich 91986 > D Dießen am Ammersee

Liebe und Sexualität in der Geschichte: Liebe und Sexualität waren und sind sicher ein wichtiger Bestandteil der Lebensordnung aller Menschheitsepochen und umfassten z.B. für das Mittelalter sowohl die höfische Liebe (Minne) als auch die Formen von Prostitution. Es interessieren hierbei zunächst die biologischen Grundlagen bzw. geschlechtsspezifischen Rollen von Frau und Mann mit ihren je nach Epoche unterschiedlichen sozialen Auswirkungen. Liebe tritt dem Historiker in verschiedenen Formen - zeitlich und kulturell bedingt - entgegen; (Heterosexuelle) Ehe - u.a. als religiöse oder staatliche Institution - kann Überlebensgemeinschaft für den Alltag bedeuten, sie war und ist aber auch eine Fortpflanzungsgemeinschaft (Kinder, Familie). Sexualität wurde und wird - je nach Gesellschaftsform - als "normal" empfunden und ausgelebt oder etwa durch überzogene Moralvorstellungen unterdrückt (Sexualität und Moral, Sexualität als Trieb, sexuelle Revolution[en]). Zur Sexualität gehören Abtreibung, Empfängnisverhütung, Prostitution, Hetero- und Homosexualität, aber auch die Gewalt (Vergewaltigung). Varianten von Sexualität sind Erotik und Pornografie. Rezipiert wurde die Geschichte der Sexualität u.a. durch (Kultur- und) Sittenspiegel.
Zu den biologischen, physischen und psychischen Aspekten menschlicher Liebe s.: Gould, James L., Gould, Carol Grant (1990), Partnerwahl im Tierreich. Sexualität als Evolutionsfaktor (= Spektrum-Bibliothek, Bd.27), Heidelberg 1990, 285 S., Abbildungen, DM 24,80; Grammer, Karl (1993), Signale der Liebe. Die biologischen Gesetze der Partnerschaft (= dtv 30498), München 1995, 557 S., Abbildungen, DM 29,90; Ruffié, Jacques, Lieben und Sterben. Zur Evolution von Sexualität und Tod, Reinbek 1990, 400 S., Abbildungen, DM 12,80. Zur Geschichte von Liebe und Sexualität insgesamt s.: Bassermann, Lujo [= Schreiber, Hermann] (1965), Das älteste Gewerbe. Eine Kulturgeschichte, Wien-Düsseldorf 1965, 402 S., Schwarzweißabbildungen, -tafeln, DM 24,80; Monroe, Dave (2010), Philosophie für Verdorbene. Essays über Pornografie, Berlin 2011, 251 S., Schwarzweißabbildung, € N.N. (mit den Beiträgen: Dave Monroe, Schmutzige Fantasie; Dylan Ryder, Dave Monroe, Pornoindustrie und Lebensqualität; Andrew Aberdein, Seltsame Bettgenosse. Die Interpretationen von Philosophie und Pornografie; Anne K. Gordon, Shane W. Kraus, Ja. Ja! Ja!! Was uns Monas Stöhnen über ihre Lust verrät; Fiona Woollard, Virtuelle Seitensprünge. Monogamie, Pornografie und Erotika; Christopher Bartel, Die "schöne Kunst" der Pornografie? Im Spannungsfeld von künstlerischem und pornografischem Wert; David Rose, Das Problem mit dem Problem mit der Pornographie; Roger T. Pipe, Die Geschmäcker sind verschieden. Analsex mit vollbusigen Latina-Krankenschwestern in Lederoutfit und Brille; Matthew Brophy, Sex, Lügen und virtuelle Wirklichkeit; Chad Parkhill, Was finden heterosexuelle Männer an lesbischer Pornografie?; Ummni Khan, Hit Me With Your Best Shot. Die "brutale" Debatte um SM-Pornografie; Dave Monroe, Reflexionen einer Domina. Ein Interview mit Mz. Berlin); Neumann, Hans (1952), Sittenspiegel. Eine Kultur- und Sittengeschichte der Liebe, Wiesbaden 71958, 432 S., Schwarweißabbildungen, Schwarzweiß-, Farbtafeln, DM 48,-. Über Liebe und Sexualität im europäischen Mittelalter und in der europäischen Neuzeit s.: Aries, Philippe, Bejin, André (Hg.) (1984), Die Masken des Begehrens und die Metamorphosen der Sinnlichkeit. Zur Geschichte der Sexualität im Abendland, Frankfurt a.M. 31984, 272 S., DM 30,-; Bailey, Derrick Sherwin (1975), Homosexuality and the Western Christian Tradition, New York 1975, 181 S., $ N.N.; Bullough, Vern L., Brundage, James (1982), Sexual Practices and the Medieval Church, Buffalo 1982, XII, 289 S., Abbildungen, $ N.N.; Dinzelbacher, Peter (1981), Über die Entstehung der Liebe im Hochmittelalter, in: Saeculum 32 (1981), S.185-208; Duby, Georges (1989), Die Frau ohne Stimme. Liebe und Ehe im Mittelalter (= Kleine kulturwissenschaftliche Bibliothek, Bd.13), Berlin 1989, 89 S., Abbildungen, DM 21,-; Payer, Pierre J. (1984), Sex and the Penitentials. The Development of a Sexual Code 550-1150, Toronto-Buffalo-London 1984, XI, 219 S., Abbildungen, $ N.N.; Salisbury, Joyce E. (1990), Medieval Sexuality. A Research Guide, New York-London 1990, XX, 210 S., $ N.N.; Thielicke, Helmut (1964), Sex. Ethik der Geschlechtlichkeit, Tübingen 1966, XII, 311 S., DM 18,-. Über Liebe und Sexualität in außereuropäischen Kulturbereichen s.: Heller, Erdmute, Moshabi, Hassouna (1993), Hinter den Schleiern des Islam. Erotik und Sexualität in der arabischen Kultur, München 1993, 242 S., DM 48,-. Geschichtsquellen zu Liebe und Sexualität in allen menschlichen Kulturen stellen dar: Burton, Richard (Übers.) (1886), The Perfumed Garden, hg. v. Charles Fowkes (1989), London 1989, 92 S., Farbillustrationen, £ N.N. (als Übersetzung des arabischen erotischen Ehehandbuchs "Der duftende Garten" des Abu 'Abdallah Muhammad an-Nafzawi (Scheikh Nefzawi) vom Anfang des 15. Jahrhunderts); Englisch, Paul (Hg.), Anthologie der erotischen Literatur (aller Zeiten und Völker), 2 Bde. (= it 1141), Frankfurt a.M. 1990, zus. 859 S., DM 32,- (unter Abgrenzung von Erotik und [westlich-modern-technischer] Pornografie bei teilweise enger Verschränkung von Sexualität und Religion sowie teilweiser Gegensätzlichkeit zwischen christlicher Moral und Erotik [Geschlechtlichkeit als Sünde <-> pornografische Romantik, "natürlicher Mensch", pornografischer Idealismus] betreffend europäische und außereuropäische Texte aus: Antike [Aristophanes, Ausonius, Herondas, Juvenal, Lukian, Ovid, Petronius, Plautus], Orient [Ksemendras Samayamatrika, Nahabed Kutschak, Imr Yasid, Li-Tai_pe], Mittelalter [Abraham a Santa Clara, Archipoeta, Geiler von Kaisersberg, Wickram], Renaissance und Humanismus [Aretino, Bembo, Chorier, Doni, Marot, Morlini, Shakespeare, Verville, Villon], Barock und Rokokko [Crébillon, Diderot, Gleim, Herrick, Hoffmannswaldau, La Fontaine, Lohenstein, Mirabeau, Pajou, Piron, Ronsard, Rost, de Sade, Schütte], Neuzeit [Bierbaum, Bornschein, Bretschneider, Dandini, Dubois, Fitger, Gautier, Goethe, Hafner, Heine, Joyce, Kohlhoff, Lawrence, Louys, Mutzenbacher, Poulet-Malassis, Prutz, Stendal, Varause, Verlaine, Wedekind]); Peterson, Ernest (Bearb.) (1978), Kamasutra. Das indische Lehrbuch der Liebe, Flensburg 282005, 279 S., € 4,95. > F Familie und Verwandtschaft [Buhlmann, 10.1992-02.1993, 06.-07.2021, 02.2022, 10.2022, 02.2023]

Liebl, Waltraut, Kopitzki, Siegmund (Hg.) (2014), Die Gans ist noch nicht gebraten. 600 Jahre Konstanzer Konzil - ein Lesebuch, Meßkirch 2014, 535 S., Schwarzweißabbildungen, € 17,99. I. Das spätmittelalterliche Konstanz war das Umfeld, als 1414 das Konzil von Konstanz zusammentrat (Generalversammlungen im Münster, Konklave im Kaufhaus [Konzilshaus]). 600 bis 700 Geistliche, darunter 300 Bischöfe, und ebenso viele weltliche Große und Gesandte berieten unter der Leitung des römisch-deutschen Königs und Kirchenvogts Sigismund (1411-1437) in Konstanz über: 1) die Einheit der Kirche (causa unionis): das Konzil beanspruchte die Entscheidung im Papstschisma (Dekret Haec sancta synodus, 6. April 1415), so dass es zum Rücktritt bzw. zur Absetzung der drei Päpste im Großen Papstschisma (1378-1417) kam und am 11. November 1417 mit Martin V. (1417-1431) ein neuer Papst gewählt wurde; 2) die Einheit im Glauben (causa fidei): das Konzil verbot und verurteilte die Lehren des Böhmen Jan Hus, der als Ketzer verbrannt wurde (6. Juli 1415); 3) die Reform der Kirche (causa reformationis) hinsichtlich Benefizienverteilung und Abgaben an die Kurie bei Forderung der periodischen Abhaltung weiterer Konzilien (Dekret Frequens, 17. Oktober 1417). Am 22. April 1418 kam die Kirchenversammlung zu ihrem Ende. Sie fand ab 1431 in der Basler Synode seine Fortsetzung. Die kirchlichen Versammlungen in Pisa, Konstanz und Basel gelten dann als Höhepunkte des (spätmittelalterlichen) Konziliarismus. II. Die Sammlung von Texten führt Geschichtsquellen zum Konstanzer Konzil vom 14. bis zum 20. Jahrhundert an. Zur Sprache kommen geschichtliche und rezeptionsgeschichtliche Texte: Schriften des John Wiclif (14. Jahrhundert); Chronik des Ulrich Richental, Quellen zu Jan Hus, Briefe, Schreiben (Konzilszeit, 15. Jahrhundert); Schriften von Humanisten und Reformatoren (Martin Luther, Thomas Müntzer, Johannes Cochläus, Erasmus von Rotterdam; 16. Jahrhundert); Länderkunden, Reiseberichte, Bodenseebücher, wissenschaftliche Aufsätze, Gedichte, historische Romane (17.-20. Jahrhundert). > K Konstanz: Konzil von Konstanz [Buhlmann, 12.2020]

Lietzmann, Hans (1956), Zeitrechnung der römischen Kaiserzeit, des Mittelalters und der Neuzeit für die Jahre 1-2000 nach Christus (= SG 1085), Berlin 31956 > C Chronologie

Lieven, Jens (2010), Aspekte ottonischer Memoria im St. Viktor-Stift Xanten. Goldene Altartafel und Xantener Necrolog (Cod. Monast. 101), in: AHVN 213 (2010), S.33-54. Die 1795 eingeschmolzene Goldene Altartafel (tabula aurea) des Xantener St. Viktor-Stifts mit Maiestas-Domini-Darstellung führte sich nach dem (wenigen) Überlieferten (Inschriften auf der Tafel, Historia Xantensis um 1420) auf die Kölner Erzbischöfe Brun (953-965) und Folkmar (965-969) zurück; erneuert bzw. vollendet wurde die Tafel unter dem Xantener Propst Gottfried von Kuijk (1129-1134/38). Die Tafel steht für das Gebetsgedenken für die Stifter in Xanten, gerade für das Gebetsgedenken der (aus der königlichen Hofkapelle entstammenden und im kirchlichen Amtsverständnis handelnden) Bischöfe und Erzbischöfe, auch für die Könige. Hingegen lassen sich besondere, über die (üblichen) Nekrologiumseinträge hinausgehende Beziehungen des St. Viktor-Stifts zu den ottonischen Königen nicht nachweisen, den Tatsachen zum Trotz, dass der archidux und Erzbischof Bruno ein Bruder Kaiser Ottos I. (936-973) gewesen war und dass dieser ostfränkisch-deutsche König im Jahr 939 in der Schlacht bei Birten den Aufstand seines Bruders Heinrich (I., Herzog von Bayern [948-955]) siegreich beenden konnte. [Buhlmann, 01.2012]

Lilge, Herbert (Hg.) (1967), Deutschland 1945-1963 (= Edition Zeitgeschehen), Hannover 121980 > D Deutsche Geschichte, 1949-heute

Lilie, Ralph-Johannes (1994), Byzanz. Kaiser und Reich (= Böhlau Grundlagen des Studiums), Weimar-Wien 1994 > B Byzantinische Geschichte

Lilie, Ralph-Johannes (1999), Byzanz. Geschichte des oströmischen Reiches (= BSR 2085), München 1999 > B Byzantinische Geschichte

Lilie, Ralph-Johannes (2003), Byzanz. Das zweite Rom, Berlin 2003 > B Byzantinische Geschichte

Lilie, Ralph-Johannes (2004), Byzanz und die Kreuzzüge (= Urban Tb 595), Stuttgart 2004 > B Byzantinische Geschichte

Lilie, Ralph-Johannes (2007), Einführung in die byzantinische Geschichte (= Urban Tb 617), Stuttgart 2007 > B Byzantinische Geschichte

Lilje, Hanns (1964), Martin Luther. Eine Bildmonographie, Hamburg 1964 > L Luther, Martin

Lilliu, Giovanni (1963), La civiltà dei Sardi (dal Paleolitico all'età dei nuraghi), Nachdruck Turin 1988, 354 S., € 20,-. Sardinien ist die zweitgrößte Insel des (westlichen) Mittelmeers, in Nord-Südrichtung 270 km, in West-Ost-Richtung maximal 145 km durchmessend, durchzogen von kurzen Wildwasserläufen und Gebirgen bis zu 1835 m Höhe. Menschen der Gattung Homo sapiens traten auf Sardinien wohl schon vor 150000 Jahren in Erscheinung (Perfugas, Nuoro: Steingeräte des älteren Clactonien, Schädelreste). Die "neolithische Revolution" setzte in Sardinien ab dem 6. Jahrtausend v.Chr. ein (Neolithikum, 6.-3. Jahrtausend v.Chr.; Ackerbau, Viehzucht, Jagd, Fischfang, Werkezeuge, Keramik, Obsidianhandel); neolithisch sind die San Michele-Kultur (Kultur von Ozieri; 4000-3200 v.Chr.) und die damit verbundene, das Neolithikum überschreitende Megalithkultur (Gallura u.a.: Menhire, Dolmen, Steinkreise). Das Chalkolithikum (3200-2200 v.Chr.) ist gekennzeichnet durch die Kultur von Abealzu-Filigosa, die Monte-Claro-Kultur und die Glockenbecherkultur (Megaltithbauten, Begräbnissitten). Letztere geht als Kultur von Bonnanaro in die ältere Bronzezeit (2200-1700 v.Chr.) und in die Nuraghenkultur der mittleren Bronzezeit (1700-1200 v.Chr.) über (Nuraghenkultur I: Proto-Nurgahen, Tholos-Nuraghen [Türme, kegelförmige Türme], tombe di giganti, "heilige Brunnen", Megarontempel, Waffen, Werkzeuge, Kunstgegenstände), Schifffahrt [Beziehungen nach Sizilien, zur mykenischen Kultur u.a.]). Die Nuraghenkultur findet dann ihre Fortsetzung in der jüngeren Bronzezeit (1200-850 v.Chr.) (Nuraghenkultur II, ausklingend im 10./9. Jahhrundert v.Chr.), die übergeht in die Nachnuraghenkultur der frühen Eisenzeit (850-6. Jahrhundert v.Chr.) (nach: Vismara, Cinzia, Pergola, Philippe, Istria, Daniel, Martorelli, Rossana (2011), Sardinien und Korsika in römischer Zeit (= Zaberns Bildbände zur Archäologie), Darmstadt 2011 > V Vismari u.a., Sardinien und Korsika). Vgl. Thimme, Jürgen (1980), Kunst und Kultur Sardiniens vom Neolithikum bis zum Ende der Nuraghenzeit (= Ausstellungskatalog), Karlsruhe 1980, 463 S., Abbildungen, DM 10,-. [Buhlmann, 01.2020]

Lindenberg, Christoph (1992), Rudolf Steiner (= rm 500), Reinbek b.H. 1992 > S Steiner, Rudolf

  Limes: Obergermanisch-rätischer Limes, antik-römische Grenzanlage: I. Die Inbesitznahme der agri decumates als Vorfeld der römisch-kaiserzeitlichen Provinzen Rätien (Raetia; Provinz seit Kaiser Claudius [41-54 n.Chr.]) und Obergermanien (Germania superior; Provinz seit Kaiser Domitian [81-96]) begann unter den flavischen Kaisern Vespasian (69-79) und Domitian. Es entstanden die "Dekumatlande" zwischen Oberrhein und oberer Donau, die bis dahin weit in römisches Territorium hineingeragt hatten. In mehreren Etappen und Ausbauphasen bis ins 2. und beginnende 3. Jahrhundert wurde die römische Grenze nach Norden und Osten bis zur Wetterau, zur Linie Main-Remstal und Remstal-Donau vorgeschoben. Der obergermanische und der rätische Limes wurden zu einem umfangreichen Verteidigungssytem mit Wall und Graben bzw. Mauer, Wachtürmen und Grenzkastellen ausgebaut. (Ein) Mittelpunkt des neu gewonnenen Gebiets war zunächst die als römisches municipium konzipierte städtische Siedlung Ara Flaviae (Rottweil), gelegen an der Straße vom Rhein durch das Kinzigtal nach Tuttlingen und zur Donau; auch das Kastell in Waldmössingen lag an dieser wichtigen Verbindungsstrecke. Weitere wichtige Orte waren: Aquae Mattiacorum (Wiesbaden), Lopodunum (Ladenburg), Sumolocenna (Rottenburg), Aquileia (Heidenheim). Den vorrückenden römischen Truppen folgten die Siedler, die die immer noch fast menschenleere "helvetische Einöde" aus der Zeit des Gallischen Kriegs (58-50 v.Chr.) Gaius Julius Caesars (†44 v.Chr.) in Besitz nahmen. Soldaten und Zivilisten war es dabei zu verdanken, dass in dem Gebiet zwischen Rhein und Donau sich rasch die (gallo-) römische Zivilisation ausbreitete. Neben dem municipium Rottweil entstanden hauptsächlich in der Nähe von Militärlagern kleinere Siedlungen (vici) zur Versorgung der Soldaten. Römische Gutshöfe waren über die agri decumates verstreut. Die mitunter aufwändigen, auch mit Bädern versehenen Anlagen versorgten Zivilisten und Soldaten mit dem Lebensnotwendigen. II. Die Einbeziehung der agri decumates war Voraussetzung für die Errichtung des obergermanisch-rätischen Limes, der "Dekumatlande" und beide Provinzen schützen sollte. Der Limes war eine von den politisch Verantwortlichen im römischen Reich geschaffene Grenz-, Sperr- und Verteidigungsanlage, die von Rheinbrohl (am Rhein) bis Eining (an der Donau) bei einer Länge von 548 km Gebirge, Täler und Flüsse geradlinig zerschnitt, sich aber etwa am Main auch an natürlichen Gegebenheiten ausrichtete. Der Limes stellte sich dar als ein Geländestreifen aus Überwachungs- (Patrouillenweg, Wachtürme) und Sperranlagen (obergermanischer Limes: Palisade, Wall und Graben; rätischer Limes: Mauer; bei Schwäbisch Gmünd: Provinzwechsel, Übergang vom obergermanischen zum rätischen Limes), versehen mit einer Vielzahl von an der Grenze bzw. im Hinterland erbauten Kastellen. Dem Limes im Endausbau des 2. Jahrhunderts ging als Vorläufer eine Grenzanlage entlang von Main und Neckar (Odenwald-, Neckar-, Lautertal-, Alblimes) voraus (ca.100 n.Chr.). Die Verteidigung dieser Grenze des römischen Reiches übernahmen Limestruppen als Hilfstruppen (Alen, Kohorten, Numeri; Fußtruppen, Reiterei), während die Standorte der römischen Legionen Mainz, Straßburg und Regensburg waren. Der Limes war zudem eine Kontaktzone bei Wirtschaftsaustausch und Grenzverkehr (Kontrolle des Personen- und Warenverkehrs, der Limesübergänge). Politische Entwicklungen im römischen Reich (Reichskrise des 3. Jahrhunderts, zunehmende außenpolitische Schwierigkeiten [Germanen]) führten gegen Mitte des 3. Jahrhunderts zur Aufgabe des rätischen, unter Kaiser Aurelian (270-275) zur Aufgabe des obergermanischen Limes. III. Zahlreich sind die durch die Archäologie ermittelten Funde und Fundamentreste des obergermanisch-rätischen Limes in: Rheinland-Pfalz, obergermanischer Limes: Rheinbrohl (Wachturm, caput limitis), Niederbiber (Kastell), Holzhausen (Kastell); Hessen, obergermanischer Limes (Taunus-Wetterau-Limes): Grebenroth (Wachturm), Feldberg (Kastell, römisches Bad), Saalburg (Kastell), Großkrotzenburg (Kastell, Main), Seligenstadt (Kastell), Mainlimes (Stockstadt, Niedernberg, Wörth a.M., Miltenberg); Baden-Württemberg, älterer Limes: Odenwaldlimes (Mudau [Statuengruppe, Limesmauer], Schloßau, Neckarburken), Neckarlimes (Bad Wimpfen, Böckingen, Walheim, Benningen, Bad Cannstatt, Köngen [Lager]), Lautertallimes (Dettingen ["Sibyllenspur"]), Alblimes (Donnstetten, Deggingen, Urspring, Heidenheim [Lager], Essingen, Lauchheim, Oberdorf am Ipf); Baden-Württemberg, obergermanisch-rätischer Limes: Walldürn (Wachtürme, Kastell, Römerbad), Buchen (Wachtürme, Kleinkastelle), Osterburken (Wachtürme, Lager, Annexkastell, Münzschatz), Jagsthausen (Kohortenlager, Römerbad), Forchtenberg (Wachturmfundament), Zweiflingen (Graben-/Palisadensystem), Öhringen (Wachturm, Kohortenlager, Limestor, Bronzekopf der Minerva), Pfedelbach (Wachtürme), Mainhardt (Wachturm, Kleinkastell, Lager), Großerlach (Wachtürme, Kleinkastell), Murrhardt (Wachturm, Kohortenlager), Kaisersbach (Wachtürme, Kleinkastell), Welzheim (Wachtürme, Reiterlager, Kastell, Kleinkastell), Alfdorf (Wachtürme, Turmfundament), Lorch (Wachtürme, Limesknick, Kleinkastell, Lager, römisches Architrav), Schwäbisch Gmünd (Wechsel in der Grenzbefestigung, Kleinkastelle, Lager, römisches Bad), Böbingen a.d. Rems (Grenzmauer, Lager), Mögglingen (Grenzmauer, Wachtürme), Aalen (Reiterlager), Hüttlingen (Wachtürme), Rainau (Wachturm, Kohortenlager, Limestor), Ellwangen (Wachtürme), Halheim (Numeruskastell); Bayern, rätischer Limes: Ruffenburg (Reiterkastell), Weißenburg (Kastell, römische Thermen), Heinheim (Wachturm, Donau).
Zahlreich sind die Publikationen zum UNESCO-Welterbe "Obergermanisch-rätischer Limes": Baatz, Dietwulf (1974), Der römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau, Berlin 21975, 307 S., Abbildungen, Karte, DM 13,50; Der bayerische Limes. Eine Zeitreise zu den Römern, hg. v. Tourismusverband Franken e.V., Nürnberg [2006], 82 S., Abbildungen, Karte; Bender, Stephan, Meyer, Marcus (2011), Grenzen des römischen Reiches. Obergermanisch-Raetischer Limes in Baden-Württemberg (= UNESCO Welterbe. Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg), Stuttgart 2011, 22017, 60 S., Abbildungen, Karten; Deutsche Limesstraße (von Rheinbrohl/Bad Hönningen bis Regensburg an der Donau), hg. v. Verein Deutsche Limes-Straße e.V., Aalen 2014, 55 S., Abbildungen, Karte; Gebert, Wilhelm (1910), Limes. Untersuchungen zur Erklärung des Wortes und zu seiner Anwendung, in: BJbb 119 (1910), S.158-205; Schallmayer, Egon (2006), Der Limes. Geschichte einer Grenze (= BSR 2318), München 2006 > S Schallmayer, Limes; Waldherr, Gerhard (2009), Der Limes. Kontaktzone zwischen den Kulturen (= RUB 18646), Stuttgart 2009 > W Waldherr, Limes. Als Zeitschrift ist zu nennen: Der Limes. Nachrichtenblatt der deutschen Limeskommission, u.a.: Jahrgang 4 (2010), H.2, Jahrgang 5 (2011), H.2. > S Schriften des Limesmuseums Aalen [Buhlmann, 11.2006, 10.2011, 01.2018]

