Quellen zur Kaiserswerther Geschichte

1215 November 20, Rom (Lateran):

Bericht über das Vierte Laterankonzil

Ein Bericht zum Vierten Laterankonzil (11.-30. November 1215) findet sich in einer ehemals dem hessisch-thüringischen Zisterzienserkloster Haina gehörenden, heute an der Giessener Universität beheimateten Handschrift und hält aus der Sicht eines unbekannten, aber aus Deutschland stammenden gelehrten Zisterziensermönchs das Geschehen beim Laterankonzil fest. Im Zusammenhang mit Kaiserswerth ist der Abschnitt über die zweite feierliche Sitzung von Belang, wird doch hier die Gefangennahme des Münsteraner Bischof Ottoserwähnt und damit indirekt Bezug auf die erste Belagerung Kaiserswerths (1214/15) genommen.

8. Am Freitag nach der Oktav des Martin [20.11.] wurde wiederum das Konzil feierlich begangen, wobei zuerst der Bischof von Palermo einen Brief des Königs Friedrich vorlas und später eine Rede für diesen hielt. Danach forderten gewisse Mailänder, Gesandte des ehemaligen Kaisers Otto mit Heftigkeit, den Brief dieses Otto anzuhören. Darüber beschwerten sich viele Erzbischöfe und Bischöfe, Äbte und Geistliche - Prälaten ohne Zahl - und besonders der Markgraf von Montferrat, der forderte, diese Gesandten aus drei Gründen nicht anzuhören: Erstens, weil sie meineidig seien. Zweitens, weil sie Häretiker begünstigten. Drittens, weil sie diesen Markgrafen aufgefordert hatten, sich zu entehren, um auch den Herrn Otto zu unterstützen, während er sich diesen in keiner Weise zu- und sich auch nicht von der Exkommunikation des Herrn Papstes abwendete. Dass aber der Herr Otto nicht [von der Exkommunikation] losgelöst werden kann, [ergibt sich] aus 7 Gründen: Erstens, weil derselbe Otto einmal meineidig war - schon die Sache mit dem Meineid würde ihn von einer Absolution ausschließen. Zweitens, weil er die der römischen Kirche zugefügten Schäden nicht ausgeglichen habe. Drittens, weil er den König Friedrich angegriffen und dessen Güter besetzt habe, die dieser von der römischen Kirche innehatte, und das Besetzte bis jetzt zurückgehalten habe. Viertens, dass er den Münsteraner Bischof gefangen genommen habe. Fünftens, weil er das Kloster Quedlinburg zerstört und dort eine Burg errichtet habe. Sechstens, weil er den König Friedrich, den die Fürsten des Reiches als Kaiser gewählt hatten, spöttisch als Pfaffenkönig bezeichnet habe. Siebtens, weil er den exkommunizierten und abgesetzten Bremer Bischof mit den Regalien ausgestattet habe.

9. Endlich wies der Herr Papst diesen Markgrafen und die anderen, die sich gegen den Herrn Otto aussprachen, an zu schweigen und sagte, dass deswegen das heilige Konzil veranstaltet werde, damit der Schuldige und der Unschuldige gleichwie der Reiche und der Arme dort gehört werden. Auch fügte er hinzu, dass wenn der Teufel Reue empfinden könne, er sicher [hier] gerettet werden müsse. Und in lateinischer Sprache, in der er am beredtesten war, begann er, die vorgenannten Ausführungen des Markgrafen zu erläutern. Nachdem dies geschehen war, trat Stille ein, und es wurde der Brief des Herrn Otto, des einstigen Kaisers, vorgelesen mit der vorausgeschickten Begrüßung in der Art: 'Den ehrwürdigen Herren Kardinälen, Erzbischöfen, Bischöfen, Prälaten und dem ganzen Konzil Otto, durch die Gnade Gottes Kaiser und allzeit Augustus, Heil im Herrn und den Erweis guten Willens.' Im Folgenden bat er demütig, dass sie [die Teilnehmer des Konzils] sich für seine Absolution beim Herrn Papst einsetzen sollten, weil er ja Reue empfinde dafür, dass er gesündigt habe, und er [im Falle der Absolution] zu den [päpstlichen] Befehlen stehen wolle, die seine Gesandten für ihn beeiden würden.