Lindberg, David C. (1987), Auge und Licht im Mittelalter. Die Entwicklung der Optik von Alkindi bis Kepler, Frankfurt a.M. 1987, 572 S., DM 78,-. Auge und Optik waren (und sind) eine interdisziplinäre Thematik. Antike Philosophen, Mathematiker und Mediziner hatten entweder eine Sendetheorie (Platon, Euklid, Galen) vertreten, wonach vom Auge Sehstrahlen ausgehen und Gegenstände erfassen, oder eine Empfangstheorie (Atomismus, Aristoteles), nach der das Auge von außen beeinflusst wird. Der arabische Philosoph Abu Yusuf Yaqub ibn Ishag Alkindi (†866) verteidigte im Zuge der Übersetzungsbewegung im Islam die Sendetheorie, Avicenna führte im 10./11. Jahrhundert Argumente gegen die Sendetheorie an. Doch erst Abu Ali al-Hasan ibn ak-Hasan ibn al Haitam, genannt Alhazen (†n.1039), brachte die Empfangstheorie erfolgreich zum Einsatz, indem er die Optik der von Gegenständen ausgesandten, reflektierten Lichtstrahlen (Reflexionsgesetze) ganzheitlich mit dem anatomischen Aufbau von Auge und Sehnerv in Verbindung brachte. Das spätere Mittelalter im Abendland sollte sich dann mit Alhazens Sehtheorie auseinandersetzen, ergänzt um die aristotelische Überlieferung wie bei Roger Bacon und Albertus Magnus oder eine theologische Tradition wie bei Wilhelm von Ockham. Die Renaissance verband die Theorie des Sehens mit der der Perspektive, mit Johannes Kepler (†1630) und dessen Theorie des Netzhautbildes fanden die mittelalterlich-frühneuzeitlichen Betrachtungen zu Auge und Optik einen gewissen Abschluss. [Buhlmann, 10.2008]

Linden, Fons van der (1979), DuMont's Handbuch der grafischen Techniken. Manuelle und maschinelle Druckverfahren. Hochdruck, Tiefdruck, Flachdruck, Durchdruck, Reproduktionstechniken, Mehrfarbendruck, Köln 21986 > H Hilz, Geschichte des Buches

Linder, Rudolf (2009), Chronogramme im Landkreis Tuttlingen, in: TutHbll NF 72 (2009), S.168-175. Chronogramme sind "Zeitinschriften" an Gebäuden, Brücken u.a., die durch die Schriftzeichen und römischen Ziffern I, V, X, L, C, D und M sowie deren Summierung auf die Jahreszahl eines Ereignisses im Zusammenhang mit den Bauten hinweisen. Chronogramme sind bevorzugt aus dem 18. Jahrhundert (Rokkoko) überliefert. Im Landkreis Tuttlingen gab und gibt es Chronogramme in folgenden Orten: Aggenhausen, Balgheim, Ensisheim, Kirchen-Hausen, Seitingen, Spaichingen (Dreifaltigkeitsberg). [Buhlmann, 12.2011]

Lindgren, Uta (1976), Gerbert von Aurillac und das Quadrivium. Untersuchungen zur Bildung im Zeitalter der Ottonen (= Sudhoffs Archiv, Beih. 18), Wiesbaden 1976 > G Gerbert von Aurillac

Lindgren, Uta (1992), Die Artes Liberales in Antike und Mittelalter. Bildungs- und wissenschaftsgeschichtliche Entwicklungslinien (= Algorismus 8), München 1992 > A Artes liberales

Lindgren, Uta (Hg.) (1996), Europäische Technik im Mittelalter (800-1400). Tradition und Innovation. Ein Handbuch, Berlin 1996 > T Technikgeschichte, 6.-15. Jahrhundert

Lindig, Wolfgang, Münzel, Mark (1976), Die Indianer, Bd.1: Nordamerika (= dtv 4434), München 31985, Bd.2: Mittel- und Südamerika (= dtv 4435), München 31985 > A Altamerikanische Kulturen, Nordamerika

Lindner, Helmut, Brauer, Harry, Lehmann, Constans (1986), Taschenbuch der Elektrotechnik und Elektronik, Thun-Frankfurt a.M. 21986 > T Technik, Technikgeschichte

Linke, Bernhard (2005), Die römische Republik von den Gracchen bis Sulla (= Geschichte kompakt), Darmstadt 32015, 150 S., € 8,80; Die mittlere römische Republik (4. Jahrhundert-133 v.Chr.) wurde und war eine (mittelmeerische) "Weltmacht", die in den Kriegen gegen Latiner, Samniten, Karthago und hellenistische Staaten sich auf der Grundlage der stabilen Gesellschaftsordnung der klassischen Republik behaupten konnte. Die Kontinuität politischen Handelns war durch eine starke Exekutive bei Begrenzung der Amtsgewalt der Magistrate, den Senat und die Volksversammlung politisch gegeben; gesellschaftlich übte der pater familias als Vorstand der römische (Aristokraten-) Familie innerhalb dieser eine unumschränkte Machtfülle aus. Im Vorfeld und am Anfang der späten römischen Republik (133-30 v.Chr.) traten Probleme in Lenkung und Verwaltung des römischen Weltreichs in Erscheinung, führte die Beibehaltung stadtstaatlicher Strukturen, die die Integration aller römischen Bürger gewährleistete, infolge der "Überdehnung" der römischen Herrschaft zu Belastungen der römischen Bürger und der Bundesgenossen durch lang andauernde Kriege, zu einer wenig kontrollierbaren Tätigkeit von Amtsträgren in den den Römern unterworfenen Provinzen, zu einer stärkeren gesellschaftlichen Differenzierung innerhalb der römischen Aristokratie bei wachsender Konkurrenz im republikanischen Adel; auch das Wirtschaftssystem änderte sich durch den starken Geldzufluss und die Beute aus den eroberten Gebieten. Risse innerhalb der römischen Nobilität wurden unter Tiberius Gracchus (†133 v.Chr.) erstmals massiv erkennbar, als dieser gegen die senatorische Oberschicht als Volkstribun die Verteilung von öffentlichem Land an arme römische Bürger betrieb (Ackergesetz; Veto des Octavius, dessen Absetzung, Attalos-Erbe, Bewerbung des Tiberius um eine zweite Amtszeit als Volkstribun) und in einer bis dahin beispiellosen Eskalation der Gewalt zusammen mit seinen Anhängern ermordet wurde. Eine unzulängliche politische Kommunikation zwischen den Parteien und ein Auseinandergehen der ökonomischen (Gruppen-) Interessen von Oberschicht und Volk hatten diese politische Katastrophe als "langfristige schwere politische Hypothek" bewirkt, die sich unter Tiberius' Bruder Gaius Gracchus (†121 v.Chr.) wiederholte. Gaius nahm die politische Agenda seines Bruders wieder auf und verfolgte als Volkstribun (123, 122 v.Chr.) die Fortsetzung der Reformen (Provokationsrecht, Ackergesetz, Getreideversorgung, Richtergesetz und Ritter, Stimmrecht für die Bundesgenossen), die u.a. Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen bei zunehmender Desintegration gesellschaftlichen Zusammenhalts verfolgten. Im Zusammenhang mit seiner nicht mehr erfolgten Wiederwahl zum Volkstribun, dem erstmals angewandten senatus consultum ultimum und dem Aufstand der Gracchus-Anhänger ließ sich Gaius, dem zwischenzeitlich die Flucht gelang, durch einen Sklaven töten (121 v.Chr.), während Tausende seiner Anhänger getötet und hingerichtet wurden. Es folgten Jahre einer (vermeintlichen) innenpolitischen Ruhe (Weihe des Concordia-Tempels in Rom), Ackergesetz und Landverteilung kamen zum Erliegen (bis 111 v.Chr.), Mitglieder der Senatsaristokratie hatten immer noch die Möglichkeit, ihre Interessen mit dem Volk durchzusetzen. Außenpolitisch bereiteten der Jugurtinische Krieg (112-105 v.Chr.; Bestechungsvorwürfe gegen Senatoren) und der Krieg gegen Kimbern und Teutonen (113-101 v.Chr.; römische Niederlagen bei Noreia [113 v.Chr.] und Arausio [105 v.Chr.]) Probleme; Gaius Marius (†86 v.Chr.), Konsul des Jahres 107 v.Chr., beendete zusammen mit Lucius Cornelius Sulla (†78 v.Chr.) den Jughurtinischen Krieg (107/105 v.Chr.; Auslieferung des numidischen Königs Jugurtha), Marius als Konsul der Jahre 104-100 v.Chr. den Krieg gegen Kimbern und Teutonen (römische Siege bei Aquae Sextiae [102 v.Chr.] und Vercellae [101 v.Chr.]). Innenpolitisch arbeitete Marius mit Lucius Appuleius Saturninus und Gaius Servilius Glaucia zusammen, die weitere Reformen vorantrieben (Getreidepreis, lex de maiestate, Ackergesetz, Koloniegründungen; innenpolitische Rolle der Veteranen des Marius) und in Gegensatz zum Senat kaman. Im Jahr 100 v.Chr. eskalierte die Situation; Straßenkämpfe und Wahlkampf in Rom, das gewaltsame Vorgehen des Saturninus und des Glaucia führten die beiden, nachdem Marius von ihnen politisch abgerückt war, zu ihrem Untergang und ihrer Ermordung. Die Irritationen um Saturninus und Glaucia hatten dabei politische Alternativen und die "Dynamik der gesellschaftlichen Ordnung" in Rom aufgezeigt; die Herrschaft von Senat und Senatsaristokratie schien damals gefährdet. Das Jahrzehnt der römischen Republik zwischen 100 und 91 v.Chr. war daher ein Jahrzehnt der "Unruhe nach dem Sturm" (Lex Caecila Didia [98 v.Chr.], politische motivierte Prozesse u.a. gegen Rutilius Rufus [92 v.Chr.]), umfassende Reformen des Volkstribunen Marcus Livius Drusus (91 v.Chr.; Senatsvergrößerung, römisches Bürgerrecht für die Bundesgenossen) scheiterten formal und mündeten schließlich ein in den römischen Bundesgenossenkrieg (91-88 v.Chr.), in dem die Römer um den Erhalt der bisherigen auf Rom zugeschnittenen Beziehungen und die mittelitalische Bundesgenossen um eine Neugestaltung ebendieser Beziehungen als Bundesstaat gleichberechtigter Gemeinwesen hartnäckig stritten (lex Iulia de civitate sociis danda [90 v.Chr.], lex Plautia Papiria [89 v.Chr.]). Nach dem Sieg Roms über die Bundesgenossen stand deren zwangsweise Aufnahme in den römischen Bürgerverband durch Zuweisung des römischen Bürgerrechts; die Bundesgenossen verloren mithin ihre Identität. Das Jahr 88 v.Chr. war geprägt durch die Diskussion um die Verteilung der mit dem Sieg im Bundesgenossenkrieg "gewonnenen" Neubürger auf die römischen tribus (politische Benachteiligung gegen Gleichberechtigung/Integration der Neubürger); den Initiativen des Sulpicius Rufus trat Lucius Cornelius Sulla entgegen, der die Interessen der Senatsaristokratie vertrat und zum Konsul gewählt wurde (88 v.Chr.). Als auf Betreiben des Rufus jedoch Sulla das Oberkommando für den Krieg gegen König Mithridates VI. von Pontos (120-63 v.Chr.) entzogen wurde, kam es zum "Marsch" Sullas und seiner Legionen "auf Rom" gegen den massiven Widerstand der Einwohner; Sullas Regelungen in Rom auf der Grundlage seines errungenen Gewaltmonopols (per vim) zielten auf eine (scheinbare) Stabilisierung des Staatswesens ab ([wenige] Proskriptionen, Konsulwahlen, Wahl der Volkstribune; Ermordung von Sullas Amtskollegen Pompeius Rufus) (88 v.Chr.). Während danach Sulla den Krieg gegen Mithridates in Kleinasien betrieb (1. Mithridatischer Krieg 89-85 v.Chr.; Belagerung und Einnahme von Athen, Schlacht von Chaironeia [86 v.Chr.], Truppen Cinnas in Griechenland, Frieden von Dardanos [85 v.Chr.]), sicherte sich der gewählte Konsul Lucius Cornelius Cinna (†84 v.Chr.) Ende des Jahres 87 v.Chr. zusammen mit Gaius Marius durch die Besetzung und brutale Plünderung Roms die Macht, wobei Cinna und Marius Konsuln des Jahres 86 v.Chr. wurden (Tod des Marius bald nach Amtsantritt). Cinna gelang es, die wirtschaftlich katastropahe Lage der römischen Republik nach dem Bundesgenossenkrieg zu stabilisieren (allgemeiner Schuldenerlass, Währungsstabilität, politische Gleichberechtigung für die Neubürger). Nach Beendigung des Krieges gegen Mithridates kam es nach Vorbereitungen Sullas in Griechenland zum Bürgerkrieg (83-82 v.Chr.) gegen die Anhänger des inzwischen verstorbenen Cinna, als der Feldherr Italien angriff und - auch mit Unterstützung des Gnaeus Pompeius (†48 v.Chr.) - in der Schlacht am Collinischen Tor Roms siegte (82 v.Chr., Vernichtungsfeldzug gegen die Saminiten). Es folgten die Diktatur Sullas (82-79 v.Chr.) als Notstandsmaßnahme (altrömische Dictatur), die Verfolgung und Ächtung (Proskription) der politischen Gegner, die Maßnahmen zur Verteilung von Land unter die Soldaten. Es folgte auch die "Wiederherstellung der republikanischen Ordnung" bei Stärkung und Vergrößerung des Senats durch einschlägige Reformen (Magistrate für Rom und Promagistrate für die Provinzen, Entmilitarisierung Italiens, Beschränkungen hinsichtlich des Volkstribunats, Erhöhung der Anzahl von Magistraten und Priestertümern). Sulla legte das "Amt" der Diktatur Anfang 79 v.Chr. nieder. Viele der Reformen wurden nach Sullas Tod (78 v.Chr.) wieder rückgängig gemacht; das Scheitern von Sullas Reformen erklärt sich aus der physischen Vernichtung vieler den alten Senatsgeschlechtern angehörenden nobiles, die zum Senat neu Hinzugekommenen versagten dabei, diese wichtige Institution wieder zu einem sozialen "Graviationszentrum" für den römischen Staat zu machen. In der Folge konnten sich in dieser "Krise ohne Alternative" aus der Senatsaristokratie heraus einzelne Individuen profilieren, was schließlich zum römischen Kaisertum führte. Der Niedergang der sozialen Kompetenz der römischen Nobiltät im Gesellschaftssystem machte aber umgekehrt den römischen Bürgern eine "Krise durch Alternative" plausibel. [Buhlmann, 03.2023]

Lintzel, Martin (1943), Die Kaiserpolitik Ottos des Großen, München-Berlin 1943 > O Otto I.

Lippert, Helga, Götterthron am Euphrat. Baylon Tower, Graffe, Georg, Die Jagd nach der Bundeslade. Jerusalems verlorener Schatz, Augsburg o.J. > T Terra X

List, Rudolf (1974), Stift Admont 1074-1974. Festschrift zur Neunhundertjahrfeier, Ried i.I. 1974 > A Admont

Literatur ist die Gesamtheit aller literarischen "Äußerungen" einer menschlichen Kultur oder Gesellschaft und umfasst alles schriftlich oder mündlich in sprachlicher Form Überlieferte. Literatur setzt insbesondere eine (Schrift-) Sprachlichkeit voraus und ist einer jeweiligen (Schrift-) Sprache verfasst, der Literatursprache. Literatur ordnet sich ein in die Sprachwissenschaft (Linguistik), Literaturwissenschaft, seit dem 19. Jahrhundert mit dem Literaturbegriff aufkommend, steht auch in vielfältiger Beziehung zur Geschichtswissenschaft, da Letztere insbesondere in Form von (schriftlich-literarischen) Geschichtsquellen (Historiografie, Gebrauchstexte, Prosa, Lyrik usw.) Kulturen und (Literatur-) Epochen untersucht. Literaturkritik wird damit in der historischen Forschung zur Quellenkritik. Dem auf alle literarischen Äußerungen bezogenen Literaturbegriff steht der in der Moderne verwendete Begriff einer Literatur sprachlicher Kunstwerke (Belletristik) entgegen. Letztere knüpft z.B. an die antike Rhetorik oder an Diskussionen zur Ästhetik in den europäischen Literaturepochen.
Vielfältig sind auch die "Äußerungen" über Literatur: Best, Otto F. (1972), Handbuch literarischer Fachbegriffe. Definitionen und Beispiele (= Fischer Tb 6092), Frankfurt a.M. 51976; Friedrich, Wolf-Hartmut, Killy, Walther (Hg.) (1965), Literatur 2/1 (= FL 35/1), Frankfurt a.M. 61973, 347 S., DM 5,80; Herder Lexikon: Literatur, bearb. v. Udo Müller (1974), Freiburg-Basel-Wien 1974, 236 S., Schwarzweißabbildungen, DM 18,80, Literatur 2: Biographisches Lexikon, bearb. v. Udo Müller (1975), Freiburg-Basel-Wien 21977, 238 S., Schwarzweißabbildungen, DM 19,80; Mann, Golo (1989), Wir alle sind, was wir lesen. Aufsätze und Reden zur Literatur, Frankfurt a.M. 1989, 374 S., DM 39,80 (betreffend die Autoren: Tacitus, Augustinus, Cervantes, Hölderlin, Kleist, Rückert, Heine, Fontane, Wilhelm Busch, Heinrich Mann, Wassermann, Antonio Machado, Ferdinand Lion, Ernst Jünger, Hans Erich Nossack, George Orwell, Joyce); Reinoß, Herbert (Hg.) (o.J.), Autoren in Wort und Bild, Gütersloh o.J., 288 S., Schwarzweißporträts, DM N.N.; Schüler-Duden, hg. u. bearb. v. Meyers Lexikonredaktion: Die Literatur, Mannheim-Wien-Zürich 1980, 394 S., DM N.N.; Titzmann, Manfred (1977), Strukturale Textanalyse (= UTB 582), München 1977, 470 S., DM 23,80. (Moderne) Literatur des 19. bis 21. Jahrhunderts spiegelt sich insbesondere wider im seit 1901 (mit geringen Unterbrechungen) vergegebenen Nobelpreis für Literatur: Hochhuth, Rolf, Reuß, Herbert (Hg.) ([1970]), Ruhm und Ehre. Die Nobelpreisträger für Literatur. Mit einem Vorwort von Martin Walser, Gütersloh o.J. [1970], 991 S., Schwarzweißfotos, DM N.N.; Nobelpreis für Literatur, unter der Schirmherrschaft der schwedischen Akademie und der Nobelstiftung Stockholm: Nr.16: 1916: Heidenstam, Verner von (1897/98), Karl der Zwölfte und seine Krieger, Zürich o.J., 400 S., Nr.43: 1948: Eliot, Thomas Stearns (1935), Mord im Dom, Zürich o.J. [1969], 272 S., Nr.44: 1949: Faulkner, William, Wilde Palmen und Der Strom, Zürich o.J. [1969], 333 S., Nr.45: 1950: Russell, Bertrand (1932), Lob des Müßiggangs, Zürich o.J. [1970], 319 S., Nr.46: 1951: Lagerkvist, Pär Fabian (1952), Barabbas, Zürich o.J. [1969], 285 S, Nr.49: 1954: Hemmingway, Ernest (1940), Wem die Stunde schlägt, Zürich o.J. [1970], 560 S., Nr.52: 1957: Camus, Albert, Die Pest (1947), Zürich o.J. [1970], 284 S., Nr.65: 1970: Solschenizyn, Alexander I. (1962), Ein Tag des Iwan Denissowitsch, Zürich o.J. [1971?], 400 S., Nr.78-80: 1983-1985: Golding, William (1964), Der Turm der Kathedrale; Seifert, Jaroslaw (1979/81), Der Regenschirm vom Picadelly. Die Pestsäule; Simon, Claude (1960), Die Straße in Flandern, Zürich o.J., 311, 253, 350 S., Zu nennen ist weiter die Bibliothek des 20. Jahrhunderts, hg. v. Walter Jens u. Marcel Reich-Ranicki mit den Bänden: Hesse, Hermann (1953), Peter Camenzind. Erzählung, Stuttgart-Hamburg-München [1982] (mit dem Beiheft: Härtling, Peter, Hermann Hesse: Peter Camenzind), 216, 15 S., Zeittafel, DM N.N., Mann, Thomas (1952), Der Zauberberg. Roman, Stuttgart-Hamburg-München [1982] (mit dem Beiheft: Walter Jens, Thomas Mann: Der Zauberberg), 904, 16 S., Zeittafel, DM N.N. Literatur des 20. Jahrhunderts veröffentlicht ebenfalls die Süddeutsche Zeitung | Bibliothek: Nr.1: Kundera, Milan (1984), Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, Nachdruck München 2004, 287 S., € 4,90, Nr.3: Grass, Günter (1961), Katz und Maus, München 2004, 142 S., € 4,90, Nr.5: Bernhard, Thomas (1983), Der Untergeher, München 2004, 157 S., € 4,90, Nr.19: Highsmith, Patricia (1955), Der talentierte Mr. Ripley, München 2004, 333 S., € 4,90, Nr.20: Conrad, Joseph (1899), Herz der Finsternis, München 2004, 125 S., € 4,90; Nr.33: Nooteboom, Cees (1999), Allerseelen, München 2004, 379 S., € 4,90; Nr.100: Vargas Llosa, Mario (1989), Lob der Stiefmutter, München 2008, 173 S., Schwarzweißabbildungen, € 5,- sowie die Süddeutsche Zeitung | Bibliothek - Metropolen: Nr.5: Mehta, Suketa (2006), Bombay. Maximum City, Nachdruck München 2010, 758 S., € 8,90. Ebenfalls zu nennen sind Anthologien zur Literatur(geschichte), u.a.: Die großen Meister. Europäische Erzähler des 20. Jahrhunderts, hg. v. Rolf Hochhuth (1966): Bd.I, Gütersloh [o.J], 511 S., DM 7,50, Bd.II, Gütersloh [o.J], 511 S., DM 7,50. > D Deutsche Literaturgeschichte [Buhlmann, 04.2018, 11.2018, 05.2019, 07.2019, 10.2020, 03.-05.2021, 12.2021, 04.2022, 11.2022, 02.2023, 11.2023]

Litt, Stefan (2009), Geschichte der Juden Mitteleuropas 1500-1800 (= Geschichte kompakt), Darmstadt 2009 > J Juden in der frühen Neuzeit

Littel, Franklin H. (1980), Atlas zur Geschichte des Christentums, bearb. v. Erich Geldbach (1980), Sonderauflage, [Wuppertal] 1989 > A Atlas, historischer Atlas

Liudger, Heiliger, Missionar, Klostergründer, Bischof: Der Friese Liudger wurde um 742 bei Utrecht geboren. Schon früh sollen die christlichen Eltern Thiadgrim und Liafburg, Mitglieder eines angesehenen und weitverzweigten friesischen Adelsgeschlechts, das Interesse ihres Sohnes an einer geistlichen Laufbahn entdeckt und gefördert haben. Liudger war jedenfalls zwischen 756 und 767 als Schüler an der Utrechter Domschule (Martinsstift), wo ihm durch Gregor von Utrecht (†775), einem Schüler des Bonifatius und Enkel der Äbtissin Adela von Pfalzel (†ca.734), eine theologische Grundausbildung vermittelt wurde. Zur Vervollständigung seiner Studien reiste der Friese 767 nach York zur Domschule des Gelehrten Alkuin, des späteren Vertrauten König Karls des Großen. Dort weihte noch im selben Jahr Erzbischof Ethelbert von York Liudger zum Diakon. Nur von einem Aufenthalt in Utrecht (768/69) unterbrochen, hielt Liudger sich bis Mitte 772 in York auf. Konflikte zwischen Angeln und Friesen nötigten ihn indes zur Rückkehr ans Utrechter Martinsstift, das er erst nach dem Tod Gregors verlassen sollte (775). Offensichtlich war der Einfluss Gregors auf Liudger bestimmend gewesen, denn der Diakon verfasste bald nach dem Tod seines Lehrers eine Lebensbeschreibung Gregors, die Vita Gregorii. Ein erster Auftrag führte dann Liudger nach Deventer, wo er über dem Grab des Friesenmissionars Lebuin (†773) die Kirche neu errichtete (775/76). 776 begann die Friesenmission Liudgers. Nach seiner Priesterweihe in Köln (777) missionierte Liudger im friesischen Ostergau von Dokkum aus, nicht ohne die Herbst- und Wintermonate in Utrecht zu verbringen. Die Missionsarbeit wurde indes jäh unterbrochen, als von der Sachsenerhebung unter Widukind auch Friesland betroffen wurde (784). Liudger begab sich auf Pilgerreise nach Rom (784), dem Sitz des Papsttums, und Montecassino (784/85-787), dem Ursprungskloster des benediktinischen Mönchtums. Nach seiner Rückkehr nach Friesland ernannte Karl der Große Liudger zum Missionsleiter für fünf mittelfriesische Gaue (787), wobei der Frankenkönig den Missionar vielleicht auch mit Leitung und Besitz des Petrusklosters zu Leuze betraute. In die Zeit der Friesenmission fällt zudem die Reise Liudgers nach Helgoland (um 791). Der Sachsen- und Friesenaufstand von 792 war vielleicht für Liudger der Anlass, Karl den Großen um die Missionsleitung im westlichen Sachsen zu bitten. In der Folgezeit entstand um Münster und das dort 793 von Liudger gegründete Kanonikerstift ein Missionsbistum mit einem ausgedehnten Pfarrsystem, das u.a. die Kirchen in Coesfeld, Billerbeck, Rheine, Wettringen und Schöppingen umfasste. In Nottuln ließ Liudger eine Kirche erbauen und soll die Gründung einer Gemeinschaft von Sanktimonialen unterstützt haben. Liudger wurde 805 wohl in Köln vom Kölner (Erz-) Bischof Hildibald (787-818) zum ersten Bischof von Münster geweiht, das Bistum auf augenfällige Weise der Kölner Kirchenprovinz angegliedert. Die letzten Jahre vor seinem Tod muss der Bischof seinen Sprengel mehrfach bereist haben. Auf solch einer Reise ist Liudger in Billerbeck gestorben (26. März 809). Zunächst in Münster aufgebahrt, gelangte der Leichnam des (bald) als Heiligen Verehrten ins Kloster (Essen-) Werden, wo man Liudger seinem Wunsch gemäß begrub.
Zu Liudger s. an Quellen: Buhlmann, Michael (2008), Das Münsteraner Büchlein über die Wunder des heiligen Liudger (= BGW 9), Essen 2008, 16 S., € 2,-; Diekamp, Wilhelm (Hg.) (1881), Die Vitae sancti Liudgeri (= Geschichtsquellen des Bist(h)ums Münster, Bd.4), Münster 1881; Senger, Basilius (Hg.) (1982), Liudger in seiner Zeit. Altfrid über Liudger. Liudgers Erinnerungen, Münster 41986, 76 S., 1 Karte, DM 7,80, an Darstellungen: Angenendt, Arnold (2005), Liudger. Missionar - Abt - Bischof (im frühen Mittelalter), Münster 2005 > A Angenendt, Liudger; Börsting, Heinrich, Borger, Hugo, Elbern, Victor H. (1959), Sankt Liudger 809-1959. Gedenkschrift zum 1150. Todestage des Heiligen, Essen-Werden 1959, 110 S., Abbildungen, DM 12,-; Börsting, Heinrich, Schröer, Alois (Hg.) (1948/50), Liudger und sein Erbe (= Westfala Sacra, Bd.1-2), 2 Bde., Münster 1948-1950, XXIX, 294 S., 354 S.; Buhlmann, Michael (1998), Liudger an der Ruhr, in: Ich verkünde euch Christus. St. Liudger, Zeuge des Glaubens 742-809 [1998], S.22-42; Buhlmann, Michael (2001), Liudger und Karl der Große, in: Ich verkünde euch Christus. St. Liudger, Zeuge des Glaubens 742-809 [2001], S.4/5-48; Buhlmann, Michael (2003), Liudger in den Münsteraner Chroniken des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Ich verkünde euch Christus. St. Liudger, Zeuge des Glaubens 742-809 [2002], S.76-100; Buhlmann, Michael (2005), Liudger und sein bischöfliches Wirken in der Zeit. Sächsischer Missionsbezirk und Münsteraner Bistum Liudgers in der Kirchenorganisation des karolingischen Frankenreichs, in: Seid Zeugen des Glaubens [2005], S.55-89; Buhlmann, Michael (2007), Liudger an der Ruhr - Die Gründung des Klosters Werden (= BGW 1), Essen 2007, 36 S., € 2,50; Buhlmann, Michael (2008), Suitbert, Liudger und die Missionierung Nordwesteuropas (= BGW 8), Essen 2008, 48 S., € 2,50; Hüsing, Augustin (1878), Der heilige Liudger, erster Bischof von Münster, Apostel der Friesen und Sachsen, Münster 1878; Isenberg, Gabriele, Rommé, Barbara (Hg.) (2005), 805: Liudger wird Bischof. Spuren eines Heiligen zwischen York, Rom und Münster (= Ausstellungskatalog), Münster 2005, 301 S., Abbildungen, Karten, CD-ROM, € 25,-; Kaus, Eberhard (1992), Zu den Liudger-Viten des 9. Jahrhunderts, in: WZ 142 (1992), S.9-55; Löwe, Heinz (1955), Liudger als Zeitkritiker, in: HJb 74 (1955), S.79-91; Rabeneck, Günter [o.J.], St. Liudger (742-26.3.809). Zeittafel seines Lebens, [Essen-Werden] [o.J.]; Rensing, Franz (1913), Der Geburtsort des hl. Liudger, in: BeitrrGWerden 16 (1913), S.54-61; Sierksma, Klaes (2000), Liudger Thiadgrimssohn. Herkunft und Familie. Versuch der Richtigstellung einiger im Laufe der Zeit entstandener Fehldeutungen der Viten Liudgeris, Essen-Werden [2000]; Wagener, Heinz (1988), Liudger (um 742-809), Begründer des westfälischen Kirchengesangs, in: Westfalen 66 (1988), S.94-112. > W Werden, > Liudger [Buhlmann, 12.1998, 12.2001, 02.2003, 03.2005, 05.2008, 06.2014]

Liutbirg: Das Leben der Liutbirg, hg. v. Ottokar Menzel (= MGH. Deutsches Mittelalter, Bd.3), 1937, Nachdruck Stuttgart 1978, 54 S., € 14,- > Lateinische Literatur > V Vita Liutbirgae

Lloyd, Julie ([2007]), Das Wetter. Klima, Meterologie, Naturgewalten, Bath [2007] > W "Weltgeografie"

Lo

Löhr, Gabriel M. (1927), Das Necrologium des Dominikanerinnenklosters St. Gertrud in Köln, in: AHVN 110 (1927), S.60-179. I. Das Dominikanerinnenkloster St. Gertrud in Köln wurde vor 1257 gegründet und 1802 aufgehoben. Eine Urkunde des Kölner Erzbischofs Konrad von Hochstaden (1238-1261) vom August 1257 berichtet über den Umzug der Rekluse Helwigis und ihrer Mitschwestern von der Klause bei der Deutschordenskirche St. Katharina (Köln, Severinsstraße) nach St. Gertrud (Köln, Neumarkt). Die "frommen Frauen" siedelten sich wahrscheinlich bei einer alten Kapelle eines erzbischöflichen Hofes an. Privilegiert am 1. August 1265 durch Papst Clemens IV. (1265-1268), war die Frauengemeinschaft dem Dominikanerorden angeschlossen (Inkorporation 1286/87), im Jahr 1273 wird die Kommunität als monasterium s. Gertrudis sororum ordinis Predicatorum in Colonia bezeichnet. In dieser Zeit erfolgten auch Ausbau und Erweiterung der Klosteranlage, die noch 1802 bestehende Kirche stammt von der Wende des 13. zum 14. Jahrhundert. Kapellen und Altäre waren dem Evangelisten Johannes, dem heiligen Augustinus und der Jungfrau Maria geweiht, Reliquien der heiligen Gertrud vorhanden. Der Hauptaltar wurde 1279 vom Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg (1275-1297) geweiht. Das Kloster wurde durch Ablässe und Stiftungen unterstützt, vornehme Kölner Familien engagierten sich; vornehme Kölnerinnen, z.B. aus dem Geschlecht der Overstolz, sind als Klosterleiterinnen, als Priorinnen bezeugt. Neu eintretende Schwestern hatten dem Kloster eine Mitgift für ihren Unterhalt zu stiften, demnach waren besonders Frauen aus dem Kölner Patriziat und aus reichen Kölner Kaufmannsfamilien (spätes Mittelalter) bzw. aus Schöffen- und Beamtenfamilien (frühe Neuzeit) in St. Gertrud vertreten. Zur wirtschaftlichen Ausstattung des Klosters gehörte Besitz in Köln, Widdersdorf, Pulheim, Brauweiler und Dansweiler (um 1360) bzw. in Dansweiler, Deckstein, Junkersdorf, Lind und Widdersdorf (1787). Der Besitz wurde von der Priorin verwaltet, Besitzsachen in einem Gremium von Priorin, Subpriorin und älteren Schwestern mit Zustimmung des Ordensprovinzials verhandelt. Das Gertrudkloster des endenden 13. und des 14. Jahrhunderts hatte wohl auch im Zusammenhang mit der "deutschen Mystik" Bedeutung. Eine Predigtsammlung von Predigten u.a. des Albertus Magnus (†1280) soll mit dem Kloster in Verbindung stehen. Dem Auf und Ab in jeder geistlichen Gemeinschaft entsprach es, dass die Frauengemeinschaft im 15. Jahrhundert als reformbedürftig angesehen wurde. 1466 wurde die Reform des Klosters mit Unterstützung durch den Kölner Rat und den Erzbischof, aber gegen Widerstände von Seiten einiger Schwestern eingeführt (Amtsenthebung der Priorin, der Subpriorin, der Schaffnerin und der Kellnerin; Hinzunahme neuer Schwestern von außerhalb). Das Gertrudkloster blieb von der Reformation unberührt, 1728 klagte der Kölner Generalvikar über die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen der Frauengemeinschaft. Indes konnte die Priorin Anna Herrestorf (1769-1778, 1785-1798) aus eigenen Mitteln einen neuen Kirchenchor aufführen lassen. In den letzten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts beanspruchte der Kölner Erzbischof Jurisdiktion und Visitationsrecht über St. Gertrud. Am 14. Oktober 1802 verließen infolge der Aufhebung des Klosters dessen Insassen die Gebäude, die verkauft und abgerissen wurden. II. Zur Überlieferung des Gertrudklosters gehört insbesondere ein Nekrologium. Vollständig zu ermitteln war die Liste der Priorinnen von Helwigis (1257, 1263) bis zu Gertrud Leven (1798-1802). [Buhlmann, 06.2006]

Löhr, Wolfgang (2016), Auch ein letzter Ritter: Heinrich II. von Hompesch (ca.1448-1501). Ein Weggefährte Herzogs Wilhelm IV. von Jülich-Berg und des späteren Kaisers Maximilian I., in: AHVN 219 (2016), S.43-102, Stammtafel. I. Die Ritterfamilie Hompesch, vielleicht aus ministerialischen Anfängen stammend, reichte wohl bis ins 13. Jahrhundert zurück (Kuno de Hunpes [1275], miles Gottfried von Hompesch [1303]). Im 14. und 15. Jahrhundert waren Mitglieder der Familie Hompesch Räte der Herzöge von Jülich, weiter an prominenter Stelle in der Verwaltung und bei der militärischen Verteidigung des Herzogtums tätig (Rat Werner II. [†v.1410], Landdrost Werner IV. [†v.1472]). II. Heinrich II. von Hompesch (*ca.1448-†1501), verheiratet mit Sophia von Burscheid (1473), verfügte auf Grund von väterlichem (Werner IV.) Erbe und Ämterhäufung im Dienste des Jülicher Herzogs (herzoglicher Rat [1471], Amtmann von Grevenbroich [1471], Monschau [1475] und Münstereifel [1478]) über ein beträchtliches Vermögen. Zeitweise waren ihm auch das Amt Brüggen (1492) und die klevisch-märkische Stadt und Herrschaft Wachtendonk (1497) verpfändet. 1485 kaufte Heinrich das geldrische Lehen Wickrath von (König) Maximilian I. (1486/93-1519); Wickrath wurde 1488 reichsunmittelbar. Militärisch und in Verhandlungen griff Heinrich auch im "Kleinkrieg" zwischen den Herzogtümern Jülich-Berg, Kleve und Geldern (1498/99) ein. Enge Beziehungen zwischen Heinrich von Hompesch und dem Habsburger Maximilian bestanden wohl seit 1479 (Sieg Maximilians bei Guinegate [1479], Krieg in Flandern [1488], Heinrich als Finanzier Maximilians [v.1500]). Zusammen mit seiner Frau Sophia ließ Heinrich 1486 das Testament der Eheleute diktieren, das fromme Stiftungen enthielt und in der Erbscheidung von 1492 und noch 1500 ergänzt wurde. Heinrich und Sophia stifteten zudem ein Kreuzherrenkloster in Wickrath (1491). Heinrich war ein miles christianus, der sich im niederrheinischen Netzwerk von Ritterstand und Adel durch Frömmigkeit und Familiensinn, in Politik und Diplomatie, in Finanzen und Kriegertum auszeichnete. König Maximilian würdigte den Ritter in seiner Schrift "Triumphzug". [Buhlmann, 05.2017]

Löttgers, Rolf (1983), Privatbahnen in Deutschland: Die Deutsche Eisenbahn-Gesellschaft 1960-1969, Stuttgart 1983 > F Franckhs Eisenbahnbibliothek

Löwe, Heinz (1955), Liudger als Zeitkritiker, in: HJb 74 (1955), S.79-91 > L Liudger

Loewenberg, Peter (1980), Psychohistory, in: Kammen, Michael (Hg.) (1980), The Past Before Us - Contemporary Historical Writing in the United States, Ithaca 1980, S.408-432 > P Psychohistorie

Lohmann, Friedrich Wilhelm (1930), Eine alte Bruderschaft in den Dekanaten Wattenscheid und Essen (Kaland, erneuert 1326), in: EB 50 (1930), S.51-97. Zwei mittelalterliche Handschriften, ein Essener und ein Wattenscheider Codex vom beginneden 14. Jahrhundert, sind Bruderschaftsbücher, enthaltend die Statuten von 1326 (Statuta fraternitatis ... per decanatum Watterschedensem bzw. Constitutiones et Statuta Fratris B.M.V. per Decanatum Wattenschedensem; Statuten [Dekan der Bruderschaft, Gottesdienst, Zusammenkünfte, Exequien] mit Zusätzen im Essener Codex, liturgische Texte [im Gottesdienst: Antiphonen, Responsorien, Invitatorien, Psalmen]), Mitgliederlisten (Memoria defunctorum de fraternitate B.M.V. decanatus Wattenschedensis et vicinorum locorum; Memoria fratrum defunctorum sacerdotum als Priesterliste [u.a. im Essener Codex erweitert 1570 und 1633ff], Liste von adligen Mitgliedern [militum, militarium], Liste von Hofbesitzern, Dienstleuten, Bürgern, Beamten) und eine Einkünfteliste (im Essener Codex; Redditus fraternitatis bte Mariae virginis in districtu Assindensi). Das Essener Bruderschaftsbuch kam dabei (wegen der engen Beziehungen zwischen dem Essener Stift und der Wattenscheider Kirche) von Wattenscheid nach Essen und diente fortan der Essener Bruderschaft. Die Bruderschaft selbst reicht wohl (mindestens) ins 13. Jahrhundert zurück und gehört zu den kirchlichen Bruderschaften/Fraternitäten (von Priestern, Kaland), die seit dem hohen Mittelalter besonders in Westfalen, weniger im Rheinland bezeugt sind, die weiter auf die Zeit (der Christianisierung? bzw.) einer sich verdichtenden kirchlichen Organisation zurückgehen. Der Bedeutung solcher Bruderschaften entsprach auch die Aufnahme von adligen, nichtadligen und bürgerlichen Laien. Stiftungen ermöglichten den Fraternitäten, für ihre Mitglieder im Bedarfsfall und im Tod zu sorgen und Seelentrost zu spenden. [Buhlmann, 10.2012]

Lohrmann, Dietrich (2017), Von Werden an der Ruhr nach Lucca. Ein rheinischer Ingenieur und Autor im spätmittelalterlichen Italien, in: QFIAB 97 (2017), S.135-158 > L Lohrmann u.a., Konrad Gruter

Lohrmann, Dietrich, Kranz, Horst, Alertz, Ulrich (Hg.) (2006), Konrad Gruter von Werden, De machinis et rebus mechanicis. Ein Maschinenbuch aus Italien für den König von Dänemark 1393-1424, Tl.I: Einleitung, Tl.II: Edition (= Studi e Testi 428/29), Vatikan 2006, 254 S., 299 S., Farb-, Schwarzweißabbildungen, Karten, Pläne, € 110,-. Konrad Gruter (*ca.1360?-†n.1424) aus Werden entstammte einer angesehenen und begüterten Ministerialenfamilie. Aufgewachsen und sozialisiert worden ist Gruter in der kleinen Stadt an der Ruhr, wo er aller Wahrscheinlichkeit die Lateinschule besuchte. Lateinische Bildung ermöglichte ihm, der in den Dienst der Kirche eingetreten war (1380), auch ein Studium der Artes an der Kölner Artistenfakultät (1391). Ab 1393 war Gruter als Ingenieur und Experimentator am päpstlichen Hof in Rom tätig, wo er, ausgestattet mit kirchlichen Pfründen, auch das Amt eines tabellio ausübte. Ab dem Jahr 1400 stand der Wassertechniker in verschiedenen Dienstverhältnissen ober- und mittelitalienischer Städte und Herrscher (Modena 1400/01, Ferrara 1401, Padua 1403/04, Camerino 1406/08, Lucca 1418, Florenz?, Ravenna?). Im Jahr 1424 hielt sich Konrad Gruter in Venedig auf, wo er für König Erik VII. von Dänemark, Norwegen und Schweden (1397/1412-1439) ein Maschinenbuch verfasste, das als Spiegel seiner Erfahrungen und Kenntnisse gelten kann. Das Maschinenbuch ist damit ein wichtiges Zeugnis der Technik im späten Mittelalter. > Lateinische Literatur > G Gruter, Konrad. Vgl. Buhlmann, Michael (2014), Konrad Gruter aus Werden - Technik im späten Mittelalter (= BGW 15), Essen 2014, 55 S., € 3,-; Lohrmann, Dietrich (2017), Von Werden an der Ruhr nach Lucca. Ein rheinischer Ingenieur und Autor im spätmittelalterlichen Italien, in: QFIAB 97 (2017), S.135-158. [Buhlmann, 04.2014, 06.2018]

Longerich, Peter (2015), Hitler. Biographie, München 2015 > H Hitler, Adolf

Longerich, Peter (2016), Wannseekonferenz. Der Weg zur "Endlösung" (= Pantheon), München 22016, 221 S., Abbildungen des Hauptprotokolls der Wannseekonferenz, € 14,99. Am 20. Januar 1942 trafen sich auf Einladung und unter Vorsitz von Reinhard Heydrich, dem Leiter des Reichssicherheitshauptamts, in der Villa "Am Großen Wannsee Nr.56/58" - einem 1914 erbauten repräsentativen Gebäude, das 1940 der Kaufmann und Manager Friedrich Minoux (*1877-†1945), u.a. ehemaliger Direktor der Essener Gas- und Wasserwerke, Profiteur jüdischer Zwangsverkäufe und Wirtschaftsbetrüger, der SS-nahen Nordhav-Stiftung verkaufte - hochrangige Vertreter von staatlichen Behörden (Auswärtiges Amt [Martin Luther], Innenministerium [Wilhelm Stuckart], Führerstellvertretung [Gerhard Klopfer], Vierjahresplan [Erich Neumann], Propagandaministerium [Leopold Gutterer], Justizministeriuum [Roland Freisler], Reichskanzlei [Friedrich Kritzinger]), von zivilen Besatzungsbehörden in Polen und der Sowjetunion (Ostministerium [Alfred Meyer, Georg Leibbrandt]) und von Parteiorganisationen der NSDAP und SS (SS, deutsche Polizei [Reinhard Heydrich], Reichskommissariat für die Festigung deutschen Volkstums [Ulrich Greifelt, verhindert], SS-Rasse und Siedlungshauptamt [Otto Hofmann], Reichssicherheitshauptamt [Adolf Eichmann als Protokollant, Heinrich Müller], Sicherheitspolizei und Sicherheitsdienst im Generalgouvernement [Karl Georg Eberhard Schöngarth, Rudolf Lange]), um über die "Endlösung der Judenfrage", d.h. letztlich die physische Vernichtung der rund 11 Millionen in Europa lebenden Juden, zu beraten. Zum damaligen Zeitpunkt war im Zuge des Krieges gegen die Sowjetunion ("Unternehmen Barbarossa", 22. Juni 1941) die nationalsozialistische Todesmaschinerie in Osteuropa, die sich gegen Partisanen, Kommunisten, Juden und Zivlisten richtete, schon angelaufen (Völkermord in der Sowjetunion, regionale "Endlösungen", Deporationen von Juden aus dem Reichsgebiet). Reinhard Heydrich schwebte dabei in seinen Planungen zur "Endlösung" eine Nachkriegsordnung vor, die eine Verschleppung der Juden nach Osteuropa ("Ostwanderung"), Zwangsarbeit und Massenmorde beinhaltete. Reichsführer SS Heinrich Himmler hingegen befürwortete "in enger Absprache mit [Adolf] Hitler" und dessen "Judenpolitik" (Politik gegenüber den USA) eine "Endlösung" parallel zum Krieg und als Mittel zur Kriegsführung und verfolgte dieses Ziel faktisch schon seit Beginn des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion. Die Wannseekonferenz sollte die Koordination staatlicher und Parteistellen hinsichtlich der (vielfach schon angelaufenen) "Endlösung" voranbringen. Dabei macht das von Adolf Eichmann angefertigte Konferenzprotokoll aber auch einen wichtigen Wendepunkt in der "Judenpolitik" des "Dritten Reiches" deutlich: Die "Endlösung" steht nicht mehr am Ende des Krieges, sondern ist ein Mittel zum Krieg. So verschärften sich die Maßnahmen gegen die Juden - im Sinne Himmlers und (später auch) Heydrichs - in der Folge der Wannseekonferenz hin zu einem "rassistischen Vernichtungskrieg", in dem der "Endlösung" eine besondere Rolle zukam (verstärkte Deportationen, Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager, "Endlösung" im Generalgouvernement). Vollends war diese Ausrichtung des Krieges möglich, als Heydrich Opfer eines Attentats wurde (27. Mai 1942) und sich Himmler mit seinen Vorstellungen auf ganzer Linie durchsetzte. Vgl. Buhlmann, Michael (1980), Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942, Seminararbeit, Seminar "Der Zweite Weltkrieg" (Dr. Siegfried Gehrmann, Universität Essen, Fachbereich 1, Fach Geschichte, WS 1979/80), [Essen 1980], 12 S. [Buhlmann, 02.1980, 12.2020]