10. Nachdem der Brief vorgelesen und sorgfältig angehört worden war, antwortete der Vorleser dieses [Briefes] auf jeden einzelnen Vorwurf des Markgrafen. Gegen den ersten, nämlich dass die Gesandten meineidig seien, in der Art, dass dies nicht wahr sei, und sie wollten dies sofort beweisen. [Auf den Vorwurf,] dass sie Häretiker begünstigten, antwortete er in gleicher Weise, dass dies nicht wahr sei, weil ja wo auch immer Häretiker bei diesen erkannt wurden, sie [die Bewohner der Städte] entweder diese mit Gewalt aus ihrer Gemeinde vertrieben oder die, die diese in ihren Häusern beherbergten, mit der ganzen Stadt und dem Bischof mit dem Kreuz verbannt und deren Häuser zerstört hätten; es war [zudem] notwendig, dass jene, die diese beherbergten, 10 Pfund [Silber] gaben. Zum dritten [Vorwurf] antwortete er so, dass sie [die Gesandten] diesen Markgrafen, wie er sagte, in ihre Gemeinschaft hinüberziehen wollten, unbeschadet der ganzen geschuldeten Ehrerbietung dem apostolischen Stuhl gegenüber. Gegen die dem Herrn Otto vorgehaltenen [sieben] Punkte führte er folgendermaßen aus: Zum ersten [Punkt], nämlich dass derselbe Otto meineidig sei, [sagte er] so: 'Heiliger Vater, es ist [nur] dir bekannt, dass dieser entweder meineidig ist oder nicht.' Der Papst antwortete, dass ihm das [nämlich der Meineid Ottos] bekannt sei. Darauf [sagte] jener: 'Daher empfindet er Reue, heiliger Vater, dass er meineidig gewesen war. Er erbittet die Gunst und er bietet Genugtuung. Also muss er rekonziliert werden.' Zum zweiten [Punkt], dass die Schäden [der römischen Kirche] nicht ausgeglichen werden konnten, antwortete er, dass die Mailänder, Piacentiner und die anderen Städte, die ihm [Otto] verbunden sind, bereitstehen, durch Eid, Treueschwur und Geiseln für alle Schäden, die der Kaiser der römischen Kirche angetan hat, Genugtuung zu leisten. Darauf antwortete der Papst, dass obwohl alle jene Städte zwar am reichsten sind, indes sie in keiner Weise den durch diesen Otto der römischen Kirche verursachten Schaden auszugleichen vermögen. Dazu, dass er [Otto] das Kloster in Quedlinburg zerstört hätte, antwortete [der Gesandte], dass er [Otto] das Kloster nicht zerstört habe, aber eine Burg errichtete, die auf dem Berg oberhalb des Klosters liegt, weil er fürchtete, dass [das Kloster] von seinen Feinden erobert werde; und deswegen erfahren Kirche und Nonnen von daher kein Übel. Nach den anderen [Punkten], bei denen [der Gesandte] diesen Otto nicht völlig entschuldigen konnte, forderte er endlich bei diesen wie bei den voraufgegangenen [Punkten] für diesen [Otto] Gnade und die Wohltat der Absolution. Und dies geschah auf diese Weise in der zweiten feierlichen Session des Konzils. [Buhlmann]

Bericht eines Zisterziensermönchs des Klosters Haina. - Kuttner, S., García y García, A., A New Eyewittness Account of the Fourth Lateran Council, in: Traditio 20 (1964), S.115-178, hier: S.115f, 119-123, 126f.