Lonhard, Otto-Günter (1963), Das Kloster Blaubeuren im Mittelalter. Rechts- und Wirtschaftsgeschichte einer schwäbischen Abtei. Mit einem Beitrag: Gönner, Erberhard, Siegel und Wappen des Klosters (= VKGLBW B 25), Stuttgart 1963 > B Blaubeuren

Loose, Andreas (1988), Astronomische Zeitbestimmung im frühen Mittelalter: "De cursu stellarum" des Gregor von Tours, Diss. Bochum 1988 > G Gregor von Tours

Loose, Rainer (1997), Marienberg und Tirol. 900 Jahre Benediktinerabtei (Schuls-) Marienberg 1096-1996, in: SMGB 108 (1997), S.97-111 > M Marienberg, in Südtirol

  Lorch, Benediktinerkloster: Mit den Anfängen der staufischen Herzogs- und Königsdynastie verbunden ist ihr Hauskloster Lorch, ein um 1100 gegründetes Benediktinerkloster Hirsauer Observanz, das dem Papst übergeben (1102) und von den Staufern bevogtet wurde. Zusammen mit einem Kollegiatstift an der Lorcher Pfarrkirche diente das Kloster der Grablege der frühen Staufer. Nach dem Ende der Königsdynastie übernahmen die Grafen von Württemberg die Klostervogtei, die Kommunität wurde ein landesherrliches Kloster (Melker Reform 1462). Die frühe Neuzeit begann mit der Zerstörung des Klosters im Bauernkrieg (1525), Herzog Ulrich von Württemberg (1498-1550) ließ das Kloster 1535 im Rahmen der Reformation auflösen, eine evangelische Klosterschule bestand in Lorch zwischen 1556 und 1583, das württembergische Klosteramt bis 1806. Von der romanischen Klosteranlage ist die dreischiffige Basilika mit Querhaus, Westbau und einem Rundturm erhalten, ebenso der spätgotische Nordflügel der Konventsgebäude sowie einige Wirtschaftsgebäude.
Zu Lorch vgl. Heinzer, Felix, Kretzschmar, Robert, Rückert, Peter (Hg.) (2004), 900 Jahre Kloster Lorch. Eine staufische Gründung vom Aufbruch zur Reform (= VKGLBW B N.N.), Stuttgart 2004, XV, 199 S., Farb-, Schwarzweißabbildungen, € 42,-; Kloster Lorch. 900 Jahre. Ein Rundgang durch die Geschichte des Klosters, hg. i.A. d. Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (2002), Stuttgart 2002, 104 S., Abbildungen, € 7,50. [Buhlmann, 03.2009]

Lorenz, Konrad (1973), Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte menschlichen Erkennens (= dtv 1249), München 1977 > M Menschwerdung

Lorenz, Sönke (1983), Borgh, Stat ind Landt van Keiserswerde. Ein Beitrag zur Geschichte von Kaiserswerth, Diss., Düsseldorf 1983 = Lorenz, Sönke (1993), Kaiserswerth im Mittelalter. Genese, Struktur und Organisation königlicher Herrschaft am Niederrhein (= SH 23), Düsseldorf 1993 > K Kaiserswerth

Lorenz, Sönke (1992), Die Königswart. Tübinger Pfennig und Silberbergbau im Nordschwarzwald zur Zeit der Pfalzgrafen von Tübingen, in: BlldtLG 128 (1992), S.85-115 > T Tübingen: Pfalzgrafen von Tübingen

Lorenz, Sönke, Rückert, Peter (Hg.) (1997), Württemberg und Mömpelgard - 600 Jahre Begegnung (= Ausstellungskatalog), Stuttgart 1997 > M Mömpelgard

Lorenz, Sönke, Bauer, Dieter R., Auge, Oliver (Hg.) (2008), Tübingen in Lehre und Forschung um 1500. Zur Geschichte der Eberhard Karls Universität Tübingen. Festschrift Ulrich Köpf (= TBLG 9), Ostfildern 2008, VIII, 304 S., € 24,90. In der geteilten württembergischen Landesherrschaft im deutschen Südwesten konkretisierten sich im Verlauf der 1470er-Jahre Pläne des Uracher Grafen Eberhard im Bart (1450-1496) zur Gründung einer Universität in Tübingen. Unterstützt von wichtigen Ratgebern, seiner Mutter Mechthild von der Pfalz (†1482) und Papst Sixtus IV. (1471-1484), konnte Eberhard 1476 das Sindelfinger Stift nach Tübingen verlegen; es diente mit seinen Kirchenpfründen der zu gründenden Universität als Ausstattung, die zudem durch das Patronat über die fünf Pfarrkirchen in Asch (Blaubeuren), Brackenheim, Eningen, Ringingen und Stetten ergänzt wurde. Die päpstliche Gründungsbulle vom 11. März 1477 sowie eine gedruckte gräfliche Bekanntmachung vom 3. Juli, die den Beginn des Studiums auf den 1. Oktober festlegte, waren weitere Schritte zur Entstehung der Tübinger Universität. Der Lehrbetrieb begann dann auch mit dem Wintersemester 1477/78. In der Artistenfakultät gab es ziemlich von Anfang an als Lehrer die vier vorgesehenen Kollegiatmagister, die sich zwei Sindelfingen-Tübinger Pründen teilten und den "Fachrichtungen" der via moderna und via antiqua zugehörten (Nominalismus und Universalienstreit). Im Rahmen des Quadriviums wurde der bedeutende Mathematiker Johannes Stöffler (†1531) für Tübingen gewonnen. Die Artistenfakultät war eng mit der 1480 fertig gestellten Burse verbunden, die den Artes-Studenten Wohn-, Schlaf- und Übungsmöglichkeiten bot und unter der Leitung eines rector bursiae stand. Eine gräfliche Verordnung des Jahres 1488 macht dann eine Trennung zwischen den 18 Artistenmagistern, die dem Fakultätskonzil angehörten, und den übrigen magistri regentes, die ihre Einkünfte nur aus den Hörer- und Prüfungsgebühren beziehen konnten, deutlich. Nicht mit der Artistenfakultät zusammenhängend, gab es eine humanistisch ausgerichtete Poetikdozentur, die der bekannte Pforzheimer Humanist Johannes Reuchlin als Erster ausübte und die langsam in die juristische Fakultät hineinwuchs, wurde Poetik (Rhetorik) u.a. als Voraussetzung für die juristische Institutionenlehre angesehen. Dem Gewicht der juristischen Fakultät entsprach es, dass im Jahr 1490 mit Martin Prenninger (†1501), dem Kanzler des Konstanzer Bischofs, ein berühmter Doktor beider Rechte gewonnen wurde, der die aus drei Ordinarien (ius pontificum, nova iura, ius civile) bestehende Rechtsfakultät deutlich aufwertete und wohl wesentlich hinter den Fakultätsstatuten von 1495 stand. Schwierigkeiten gab es indes beim Aufbau der theologischen und medizinischen Fakultäten in Tübingen. Die Medizinfakultät etablierte sich im Jahr 1484 unter dem bedeutenden Mediziner Johannes Widmann (†1524), ein zweiter Ordinarius innerhalb dieser Fakultät wird erst 1492 greifbar. Aus dem Jahr 1497 ist ein medizinischer Lehrplan überliefert, der auf die theorica, practica, chirurgia und extraordinaria eines vierjährigen Studiums verweist und Vorlesungen zu Hippokrates, Galen, Rhazes, Constantinus Africanus und Avicenna sowie Leichensektionen aufführt. Die Medizinprofessoren waren auch Leibärzte des Landesherrn, wie überhaupt die Universität eng den Anforderungen der württembergischen Grafen bzw. Herzöge entsprechen musste, stellten doch zudem die Lehrer der theologischen und juristischen Fakultät Ratgeber (Gutachter) und Räte für den Landesherrn. Auch an der theologischen Fakultät gab es 1484 mit dem Theologen Gabriel Briel (†1495), dem Propst des St. Amandus-Stifts in Urach, eine Wendung zum Besseren; Briel hatte schon 1482 Graf Eberhard darin unterstützt, beim Papst die Vereinigung der Pfründen des Tübinger Stifts zu erwirken, um die Universität auf eine einheitliche finanzielle Grundlage zu stellen. Mit dem theologischen Studium in Tübingen eng verbunden waren von den Franziskanern und Karmelitern eingerichtete Ordensstudien, der Tübinger Augustinereremit Johannes Staupitz (†1524), ein Wegbegleiter Martin Luthers, wurde 1500 Doktor der Theologie, nachdem er 1497 an der Tübinger Universität immatrikuliert worden war. Gegen eine ewige Rente in Höhe von Gulden jährlich erhielt die Universität im Kloster der Augustinereremiten zudem ein Lectorium, einen Lesesaal für Theologen. Über Umfang und Ausstattung der Bibliothek(en) an der Tübinger Universität liegt aus der Anfangszeit dieser Bildungsinstitution wenig vor. Die ersten Universitätsordnungen von 1481 und 1491 erwähnen liberien; vermutlich hat es eine fakultätsübergreifende Gesamtbibiliothek gegeben, Konrad Hager stiftete 1522 seine Bücher dieser "Universitet liberey", ebenso hinterließ 1531 der Mathematiker Johannes Stöffler der Universität seine Büchersammlung. Neben der Gesamtbibliothek hat es aber wohl nicht sehr umfangreiche Büchersammlungen der Mönchsorden sowie der Brüder vom gemeinsamen Leben gegeben; auch verfügten die Professoren über Privatbibliotheken; schließlich gab es die Bibliothek der Burse. Es ist klar, dass im Zeitalter des Buchdrucks der Großteil der Medien in den Bibliotheken aus gedruckten Büchern bestand. Insgesamt kann von einem erfolgreichen Aufbau der Universität Tübingen in der Zeit zwischen Gründung und Reformation (1534/35) ausgegangen werden. Dies schlug sich auch in der relativ konstanten Zahl (um 100) der sich jährlich neu einschreibenden Studenten nieder, sieht man von den Pestjahren 1482 und 1483, wo der Unterricht teilweise außerhalb Tübingens ablief, einmal ab. Unter den Studenten finden sich auch Prominente wie der Balinger Gregor Reisch in den 1480er-Jahren oder der Pforzheimer Philipp Melanchton, der zwischen 1512 und 1518 in Tübingen studierte. "Würdige und bedürftige" Studenten wurden zuweilen von privaten Stiftungen unterstützt; am bekanntesten ist das Collegium sanctorum Georgii et Martini, gestiftet 1509 bzw. eingeführt 1518/19 von den Kirchenmännern und Universitätsangehörigen Georg Hartsesser (†1518) und Martin Plantsch (†1533). Die Stiftung war ein Kollegium mit eigenem Wohnheim und Bibliothek und gewährte bis zu 18 Studenten der Artistenfakultät - die eine Hälfte waren antiqui, die andere moderni - Stipendien in Form von Unterkunft und Verpflegung, während etwa Prüfungs- und Promotionsgebühren selbst von den Stipendiaten aufgebracht werden mussten. Die von Herzog Ulrich von Württemberg (1498-1550) verordnete (württembergische) Reformation auch der Universität Tübingen (1534) stieß gerade an der theologischen Fakultät auf Widerstand. Infolge der Reformation verließen angesehene katholische Hochschullehrer Tübingen; Fakultät und Universität mussten sich auf die neuen Gegebenheiten einstellen, die zudem mit größeren Einwirkungsmöglichkeiten des Landesherrn einhergingen. War die Universität Tübingen zur Zeit der habsburgischen Besetzung Württembergs (1519-1534) noch dem katholischen Glauben und dem Humanismus verpflichtet gewesen, so wurde sie im Verlauf des 16. Jahrhunderts endgültig protestantisch, die theologische Fakultät wurde in Forschung und Lehre führend für den lutherischen Glauben im römisch-deutschen Reich.
Zur (inneren [föderativ-repräsentative Körperschaft], äußeren [corpus ecclesiasticum, corpus privilegiatum]) Verfassung der frühen Tübinger Universität mit der universitas und deren Organen (Rektor, Kanzler), den facultates und deren Organen (consilium, Dekan) sowie der Universität als Rechtsverband (Satzungsrecht, Gerichtsbarkeit, Verwaltungsautonomie, Mitgliederprivilegien) vgl. noch: Teufel, Waldemar (1977), Universitas Studii Tuwingensis. Die Tübinger Universitätsverfassung in vorreformatorischer Zeit (1477-1534) (= Contubernium, Bd.12), Tübingen 1977, XIV, 299 S, Schwarzweißabbildungen, DM 45,80. [Buhlmann, 10.2008, 02.2014]

Lorenz, Sönke, Mertens, Dieter, Press, Volker (Hg.) (1997), Das Haus Württemberg. Ein biographisches Lexikon, Stuttgart-Berlin-Köln 1997 > W Württemberg

Lorenz, Sönke, Rückert, Peter (Hg.) (1999), Württemberg und Mömpelgard - 600 Jahre Begegnung / Montbéliard - Wurtemberg. 600 Ans de Relations (= SSWLK 26), Leinfelden-Echterdingen 1999, XI, 484 S., € 20,90. Beziehungen der Grafschaft Württemberg zum linksrheinischen Raum hat es schon seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert gegeben. Aber erst die Eheabsprache von 1397 betreffend die Heirat Graf Eberhards IV. von Württemberg (1415-1417) mit Henriette von Mömpelgard (*1384/91-†1444) begründete ein württembergisches Mömpelgard, d.h. ein in spätem Mittelalter und früher Neuzeit dynastisch mit der Grafschaft bzw. dem Herzogtum Württemberg verbundenes linksrheinisches Territorium. Den vielfältigen Zusammenhängen zwischen Württemberg und Mömpelgard (Montbéliard) spüren die in dieser Publikation vereinigten Aufsätze nach. > M Mömpelgard [Buhlmann, 04.2007]

Lorenz, Sönke, Schmauder, Andreas, Seeger, Christoph, Bidlingmaier, Rolf, Edelmann, Heidrun, Matzke, Michael (1997), Riederich. Geschichte einer Ermstalgemeinde (= Gemeinde im Wandel, Bd.5), Horb a.N. 1997, 236 S., Schwarzweiß-, Farbabbildungen, DM 45,-. Der Ort Riederich im Ermstal ist historisch erstmals im Codex Hirsaugiensis des Schwarzwaldklosters Hirsau mit Zeitstellung nach 1103 (nicht 1097) als Ruderchingen belegt. Als alemannischer -ingen-Ort reicht Riederich indes wohl bis ins 6./7. Jahrhundert n.Chr. zurück, vor- und frühgeschichtliche Funde um Riederich betreffen zudem eine jungsteinzeitliche Siedlung auf der Flur Brotlosen, eine keltisch-hallstattzeitliche Höhensiedlung auf dem Grafenberg, eine wohl in römische Zeit zurückreichende bei Grafenberg, die "Heerstraße" zwischen Riederich und Bempflingen. Frühmittelalterlich war die Herrschaft der fränkischen Merowinger- und Karolingerkönige bedeutsam, im 11. Jahrhundert lassen sich die Grafen von Achalm und Urach als Herrschaftsträger im Ermstal nachweisen, im 12. Jahrhundert besaß das Kloster Hirsau Besitz in Riederich (Hirsauer Kodex [15. Jahrhundert], Hirsauer Schenkungsbuch [12. Jahrhundert, Mitte]). Nach dem Sieg in der Schlacht im Ermstal (1235) konnte Kaiser Friedrich II. (1212-1250) das Reichsgut am mittleren Neckar als staufische Prokuration mit der Burg Achalm als Mittelpunkt organisieren. Auch nach dem Ende der staufischen Königsdynastie (1268) blieben die Reichsvogtei Achalm und die Königsstadt Reutlingen mit Reich und Königtum verbunden. Doch gelang es den Grafen von Württemberg auf Dauer, sich der Reichslandvogtei, zu der auch Riederich gehörte, zu bemächtigen (ab 1298); das Ermstal wurde württembergisch, wie aus der Treueidleistung u.a. der Einwohner von Riederich für den württembergischen Grafen erkennbar ist (1396). Im 15. Jahrhundert stellte sich der Riedericher Besitz des Klosters Hirsau als Rentengrundherrschaft dar (Hirsauer Lagerbuch [1435/37]), der Ort gehörte zur Pfarrei Bempflingen, die Mutterkirche unterstand dem Patronat des Bistums Konstanz, der Riedericher Zehnt ging an die Kirche in Denkendorf. Am Beginn des 16. Jahrhunderts waren Riederich und das Ermstal in das Herzogtum Württemberg und das württembergische Amt Urach einbezogen (württembergische Landesordnungen [1495, 1515], Uracher Lagerbuch [1522]). Damals erschütterten der Aufstand des Armen Konrad (1514) und Bauernkrieg (1524/25) Württemberg. Riederich machte die württembergische Reformation Herzog Ulrichs (1503-1519, 1534-1550) mit (1534), in diesem Zusammenhang kam auch die Mönchsgemeinschaft Hirsau zu ihrem Ende (Sönke Lorenz, Von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters). In der frühen Neuzeit war Riederich territorialer Bestandteil des Herzogtums Württemberg, wurde im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) nach der Schlacht bei Nördlingen (1634) stark in Mitleidenschaft gezogen (habsburgische Herrschaft und "Pfandschaft Achalm" [1637]). Weitere Kriege sollten folgen (Pfälzer Krieg [1689-1697], Spanischer Erbfolgekrieg [1701-1714], napoleonische Kriege), während sich Riederich als kleines Dorf unter Leitung von Schultheiß und Gericht darstellt (Andreas Schmauder, Vom 16. Jahrhundert bis 1870). Das 19. und 20. Jahrhundert sah die Entwicklung hin zur Moderne im Königreich Württemberg (1806-1918) und deutschen Kaiserreich (1870/71-1918) (Bevölkerungswachstum, Pfarrei Riederich 1860, Industrialisierung, Schulwesen), in der Weimarer Republik (1919-1933), im nationalsozialistischen Deutschland (1933-1945) und in der Bundesrepublik Deutschland (ab 1949) (Christoph Seeger, Kulturdenkmale in Riederich; Rolf Bidlingmaier, Vom Kaiserreich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs; Heidrun Edelmann, Von 1945 bis in die Gegenwart; Michael Matzke, Münzfunde, Geld und Maße in und um Riederich; Helmut Meßmer, Kirchliches, kulturelles, sportliches und gesellschaftliches Leben; Helmut Meßmer, Der Beitrag des einheimischen Gewerbes zur Prosperität Riederichs). [Buhlmann, 11.2016]

Losse, Michael (2011), Die Kreuzritter von Rhodos. Bevor die Johanniter Malteser wurden, Ostfildern 2011, 291 S., Schwarzweißabbildungen, Farbtafeln, € 26,90. Der Johanniterorden war ursprünglich eine Gründung von wahrscheinlich amalfitanischen Kaufleuten, die irgendwann zwischen 1048 und 1071 ein Pilgerhospital in Jerusalem stifteten. In der Folge des 1. Kreuzzugs (1096-1099) wurde auch der Hospitalbruderschaft ein Mönchs- und überregional agierender, vom Papsttum anerkannter und geförderter geistlicher Ritterorden (Ordensregel vor 1153, päpstlicher Schutz, kirchliche Exemtion). Neben den Templern bildeten die Johanniter das militärische Rückgrat der Kreuzfahrerstaaten, ausgestattet mit umfangreichem Besitz (Land, Einkünfte, Burgen) im Heiligen Land, aber auch in Europa. Lokal war der Besitz organisiert in Kommenden und Präzeptoreien unter der Leitung von Komturen und Präzeptoren. Der Orden war seit dem 13. bzw. 14. Jahrhundert in nationes ("Zungen"), Großpriorate und Balleien untergliedert; an der Ordensspitze stand der Großmeister (weitere zentrale Ämter: Großkommendator, Großhospitalier, Marschall, Großadmiral, Drapier, Großkanzler). Die Ordensmitglieder teilten sich auf in Ritterbrüder, dienende Brüder und Kapläne. Nach der Eroberung Akkons und dem Ende der Kreuzfahrerstaaten (1291) war Zypern der Hauptsitz des Ordens, nach der Eroberung der zum Byzantinischen Reich gehörenden Insel Rhodos (1306-1309) entstand auf Rhodos und den umliegenden Inseln der Dodekanes der johannitische Ordensstaat, der auch auf das kleinasiatisch-osmanische Festland übergriff (Smyrna 1344, Bodrum 1400/02). Im 14. Jahrhundert ging der Ordensstaat durchaus offensiv vor (Besitz von Delos 1333, Eroberung Alexandrias 1365, Versuch der Ausweitung der Johanniterherrschaft auf die Peleponnes 1399, Akrokorinth als Stützpunkt der Johanniter 1400/04-1458, Johanniter auf Ikaria 1362/1481-1523?), im 15. Jahrhundert gerieten Orden und Ordensstaat gegenüber den osmanischen Türken und den ägyptischen Mamluken in die Defensive (osmanische Belagerung 1480). Nicht zuletzt die mehr als hundert johannitischen Burgen, befestigten Orte und Wachtürme auf den Dodekanes belegen die Anstrengungen, die der Johanniterorden zur Verteidung des Ordensstaats unternahem (Rhodos: Stadt-, Hafenbefestigungen und sog. Großmeisterpalast in Rhodos-Stadt, Akropolis von Lindos; Alimia: Burg; Chalki: Burg; Kalymnos: Chara, Kastelli; Kastellariza: Megisti u.a.; Kos: Antimacheia, Kefalos, Kos-Stadt, Pyli; Leros: Platanas; Nisyros: Mandraki u.a.; Symi: Charia; Tilas: Livadia, Megala Charia). All dies wurde mit der (zweiten) osmanischen Belagerung von Rhodos (1522) hinfällig, als die Kreuzritter schließlich kapitulieren mussten und die Insel mit einem Großteil der eingesessenen griechischen Bevölkerung verließen. 1530 erhielten die Johanniter von Kaiser Karl V. Malta mit den Nebeninseln als Lehen. Aus den Johannitern wurden damit Malteser. Das Ende des maltesischen Ordensstaats kam dann 1798. Heute ist der Orden in Rom beheimatet, karitativ tätig und eingeschränkt ein Staat mit Hoheitsrechten. [Buhlmann, 06.2011]

Loth, Wilfried, Die Teilung der Welt 1941-1955 (= dtv 4012), München 1980 > D dtv-Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts

Lothar I., fränkischer König und Kaiser: Lothar, geboren im Jahr 795 wohl in Aquitanien, war der älteste Sohn von König Ludwig dem Frommen (†840) und dessen Ehefrau Irmingard (†818), die spes imperii ("Hoffnung des Reiches"). In Aquitanien hielt sich Lothar weitgehend in seinen ersten Lebensjahren der infantia und pueritia auch auf; hier wurde ihm eine auf das Königtum hinzielende Erziehung und Ausbildung zuteil, u.a. in den artes liberales und in den körperlichen Fähigkeiten des Reitens, des Umgangs mit Waffen, des Jagens. Nach dem Tod von Lothars Großvater Karl den Großen (768-814) herrschte Ludwig der Fromme (ab 813 Kaiser) über das Frankenreich (814-840). Lothar erhielt 815 Bayern als Unterkönigreich, wo er auf Grund des ihm beigegebenen Beraterstabs und der dortigen regionalen Herrschaftsträger nur geringe politische Wirksamkeit entfalten konnte (repräsentative Aufgaben Lothars, gerichtet gegen König Bernhard von Italien, einen Neffen Ludwigs). Die Ordinatio imperii Kaiser Ludwigs (817) regelte u.a. die Nachfolge im Frankenreich und machte aus Lothar den Mitkaiser Ludwigs, der nach Ludwigs Tod im Sinne einer Reichseinheit dank des Kaisertums eine politisch-"monokratische" Vorrangstellung über seine jüngeren Brüder Pippin und Ludwig (den Deutschen) ausüben sollte. Die nächsten Jahre verbrachte Lothar an der Seite seines Vaters, der nach dem Tod Irmingards die Welfin Judith (†843) heiratete (819). Lothar wurde 822 nach Italien entsandt, wo er sich schon ab 820 zeitweise aufgehalten hatte. Hier nutzte er seinen gewonnenen Handlungsspielraum, um nach dem Tod des aufständischen Bernhard (†818) die Herrschaft Ludwigs über Italien zu festigen. Dies gelang durch Lothars Urkundentätigkeit und Kapitulariengesetzgebung, auch die Kaiserkrönung Lothars durch den Papst spielt hier eine Rolle (823); die Constitutio Romana Lothars (824) machte nochmals den Einfluss und die Kontrolle der Kaiser in Rom deutlich. Unterstützt wurde Lothar in Italien durch eine Reihe von Ratgebern, darunter Wala, dem Abt von Corbie (826-831) und Mitglied der karolingischen Familie. Ab 825 befand sich Lothar wieder bei seinem Vater als diesem untergeordneter Mitregent und daher weitgehend ohne eigenen politischen Einfluss (Admonitio ad omnes ordines 825). Die von Ludwig dem Frommen gewünschte Beteiligung seines jüngsten Sohns Karl (den Kahlen, aus der Ehe mit Judith) an der Herrschaft im Frankenreich führte zu einer Entfremdung zwischen Vater und Sohn. Lothar sah sich in seinen politischen Möglichkeiten zunehmend beschränkt, zumal nach der Absetzung seines Schwiegervaters Hugo und von dessen Schwager Matfrid; der Mitkaiser war im Übrigen seit 821 mit Irmingard verheiratet. Im Jahr 829 wurde Lothar nach Italien gesandt, die Unzufriedenheit der alten Elite im Frankenreich mit der neuen um Kaiser Ludwig entlud sich in einem ersten Aufstand, an dessen Spitze sich Lothar setzte. Letztlich gelang es Ludwig, seine Gefolgsleute hinter sich zu bringen (Reichsversammlung in Nimwegen 830), während Lothar, der zunächst faktisch die Herrschaft ausübte, ins Hintertreffen geriet, auch auf Grund des Widerstands seiner Brüder Pippin und Ludwig (830). Lothar überließ als "gehorsamer Sohn" dem Vater die Macht, die Rebellen wurden bestraft, er selbst wieder nach Italien geschickt (831). Etwas später kam es zu einer Annäherung zwischen Vater und Sohn (Reichsteilungsplan 831), während Lothars Brüder Ludwig und Pippin nun gegen den Vater rebellierten, um sich mit Lothar zu verbünden. Der zweite Aufstand gegen Ludwig den Frommen, der auf dem Rotfeld verlassen wurde (833) und abgesetzt war, ging ebenfalls zu Ungunsten Lothars aus (Unterwerfung in Blois 834), der mit seinen Anhängern nach Italien auswich und dort eine von seinem Vater weitgehend unabhängige Karolingerherrschaft ausübte. Ludwig der Fromme versuchte in der Folge vergeblich, seine Machtstellung auch in Italien wieder aufzurichten (geplanter Romzug). Spätestens nach dem Tod Pippins (I., 838) kam es zu einer erneuten Annäherung zwischen Ludwig und Lothar, der zum Garant für das Erbe seines Halbbruders Karl wurde (Reichsteilungsplan 839). Beim Tod Ludwigs des Frommen (840) hoffte Lothar, gegenüber seinen Brüdern eine auf sein Kaisertum beruhende Oberherrschaft gemäß der Ordinatio imperii ausüben zu können. Doch die ausbrechenden Kämpfe zwischen den Brüdern machten solche Ansprüche bald zunichte (Niederlage Lothars in der Schlacht bei Fontenoy 841), Verhandlungen mündeten in den Vertrag von Verdun (843) und in eine Dreiteilung des Frankenreichs unter die Brüder Lothar (Mittelreich), Ludwig (Ostreich) und Karl (Westreich) bei Behauptung einer starken politisch-repräsentativen Machtstellung durch Lothar. So festigte in den folgenden Jahren Lothar - u.a. von seiner Hauptresidenz Aachen aus - seine Herrschaft im Mittelreich (Romzug des Lotharsohns Ludwig 844, Niederschlagung eines Aufstands in der Provence 845, Entführung einer Lothartochter 846, Sarazenenangriff auf St. Peter in Rom 846). Spannungen zwischen den Brüdern (wegen der Anhänger des einen Bruders im Reich des anderen, wegen der Kämpfe Karls des Kahlen und Pippins II. [838-852] um Aquitanien, auch wegen der Entführung der Lothartochter u.a.) gefährdeten die Brüdergemeinschaft und konnten immerhin zu großen Teilen auf den Brüdertreffen in Diedenhofen (844), Meerssen (847, 851), Koblenz (848), Péronne (849), Köln (850), Valenciennes (853), Lüttich (854) ausgeräumt werden. Dabei blieb die kaiserliche Einflussnahme Lothars auf die Reiche Ludwigs und Karls (unter Einschaltung der Anhänger Lothars in den Teilreichen) gering und auf wenige Initiativen beschränkt (Vikariat Drogos, Hinkmar von Reims, Hrabanus Maurus). Eine wichtige Stütze der Herrschaft Lothars im Mittelreich war dessen Sohn Ludwig (†875), der ab 839 eine königgleiche Stellung in Italien einnahm und Mitkaiser wurde (850). Auch der zweitälteste Sohn Lothar (II., †869) nahm Herrschaftsaufgaben in Friesland wahr, und dies wohl schon in den Jahren des Bruderkriegs (840/43). Überhaupt waren die Söhne und Töchter Lothars sowie dessen Ehefrau Irmingard wichtige Bezugspunkte im Leben des Kaisers über die Politik hinaus (Irmingard als consors regni, Erziehung der Kinder). Lothar und sein Hof waren der Mittelpunkt der Versammlungen weltlicher und geistlicher Großer (Herrschaft und Konsens) und bündelten zudem die Interessen von Gelehrten und Geistlichen (gelehrter Austausch, Dichtkunst, Widmung von Handschriften an den Kaiser). Lothar verfolgte einen pragmatischen Regierungsstil (Kaiserresidenz Aachen und ambulante Herrschaftsausübung; Beratung und Beschlüsse zur Problemlösung; Kaiser, Amtsträger und Große im Mittelreich). Gegen die Sarazenen im Süden und die Normannen im Norden seines Reichs war Lothar nur teilweise erfolgreich, zumal eine diesbezügliche Unterstützung aus den anderen Teilreichen fehlte. Auf Druck seiner Großen willigte der Kaiser in die Teilung seines Reiches unter seine Söhne nach seinem Tod ein. Lothar war schließlich auch ein religiöser Mensch, der als Mönch in das Eifelkloster Prüm eintrat und wenige Tage später dort verstarb (29. September 855). In Erinnerung bleibt Lothar als auch machtbewusster König, der als Mitkaiser um die Reichseinheit und die Oberherrschaft im Frankenreich kämpfte (und verlor), als Teil der Brüdergemeinschaft indes die politischen Realitäten anerkannte und in die Teilung des Reiches schließlich einwilligte. Lothars pragmatischer Regierungsstil gründete in der Verlässlichkeit seiner Person, die in Familie und christlichem Glauben verankert war (nach: Schäpers, Maria (2018), Lothar I. (795-855) und das Frankenreich (= RA 159), Köln 2018).
Zu Lothar I. s.: Die Urkunden Lothars I. und Lothars II., hg. v. Theodor Schieffer (1966) (= MGH. Diplomata. Die Urkunden der Karolinger, Bd.3), München 1966, XXII, 591 S., DM 50,-. > S Schäpers, Lothar I. [Buhlmann, 02.2024]

Lothar II., fränkischer König: Lothar II. (855-869) war der zweitälteste Sohn Kaiser Lothars I. (817-855). Zu Lebzeiten seines Vaters übte er Herrschaft in Friesland aus, bei der Teilung des Mittelreichs seines Vaters (855) erhielt er den Norden als regnum Hlotharii, von dem Lothringen (Lotharingien) seinen Namen hat. Lothar II. war in seine höchst politischen "Ehehändel" verstrickt und versuchte mit Unterstützung seiner Bischöfe und gegen Papst Nikolaus I. (858-867) sich von seiner Frau Theutberga scheiden zu lassen, um eine ältere Verbindung mit Waldrada, der Mutter seines (illegitimen) Sohnes Hugo (†n.895), zu legalisieren. Dies misslang, Hugo blieb von der Nachfolge ausgeschlossen, und die karolingischen Verwandten in Ost- und Westfranken, König Ludwig der Deutsche (840-876) und König Karl der Kahle (840-877), teilten sich im Vertrag von Meerssen das Lotharreich (870).
Zu Lothar II. s.: Bauer, Thomas (1994), Die Ordinatio imperii von 817, der Vertrag von Verdun 843 und die Herausbildung Lotharingiens, in: RhVjbll 58 (1994), S.1-24; Die Urkunden Lothars I. und Lothars II., hg. v. Theodor Schieffer (1966) (= MGH. Diplomata. Die Urkunden der Karolinger, Bd.3), München 1966. [Buhlmann, 02.2024]

Lothar III. von Supplinburg, deutscher König und Kaiser: Als Sohn des Grafen Gebhard von Supplinburg und der Ida von Querfurt wurde Lothar Anfang Juni 1075 geboren. Um 1100 heirate er Richenza, die Tochter des Grafen Heinrich von Northeim; die Ehe sollte söhnelos bleiben. 1106 war Lothar Herzog von Sachsen, 1114/15 Führer der sächsischen Opposition gegen Heinrich V. Am 30. August 1125 ist er in Mainz zum König gewählt, am 13. September in Aachen gekrönt worden. Die Wahl geschah dabei gegen den schwäbisch-staufischen Herzog Friedrich II., und so hatte sich Lothar (III.) schon bald mit dem staufischen Gegenkönig Konrad (III.) (1127-1152) auseinander zu setzen; das Gegenkönigtum blieb nach dem Fall Speyers und Nürnbergs (1130) auf Schwaben beschränkt; nach der Eroberung Ulms (1134) erfolgte dann die endgültige Unterwerfung der Staufer (1135). An der Seite König Lothars standen die Welfen, genauer gesagt die bayerischen Herzöge Heinrich der Schwarze (1120-1126) und Heinrich der Stolze (1126-1139); Bayern war schon 1070 an die Welfen gelangt. Das Papstschisma von 1130 sah Lothar III. auf der Seite Innozenz II. (1130-1143), für den sich auch der deutsche Episkopat aussprach. Mochte der 1. Italienzug des Königs auch wenig erfolgreich verlaufen sein, so brachte er immerhin Lothar die Kaiserwürde (4. Juni 1133) und Abmachungen in der Investiturfrage ein. Der 2. Italienzug Lothars (1136/37) führte den Kaiser über Oberitalien (Reichstag von Roncalia 1136) nach Süditalien, wo das deutsche Heer Apulien und Kalabrien erobern konnte; doch kam es wegen des weiteren Vorgehens zum Streit zwischen Kaiser und Papst. Ende 1137 kehrte Lothar, schon schwer erkrankt, aus Italien zurück und starb am 4. Dezember 1137 in einer Tiroler Berghütte. Seine letzte Ruhestätte fand der Kaiser im Benediktinerkloster Königslutter. Nach dem Tod Lothars von Supplinburg erlangte der Welfe Heinrich der Stolze - er war mit Gertrud, der Tochter Lothars verheiratet - auch das sächsische Herzogtum. Der Sohn Heinrichs des Stolzen, Heinrich der Löwe (†1195), war seit 1142 Herzog von Sachsen, ab 1154/56 Herzog von Bayern.
Quellen und quellennahe Werke sind: Bernhardi, Wilhelm (1879), Lothar von Supplinburg, 1879, Nachdruck Berlin 1975, XXIV, 873 S., DM 90,-; Die Urkunden Lothars III. und der Kaiserin Richenza, hg. v. Emil von Ottenthal u. Hans Hirsch (1927) (= MGH. Diplomata. Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd.8), 1927, Nachdruck München 1980, XXXI, 314 S., DM 66,-. An weiterer Literatur findet sich: Petke, Wolfgang (1985), Kanzlei, Kapelle und königliche Kurie unter Lothar III. (1125-1137) (= RI Beihefte 5), Köln-Wien 1985, VII, 500 S., DM 67,-. [Buhlmann, 07.2016]

Lotze, Detlef (1995), Griechische Geschichte. Von den Anfängen bis zum Hellenismus, München 21997 > G Griechische Geschichte

Lu

Lubich, Gerhard (2006), Geschichte der Stadt Schwäbisch Hall. Von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters (= VGWF 52), Würzburg 2006 > S Schwäbisch Hall

Lubkowitz, Mark (2005), Webseiten programmieren und gestalten. Das umfassende Handbuch (= Galileo Computing), Bonn 22005, 1141 S., Schwarzweißabbildungen, € 39,90 > Kompendium Mittelalter > Geschichtsdarstellung: Homepage/Website [Buhlmann, 11.2005]

Ludowici, Babette, Die Sachsen (= BSR 2941), München 2022, 119 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 12,-. I. Der Begriff "Sachsen" soll u.a. eine ethnische Gruppe, einen "Stamm", einen "Volksstamm" der Spätantike und des Mittelalters bezeichnen, Resultat von auf die Vergangenheit Mittel-, West- und Nordeuropas zurückprojizierten (Wunsch-) Vorstellungen u.a. nationaler oder nationalromantischer Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts. Danach stammten "(Ur-) Sachsen" als "alter germanischer Stamm" "ursprünglich" von der unteren Elbe als "Urheimat" und verbreiteten sich durch Expansion im 1. Jahrtausend in den Raum zwischen Nordsee und Harz. Archäologische und schriftliche Geschichtsquellen belegen indes die inkohärente "Unbestimmtheit" des Sachsenbegriffs. In der römischen Spätantike gehörten die Saxones zu Piraten und Seeräubern, die den Westen des Imperium Romanum bedrohten; bei der "Germanisierung" des römischen Britanniens waren "Sachsen" Teil eines "multifaktoriellen Migrationsgeschehens" vom europäischen Kontinent stammender Bevölkerungsgruppen (4./5. Jahrhundert). II. Die Schriftquellen nennen "die" Saxones vielleicht schon im 2. nachchristlichen Jahrhundert als Teil der Germania an der unteren Elbe (vielleicht bis nach Holstein und Mecklenburg [Nord- und Ostseeküste]) (lateinisch-mittelalterliche Übersetzung der griechischen "Geografie" des Klaudios Ptolemäus: Aviones, Axiones, Saxones). Eindeutig als Saxones bezeichnet werden zum Jahr 356 in einer Lobrede auf den römischen Kaiser Constantius II. (337-361) Germanen, die den Usurpator und Gegenkaiser Magnentius (350-353) unterstützt hatten. In den 390er-Jahren (und schon 364) waren Saxones an Übergriffen auf das römische Britannien beteiligt; der römische Historiker Ammianus Marcellinus bezeichnet allerdings diese Saxones nicht als gens ("Volk, Stamm") - im Gegensatz zu den von ihm an der Niederrhein verorteten Franci ("Franken"). Die spätantiken römischen Geschichtsquellen kannten ein Ursprungsgebiet der Saxones nicht, die Saxones standen eher synonym für "Piraten, Seeräuber" als "Wikinger der Spätantike" (litus Saxonicum). Nach Geschichtsquellen des 5. Jahrhunderts standen nach Abzug römischer Truppen (400/10) Teile Britanniens unter der Herrschaft der Saxones (440). Das fränkisch-merowingische Frühmittelalter, allen voran der Historiograf Gregor von Tours, sah in Gallien siedelnde Saxones (am Mündungsgebiet der Loire, bei Angers [unter Führung eines Odowaker]), weiter Saxones, die sich an der langobardischen Eroberung Italiens beteiligt hatten (568), und wohl rechtsrheinisch siedelnde Saxones, die wegen fehlender Tribute (555/56) vom Merowingerkönig Chlothar I. (511-561) bekriegt wurden oder zusammen mit Dani an der Lahn gegen die Franken kämpften (561/75). Auch an der Schlacht bei Zülpich (612) nahmen Saxones und andere rechtsrheinische gentes auf Seiten des Merowingerkönigs Theudebert II. (595-612) teil; König Dagobert I. (623/29-639) verhandelte mit den Saxones darüber, Letzteren den den Merowingern abzuführenden Tribut in Höhe von 500 Kühen zu erlassen, was auch geschah. In fränkisch-karolingischer Zeit berichtet der angelsächsische Gelehrte Beda Venerabilis von der Unterwerfung der Boructuarii durch die gens der Antiqui Saxones und den Märtyrertod der beiden Ewalde (690er-Jahre); der Hausmeier Karl Martell (714/16-741) bekämpfte die Saxones u.a. an der Weser (718, 720er-Jahre, 738), auch unter König Pippin den Jüngeren (741/51-768) gab es Kämpfe in der (laut den Geschichtsquellen geografisch unbestimmten) Saxonia ("Sachsenland"; 752/53, 758). Die "Sachsenkriege" des Frankenkönigs Karl des Großen (768-814) führten (772-804) vermöge etlicher Feldzüge und Kämpfe gegen die Saxones (Albingii Septemtrionales, Angrarii, Northliudi, Ostfalai, Westfalaos) in der Saxonia zur Einbeziehung derer, die die fränkischen Quellen als "Sachsen" bezeichnen, unter die fränkische Herrschaft bei erzwungener Christianisierung der Unterworfenen (Saxones <-> Slawen, Friesen als Saxones). Dabei lassen die karolingischen Geschichtsquellen nur rudimentär eine "sächsische" Gesellschaftsordnung erkennen (Capitulatio de partibus Saxoniae 797, Capitulare Saxonum 797, Lex Saxonum 802/03: angebliches "sächsisches Volksrecht", angebliche Stammesversammlung von Marklo, fehlendes Königtum), ebenso wenig eine "sächsisch"-heidnische Religion (angebliche heidnische Rituale, Heiligtümer, Götterfigur "Saxnot"). Der Unterwerfung und christlichen Zwangsmissionierung folgte die Eingliederung der Saxonia in das fränkische Herrschaftssystem (fränkischer Vor- und Pfalzort Paderborn, angebliche karolingische Grafschaftsverfassung, Handelsort Schezla) und die fränkische Reichskirche (Entstehung der Bistümer Bremen-Hamburg, Halberstadt, Hildesheim, Minden, Münster, Osnabrück, Paderborn, Verden, Gründung der Klöster und Stifte Corvey, Herford, Wendhausen [Vita Liutbirgae: sächsische Stifterfamilie um Hessi], Werden, Wildeshausen [Translatio sancti Alexandri: Ursprung der Sachsen in England, Haduloha als Hadeln] im Verlauf des 9. Jahrhunderts). Die Eingliederung "Sachsens" in das Frankenreich beförderten die zum Christentum konvertierten "sächsischen" Großen, die - auch aus Gründen des Machterhalts - die Gründungen von Klöstern und Stiften betrieben. Verlierer der Eroberung und Eingliederung "Sachsens" gab es aber auch, wie der Aufstand der Stellinga ("Gefährten, Genossen"?) auf Seiten Kaiser Lothars I. (817-855) im fränkischen Bruderkrieg (840-843) beweist (841/42/45). Zu den Gewinnern gehörten aber zweifelsohne die reich begüterte Adelsfamilie der Liudolfinger, die im Fahrwasser der mit ihnen auch verwandtschaftlich verbundenen ostfränkischen Karolingerkönige das Herzogsamt in Sachsen und schließlich als ottonische Herrscher das ostfränkische Königtum erlangten. Etappen dieser politischen Entwicklung bilden dann der Mönch und Historiograf Widukind von Corvey (†n.973) und dessen "Sachsengeschichte" ab. Aus karolingisch-ostfränkischer Zeit sind dann erstmals altniederdeutsche Sprachquellen (Heliand u.a.) überliefert. III. Die politische Entwicklung Norddeutschlands gerade in der Karolingerzeit spielte bei der Ethnogenese der Sachsen die entscheidende Rolle. Die Saxones der Spätantike und der Merowingerzeit waren disparate Gruppen außerhalb von römischem Reich bzw. Frankenreich, die von der damaligen schriftlichen Überlieferung pauschal als "Sachsen", als "Piraten, Seeräuber (Wikinger)" bzw. "Rebellen" bezeichnet wurden, zudem in ethnischer Sichtweise umgedeutet zu einer gens ("Stamm, Volk"). Zur Zeit der "Sachsenkriege" Karls des Großen diente der Sachsenbegriff als Sammelbegriff für die Bewohner Norddeutschlands zwischen Rhein, und Elbe. Dieser neueren historischen Einschätzung entspricht auch die Disparatheit der Ursprungsmythen über die "Sachsen", wie sie Gildas um 500 (oder später), Beda Venerabilis im 8., Rudolf von Fulda im 9. Jahrhundert überliefern (Saxones als Engländer, Antiqui Saxones als "Festlandsachsen" bei Beda und Bonifatius, Angli Saxones bei Paulus Diaconus [†790]); selbst Widukind von Corvey konnte in seiner "Sachsengeschichte" das "Dunkel" einer "allzu fernen Vergangenheit" nicht lichten, sondern definierte - ebenfalls in ethnischer Sichtweise - sächsische Identität und Sachsen als gens. Zu vermuten ist also, dass die Entstehung der "Sachsen" als eine identitätsstiftende Gemeinschaft von Bewohnern Norddeutschlands (zuvorderst der "sächischen" Großen) [unter einem "alten" Namen, als Fremd- oder Eigenbezeichnung?] erst ab der karolingischen Zeit gegen ("Sachsenkriege", Christianisierung) und mit dem Frankenreich (Einbeziehung Norddeutschlands in das Frankenreich) erfolgt ist. IV. Die Archäologie des norddeutschen Raums im 1. Jahrtausend n.Chr. bildet dann ab die Lebenswirklichkeit der dortigen Bevölkerung zwischen der versuchten römischen Inbesitznahme "Germaniens" (um Christi Geburt) und der Zeit des sächsischen Herzogtums als Teil des ostfränkischen Reiches. Der norddeutsche Raum stand - den archäologischen Sachüberresten zufolge - bis in die Spätantike hinein unter dem miltitärisch-wirtschaftlichen Einfluss des römischen Reiches (Funde römischer Münzen, Geldwirtschaft entlang des Hellwegs, Fredenbecker multiplum, germanische Söldner und foederati, römische Militärgürtel). In der Zeit der "Völkerwanderung" ist dann Keramik "sächsischen Stils" sowohl im Weser-Elbe-Dreieck (Hadalaun?) als auch in England nachweisbar (6. Jahrhundert), Teil eines umfassenden Migrationsgeschehens ("Germanisierung" Englands), das nicht nur die Bewohner an Weser und Elbe umfasst hatte; im Weser-Elbe-Dreieck aufgefundene Goldbrakteaten, Fibeln und Schmuck aus der Zeit um die Mitte des 1. Jahrtausends kennzeichnen weiter eine (aus Skandinavien eingewanderte?, mobile) gesellschaftliche Oberschicht mit ihren Statussymbolen. Wahrscheinlich in den Zusammenhang mit der fränkischen Eroberung des Thüringerreiches zu stellen sind die Erdbestattungen von Kriegern (Kriegerelite) bei Hiddestorf bzw. Ronnenbergen (fränkisch-thüringische Schlacht bei Runibergun 531, Rolle der Saxones in den Auseinandersetzungen). Bis ins 6. Jahrhundert zurück reichen verwandtschaftliche Beziehungen zwischen fränkischen Großen und Oberschicht-Angehörigen der Saxones (Bestattung von Klein-Vahlberg, satrapae des Beda bzw. reges als Angehörige einer "sächischen" Oberschicht). Auch war der christliche Glauben östlich des Rheins schon vor der Zeit Karls des Großen verbreitet (frühe christliche Kirchen u.a. in Westfalen, frühmittelalterlicher Friedhof bei Hornhausen, Kirche, Grabhügel und Friedhöfe bei Wüstung Groß-Orden, Lebensbeschreibung der beiden Ewalde); der fränkische Historiograf Einhard pauschalisiert dagegen in seiner Vita Karoli die Saxones als Heiden mit unchristlichen, heidnischen Praktiken, die im Übrigen größtenteils so nicht archäologisch nachgewiesen wurden (Elitenbestattungen des 8./9. Jahrhunderts als politische Repräsentation). V. Teil des Ostfrankenreichs der liudolfingisch-ottonischen Könige und Kaiser (Heinrich I. [919-936], Otto I. [936-973], Otto II. [973-983], Otto III. [983-1002], Heinrich II. [1002-1024]) war das sächsische "Stammesherzogtum", das zeitweise auch unter der Leitung der Herrscher stand, teilweise die sächsischen Herzöge Hermann Billung (951/61-973), Bernhard I. (973-1011), Bernhard II. (1011-1059), Ordulf (1059-1072) und Magnus (1072-1106) führten (Dynastie der Billunger). Mit Lothar von Supplinburg (1106-1137) verfügte auch wieder ein deutscher König (1125-1137) über das sächische Herzogtum oder vielmehr den Herzogstitel; kurz vor Lothars Tod kam Letzterer an den Welfen (und Schwiegersohn) Heinrich den Stolzen (1137-1139). Dessen Sohn Heinrich der Löwe (1142-1180) konnte die welfische Vormachtstellung auf der Grundlage eigener Macht in Sachsen ausbauen. Der Sturz Heinrichs des Löwen (1180) führte zur Teilung Sachsens in die (Territorial-) Herzogtümer Westfalen (unter dem Kölner Erzbischof) und Ostsachsen (unter der Dynastie der Askanier). Der Name "Sachsen" verlagerte sich in der Folge nach Osten; im späten Mittelalter war der Name mit dem Kurfürstentum Sachsen (ehemalige Mark Meißen) verbunden, in der frühen Neuzeit gab es einen unter- (welfische Fürstentümer, Holstein, Mecklenburg) und obersächsischen Reichskreis (südostdeutsche, sächsische Territorien) im Gefüge des Heiligen Römischen Reiches. Die Rezeption von Namen und "Volk" Sachsen endet mit der Bildung des (Bundes-) Landes Niedersachsen (als Teil der Bundesrepublik Deutschland) im Jahr 1946 (im Gefolge der historischen Rezeption von "Altsachsen", "sächsischer Landnahme", "sächsischem Stammesverband"). [Buhlmann, 12.2022]

Ludwig das Kind, ostfränkischer König: Während sich die Königsdynastie der Karolinger in Westfranken noch bis 987 behaupten konnten, traten sie im ostfränkischen Reich mit König Ludwig dem Kind ab. Geboren im Herbst 893 in (Alt-) Ötting als Sohn Arnulfs von Kärnten und der Konradinerin Oda, war Ludwig ab 897 zum Nachfolger Arnulfs bestimmt. Er wurde nach dem Tod Arnulfs auch einmütig von den ostfränkischen Großen zum König erhoben und gekrönt (900). Die Regierung für den unmündigen König übernahm dabei eine Art Regentschaftsrat (Erzbischof Hatto I. von Mainz [891-913], Bischof Salomo III. von Konstanz [891-920], weltliche Große aus Franken, Bayern, Sachsen). Ostfranken stand dennoch unter dem Zeichen zunehmender politischer Desintegration: Die Adelsfehde zwischen Babenbergern und Konradinern im Maingebiet (bis 906) wurde bald von der Ungarngefahr in den Schatten gestellt. Nach dem Ende des mährischen Reiches (905/06) bedrohten die Ungarn nun unmittelbar Ostfranken; 906 drangen sie nach Sachsen ein; 907 erlitt der bayerische Markgraf Liutpold bei Preßburg eine verheerende Niederlage; für die Jahre 909 und 910 sind Ungarneinfälle in Schwaben zu verzeichnen. Schließlich brachte das Ein-greifen des kränklichen Königs den Ostfranken nur eine weitere Niederlage ein (Lechfeldschlacht 910). Am 24. September 911 ist dann Ludwig das Kind verstorben; sein Sterbeort ist unbekannt.
Zu Ludwig dem Kind s.: Schützeichel, Rudolf (1958), Ortsnamen aus den Urkunden Zwentibolds und Ludwigs des Kindes. Beiträge zu ihrer Identifizierung und ihrer namenkundlich-sprachgeschichtlichen Identifizierung, in: BNF 9 (1958), S.217-285; Die Urkunden Zwentibolds und Ludwigs des Kindes, hg. v. Theodor Schieffer (1960), Nachdruck München 1982. [Buhlmann, 04.2008]

Ludwig der Bayer, deutscher König und Kaiser: Ende 1281, Anfang 1282 wurde Ludwig der Bayer als Sohn des bayerisch-wittelsbachischen Herzogs Ludwig II. (1253-1294) und der Mechthild von Habsburg geboren. Seit 1294 war Ludwig bayerischer Herzog, wenn er sich auch die Herrschaft gegen seinen älteren Bruder Rudolf I. (1294-1319) erst 1301 mit habsburgischer Unterstützung erkämpfen konnte. Weitere Habsburger Einmischungen in Bayern wehrte Ludwig in der Schlacht bei Gammelsdorf (9. November 1313) erfolgreich ab. Die Doppelwahl vom 19. und 20. Oktober 1314 brachte neben dem Habsburger Friedrich (III.) dem Schönen auch den Wittelsbacher auf den deutschen Königsthron (Königskrönung in Aachen, 25. November 1314). Der Kampf gegen Friedrich den Schönen entschied sich aber erst mit dem Sieg Ludwigs bei Mühldorf (28. September 1322). Im Münchener Vertrag (5. September 1325) erkannte dann - völlig unerwartet - Ludwig seinen Konkurrenten als Mitkönig an. Dahinter stand aber das Bemühen des Wittelsbachers um päpstliche Anerkennung, stand mithin der Konflikt Ludwigs mit Kurie und Papst in Avignon (Papsttum in Avignon 1309-1378). Die undurchsichtige Haltung des Papstes Johannes XXII. (1316-1334) im Thronstreit drängte dabei Ludwig in eine antikuriale Position, von der er auch nach päpstlicher Bannung und drohender Aberkennung der Königswürde (23. März 1324) nicht abrückte. Vielmehr konkretisierte der Wittelsbacher in der Sachsenhäuser Appellation (24. Mai 1324) und im Ulmer Vertrag (7. Januar 1326) seinen Standpunkt. Unterstützt von den Habsburgern, entschloss sich Ludwig überdies zu einem Italienzug (1327-1330). Nach der Königskrönung in Mailand (1327) empfing er von Vertretern der Stadt Rom den Kaisertitel am 17. Januar 1328. Einen Tag später wurde zudem Johannes XXII. für abgesetzt erklärt und am 12. Mai mit Nikolaus V. (1328-1330) ein Gegenpapst installiert. Doch konnten sich Kaiser und Gegenpapst - trotz Unterstützung und antipäpstlicher Propaganda durch Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham - wieder nicht gegen den Papst in Avignon durchsetzen. Vielmehr wiederholte Johannes XXII. den Bannfluch von 1324, und auch ein im Oktober 1335 eröffnetes Absolutionsverfahren wurde 1337 eingestellt. Unterstützung fand Ludwig immerhin bei den Kurfürsten dahingehend, dass ein gewählter römisch-deutscher König nicht der päpstlichen Approbation (Zustimmung) bedürfe (Licet iuris des Rhenser Kurvereins, 16. Juli 1338). Unterdessen verstärkte sich durch die immer nachdrücklicher formulierten Thronansprüche des Hauses Luxemburg der Druck gegen Ludwig in Deutschland. Der von Frankreich und dem Papst unterstützte Luxemburger Markgraf Karl von Mähren wurde schließlich am 11. Juli 1346 zum Gegenkönig gewählt. Am 11. Oktober 1347 starb Ludwig der Bayer in Puch bei Fürstenfeldbruck; begraben liegt der Kaiser in der Münchener Frauenkirche.
Biografien zu Ludwig dem Bayern sind: Benker, Gertrud (1980), Ludwig der Bayer (1282-1347). Ein Wittelsbacher auf dem Kaiserthron, München 1980, 327 S. Abbildungen, Karte, DM 38,-; Clauss, Martin (2014), Ludwig IV. - der Baier. Herzog, König, Kaiser (= kleine bayerische biografien), Regensburg 2014, 141 S., Schwarweißabbildungen, Stammtafeln, Karten, € 12,95; Thomas, Heinz (1994), Ludwig der Bayer. Kaiser und Ketzer, Regensburg 1994, 413 S., Abbildungen, DM 59,-. Mit einzelnen Fragestellungen beschäftigt sich: Schwöbel, Hermann Otto (1968), Der diplomatische Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und der römischen Kurie im Rahmen des kanonischen Absolutionsprozesses 1330-1346 (= QSVgDR 10), Weimar 1968, XXVI, 490 S., DM 29,80. [Buhlmann, 01.2015, 05.2023]

Ludwig der Deutsche, ostfränkischer König: Geboren wurde Ludwig, dem schon Zeitgenossen den Beinamen Germanicus gaben, als Sohn Ludwigs des Frommen und der Ermengard um das Jahr 806. 814 und in der Ordinatio imperii, dem Reichseinheitsplan Kaiser Ludwigs des Frommen (814-840) von 817, wurde ihm Bayern als Unterkönigreich zugewiesen. Seine Königserhebung (826) und die 827 vollzogene Heirat mit der Welfin Hemma, der Schwester der Kaiserin Judith, ermöglichten bald eine selbständigere Politik für oder gegen den Vater bzw. die Mitbrüder (Aufstand gegen Ludwig den Frommen 833/34; Aufstand Ludwigs des Deutschen 838/39). Im Bruderkrieg sicherte sich Ludwig der Deutsche trotz des von Kaiser Lothar I. initiierten Stellinga-Aufstandes in Sachsen (841-843) die ostrheinischen Gebiete des Frankenreichs; durch die Reichsteilung von Verdun (843) wurden ihm aber auch die wichtigen linksrheinischen Hausgutkomplexe um Mainz, Worms und Speyer zugestanden. Die in Verdun vereinbarte Dreiteilung des Frankenreiches führte dabei in der Folgezeit zur Herausbildung eines ostfränkischen Reiches. Der Vertrag von Verdun regelte auch die friedlichen und gesamtherrschaftlichen Beziehungen zwischen den Brüdern. Dies hielt indes Ludwig den Deutschen nicht davon ab, Kontakte mit der westfränkischen Adelsopposition gegen Karl den Kahlen zu pflegen und auf deren Einladung nach Westfranken zu ziehen (858); die Herrschaftsübernahme scheiterte indes, und Ludwig zog sich schon im folgenden Jahr wieder nach Ostfranken zurück. Immerhin gelang 870 im Vertrag von Meersen der Erwerb des östlichen Teils von Lothringen. Erfolgreich war Ludwig der Deutsche auch bei seinen Kriegszügen im Norden und Osten seines Reiches. Hier seien die Normannenabwehr (Frieden von Paderborn 845) und die Feldzüge gegen das mährische Reich (846, 855/58) erwähnt, wobei die Mährer nach einem weiteren Feldzug (864) zumindest die fränkische Oberhoheit anerkannten. Im Innern des ostfränkischen Reiches führte u.a. die Einrichtung eigener Herrschaftsbereiche zu Konflikten zwischen dem Vater und seinen Söhnen Karlmann, Ludwig dem Jüngeren und Karl III. (856, 863), die wiederum Rückhalt bei regionalen Adelsfamilien fanden. Der Beilegung solcher Auseinandersetzungen dienten nicht zuletzt die Teilungspläne für das ostfränkische Reich (865, 872). Als Ludwig der Deutsche am 31. Januar 876 in Regensburg - neben Frankfurt sein bevorzugter Aufenthaltsort - starb und dort in St. Emmeram beerdigt wurde, traten seine drei Söhne ohne Schwierigkeiten die Nachfolge an.
An Quellen und Darstellungen seien genannt: Hartmann, Wilfried (2002), Ludwig der Deutsche (= GMR), Darmstadt 2008 > H Hartmann, Ludwig der Deutsche; Hartmann, Wilfried (Hg.) (2004), Ludwig der Deutsche und seine Zeit, Darmstadt 2004 > H Hartmann, Ludwig der Deutsche; Semmler, Josef (1990), Francia Saxoniaque oder Die ostfränkische Reichsteilung von 875/76 und die Folgen, in: DA 46 (1990), S.337-374; Die Urkunden Ludwigs des Deutschen, Karlmanns und Ludwigs des Jüngeren, hg. v. Paul Kehr (1932/34) (= MGH. Diplomata. Die Urkunden der deutschen Karolinger, Bd.1), Nachdruck München 1980, XXXIII, 434 S., DM 90,-. [Buhlmann, 04.2008]

Ludwig der Fromme, fränkischer König und Kaiser: Ludwig der Fromme, der Sohn Kaiser Karls des Großen (768-814) und der Alemannin Hildegard (†783), wurde im Jahr 778 geboren; sein Zwillingsbruder Lothar starb alsbald (779); Ludwig hatte Pippin den Buckligen (†811), Karl den Jüngeren (†811) und Karlmann-Pippin (†810) als ältere (Halb-) Brüder. 781 wurde Ludwig Unterkönig im regnum Aquitanien, gelegen im Südwesten des Frankenreichs als Puffer gegen etwaige muslimische und baskische Übergriffe (tolosanische Mark). Der Regierung des zunächst unmündigen Ludwigs gelang die Konsolidierung Aquitaniens in politischer und kirchlicher Hinsicht, wie wohl die Rolle der politisch Mächtigen im Land groß blieb. Etappen zu einer selbstständigen Regierung Ludwigs waren dann dessen Schwertleite (791), die Umorganisation des aquitanischen Reichsguts (durch Karl den Großen 794) und der Beginn der Beurkundungstätigkeit des Unterkönigs (794). Im Jahr 806 erließ Kaiser Karl der Große die Divisio regnorum ("Teilung der Königreiche"), in der er im Fall seine Ablebens das Frankenreich unter seine drei noch lebenden Söhne Karl den Jüngeren, Pippin und eben Ludwig aufteilte. Da die Brüder Ludwigs in den folgenden Jahren starben, blieb nur noch dieser als Nachfolger des Kaisers übrig; in Italien folgte auf Pippin dessen Sohn Bernhard (†818) als Unterkönig. Folgerichtig ließ Karl der Große Ludwig zum Mitkaiser erheben (813). Nach dem Tod seines Vaters am 28. Januar 814 konnte Ludwig der Fromme unangefochten die Regierung im fränkischen Gesamtreich übernehmen. Die ersten Regierungsjahre Ludwigs des Frommen ließen sich gut an. Ludwig machte 814 seine Söhne Lothar I., Ludwig den Deutschen und Pippin I. zu Königen und wies Ludwig Bayern und Pippin Aquitanien jeweils als Unterkönigreich zu. Die von seinem Vater initiierte Reformpolitik führte Ludwig der Fromme zunächst erfolgreich weiter, jedoch sollte das dadurch gesteigerte Zusammengehen von Kirche und König-/Kaisertum letztendlich eine wesentliche Ursache für die Zergliederung des karolingischen Herrschaftsverbands und den Zerfall des karolingischen Gesamtreichs bilden. Die lang dauernde Reichseinheit des karolingischen Imperiums in den Regierungszeiten Karls des Großen und Ludwigs des Frommen war familiären Zufällen geschuldet. Karlmann, der Bruder Karls, starb schon 771, Kaisertum und Königtum gingen 814 von Karl dem Großen einzig auf seinen Sohn Ludwig über, da Karl zwar 806 seine Divisio regnorum beschlossen hatte, indes Ludwig als einziger Sohn Karls diesen überlebte. Die dann 817 von Ludwig verfügte Ordinatio imperii ("Ordnung des Reiches") war eine weitere Thronfolgeordnung, die allerdings die drei Ludwigsöhne in unterschiedlicher Weise berücksichtigte. Im Sinne einer religiös übergeordneten, gerade vom fränkischen Klerus und der "Reichseinheitspartei" propagierten Reichseinheit (unitas imperii) stand dem ältesten Sohn Lothar, seit 817 Mitkaiser, eine Art Oberherrschaft über seine Brüder (und deren Königreiche) zu, die somit eine Zwischenstellung zwischen Unterkönigen und "vollberechtigten" Herrschern einnahmen. Der Kirche und dem Kaisertum kam hinsichtlich dieser ideellen Einheit des Frankenreichs eine besondere Rolle zu, Lothar wurde zum eigentlichen und alleinigen Nachfolger seines Vaters. In den Zusammenhang mit der Ordinatio zu stellen ist auch die Erhebung von Ludwigs Neffen Bernhard von Italien (813-818), der sich alsbald dem Kaiser unterwarf, gefangen genommen wurde und an den Folgen einer Blendung verstarb. Indes scheiterte die Ordinatio, die von Anfang an zwischen den Parteien am Kaiserhof umstritten war, am Widerstand der so benachteiligten Königssöhne, zumal mit Karl (dem Kahlen) Ludwig dem Frommen im Jahr 823 aus seiner Ehe mit der Welfin Judith ein vierter legitimer Sohn geboren wurde, der auch einen Anteil am Reich bekommen sollte. Nach einer ersten Rebellion und dem Aachener Teilungsplan (831) endete ein weiterer Aufstand gegen den Vater im Jahr 833 mit der Verlassung Ludwigs des Frommen auf dem "Lügenfeld" von Colmar und der Gefangennahme des Herrschers, der erst nach einer öffentlich vollzogenen Kirchenbuße 834 Herrschaft und Kaisertum wiedererlangte. Ludwig der Deutsche agierte in den Jahren danach in seinem Unterkönigreich weit selbstständiger als vom Vater zugestanden; Pippin I. starb im Jahr 838, und sein gleichnamiger Sohn fand als sein Nachfolger keine Berücksichtigung. Von daher entfaltete auch der letzte von Ludwig dem Frommen beschlossene (Wormser) Teilungsplan (839) keine weitergehende Wirkung, zumal sich alle Teilungspläne der 830er-Jahre immer mehr von der Ordinatio entfernt hatten. Bei seinem Tod (840) hatte Ludwig jedenfalls weder das Ziel einer (weiter bestehenden) Reichseinheit noch überhaupt das einer geregelten Nachfolge erreicht. Ludwig starb am 20. Juni 840 auf einer Rheininsel bei Ingelheim. Schön länger war er krank gewesen. Er litt an einer heftigen Bronchitis, an Schluckauf und wohl auch an Bauspeichel- oder Magenkrebs, da er weder etwas trinken noch essen konnte, ohne zu erbrechen. So gut es ging, regelte der Kaiser - nur wenige Getreue waren anwesend, aber keiner seiner Söhne - die letzten Dinge. Der Leichnam wurde von Ludwigs Halbbruder, Bischof Drogo von Metz (†855), ins Metzer Kloster St. Arnulf, einer Grablege der Karolinger, gebracht. Die französische Belagerung von Metz im Jahr 1552 führte dazu, dass die Gebeine Ludwigs im spätantiken Marmorsarkophag umgebettet wurden; in der Folge der Französischen Revolution (1789) wurden die sterblichen Überreste des Kaisers zerstreut, der Sarkophag zerstört (1793). Was von Ludwig bleibt, ist der Beiname "der Fromme" (pius) und eine zwiespältige Beurteilung seines politischen Wirkens, das den auch kulturellen Höhepunkt des karolingischen Frankenreichs (814/29) wie auch dessen politische Desintegration (830/40) umfasste.
An (quellennaher) Literatur zu Kaiser Ludwig dem Frommen sei verwiesen auf: Boshof, Egon (1996), Ludwig der Fromme (= GMR), Darmstadt 1996, IX, 303 S., Schwarzweißabbildungen, Stammtafel, DM 49,80; Kölzer, Theo (2018), Ein "überforderter Erbe"? Kaiser Ludwig der Fromme (814-840), in: AfD 64 (2018), S.1-17; Simson, Bernhard (1874/76), Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Ludwig dem Frommen: Bd.I: 814-830, 1874, Nachdruck Berlin 1969, XVI, 408 S., Bd.II: 831-840, 1876, Nachdruck Berlin 1969, VII, 321 S., zus. DM 75,-; Zatschek, Heinz, Die Reichsteilungen unter Ludwig dem Frommen, in: MIÖG 49 (1935), S.185-224. [Buhlmann, 12.2013, 02.2020]

Ludwig, Thomas (2002), Stiftsruine Bad Hersfeld. Geschichte und Architektur (= Staatliche Schlösser und Gärten Hessen, Br.13), Regensburg 2002 > H Hersfeld

Ludwig, Uwe (2010), Die Gebetsverbrüderung zwischen Prüm und St. Gallen. Zugleich ein Beitrag zur Frage der Datierung des jüngeren St. Galler Verbrüderungsbuchs, in: AHVN 213 (2010), S.3-31. Ausgehend von der Datierung des "Prümer Blatts" im jüngeren Verbrüderungsbuch des Klosters St. Gallen auf die Jahre 860/65 (Abt Ansbald von Prüm [860-886]), begann die Gebetsverbrüderung zwischen dem Eifelkloster Prüm und St. Gallen (unter Abt Grimald [841-872]) um das Jahr 860 (zum Vergleich: eine Gebetsverbrüderung zwischen Prüm und der Bodenseeabtei Reichenau bestand ab 824/45). Die 70 Einträge von Prümer Mönchen auf dem "Prümer Blatt", die der Abtei St. Gallen übermittelt wurden, finden etwas jüngere Entsprechungen im Liber memorialis des Kloster Remiremont (67 Einträge) und in einer Prümer Urkunde vom 20. Dezember 865 (36 Einträge). Vor 868 schickten die Prümer Mönche noch eine Ergänzungsliste, die Namen von 20 neu eingetretenen Mönchen enthielt, nach St. Gallen; diese wurde wie die ursprüngliche Liste im jüngeren Verbrüderungsbuch nachgetragen, so dass Letzteres wahrscheinlich vor 860/65 angelegt wurde. Einige Einträge der ursprünglichen Prümer Liste und der Ergänzungen im jüngeren Verbrüderungsbuch wurden wohl 868 während eines Aufenthalts Bischof Huntfrids von Thérouanne (856-869/70) berichtigt; der Bischof, auch Abt von St. Bertin (864-868) und wohl aus einer Familie aus dem Umfeld der Karolingerkönige stammend, war nach der Prümer Liste im Liber memorialis von Remiremont Mönch im Eifelkloster gewesen; von daher erklären sich auch die St. Bertiner Einträge im jüngeren St. Galler Verbrüderungsbuch. Das jüngere St. Galler Gedenkbuch, doppelt so umfangreich wie das ältere, ist damit ein wichtiger Hinweis auf eine neue Qualität der St. Galler Gebetsverbrüderungen in der Zeit Abt Grimalds. [Buhlmann, 01.2012]

Lück, Dieter (1993), Zur Geschichte der Grafen von Berg bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, in: Ratinger Forum 3 (1993), S.5-18 > B Berg, Grafen von

Lück, Heiner (1997), Die kursächsische Gerichtsverfassung 1423-1550 (= Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd.17), Köln-Wien-Weimar 1997, XLIII, 296 S., € 10,-. Territorialisierung machte sich zuvorderst bemerkbar in der Ausbildung einer landesherrlichen Gerichtsverfassung. Dies gilt auch für das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Territorium Kursachsen im römisch-deutschen Reich. Im Gericht kamen verschiedene Herrschaftsrechte zusammen: Rechtsprechung, Verwaltung, militärische Aufgaben. Personale Strukturen wurden dabei zunehmend durch Institutionen und Behörden - verbunden mit universitär ausgebildeten Juristen - abgelöst, wobei vielfach alte und neue Zuständigkeiten nebeneinander bestanden, Gewohnheitsrechte und konkurrierende Gerichtsgewalten dem Aufbau einer zentralen landesherrlichen Gerichtsbarkeit (Landesherr und zunehmend Hofgerichte als Zentralbehörden) entgegenstanden. In fürstlichen Territorien wie etwa in Kursachsen konnte durch den Erwerb von Privilegien zur Befreiung von auswärtigen Gerichten die Gerichtsbarkeit des Königs und des Reiches sowie die westfälische Femegerichtsbarkeit erfolgreich zurückgedrängt werden (15./16. Jahrhundert), die Reformation setzte der geistlichen Gerichtsbarkeit der Kirche in protestantischen Gebieten ein Ende (16. Jahrhundert). Auf regionaler und lokaler Ebene (Ämter, Dörfer) waren Landgerichte und Dingstühle an bestimmte Orte und Gerichtszeiten gebunden, Schöffen und Ortsrichter (Schultheiß, Bauermeister) urteilten hier über Rechtsfälle; die Ortsrichter waren aber auch zuständig für die Abgabenerhebung und die Aufsicht über landesherrliche Rechte. Daneben gab es nichtlandesherrliche Gerichte, etwa in den Städten und Dorfgemeinden, an den Universitäten oder in den Zünften. Es bildete sich zudem bei einer allgemeinen Verbesserung des Prozessrechtes ein zweistufiger "Instanzenzug" von niederen zu höheren Gerichten aus (Appellationen). Pranger und Galgen waren schließlich Symbole für die niedere bzw. hohe Gerichtsbarkeit. Im 15. und 16. Jahrhundert dominierte dann weithin die landesherrliche Gerichtsbarkeit in den Territorien. [Buhlmann, 12.2010]

Lück, Heiner (2017), Der Sachsenspiegel. Das berühmteste deutsche Rechtsbuch des Mittelalters, Darmstadt 2017, 176 S., Farbabbildungen, € 39,95. I. Der Sachsenspiegel ist ein mittelalterliches mittelniederdeutsches Rechtsbuch, das Gewohnheitsrecht einer Region bzw. Landschaft auf systematische Weise durch Verschriftlichung erfasste. Er entstand um 1220/35 mit einer lateinischen Urfassung (?) und wurde im Auftrag des Grafen Hoyer II. von Falkenstein (1211-1250) niedergeschrieben von Eike von Repgow (*ca.1180-†n.1233; urkundlich bezeugt zwischen 1209 und 1233) vielleicht an den Dom-/Stiftsschulen von Halberstadt und Quedlinburg oder am Zisterzienserkloster Altzella. Von den 470 Textzeugen des Sachsenspiegels (Handschriften, Lagen, Bätter, Fragmente) stammen zwei vollständige Handschriften noch vom Ende des 13. Jahrhunderts, die vier herausragenden (Dresdner, Heidelberger, Oldenburger, Wolfenbütteler) Bilderhandschriften aus dem 14. Jahrhundert gehen wohl auf eine Stammhandschrift ebenfalls vom endenden 13. Jahrhundert zurück. Der Sachsenspiegel behandelt (wohl überwiegend elbostfälisches) Land- und Lehnrecht und mithin Verfassungs-, Lehn-, Privat-, Straf- und Prozessrecht. Eike von Repgow stellt in seiner Vorrede zum Sachsenspiegel diesen in einen Zusammenhang mit Gott (Gott als Recht) und Kaisertum (Konstantins des Großen, Karls des Großen); wenige Passagen des Rechtsbuchs nehmen auch kanonisches Recht (Kirchenrecht) und römisches Recht (Kaiserrecht) auf (kaiserliche Herkunft von Recht, Zweischwerterlehre, Lehre von den Weltreichen). Der Sachsenspiegel bildet die ländliche Gesellschaft des späteren Mittelalters ab. Dieser übergeordnet sind die verfassungsmäßigen Elemente des deutschen Reiches (Kurfürsten und Wahl des deutschen Königs; Regalien [Münzregal]; Heerschildordnung im Lehnswesen [Fahnenlehen]). Daneben spielen Herrschaft, Recht und Gericht eine wichtige Rolle; Akkusations-, aber auch Inquisitionsverfahren zielen ab auf Strafe und Sühne. Familienrechtliche Bestimmungen gruppieren sich um die Ehe als Rechtsinstitut und die Verwandtschaft (Mann und Frau [Munt und Gehorsam]; Erbrecht). Das Lehnsrecht (ius feodale) regelt die Beziehungen zwischen Lehnsherrn und Lehnsmann (Vasall) (Rechte und Pflichten; Lehen, Burglehen, Fahnenlehen; Heerschildordnung). Im Einzelnen lässt der Sachsenspiegel folgende Lebensbereiche der vom Rechtsystem Betroffenen erkennen: Freiheit und Unfreiheit (Leibeigenschaft), Mensch und Natur (Tierschaden und Schadenersatz; Jagd; Gewässer; Diebstahl bei Tag und bei Nacht; Mensch und Verwandtschaft, Erbe), Kirche (Rechtsstatus, Kirche als befriedeter Ort; Rechtshandlungen [Kirchenlehen u.a.]), Burg (als Herrschaftsmittelpunkt adliger Herren als Burgherren; Eigentum-, Nutzungsrechte; Beherbergung von Friedbrechern), Zehnt und Abgaben (an Kirche oder Grundherrn; Zehntarten [Getreide-, Vieh-, Gänsezehnt u.a.]), Alltag (rechtliche Regelungen [z.B. für das Dampfbad]). II. Der Sachsenspiegel (als Landrecht) sollte sich im Spätmittelalter zusammen mit dem Magdeburger (Stadt-) Recht im osteuropäischen Raum verbreiten (Rechtstransfer von West- nach Osteuropa). Er unterlag aber dabei auch Transformationen und Modernisierungen (Anpassungen an das gelehrte Recht; Glossierungen [u.a. des Johann von Buch]; Sachsenspiegelbuchdrucke [u.a. des Christoph Zobel]). [Buhlmann, 08.2019]

Lüneburg, Heinz (1992), Leonardo Pisani - Liber Abbaci oder Lesevergnügen eines Mathematikers, Mannheim 1992 > L Leonardo Pisano

Lüneburger Testamente: Ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert setzen sich auch in der spätmittelalterlichen Territorial- und Hansestadt Lüneburg Testamente als letztwillige Verfügungen durch (römisch-, deutsch-rechtliches Testament). Erbrechtliche Bestimmungen waren dabei schon im Lüneburger Stadtrecht von 1247 vorgebildet, Regeln für das Aufsetzen von Testamenten gab der für Lüneburg zuständige Bischof von Verden 1297 heraus; eine Lüneburger Stadtrechtskompilation von 1401 erließ die endgültigen Formvorschriften für Testamente. Aus dem 14. und 15. Jahrhundert (1323-1500) sind kanpp 300 Lüneburger Testamente überliefert, meist als Siegelurkunden, auch als Kerbschnitturkunden und Notariatsinstrumente, bis 1365 überwiegend in Latein, ab 1370 überwiegend in Mittelniederdeutsch. Bürger und Geistliche errichteten ihre Testamente, es ging um die Vererbung des (Sach-, Geld-) Vermögens der Erblassers, aber auch um fromme Schenkungen und Seelenheil. Die Testamente geben somit das vielfältige Beziehungsgeflecht des Erblassers wieder und zudem vielfach Einblicke in die mittelalterliche Sachkultur, den Alltag und die Kunst. Vgl. Lüneburger Testamente des Mittelalters 1323-1500, bearb. v. Uta Reinhardt (1996) (= VHKNB XXXVII 22), Hannover 1996, XIII, 527 S., € 13,- > Lateinische Literatur > L Lüneburg. [Buhlmann, 06.2017]

Lütge, Friedrich (1964), Strukturwandlungen im ostdeutschen und osteuropäischen Fernhandel des 14. bis 16. Jahrhunderts (= Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Jg. 1964, H.1), München 1964, 57 S., € 2,-. Im europäischen Wirtschaftssytem des Mittelalters spielte der Handel mit Osteuropa und den Orient schon immer eine wichtige Rolle. Über das frühe und hohe Mittelalter hinweg spielten östliche Handelsrouten von Konstantinopel bis nach Novgorod und zur Ostsee, weiter die Handelszentren Kiew (Waräger) und Bolgar (Bulgaren) im Transithandel eine Rolle. Das 10. Jahrhundert ist geprägt durch eine Handelsintensivierung auch nach Westeuropa hin. Mongolensturm und Zerstörung Kiews (1240) unterbrachen letztlich den osteuropäischen Transithandel zwischen dem Norden und dem Süden, so dass den (Land-) Verbindungen nach Westen nun eine noch größere Bedeutung im sich neu orientierenden Osthandel zukam. Erkennbar werden ab dem ausgehenden 13. und 14. Jahrhundert jedenfalls Handelsverbindungen von den Stützpunkten (Kaufmannskolonien) italienischer Handelsmächte (Venedig, Genua) am Schwarzen Meer (Galata, Kaffa, Pera, Tana) nach dem Westen; eine dieser Handelsstraßen lief über Wladimir-Wolynsk, das ab der Mitte des 14. Jahrhunderts in seiner Bedeutung von Lemberg abgelöst wurde. Auch Novgorod unterlag als Handelszentrum im späten Mittelalter Veränderungen. Lemberg hingegen profitierte von seiner Lage an der Welthandelsstraße vom Kaspischen bzw. Schwarzen Meer (tartarische, moldauische Straße) nach Westeuropa; es entwickelte sich unter Magdeburger Stadtrecht und mit einer vielfach deutschen und italienischen Kaufmannschaft zu einem Handels- und Stapelplatz für Waren aus dem Osten (Gewürze, Pelze, Schmuck, Seide, Teppiche) und dem Westen (Fisch, Gürtel, Kämme, Metalle, Metallwaren, Nürnberger Spielwaren, Tuche). Im 15. Jahrhundert beförderte das türkisch-osmanische Vordringen indes den Niedergang der über Lemberg führenden Handelsstraßen, während das portugiesische (und spanische) Ausgreifen dazu führte, dass Waren aus dem Orient (auch) über Lissabon und Antwerpen Europa erreichten. Zudem nahmen osteuropäische Länder wie etwa Polen, Ungarn, Siebenbürgen oder Moldau zunehmend ebenfalls die Rolle von Konsumenten von Orientwaren ein; sie waren nicht mehr fast nur Transitländer für den Osthandel. Dementsprechend wurde der spätmittelalterliche Getreide- und Viehexport aus diesen Ländern nach Mittel- und Westeuropa bedeutsam, während z.B. der Export von Schirwitz nach Nürnberg und Florenz auf Grund des Bezugs von Cochenille aus dem spanischen Mexiko einbrach. Der Rinderhandel (Ochsenhandel) von Ost nach West, erstmals nachweisbar zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Wien, sollte allerdings florieren auf Grund eines steigenden Wohlstands und dem stark steigenden Konsum in den Absatzländern in Mitteleuropa und Italien. Aus dem östlichen Polen, Podolien, Ungarn und Moldau mit ihrer Rinderzucht wurde das Schlachtvieh jährlich zu Zigtausenden nach dem Westen getrieben; hinzu kam der Export von Schafen, Schweinen, Ziegen und Pferden. Vom Ochsenhandel profitierten Städte wie Ödenburg, Ofen oder Stuhlweißenburg, im Gebiet des deutschen Reiches etwa Brieg, Plattling, Ratibor, Rosenheim oder Schweidnitz mit ihren großen und kleinen Viehmärkten. Neben dem Ochsenhandel spielte etwa der Kupferexport aus Ungarn nur zeitweise und nur am Rande eine Rolle. Umgekehrt fand im sich nach der Pestkatastrophe wiederbesiedelnden Deutschland eine Ausweitung der Viehzucht nicht statt, während der Ackerbau die Weideflächen schrumpfen ließ und auch die Möglichkeiten zur Waldweide begrenzt wurden; eine extensive Weidewirtschaft wie in Osteuropa war somit nicht möglich, hinzu kam ein stärkeres Ansteigen des Getreidepreises im Verhältnis zu den Fleischpreisen. Und so sollte der Export von Vieh vom europäischen Weidegürtel in Osteuropa nach Mitteleuropa auch in der frühen Neuzeit anhalten. [Buhlmann, 07.2020]

Lütke Westhues, Peter (1994), Die Kommunalstatuten von Verona im 13. Jahrhundert (= GKS 2), Frankfurt a.M. 1995, 324 S., € 7,25. I. Im Hochmittelalter trat neben das "Recht und Gericht" das "gesetzte und schriftlich fixierte Recht", trat neben die "Gewohnheit" consuetudo die lex, die die Beziehungen zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen verrechtlichen half. Dies galt insbesondere für die sich damals ausbildenden oberitalienischen Stadtkommunen mit ihrer "Verbindung von Recht und Schrift". Die Kommunalstatuten und die Statutengesetzgebung der Stadt Verona sind hierfür ein Beispiel. II. Überliefert sind zwei Veroneser Kommunalstatuten enthaltene lateinische Codices aus den Jahren 1228 und 1276. Die Handschriften fassten Veroneser Recht zusammen und hatten jeweils in nicht überlieferten Statutencodices ihre Vorgänger. Immer wieder wurden die rechtlichen Bestimmungen erweitert und umgeschrieben, so dass öfter eine Neuanlage der Statutengesetzgebung nötig war. Im Codex von 1276 (Codice Campostrini) wurde dabei das Material in fünf Büchern nach Sachgruppen aufgeteilt. Die Inhalte der beiden Codices geben vergleichenden Aufschluss über die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Veroneser Kommune im 13. Jahrhundert. III. Politisch war Verona seit dem 12. Jahrhundert ein kommunal sich selbst verwaltendes Gemeinwesen mit für bestimmte Zeiträume gewählten Funktions- und Amtsträgern. Im 1. Drittel des 13. Jahrhunderts erschütterten adlige Parteikämpfe die Stadt (Grafen von San Bonifacio <-> Montecchi); in den 1220er-Jahren gelang es Ezzelino III. da Romana (†1259), einem Anhänger der staufischen Herrscher, durch Ausschaltung der Adelsparteien als Podestà und Rektor von Verona die Stadt in seinen Herrschaftsbereich, der Marca Trevignana, einzubeziehen. Niederlage und Tod Ezzelinos gegen ein Bündnis der Markgrafen von Este in Mantua und der Grafen von San Bonifacio (1259) ließen die Parteikämpfe in Verona wiederaufflammen, wobei sich letztlich der unter Ezzelino erstarkte Popolo durchsetzen konnte (Friedensvertrag zwischen Verona und Mantua 1272). Die Kämpfe der 1260er - und 1270er-Jahre machten den Aufstieg der Scaliger unter Mastino della Scala (†1277) möglich. Als Podestà der Kommune trat Mastino 1259 in Erscheinung, zudem war er zwischen 1262 und 1269 Podestà der domus mercatorum, des Zusammenschlusses der Einzelzünfte, in der popularen Ausgestaltung der Veroneser Kommune (gesetzgebendes, den Podestà [potestas populi] wählendes consilium gastaldionum als "Rat der Zunftvorsteher", consilium generale als "Stadtrat" [einschließlich der Zunftvorsteher, Anzianen und dem Rat der Achtzig], von den Zunftvorstehern gewählte Anzianen, die von den Anzianen gewählten statutarii als Funktionsträger zur Ausarbeitung der Gesetze). Die Scaliger sicherten sich das Amt des Podestà der domus mercatorum auch nach 1269, sie bauten damit ihr Herschaftsystem einer "informellen Signorie" über Verona auf. Mit der Ermordung Mastinos (1277) errichtete dessen Bruder Alberto (†1301) die Signorie der Scaliger auch formal [bis 1387]; Alberto wurde auf Lebenszeit berufen zum "Generalkapitän" der Zünfte und des Veroneser Popolo (capitaneus generalis populi Verone). Das Amt des "Generalkapitäns" war mit weitreichenden Vollmachten verbunden, u.a. was die Freiheit in Hinblick auf die Veroneser Statutengesetzgebung anbetraf; geringe Rechte besaß noch das consilium gastaldionum, das die Wahl des Podestà unter Vorsitz des Generalkapitäns durchführte. IV. Die im Codice Campostrini enthaltenen Statuten und Ergänzungen sind dann auch ein Beleg für die "Selbstdarstellung" der "informellen" und formellen Scaligerherrschaft über Verona. Sie regeln im Sinne der Signorie eine (theoretisch) auf iustitia, concordia und pax ausgerichtete städtische Politik. Diese erschließt sich durch die Kommunalstatuten und durch andere Zeugnisse kommunaler Schriftlichkeit. Kommunale Politik, Verwaltung und Rechtsprechung offenbarte sich in den schriftlichen Bestimmungen zur: städtischen Lebensmittelversorgung (contado: regule seu sortes als landwirtschaftliche Pacht- und Nutzungsgemeinschaften; Warenimporte; Regelungen zum Warentransport und zum städtischen Markt ["Marktordnung": curatores mercati, bannitores, sigillatores]), städtischen Finanzverwaltung (Schatzamt [unter Führung Geistlicher, Buchführung]; Strafzahlungen [tall[i]e] und "Bannbücher" [libri bannorum]; kommunaler Grundbesitz [Grundstückverzeichnisse und Buchführung]; Vermögenssteuer [pro estimo]; Steuerpflicht im contado [Landgemeinden, Adel, Klerus], zeitweilige Steuerbefreiung für forenses, Erfassung individueller Vermögenswerte, Steuereinziehung und -abgaben [abhängig vom Bedarf der Stadt und Landgemeinden]), städtischen Gerichtsbarkeit (vereinfachter und beschleunigter Zivilprozess [summarisches Verfahren, Regelungen zum ordentlichen Prozessverlauf]) sowie in der Nutzung, Sammlung und Archivierung des städtischen Schriftguts (rechtliche Relevanz des Schriftguts für Verwaltung und Rechtsprechung; Sammeltätigkeit von Prokuratoren [Veroneser liber communis von 1184 als bis in die frühe Neuzeit existierendes Urkundenregister]; städtisches Archiv [archivum publicum unter der Leitung eines Notars, neben kirchlichen Archiven als Aufbewahrungsort für kommunale Schriftstücke]). [Buhlmann, 07.2020]

Lüttge, Felix (2020), Auf den Spuren des Wals. Geographien des Lebens im 19. Jahrhundert, Göttingen 2020, 280 S., zahlreiche Schwarzweißabbildungen, € 28,-. Wale, besonders Blauwale als größte Lebewesen der Welt, haben Menschen schon in frühgeschichtlicher Zeit in ihren Bann gezogen. Mit den ersten professionellen Walfängern wurden die gigantischen Meeressäuger zu Beginn des 17. Jahrhunderts auch zu einem bedeutsamen Wirtschaftsfaktor an den europäischen Atlantikküsten; der Walfang erlebte auch in den USA des 19. Jahrhunderts eine Blütezeit. Der Kulturhistoriker und Medienwissenschaftler Felix Lüttge untersucht in seiner 2020 erschienenen Dissertation "Auf den Spuren des Wals" nicht allein den wirtschaftlichen Aspekt des Walfangs, sondern stellt anhand einer großen Fülle unterschiedlichster Quellen (Tagebücher, Briefe, zoologische Abhandlungen, ozeanografische Karten) auch die Bedeutung des Walfangs für die Entwicklung der Geografie und die damit einhergehende kartografische Erschließung und Darstellung von Meeresströmungen, Küsten und Seewegpassagen heraus. Das 19. Jahrhundert ist, so stellt Lüttge unmissverständlich klar, nicht nur die Epoche eines rücksichtslosen Walfangs, der einige Walarten an den Rand des Aussterbens führte, sondern auch das Zeitalter der Entstehung einer neuen Wissenschaft, nämlich der Cetologie (Walwissenschaft). Diese beschäftigte sich in ihrer Frühphase zwar in erster Linie mit den jagdlichen und wirtschaftlichen Fragen rund um die gewaltigen Tiere, widmete sich aber recht bald auch dem Problem, diese zu klassifizieren und bildlich darzustellen; schließlich waren Wale für eine interessierte (und auch sensationslüsterne) Öffentlichkeit auf beiden Seiten des Atlantiks seit Mitte des 19. Jahrhunderts weitaus mehr als bloße Lieferanten von Öl, Tran, Fett und Fischbein. Die lebenden und erlegten Tiere stellten bis ins 20. Jahrhundert schon allein ob ihrer Größe ein Faszinosum dar. Wale ließen sich zwar erlegen, zerlegen und vielfältig nutzen, entzogen sich doch lange einer wissenschaftlichen Erforschung und erst recht einer Klassifizierung als Säugetiere. Aber nicht nur tier- und wissenschaftshistorisch ist Lüttges Buch lesenswert. Sozialgeschichtlich entsprach dem Leid der gejagten Tiere immerhin ein gesellschaftlicher Aufstieg von Personen aus diskriminierten Ethnien in den USA; der US-amerikanische Walfang des 19. Jahrhunderts bot den oft afroamerikanischen Crews auf den Schiffen eine der wenigen Chancen, zu wirtschaftlicher und sozialer Unabhängigkeit zu gelangen. Das Buch bietet bei allen überraschenden Aspekten einer Walgeschichte auch weithin Bekanntes, denn als literarische "Fremdenführer" durch die Welt des Walfangs bedient sich Lüttge Herman Melvilles Klassiker Moby Dick, aus dem er, obgleich das Werk seit vielen Jahrzehnten exzellent in Deutsche übersetzt ist, über weite Strecken aus dem englischen Original zitiert. Dies macht die Lektüre zwar ein wenig holprig, erlaubt dem Leser aber einen schönen Ausguck von den vertrauten Planken des Walfängers Pequod aus in die faszinierende Geschichte der Mensch-Wal-Beziehung. Leider sind die zahlreichen Karten und Diagramme viel zu klein, als dass sie von Nutzen sein könnten, und stehen in einem negativen Kontrast zum äußerst lesenswerten Text. [Bötefür, 11.2021]

Lugli, Giuseppe (1964), Forum Romanum. Palatin, Rom 1964 > R Rom

Luhr, James F. (Hg.) (2003), Die Erde. Die große Bild-Enzyklopädie, Starnberg 2004 > E Erde

Lukian (von Samosata), griechischsprachig-hellenistischer Schriftsteller: Lukian (*ca.120-†ca.180/200 n.Chr.) aus dem ostsyrischen Samosata lebte im römischen Reich der (hohen) Prinzipatszeit, war wohl auch Rhetoriker, dann Schriftsteller, Reisender und Lehrer (Athen, Olympia, Rom, Gallien), schließlich Verwaltungsbeamter des ägyptischen Präfekten in Alexandria, wo er wohl auch verstarb. Zahlreich sind die hauptsächlich satirischen, auch phantastischen Werke, die Lukian verfasste. Überliefert sind u.a. (in Übersetzung): Lukian, Parodien und Burlesken, hg. v. Emil Ermatinger u. Karl Hoenn (1948) (= BdAW GR 29), Zürich 1948, XXXVIII, 352 S., DM 9,80; Lukian, Hauptwerke, hg. v. Karl Mras (1954) (= TuscB), München 21980, 555 S., DM 20,-; Lukian, Alkiphron, Aristainetos, Hetären. Gespräche, Briefe, Epigramme, ausgew. v. Wilhelm Plankl (1958) (= Goldmann Klassiker 495), München 1958, 134 S., DM 1,-; Lukian, Das Hohelied der Freundschaft, hg. v. Erwin Steindl (1962) (= Lebendige Antike), Zürich 1962, 75 S., DM 1,-; Lukian, Zum Mond und darüber hinaus (Ikaromenippus), übers. v. Martin Wieland (1967) (= Lebendige Antike), Zürich 1967, 49 S., DM 3,-; Lukian, Werke, übers. v. Jürgen Werner u. Herbert Greiner-Mai (1981) (= BdA GR): Bd.1, XL, 547 S., Bd.2, 529 S., Bd.3, 636 S., Berlin-Weimar 21981, zus. DM 37,50; Lukian, Der Lügenfreund. Satirische Gespräche und Geschichten, ausgew. v. Wolfgang Ritschel (1988) (= TdW), Berlin-Weimar 1988, 400 S., DM 4,40. [Buhlmann, 12.2019]

Lukrez, Von der Natur der Dinge, übers. v. Karl Ludwig von Knebel (= Exempla Classica 4), Frankfurt a.M.-Hamburg 1960, 261 S., DM 2,20 > Lateinische Literatur > L Lukrez

Lukrez: Titus Lucretius Carus, Welt aus Atomen. Lateinisch-Deutsch, hg. v. Karl Büchner (= RUB 4257-59/59a-e), Stuttgart 1973, 636 S., DM 10,40 > Lateinische Literatur > L Lukrez

Lund, Allan A. (1998), Die ersten Germanen. Ethnizität und Ethnogenese, Heidelberg 1998 > G Germanen

Lurija, Alexander R. (1992), Das Gehirn in Aktion. Einführung in die Neuropsychologie (= rororo 9322), Reinbek 1992 > G Gassen, Gehirn

Luther, Martin, deutscher Reformator: Geboren wurde Martin Luther (Luder) am 10. November 1483 in Eisleben (in der Grafschaft Mansfeld) als Sohn des Bergunternehmers Hans Luder und dessen Ehefrau Margarete; Martin bekam den Namen des Tagesheiligen vom 11. November, des heiligen Bischofs Martin von Tours. Die Strenge der elterlichen Erziehung, Verantwortung und Selbstständigkeit als Ältester unter seinen Geschwisters prägten Martin schon früh. Seine schulische Laufbahn begann in der Mansfelder Trivialschule und führte über die Magdeburger und Eisenacher Lateinschule zum studium generale nach Erfurt. Durch die Frömmigkeit der devotio moderna, aber auch durch den Humanismus beeinflusst, der universitäten Scholastik reserviert gegenüberstehend, auf alle Fälle in einer existenziellen Grundhaltung verortet, beendete Luther sein Jurastudium, kaum dass es begonnen hatte (Sommersemester 1505). Die Studien- und Lebenskrise Luthers, die Unzufriedenheit mit seinem Leben beeinflussten aufs Stärkste die Bekehrung des sich in Todesgefahr wähnenden jungen Mannes auf einem Feld vor dem Dorf Stotternheim (Anfang Juli 1505). Luther trat daraufhin in das Kloster der Augustineremiten in Erfurt ein (Schwarzes Kloster der strengen Observanz, Augustinerregel). Hier machte Luther Ordenskarriere (Subdikakonat-, Diakonatsweihe 1506/07, Priesterweihe 1507), gefördert u.a. durch den Generalvikar und Beichtvater Johannes von Staupitz. Zur Ordenskarriere gehörte auch Luthers Studium der Theologie, mit dem er 1508 in Wittenberg begann und durch das er alsbald in den Kreis der Lehrenden der Philosophie und Theologie aufrückte (baccalaureus biblicus 1509) und - nach einem Studienaufenthalt in Erfurt - zum Doktor der Theologie promoviert wurde (Oktober 1512). Dabei reflektierte Luther sein Leben in Seelenqual und Leistungsfrömmigkeit immer wieder (Beichten, Verhältnis zu Gott, göttliche Gnade, Bibellektüre). Im Dienst des Ordens gelangte Luther auf seinen ihm aufgetragen Missionen bis nach Rom (1510/11) und wurde Subprior des Ordens, schließlich sächsisch-thüringischer Provinzialvikar (1515/18; Gründung des Augustinerklosters Eisleben 1515/16, Visitationsreise 1516). In der Residenz- und Universitätsstadt Wittenberg, "an den Grenzen der Zivilisation", übte Luther unter dem sächsischen Herzog und Kurfürsten Friedrich den Weisen (1486-1525) das Amt eines Theologieprofessors aus (Studienreform 1517/18, Professuren für Griechisch [Philipp Melanchthon] und Hebräisch), gestützt von einem Netz aus Freunden und Bekannten (Georg Spalatin, Philipp Melanchthon, Lucas Cranach u.a.). Dieses Netzwerk und Personengeflecht - auch abseits des "Elfenbeinturms" von Universität und Mönchtum - stand hinter ihm, als nach dem Anschlag der berühmten 95 Ablassthesen an der Wittenberger Schlosskirche (?, 31. Oktober 1517) Luther in den Mittelpunkt theologischer Diskussion und reformatorischer Publizistik rückte. Der Thesenanschlag war Resultat seiner theologischen Vorlesungen und eines Erkenntnisprozesses, der zum Bruch mit der herkömmlichen Theologie führte (Ablassthesen, reformatorische Theologie als neues Gottes- und Menschenbild [Betonung des Glaubens an Christus und der Seligwerdung dadurch, Betonung der göttlichen Gnade, Ablehnung der Leistungsfrömmigkeit und damit des Ablasses zu Gunsten einer Gnadenfrömmigkeit]; Wittenberger Palmsonntagspredigt, Brief Luthers an Staupitz 1518). Die Ablasskontroverse, die sich im Thesenanschlag niederschlug, war dabei nur eine erste Etappe (Petersablass des Dominikanerpaters Johannes Tetzel in Kurbrandenburg und im Erzbistum Magdeburg, Ablassdisputation), ebenso der Druck von Luthers Thesen, die rasch nicht nur im Gebiet des römisch-deutschen Reiches u.a. durch Humanisten und Intellektuelle Verbreitung fanden. Durch die Ablassthesen befreite sich Luther auch von seinen Ängsten und seiner Selbstbezogenheit; er wurde ein der Sache auf den Grund gehender Disputator, behauptete sich gegen seine nicht nur theologischen Widersacher und nutzte wirkungsvoll die (wissenschaftliche, lateinische, deutsche) Publizistik zur Verbreitung der durch ihn in Erkenntnisetappen entwickelten Theologie der Reformation in der allgemeinen Öffentlichkeit (Namensänderung von Luder zu Luther, Verwendung einer polemischen, robusten deutschen Sprache; Gnadenlehre und Sündhaftigkeit des Menschen, Freiheitstheologie, Gegenwart eingebunden in die christliche Heilsgeschichte). Auf Seiten der katholischen Amtskirche rief dies natürlich Widerstand hervor; ein Häresieprozess gegen Luther kam in Gang (September 1518), Luthers Leben war bedroht (psychosomatische Erkrankungen). Umgekehrt wurde Luther - je tiefer er in seine Theologie eindrang - zu einem "radikalen Gegner" von Papst und Kirche (causa Lutheri in der katholischen Amtskirche, Augsburger Religionsgespräch mit Kardinallegat Thomas Cajetan [Oktober 1518], Bruch mit dem Papsttum 1519); mehr und mehr wurde der Medici-Papst Leo X. (1512-1522) zum Gegenpart Luthers. Zunächst bestand Luther die Heidelberger Disputation vor dem Generalkapitel der Augustinereremiten, wo er auf Zustimmung stieß (April 1518); eine Niederlage erfuhr er hingegen bei der Leipziger Disputation gegen den Theologen Johannes Eck (Juni/Juli 1519). In den folgenden Jahren (1520/21) war Luther publizistisch und mit Erfolg aktiv: An den christlichen Adel deutscher Nation. Von des christlichen Standes Besserung, Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche, Von der Freiheit eines Christenmenschen (1520) entwickelten sich dank der damaligen Druckkunst zu viel gelesenen "Bestsellern". Nach der päpstlichen Bannandrohungsbulle Exsurge Domine (24. Juli 1520) und der Verurteilung Luthers als Ketzer durch die Bulle Decet Romanum Pontificem (18. Januar 1521) ging es aber Luther vornehmlich darum, sich selbst zu verteidigen. Die causa Lutheri war mittlerweile schon eine hochpolitische Angelegenheit auf der Ebene von Kaiser und Reich geworden, Kaiser Karl V. (1519-1556) musste im Rahmen der Reichsverfassung Rücksicht nehmen auf die mit Luther sympathisierenden Reichsstände (Beschwerdekatalog Gravamina Deutscher Nation), insbesondere auf den sächsischen Kurfürsten. So kamen Kaiser und Reformator auf dem Wormser Reichstag zusammen; Luther - der Gnade Gottes eingedenk und der prophetischen Richtigkeit seiner Lehre gewiss, auch seinem Gewissen folgend - widerrief in den öffentlichen Anhörungen nicht (17./18. April 1521), Nachverhandlungen erbrachten ebensowenig; als die Acht gegen Luther als kaiserliches Edikt verlesen (24. Mai) und vom Kaiser unterschrieben (26. Mai) worden war, befand sich der vermeintliche Häretiker schon sicher auf der Wartburg bei Eisenach (Mai 1521-Februar 1522; "Junker Jörg"). Der Wormser Reichstag wurde indes zu der wichtigen Weichenstellung auf dem Weg zur Reformation (nicht nur) im Reich, diese definierte mit ihrer kirchlich-theologischen Erneuerung eine neue christliche Konfession. Den Aufenthalt auf der Wartburg nutzte Luther unterdessen zu verstärkter Publizistik, wie die Streitschrift Wider den Abgott von Halle, die Traktate De abroganda missa privata, Vom Mißbrauch der Messe, Themata de votis, De votis monasticis iudicium Martini Lutheri sententia oder die Wartburgpostille als Sammlung von Predigttexten zeigen. Der Verwendung der Volkssprache Deutsch als Sprache der Reformation im Reich entsprach die auf der Wartburg von Luther angefertigte Bibelübersetzung des Neuen Testaments als für alle Christen zugängliches Sprachkunstwerk (Dezember 1521-März 1522, Veröffentlichung im September 1522), gefolgt von der des Alten Testaments (Sommer 1522-Oktober 1523/September 1534; Philipp Melanchthon, Matthäus Aurogallus, Bibelkommission und Revisionen der Übersetzungen; Wittenberger Gesamtbibel von 1534). Publizistik und Bibelübersetzung, auch die Person Luthers führten dazu, dass die reformatorische Bewegung weiter um sich griff, nicht immer so, wie Luther sich das vorstellte (Reformation durch Überzeugung <-> Reformation und Aufruhr [Karlstadt, Zwickauer Propheten, Thomas Müntzer, Bauernkrieg 1524/25]), aber immer mit Unterstützung und Rückendeckung durch den sächsischen Kurfürsten und mit zunehmender Anlehnung an die Obrigkeiten, im (gerade innerreformatorischen) "Kampf um die Deutungshoheit" der Reformationsbewegung, der einen beschädigten und zum Teil auch nachdenklichen Luther hinterließ. In dieser Zeit heiratete Luther die aus dem Nimbschener Kloster Marienthron entflohene, mittellose Katharina von Bora (15. Juni 1525), die mit ihrer Eigenständigkeit und Tüchtigkeit Luther zuneigend und liebend unterstützen sollte (eheliches Sexualleben <-> priesterliches Zölibat; "mein Herr Käthe", wirtschaftliche Aktivitäten der Ehefrau, geringes Einkommen Luthers [Grundbesoldung als Professor, Verzicht auf Hörergeld, Verzicht auf Buchhonorare, Naturalienlieferungen], Luthers "ganzes [privates, öffentliches] Haus" im ehemaligen Wittenberger Schwarzen Kloster als Großhaushalt, als Professoren- und Theologenhaushalt [Luthers Tischgespräche], Wohlstand der Familie Luther [Türkensteuerjahr 1542]). Aus der Ehe Luthers mit Katharina gingen ab 1526 sechs Kinder, vier Jungen und zwei Mädchen (Magdalene als Lieblingskind Luthers), hervor, von denen einige im Kindesalter starben (Kindererziehung als Glaubenssache; Vom ehelichen Leben). Die (Ehe-) Jahre ab 1525, nach der Zäsur des Bauernkriegs, nutzte Luther zur "evangelischen Erneuerung von Kirche und Gesellschaft". Längst war die Reformation religiös und politisch in Deutschland etabliert, Luthers "Wiederentdeckung des reinen Evangeliums" konnte zwar die (katholische) Gesamtkirche nicht verändern, doch die Reformation im Kleinen, in den Territorien und (Reichs-) Städten trug Früchte (Bürgertugenden und Reformation, Seelsorge und Predigt [Luther als Prediger über Wittenberg hinaus, Predigt als Pflicht, Reisen Luthers, Wittenberg als "protestantische Kathedralstadt Luthers"]). Indessen kamen Kontroversen um die reformatorische Theologie auf (Diskussion mit Erasmus von Rotterdam um die Willensfreiheit eines Christen); der Streit um Abendmahl und Taufe (Marburger Religionsgespräch 1529 [Landgraf Philipp von Hessen, Martin Bucer, Ulrich Zwingli]) führte gar zu einer nur mühsam überdeckten theologischen Spaltung im Protestantismus. Trotzdem war es auf Dauer Luther und dessen rigorosem Zupacken zu verdanken, dass das reformatorische Kirchenwesen - abgetrennt von der katholischen Amtskirche - zu einem soliden Fundament einer konfessionell-partikularen Kirche wurde (evangelische Ordnungsarbeit/-entwürfe [und mittelalterliche Reform], Gemeindekirchen, lutherische Kirche und Obrigkeiten [Landesherren, Stadträte] <-> christliche Universalreformation). Luthers Kleiner Katechismus (1529) diente dabei als Leitfaden für die Gläubigen (zehn Gebote, Glaubensbekenntnis, Vaterunser, Sakramente [Taufe, Buße, Abendmahl]). Die auf der Grundlage des reformatorischen Denkens und der Theologie Luthers entstandenen Konfessionskirchen und damit einhergehend eine Konfessionskultur waren indes bedroht auf der politischen Ebene des römisch-deutschen Reiches. Der Speyrer Reichstag (1529) hatte wieder die Acht über Luther verhängt, was den Protest der Luther anhängenden Reichsstände hervorrief (-> Protestanten). Der Augsburger Bekenntnisreichstag (1530) führte zur Confessio Augustana als (wittenbergischer) Glaubensgrundlage und Bekenntnisschrift der Protestanten (maßgeblich formuliert durch Philipp Melanchthon), offenbarte aber auch die Unüberbrückbarkeit der reformatorischen und katholischen Standpunkte (Reichstag als ein Beginn des konfessionellen Zeitalters -> Augsburger Reichstag von 1555). Politisches drängte demgemäß bei Luther in den Vordergrund (Von welltlicher Uberkeytt, wie weyt man yhr gehorsam schuldig sey 1523, Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können 1526, Türkenkriegsschriften 1529/30), besonders nach dem für die Protestanten so ungünstigen, vom Kaiser befürworteten Augsburger Reichstagsabschied. Die Formulierung eines von Luther nur teilweise getragenen protestantischen Widerstandsrechts bildete die Grundlage zur politischen Formierung des Schmalkaldischen Bundes als Militärbündnis der protestantischen Reichsstände (1530/31). Höchst politisch waren auch Vorgänge im dem Kurfürstentum benachbarten sächsischen Herzogtum, das katholisch bleiben sollte (1534). Im Fehdefall des Michael Kohlhase riet Luther zur Mäßigung (1534). Luther unterstützte auch die militärischen Aktionen gegen das Täuferreich in Münster (1534/35; Dass weltliche Oberkeit den Wiedertäufern mit leiblicher Strafe zu wehren schuldig sei. Ettliche Bedenken zu Wittenberg 1535). U.a. das konfessionspolitische Verhalten der Protestanten gegenüber dem 1536 von Papst Paul III. (1534-1549) nach Mantua einberufenen Konzil erforderte ein Bekenntnis des Reformators Luther; das Testament der Religion halben ("Schmalkaldische Artikel") war Grundlage des Schmalkaldischen Bundestags (Februar 1537); Luther selbst war damals nach einem Herzinfarkt ernsthaft erkrankt (Blasen- und Nierenleiden). Schwierigkeiten bereitete auch die von den Reformatoren letztlich gebilligte Doppelehe des Landgrafen Philipp von Hessen (1539/40). Am Ende seines Lebens meldete sich Luther nur noch wenig zu Wort; seine eschatologisch zu deutenden Predigten und Schriften gegen die Türken (1541/42) sind hier zu nennen, ebenso sein antijüdisches Verhalten (Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei 1523, Josel von Rosheim 1536) und Luthers letzte Predigten gegen Türken, Juden (als Andersgläubige) und den Teufel. Dem entsprach, dass jenseits von Religion, Theologie oder Weltpolitik der private Martin Luther konservativ und unreflektiert blieb, was seine Einstellung gegenüber Minderheiten, der Wirtschaft oder der gesellschaftlichen Ordnung anbetraf. Ein wirtschaftliches (und familiäres) Anliegen war es jedenfalls, als der gesundheitlich stark angegriffene Luther im Winter 1545/46 sich in Eisleben um den Mansfelder Bergbau kümmern sollte, eine wortgewaltige Predigt in Halle mit eingeschlossen. Eine Einigung war erzielt, als Luther einen Schwächeanfall erlitt (17. Februar) und schließlich am 18. Februar 1546 im Kreise der jüngeren Söhne, einiger Diener sowie des Grafen und der Gräfin von Mansfeld verstarb. Der Tod löste Trauer und Bestürzung in der Grafschaft Mansfeld und in Kursachsen aus, ein erstes Trauerzeremoniell fand in der Eislebener Andreaskirche statt, seine Grablege fand der Leichnam Luthers in der Wittenberger Schlosskirche. Auf protestantischer Seite sollte das Sterben Luthers im Umfeld von aufkommender Luthermemoria und protestantischem Selbstverständnis (Selbstvergewisserung) idealisiert werden. Und Kaiser Karl V., der Sieger im Schmalkaldischen Krieg (1546/47), besuchte nach der Einnahme Wittenbergs das Grab Luthers (Mai 1547). Doch die Glaubenstreue der protestantischen Fürsten, die Verankerung des Luthertums in den Territorien und Bürgerstädten siegte auch über das Augsburger Interim des Kaisers (1548), der letztendlich nach einem Fürstenaufstand (1552) die Konfessionalisierung des Reiches (und Europas) anerkennen musste. Mit Luther (und Karl V.) begann die gegenüber dem Mittelalter veränderte Neuzeit (Ende des mittelalterlichen Universalismus von Kirche und Kaisertum; politische und kulturelle Neuordnung Europas als Erfolg Luthers, geschuldet gerade auch seinem Auftreten auf dem Wormser Reichstag [Konfessionskultur(en), Pluralismus und Intoleranz, Religion und Politik]) (nach: Schilling, Luther).
An Schriften Luthers seien genannt: Luther, Martin (1517/38), Die reformatorischen Grundschriften (in vier Bänden), hg. v. Horst Beintker (1983), Bd.1: Gottes Werke und Menschenwerke (= dtv 6125), München 1983, 182 S., Bd.2: Reform von Theologie, Kirche und Gesellschaft (= dtv 6126), München 1983, 176 S., Bd.3: Die Gefangenschaft der Kirche (= dtv 6127), München 1983, 168 S., Bd.4: Die Freiheit eines Christen (= dtv 6128), München 1983, 119 S., zus. DM 20,-. Aus der zahlreichen Literatur über Martin Luther seien erwähnt die Biografien: Ahrens, Donald (1982), Die Wittenbergisch Nachtigall. Skizzen aus dem Leben Martin Luthers (= Bastei-Lübbe 60072), Bergisch Gladbach 21983, 251 S., Abbildungen, DM 8,80; Badstübner-Gröger, Findeisen, Peter (1983), Martin Luther - Städte, Stätten, Stationen. Eine kunstgeschichtliche Dokumentation, Leipzig 1983, 300 S., Itinerar, Schwarzweißabbildungen, Schwarzweiß-, Farbtafeln, M 62,- (zeigt als [kunstgeschichtlich bedeutsame] Aufenthaltsorte Luthers während dessen gesamten Lebens (Kindheit, Jugend, Ausbildung, Studium, Reisen, Reichstag, Predigtaufenthalte, Residenzstädte) an: Altenburg, Augsburg, Coburg, Eisenach, Eisleben, Erfurt, Gotha, Grimma, Halle, Heidelberg, Hersfeld, Jena, Kemberg, Leipzig, Luthergrund b. Altenstein, Magdeburg, Mansfeld, Marburg, Möhra, Neustadt a.d. Orla, Rom, Saalfeld, Schmalkalden, Torgau, Wartburg, Weimar, Wittenberg, Worms); Bainton, Roland (1950), Martin Luther. Rebell für den Glauben (= Heyne Biographien 103), München 21983, 463 S., DM 2,-; Gronau, Dietrich (1996), Luther. Revolutionär des Glaubens (= Focus Edition Biographien), Kreuzlingen-München 2006, 202 S., € 4,95; Kaufmann, Thomas (2006), Martin Luther (= BSR 2388), München 2006, 128 S., Abbildungen, € 7,90; Korinth, Helmut ([o.J.]), Dr. Martin Luther. Lebenslauf, Reformation und Augsburgische Konfession, Hamburg o.J. [5ca.1988], 16 S., DM N.N.; Lilje, Hanns (1964), Martin Luther. Eine Bildmonographie, Hamburg 1964, 240 S., Schwarzweißabbildungen, DM 22,50; Manns, Peter (1982), Martin Luther. Der unbekannte Reformator. Ein Lebensbild (= Herder Tb 1188), Freiburg-Basel-Wien 1985, 303 S., Schwarzweißabbildungen, Zeittafel, DM 9,90; Schilling, Heinz (2012), Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs, München 2012, 714 S., Schwarzweißabbildungen, Karten, € 29,95. Die Luther-Rezeption war und ist vielfältig (gerade auch zum 500. Jahr der Reformation 2017): Dieckmann, Guido (2003), Luther. Roman (= AtV 2000), Berlin 2003, 375 S., Farbtafeln, € 8,95. > W Wormser Reichstag (1521) [Buhlmann, 03.2006, 08.2017, 09.2019, 11.2020, 05.2021, 06.2022, 02.2023, 04.2023, 08.2023]

Lutz, Friedrich (1933), Die erste Klostergründung in Hirsau, in: WVjhLG 39 (1933), S.25-72 > H Hirsau

Lux, Thomas, Das Stift Essen. Grundzüge seiner Geschichte von der Mitte des 9. Jahrhunderts bis zum Jahre 1495, in: Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet, 2 Bde. (= Ausstellungskatalog), hg. v. Ferdinand Seibt, Essen 1990, Bd.2, S.23-27 > E Essener Frauenstift

Intro A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z